Exoplaneten < Natur Die Jagd nach der zweiten Erde Immer schneller werden immer mehr Planeten entdeckt, die um fremde Sonnen kreisen. Und immer klarer zeichnet sich ab: Erdähnliche Planeten sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Nun konzentrieren sich Forscher darauf, wie sie dort Spuren von Leben nachweisen können. TEXT: ULF LÜDEKE Foto: NASA / JPL-Caltech Lange war man unsicher, ob andere Sterne von Planeten umkreist werden. Inzwischen weiß man: Jeder zweite in unserer Galaxis hat mindestens einen Trabanten – in der Mehrheit Gesteinsplaneten. Sogar bei Doppel- und Dreifach-Sternsystemen hat man Planeten entdeckt – hier die Illustration eines Gasplaneten im Drei-Sterne-System HD 188753, Sternbild Schwan, aus der Sicht eines seiner Monde. 01-14 natur 15 Exoplaneten < Natur E s war ein nassgrauer Januartag, als Xavier Dumusque aus seinem Büro im Genfer Observatorium auf die schneebedeckten Kuppen des Jura-Gebirges schaute und das Gefühl hatte, dass sich in ihm eine Lawine löste. Vier Jahre, nachdem er 2008 in der LaSilla-Sternwarte in der chilenischen Atacamawüste begonnen hatte, Berge von Beobachtungsdaten über Alpha Centauri B anzuhäufen, flimmerte nun der erste Hinweis über seinen Computerbildschirm, dass dieser Stern von einem Planeten umkreist wird. Vor lauter Aufregung folgten schlaflose Nächte, die Dumusque nutzte, um den Hinweis zu belegen. Journalisten der New York Times und vieler anderer großer Medien aus der ganzen Welt schalteten sich am 16. Oktober 2012 zu einer Online-Pressekonferenz der Europäischen Südsternwarte (ESO) hinzu, als der 28-jährige Schweizer seine sensationelle Entdeckung bekanntgab. Alpha Centauri B ist eine von drei Sonnen, die sich gegenseitig im Sternbild Centaurus umkreisen – 4,3 Lichtjahre von uns entfernt. Das Trio liegt damit näher an unserer eigenen Sonne als jede andere der rund 200 Milliarden Sonnen in unserer Galaxis. Und ausgerechnet hier fand Dumusque mit seinem Team einen Trabanten, der fast genau die gleiche Masse hat wie die Erde. Ein neuer Rekord bei der Suche nach einem Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, auch „extrasolarer Planet“ oder kurz „Exoplanet“ genannt, die vor allem ein Ziel hat: einen anderen Himmelskörper zu entdecken, auf dem es Leben gibt. Eine zweite Erde. Alpha Centauri A und B sowie der kleinere Proxima Centauri sind keine Unbekannten. Mit bloßem Auge nur als eine einzige Lichtquelle wahrnehmbar, strahlen allein die beiden Großen als dritthellstes Gestirn am Firmament. Seit gut hundert Jahren wissen Astronomen, dass diese drei unsere nächsten Nachbarn im All sind. Seither projizieren zahllose Autoren fantastische Geschichten über zweite Erden in ihre Umlaufbahnen – so wie 2009 James Cameron mit dem Mond Pandora in seinem Film „Avatar“, dem erfolgreichsten Kino-Epos aller Zeiten. Dass es auf Alpha Centauri Bb, wie der neu entdeckte Planet getauft wurde, Leben gibt, hält Dumusque für unwahrscheinlich: „Er ist nur sechs Millionen Kilometer von seinem Zentralgestirn entfernt – bei der Erde sind es 150 Millionen. Daher ist Alpha Centauri Bb vermutlich ein Ball aus Lava.“ Dennoch ist die Entdeckung bemerkenswert. Nicht nur, weil Astronomen noch vor gut 20 Jahren stritten, ob es außerhalb unseres Sonnensystems überhaupt Planeten gibt. Sondern auch, weil Alpha Centauri Bb eine recht neue These bestätigt: Erdähnliche Planeten im Universum sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Aktuelle Hochrechnungen, die nicht nur auf Modellen, sondern inzwischen auch auf konkreten Beob- achtungen basieren, erhärten die These. In unserer Milchstraße soll sogar jede zweite Sonne von mindestens einem Planeten umkreist werden – die Mehrheit von ihnen wahrscheinlich Gesteinsplaneten. Das läuft auf hundert bis mehrere hundert Milliarden Planeten in unserer Galaxis hinaus – die wiederum nur eine von vielen Milliarden im Universum ist. Allein aufgrund der schieren Menge von Planeten da draußen sollten bewohnbare Exemplare also nicht allzu selten sein – selbst wenn einiges zusammenkommen muss, um Leben auf einem Himmelskörper zu ermöglichen. Fotos: ESO / S. Brunier, privat, ESO Die La-Silla-Sternwarte in Chile: Mit Teleskopen und Raumsonden fahnden Astronomen nach der zweiten Erde. Alpha Centauri Bb ist der leichteste Exoplanet, der bislang entdeckt wurde. Und besonders die Kleinen haben es in sich, erklärt Dumusque. „Damit sich auf einem Planeten Organismen entwickeln können, sollte er felsig sein. Planeten mit mehr als zehn Erdmassen aber sind in der Regel gasförmig.“ Eine aktive Plattentektonik und Vulkanismus seien ebenso wichtig, da beides Einfluss auf die Bildung einer stabilen Atmosphäre hat, die nicht zuletzt als Schutzschirm gegen die lebensfeindliche Strahlung des Alls dient. Ab vier, fünf Erdmassen nimmt diese Aktivität jedoch ab. Je weiter die Planetenmasse hingegen unter jener der Erde liegt, desto mehr fehlt es an Gravitation, um eine Atmosphäre zu halten. Der Mars zum Beispiel, der lediglich ein Zehntel der Erdmasse aufweist, hat nur noch eine sehr dünne Atmosphäre. Daher konzentrieren sich Astronomen bei der Jagd nach einer zweiten Erde auf Planeten zwischen einer und zehn Erdmassen, genannt „Supererden“. Eine solche Supererde muss jedoch in bestimmter Entfernung um ihre Sonne kreisen, da sonst eine weitere Voraussetzung für die Entstehung von Leben, wie wir es kennen, nicht in flüssiger Form existieren kann: Wasser. Den Bereich um einen Stern herum, in dem die richtigen Temperaturen herrschen, nennen Experten die „grüne“ oder „habitable Zone“. Und die ist relativ schmal (siehe Grafik S. 18): Bei unserer Sonne zum Beispiel zieht die Venus, der erdnächste innere Planet, bereits zu nah an der Sonne ihre Kreise, sie ist zu heiß (Sonnenentfernung: rund 108 Millionen Kilometer). Der Mars dagegen kreist am äußeren Rand der habitablen Zone – dort wird es schon zu kalt (Sonnenentfernung: rund 228 Millionen Kilometer). Der Orbit unserer Erde dagegen liegt goldrichtig. Die Suche nach Exoplaneten ist extrem schwierig, da sie im Vergleich zu den Sonnen sehr klein, zudem unglaublich weit von der Erde entfernt sind und nicht selbst leuchten. Die Entdeckung des ersten Exoplaneten Pegasi 51b, der 50 Lichtjahre weit weg von uns als heißer Gasriese eng um einen sonnenähnlichen Stern rotiert, war 1995 daher nicht nur eine wissenschaftliche, sondern auch eine technische Sensation. Fast alle der inzwischen mehr als tausend entdeckten Exoplaneten können noch immer nicht direkt, son- dern nur indirekt beobachtet werden. Dafür gibt es verschiedene Methoden. Die häufigste, mit der auch Alpha Centauri Bb aufgespürt wurde, ist die Messung der Radialgeschwindigkeit (siehe Grafik S. 19), wie das leichte Schlingern eines Sterns genannt wird, welches das Gra-vitationsfeld Der Schweizer Xavier Dumusque sucht in unserer stellaren Nachbarschaft nach erdähnlichen Planeten eines um ihn kreisenden Planeten erzeugt. Obwohl der Stern viel größer und schwerer ist, steht er also nicht still, sondern wandert fast unmerklich mit dem Planeten um einen gemeinsamen Schwerpunkt. Diese Bewegung des Sterns fällt um-so stärker aus und lässt sich umso leichter messen, je massereicher und näher der Pla-net ist. Aus der Radialgeschwindigkeit und der Masse des Sterns lässt sich die Masse des Exoplaneten ableiten. Angesichts der Tatsache, dass selbst der nächste Exoplanet 4,3 Lichtjahre entfernt ist (ein Lichtjahr sind 9,5 Billionen Kilometer), erscheinen die Radialgeschwindigkeiten absurd klein. Beim Mutterstern von Pegasi 51b etwa beträgt sie nur 60 Meter pro Sekunde. Gemessen wurde sie mit dem inzwischen außer Dienst gestellten Spektrografen ELODIE vom Observatorium Haute Provence in Frankreich, das über ein veraltetes 1,9-Meter-Spiegelteleskop verfügt. ELODIE konnte Radialgeschwindigkeiten bis zu 10 Meter pro Sekunde erkennen. Alpha Centauri Bb wurde mit einem ebenfalls antiquierten 3,6-Meter-Spiegelteleskop in Chile entdeckt. Dessen Spektrograf HARPS schafft bereits 50 Zentimeter pro Sekunde – das ist immer noch weniger als die menschliche Schrittgeschwindigkeit. In zwei Jahren soll an einem der vier 8-Meter-Spiegel des benachbarten Paranal-Observatoriums ESPRESSO in Betrieb gehen, was Exoplanetenjäger wie Xavier Dumusque mit Spannung erwarten: „ESPRESSO wird zehn Zentimeter pro Sekunde schaffen. Das ist genau die Radialgeschwindigkeit, die ein Planet wie unsere Erde bei einem Stern wie unserer Sonne auslöst.“ Die Diese Aufnahme war 2005 eine Weltsensation: die erste direkte Beobachtung eines Exoplaneten. Der 170 Lichtjahre entfernte Gasriese 2M1207b (roter Punkt) umrundet einen Braunen Zwergstern (weißer Punkt). Das Foto gelang, weil der Planet seinen relativ schwach leuchtenden Stern in großer Entfernung umrundet, sodass dieser ihn weniger überstrahlt. Und weil der Planet zu den größten gehört, die wir kennen – drei bis zehn Mal größer als Jupiter. 01-14 natur 17 Exoplaneten < Natur Jagd auf richtig interessante Planeten, die der Erde gleichen, geht also gerade erst richtig los. Es gibt noch weitere Tricks, Exoplaneten aufzuspüren. Der zweitwichtigste ist die Transitmethode (siehe Grafik S. 19): Zieht ein Planet von der Erde aus gesehen »Wir sind die erste Menschengeneration, die Leben auf anderen Planeten entdecken kann«, sagt Lisa Kaltenegger direkt vor seiner Sonne vorbei, Transit genannt, ist er zwar auch nicht direkt sichtbar, bewirkt jedoch einen vorübergehenden Abfall in der Intensität des Sternenlichts, weil er einen kleinen Teil davon verdeckt. Ein jupitergroßer Planet vor einem sonnenähnlichen Stern zum Beispiel reduziert dessen Licht um ein Prozent. Zwar ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Exoplanetenorbit genau auf unserer Beobachtungsebene liegt, ziemlich gering, was einzelne Sterne betrifft. Da moderne Teleskope und Raumsonden jedoch tausende Sterne gleichzeitig überprüfen können, finden sie jede Menge Beispiele. Zu diesem Zweck hatte die US-Raumfahrtbehörde NASA das Weltraumteleskop Kepler gebaut, das Die wichtigsten Wege Exoplaneten aufzuspüren: Die Transitmethode registriert den vorübergehenden Sternenlichtabfall, wenn der Planet vorbei zieht. Die Radialgeschwindigkeits- und die Astrometrische Methode messen, wie der Stern sich hin und her bewegt, während der Planet ihn umkreist. Im ersten Fall vorwärts und rückwärts, im zweiten seitlich. in einem winzigen Himmelsausschnitt im Sternbild Schwan seit 2009 rund 150 000 Sterne absuchte. Bis zu seinem Ausfall im Frühjahr 2013 entriss Kepler der funkelnden Finsternis 3000 Exoplaneten-Kandidaten, von denen inzwischen mehr als 130 bestätigt sind. Die jüngste Entdeckung macht deutlich, was die umfangreichen, bislang unausgewerteten Daten noch für Schätze bergen könnten. Ende Oktober gab das Berliner DLR-Institut für Planetenforschung vier Exoplaneten um den 2500 Lichtjahre entfernten Stern KOI-351 bekannt. Drei jupiterähnliche waren bereits zuvor gefunden worden, womit KOI-351 das erste extrasolare System mit sieben nachgewiesenen Planeten ist. Wie bei unserem acht Planeten zählenden Sonnensystem kreisen die eher kleinen Gesteinsplaneten innen, die großen Gasriesen außen. Viele Planetenforscher halten eine solche Konstellation für günstig, weil die großen Gasriesen mit ihrer enormen Anziehungskraft einen Großteil des Asteroidenbombardements aus dem All auf die kleineren Planeten abfangen. So könnte sich dort mögliches Leben ungestörter entwickeln. „Kein anderes Sonnensystem gleicht bisher so sehr dem unseren wie dieses“, jubelten die Forscher um Projektleiter Juan Cabrera. „Es ist ein großer Schritt auf der Suche nach einem ,Zwilling‘ zu unserem Sonnensystem und damit auch auf der Suche nach der zweiten Erde.“ Fotos: MPIA/Elisabeth Schuh, NASA/Ames/JPL-Caltech, fotolia/apttone, Grafik: Sonja Heller (3) Die Grafik zeigt die grünen Zonen unserer Sonne und des Sterns Kepler-62. Allerdings hat das neu entdeckte System mit einer Sonne, die noch etwas wärmer als unsere ist, einen Haken: Keiner der Gesteinsplaneten liegt in der habitablen Zone. Der äußerste Planet – ein Gasriese – kreist um KOI-351 in einer Distanz wie die Erde um die Sonne, alle anderen liegen dazwischen. In dieser Hinsicht war ein weiterer Coup der KeplerMission viel aufregender: Die Entdeckung der fast identischen Gesteinsplaneten Kepler 62e und 62f im Sternbild Leier, verkündet im vergangenen April. Diese Kepler-Zwillinge tänzeln in der grünen Zone um ihren Stern, der noch über mindestens drei weitere Planeten verfügt und nur ein wenig kleiner ist als die Sonne. „Das war für mich eine der Sternstunden der Astronomie“, sagt Lisa Kaltenegger vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Die 36-jährige Astrophysikerin war ein Jahr zuvor von Kepler-Chef William Borucki gebeten worden, die Daten von Kepler 62e und 62f genauer auszuwerten. „Diese beiden Exopla- neten sind die ersten in der habitablen Zone, deren Radius weniger als doppelt so groß wie jener der Erde ist und die wir uns nur als Felsplaneten erklären können – der eine etwas heißer, der andere etwas kühler.“ Es wäre möglich, so die Österreicherin, dass der eine von einem tiefen Ozean bedeckt ist und der andere von einem dicken Eispanzer. Dass Kaltenegger den Auftrag erhielt, lag nahe, denn sie ist Spezialistin für die Lufthüllen von Exoplaneten. „Solange Reisen zu diesen Planeten unmöglich bleiben, sind ihre Atmosphären der einzige Schlüssel für uns, Leben zu identifizieren“, so Kaltenegger, die auch an der Harvard University forscht. „Was wir suchen, sind Gase wie Sauerstoff, Wasserdampf und Methan, die – wenn sie zusammen auftreten – als Indikatoren für biologische Prozesse gelten.“ So werden Methan und Sauerstoff auf der Erde vor allem von Organismen produziert und in die Luft abgegeben. Nachweisen kann man die Gase in der Atmosphäre eines fernen Planeten, indem man im Moment seines Transits das Sternenlicht analysiert. Scheint Licht durch seine Atmosphäre, absorbieren deren Gase je nach Art bestimmte Wellenlängen. Sauerstoff oder Methan zum Beispiel verraten sich also durch schwarze Linien an einer ganz bestimmten Stelle im Farbspektrum dieses Lichts. Kaltenegger hat am Heidelberger MaxPlanck-Institut das Team „Supererden und Leben“ aufgebaut, das seit 2010 einen Katalog von Atmosphärenmodellen erarbeitet. Sie beschreiben alle möglichen Mixturen von Luftgemischen, wie sie für verschiedene Planeten typisch sind – vom heißen Gasriesen bis zum eisigen Mini-Planeten. „Indem wir künftig die Spektren von neu entdeckten Exoplaneten mit diesen Modellen vergleichen, können wir besser verstehen, auf welche Indikatoren im Farbspektrum wir achten müssen und recht schnell erkennen, welcher Planet theoretisch Leben beherbergen könnte.“ Einen Diamanten von vielen Trillionen Karat fände wohl jeder schick. Astronomen vermuten, dass es im All solche Edelsteine gibt: Gesteinsplaneten, deren Mantel nicht wie bei der Erde aus Silikatgesteinen, sondern aus Keramik besteht – hauptsächlich Siliziumund Titancarbid, umhüllt mit einer Schicht Graphit. Am Grund dieser Graphitschicht wäre der Druck so groß, dass sich reiner Diamant bildet – kilometerdick. Entstehen könnten solche Planeten in den äußeren, kohlenstoffreichen Regionen der Staubscheibe eines jungen Sterns. Die Atmosphäre bestünde vermutlich aus Kohlenmonoxid und Methan – nicht gerade lebensfreundlich. 01-14 natur 19 Exoplaneten < Natur Die Raumsonde Kepler (oben) hat in vier Jahren 3000 Exoplaneten aufgespürt. Das JamesWebb-Weltraumteleskop (unten) soll das berühmten Hubble-Teleskop ersetzen und die Atmosphären solcher Planeten analysieren. Leben auf unseren Nachbarplaneten Bei unseren Nachbar-Planeten und deren Monden ist die Suche nach Leben trotz der im Vergleich zu Exoplaneten überschaubaren Entfernungen bislang erfolglos verlaufen. An Indizien und Elementen, die als Voraussetzung für organisches Leben gelten, mangelt es jedoch nicht. Der Mars liegt am äußeren Rand der grünen Zone um die Sonne und hat nur eine dünne, vor allem aus Kohlendioxid bestehende Atmosphäre mit geringen Spuren Sauerstoffs. Dafür gibt es am Boden jede Menge Eis. Würde es schmelzen, stünde der Rote Planet elf Meter unter Wasser. Methan, das auch bei organischem Stoffwechsel entsteht, ist ebenso vorhanden, nur weit weniger, als ursprünglich gedacht. Bodenanalysen von Marsrover „Curiosity“ wiesen zudem Kohlenstoff, Stickstoff, Schwefel und Phosphor nach – wichtige Elemente für Leben. Experten halten die Existenz von Mikroben im Marsboden für möglich; entdeckt wurde aber noch nichts. 1996 fanden Forscher im Allen-Hills-Marsmeteoriten Indizien für fossile Mikroorganismen. Einigen Astrobiologen gilt der in der Antarktis gefundene Meteorit als Beweis für die Panspermie-Theorie, die besagt, dass Leben per Meteorit als Taxi von einem zum anderen Himmelskörper gelangt. Experimente haben belegt, dass Mikroben eine solche Reise durchs All überleben können. Sehr ungemütlich geht es auf der Venus zu. Ihre Luft ist 90 mal dicker als die der Erde, 500 °C heiß und besteht fast komplett aus Kohlendioxid. Es regnet nur in den oberen Schichten – und zwar kein Wasser, sondern Schwefelsäure. Dennoch halten Astrobiologen die Existenz von Mikroben in einigen Dutzend Kilometern Höhe über dem Boden für möglich. Als Indikator werten sie Spuren von Carbonylsulfid, das auf anorganischem Weg nur schwer zustande kommt. Zudem sind Schwefeldioxid und Schwefelwasserstoff in der Atmosphäre nachgewiesen worden; die jedoch miteinander reagieren und daher nicht vorkommen dürften – es sei denn, sie werden von Bakterien ständig neu produziert. Saturnmond Titan gilt als erdähnlichster Himmelskörper im Sonnensystem. -180 °C Kälte, dicke Stickstoffatmosphäre und Methanregen stehen dem Gedeihen von Leben entgegen, jedoch könnten sie Mikroben zulassen, die Wasserstoff und Acetylen aufnehmen und Methan ausscheiden. Risse in der kilometerdicken Eiskruste von Jupitermond Europa werden als Beweis tektonischer Aktivität gewertet. Die thermischen Prozesse könnten auch einen Ozean unter dem Eis so warm halten, dass Bakterien lebensfähig wären. Die Europäische Raumfahrtbehörde ESA arbeitet derzeit an einer Bohrsonde, die diese Theorie prüfen soll. Pflanzen durch charakteristische Reflexion des Sternenlichts an der Erdoberfläche bemerkbar machen, fallen die Spuren von etwas mehr als hundert Jahren Industrialisierung und technologischem Fortschritt in der Luft aber eher winzig aus“, sagt Lisa Kaltenegger. Fotos: NASA/Ames/JPL-Caltech Der Exoplanet Kepler-62f, wie Astronomen ihn sich aus der Nähe vorstellen. Auf der „Supererde“ könnte es Leben geben. Für die Vergleiche stehen vor allem die acht Planeten unseres eigenen Sonnensystems und deren Monde Modell, deren Spektren gut untersucht sind. Von der Erde wurden gleich mehrere Profile angelegt – für die Zusammensetzung ihrer Lufthülle in den verschiedenen Erdzeitaltern. „Jede Phase, angefangen von der Erdentstehung über die ersten Spuren des Lebens und der Dinosaurier bis heute, hat ihr charakteristisches Profil, zum Beispiel weil Organismen durch ihre Stoffwechsel in der Atmosphäre ganz spezifische Spuren hinterlassen“, erklärt Kaltenegger. Diese Spuren lassen sich anhand von Gesteinsproben aus den verschiedenen Erdzeitaltern grob rekonstruieren – ein Verfahren, das Kaltenegger selbst entwickelt hat. Sogar Einflüsse extremer Lebensformen wie Mikroben, die unter Eis, in Wüsten oder der Tiefsee leben, werden einkalkuliert. „Angesichts der Vielfalt von Exoplaneten, die wir schon jetzt kennen, halte ich es für gut möglich, dass solche Extremophile, die bei uns vor allem in lebensfeindlichen Gegenden existieren, in anderen Welten die Vorherrschaft erlangt haben und typische Spuren in der Luft ihres Planeten hinterlassen.“ Natürlich fehlt auch ein Volltreffer-Modell nicht: ein Spektralprofil für einen Planeten, auf dem eine industrialisierte Zivilisation wie die Menschheit lebt, abzulesen an der Atmosphäre. „Im Vergleich zu den vergangenen 500 Millionen Jahren, in denen sich die Ob sich in den Atmosphären von Kepler 62e und 62f Hinweise auf eine hochentwickelte Zivilisation oder wenigstens prähistorischen Urwald finden, wird allerdings noch eine Weile im Dunkeln bleiben. Die beiden zählen unter den über 1000 Exoplaneten zwar zum erlesenen Kreis von aktuell zehn Supererden, die Leben beherbergen könnten, sind aber mit 1200 Lichtjahren für einen Lufthüllen-Check viel zu weit weg von uns. Doch schon die nächste Generation von Teleskopen dürfte diesen Kreis explosionsartig erweitern und in Kürze für neue, womöglich noch größere Euphorie bei der Exoplanetenjagd sorgen. Sie werden in Regionen von bis zu 100 Lichtjahren Entfernung vordringen. Die großen Erd- und Weltraumteleskope der letzten Generation wie Hubble haben bereits bei einigen großen Gas-Exoplaneten Wasserdampf, Kohlenmonoxid, Natrium sowie Hinweise auf Kohlendioxid und Methan gefunden. „Mit dem 6,5-Meter-Spiegel des James-WebbWeltraumteleskops aber, das 2018 das altgediente Hubble-Teleskop ersetzen soll, können wir erstmals auch die ganz dünnen Atmosphären von kleinen Felsplaneten auf spektrale Fingerabdrücke von Lebensformen absuchen“, sagt Kaltenegger. Ein Nachfolger für die Kepler-Sonde ist ebenfalls bereits im Bau: TESS (Transiting Exoplanet Survey Satellite) soll ab 2017 unter den zwei Millionen hellsten und nächsten Sternen die besten Supererden-Kandidaten finden, deren Atmosphären anschließend vom JamesWebb-Weltraumteleskop spektral durchleuchtet werden. Lisa Kaltenegger zählt zur Missionsleitung von TESS: „Diese revolutionäre Entwicklung bei der Suche nach Exopla- Die Entdeckung einer zweiten Erde würde sicher jeden Erdenbewohner faszinieren. Doch wenn bis dahin nicht ein enormer Durchbruch in der Raumfahrt gelingt – etwa die Entwicklung eines Warp-Antriebs wie bei Raumschiff Enterprise –, würde sich auch Ernüchterung breitmachen: Wir könnten unseren Zwilling nicht besuchen. Mit der aktuell besten Antriebstechnik bräuchte ein bemanntes Raumschiff gute 100 000 Jahre – selbst, wenn der Planet beim allernächsten Stern gefunden würde. Dafür würde das Schiff allerdings mehr Treibstoff verbrennen als es im gesamten Universum überhaupt Materie gibt (siehe natur+kosmos, Heft 07/11). 01-14 natur 21 Natur > Exoplaneten lich sind, bedeutet das rund zehn Milliarden Supererden in der grünen Zone. In zwei Jahren könnte der ESPRESSO-Spektrograf in Chile theoretisch auch eine zweite Erde bei Alpha Centauri B nachweisen. Ob es dafür Anzeichen gibt, will Xavier Dumusque nicht verraten. Nur so viel lässt er sich entlocken: „Weitere schlaflose Nächte sind nicht ausgeschlossen.“ Infos zur Kepler-Mission: http://kepler.nasa.gov. Video von Lisa Kaltenegger über Kepler 62e/f: www.youtube. com/watch?v=_goyfNeC3JQ Ulf Lüdeke Jeder Mensch besteht letztlich aus Sternenstaub und wird auch wieder dazu werden – diese Vorstellung hat unseren Autor immer fasziniert. Umso mehr reizt ihn der Gedanke von Leben auf fremden Planeten. Ein Exoplanet, der seinen Stern eng umkreist (Illustration). Er ist zu heiß, um Leben hervorzubringen. Natur in Zahlen Astronomisch! 13,82 Milliarden Jahre ist das Universum nach neuesten Berechnungen alt Fotos: privat, ESA/C. Carreau, NASA/ESA/M.J.Jee/H. Ford neten macht uns zur ersten Generation Mensch, die die spannende Frage nach Leben auf anderen Planeten beantworten kann. Obwohl wir in der Analyse der Daten exoplanetarer Atmosphären erst am Anfang stehen, hat sich die fundamentale Frage, der wir nachgehen, bereits verändert: Es geht nicht mehr in erster Linie darum, ob wir Felsplaneten in der habitablen Zone um ihren Stern aufspüren können, sondern darum, wie wir Spuren von Leben in deren Atmosphäre ausfindig machen.“ Die Fortschritte hätten übrigens nicht nur Astronomen elektrisiert, fügt die Astrophysikerin hinzu. „Selbst bei jenen Biologen, die bislang glaubten, dass das Leben auf Erden etwas Einmaliges ist, bröckelt allmählich die Skepsis.“ Auch die Jagd nach einem Erdzwilling bei unserer Nachbarsonne steht noch am Anfang. Einen Felsplaneten um Alpha Centauri B hat Xavier Dumusque bereits entdeckt. Und wo einer ist, da sind in der Regel weitere. Das belegen immer mehr Exoplanetenfunde. Die neueste Hochrechnung auf Basis der KeplerDaten toppt alle bisherigen Erwartungen: Mindestens jeder fünfte sonnenähnliche Stern in der Milchstraße wird von einem erdähnlichen Planeten in der lebensfreundlichen Zone umkreist. Bei 200 Milliarden Sternen in unserer Galaxis, von denen ein Fünftel sonnenähn- 4,54 Milliarden Jahre zählt die Erde 8 Stunden entspricht das, wäre das Universum heute einen Tag alt 26 Minuten wäre es in dieser Analogie her, dass die Dinosaurier auftauchten 1 Sekunde wäre vergangen, seit der moderne Mensch, Homo sapiens, auf den Plan trat 4 Zentimeter entfernt läge die Erde ungefähr, wäre die Sonne der Punkt auf diesem „i“ 6,5 Zentimeter entfernt läge der Mars 200 Zentimeter entfernt läge der Zwergplanet Pluto 14 Kilometer läge Alpha Centauri Bb entfernt, der nächste Exoplanet 63 000 Stundenkilometer schnell fliegt die Raumsonde Voyager 1 200 mal so schnell wie ein Rennauto auf der Zielgeraden 36 Jahre hat Voyager gebraucht, um an den Rand unseres Sonnensystems zu gelangen 74 000 Jahre würde Voyager benötigen, um zu Alpha Centauri Bb zu gelangen – wenn sie in seine Richtung flöge 50 000 Euro kostet jedes Kilogramm Nutzlast, das per Shuttle zur Raumstation ISS gebracht wird 8 Millionen Euro kostet ein moderner Raumanzug der NASA 40 Milliarden Euro wird Schätzungen zufolge die erste bemannte Mission zum Mars kosten Area51 klingt geheimnisvoll, ist aber schlicht die Verwaltungsbezeichnung des Staats Nevada für den Lieblingsort der Ufologen. Die Area 51, auch als „Dreamland“ oder „Paradise Ranch“ bezeichnet, ist ein militärisches Sperrgebiet im südlichen Nevada. Ihr Zweck wurde von der USRegierung lange geheim gehalten. Begonnen hatte alles damit, dass der Science-Fiction-Autor H. G. Wells eine Alien-Invasion beschrieb. 1938 löste sein Radiohörspiel „Krieg der Welten“ in den USA eine Massenpanik aus: Die Zuhörer hielten es für eine Nachrichtenmeldung. 1947 wurden im Bundesstaat Washington neun leuchtende Objekte gesichtet – „als ob man Untertassen übers Wasser hüpfen lässt“, berichtete ein Augenzeuge. Im selben Jahr entdeckte ein Farmer in New Mexico Stücke aus ultraleichtem Material. Die Air Force erklärte, es handele sich um Reste eines Wetterballons. Ufologen waren überzeugt, dass hier ein Raumschiff abgestürzt sei und die Army die Aliens in der Area 51 eingefroren habe. Im August 2013 hat die CIA nun endlich erklärt, was es mit der Militärbasis auf sich hat. Das Areal sei während des Kalten Krieges als Testgelände für Spionageflugzeuge genutzt worden. Die Ära der Ufologie scheint sowieso vorbei: Die Zahl der Ufo-Meldungen ist in den vergangenen 20 Jahren um 96 Prozent eingebrochen. 01-14 natur 23