Werbewirkungsforschung Werbewirkung wagen und optimieren Dr. Alexander M. Lorenz Wolfgang Hierneis Geschäftsführer MediaAnalyzer Software & qualitest ag, Research GmbH, Luzern Hamburg Werbung soll den Abverkauf fördern. Obwohl es keine Patentrezepte für verkaufsfördernde Werbung gibt, sind zwei zentrale Elemente für effizientere Werbung bekannt: erstens die Kraft des Werbemittels, Aufmerksamkeit zu erregen, und zweitens die Fähigkeit des Werbemittels, im Konsumenten Emotionen zu wecken. Beide Elemente sind valide messbar und im Hinblick auf einen höheren ROI (Return on Investment) optimierbar. Die Forderung, dass Werbung vor allem den Abverkauf fördern muss, steht aktuell aus vielfältigen Gründen im Mittelpunkt der Marketingstrategien. Zum einen verlangt die Wirtschaftskrise von jedem Unternehmen, dass es alles dafür tut, nicht nur seine bestehenden Kunden zu binden, sondern auch, sich im Wettbewerb zu behaupten. In einem Umfeld, das durch rückläufige Nachfrage geprägt ist, heisst das aber, den eigenen Marktanteil auch auf Kosten der Konkurrenten auszubauen, wenn denn die absoluten Verkaufszahlen gehalten werden sollen. Zum anderen entstehen in der virtuellen Welt des Internets ganz neue Vermarktungsmöglichkeiten – als Stichworte seien etwa das behavioural targeting und das affiliate marketing genannt – die in ihrem ganzen Wesen darauf ausgerichtet sind, Produkte schnell, unkompliziert und zielgenau an den Endkunden zu bringen. Durch diese Entwicklungen steigt auch der Druck auf die klassische Werbung, sich stärker an den harten Ergebnissen ihrer Wirkung messen lassen zu müssen, wenn sie in der Konkurrenz um die Budgets gute Argumente auf ihrer Seite haben will. Allgemeine, übergeordnete und manchmal etwas unscharfe Ziele wie etwa Imagegenerierung und Markenentwicklung treten demgegenüber zunehmend in den Hintergrund. 48 Wenn aber Werbung gezielt und treffsicher ihre Arbeit im Sinne der Verkaufsförderung leisten soll, dann muss sie gewisse, unabdingbare Anforderungen erfüllen, die die Grundlage für eine erfolgreiche Werbewirkung bilden. Von zentraler Bedeutung ist dabei das Zusammenwirken von bewussten und unbewussten Elementen der Werbebotschaft. Dass Werbung zu einem grossen Teil unbewusst funktioniert, ist ein Allgemeinplatz. Worauf es ankommt, ist vielmehr, dass die unbewusste Dimension optimal umgesetzt wird und dass sie eine sinnvolle und zielgerichtete Interaktion mit der bewussten Dimension der Werbebotschaft eingeht. Nur so kann das übergeordnete Ziel, die Förderung des Abverkaufes, auch bestmöglich unterstützt werden. Die Gestaltung, Überprüfung und Optimierung dieser unbewussten Werbewirkung und ihrer Interaktion mit den bewussten Anteilen der Werbebotschaft sind inzwischen auch für visuelle Werbemittel mithilfe moderner, onlinebasierter rückschliessender Messverfahren unkompliziert möglich. Interaktion von Unbewusstem und Bewusstem Die zwei zentralen, unbewussten Treiber der Werbewirkung sind die Aufmerksam- keitsstärke und die Emotionalität eines Werbemittels. Sie bestimmen wesentlich darüber mit, ob das Werbemittel eine Chance hat, seine Botschaft in das Bewusstsein der Konsumenten zu tragen, und wie die Botschaft dann, dort angekommen, bewertet wird. Als erste wichtige Anforderung an eine erfolgreiche Werbewirkung muss das Werbemittel es daher leisten, Aufmerksamkeit zu erregen. Das gilt zunächst einmal für das Werbemittel als Ganzes. Nur was Aufmerksamkeit erregt, wird von den Konsumenten auch gesehen, wird von ihnen wahrgenommen und kann in ihren Köpfen eine Botschaft platzieren. Eine Anzeige, die überblättert, ein Plakat, das übersehen, ein Werbespot, der weggezappt wird, sind nichts weiter als verschwendete Budgets. Aber nicht nur die Aufmerksamkeitswirkung des Werbemittels an sich ist bedeutsam für den Werbeerfolg. Wird das Werbemittel erst einmal wahrgenommen, muss die Aufmerksamkeit der Betrachter in einer gezielten Weise über die einzelnen Bildelemente geführt werden, damit sich ihnen der Inhalt der Werbebotschaft vollständig erschliesst. Die Steuerung und Kontrolle dieses Aufmerksamkeitsverlaufs ist einer der zentralen Erfolgsfaktoren der kognitiven Wirksamkeit von Werbemitteln. vsms Verband Schweizer Markt- und Sozialforscher | Jahrbuch 2009 Aber auch bei einem Prozess, den man eher als kognitiv-bewusst ansehen würde, spielen Emotionen eine wichtige Rolle, und zwar bei der inhaltlichen Überzeugung. Ein Beipackzettel wird sicher nur wenige Konsumenten zu einem Kaufakt anregen, auch wenn dort die Vorzüge des Produktes klar und präzise kommuniziert werden. Schliesslich spielen Emotionen auch für eine dritte wesentliche Aufgabe im Rahmen des Kaufaktes eine zentrale Rolle: für die Erinnerung. Denn grundsätzlich gilt, dass Informationen umso besser abgespeichert werden, je stärker die Emotionen sind, die während des Lernaktes erlebt wurden. Die Erinnerung aber ist im Rahmen des abverkaufsorientierten Werbeprozesses von zentraler Bedeutung, da typischerweise die Points of Advertisement und die Points of Sale auseinanderfallen. Die Werbung muss also am Point of Advertisement nicht nur im Hier und Jetzt ihre Werbebotschaft überzeugend platzieren und einen potenziellen Kaufwunsch auslösen. Vielmehr muss sie auch sicherstellen, dass sich dieser potenzielle Kaufwunsch in der Erinnerung der Betrachter verankert, damit diese dann entweder gezielt einen Point of Sale aufsuchen, oder aber, damit die Konsumenten, sobald sie sich ungezielt an einem Point of Sale befinden, sich an ihren potenziellen Kaufwunsch erinnern und diesen in eine tatsächliche Kaufhandlung umsetzen. Nun sollte man meinen, dass es recht einfach wäre, emotionale Werbung zu gestalten, bedenkt man nur die grosse Fülle menschlicher Gefühle. Das mag zwar stimmen, allerdings kommt es auf einen gezielten Einsatz der Emotionalität an, nämlich zielend auf den Abverkaufserfolg. Und da kann einiges schief gehen. Gute Ideen können an der Umsetzung scheitern Die wichtigsten Informationen, die eine abverkaufsorientierte Werbung den Konsumenten bewusst vermitteln muss, sind die, um welches Produkt und um welche Marke es sich handelt. Nichts wäre fataler als eine Werbung, die viel Aufmerksamkeit erregt, die viele Emotionen weckt, die Venus Blau markiert die Aufmerksamkeitsverläufe der männlichen Befragten, Rot markiert die der weiblichen Befragten. Abbildung 1 vsms Verband Schweizer Markt- und Sozialforscher | Jahrbuch 2009 Quelle: MediaAnalyzer, Hamburg die Menschen erreicht – aber von der am Ende keiner mehr so ganz genau weiss, wer denn da für was eigentlich geworben hat. Genau hierin liegt jedoch gerade die Gefahr, wenn man die unbewussten Dimensionen der Werbewirkung, und das heisst vor allem die Emotionen, nicht sehr gezielt einzusetzen vermag. Ganz generell gilt zunächst einmal, dass ein Zuviel an Emotionen immer eher nachteilig ist, weil dadurch die Gefühle die Aufnahmefähigkeit für die sachlichen Informationen behindern und der emotionale Gehalt somit die kognitive Verarbeitung der Werbebotschaft überlagert. Dies wurde in einer Studie offensichtlich, die wir zum Thema Sex in der TV-Werbung durchgeführt haben. Da Sexualität nun einmal ein sehr starkes Gefühl ist, lassen sich an dieser Studie exemplarisch einige Problemzonen der Werbung erläutern. In einigen Fällen ergab sich mithilfe des EmotionTrackings eine sehr hohe Emotionalisierung, die auch gut zum Produkt passte. Nur war eben leider die Erotik so hoch dosiert, dass sich in der Überprüfung der Schlüsselsequenzen mit dem AttentionTracking™ ergab, dass die Aufmerksamkeit der Probanden fast ausschliesslich auf das Key-Visual gerichtet war, während die Marke selbst kaum Beachtung fand. Ein noch interessanterer Effekt ergibt sich aus der intrasexuellen Konkurrenz. Menschen sind ja in der Mehrzahl heterosexuell, da kann ein gleichgeschlechtliches, attraktives Key-Visual schnell als Konkurrenz empfunden werden. In einem Beispiel ging dieser Effekt so weit, dass die Marke, die in der Nähe des Models platziert wurde, von der Zielgruppe (Frauen) fast überhaupt nicht beachtet wurde, da diese ihren Blick von der Konkurrentin abschweifen liessen, wohingegen Männer gerade dorthin blickten, obwohl diese natürlich keine Damenrasierer kaufen dürften (siehe Abbildung 1). Wie sehr das Verständnis der Werbebotschaft an Emotionen gebunden ist, ergab sich bei einer unserer Studien zum Thema Food-Produkte. Wie schon erwähnt, 49 Methoden Ergänzt wird diese Anforderung an Aufmerksamkeitsstärke um die Anforderung an Emotionalität der Werbung. Nur Werbung, die Emotionen weckt und diese auch aufrechterhält, kann die Konsumenten ansprechen, sie berühren und letztlich zu einem Kauf motivieren. Gefühle sind hierbei in vielerlei Hinsicht von wesentlicher Bedeutung. Sie stellen die Grundlage für das Involvement der Konsumenten dar. Im Vordergrund stehen dabei natürlich zuerst einmal die positive Bewertung des Produktes und die daraus resultierende Neigung der Konsumenten, es überhaupt für einen Kauf in Erwägung zu ziehen. Ein Produkt, das nicht an Emotionen, nicht an Bedürfnisse appelliert, dürfte – zumindest im Business-to-Consumer-Bereich – kaum Käufer und Käuferinnen finden. Werbewirkungsfoschung bedarf auch die Vermittlung inhaltlicher Informationen immer einer emotionalen Einkleidung, damit sie tatsächlich überzeugen kann. In dieser Studie nun ergab sich ein sehr schönes Beispiel, wie wenig rein sachliche Informationen allein überzeugen können. Denn auf die Frage, ob Bioprodukte einen hohen Stellenwert besitzen, antwortete die Mehrheit der Befragten mit «Ja». Als wir jedoch mithilfe des AttentionTracking™ die ScanPfade der Aufmerksamkeit analysierten, fiel auf, dass die Biosiegel in denjenigen Wiesenhof Biogeflügel Anzeigen vergleichsweise wenig beachtet wurden, die eher an die Vernunftentscheidung für eine gesunde Ernährung als an das Gefühl des Essensgenusses appellierten. Im Fall des in der Abbildung 2 gezeigten Beispiels lässt sich das sehr deutlich zeigen. Nahrungsmittel sollten am besten in genussfertigem Zustand präsentiert werden, um Emotionen zu wecken. Essen ist nun einmal ein Urbedürfnis des Menschen und daran sollte möglichst direkt appelliert werden. Dies ist hier nicht gelungen, die Präsentation der teilweise noch rohen Produkte in geschlossenen Verpackungen konnte kaum Begeisterung wecken. So erhielt die Anzeige nur 18% Zustimmung, im Vergleich zu 63% bei der bestplatzierten Anzeige im Test. Besonders auffällig sind dann auch die Scan-Pfade: Die Inhalte der Anzeige werden wenig beachtet, es gibt ja dadurch keinen emotionalen Anreiz, sich mit der Botschaft auseinanderzusetzen. Entsprechend werden auch die Bio-Aufdrucke kaum wahrgenommen. Es überrascht daher nicht, dass in der Nachbefragung die Anzeige kaum als Bioanzeige wiedererkannt wurde (es waren 4 Anzeigen mit Bioprodukten und 8 Anzeigen mit Nichtbioprodukten im Test). Fazit: Optimierung ist möglich Abbildung 2 50 Quelle: MediaAnalyzer, Hamburg Die Marktforschung und Marketingberatung verfügen heute über geeignete Methoden, um die Werbewirkung von Werbemitteln zu optimieren und kontra- produktive Layouts zu verbessern. Die Grundlage hierfür bildet das Verständnis der integrierten Beurteilung von Werbemitteln nach ihrer unbewussten und bewussten Wirkdimension und das Verständnis der Verschränkung beider Ebenen ineinander. Mit modernen, rückschliessenden Messverfahren – wie es beispielsweise das AttentionTracking™ und das EmotionTracking darstellen – können die unbewussten Dimensionen der Aufmerksamkeitsstärke und der Emotionalität von Werbemitteln erfasst werden. Die Verschränkung dieser Verfahren untereinander und strukturierte Befragungen ermöglichen weitergehende Einblicke in die komplexen Zusammenhänge der Werbewirkungen. Es ist ein wichtiges Ergebnis der praktischen Marketingberatung, dass es bei aller grundlegenden Erkenntnis kaum verallgemeinerbare Regeln dafür gibt, welche Werbemittelgestaltung «funktioniert» und welche nicht. Zu vielfältig sind die Faktoren, von den individuellen Inspirationen und Entwürfen der Kreativen angefangen bis hin zu momentanen Moden und Vorlieben des Publikums, als dass sich ein starres Schema von Regeln für die Gestaltung erfolgreicher Werbemittel aufstellen liesse. In der Kombination von Kreation mit Marktforschungsanalyse ergeben sich jedoch für jede individuelle Vorlage Empfehlungen, wie durch konkrete Optimierungen das jeweilige Werbemittel sein letztendliches Ziel des Abverkaufserfolges noch besser und noch nachhaltiger erreichen kann. vsms Verband Schweizer Markt- und Sozialforscher | Jahrbuch 2009