Preis der Deutschen Marktforschung BVM/VMÖ NACHWUCHSFORSCHER 2013, KATEGORIE MASTER-/DIPLOMARBEIT Carmen Wilhelms The Dark Side of Word-of-Mouth Negative Auswirkungen der aktiven Einbeziehung von Konsumenten in den Vermarktungsprozess Im digitalen Zeitalter begreifen sich Konsumenten keinesfalls mehr als letztes Glied der Wertschöpfungskette, sondern greifen zunehmend in die Marketingaktivitäten der Unternehmen ein. Um diesem veränderten Rollenverständnis zu begegnen, gehen immer mehr Unternehmen dazu über, Konsumenten aktiv in die innerbetriebliche Wertschöpfung einzubinden. Während in der Fachliteratur bislang vor allem die Vorteile dieses aktiven Einbezugs betont werden, zeigt die Marketingpraxis, dass besonders die Einbeziehung in Vermarktungsaktivitäten mit schwerwiegenden, jedoch bisher kaum erforschten Risiken verbunden ist. So entwickelte sich z.B. aus dem Ideenwettbewerb der Marke Pril eine Welle von negativem Word-of-Mouth (WOM), weil involvierte Konsumenten sich nicht ausreichend wertgeschätzt fühlten. Diese öffentlich artikulierte Unzufriedenheit kann vom Unternehmen nicht mehr kontrolliert werden und schwerwiegende Imageschäden zur Folge haben. Die Arbeit setzt sich mit der Analyse und Erklärung dieser Problematik auseinander und untersucht, inwieweit der aktive Einbezug auch negative Auswirkungen im Sinne einer gestärkten Bereitschaft zu negativem WOM haben kann, falls konsumentenseitige Erwartungen an die Einbeziehung nicht erfüllt werden. Am Beispiel der Ermächtigung zur Auswahl der vom Unternehmen einzusetzenden Marketingkampagne eines Erfrischungsgetränks werden dabei negative Auswirkungen verschiedener konsumentenseitiger Erwartungsverletzungen adressiert: (1) Die ausbleibende Realisierung der persönlich präferierten Kampagne und (2) die vollständige Missachtung In der Laudatio von Professor Dr. Raimund Wildner, stellvertretender BVM-Vorsitzender und Jurymitglied, heißt es: Facebook, Twitter, Co-Creation: Beispiele für neue Instrumente des Marketings: ja, für neue Instrumente der Marktforschung: ja, auch das. Aber: All diese Dinge, bei denen im Idealfall die Konsumenten aktiv zum Erfolg eines Produkts oder einer Dienstleistung beitragen, haben auch eine dunkle Seite. Carmen Wilhelms hat dazu ein sehr sauber angelegtes Experiment durchgeführt. Die Ergebnisse dazu waren sehr klar und zeigten, dass die Einbeziehung des Konsumenten sinnvoll ist, solange man ihn nicht betrügt. Selten lassen sich die Ergebnisse der Marketingforschung so einfach zusammenfassen. Die Preisträgerin hat da eine sehr klare, innovative und praxisrelevante Arbeit geschrieben, welche der Jury der 1. Preis in der Kategorie Masterarbeiten/Diplomarbeit wert war. 24 BVM inbrief August 2013 der offerierten Beteiligungsmöglichkeit durch den Einsatz einer völlig anderen Kampagne. Auf Basis der empirischen Ergebnisse einer experimentellen Online-Studie kann zunächst eine „Entwarnung“ dahingegen ausgesprochen werden, dass trotz der ausbleibenden Realisierung der vom Konsumenten präferierten Kampagne kein unmittelbarer Effekt im Sinne einer negativen Welle an WOM zu erwarten ist. Aufgrund des durch die ausbleibende Realisierung ausgelösten „tendenziellen“ Rückgangs in zusätzlich erfassten Variablen (Kaufabsicht, Einstellung) sollten Unternehmen zwecks Vermeidung nicht vollständig ausschließbarer negativer Effekte die Einladung einer homogenen Partizipantengruppe1 und eine transparente Kommunikation tatsächlicher Einflussmöglichkeiten sicherstellen. In Bezug auf die vollständige Missachtung der anfänglich angebotenen Beteiligungsmöglichkeit zeigen die empirischen Ergebnisse, dass eine durch unzureichende Planung der Einbeziehungsmaßnahme erforderliche nachträgliche Einschränkung der offerierten Mitbestimmung negative Mundpropaganda auslöst. Bevor Konsumenten Beteiligungsmöglichkeiten eingeräumt werden, sollten sich Unternehmen daher den damit einhergehenden Kontrollverlust und folglich auch etwaige nicht intendierte Ergebnisse vor Augen halten sowie gewillt sein, auch diese zu akzeptieren. Andernfalls sollten geeignete Modalitäten (z.B. das Zwischenschalten einer internen Jury) festgelegt und entsprechend kommuniziert werden. Um die Limitationen der Untersuchung („convenience sample“, Abfrage von Verhaltenswahrscheinlichkeiten, künstliche Bedingungen eines Experimentaldesigns) zu adressieren, sollte zukünftige Forschung vor allem der externen Validität einen hohen Stellenwert einräumen und eine repräsentative Konsumentengruppe in einer realitätsnahen Situation mit erhöhten Beteiligungsmöglichkeiten ausstatten. Die Ergebnisse sollten weiterhin durch die Betrachtung zusätzlicher Produktkategorien (z.B. High-Involvement-Kategorien) und weiterer Ausgestaltungsformen der Mitwirkung (z.B. Ermächtigung zur Einreichung eigener Vorschläge) erweitert werden. 1) Vgl. hierzu auch Fuchs, Christoph / Prandelli, Emanuela / Schreier, Martin (2010): The Psychological Effects of Empowerment Strategies on Consumers’ Product Demand, in: Journal of Marketing, 74 (1), S. 77.