LMU Ausbildungseinrichtung für Orthodoxe Theologie Lehrstuhl für Systematische Theologie Prof. Athanasios Vletsis Trinität – das doxologische Zentrum des Glaubens Aufruf zu unserer Sohnschaft im Leben Gottes des Dreieinen Zusammenfassende Thesen 1. Trinitätslehre ist nicht eine Konstruktion oder Projizierung (zumal aus den Verhältnissen der geschaffenen Welt oder unseres menschlichen Daseins/unserer seelischen Kräften) eines abstrakten, spekulativen Gottesbegriffes, sondern die doxologische, unmittelbare und konsequente Antwort der Gemeinschaft der Gläubigen auf das erfahrene Heil in der Geschichte Jesu Christi: erst die Wahrnehmung (und der Glaube an) der Menschwerdung des Sohnes Gottes befähigt, die gesamte Heilsökonomie Gottes zu einem erweiterten, trinitarischen Blick zu erfassen und erst dann (rückblickend) das gesamte Schöpfungswerk auch trinitarisch zu durchleuchten. 2. Gott der Vater des Herrn Jesu Christi offenbart sich in der gesamten Geschichte seiner Schöpfung: er hat sich insbesondere in der Geschichte des Volkes Israel kundgetan als der Eine, Einzige Gott. In der Fülle der Zeit (vgl. Gal 4,4) hat Er sich aber in der Hingabe seines Sohnes, in der Auferstehung und in der Sendung seines Geistes gezeigt: in diesem Sinne kann der Satz Gültigkeit beanspruchen: „die ökonomische Trinität ist die immanente“ (K. Rahner) (s. auch These 13). 3. Das Neue Testament (wie auch das Alte) geht von den konkreten Taten Gottes in seiner Welt und in seinem Volk aus, ohne sich auf eine triadische Formel zu fixieren. Das Bekennen an den Dreieinigen Gott wird im NT in konkreten, meistens doxologischen Formen erfasst (vgl. z.B. 2 Kor 13,13). In NT ist Gott der Vater des Herrn Jesu Christi, der die Geschichte seines Sohnes in seinem Hl. Geist den Menschen und der ganzen Welt einladend öffnet: zur Sohnschaft/Vergöttlichung des Menschen und zur Verwandlung/Vollendung aller Kretur. 4. Die Notwendigkeit einer konkreten Entfaltung (in der vorerst mündlich vorgetragenen Predigt und dann in den schriftlich erfassten Quellen) des erfahrenen Heils in Jesus Christus und dann die Auseinandersetzung mit den philosophischen Denkrichtungen ihrer Zeit signalisiert auch die Anstrengungen der Kirche, den einen Gott des christlichen Glaubens von den triadischen Formeln anderer Gottes- oder Weltvorstellungen abzugrenzen. Bereits sehr früh und mit Klarheit wird die Rede von der Trias im christlichen Vokabular Eingang finden. Dabei gilt als Kriterium des Glaubens: Die Notwendigkeit der Soteriologie (die Erfahrung und die Sicherung des Heils) soll den Sohn und den Geist auf die Seite Gottes und nicht auf die Seite seiner Geschöpfe stellen. 5. Die Logoschristologie der Apologeten stellt ein der ersten Paradigmata der Inkulturation des Christentums in seiner Zeit. Die Gefahr einer subοrdinatianistischen (Subordinatio= Unterstellung) Interpretation der Geschichte Jesu Christi, sowie die Tendenz, die Logoschristologie emanatistisch (als Ausfluß aus dem Wesen Gottes, vgl. den Ausdruck des Credo von Nikaia-325=ἐκ τῆς οὐσίας τοῦ Πατρός) zu interpretieren, haben die Kirchenvätern ab dem 4. Jh. dazu geführt, gestärkt die Geschichte der Menschwerdung Gottes als die Geschichte des Sohnes darzulegen. Die Logoschristologie konnte jedoch weiterhin den Weg offen halten für eine (etwas später, in der Zeit Maximos des Bekenners †662) tiefere Verknüpfung zwischen der Schöpfungstheologie und der Christologie. 6. Die „Homoousie“ (Wesenseinheit) des Sohnes mit dem Vater war die konsequente Schlussfolgerung der soteriologischen „Rolle“ (nämlich des Heilswerkes) Jesu Christi. Ein Geschöpf (κτίσμα) kann nicht das Heil bringen (oder auch nur vermitteln) und uns zur Sohnschaft oder Vergöttlichung führen. Die gleiche Argumentation war auch für die Gottheit des Geistes prägend, wenn auch in der Pneumatologie (insbesondere des 2. Ökum. Konzils) eher die pastorale Sorge der Kirche, nur seine Homotimie (gleiche Verehrung) im Credo zur Sprache zu bringen, ausschlaggebend für die Formulierung des Credo war. 7. Für die gesamte Linie der Lehre der alten Kirche des Ostens kann man behaupten, dass der konkreter Anlauf einer Trinitätslehre die (Heils-) Geschichte der drei Personen war (und ist) und nicht der summarische Begriff ihrer gemeinsamen göttlichen Substanz (Ousia, Wesenheit), wie es gewisse Tendenzen (Entwicklungen) in der westlichen Tradition (nach Augustin) anzunehmen schienen. 8. Für die Trinitätslehre der ostkirchlichen Patristik kann als Axiom gelten: „einer ist Gott, weil einer ist Gott der Vater“. Die „Monarchie“ des Vaters (Der Vater als Prinzip-Urgrund-Ursache- Quelle) ist für die Einheit der Trinität konstitutiv. Die Beziehungen der anderen Personen zum Vater sind für Ihr Personsein manifestativ. Diese ihre Beziehung stellt die charakteristische Eigenschaft (Proprietät, ἰδιότης) ihrer Hypostase fest. (vgl. auch These 12) 9. Jedoch wird die Hypostase genauso wie das Wesen Gottes apophatisch angenähert: das bedeutet, dass keine Definition (z.B. Person = Relation) das hypostatische Sein in seiner Fülle erfassen (oder sogar konstituieren) kann. Eine Priorität zwischen dem Wesen oder dem personalen Dasein Gottes artikulieren zu wollen, würde heißen die Apophatik zu verlassen und sich in logischen (oder noch problematischer: in ontologischen) Ätiologien zu begeben, um mit ihnen das immanente Leben Gottes niht einfach zu beschreiben, sondern begründen/konstituieren zu wollen. LMU Ausbildungseinrichtung für Orthodoxe Theologie Lehrstuhl für Systematische Theologie Prof. Athanasios Vletsis 10. Die langen Diskussionen um die Begriffe Ousia, Substanz, Person, Hypostasis, Substistentia wurde in der alten Kirche v.a. dank der Vermittlung der Kappadokischen Väter (Basileios, Gregor v. Nazianz, Gregor v. Nyssa) mit der klaren ontologischen Verankerung, die jetzt die Person gewinnt (parallel zur ontologischer Fundierung des Wesens-Seins), beendet. Nach V. Lossky ist Person nicht das Individuum, sondern das Einmalige, Unverwechselbare, Unwiederholbare der Existenz. Person kann in einer unmittelbaren Intuition und Erfahrung, in Relation und lebendiger Begegnung erfasst werden. 11. Den Bemühungen von Kirchenvätern der lateinischen Tradition nach, v.a. seit Augustin, wird eher eine positive Beschreibung als konkreter Inhalt der Person gesucht. Dies galt v.a. für die Person des Hl. Geistes, die in ihrer Eigenschaft des Hervorgehens vom Vater (procedit-ἐκπορευτόν) nicht klare Konturen gewinnen konnte (im Unterschied zu der eher verständlicheren Rede von der Zeugung des Sohnes). Diese (hypostatische Eigenschafte) glaubte Augustinus mit der Kategorie der Liebe, konkretisiert für die Person des Hl. Geistes, gefunden zu haben. Das Filioque könnte (auch) als die Entfaltung dieses Denkens interpretiert werden, wenn man es zu seiner letzten Schlussfolgerung zwingen wollte (obschon seine Einführung im 6.Jh in den spanischen Synoden, und später im Reich der Karolinger, 809 in Aachen eingeführt, eher den Adoptianismus bekämpfen wollte). Die Liebe, als konstitutives Element der Existenz der göttlichen Hypostasen, bringt jedoch die Ostkirche in eine Aporie (abgesehen von den anderen Problemen, die das Filioque verursacht): wie kann man diese immanente Liebe von jener Liebe Gottes zu seinen Geschöpfen unterscheiden? Den Satz „Gott ist Liebe“ hat die orthodoxe Tradition v.a. heilsökonomisch interpretiert. Könnte vielleicht nicht eine Vermittlung zwischen den theologischen Traditionen dadurch erzielt werden, wenn die Orthodoxe Theologie den Geist als die Person konkretisiert, die alle Charismen und Gaben des göttlichen Lebens schenkt? 12. Dass die Liebe durchaus ihren (nicht jedoch konstitutiven) Platz im immanenten Leben Gottes hat, beweist die Lehre der Ostkirche von der Perichorese der Drei Personen der Trinität: Raum öffnen/ schaffen für ihre gegenseitige Durchdringung (περιχώρησις) bedeutet und dokumentiert die liebvolle, ja das verherrlichende/ doxologische Ineinandertreten der Beziehungen der Personen im immanenten Leben Gottes. Die perichoretische Sicht der Trinität kann auch evtl. Gefahren abwehren, die aus einer strengen Vorstellung der Monarchie des Vaters in der Trinität hervorgehen könnten. Eine positivere Ausdrucksmöglichkeit für die Beziehung konkret zwischen Sohn und Geist im immanenten Leben Gottes sucht die orthodoxe Tradition erst später (ab dem 12. Jh.) klarer zu formulieren (konkret und v.a. durch Gregorios von Zypern): die Beziehung zwischen Sohn und Geist wird als die ewige Manifestation (Ausstrahlung/ ἔκφανσις) erfasst, oder auch als das Ruhen des Geistes im Sohn. Durch die perichoretische Erfassung des (immanenten) Lebens Gottes wird auch jene Spannung (oder gar Alternative) gelöst, ob Gott der Vater den anderen Personen der Trinität Ihr Personsein oder ihr (sein) Wesen (Ousia, θειότης) mitteilt/gibt. 13. Die Differenzierung zwischen „Theologia“ (immanente Theologie) und „Oikonomia“ (ökonomische Trinität) war eigentlich eine Notwendigkeit der Christologie: konkreter eine Notwendigkeit, damit das Leiden Jesu Christi interpretiert werden kann; das Leiden kann weder ein konstitutives Element des immanenten Lebens der Personen der Trinität darstellen, noch das „Leben Gottes in Ewigkeit“ (J. Moltmann) begleiten. Dass die immanente Trinität aus der ökonomischen gelernt werden kann, bedeutet jedoch nicht, dass die immanente Trinität völlig in die ökonomische eingeht (hier gegen die Umkehrbarkeit des Axioms von K. Rahner). 14. Erst später wurde diese Unterscheidung (zwischen Theologia und Oikonomia) bis zu ihrer letzten Grenze gezogen (u.a. durch eine Überspitzung der Differenzierung zwischen Wesen und Energien Gottes), um die Lehre des Filioque abzuschwören (insbesondere in d. Zeit Gregorios Palamas, †1359). Doch, läuft die orthodoxe Theologie nicht Gefahr, den westlichen Vorwürfen ausgesetzt zu werden, sie „entfunktionalisiere“ (D. Wendebourg) die Personen der Trinität (d.h. ihr personales Leben hat keine unmittelbare Relevanz oder soteriologische Funktion für die Heilsgeschichte)? 15. Die Trinitätstheologie der Zukunft hat, neben der Frage nach den passenden Begriffen (z.B. in wie weit noch heute Begriffe wie Person, Hypostasis, Ousia adäquat für die Triadologie erscheinen?), v.a. die Fülle des Lebens der göttlichen Personen in der Schöpfung und in der Heilsökonomie differenzierter zu präsentieren: die Koinonia des Dreieinen Gottes als die Liebe Gottes des Vaters, die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft des Hl. Geistes können auch für die Strukturierung des Geschaffenen (samt der Ekklesiologie) „Maßstäbe“ liefern, unter der Voraussetzung, dass die Apophatik ihre Konturen nicht verliert. Dadurch gewinnt nicht zuletzt jene andere Unterscheidung zwischen Ousia und Energien Gottes klare Konturen, d.h. sie wird an das persönliche Leben der Hypostasen der Dreieinigkeit gekoppelt. 16. Als sicherer Ort einer unmittelbaren Erfahrung der Trinität (auch der immanenten) bleibt für die Ostkirche die doxologische Anaphora der Rekapitulatio der gesamten Schöpfung in der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Diese Anaphora (=„Darbringung“) schließt aber das gesamte Heilswerk des Dreieinen Gottes mit ein: gerade das Werk unserer Sohnschaft (nach dem spezifischen orthodoxen Vokabular=Vergöttlichung) in Gott stellt das Heilswerk Jesu Christi und des Geistes in einer trinitarischer Zuordnung und Konkretion: Im Aufruf „dem Bilde des Sohnes gleichförmig“ zu werden, „damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern” (Röm 8,29) offenbart sich das Werk (und damit das Leben) der Trinität: wo der Vater „durch“ seinen Sohn „Jesus Christus uns zur Sohnschaft vorherbestimmt hat“ (Eph 1, 5), befähigt („versiegelt“) mit dem „Hl. Geist der Verheißung, der ist das Unterpfand unseres Erbes” (Eph 1,13-14), der in unseren Herzen ruft “Abba der Vater” (Gal 4,6), damit Gott alles in allem sei (1 Kor 15,28).