Kurzfassung Aufmerksamkeit Forschung und Anwendung Der Autor: Christian Scheier Einleitung Der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit des Konsumenten ist in vollem Gange. Werbungstreibende wie Agenturen kämpfen um das immer knapper werdende Gut. Denn ohne Aufmerksamkeit keine Werbewirkung! Neueste psychologische Forschungen belegen die Bedeutung der Aufmerksamkeit für die bewusste Wahrnehmung. Das Problem dabei: Der Mensch nimmt viel weniger wahr, als er glaubt. Bedeutung der Aufmerksamkeit für die Wahrnehmung Mindestens ein Viertel unserer wachen Zeit sind wir blind – nämlich wenn wir blinzeln und die Augen bewegen. Nur wenn das Auge fixiert ist, nehmen wir bewusst wahr. Außerdem können wir unsere Umwelt nicht scharf und umfassend wahrnehmen, auch wenn wir dies fühlen und denken. Die Konsequenz dieser wissenschaftlich belegten Tatsachen: Wir können schauen ohne zu sehen – sind blind durch Unaufmerksamkeit. Erst jetzt manifestiert die wissenschaftliche Psychologie, dass wir nur den Ausschnitt der Umwelt bewusst wahrnehmen, auf den sich unsere Aufmerksamkeit gerade richtet. Experimente belegen, dass selbst die bewusste Wahrnehmung vom Wirken der Aufmerksamkeit beeinflusst wird. Für Werbungstreibende bedeutet dies, dass Konsumenten durch Informationsangebote abgelenkt werden – und wichtige Kontakte mit der Aufmerksamkeit verschenkt werden. Seite 1 Visuelle Aufmerksamkeit Aus der Fülle der Informationen, die tagtäglich auf uns einströmen, muss das Hirn selektieren: Nur wichtige Informationen werden verarbeitet und führen zu entsprechenden Handlungen. Diesen Prozess der selektiven Wahrnehmung nennt man visuelle Aufmerksamkeit. Visuelle Aufmerksamkeit ist in vielen Experimenten belegt worden. Dabei bedient man sich häufig der Spotlight-Metapher: Aufmerksamkeit gleicht demnach einem Scheinwerfer, der die Umwelt beleuchtet und bestimmt, welche Informationen verarbeitet bzw. welche ignoriert werden. Die Erkenntnisse aus den Scheinwerfer-Experimenten haben praktische Relevanz für das Medien- und Werbedesign: Um eine möglichst effektive Informationsverarbeitung zu gewährleisten, sollte das Design die Aufmerksamkeit auf die zentralen Bereiche fokussieren. Starke Unterschiede zeigen sich allerdings in der Wahl des Mediums (Plakate werden anders betrachtet als Webseiten), in den Charakteristika der Zielgruppe (Geschlecht, Alter, Bildung) sowie im Nutzungskontext (Exploration, Suche von Informationen) und der Art des Involvements. Da die visuelle Aufmerksamkeit ein unbewusster Vorgang ist, wird sie über implizite Verfahren, wie Reaktionszeit-Experimente, Messungen von Hirnströmen und Blickbewegungen etc., erfasst. Allen Verfahren ist gemein, dass die Aufmerksamkeit indirekt, über Bewegungen des Körpers oder Aktivitäten des Hirns gemessen wird, da z. B. über Blickbewegungen auf die Verschiebung der Aufmerksamkeit geschlossen werden kann. Der Vorteil dieser Methode: Der Verlauf der Aufmerksamkeit kann am Bildschirm auch räumlich erfasst werden. Geschlechtsunterschiede Sex sells? Die folgenden Resultate lassen Zweifel aufkommen: Eine Vielzahl von Studien belegen, dass Frauen Nacktheit und Erotik in der Werbung ablehnen. Männer achten stärker auf Bilder, während Frauen eher durch Textelemente angesprochen werden. Dies gilt insbesondere für die Wahrnehmung von Web-Seiten. Der Grund: Frauen suchen im Internet zielgerichtet nach Informationen und achten dementsprechend mehr auf Navigationsleisten, während Männer sich surfend (ungezielt) durch’s Web bewegen. Dies führt wahrnehmungspsychologisch zu verstärkter Bildbeachtung. Der gleiche Effekt zeigt sich bei Zeitschriften und abgeschwächt bei Anzeigen: Frauen achten auf Titel und Überschriften, während sich Männer von weiblichen Models und Bildern angesprochen fühlen. Diese Unterschiede haben Auswirkungen auf die Werbewirkung: Seite 2 Zum einen sollte Werbung mit der Zielgruppe Frau erotische Bilder nur sparsam einsetzen, weil dies ansonsten dazu führen könnte, dass das beworbene Produkt negativ bewertet wird! Bei Männern haben solche Bilder dagegen einen „Vampir-Effekt”: Die Betrachter werden von der eigentlichen Werbebotschaft abgelenkt – und können sich Produkte weniger gut merken. Durch die stärkere Textbeachtung erfassen Frauen den Inhalt der Werbung besser und erinnern sich besser an die Marke und das beworbene Produkt als Männer. Außerdem hatten Frauen einen viel stärkeren Primacy- und Recency-Effekt als Männer: Sie können sich besser an das erinnern, was sie zuerst und was sie zuletzt gesehen. Dieser Effekt ist auch aus der Werbepsychologie bekannt: Frauen verarbeiten Werbeinformationen genauer und achten stärker auf die Inhalte als Männer. Auswirkungen auf das Mediendesign am Beispiel Web Wir können nicht davon ausgehen, dass der Konsument ein Werbemittel in seiner Gesamtheit wahrnimmt, da er zu oft abgelenkt wird. Die Ablenkung findet sich häufig im Werbemittel selbst. Im Web sollte die Aufmerksamkeit über die Seite geführt werden – in Form eines Domino-Effekts, da der Mensch nicht alle Informationen auf einmal wahrnehmen kann. Wichtige Elemente der Webseite sollten möglichst frei sein von ablenkenden, störenden Informationen. Fazit: Ohne Aufmerksamkeit keine bewusste Wahrnehmung! Werbung und Mediaplanung müssen deshalb die Aufmerksamkeit des Konsumenten in den Mittelpunkt rücken. Neue Verfahren bieten den Werbungstreibenden ein Testtool zur Erfassung der Aufmerksamkeit: „AttentionTracking” (www.mediaanalyzer.com) Seite 3