Sozialpsychologie I - Meinungen und Einstellungen (WS 1998/1999) Script von Tobias Elze, zu großen Teilen beruhend auf Ausarbeitungen von Markus Hofmüller I. Chararkterisierung von Sozialpsychologie 1. WAS IST SOZIALPSYCHOLOGIE? 2. METHODEN DER SOZIALPSYCHOLOGIE 3. GESCHICHTE DER SOZIALPSYCHOLOGIE II. 1. 2. 3. 4. 5. Einstellungen DEFINITIONEN VON EINSTELLUNGEN FUNKTIONEN VON EINSTELLUNGEN FÜR DAS INDIVIDUUM ERWERB BZW. ÜBERNAHME VON EINSTELLUNGEN ZUSAMMENHANG ZWISCHEN EINSTELLUNG UND VERHALTEN EINSTELLUNGSÄNDERUNG DURCH KOMMUNIKATION III. 1. ... Einstellungstheorien Sozialpsychologie II – Script von Markus Hofmüller und Tobias Elze, 1999 Literatur: ARONSON, E. (1994): Sozialpsychologie HERKNER, W. (1991): Sozialpsychologie MYERS, D. G. (1999): Social Psychology I. Chararkterisierung von Sozialpsychologie 1. WAS IST SOZIALPSYCHOLOGIE? Sozialpsychologie untersucht, wie das Verhalten und das Erleben von Individuen durch die Anwesenheit anderer beeinflußt wird und wie Individuen andere Perso nen/Gruppen beeinflussen. 2. METHODEN DER SOZIALPSYCHOLOGIE Feld-/Laborexperimente Beobachtungsverfahren Korrelative Feldstudien (z.B. autoritäre Einstellung Erziehungsstil d. Eltern) Befragung 3. GESCHICHTE DER SOZIALPSYCHOLOGIE Aristoteles: "Gesellungsinstinkt" - Mensch als "zoon politikon" (soz. Wesen) Platon: Staat als Organismus - Formbarkeit des Individuums durch den Staat LeBon, 1895: "Massenpsychologie" - Individuum unterwirft sich d. Suggestion eines Führers und folgt einer willenlosen, triebhaften, anonymen Masse Triplett, 1898: Fördert Konkurrenz die persönl. Leistung? - eines der ersten systematischen Experimente der Sozialpsychologie Wundt, 1910-20: "Völkerpsychologie"(10 Bd.e) - Sprache, Mythen, Religion, Sitten etc. einer Ethnie als Ausdruck eines "Volksgeistes" erste sozialpsychologische Lehrbücher: (1) E.A. Ross, 1908: Prinzipien d. Imitation und Suggestion (2) W. McDougall, 1908: Triebkräfte, Instinkte ("Herdentrieb") 20er Jahre: erste soz.psychologische Zeitschrift - Entwicklung von Einstellungsskalen 30er Jahre: Forschung über Stereotype, Frustrations-Aggressionstheorie - Emigration zahlreicher jüd. Wissenschaftler in die USA 40er Jahre: Forschung über Gruppendynamik [Lewin], Einstellungsänderung [Yale Studies], autoritäre Persönlichkeit [Adorno et al.] 50er Jahre: Studien zu Konformität [Asch], Dissonanztheorie [Festinger] - Reimport nordamerik. Sozialpsychologie nach Europa 60er/70er Jahre: Forschung zu Gehorsam [Milgram], Hilfeleistung, Attribution - kogn. Wende, Ausdehnung der Soz.psychologie neuere Themen: Soziale Kognition, Intergruppenbeziehungen (Theorie der soz. Identität) II. Einstellungen 1. DEFINITIONEN VON EINSTELLUNGEN a) als hypothetisches Konstrukt 2 Sozialpsychologie II – Script von Markus Hofmüller und Tobias Elze, 1999 3 2 verschiedene Auffassungen von Einstellungen: verhaltensorientierte, behavioristische Auffassung S Einstellungsobjekt (Stimulus) R beobachtetes Verhalten (Reaktion) kognitivistische Auffassung S Einstellung R «hypothetisches Konstrukt», nicht direkt beobachtbar, sondern nur erschließbar Reaktionsbereitschaft (Prädisposition) b) Komponententheorie (ROSENBERG / HOVLAND) 3 Komponenten von Einstellungen affektive kognitive konative (Verhaltenskomponente) affektive Komponente: positive/negative Bewertung, gefühlsmäßige Stellungnahme messbare Indikatoren: autonome Reaktionen, verbale Äußerungen über Gefühle, Zustimmung/Ablehnung («...finde ich süß!»), Reaktionen des vegetativen NS kognitive Komponente: Wahrnehmungen, Überzeugungen, Meinungen messbare Indikatoren: Wahrnehmungsurteile, verbal geäußerte Ansichten etc. konative, (Verhaltens-)Komponente: nicht das Verhalten selbst, sondern Handlungstendenz, -absicht, Prädisposition/Bereitschaft zum Handeln messbare Indikatoren: offenes Verhalten, geäußerte Verhaltensabsicht, Auskünfte über eigenes Verhalten Konsistenz zwischen den Komponenten angestrebt zur kognitiven Komponente: Einstellung = latente Variable Annahme: Einstellung der Person X kann charakterisiert werden als fixer, relativ invarianter Wert auf einem latenten Einstellungskontinuum ~ NV Einstellung = Quasi-Persönlichkeitsmerkmal (trait) – im Gegensatz zu «Meinung» (sehr flexibel) 2. FUNKTIONEN VON EINSTELLUNGEN FÜR DAS INDIVIDUUM (funktionale Definition von Einstellung nach KATZ & STOTLAND) a) Anpassungsfunktion (adaptive Funktion, utilitaristische Funktion) Sozialpsychologie II – Script von Markus Hofmüller und Tobias Elze, 1999 Anpassung an die Umwelt durch Maximierung v. Belohnung/ Minimierung v. Bestrafung (Suche nach sozialer Anerkennung) Gruppennormen b) Orientierungsfunktion (ökonomische Funktion) Strukturierung, soz. Sicherheit, Reduktion v. Unsicherheit/Ungewißheit; Vorhersagbarkeit; Sinngebung erleichtert die Selektion v. Handlungs- und Entscheidungsalternativen (mit bestimmter politischen Einstellung kauft man bestimmte Zeitung) c) Wertausdrucksfunktion Ausdruck persönlicher Wertvorstellungen; Selbstdarstellung Signalisieren v. Gruppenzugehörigkeit d) Ich-Verteidigungsfunktion Schutz des Selbstwertgefühls; Abwehr unangenehmer, bedrohlicher Erfahrungen/Erkenntnisse wichtig v.a. für das Entstehen v. Vorurteilen Funktionen sind nicht disjunkt sondern treten gemeinsam auf 3. ERWERB BZW. ÜBERNAHME VON EINSTELLUNGEN 3.1. DESKRIPTIVE ANSÄTZE direkter Kontakt mit anderen (sprachl. Kommunikation etc.) Orientierung an Bezugspersonen/-gruppen (Identifikation) Konformitätsprozesse (innerhalb von Gruppen) Sozialisationsprozesse (Familie...) Rollenübernahme/Identifikation mit best. soz. Rollen/Kopieren direkte eigene Erfahrungen mit dem Einstellungsobjekt traumatische Erlebnisse Konkurrenz-/ Wettbewerbs-/Konfliktsituationen mit anderen Gruppen Vorurteile 3.2. LERNPARADIGMEN Erwerb von Einstellungen über Lernprozesse a) Klassisches Konditionieren von Einstellungen Kopplung eines unkonditionierten Stimulus (UCS) mit einem neutralen Einstellungsobjekt (EO): UCS UCR UCS+EO UCR EO (=CS) CR Laborexperimente zum Erwerb der affektiven Einstellungskomponente durch klass. Konditionieren: 4 Sozialpsychologie II – Script von Markus Hofmüller und Tobias Elze, 1999 STAATS & STAATS (1958): neutrale Worte gekoppelt mit positiv oder negativ bewerteten Adjektiven «Haus» + «bitter» Haus negativ bewertet ZANNA et al. (1970): neutrales Wort + elektrischer Schlag RAZRAN (1940): neutrales Wort + kostenloses Essen/unangenehmer Geruch «Schweden» + Essen «Schweden» pos. «Norweger» + Geruch «Norweger» neg. Probleme bei Experimenten: Wissentlichkeit der Vp.n Versuchsleiter-Erwartungs- (Rosenthal-)Effekte mangelnde Generalisierung auf ähnliche Einstellungsobjekte (Konditionierung relativ spezifisch) Werden wirklich Einstellungen konditioniert oder nur pos./neg. Verbaläußerungen? b) Operantes Konditionieren von Einstellungen Verstärkung gewünschter Reaktionen/Einstellungen: S Rop C+ Einstellungsoperante Reaktion verstärkender objekt Reiz z. B. Behauptung positive bzw. neg. Reaktionen der Vp auf diese pos. / neg. Konsequenzen («ja, sehr gut» bzw. «nein») Ergebnis: Anstieg der Häufigkeit pos./neg. Aussagen über EO als Folge der Verstärkung «Lernen» von Einstellungen (kognitive Komponente!) Bsp.: Exp. SINGER, 1961 - Behauptungen aus der F- (=Faschismus-)Skala (erfaßt autoritäre Persönlichkeitsmerkmale [ADORNO]) erfolgreicheVerstärkung prodemokratischer Äußerungen durch verbale Bekräftigung Exp. EKMAN, 1959: Verstärkung von neg. Äußerungen zur Todesstrafe Probleme: wie oben aber: nach dem Experiment tatsächliche EÄ! Konsistenzprinzip: Vp hat bestimmte Verhaltenskomponente erworben im Nachhinein Einstellung angepasst c) Modell-Lernen: Lernen von Einstellungen durch Beobachtung Stellvertretendes operantes Konditionieren 1. Stufe: Kodierung/Speicherung der beobachteten Sequenzen («Lernen») Bsp.: Politiker X im TV (Stimulus) Vater: «Politiker X ganz toll.» (Reaktion) Mutter: «Stimmt genau.» Kind (Beobachter): Wahrnehmung der Verstärkung des Vaters durch die Mutter über Empathie (stellvertretende Verstärkung durch Mutter) 2. Stufe: Ausführung («Verhalten») Politiker X im TV (Stimulus) Kind: «Politiker X ganz toll.» (Reaktion) 5 Sozialpsychologie II – Script von Markus Hofmüller und Tobias Elze, 1999 Stellvertretendes klassisches Konditionieren 1. Stufe: Kodierung/Speicherung der beobachteten Sequenzen («Lernen») Politiker X im Fernsehen [EO] + Vater [Modell]: «unmöglich» (verächtlicher Ausdruck etc.) [UCS] + Verstärkung (evtl.) Kind [Beobachter]: Wahrnehmung, Empathie Gefühl der Verachtung [UCR] 2. Stufe: Ausführung («Verhalten») EO: Politiker X im Fernsehen [CS] Kind: Verachtung/negative Einstellung gegenüber X [CR] 4. ZUSAMMENHANG ZWISCHEN EINSTELLUNG UND VERHALTEN Einstellung als Prädiktor für Verhalten? - meist implizite Annahme, aus der Einstellung ließe sich auf zu erwartendes Verhalten schließen Irrtum! Exp. LA PIERE (1934): Besuch von 250 amerikanischen Hotels mit chinesischem Paar nur einmal abgewiesen anschließend schriftliche Befragung der Hotels bezüglich chines. Gäste: 92% der Hotels lehnen die Aufnahme von Chinesen ab! (50% antworten) Experimente der 60er Jahre: Korrelation Einstellung - Verhalten ca. .30 Warum so schlechte Eignung von Einstellung als Prädiktor für Verhalten? LA PIERE ließ wesentliche Faktoren unberücksichtigt: soziale Normen der Hoteliers (Gastfreundschaft in konkreter Situation aktiviert, in Befragung nicht) aktuelle Verdienstchance spezif. Eigenschaften der chines. Gäste (gutes Aussehen etc.) Einbeziehung von Drittvariablen als modifizierende Faktoren: a) soziale Normen b) Verhaltensgewohnheiten (z.B. trotz neg. Einstellung wird Verhalten gezeigt) c) Verstärkungserwartungen (Konsequenzen des Verhaltens) d) Situative Faktoren (Zeit, Geld, Gelegenheit...) e) Einstellung spezifisch und relevant für Verhalten (z.B. nicht globale Einstellung zu Chinesen messen, sondern situationsspezifische Fragen stellen) f) Einstellung zu Verhaltensweisen vs. Einstellung zu Begriffen g) Einstellungsobjekte konkret vs. allgemein (z.B. nach der Bereitschaft fragen, die Heizung runterzudrehen, statt nach der Bereitschaft zum Energiesparen) h) Verfügbarkeit von Alternativen und deren Bewertung i) Persönlichkeitsvariablen (z.B. self-monitoring hoch Verhalten eher Korrelation Einstellung-Verhalten höher) j) Zugänglichkeit von Einstellungen im Gedächtnis [«accessibility» - FAZIO (1986)] leicht verfügbare Einstellungen als bessere Verhaltensprädiktoren Exp. TRIANDIS: Vorhersage des Rauchens aus drei Faktoren: Erhebung von a) Normen, b) Verhaltensgewohnheiten, c) Einstellung bei Einbezug aller 3 Faktoren sehr gute Prädiktion [r = .90] «Gewohnheit» als bester Einzelprädiktor 6 Sozialpsychologie II – Script von Markus Hofmüller und Tobias Elze, 1999 7 Modell von TRIANDIS (1985): Vorhersage des Rauchens (multiple Korrelation / Regression) Einstellung Normen Verhalten error Gewohnheiten TORA: Theory of Reasoned Action (FISHBEIN & AJZEN 1975/80) Konsequenzerwartungen Einstellung zu d. Verhaltensweise Konsequenzbewertungen Verhaltensabsicht Verhalten Normerwartungen Subjektive Norm Einwilligungserwartung Theorie versucht nicht, Verhalten direkt zu erklären, sondern über Zwischeninstanz «Verhaltensabsicht» Bsp.: «Wenn nächste Woche Bundestagswahl wäre, wen würden Sie wählen?» Verhaltensabsicht wenn Zeitintervall zwischen Verhaltensabsicht und Verhalten klein Verhalten lässt sich gut voraussagen Vehaltensabsicht abhängig von Einstellung + subjektiver Norm (additiv verknüpft) Modell mit Fragebogen überprüfbar, vielseitig anwendbar Kritik: nicht alle Faktoren berücksichtigt (Verhaltensgewohnheiten!) andere Kausalbeziehungen zwischen den Komponenten denkbar messtheoretische Einwände (Fragebögen haben höchstens Ordinalniveau) Sozialpsychologie II – Script von Markus Hofmüller und Tobias Elze, 1999 8 gegenseitiger Einfluss TOPB: Theory of Planned Behavior (AJZEN 1985, 1987) Einstellung zum Verhalten (AB) Subjektive Norm (SN) Intention (I) subjektive Verhaltenskontrolle (SC) direkter Einfluss Verhalten SC erinnert an Effizienzerwartung (BANDURA) ist der TORA überlegen (wegen SC und Zusammenhängen AB-SN etc.) z.B. Untersuchung zur Gewichtsabnahme: Untersuchung der Korrelationen AB-I, SN-I, SC-I multiple Korrelation AB, SN - Gewichtsabnahme = .65 Hinzunahme von SC Korrelation = .72 5. EINSTELLUNGSÄNDERUNG DURCH KOMMUNIKATION PERSUASIVE KOMMUNIKATION Einflussvariablen: A: «Variable» des Senders Glaubhaftigkeit sleeper effect Beliebtheit / Attraktivität Macht Status C: Empfängervariable Überredbarkeit Geschlecht Intelligenz Selbstwertgefühl B: Variable der Mitteilung einseitige / zweiseitige Kommunikation Anfangs- / Endeffekte Diskrepanz Bumerang-Effekt Furchtappelle D: Effekte (abhängige Variable) Aufmerksamkeit Verständnis Akzeptieren / Nachgeben (Überzeugung) Behalten Verhalten / Handeln A: «Variable» des Senders (Kommunikationsvariable) a) Glaubhaftigkeit / Glaubwürdigkeit («credibility») Sozialpsychologie II – Script von Markus Hofmüller und Tobias Elze, 1999 Komponenten: Fachwissen, Sachkenntnis Unparteilichkeit Bsp.: Untersuchung von HOVLAND & WEISS (1951): Vp. Lesen Artikel zu 4 verschiedenen Themen (Antihistamine, Atom-U-Boote, Stahlindustrie, Kinos) mit unterschiedlichen Quellenangaben (Fachzeitschrift vs. Illustrierte) Ergebnis: gleiche Argumente wesentlich wirksamer bei als glaubwürdig bewerteter Quelle! aber: «sleeper effect» Wirkung der glaubwürdigen Quelle läßt mit der Zeit stark nach («schläft ein»), so dass die unglaubwürdige Quelle nach einiger Zeit die gleiche Einstellungsänderung bewirkt haben kann wie die glaubwürdige Erklärung: selektives Vergessen der Quelle, jedoch nicht des Inhalts (Dissoziation Quelle - Inhalt) b) Beliebtheit / Sympathie Effekte der Identifikation (eigentlich kein Merkmal des Senders, sondern eine Zuschreibung) Komponenten: allgemeine Popularität, persönliche Bekanntheit, wahrgenommene Ähnlichkeit mit dem Rezipienten c) wahrgenommene Macht Gefügigkeit, äußere Anpassung d) Status z. B. Prof. vs. Studi B: Variable der Mitteilung a) einseitige vs. zweiseitige Kommunikation Def.: Einseitige Mitteilungen enthalten nur Argumente für den Standpunkt des Senders, zweiseitige Mitteilungen enthalten Pro- und Contra-Argumente Einseitige Nachrichten verstärken Meinungen, die bereits in Richtung der geäußerten Ansicht vorliegen, zweiseitige Mitteilungen bewirken eher eine Einstelungsänderung bei Empfängern mit ursprünglich entgegengesetzter Ansicht. Welche Art der Kommunikation ist wirksamer bei Einstellungsänderungen? Moderatorvariablen berücksichtigen! HOVLAND, LUMSDAINE & SHEFFIELD (1949): Wirkung von ein- bzw. zweiseitiger Kommunikation abhängig von der Intelligenz des Empfängers sowie der Diskrepanz zwischen der ursprünglichen und der propagierten Ansicht Radiosendung für amerikanische Soldaten sollten überzeugt werden, dass Krieg mit Japan noch mindestens 2 Jahre dauern würde zweiseitige Kommunikation bei intelligenten Personen wirksamer als einseitige Argumente, bei weniger Intelligenten eher umgekehrt (Verwirrung durch Gegenargumente) einseitige Mitteilungen sind wirksamer bei geringer Diskrepanz zwischen der ursprünglichen und der propagierten Einstellung, bei zweiseitiger Kommunikation umgekehrter Effekt 9 Sozialpsychologie II – Script von Markus Hofmüller und Tobias Elze, 1999 LUMSDAINE & JANIS (1953): Einstellungsänderung durch zweiseitige Kommunikation resistenter gegen Gegenpropaganda b) Primacy- vs. Recency –Effekte (nur relevant bei zweiseitiger Kommunikation) Argumente für eigenen Standpunkt lieber am Anfang oder am Ende der zweiseitigen Kommunikation bringen? Primacy-effect: am Anfang wirksamer Recency-effect: am Ende wirksamer MILLER & CAMPBELL (1959): Primacy-Effekt größer bei geringem Abstand zwischen I und II und großem Abstand zwischen Aussagen und Messung Erklärung: proaktive Hemmung der zweiten durch die erste Aussage durch erste Aussage bereits Entwicklung antizipatorischer Gegenargumente gegen II Recency-Effekt größer bei großem Abstand zwischen I und II und geringem Abstand zwischen II und der Messung Erklärung: Vergessensprozesse c) Diskrepanz zwischen propagierter (Sender) und vorhandener (Empfänger) Einstellung Bumerang-Effekte wenn Diskrepanz zu groß Empfänger ändert seine Einstellung in die Gegenrichtung = Bumerang-Effekt («Assimilations-Kontrast-Theorie» zur Erklärung des Effektes; s.u.) Ausmaß des Bumerangeffektes abhängig von: Glaubwürdigkeit des Kommunikators (wenn wenig glaubhaft) Ich-Beteiligung des Rezipienten (Thema relevant oder nicht - Kommunikator hat wenig Einfluß auf diesen Faktor) Intensität und Extremität der vorhandenen Einstellung d) Furchtappelle Annahme: Bereitschaft zur Einstellungsänderung steigt mit der Stärke des Furchtappells DABBS & LEVENTHAL (1966): Gesundheitsverhalten (Tetanusimpfung) Vgr.I: vorher sachliche Information (niedrige Furcht) Vgr.II: vorher drastische Schilderung eines Tetanusfalls(hohe Furcht) Kgr.: keine Furchtinduktion Impfabsicht steigt mit zunehmender Furcht (Impfung als Möglichkeit zur Furchtreduktion) - aber: wenig Wirkung auf tatsächliches Impfverhalten! Furchtappell und Einstellungsänderung hypothetischer Zusammenhang: EÄ bei Überschreiten bestimmter Grenze kognitiver Abwehrmechanismus Kommunikationsvermeidung (Verlauf bei meisten Vpn) induziertes Furchtniveau 10 Sozialpsychologie II – Script von Markus Hofmüller und Tobias Elze, 1999 Moderatorvariablen für individuelles Furchtniveau: ursprüngliches Furchtniveau Gegenstandsbereich (relevant oder nicht) Informiertheit des Empfängers Wahrnehmung des Grades d. subjektiven Gefährdung Wirksamkeit der empfohlenen Gegenmaßnahmen C: Variable des Empfängers a) Beeinflussbarkeit (Überredbarkeit/Suggestibilität) Beeinflussbarkeit als allgemeines Persönlichkeitsmerkmal Korrelationen über verschiedene Einstellungsgegenstände hinweg sehr gering (< .50) Suggestibilität als "trait" nicht nachweisbar (situative Faktoren wichtiger) Beeinflussbarkeit und Geschlecht: kein Zusammenhang (bei gleicher Informiertheit/Interesse) Beeinflußbarkeit und Intelligenz/Selbstwertgefühl Annahme: Beeinflußbarkeit sinkt mit zunehmender Intelligenz McGuire (1968): Zusammenhang zwischen IQ und Beeinflussbarkeit in Abhängigkeit von der Komplexität der Mitteilung: EÄ hohe Komplexität (Verständnis entscheidend) mittlere Komplexität (Verständnis und Akzeptierung) geringe Komplexität (Akzeptierung entscheidend) IQ niedrig mittel hoch b) gründliche vs. oberflächliche Verarbeitung (kognitiver Verarbeitungsansatz) 2 Ansätze: zentraler vs. peripherer Weg der Verarbeitung (PETTY & CACIOPPO, 1986) Elaboration Likelihood Model (ELM): (1) «central route» der Einstellungsänderung: sorgfältige Informationsverarbeitung Einstellungen sehr änderungsresistent (2) «peripheral route»: oberflächliche, "gedankenlose" Verarbeitung, zum großen Teil basierend auf Heuristiken (s.u.) Einstellungen nicht sehr änderungsresistent (1) & (2) als Endpunkte eines Verarbeitungskontinuums - welcher Weg gewählt wird, ist abhängig von Fähigkeit und Motivation «need for cognition» (Bedürfnis nach Wissen/Nachdenken, Freude am Nachdenken) als Persönlichkeitsvariable need for cognition hoch: Einstellungsänderungen eher über den zentralen Verarbeitungsweg (Argumentqualität wichtig) need for cognition niedrig: Einstellungen eher von peripheren Hinweisreizen abhängig 11 Sozialpsychologie II – Script von Markus Hofmüller und Tobias Elze, 1999 systematische vs. heuristische Verarbeitung (CHAIKEN, 1987) systematischer Ansatz: intensive Verarbeitung von Pro-/Contraargumenten analytisch, motiviert-kognitive Verarbeitung - hoher kogn. Aufwand Persuasion nur durch überzeugende Argumente hohe Stabilität der erworbenen Einstellung Heuristiken/Faustregeln: «Wer nett aussieht, kann nicht lügen.» periphere Hinweisreize wichtiger als Argumente (Nettigkeit/Status des Kommunikators...Anzahl der Argumente...) wenig kognitiver Aufwand, Urteile affektiv beeinflußt Wirkung eher kurzfristig zentraler Verarbeitungsweg nicht unbedingt überlegen, Heuristiken im Alltag stark handlungsleitend (effizienter!) zentraler Verarbeitungsweg eher gewählt bei hoher Ich-Beteiligung/Involviertheit des Empfängers - ansonsten: periphere Verarbeitung D: Effekte (Auswirkungsvariable) Stufenmodell für den Prozeß der Einstellungsänderung: (Stufen aufeinander aufbauend!) a) Aufmerksamkeit (Grundvoraussetzung für den Erfolg persuasiver Kommunikation) Problem: selektive Wahrnehmung/Wahrnehmungsabwehr z.B. Kommunikation über Massenmedien sehr fraglich Interesse wecken! b) Verständnis Intelligenz/Auffassungsgabe der Empfänger Klarheit/Strukturiertheit der Mitteilung c) Überzeugung, Nachgeben, Akzeptieren, Übernahme, Befolgung Einflußfaktoren: (1) Macht Gefügigkeit (2) Attraktivität Identifikation (3) Glaubhaftigkeit Internalisierung (4) Qualität der Argumente (5) Involviertheit des Rezipienten d) Behalten Wiederholen von Argumenten hilfreich (Werbung!) e) Verhalten, Handeln (entsprechend der Einstellungsänderung) Vorbeugung von Einstellungsänderungen (Stabilisierung von Einstellungen) Glaubwürdigkeit/Beliebtheit des Kommunikators herabwerten Empfänger zu öffentlicher Festlegung auf bestehende Einstellungen veranlassen Verankerung von Einstellungen im bestehenden Werte- und Kategoriensystem Übernahme in das Selbstkonzept negative Gefühle gegen Gegenpositionen stimulieren generelle kritische Haltung gegenüber Mitteilungen vermitteln (langjähriger Erziehungsprozess!) 12 Sozialpsychologie II – Script von Markus Hofmüller und Tobias Elze, 1999 13 Nachteil: Verunsicherung, soziale Isolierung Auseinandersetzen mit zu erwartenden Gegenargumenten (zweiseitige Kommunikation!) Ankündigung von Überredungsversuchen argumentative Unterstützung bestehender Ansichten Inokulation («kognitive Impfung» (MCGUIRE, 1964) Bereitstellung möglicher Gegenargumente mit sofortiger anschließender Widerlegung (= Immunisierung) Inokulationstheorie, MCGUIRE (1962, 1964): Wie kann man «Truismen» (= allgemein akzeptierte, schwer zu erschütternde Einstellungen in geschlossenen Gruppen Verteidigung der Einstellung nach außen nicht geübt ) gegen Einstellungsänderungen resistent machen? 2 Strategien: Unterstützung und Inokulation (s.o.) MCGUIRE & PAPAGEORGIS (1961): Truismen aus dem medizinischen Bereich ("immer Zähne putzen!" etc.) Vgr.I: Angriff auf Truismus (Gegenargumente) Vgr.II: Unterstützung (pos. Argumente) und dann Angriff Vgr.III: Inokulation und dann Angriff Kgr.: kein Angriff Ergebnisse: 14 12 1 = völlige Ablehnung ... 15 = völlige Zustimmung 10 8 6 4 2 0 Kgr Vgr I Vgr II Vgr III Inokulation wesentlich wirkungsvoller als bloße Unterstützung Erklärung: Inokulation schafft durch vorangehende Verunsicherung (Gegenargumente) das Wissen um die Gefährdetheit des eigenen Standpunktes und damit die Motivation zu dessen Verteidigung, die im zweiten Schritt geübt wird (Widerlegung der ContraArgumente) Unterstützung hat keine motivationalen Folgen - vgl. Wirkung von einseitiger vs. zweiseitiger Kommunikation aber: Überlegenheit Inokulation > Unterstützung nur bei glaubwürdigem Sender Wirkung der Unterstützung nimmt mit der Zeit ab, Wirkung der Inokulation nimmt zu (Nachdenken über Argumente...) passive vs. aktive Inokulation (passiv: Gegenargumente + Widerlegung; aktiv: Gegenargumente + Widerlegung durch Vp. Selbst) passive Inokulation überlegen! gleichartige vs. verschiedenartige Inokulation (gleichartig: in der Inokulation die gleichen Argumente wie beim späteren Angriff; verschiedenartig: ...andere Argumente [bezogen auf gleichen Gegenstand]) gleichartig leicht überlegen, nach Ablauf einiger Tage verschiedenartige Inokulation überlegen Sozialpsychologie II – Script von Markus Hofmüller und Tobias Elze, 1999 14 Kognitive Mechanismen zur Stabilisierung von Einstellungen («Abwehrmechanismen») Grundlage: Kongruitätstheorie [OSGOOD & TANNENBAUM, 1955] - s.u.! S b) +2 a), c) E Obj. +1 d) a) b) c) d) Leugnung Senderabwertung Widerlegung der Argumente von S Unterstützung der eigenen Einstellung