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0. Vorwort 1
1. Der Islam - die dritte monotheistische Weltreligion
1.1. Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) der Begründer des Islam 1 - 3
1.2. Die Ausbreitung des Islam 3 - 4
1.3. Die Theologie des Islam 4 - 5
2. Ethik und Recht im Islam
2.1. Rechtsgrundlagen im Islam 6 - 7
2.2. Durch den Koran begründete moralische Kategorien 7 - 8
2.3. Menschenrechte im Islam? 8 - 9
2.4. Die Stellung der Frau in der islamischen Gesellschaft 9- 11
3. Der islamische Staat und seine Institutionen
3.1. Grundbausteine des islamischen Staates 11-12
3.2. Die Wirtschaft des Islam 12-13
4. Die Anfänge islamischer Staaten
4.1. Die islamitische Urgemeinde Umma 13-14
4.2. Die drei islamischen Großreiche im 16./17. Jahrhundert 14-16
4.3. Erste nationalstaatliche Versuche 16
5. Zwischen Utopie und Wirklichkeit - islamische Staaten in der Gegenwart
5.1. Ägypten - Islamisten auf leisen Sohlen 17
5.2. Palästina - die Frucht des Zorns 18-19
5.3. Libanon - vom Terror zur Demokratie 19
5.4. Afghanistan - im Netz der Extremisten 19-21
6. Schlusswort 21
7. Anhang
7.1. Arbeitsblatt 22
7.2. Glossar 23
7.3. Quellenangaben24
0. Vorwort
Die vor Ihnen liegende Arbeit beschäftigt sich mit der Staatsphilosophie des Islam. Der
Islam ist eine der drei so genannten Buchreligionen und hatte um die Jahrtausendwende
ca. eine Milliarde Anhänger und die Tendenz ist steigend. In Indonesien leben
zahlenmäßig die meisten Muslime (175 Millionen), gefolgt von Pakistan (130 Millionen),
Bangladesch (110 Millionen), Indien (105 Millionen) und der Türkei, dem Iran und
Ägypten mit jeweils 60 Millionen Muslime. Die dritte monotheistische Weltreligion (neben
dem Juden- und Christentum) hatte ihr Ursprungsgebiet auf der Arabischen Halbinsel im
heutigen Saudi Arabien. Unter der Formel: ,,Muslime ist, wer den Koran als Offenbarung
des einen, einzigen Gottes anerkennt.", verbreitete sich der Islam in Vorder- und
Zentralasien, auf dem indischen Subkontinent, in Südostasien, auf den Philippinen, an
der Ostküste Afrikas, in der Türkei und die islamische Diaspora verbreitete sich sogar auf
der ganzen Welt, vornehmlich in Westeuropa und Nordamerika.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die islamische Religion eine
Staatsauffassung als Rahmen ihrer Glaubensausübung bevorzugt, wie die Ansprüche an
einen so genannten islamischen Staat aussehen und wie diese Anforderungen letztendlich
in der Realität verwirklicht wurden beziehungsweise werden. Der Beantwortung dieser
Fragen möchte ich mich nun im Einzelnen widmen.
1. Der Islam - die dritte monotheistische Weltreligion
1.1. Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) - der Begründer des Islam
Für die Muslime ist Abraham ihr Stammvater. Er erkannte laut dem Alten Testament,
welches die Muslime auch anerkennen, den Urmonotheismus. Abraham schlussfolgerte
als erster, dass es nur einen Gott als handelnde Persönlichkeit jenseits der
Erscheinungswelt geben kann, und dass dieser Gott zu allen Völkern Propheten
entsandte. Der erste Prophet ist auch für die Muslime ebenso wie für die Christen Adam
gewesen. Trotz der Tatsache, dass die Muslime fast alle Propheten des Alten
Testamentes anerkennen, ist es doch Abraham, welcher der bedeutendste Vorläufer des
,,muslimischen" Propheten Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm)war.
Muhammad Hashim (Allahs Segen und Heil auf ihm) wurde am Montag, den 17. Juni 569
in der Handelsmetropole Mekka geboren. Er war vom Stamme Quraisch, welche damals
sehr einflussreiche Händler waren. Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) war erst
Angestellter im Handelshause seines Stammes und heiratete schließlich die reiche
Inhaberin Khadija. Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) unternahm als Händler
viele Reisen und hatte Begegnungen mit Juden und Christen. Ab seinem vierzigsten
Lebensjahr zog sich Muhammad immer öfter in die Berge zurück, um einsam in Askese
zu meditieren. Auf dem Berg Hira bei Mekka brachte ihm ein Engel die Botschaft Gottes.
Ab dem Jahre 610 begann Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) von dieser
Botschaft zu berichten. Die Nachricht Gottes fiel in Arabien auf fruchtbaren Boden, denn
Anfang des 6. Jahrhunderts geriet das gesellschaftliche System der Halbinsel in eine
Krise. Man distanzierte sich von der Stammeszugehörigkeit und schloss sich immer mehr
zu kleinen Sippen oder Familien zusammen. Dementsprechend teilte sich auch das
Eigentum auf und die sozialen Unterschiede wurden immer größer. Es entstand eine
Sehnsucht nach einem großen, allumfassenden Gemeinwesen, also die Sehnsucht nach
einer Religion. Und Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) befriedigte diese
Sehnsucht.
Als er (Allahs Segen und Heil auf ihm) die Berge verließ, predigte er, dass er ein von Gott
ausgewählter Prophet sei. Seine Aufgabe wäre es, die Offenbarung auf Arabisch zu
vermitteln. Muhammads (Allahs Segen und Heil auf ihm) Botschaft war, dass Allah, sein
Gott, mit dem Gott der Christen und dem der Juden identisch sei. Und die Araber sollten
nun nicht mehr viele heidnische Götter, sondern in Zukunft nur noch einen Gott anbeten.
Muhammad sollte im Auftrag Allahs die Menschen wieder zu Gott zurückführen, denn die
Menschen ließen sich immer wieder zum Götzendienst verleiten. Die Sprüche, die
Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) vom Berg mitbrachte, sollten gesammelt
und niedergeschrieben werden. So sollte der Koran entstehen, der auch mit der Tora und
der Bibel gleichwertig ist.
Anfangs widersetzten sich gerade die Kaufleute der Prophezeiung Muhammads (Allahs
Segen und Heil auf ihm), weil sie in einer Religion ihre Macht gefährdet sahen. Doch
engste Familienmitglieder, die Armen und Benachteiligten, die sich eine Besserung ihrer
Situation von Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) und seinen Predigten
erhofften, waren seine ersten Anhänger. Aufgrund des Konfliktes mit den Händlern
musste Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) mit seinen Gefolgsleuten 622 Mekka
verlassen. Sie emigrierten nach Medina. Dies ist auch der Beginn der islamischen
Zeitrechnung. Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) verfasste in Medina eine
Gemeindeordnung und schlichtete somit Streitigkeiten. Daraufhin wurde Muhammad zum
Oberhaupt bestimmt und somit wurde die erste islamitische Gemeinde gegründet. In
seinen Predigten erhob Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) den Anspruch, dass
Abraham Muslime gewesen sei (das Wort Muslime bedeutet übersetzt allerdings nichts
anderes als Hingabe an Gott), damit vollzog er den entscheidenden Bruch mit Juden und
Christen, denn er stellte den Moslem über sie.
Muhammad sammelte immer mehr Anhänger um sich und versuchte seinen Glauben
immer weiter auszubreiten, dazu gehörte auch die Rückeroberung Mekkas. Anfangs gab
es viel Krieg und Streit um die Stadt und die Anhänger Muhammads (Allahs Segen und
Heil auf ihm) mussten während dieser Zeit immer Richtung Mekka beten, weil dort die
Kaabe stand, welche als wichtigstes islamisches Heiligtum angesehen wird. Im Jahre 630
fiel Mekka wieder in die Hand von Muhammad(Allahs Segen und Heil auf ihm). Von dort
aus waren nun bewaffnete Auseinandersetzungen ein fester Bestandteil als Mittel zur
Ausbreitung des Glaubens und Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) festigte somit
seine Macht auf der Arabischen Halbinsel, welche auch die Basis für die weltweite
Ausbreitung darstellte.
Am Montag, den 4. Juni 632 starb der letzte Prophet Muhammad (Allahs Segen und Heil
auf ihm), im Alter von 62 Jahren. Sein Tod war überraschend und so war noch kein
Nachfolger bestimmt. Der Streit um die Nachfolge war auch schon der Ursprung der
konfessionellen Spaltung im Islam. Diese Spaltung in Schiiten und Sunniten sollte sich
aber erst mehrere Jahrhunderte danach manifestieren.
1.2. Die Ausbreitung des Islams
Die jeweiligen Nachfolger Muhammads führten erbitterte Eroberungskämpfe im Irak,
Syrien, und Palästina. Die hinzu gewonnenen Regionen wurden durch neu errichtete
Militärlager gesichert. So dehnte sich der Islam in den ersten zwei Jahrhunderten nach
seiner Entstehung auf das gesamte Persische Hochland aus.
Parallel dazu entstand der Koran. In den ersten vier Generationen nach dem letzten
Propheten wurden die Verse Gottes, die Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) vom
Berg mitbrachte noch mündlich überliefert. So besaßen die sogenannten Koranträger
eine große Macht, weil sie die Worte Gottes genau kannten. Während dieser Phase
wurden aber immer schon Teilstücke des Koran auf Papyrus, Stein oder Palmenblättern
notiert. Die Zusammenfassung wurde dann unter dem Kalif Utman durchgeführt.
In den Jahren 705 bis 715 fand die zweite Eroberungswelle der Muslime statt. Über die
Straße von Gibraltar wurde die Pyrenäenhalbinsel besetzt. Erst 732 brachten die
Karolinger den arabischen Vorsprung in Frankreich zum stehen. 1492 wurde dann
schließlich auch die letzte arabische Bastion Granada in Spanien befreit. Durch die
Eroberung Persiens, Turkestans und Indiens wuchsen dort Keimzellen des Islam heran.
In den eroberten Gebieten wurde teilweise die nichtmuslimische Bevölkerung akzeptiert,
sofern sie an den Sultan eine Kopfsteuer zahlten. Im achten Jahrhundert wurden dann
schließlich alle Araber und Nichtaraber gleichgeschaltet. Alle waren gleich gute Muslime
vor Gott. Somit verlor der Islam seine ethnischen Grenzen. Dies war auch die Grundlage
der Ausbreitung des Islam in nichtarabische Regionen und die Basis dafür, dass sich der
Islam als Weltreligion etablieren konnte.
754-775 gründete Mansur das Kalif Bagdad, was nun als Stadt des Friedens Einfluss auf
alle Muslime nehmen sollte. Dennoch führten Mitte des 9. Jahrhunderts soziale
Widersprüche in der Gesellschaft zu schwindender Kontrolle Bagdads über das Militär und
die Verwaltung. Auch gegenläufige Interessen der Randzonen des arabischen
Herrschaftsgebietes beschleunigten den Autoritätszerfall der Zentrale in Bagdad. Die
ersten Provinzen lösten sich wieder vom Kalifat und es entstanden autonome arabische
und iranische Fürstentümer. Das große islamische Reich als ein geschlossenes Gebilde
zerfiel in einen Kulturkreis ohne weltliche Durchsetzungskraft. Um 1000 war nur noch die
Gegend um Bagdad unter kalifischer Herrschaft.
Mitte des 11. Jahrhunderts veränderte die Invasion türkischer Nomadenstämme die
Landkarte der Muslime. Die Seldschuken erreichten einen Sieg über das christliche
Byzanz und eine vorübergehende Einnahme Jerusalems. Dies war dann schließlich der
Auslöser für die christlichen Kreuzzüge. Der Einfall der Mongolen sorgte dafür, dass sich
der Islam im Osten bis nach China ausdehnte, weil die Eroberer die Religion ihrer
Untertanen annahm. Nachdem das Mongolenreich zerfiel und in Kleinstaaten aufgeteilt
wurde, konnte sich eine glänzende islamische Kultur entwickeln.
1.3. Die Theologie des Islam
Der Gott der Muslime heißt Allah. Muslime glauben an die Existenz eines einzigen,
personalen Gottes, Schöpfer und Erhalter der Welt. Für die Muslime ist ihr Gott immanent
(innewohnend) und transzendent (übersinnlich). Für die Muslime war Muhammad (Allahs
Segen und Heil auf ihm) der letzte Prophet und auch dieser war nicht sündenlos, weil
selbst im Koran über Fehler des Propheten berichtet wird. Gott offenbarte für die Muslime
sein Wort im Koran. Dieser Schrift ist unbedingt Folge zu leisten. Für die Muslime ist
Religion und Wissenschaft miteinander vereinbar, denn nur die Religion sucht die letzte
Ursache des Kosmos und nur die Religion kann ein Wertesystem, Sinnhaftigkeit und
Qualität ermitteln und ermessen.
Die Schöpfungsgeschichte des Koran weicht sehr von der Bibel ab. Die Muslime glauben
daran, dass die Erde urknallähnlich entstanden ist und dass alles Leben im Wasser
entsprang. Somit zählen sie auch die Amphibien zu den ersten Lebewesen im Islam.
Ähnlich wie die Christen glauben auch die Muslime an ein letztes Gericht und der damit
verbundenen kosmischen Katastrophe. Im Islam werden einem die Sünden vergeben,
solange man seine Reue bekundet. Allerdings ist das Leben nach dem Tod kein
zwangsläufig eintretendes Ereignis, sondern von Gottesgnaden abhängig.
Im Islam gibt es fünf Säulen, die die gottesdienstlichen Verpflichtungen darstellen. Diese
Säulen sind von jedem Moslem strengsten einzuhalten und nicht abänderbar. Die erste
Säule ist das Glaubensbekenntnis. Ein Moslem bekennt laut, dass er an Mohammad
(Allahs Segen und Heil auf ihm) und Allah glaubt. Er findet in der Hingabe an Gott seinen
Frieden, aber nur durch die Religion des Islam. Die zweite Säule ist das Gebet. Ein
Moslem kann jederzeit privat beten, wie und wo es ihm gefällt. Allerdings ist er dazu
verpflichtet fünfmal am Tag das rituelle Gebet zu verrichten. Dieses Gebet darf nur in
arabischer Sprache gesprochen werden, muss zu bestimmten Zeiten und unter
spiritueller Reinheit erfolgen. Wichtig ist, dass sich der Betende, Richtung Mekka
ausrichtet. Die dritte Säule der gottesdienstlichen Verpflichtungen ist das Fasten im
Monat Ramadan. Dieser Monat richtet sich nach dem Mond und verschiebt sich somit
jährlich um bis zu elf Tage. Es ist also schon ein erheblicher Unterschied, ob man zwölf
oder siebzehn Stunden auf Essen, Trinken, Rauchen und sexuelle Handlungen verzichtet,
denn ein gläubiger Moslem fastet im Ramadan vom Sonnenaufgang bis zum
Sonnenuntergang. Die vierte Säule der Verpflichtungen ist die Pilgerfahrt nach Mekka,
die jeder Muslime einmal in seinem Leben antreten sollte, sofern es ihm finanziell
möglich ist. Die letzte gottesdienstliche Aufgabe ist die Abgabe der Sozialsteuer, ähnlich
dem Kirchenzehnt. Der Verwendungszweck dieser Steuer ist im Koran genau festgelegt.
Die Steuer, die nicht auf das Einkommen, sondern auf das Vermögen erhoben wird, muss
an Notleidende, Verschuldete, Gefangene oder an die staatliche Verwaltung, die
Missionierung oder Förderung des Islam gehen. Somit ist die Steuer auch ein Symbol für
Solidarität gegenüber dem Gemeinwesen im islamischen Staat.
2. Ethik und Recht im Islam
2.1. Rechtsgrundlagen im Islam
Im Islam gibt es kein lesbares Gesetzesbuch. So ist die Hauptquelle des islamisches
Rechts der Koran. In diesem Buch widmen sich circa 600 von 6200 Versen dem
normativen Recht. Die göttlichen Normen und Prinzipien des Korans, sowie das darin
beschriebene Vorbild und die Lehre der Propheten sind für Moslems die Rechtsgrundlage.
Unter Verwendung von Analogieschlüssen aus dem Koran wurde ein Juristenrecht
entwickelt. Analogieschlüsse müssen allerdings strenge Kriterien befolgen. Sie müssen
ausschließlich dem öffentlichen Wohl dienen, man muss ihre Notwendigkeit beweisen und
sie müssen Kontinuität haben. So müssen auch alle neuen Gesetze in einem islamischen
Staat auf den Koran zurückführbar sein. Eine weitere Quelle des Rechts ist der Konsens
der Rechtsgelehrten, denn Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) hat einmal
gesagt: ,,Mein Volk wird nie in einem Irrtum übereinstimmen." Letztendlich gibt es in
einem muslimischen Staat in letzter Instanz nur eine Rechtsquelle und die ist Gott.
Einzig und allein für die Organisation des Staates hat der Koran einen Spielraum
gelassen, dessen Rahmen adäquat auf Veränderungen reagieren kann. Denn der Koran
gewährt den Staatsführern die Möglichkeit Rechtsvorschriften zu erlassen, die zu
Erfüllung der Staatsaufgaben nötig sind.
Das Strafrecht im Islam ist in drei Kategorien aufgeteilt. Die folgenden Kategorien sind
gleichzeitig in Rang- und Reihenfolge aufgestellt. Die erste Klasse beinhaltet Straftaten,
die im Koran und in der Sunna genannt sind, wie zum Beispiel Ehebruch, Diebstahl und
Alkoholgenuss. Mögliche Strafen hier wären Auspeitschen, Handabhacken oder sogar die
Todesstrafe, wenn eine Frau ihren Mann betrügt. Die zweite Kategorie beinhaltet
Straftaten, wie schwere Körperverletzung und Mord. Die Strafe hier ist entweder Blutzoll
oder eine andere Form der Entschädigung. Die letzte Klasse besteht aus Straftaten, die
gegen die Gebote und Verbote Allahs verstoßen. Hier liegt dann die jeweilige Strafe im
Ermessen des Richters. Dieser kann bei dieser Art von Verstößen auch die Todesstrafe
verhängen.
Es ist also schon ersichtlich, dass sich das Strafrecht in den islamischen Staaten deutlich
von dem der so genannten zivilisierten Staaten unterscheidet. Es ist teilweise mit
unserem Menschenverständnis nicht vereinbar, dass man einen Menschen für seine Taten
körperlich züchtig oder ihn sogar tötet. Hinzu kommt, dass der Aspekt der Blutrache fern
jeglichen europäischen Denkens liegt. Anzumerken ist allerdings, dass in den meisten
islamischen Staaten dieses Strafrecht noch immer unverändert angewendet wird. Ein
weiterer Unterschied zu dem uns bekannten Rechtssystem ist im Islam auch, dass man
für Vergehen bestraft werden kann, die im Koran stehen. Sicherlich darf man in
Deutschland weder stehlen noch töten und diese Delikte stehen auch in der Bibel unter
Bestrafung, aber im Islam gilt der Umkehrschluss, alles was im Koran verboten ist, ist
auch tatsächlich nicht im Staat erlaubt. So würde sich in Europa niemand strafrechtlich,
höchstens moralisch über einen Ehebruch erzürnen. Im Islam hingegen steht darauf die
Todesstrafe, wobei hinzuzufügen ist, dass nur die Frau bei Ehebruch mit dem Tode
bestraft werden kann, der Mann hingegen muss maximal eine Art Abfindung, also das
Brautgeld zahlen, wenn er den Ehebruch beging. Mehr zu der Stellung von Mann und
Frau finden Sie unter Punkt 2.4.
2.2. Durch den Koran begründete moralische Kategorien
Die moralischen Gebote des Islam finden sich natürlich in der Sunna und im Koran, wobei
die starren Regeln auch hier einen Spielraum erlauben zwischen absolut gebotenem
Verhalten, wie zum Beispiel dem Beten und absolut verbotenem Verhalten, wie Ehebruch
und Mord. Dazwischen gibt es Taten, die üblich, erwünscht, unerwünscht oder sogar
moralisch neutral sind, oder solche, die man meiden sollte. Grundsätzlich gilt, dass alles
erlaubt ist, was nicht verboten ist. Dennoch ist dies nur die Theorie. In der Praxis gibt es
die Tendenz zur schwarz-weiß Malerei und man kann sich nur an Geboten und Verboten
orientieren.
Im Islam gilt, dass die Taten nur nach den verfolgten Absichten zu beurteilen sind, was
natürlich implizieren könnte, dass allein das gute Motiv reiche, um sich auch für
,,schlechte Taten" rechtfertigen zu können. Aber auch die allgemeinen
Moralvorstellungen der westlichen Welt gelten im Islam. So sind zum Beispiel Leben,
Körper, Ehre und Eigentum der Mitmenschen nicht zu verletzen. Es gilt weiterhin, dass
ein Muslim danach streben sollte gerecht, gütig, fleißig, vertrauenswürdig, diskret und
ehrlich zu sein. Im Islam gilt das Verbot jeglichen Selbstmordes, sei es der schnelle oder
der langsame Tod, denn auch Kettenrauchen und Alkoholismus als Selbstzerstörung sind
verboten. Des Weiteren gilt das Verbot jeglichen Konsums von Mitteln, die das Denken
oder die Selbstkontrolle beeinflussen könnten. Weiterhin werden Wahrsagerei, Astrologie
und Kaffeesatzlesen im Islam missbilligt. Männer und Frauen haben sich auch so zu
kleiden, dass davon keine sexuellen Provokationen ausgehen und erotisch aufreizende,
suggestive oder hypnotisierende Musik ist den Muslimen nicht erlaubt. Des weiteren sind
moralische Grundwerte wie auch: Gerechtigkeit, Gleichwertigkeit aller Menschen,
Gemeinwohl kommt vor Eigennutz, Verantwortlichkeit, Familiensinn, Wertschätzung von
Güte, Verlässlichkeit, Unbestechlichkeit, Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Sauberkeit,
Tapferkeit, Mitgefühl, Opferbereitschaft, Genügsamkeit und Bescheidenheit im Islam tief
verankert.
Es ist also beruhigend, dass es im Islam ähnliche moralische Wertvorstellungen gibt wie
in Europa (würden alle Muslime diese Gebote und Verbote einhalten, wäre der islamische
Staat ja zwangsläufig das beste Gesellschaftssystem der Welt). Dennoch sind uns viele
Zwänge und Vorschriften sehr fremd und widersprechen unserer Kultur. Zum anderen
darf man nicht vergessen, dass auch Theorie und Praxis im Islam manchmal weit entfernt
voneinander sind. Denn die islamischen Extremisten scheinen das Tötungsverbot und das
Recht des Nächsten nicht so zu achten, wie man sich das vorstellen würde. Das liegt
daran, dass der Koran zwar all diese moralischen Gesetze aufstellt, aber auch gleichzeitig
der bewaffnete Kampf gegen die Ungläubigen befürwortet wird. So kommt es denn - wie
bei jeder Buchreligion - zu unterschiedlichen Auslegungen des Korantextes. Das hat zur
Folge, dass sich unterschiedliche Strömungen im Islam gebildet haben, von den
gemäßigten Islamisten bis zu den Extremisten. Und je nachdem wird dann auf die eine
oder andere moralische Vorschrift des Koran mehr oder weniger Wert gelegt.
2.3. Menschenrechte im Islam?
Im Islam gibt es im Grunde genommen das Wort Menschenrechte nicht, da alle
Individuen Gottes Geschöpfe sind und somit sind sie keine eigenständigen Träger von
Rechten, denn nur Gott verleiht und gewährt Rechte. Auch wenn es die klassischen
Menschenrechts-bewegungen wie in Frankreich und den USA nicht gab, so kann man
doch feststellen, dass viele Menschenrechte schon seit 1400 Jahren im Koran verankert
sind. Diese sind allerdings nur als Reflexivrecht formuliert. Denn zum Beispiel aus dem
Verbot des Tötens lässt sich das Recht auf Leben ableiten. Aus dem Verbot des Diebstahl
kann man das Recht auf Eigentum erkennen und das Gebot der Konsultation lässt das
Recht auf politische Partizipation erkennen.
Dennoch darf man nicht vergessen, dass der Islam ständig in Konflikte mit den
Menschenrechten gerät. Dies allein lässt schon das Rechtssystem des Islam erkennen,
denn Körperstrafen und Todesstrafen, die das islamische Strafrecht verlangen, verstoßen
gegen die aktuellen Menschenrechtskonventionen, werden allerdings immer noch täglich
im Islam praktiziert. Außerdem basiert das Familienrecht des Islam auf der Annahme,
dass Männer und Frauen physisch und psychisch unterschiedlich sind. Das bedeutet in
der Praxis, dass die Frau und der Mann weder in der Familie noch vor dem Gesetz gleich
behandelt werden. Also sind in der Realität nicht alle Menschen gleich. Und auch das ist
ein Verstoß gegen die weltweit geltenden Menschenrechte.
2.4. Die Stellung der Frau in der islamischen Gesellschaft
Laut Koran sind Männer und Frauen gleichwertige Geschöpfe, die sich gemeinsam Gott
hingeben und darin in der Partnerschaft Glückseeligkeit erreichen. Männer und Frauen
haben also die gleichen religiösen Rechte und Pflichten. Der Koran sieht vor, dass sich
Männer und Frauen ergänzen. Somit ist der Grundstein für die klassische Rollenverteilung
zwischen Mann und Frau gelegt. Die Frau kümmert sich um Haushalt und Kinder, der
Mann kommt in den Genuss der Bildung, darf das Geld verdienen und wird zu Hause wie
ein Sultan bedient. Der Koran schreibt weiterhin vor, dass diejenigen, die es können,
heiraten sollen und zwar mit Ehevertrag. Denn wird eine Frau geheiratet, erhält sie ein
Brautgeld vom Mann, welches nicht unerheblich ist. Dieses Geld ist sozusagen ihre
Altersversicherung. Kritiker des Islams behaupten auch, dass das Brautgeld eine Art
geringe Bezahlung für die lebenslange Schufterei im Haushalt ist.
Mit dem Eingehen der Ehe erhalten beide das Recht ihren Geburtsnamen zu behalten, ein
eigenes Vermögen anzuhäufen und sich beruflich zu entfalten. Allerdings werden diese
Rechte in der Praxis nur dem Mann zugestanden, denn eine Frau könnte sich zwar
beruflich bilden, aber im Islam sind alle Einrichtungen für Männer und Frauen getrennt
und Frauen dürfen auch nur von Frauen unterrichtet werden, sowie Männer nur von
Männern. Nun steht also die Frage im Raum, wenn die Männer nun schon immer die
Vorherrschaft hatten, wer denn die Frauen unterrichten soll, denn es gibt ja keine
ausgebildeten Lehrer. Kann also eine Frau keinem Beruf nachgehen, kann sie also auch
kein eigenes Vermögen anhäufen. Diese Möglichkeit steht nur dem Manne zu Verfügung.
Somit gerät die Frau in eine weitere Abhängigkeit in der Ehe. Ein anderer Aspekt ist, dass
es im Islam immer noch die Sozialstruktur der Großfamilien gibt. Somit ist das erklärte
Ziel, so viele Kinder wie möglich groß zu ziehen. Und wie sollte eine Frau bei zehn
Kindern noch arbeiten gehen, wenn sie ihren Mann und die Söhne wie Könige bedienen
muss?
Da der Islam die Familie immer noch als Basis für die Großfamilie, und die wiederum als
Grundlage für den Stamm ansieht, welcher schließlich eine Nation bildet, ist im Islam die
Frau, welche die Familie umsorgt immer noch angesehener als beruftätige Frauen.
Gerade das erschwert auch diverse Frauenrechtsbewegungen im Islam, beziehungsweise
macht diese nahezu unmöglich. In den letzten sechzig Jahren, seit dem es
Frauenrechtsbewegungen in der islamischen Hemisphäre gibt, sind immer noch keine
nennenswerten Erfolge erzielt worden. So gibt es zum Beispiel immer noch kein
Wahlrecht für die Frauen.
Eine weitere Ungerechtigkeit in dem System der islamischen Ehe zeigt sich, wenn man
feststellt, dass ein Moslem durchaus eine Jüdin oder Christin ehelichenen darf, aber einer
Muslima ist es nur gestattet innerhalb ihrer Religion zu heiraten.
Wie schon erwähnt, geht der Islam von den physischen und psychischen Unterschieden
zwischen Mann und Frau aus, was allerdings nicht nur impliziert, dass der Mann über der
Frau steht, sondern das besagt auch, dass der Mann dazu verpflichtet ist seine Frau zu
schützen.
Auch zur Familienplanung äußert sich der Koran (beziehungsweise die gezogenen
Analogieschlüsse). Es ist erlaubt zu verhüten, wenn der Kindersegen die Grenzen der
sozialen Verträglichkeit sprengt. Als letzter Punkt in Bezug auf die Ehe ist zu sagen, dass
die Scheidung einer Ehe unter den Muslimen als die hassenswerteste Handlung
überhaupt gilt. Allerdings ist es einem Mann erlaubt, erneut zu heiraten, einer Frau
hingegen nicht. Hinzu kommt, dass in der islamischen Gesellschaft auch heute noch
ausschließlich die Frau für das Scheitern der Ehe verantwortlich gemacht wird. Selbst
wenn der Mann fremdgehen sollte, ist dies auf das Versagen der Ehefrau zurück zu
führen.
Man sieht also deutlich, dass die Frauen an einer Unterprivilegiertheit gegenüber den
Männern leiden und das stellt man nicht nur am äußeren Erscheinungsbild fest, denn die
Frauen müssen ihren gesamten Körper, außer Hände und Füße verhüllen. Es gibt
Stimmen, die meinen diese Verhüllung hätte einen emanzipatorischen Charakter, denn
Frauen würden nicht nach ihrer Begierde, sondern nach ihren Fähigkeiten beurteilt, dies
gilt gerade in der Arbeitswelt. Aber diese Logik greift nur, wenn es den jeweiligen Frauen
frei gestellt wäre, sich zu verhüllen. Außerdem gibt es kaum berufstätige Frauen im
Islam.
Das zweite oberste Gebot für Frauen ist neben der Verhüllung, dass es ihre Aufgabe ist,
den Blick vor einem Mann zu senken. Sie sind dem Mann verpflichtet und dienen diesem.
Schon die Mädchen ab dem siebenten Lebensjahr werden zur zweiten Dienstleistende
neben der Mutter erzogen und müssen ihre Brüder wie den Vater bedienen.
Ein Ausbrechen aus diesen Traditionen ist schwer möglich, denn wie schon oben
geschildert dürfen Frauen nur mit Frauen verkehren (außer mit ihrem eigenen Ehemann
oder in der Anwesenheit der gesamten Familie auch mit den männlichen Verwandten).
Dies schließt auch ein, dass sich Frauen nur von Frauen behandeln lassen dürfen. Da es
aber wenig ausgebildete Frauen gibt, gibt es noch weniger weibliche Ärzte. Dies hat auch
zur Folge, dass im Islam die gesundheitliche Versorgung für die Frauen sehr schlecht ist.
Es ist also schon so, dass sich Frauen im Islam eindeutig dem Mann unterordnen müssen
und fast keinerlei Rechte besitzen. Dies widerspricht unserem fortschrittlichen
europäischen Denken. Zumal wir schon fast die Emanzipation überwunden haben und
Frauen den Männern nahezu gleich gestellt sind, während im Islam immer noch Frauen
gesteinigt werden, wenn sie Ehebruch begehen. Und diesen Ehebruch muss der Mann
nicht einmal beweisen können. Es genügt schon, seine Frau dieses Verbrechens zu
beschuldigen. Irgendwelche Stammesangehörige werden sich dann immer finden, die
dieses Ereignis mit hundertprozentiger Sicherheit bezeugen können.
3. Der islamische Staat und seine Institutionen
3.1. Grundbausteine des islamischen Staates
Im Grunde genommen gibt es im Islam keine Trennung zwischen dem Staat und der
Religion, weil Allah alle Bereiche dominiert. Somit ist das Ziel eines islamischen Staates
schon vor 1400 Jahren formuliert worden: Das Errichten einer Großgemeinde (Umma),
welche alle Muslime in sich vereint.
Diese Vereinigung soll in einem Staate geschehen, in dem keinerlei Gewaltenteilung
herrscht. Es soll ein Primat regieren. Dabei ist es gleichgültig, ob dieser einen König-
oder Kaisertitel hat, oder sich gar Präsident nennt. Die Tagesgeschäfte werden dann
meistens von einem (Schatten-)Kabinett übernommen. Sollte es islamische Staaten mit
so genannten Parlamenten geben, haben sie nicht die uns bekannten Aufgaben, sondern
dienen nur der Wahrung des Scheins. Parlamente sind also keine Elemente der
Demokratie, wie zum Beispiel in Europa.
Eigentlich beschäftigt sich der Koran nicht mit dem Staat, sondern nur mit der Gestaltung
einer idealen muslimischen Gesellschaft. Somit impliziert der Koran keine bestimmte
Staatsform, sondern nur Normen für die gläubige Gemeinde. Die oberste Norm ist, wie
schon erwähnt, dass jede Staatsform ein Oberhaupt haben muss, welches sich von der
Religion leiten lässt und auch die Ausübung dieser im Staat kontrolliert. Seine Ernennung
sollte über eine Wahl erfolgen und er ist für die Amtsführung individuell verantwortlich.
Ein anderer Aspekt ist, dass jeder Muslime im Prinzip den Rang eines Stadthalters oder
Sachverwalters Gottes besitzt. In jedem muslimischen Staat muss die Gerichtsbarkeit
unabhängig sein, die die Gesetze des Koran überwacht und bei Fehltritten über diese
richtet. Die islamische Gemeinde kann im Grunde genommen multireligiös sein, da die
verschiedenen Religionsanhänger eine Kopfsteuer entrichten. Diese Grundzüge wurden
auch teilweise aus der Urgemeinde in Medina abgeleitet, die auf einer Art
Gesellschaftsvertrag aufbaute. Laut der modernen Koranauslegung muss ein Staat nicht
zwangsläufig theokratisch sein. Staat und Religion müssen nur harmonisch aufeinander
bezogen sein und bis zu einem gewissen Grad integriert werden. Daraus lässt sich
ableiten, dass der Islam nichts gegen eine republikanische Staatsverfassung
einzuwenden hätte. Würde man so einzig den idealen beziehungsweise den möglichen
Handlungsspielraum eines islamischen Staates betrachten, ergebe sich zwangsläufig die
Schlussfolgerung, dass diese Staatsform demokratisch, weil sie pluralistisch ist und
Rechtsstaatlichkeit für sich beanspruchen kann, weil sie eine Gewaltenteilung besitzt.
Leider sieht die Praxis anders aus. Denn im Zuge der Re-Islamisierung haben die meisten
Staatsoberhäupter ein totalitäres Regime aufgebaut, weil sie aus den Fehlern des 17.,
18. und 19. Jahrhunderts gelernt zu haben meinten. Durch Einfluss von außen seien
damals die Grundlagen für einen islamischen Staat weg gebrochen. Um dieses im 21.
Jahrhundert zu verhindern, werden jegliche nichtislamischen Einflüsse unterdrückt,
verboten und bekämpft. So gibt es in islamischen Staaten keine parlamentarische
Demokratie, keine Parteien oder Parlamente, die auf einer pluralistischen
Entscheidungsfindung basieren. Außerdem fehlt teilweise die Presse- und
Meinungsfreiheit und wenn eine Gewaltenteilung existieren sollte, besteht diese nur auf
dem Papier.
Es fehlen also in den islamischen Staaten jegliche Elemente einer Demokratie.
3.2. Die Wirtschaft des Islam
Auch für den Aufbau der Wirtschaft finden sich im Koran die entscheidenden Hinweise. So
soll es im islamischen Staat eine soziale Marktwirtschaft geben. Schutz von
Privateigentum (auch an Produktionsmitteln), sowie Schutz des Luftraumes, der
Gewässer, der Weiden, der Wälder und der Bodenschätze als natürliche Ressourcen
sollten gewährleistet sein, wobei letzteres unter Kontrolle der staatlichen Führung stehen
sollte.
Im Islam ist es verboten, das Kapital festverzinslich einzusetzen. Man darf das Vermögen
nur so anlegen, dass Kreditnehmer und Geber davon profitieren oder gemeinsam den
Verlust tragen. Dennoch ist hierbei eine Versicherung von Risiken auf Gegenseitigkeit
erlaubt. Versteuert wird nur das Kapitalvermögen und zwar einkommensunabhängig.
Spekulationen, Wetten und Horten, sowie Monopolbildung ist im islamischen Staat
verboten. Somit gibt es weder eine Börse noch ein Wirtschaftszentrum. Normalerweise
ist das Leben in Luxus sowie das Schmarotzen im Islam ebenfalls verboten. Die
islamische Wirtschaft soll dem Gemeinwohl und den Menschen dienen, fern jeglichen
Profitdenkens. Dies ist allerdings mehr eine Wirtschaftsmoral als ein Wirtschaftssystem
und kein Land setzte bisher diese Ansprüche des Korans um, oder wie sonst lassen sich
die arabischen Ölstaaten in ihrer Existenz erklären. Es ist vielmehr so, dass sich die
Wenigen, die die Möglichkeiten haben, am Öl bereichern und somit die Bodenschätze für
sich allein beanspruchen und die Mehrheit der Bevölkerung in Armut lebt. Dennoch ist ein
erster Ansatz dieser Wirtschaftsmoral seit der Ölkrise umgesetzt worden. Es gibt in den
islamischen Staaten erste Banken, die ein zinsfreies Darlehen vergeben.
4. Die Anfänge islamischer Staaten
4.1. Die islamische Urgemeinde Umma
Als Mohammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) Anfang des 7. Jahrhunderts aus Mekka
nach Medina vertrieben wurde entstand die erste Urgemeinde des Islam. Sie wird auch
Umma genannt. Diese Entstehung wurde rückwirkend von den
Geschichtswissentschaftlern vielfach als historischer Prozess der arabischen
Staatenbildung klassifiziert, denn die Nomadenstämme, die der neuen Religion beitraten
wurden sesshaft und es entstand, wie das Wort Umma in der Übersetzung schon sagt,
eine Nation als neuartige Form der Gemeinschaft. Diese Gesellschaft war nicht mehr
durch die triviale Loyalität gekennzeichnet, die durch die Einbettung eines Individuums in
seinen Clan oder Stamm entsteht, sondern wurde vielmehr durch das religiöse
Bekenntnis geprägt, welches jetzt ein neues Kennzeichen war. Sozusagen gab die
Religion den Anstoß zur Staatenbildung.
In der Umma waren sich nicht mehr Stammesgenossen untereinander verpflichtet,
sondern ein Moslembruder dem anderen. Es entstand also ein Staat, wo zuvor keiner
war. Im Laufe der Zeit expandierte das Staatswesen der Araber über seine Grenzen des
arabischen Staatsraumes hinaus. Historiker meinen aber, dass die Ausbreitung dieses
Staates erst die Voraussetzung war für die Verbreitung der Religion.
Dennoch darf man nicht verkennen, dass Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm)
eigentlich keinen richtigen Staat hinterließ, sondern nur ein Gemeinwesen, welches durch
die wichtigsten Merkmale eines Staates gekennzeichnet wurde. So gab es einen relativ
hohen Grad der Zentralisierung. Es gab die Vorstellung von einem Primat der Gesetze
oder zumindest die einer höheren Autorität, die bei der Beilegung von Konflikten beteiligt
war. Den einzelnen Amtsinhabern (Kalifen) standen unabhängige Institutionen zur
Ausübung administrativer staatlicher Aufgaben zur Verfügung. Außerdem gab es Anfänge
eines geregelten Steuersystems. Denn zum einen gab es die soziale Abgabe als
gottesdienstliche Verpflichtung, zum anderen mussten die zur Umma gehörenden
Stämme eine Abgabe leisten und Nichtmoslems mussten eine Kopfsteuer entrichten,
damit sie in der muslimischen Gemeinde bleiben dürfen und geschützt werden. Ein
weiterer Aspekt ist, dass die Umma einen urbanen Charakter hatte, dass heißt, die
Kopfsteuer ermöglichte Andersgläubigen das Ausüben ihrer Religion (und Ziel war dann
nicht die Missionierung, weil somit eine Einnahmequelle versiegen würde). Zum letzten
Merkmal der Umma gehörte auch, dass es teilweise sehr ausgeprägte ökonomische
Strukturen gab. So zum Beispiel in der Stadt Higaz. Letztendlich wurde der Kampf
zwischen Stamm und Staat zu Gunsten des Staates entschieden - allerdings mit Hilfe des
Islam.
4.2. Die drei islamischen Großreiche im 16./17. Jahrhundert
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts teilte sich die Welt der Muslime in drei große politische
aber auch religiöse Machtbereiche auf. In das Osmanische Reich, in das Kaiserreich in
Indien und in den theokratischen Staat Iran. Im Osmanische Reich auf der Arabischen
Halbinsel bestimmten die Sunniten das Schicksal des Landes. Dieser straff organisierte
Staat ist fast mit einem totalitären Staat vergleichbar. Das Staatsoberhaupt, der Sultan
stellte sicher, dass die Religion den obersten Stellenwert im Land einnahm und ließ sich
auch von dieser leiten. Hinzu kamen eine gut strukturierte Verwaltungsbasis und ein
starkes Militär. Das propagierte Ziel war der ,,dsch-ihad" - also der Heilige Krieg gegen
alle Ungläubigen im Reich. Juden und Christen waren allerdings in den Augen der
Moslems als Buchbesitzer keine Ungläubigen, sondern durften gegen eine Abgabe weiter
ihre Religion ausüben und hatten sogar eine Vertretung beim Sultan in Istanbul.
Allerdings setzte der Sultan Provinzherren in den eroberten Gebieten ein. Diese nutzten
dann ihre Stellung aus, um die Landstriche zu plündern und teilweise auch wirtschaftlich
ausbluten zu lassen. Durch die Plünderungen wurden die wichtigsten islamischen
Kunstschätze und Handschriften nach Istanbul gebracht. Das Osmanische Reich war
ebenso wie die Urgemeinde durch einen Primat, unabhängige Verwaltungsinstitutionen,
eine Art Steuersystem und einen urbanen Charakter gekennzeichnet. Allerdings fehlte
dem Großreich eine Zentralisierung. Man bemühte sich zwar ein Machtzentrum in
Istanbul aufzubauen, doch dieses Unterfangen war nicht von Dauer, wohl auch, weil das
Osmanische Reich zu groß war, um es in dieser Zeit mit den damaligen Mitteln zu
kontrollieren. Hinzu kam, dass das Osmanische Reich durch fehlgeschlagene
Eroberungsversuche in Europa, durch die Entdeckung Amerikas und des Seeweges um
Afrika geschwächt wurde. Diese Merkmale zeigen, dass sich das Staatssystem des Islam
in dieser Region innerhalb von tausend Jahren kaum verändert hatte. Nur der
Herrschaftsbereich war wesentlich größer geworden und das Volk war jetzt nicht mehr
ausschließlich arabisch, sondern multikulturell.
Die Sunniten hatten aber auch in Indien ihren Einfluss und errichteten dort ein
Kaiserreich mit einem so genannten Mogulkaiser. Die sich anfangs widersetzenden
Hindus wurden als Schutzbefohlene angesehen und konnten weiter ihrer
Religionsausübung nachgehen, allerdings nur gegen die Abgabe der Kopfsteuer. Doch die
Europäer, insbesondere die Engländer stellten eine Gefahr für den islamischen Staat dar.
Seit 1774 setzte die Kolonialmacht in Indien einen britischen Generalgouverneur ein.
Somit saß in Indien nur noch ein entmachteter Titelkaiser auf dem Thron. Nach einem
Volksaufstand wurde 1857 der Gouverneur durch einen britischen Vizekönig abgelöst.
Damit war die Herrschaft des islamischen Kaiser de facto beendet. Somit veränderte sich
erstmals die Struktur eines islamischen Staates, denn das Staatsoberhaupt war nun kein
Muslime mehr, sondern ein christlicher Brite. Das hatte erhebliche Folgen auch in der
muslimischen Bevölkerung. Denn der Primat hatte immer die Aufgabe die Gesetze des
Korans selbst zu leben und auch über deren Ausführung im Staate zu wachen. Da diese
Aufgabe nun aber nicht mehr wahrgenommen wurde, sah die Bevölkerung die strengen
Regeln des Korans auch nicht mehr so genau. Sie wurden auch offener für westliche
Einflüsse. Als Indien 1947 die Unabhängigkeit erlangte, teilte sich das Land in das
hinduistische Indien und den islamischen Staat Pakistan auf, wobei die Grenzen
ausschließlich nach konfessionellen Gesichtspunkten gezogen wurden.
Im Iran herrschten die Safawiden. Anfänglich gab es im Iran nur Stammesverbände.
Daraus entstand ein straff organisierter Zentralstaat, der auf den Koran ausgerichtet war.
Die Schiiten bauten hier einen theokratischen Staat der Schia auf. Die Staatsgewalt
wurde also allein durch die Existenz eines Gottes legitimiert. Es entwickelten sich zu
diesem Zeitpunkt enge diplomatische Beziehungen zu den Europäischen Staaten. Denn
diese suchten in den Safawiden einen Verbündeten gegen das Osmanische Reich und die
Safawiden profitierten von den Europäern in den Bereichen Technik und Wissenschaft.
Doch der wachsende Einfluss Englands und Russlands zerstörte das Reich. Denn die
europäischen Mächte waren einzig und allein darauf bedacht, ihre Interessen
durchzusetzen. So zerbrach auch hier der islamische Staat, weil die Regierung sich nicht
mehr an die Gesetze des Koran hielt. Es hat also den Anschein, als ob die islamische
Bevölkerung in einem Staat ihre Religionsausübung stark von ihrem Primat abhängig
macht. Nach dem Motto: Ist die Regierung fromm, so gottesehrfürchtiger sind auch wir
und umgekehrt. Das würde natürlich implizieren, dass ein gut funktionierender Staat eine
starke Zentralisierung und eine straffe Führung benötigt, um die Bevölkerung auf dem
,,rechten Weg" zu halten. Am Beispiel Iran sehen wir diese Annahme bestätigt, denn im
Zuge der Re-Islamisierung Anfang des 19. Jahrhunderts gewannen die schiitischen
Rechtsgelehrten immer mehr an Einfluss. Sie schafften es sogar, dass 1905 eine Klausel
in der Verfassung geändert wurde. Fortan war das religiöse Recht eine Pflicht und ein
Nichtmuslime wurde automatisch zum Staatsfeind. Und diese Verfassungsänderung war
nur deshalb möglich, weil die islamische Partei zu diesem Zeitpunkt sehr mächtig war.
4.3. Die ersten nationalstaatlichen Versuche
Durch die Befreiungsbestrebungen des Osmanischen Reiches entstand im Libanon, in
Ägypten und Syrien ein Nationalgefühl. Diese Länder begannen sich vom Großreich zu
emanzipieren, obwohl eigentlich das ideale Staatsmodell, sollte es so etwas geben, ein
Großreich ist, welches alle Muslime in sich vereint. Dennoch setzte sich das Streben nach
staatlicher Gliederung und Identität durch. Bedingt wurden diese nationalstaatlichen
Bestrebungen wohl auch durch den zunehmenden Einfluss Europas. So sehen einige
Historiker die Landung Napoleons 1798 als Beginn der nationalstaatlichen Bestrebungen.
Europa brachte Staatsmodelle mit säkularisierten und liberalen Gesellschaften in das
Gedankengut der Muslime. Aber auch Erfolge der Wissenschaft im Zuge der industriellen
Revolution machten die Muslime empfänglich für neue Staatsvorstellungen.
Muhammad Ali wollte die osmanische Provinz Ägypten erstmals zu einem Nationalstaat
umformen. Er sah die europäische Unterstützung als eine Möglichkeit sich von den
Osmanen zu befreien. Allerdings war diese Symbiose ein gefährliches Geschäft für
Ägypten, denn sie begaben sich immer mehr in Abhängigkeit von den Briten unter dem
Ziel sich vom Großreich unabhängig zu machen. Das traurige Ende dieses
nationalstaatlichen Versuches war, dass die Ägypter ihren osmanischen Sultan gegen das
britische Protektorat eintauschten. Die Folge war, wie überall, dass durch das Fehlen
eines gläubigen Primaten sich auch die Bevölkerung immer mehr und mehr vom Islam
abkehrte.
Aber auch in der Türkei entwickelte sich unter den so genannten Jungtürken eine
nationalstaatliche Bewegung, die ausschließlich auf die türkische Bevölkerung
ausgerichtet war. Somit wurden die Araber ausgeschlossen. Die Folge war, dass die
Türkei kein islamischer Nationalstaat wurde, denn sie brach radikal mit den islamischen
Traditionen und führte Reformen nach europäischem Vorbild durch.
Die Europäischen Großmächte nutzten diese Uneinigkeit des Osmanischen Reiches. So
teilten Frankreich und England 1916 im geheimen Sykes-Picot-Abkommen das
Osmanische Reich in eigene Interessensphären und Machtbereiche auf. So entstanden
viele Einzelstaaten anstatt eines arabischen Reiches.
5. Zwischen Utopie und Wirklichkeit - islamische Staaten in der Gegenwart
5.1. Ägypten - Islamisten auf leisen Sohlen
Als Gamal Abd al - Nasser noch Staatspräsident in Ägypten war (1952-1970), existierte
in Israel und dem Westen ein erklärtes Feindbild für jeden Ägypter. Der Staat war straff
organisiert und es gab eine staatlich gelenkte Wirtschaftspolitik mit dem Ziel Wohlstand
und Fortschritt an den Nil zu bringen. Dieser Ruck ging in allen Bereichen des Lebens
durch das Land. Fortschritt hieß der Wind, der den Ägyptern um die Nase wehte und da
hatte der Islam wenig Chancen unter der Bevölkerung sich erfolgreich auf seine Wurzeln
zurück zu besinnen. Die Nachfolger Nassers waren allerdings zu schwach und zu
kurzsichtig, um diesen Kurs aufrecht zu erhalten. So zog sich in den siebziger Jahren der
Staat immer mehr aus den Bereichen des öffentlichen Lebens zurück. Die zusätzliche
Landflucht verstärkte dieses Problem. Die Folge waren soziale Elendsviertel in allen
ägyptischen Großstädten. Darin sahen die Muslime ihre Chance. Sie sprachen die
Menschen in den Slums direkt an, bauten dort eine Infrastruktur aus, die sie mit einer Art
Kopfsteuer finanzierten. Sie gaben den Menschen Hoffnung und wieder ein Feindbild.
Denn nachdem Sadal 1986 bis 1997 einen pro-westlichen Kurs einschlug, wurde der
Feind in der eigenen Regierung gesucht, der den Staat durch die Orientierung gen
Westen zerstörte, wie damals. So konnte der militante Islamismus immer mehr junge
Männer für sich gewinnen, die ihr Leben für utopische Ziele riskierten, wie zum Beispiel
einen islamischen Staat und Gerechtigkeit für alle. So wurden schließlich die
Muslimbrüder, die sich gegen alles Westliche wenn nötig mit Gewalt sperrten, Anfang der
achtziger Jahre zur stärksten politischen Kraft im Land. Ägypten wird heute durch viele
Anschläge erschüttert. Der Staat befindet sich schon seit Jahren in einer Übergangsphase
zwischen säkularen und religiösen Tendenzen und er wankt zwischen Demokratie und
Diktatur. Verfolgt der Staat mal wieder zeitweise ein klares Ziel, sind die Islamisten
schwach und anders herum. Solange sich Ägypten nicht für eine Richtung entschieden
hat, wird es immer militante Moslems geben, die mit allen Mittel versuchen einen
islamischen Staat aufzubauen, so wie es ihnen der Koran gebietet. Allerdings gehen
Beobachter davon aus, dass sich die momentane Situation des Landes noch ein wenig
halten wird, denn militante Islamisten und der Staat scheinen in einer Symbiose
miteinander zu stehen. Denn der Staat rechtfertigt seine repressive Politik mit dem
Aufrechterhalten der islamischen Gefahr und die militanten Islamisten wären als
Staatsoberhäupter in Ägypten überfordert, weil ihnen ein Konzept zur Gestaltung eines
Gottesstaates unter heutigen Bedingungen fehlt.
5.2. Palästina - die Frucht des Zorns
In Palästina hält sich die Meinung, dass nicht die Juden der Feind sind, denn Zionismus
wurde aus Europa importiert, lebten doch Muslime und Juden jahrhundertelang friedlich
miteinander, sondern dass es gilt, dass 1948 verlorenen Land wieder zu gewinnen, aus
dem die Vertreibung erfolgte. Der Zorn der Palästinenser begründet sich darin, dass sie
nicht begreifen, warum sie für den Holocaust zahlen müssen. Nach dem Versagen der
arabischen Bruderstaaten im Sechstagekrieg gegen Israel entwickelte sich in Palästina
entgegen der Forderung im Koran ein starkes Nationalgefühl. Es bildete sich die PLO,
eine nationale Befreiungsbewegung, die den bewaffneten Kampf gegen die Besetzer als
Miliz aufnahm. In dieser Phase beschränkten sich die Muslimbrüder darauf die
Gesellschaft zu islamisieren und hielten sich noch in den sechziger Jahren aus allen
Gewaltaktionen heraus. Sie fühlten sich vornehmlich dazu berufen, an die Bevölkerung zu
appellieren und diese an ihre ursprünglichen und alten islamischen Wurzeln zu erinnern.
So kam der Hass gegen die Besatzer ganz von alleine. Man könnte also im übertragenen
und auch im übertriebenen Sinne sagen, dass die Religion den Hass und die
Kampfbereitschaft der Palästinenser gegenüber den Israelis schürte.
Ende der siebziger Jahre traten die ersten militanten Islamisten in Palästina auf.
Allerdings richteten sich ihre Gewaltanschläge zunächst auf die eigene Regierung, weil
diese eine Re-Islamisierung verhinderte und gegen die Grundprinzipien des Islams
verstieß. Nach dem Motto: der Feind meines Feindes ist mein Freund, gab es seitens der
Israelis bis in die späten achtziger Jahre finanzielle Unterstützung für diese militanten
Muslimbrüder. Somit unterstützten die Israelis eine gewaltsame Bewegung in Palästina,
die ein Gegengewicht zur PLO darstellte, welche ihr eigener Feind war. Dies ging gut bis
zum palästinensischen Bürgeraufstand Intifada Anfang der achtziger Jahre. Hier waren
die Muslimbrüder nun gezwungen an der Seite der PLO in Erscheinung zu treten, um ihre
Glaubwürdigkeit im Volke nicht zu verlieren. Aus diesem Bürgerkrieg ging die islamische
Bewegung Hamas hervor, die zum stärksten und radikalsten Gegner einer friedlichen
Lösung wurde. Seit den neunziger Jahren setzt die Hamas gezielt Selbstmordattentäter
ein, um die Friedensverhandlungen zu stören oder Vergeltungsaktionen durchzuführen.
All dies begründen sie durch den Koran, denn auch dieser fordere einen islamischen
Staat und keinen israelischen, außerdem fordert der Islam förmlich zur Blutrache auf. In
der Bevölkerung verschaffte sich die Hamas - ähnlich wie in Ägypten - Ansehen, indem
sie sich für sie einsetzte, sich wohltätig beteiligte, am Aufbau der Infrastruktur half und
somit die Lebenssituation vieler Palästinenser verbesserte. Es zeigen sich also hier
Ansätze einer islamischen Wirtschaftsmoral.
5.3. Libanon - vom Terror zur Demokratie
Im Libanon entstand in den sechziger Jahren die militante islamische Bewegung namens
Hisbollah. Ihr Ziel war es, Israel und den Westen militärisch zu konfrontieren und sich
somit auch Aufmerksamkeit für den Islam in der eigenen Bevölkerung zu verschaffen.
Die Hisbollah terrorisierte das Land. Sie ging gegen die Besatzer im Süden des Landes
vor und verschaffte sich somit Respekt unter der Bevölkerung. Selbstmordattentate und
die spektakulären Entführungen westlicher Touristen, Staatsdiener oder Wirtschaftseliten
sorgten für Aufsehen in der ganzen Welt. Ihr Ziel war die Utopie des islamischen Staates
in die Wirklichkeit umzusetzen und den Einfluss des Westens zu verringern. Ihre Methode
war der Fanatismus.
Doch letztendlich hatte die muslimische Bevölkerung darunter am meisten zu leiden, weil
sie ständig Opfer der israelischen Vergeltungsanschläge wurde. So musste die Hisbollah,
um ihre Beliebtheit in der Bevölkerung nicht zu verlieren, sich für diese auch engagieren.
So versorgte sie systematisch die Libanesen und setzte sich karitativ ein. Dies war
natürlich nicht ganz uneigennützig, denn eine ausgebaute Infrastruktur bildet die Basis
für einen erfolgreichen Widerstand. Mit dem sozialen Engagement wuchs auch das
politische Betätigungsfeld der Hisbollah, sodass sie heute eine politische Organisation mit
politischen Zielen ist.
5.4. Afghanistan - im Netz der Islamisten
In Afghanistan fand die Islamisierung erst relativ spät statt. Wenn man bedenkt, dass
das Land erst vor 250 Jahren islamisiert wurde, kann man nicht davon sprechen, dass
Afghanistan Tradition hat. Und erst im Jahre 1964 wurde die absolutistische Monarchie in
eine konstitutionelle umgewandelt. Um die in der Illegalität operierenden
antidemokratischen Splittergruppen zu stoppen, wurden radikale Islamistengruppen
gefördert, deren Merkmale eine extreme Frauenfeindlichkeit und Konservatismus waren.
Als dann am 17. Juli 1973 die Republik ausgerufen wurde, unterwanderten die Islamisten
die Armee, um den Staat immer wieder zu putschen. Die Bevölkerung begann sich von
ihrer Regierung zu distanzieren, da diese gewisse Reformen wie zum Beispiel in Ehe und
Scheidungsangelegenheiten, die Bodenreform und das Problem der Analphabetisierung
zu schnell anging. Dies war mit der noch im Land herrschenden feudalen Stammeskultur
nicht vereinbar. Die Islamisten instrumentalisierten diese Unzufriedenheit in der
Bevölkerung.
Als 1979 die damalige ÙdSSR in Afghanistan intervenierte, weil die politische, soziale und
wirtschaftliche Lage zu prekär war, bekamen die putschenden Islamisten natürlich Hilfe
von den USA und Afghanistan wurde zu einem weiteren Nebenschauplatz des Kalten
Krieges. Auch wenn es innerhalb der militanten islamischen Strömung immer wieder zu
Differenzen kam, waren sich doch alle Gruppierungen in der Frauenfrage einig. Die Frau
sollte wieder zu dem werden, was sie war. Besonders die Gruppe der Modjahedin
verachteten die Frauen und wollten diese das spüren lassen. Nach jahrelangen
bewaffneten Kämpfen in Afghanistan, also nach jahrelangem Bürgerkrieg, übernahmen
die Modjahedin die Macht in Kabul und verbannten die Frauen aus allen Bereichen des
öffentlichen Lebens. Frauen wurden wieder zur bevorzugten Zielscheibe für Angriffe der
Islamisten. Sie wurden brutal geschlagen, ermordet, vergewaltigt, entführt, zur
Prostitution gezwungen, zwangsverheiratet oder verkauft. Besonders die Frauen der
Hindus, denen in Afghanistan keinerlei Existenzberechtigung mehr eingeräumt wurde,
hatten unter diesen Angriffen stark zu leiden.
Mit der Machtübernahme der Islamisten kehrte der vom Volk erhoffte Frieden jedenfalls
nicht zurück. Wegen der Priorität eigener politischer und ökonomischer Interessen gelang
es diesen nicht, das Land gemeinsam zu regieren. So wurde der Krieg unter äußerster
Brutalität fortgesetzt und es wurden auf allen Seiten mehrere hunderttausend Opfer
beklagt. Unter diesen Bedingungen flüchteten die Intelligenz und die Facharbeiter in das
Ausland. Die Bevölkerung war macht- und fassungslos und konnte nicht verstehen,
warum die Verteidiger des zuvor angeblich gefährdeten Islam nun gegeneinander Krieg
führten. Damit Pakistan und die USA ihren wirtschaftlichen Interessen im Land
nachgehen konnten, musste etwas Ruhe in den Bürgerkrieg kommen, denn die
Amerikaner wollten eine Ölpipeline durch das Land legen und das war nur möglich, wenn
dafür eine gewisse Sicherheit und Stabilität gewährleistet wurde. Deswegen förderte die
USA ab den neunziger Jahren die Taliban als eine eigenständige Kampftruppe. Sie
belieferten die Taliban mit Waffen und Geld und hofften so, dass das Land etwas ruhiger
werde, wenn eine Gruppe den Sieg erringen würde. Die Talibankämpfer wurden aus den
Kriegswaisenkindern rekrutiert und erhielten eine religiös-fundamentalistische und
militärische Ausbildung. Die historische Mission der Taliban wurde seitens der
Westmächte darin gesehen, ganz Afghanistan zu besetzen, um die Bedingung für die
Realisierung der ökonomischen, politischen und ideologischen Projekte der USA,
Pakistans und Saudi-Arabiens zu schaffen. Das Terrorregime, welches die Taliban in
Afghanistan aufbauten, nahm bisher nie da gewesenen Dimensionen an. Es verschärfte
die von den Vorgängern eingeführten Einschränkungen für Frauen enorm. Arbeits- und
Schulungsverbot für Frauen, Ausschluss von jeglichem kulturellen Zugang wurde fast zur
Staatsdoktrin erhoben. Missachtung elementarster Menschenrechte, nie da gewesene
Unterdrückung und Verfolgung ethnischer und religiöser Gruppen, die Verhängung und
Vollstreckung grausamster, mittelalterlich anmutender Strafen wie Handabhacken,
Aufhängen, Steinigen, die völlige Unfähigkeit der Grundversorgung der Bevölkerung in
allen Bereichen waren die Kennzeichen des Taliban-Regimes. Erst als sich 1998
herausstellte, dass auch die Taliban nicht in der Lage waren, das ganze Land unter ihre
Kontrolle zu bringen beziehungsweise die für eine Pipeline benötigte Sicherheit und
Stabilität zu gewährleisten, gingen die USA auf Distanz zu den Taliban. Die US-Firma
Unocal zog auf Empfehlung ihres Beraters, Henry Kissinger, ihre Pläne für eine Pipeline
durch Afghanistan vorerst zurück. Was dann drei Jahre später nach dem 11. September
geschah, ist sicherlich jedem bewusst. Heute sind die Taliban wieder eine anerkannte
politische Kraft im Land, die sogar wieder an den Wahlen teilnimmt.
6. Schlusswort
Abschließend ist zu sagen, dass der Islam laut dem Koran sehr heroische Ziele hatte,
aber sich dennoch immer sehr schwer tat im Laufe seines Bestehens, diese in die Tat
umzusetzen. Der Islam ist eine allumfassende Religion, die für sich beansprucht den
Staat zu lenken. Dennoch gibt es keine muslimischen Staatskonzepte, die auf die heutige
Wirklichkeit übertragbar und anwendbar sind. Und so bleibt dem Islam nur die
Möglichkeit einer totalen Unterdrückung seiner Bevölkerung in einem Terrorregime oder
der bewaffnete Widerstand in den Staaten, die zwar eine muslimische Bevölkerung aber
keine muslimische Staatsführung aufweisen können. Es ist allerdings im 21. Jahrhundert
fraglich, ob das Konzept des religiös gelenkten und bestimmten Staates überhaupt noch
anwendbar ist. Die ganzen gewaltsamen Konflikte, die in diesem Zusammenhang auf der
gesamten Erde auftauchen, verneinen diese Aussage deutlich.
7.1. Islam - staatsphilosophische Ansätze
- gründender Prophet: Muhammad Hashim (Allahs Segen und Heil auf ihm) (17.6.5694.6.632), er sollte die Offenbarung auf arabisch vermitteln
- bewaffnete Auseinandersetzung war ein fester Bestandteil als Mittel zur Ausbreitung der
Religion
- Ursprungsgebiet: Arabische Halbinsel, Ausbreitung auf der gesamten Welt (1,5
Milliarden Muslime)
- Theologie: Gott ist ein personaler Schöpfer, das Glaubensbekenntnis, das formale
Gebet, das Fasten im Monat Ramadan, die Pilgerfahrt nach Mekka und die Abgabe einer
Steuer bilden die 5 Säulen des Islams
- Rechtsgrundlage: Koran, Sunna und Analogieschlüsse daraus, harte Strafen für
Missachtung von Geboten und Verboten des Korans
- starke Unterdrückung und Unterpreviligiertheit der Frau
- Staatsvorstellungen: Allah dominiert alle Bereiche, alle Muslime sollen sich in einer
Großgemeinde vereinen, ein Primat wacht über die Ausführung der Religion im Land, die
Umma kann multireligiös sein, Konzept einer sozialen Markwirtschaft
[Schaubild aus Darstellungsgründen nur in Downloaddatei enthalten]
7.2. Glossar
Monotheismus: der Glaube an einen einzigen Gott
Diaspora: verstreut lebende konfessionelle Minderheit
Tora: Buch der Juden
Kaabe: architektonisches Kunstwerk in Mekka (der Kupperlbau im Inneren der Moschee,
siehe Fronbild)
Schiiten: Minderheit im Islam, die die Sunna verwirft und einen anderen Nachfolger
Muhammads (Allahs Segen und Heil auf ihm) als Kalifen betrachtete
Sunniten: Hauptströmung im Islam, die sich auf die Sunna beruft
Kalif: Titel des weltlichen und geistlichen Herrschersim islamischen Feudalreich
spirituelle Reinheit: das heißt mit gewaschenen Händen, Füßen und einem sauberen
Gesicht
Sunna: Buch der Muslime neben dem Koran, mit geringerer Bedeutung, enthällt das
Leben und Wirken der muslischen Propheten, insbesondere Muhammad (Allahs Segen
und Heil auf ihm)
Blutzoll: Einforderung eines körperlichen Racheaktes (Auge um Auge, Zahn um Zahn)
Brautgeld: ein hoher Geldbetrag, denn die Braut vom Ehemann bei der Hochzeit erhält
theokratischer Staat: Gottesstaat; ein Staat, der ausschließlich auf eine Religion
ausgerichtet ist
Buchbesitzer: Bezeichnung für Religionsanhänger, deren Glauben auf einem Buch basiert
(Juden, Christen, Muslime)
Schia: Machtbereich der Schiiten
Safawiden: persischer Dynastie (1502-1722)
Jungtürken: extremistische länderübergreifende Organisation bzw. Partei
Sadal: Nachfolger Nassers in Ägypten
Muslimbrüder: extremistische länderübergreifende Organisation bzw. Partei
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