Beobachtungshilfen - Volksschule Enzesfeld Lindabrunn

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BEOBACHTUNGSHILFEN FÜR SCHULANFÄNGER
Es ist wieder so weit! Die Schulanfänger betreten mit gemischten Gefühlen das neue
Schulgebäude, manche von ihnen sind etwas nervös: „Was wird auf mich
zukommen?“ Die Gefühlszustände mancher Eltern sind sehr ähnlich. Zum ersten Mal
im Leben des Kindes werden Leistungen gefordert. Zum ersten Mal befindet sich das
Kind in einer Gruppe, wo Vergleiche zwischen den Kindern leichter möglich sind.
Viele stellen sich die bange Frage, ob ihr Kind die für das schulische Lernen
notwendigen Voraussetzungen mitbringt. Aber auch auf die Lehrpersonen der 1.
Schulstufe warten umfassendste Aufgaben. Wenn Kinder in die Schule kommen,
haben sie bereits sechs Lebensjahre gehört, gesprochen, geschaut, gerochen und
gefühlt. Sie sind keine „tabula rasa“, sondern bringen die unterschiedlichsten
Vorerfahrungen in die Schule mit.
In der Folge werden Beobachtungshilfen für Schulanfänger aufgelistet. Es finden
jene umfassenden Bereiche Berücksichtung, die als Grundvoraussetzungen des
Lernens betrachtete werden können. Für problemloses Schreiben ist neben der
altersgemäß entwickelten Wahrnehmungsfähigkeit eine differenzierte Grob- und
Feinmotorik eine grundlegende Voraussetzung.
Diese Auflistungen sind lediglich als Anregungen und Beobachtungshilfen für den
körperlichen, sozial-emotionalen und kognitiven Entwicklungsbereich zu sehen, um
die der Folge gezielte und individuelle Förderungen durchführen zu können. Es
werden keineswegs Ansprüche auf Vollständigkeit erhoben.
I.
Körperliche Schulfähigkeit
Früher glaubte man, dass das Erreichen eines bestimmten körperlichen
Entwicklungsstandes die Schulreife anzeige. Hatte ein Kind die so genannte
„Schulkindform“ erreicht, so setzte man dies mit psychischer Schulreife gleich. Auf
Grund der allgemeinen körperlichen Akzeleration haben diese Aussagen heute keine
Gültigkeit mehr. Verschiedenste Bereiche subsumieren sich im Bereich körperlicher
Schulfähigkeit.
1. Grobmotorik und Feinmotorik
Die motorischen Leistungen im Alter des Schuleintrittes gewinnen zunehmend an
Sicherheit
(Bewegungskoordination,
Reaktionsgeschwindigkeit).
Körperliche
Geschicklichkeit ist ein unerlässlicher Bestandteil der allgemeinen Leistungsfähigkeit.
Die Entwicklung der Intelligenz hängt eng mit der Bewegung des Kindes zusammen.
Die Funktionsfähigkeit des Gleichgewichtssystem ist aber nicht nur für die motorische
Entwicklung entscheidend, sondern auch für die Entwicklung der Raumwahrnehmung und Raumorientierung.
Möglichkeiten zur Überprüfung der Grobmotorik
 Beim Begehen einer Treppe werden die Beine abwechselnd benützt
 Treppen ohne Festhalten besteigen
 Koordination von Bewegungsabläufen: Ball werfen und fangen, 2 Schritte gehen, 1x
klatschen
 Verschiedene Körperstellungen richtig nachmachen
 Schwebende Seifenblasen mit beiden Händen zerplatzen
 Ohne Hilfe der Hände aus dem Schneidersitz aufstehen
 Ohne beobachtbare Schwierigkeiten rückwärts gehen
 Gleichgewicht auf einem Bein stehend halten
 Linken Arm nach vorn strecken, rechtes Bein nach hinten strecken – ca. 5 Sekunden
 Einen Fuß genau vor den anderen setzen – vorwärts und rückwärts (Zehen ganz
genau an die Ferse setzen)
 Fortlaufend mit geschlossenen Füßen ca. 10 Meter hüpfen
 Hinknien und wieder aufstehen, ohne die Hände zu benützen
 Springen über Gegenstände (Springschnur, Zeitung)
 Auf ein akustisches und optisches Signal sofort stoppen
Möglichkeiten zur Überprüfung der Feinmotorik
 Aus- und anziehen verschiedener Kleidungsstücke (Socken, Handschuhe, Knöpfe
und Reißverschlüsse zumachen, Binden einer Schleife)
 Verschiedene Verschlüsse öffnen bzw. verschließen
 Perlen auffädeln
 Aus kleinen Würfeln (ca. 10-12) einen Turm bauen
 Mit einer Hand malen, mit der anderen Hand ein Blatt festhalten (beide Hände
gleichzeitig benützen)
 Waagrechte und senkrechte Striche in verschieden große Zeilen schreiben
 Finger isoliert benützen (z. B. bei Fingerspielen)
 Ausschneiden mit einer Schere
 Fingerstellungen nachahmen
2. Taktil-kinästhetischer Bereich
Das taktile System ist das ausgedehnteste Sinnesorgan des Körpers und entwickelt
sich als erstes sensorisches System im Mutterleib. Visuelle Informationen werden
durch taktile Übungen verbessert, ebenso wie Frage- und Bewegungsgefühle und
das Körperschema.
Möglichkeiten zur Überprüfung im taktil-kinästhetischen Bereich
 Verschiedene Materialien blind erkennen und benennen
 Blinde Orientierung im Raum
 Einfache Hautzeichnungen bei geschlossenen Augen darstellen
 Lokalisierung taktiler Reize (leichter Druck mit Fingern, Händen, Armen etc.) bei
geschlossenen Augen
 Reihenfolge taktiler Reize nennen
 Gleichzeitig ausgeführte Berührungen an verschiedenen Körperstellen lokalisieren
 In einem Tastsack die Anzahl einer Menge wiedergeben
 Sorgfältiger Umgang mit den eigenen Schulsachen
3. Visuelle Wahrnehmung
Visuelle Wahrnehmung ist notwendig, um visuelle Reize zu erkennen, zu interpretieren. Die visuomotorische Koordination ist notwendig zur Erbringung von
Schriebleistungen. Für das Lesenlernen hat die visuelle Gliederungsfähigkeit sowie
die Wahrnehmungskonstanz eine besondere Bedeutung. Für das freie Schreiben
von Wörtern spielt das visuelle Gedächtnis eine besondere Rolle.
Möglichkeiten zur Überprüfung der visuellen Wahrnehmung
 Benennen der Grundfarben
 Stift/Handpuppe mit den Augen verfolgen – ohne Kopfdrehung
 Unterscheidung ähnlicher Bilder
 Zusammensetzen halbierter Bilder
 Legematerialien laut Vorlage nachlegen
 Bilder der Größe nach ordnen
 Von einem Bild laut Anleitung Gegenstände heraussuchen
 Weg in einem einfachen Labyrinth suchen
 Puzzle bauen
 Mit Hilfe von Punkten eine Abbildung vervollständigen
 Farbige Musterreihen
 Gesichtsausdrücke und Körperstellungen auf Fotos nachahmen
4. Auditive Wahrnehmung
Das auditive Organe entwickelt sich bereits sehr früh und kontrolliert mittels
Gleichgewichtsorgan sämtliche Muskeln in unserem Körper. Speziell die Fähigkeit
zur Unterscheidung von Personen ist eine wichtige Voraussetzung für den Erwerb
eines differenzierten Wortschatzes sowie für Lesen- und Schreibenlernen.
Möglichkeiten zur Überprüfung der auditiven Wahrnehmung
 Richtungen von Geräuschquellen zeigen und nennen
 Mit geschlossenen Augen klatschen, klopfen, stampfen
 Geräusche der Umwelt (tropfender Wasserhahn, Wind) erkennen
 Fortsetzen einfacher Rhythmen
 Kurze Geschichte nacherzählen
 Wörter auf Grund ihrer „auditiven Länge) unterscheiden
 Ähnlich klingende Wörter unterscheiden
5. Sprechen
Das Sprechen stellt die wichtigste Voraussetzung für die Entwicklung des Denkens
dar.
Möglichkeiten zur Überprüfung im sprachlichen Bereich
 Befolgen sprachlicher Anweisungen
 Verwendung annähernd richtiger Sprachstruktur (Satzbau, Wortfolge, Fallendungen)
 Sinngemäße Antworten auf gestellte Fragen geben
 Erklären einfacher Begriffe, wie Haus, Baum etc.
 Richtige Artikulation von Lauten
 Dem Sprachsinn angepasste Sprachmelodie (Fragesatz, Befehle, Ausrufe etc.)
einhalten
6. Körperschema und Lateralität
Das Körperschema, d. h. das Bewusstsein des eigenen Körpers und der Körperbegriff sind ein wichtiger Zugang zur Umwelt und zur Orientierung. Die Dominanz
einer Körperseite stellt eine wichtige Voraussetzung für die Kooperation der beiden
Gehirnhälften.
Möglichkeiten zur Überprüfung des Körperschemas
 Zeichnen eines Selbstbildnisses mit den wichtigen Körperteilen
 Einzelne Körperteile benennen und am eigenen Körper zeigen
 Einzelne Körperteile an einer Puppe zeigen
 Gliederpuppe mit Hilfe von Stäbchen legen
Möglichkeiten zur Feststellung der Dominanz
 Mit welcher Hand schreibt das Kind?
 Mit welcher Hand bedient es den Lichtschalter?
 Mit welcher Hand wickelt es den Faden auf?
 Auf welchem Bein steht es?
 Mit welchem Auge schaut es durch das Schlüsselloch?
 An welches Ohr hält es den Telefonhörer?
 An welches Ohr hält es die tickende Uhr?
II.
Kognitive Schulfähigkeit
Die Kinder befinden sich bei Schuleintritt entwicklungspsychologisch gesehen in der
Phase des naiven Realismus. Diese dauert etwa vom sechsten bis zum achten
Lebensjahr eines Kindes. Das Kind gewinnt eine zunehmend realistische Weltauffassung, wobei die Zuwendung zu den realen Gegebenheiten des Lebens noch
auf das Erlebnisfeld des Kindes beschränkt ist.
Das Kind lernt, Erfahrungen im Sinne logischer Denkstrukturen zu generalisieren. Es
kommt zu einer Überwindung der Diskrepanz zwischen Erfahrungswissen und
Denkprinzip, da das Erfahrungswissen in die logischen Denkstrukturen integriert
werden kann. Nach Piaget befindet sich das Kind in der kognitiven Struktur des
„anschaulichen Denkens“, dh das Kind gewinnt aus der unmittelbaren Anschauung
und aus dem agierenden Umgang mit den Dingen neue Kenntnisse.
Es sind verschiedenste Bereiche die zur Überprüfung der kognitiven Schulfähigkeit
entscheidend sind.
1. Möglichkeiten zur Überprüfung der Lesevoraussetzungen und
Lesevorkenntnisse:
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Das Kind zeigt Interesse an Symbolen und Piktogrammen.
Das Kind versucht, Schrift zu entziffern.
Das Kind hat Beziehungen zu Büchern.
Das Kind kann aus Bildern Informationen entnehmen.
2. Symbolverständnis:
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Das Kind kann aus verschiedenen Zeichen Handlungen ableiten.
Das Kind kann Symbole erfinden, die andere Kinder verstehen.
Das Kind kann bekannte Piktogramme erkennen.
3. Formwahrnehmung:
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Das Kind löst Aufgaben, in denen gemeinsame Merkmale und Eigenschaften
berücksichtigen sind.
Das Kind kann Formenreihen fertig stellen.
Das Kind zeichnet Formen aus dem Gedächtnis nach.
Das Kind kann Formen umfahren und Unterschiede erkennen.
zu
4. Mengenauffassung:
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Das Kind vergleicht Mengen hinsichtlich ihrer Mächtigkeit.
Das Kind kann Zuordnungen ausführen.
Das Kind kann Mengen gleichmäßig aufteilen.
Das Kind kann eine Menge in zwei oder drei Teilmengen aufteilen.
5. Merkfähigkeit:
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III.
Das Kind gibt eine ungeordnete Zahlenreihe wieder.
Das Kind wiederholt einfache Reime und reproduziert diese nach längerer Zeit.
Das Kind legt ungeordnete Bilder in die richtige Reihenfolge.
Das Kind erkennt Sinnwidrigkeiten und verbalisiert diese.
Das Kind versteht kausale Zusammenhänge und verbalisiert diese.
Das Kind kann Analogien bilden.
Sozial-emotionale Schulfähigkeit
Dieser Bereich umfasst einerseits die Einordnungsbereitschaft des Kindes in eine
soziale Gruppe, aber auch Voraussetzungen in motivationaler Hinsicht und bezüglich
seines Arbeitsverhaltens.
1. Gruppenfähigkeit
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Das Kind geht mit anderen Kindern freundschaftlich um.
Das Kind tritt mit anderen in sprachlichen Kontakt.
Das Kind reagiert nicht verschüchtert, wenn es angesprochen wird.
Das Kind akzeptiert die Führerrolle der anderen.
Das Kind nimmt auf Mitschüler Rücksicht.
Das Kind hilft anderen Kindern.
Das Kind beachtet den vorgegebenen Ordnungsrahmen.
Das Kind wird von den Mitschülern akzeptiert.
Das Kind trägt Konflikte um die eigene Person angemessen aus.
2. Emotionale Stabilität:
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Das Kind zeigt seine Empfindungen angemessen.
Das Kind ist nicht rasch enttäuscht und verliert nicht die Antriebskraft.
Das Kind schätzt sein Können angemessen ein.
Das Kind wagt sich an unbekannte Aufgaben heran.
Das Kind kann Kritik und Misserfolg ertragen.
Das Kind zeigt Freude am eigenen Erfolg.
3. Arbeitsteilung und Aufgabenverständnis:
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Das Kind erledigt alltägliche Aufgaben allein.
Das Kind führt gestellte Aufgaben zügig durch.
Das Kind hält bei der Aufgabenbewältigung bis zum Ende durch.
Das Kind zeigt bei der Aufgabenbewältigung Genauigkeit.
Das Kind stellt sachbezogene Fragen.
Das Kind antwortet auf gestellte Fragen sinnrichtig.
Das Kind verfolgt Gespräche aufmerksam.
Die dargestellten Beobachtungskriterien sind als Auswahl zu verstehen. Sollte ein
Kind in einem oder mehreren Bereichen größere Mängel aufweisen, ist diesem
Problem genauer nachzugehen. Eine gezielte Förderung ist dann unbedingt
erforderlich.
Verwendete Literatur:
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BREUER/W EUFFER: „LERNSCHWIERIGKEITEN AM SCHULANFANG“. BELTZ 1996
HERTIG: „VERS UND FORM“. SCHUBI LEHRMITTEL VERLAG.
LEDL/BETTINGER: „KINDER BEOBACHTEN UND FÖRDERN“. CD-ROM
SCHILLING/PROCHINIG: „DYSKALKULIE“. SCHUBI VERLAG
STEFFAN: „BEOBACHTUNGSHILFEN FÜR DEN SCHULEINGANGSBEREICH“. PI
OBERÖSTERREICH
W EIGERT/W EIGERT: „SCHULEINGANGSPHASE“. BELTZ 1989
Mag. Dr. Elisabeth WINDL
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