Arbeitsrecht von einem Profi

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Artikel zum Einzelarbeitsvertrag
Quelle: www.alpha.ch
Stand: Ende Januar 2009
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GEHEIMCODES IM ZEUGNIS?
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VERSILBERTE MEHRARBEIT – STREITPUNKT ÜBERSTUNDEN
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FRISTLOSE ENTLASSUNGEN
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STREITPUNKT FERIEN
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WANN HAFTEN MITARBEITER?
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RECHTE VON SCHWANGEREN
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STREITPUNKT BONUS
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TÜCKEN DER TEILZEIT
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ARBEITS- UND RUHEZEITEN
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STREIT AM ARBEITSPLATZ
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ENTGELT FÜR MUTTERSCHAFT
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REGELUNG BEI KRANKHEIT
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STRAFTATEN IM TOPKADER
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ARBEITSGESETZ BEACHTEN
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MASSENENTLASSUNG
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ARBEITSVERTRAG - SCHRIFTLICHKEIT ERFORDERLICH
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DAS KONKURRENZVERBOT
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KÜNDIGUNG ZUR UNZEIT
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MISSBRÄUCHLICH KÜNDIGEN
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FREISTELLEN OHNE STREIT
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KÜNDIGUNGSFREIHEIT
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DAS PERSONALREGLEMENT
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ONLINE-BEWERBUNGEN
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LÜGE ALS NOTWEHRRECHT?
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VORSICHT: VEREINBARUNGEN
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PFLICHT ZUR GEHEIMHALTUNG
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DAS ABRUPTE ENDE
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AUSZAHLUNG VON FERIEN
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OPTIONEN ZUM KAHLSCHLAG
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PFLICHT ZUR GLEICHSTELLUNG
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FERIENKNATSCH VERMEIDEN
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Geheimcodes im Zeugnis?
Nach welchen Grundsätzen bestimmt sich der Inhalt eines Arbeitszeugnisses? Dürfen
tatsächlich Geheimcodes verwendet werden, um versteckte Informationen von Arbeitgeber zu
Arbeitgeber weiterzugeben?
Wohl kein anderes Thema führt zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu grösseren
Meinungsverschiedenheiten als der Inhalt des Arbeitszeugnisses. Dies vor allem aus zwei Gründen:
Primär deshalb, weil das Arbeitszeugnis in massgeblicher Weise über den weiteren Karriereverlauf
eines jeden Arbeitnehmers entscheidet und somit für dessen berufliches Fortkommen von elementarer Bedeutung ist. Im Weiteren aber auch darum, weil Differenzen bezüglich des Arbeitszeugnisses
immer auch eine erhebliche emotionale Komponente beinhalten. Jede Person strebt nicht nur im
privaten Bereich, sondern auch im Beruf nach Lob und Anerkennung. Ein schlechtes Arbeitszeugnis
verletzt das Selbstwertgefühl des Beurteilten und wird oftmals nicht nur als berufliches, sondern auch
als persönliches Versagen aufgefasst.
Man könnte meinen, ein so bedeutendes Thema wie das Arbeitszeugnis sei gesetzlich ausführlich
geregelt. Artikel 330a des Obligationenrechts (OR) beschränkt sich jedoch auf die Feststellung, dass
der Arbeitnehmer jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen kann und ihm ein Wahlrecht
zwischen einem Vollzeugnis oder einer Arbeitsbestätigung zusteht. Letztere spricht sich einzig über
die Art und Dauer des zu beurteilenden Arbeitsverhältnisses aus, das Vollzeugnis beinhaltet
zusätzlich eine Beurteilung der Leistung und des Verhaltens des Arbeitnehmers, weshalb es auch
erheblich aussagekräftiger ist. Der Arbeitnehmer wird in der Regel nur dann vom Arbeitgeber eine
Arbeitsbestätigung verlangen, wenn er davon ausgehen muss, das Vollzeugnis lasse ihn in einem
unguten Licht erscheinen. Im Gesetz vermisst man jedoch Bestimmungen, nach welchen Kriterien der
Inhalt des Arbeitszeugnisses zu formulieren ist. Die Praxis hat diesbezüglich aber einige Grundsätze
entwickelt, welche kurz aufgezeigt werden.
Wahrheit
Oberstes Gebot ist die Wahrheitspflicht. Denn ein Arbeitszeugnis erfüllt nur dann seine Funktion,
wenn sich jedermann darauf verlassen kann, dass die darin enthaltenen Informationen und
Formulierungen der Wahrheit entsprechen. Demzufolge sind beispielsweise reine
Gefälligkeitszeugnisse, welche die Sachlage nicht objektiv wiedergeben, unzulässig.
Im Spannungsfeld zur Wahrheitspflicht steht der Grundsatz des Wohlwollens. Da das Arbeitszeugnis
die Funktion hat, das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers zu fördern, ist die schonungs- und
gnadenlose Angabe der Wahrheit verfehlt. Insbesondere sind geringfügige Verfehlungen wie zum
Beispiel einmaliges Zuspätkommen oder vereinzelt schlechte Arbeitsleistung bei der
Gesamtwürdigung des Arbeitnehmers ausser Acht zu lassen. Der Grundsatz des Wohlwollens
bedeutet aber keinesfalls, dass im Arbeitszeugnis nichts Negatives über den Arbeitnehmer stehen
darf. In gravierenden Fällen, so zum Beispiel bei Diebstahl oder Veruntreuung durch den
Arbeitnehmer, darf nicht geschwiegen werden, da das Arbeitszeugnis ansonsten nicht der Wahrheit
entspricht und unter Umständen eine Schadenersatzpflicht des Zeugnis ausstellenden Arbeitgebers
gegenüber geschädigten Dritten zur Folge hat.
Vollständigkeit
Der Grundsatz der Vollständigkeit besagt, dass sich das Arbeitszeugnis auf die ganze Tätigkeitsdauer
des Arbeitnehmers beziehen muss. Einmalige, für das Gesamtbild des Arbeitsverhältnisses nicht
charakteristische Ereignisse sind demzufolge im Arbeitszeugnis nicht zu erwähnen. Gegen den
Grundsatz der Vollständigkeit verstösst beispielsweise derjenige Arbeitgeber, der einem langjährigen,
gut arbeitenden Mitarbeiter ein schlechtes Zeugnis ausstellt, weil der Mitarbeiter im letzten halben
Jahr vor seiner Entlassung die Leistung nicht mehr zufriedenstellend erbracht hat. Denn das
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Arbeitszeugnis darf nicht nur die letzten Eindrücke wiedergeben, sondern muss eine
Gesamtwürdigung darstellen.
Klarheit
Ein weiterer Grundsatz, der in der Praxis oft zu Diskussionen führt, ist die Pflicht zur Klarheit. Das
Arbeitszeugnis muss in allgemein verständlicher und klarer Sprache abgefasst und in seiner Aussage
sowohl für den beurteilten Arbeitnehmer als auch für Dritte eindeutig sein. Geheimsprachen, deren
versteckte Bedeutung nur einem bestimmten Arbeitgeberkreis bekannt sind und die den Zweck
haben, dem Zeugnis einen Inhalt zu geben, den der uneingeweihte Leser nicht erkennt, sind
demzufolge unzulässig.
Als Beispiel kann die vordergründig positiv erscheinende Aussage «Er trug zur Verbesserung des
Betriebsklimas bei» genannt werden. Denn darunter verstehen die meisten Personalfachleute, der
Arbeitnehmer sei schwatzhaft und vertrödle seine Arbeitszeit. Aus Angst vor solchen verklausulierten
Wendungen besteht jedoch die Gefahr, Arbeitszeugnisse zu überinterpretieren.
Nicht jeder Personalverantwortliche kennt oder benützt bewusst solche Formulierungen. Infolge der
bei der Arbeitnehmerschaft bestehenden Angst vor verklausulierten Zeugnissen besteht aber die
Tendenz, selbst hinter Formulierungen, die vollkommen positiv gemeint sind, negative Aussagen zu
vermuten. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, im Arbeitszeugnis allgemein gebräuchliche
Standardformulierungen wie «er erledigte die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer vollen
Zufriedenheit» oder «gegenüber seinen Mitarbeitern und Vorgesetzten war er stets freundlich und
korrekt» zu verwenden und auf ausgefallene Eigenkreationen zu verzichten. Ein klar formuliertes
Arbeitszeugnis verhindert Missverständnisse und lässt sich im Streitfall leichter auf seine Richtigkeit
hin beurteilen.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Arbeitgeber in Bezug auf den Inhalt des
Arbeitszeugnisses einen erheblichen Spielraum hat. Dabei sollte er aber nie aus den Augen verlieren,
dass das Arbeitszeugnis für den weiteren beruflichen Lebensweg des Arbeitnehmers von enormer
Bedeutung ist. Um den durch die Praxis entwickelten Anforderungen zu genügen, sind bei der
Formulierung des Zeugnistextes insbesondere die Grundsätze der Wahrheit, Klarheit, Vollständigkeit
und des Wohlwollens zu beachten.
Thomas M. Meyer
[email protected]
26.02.2000
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Versilberte Mehrarbeit – Streitpunkt Überstunden
Besteht eine Pflicht zur Leistung von Überstunden? Müssen Überstunden entschädigt
werden? Wie verhält es sich mit der Überzeit? Um Streitigkeiten zu verhindern, gilt es das
Thema Überstunden bereits bei Vertragsabschluss umfassend zu erörtern.
Gemäss einer im September 1999 veröffentlichten Studie der UBS arbeiten Zürcherinnen und
Zürcher mit jährlich 1868 Stunden am meisten in ganz Europa. Die hohe Arbeitsbelastung bringt es
mit sich, dass Vorgesetzte von ihren Mitarbeitern des öfteren die Leistung von Sondereinsätzen zur
Bewältigung des grossen Arbeitsanfalls verlangen.
Pflicht zur Überstundenarbeit
Überstundenarbeit ist diejenige Arbeitszeit, die über die vertraglich verabredete oder die übliche
Arbeitszeit hinaus geleistet wird. Gemäss Art. 321c des schweizerischen Obligationenrechts (OR) ist
der Arbeitnehmer zur Leistung von Überstunden verpflichtet, sofern diese aus betrieblicher Sicht
notwendig sind, der Arbeitnehmer sie zu leisten vermag und sie ihm nach Treu und Glauben
zugemutet werden können. Unzumutbarkeit liegt beispielsweise dann vor, wenn die
Überstundenarbeit vom Arbeitgeber ohne wichtigen Grund allzu kurzfristig angeordnet wird oder
wenn der Arbeitnehmer in seiner Freizeit wichtige unaufschiebbare persönliche Dinge besorgen
muss.
Als Grundsatz gilt, dass der Vorgesetzte bei der Anordnung von Überstunden auf die Interessen und
Leistungsfähigkeit seiner Mitarbeiter angemessene Rücksicht nehmen muss. So können
beispielsweise einem gesundheitlich angeschlagenen Mitarbeiter nicht noch Überstunden zugemutet
werden. Im Zusammenhang mit Überstunden wird am häufigsten darüber gestritten, ob der
Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer geleisteten Überstunden zusätzlich zu entschädigen hat. Aus
rechtlicher Sicht verhält es sich diesbezüglich folgendermassen: Soweit der zwischen den Parteien
abgeschlossene Arbeitsvertrag die Überstundenentschädigung nicht speziell regelt, ist der
Arbeitgeber verpflichtet, sämtliche Überstunden des Arbeitnehmers mit einem Lohnzuschlag von 25%
auszubezahlen. Im Einverständnis mit dem Arbeitnehmer darf der Arbeitgeber jedoch die
Überstunden durch Freizeit von gleicher Dauer ausgleichen. In den Arbeitsverträgen wird denn auch
häufig vereinbart, dass Überstunden nicht ausbezahlt, sondern durch Freizeit kompensiert würden.
Diesfalls entfällt der Anspruch des Arbeitnehmers auf Ausbezahlung der geleisteten Überstunden.
Spezialfall Überzeit
Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Überstundenentschädigung kann mittels schriftlicher
Vereinbarung zwischen den Parteien ausgeschlossen werden. Ein solcher Ausschluss erfolgt
insbesondere durch die im schriftlichen Arbeitsvertrag enthaltene Bestimmung «Überstunden werden
weder durch Freizeit von gleicher Dauer noch durch Geld abgegolten». Wird ein solcher
Arbeitsvertrag vom Arbeitnehmer unterzeichnet, besteht somit weder ein Anspruch auf Ausbezahlung
der Überstunden noch auf Freizeitkompensation. Es empfiehlt sich deshalb, den vorgelegten
Arbeitsvertrag bei Vertragsunterzeichnung sorgfältig zu prüfen, um vor späteren Überraschungen
gefeit zu sein. Vertraglich kann nur die Überstundenentschädigung ausgeschlossen werden. Für
Überzeitarbeit ist ein Entschädigungsausschluss unzulässig und folglich unwirksam. Bei
Überzeitarbeit handelt es sich dabei um diejenige Arbeitszeit, die über die im Arbeitsgesetz
festgelegte wöchentliche Höchstarbeitszeit von 45 bzw. 50 Stunden hinaus geleistet wird. So kann
beispielsweise bei einem Büroangestellten mit einer vertraglich vereinbarten wöchentlichen
Arbeitszeit von 40 Stunden die Entschädigung für sämtliche bis zur Höchstarbeitszeit von 45
Wochenstunden geleisteten Überstunden im schriftlichen Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden. Für
die darüber hinaus geleistete Überzeit ist ein solcher Entschädigungsausschluss jedoch unzulässig,
weshalb diese Stunden zwingend entschädigt werden müssen.
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Wochenstundenzahl fixieren
Leitende Angestellte, d.h. Personen mit erheblichen Kompetenzen und Verantwortlichkeiten im
Betrieb, unterliegen in bezug auf die Überstundenentschädigung einer Spezialregelung. Soweit ihr
Arbeitsvertrag keine genau fixierte Wochenstundenzahl enthält gehen die Gerichte davon aus, es
bestehe kein Anspruch auf Überstundenentschädigung, da sämtliche Überstunden bereits mit dem
höheren Lohn abgegolten seien. Nur wenn der Arbeitsvertrag des leitenden Angestellten eine genau
fixierte Wochenstundenzahl enthält, wird ein Anspruch auf Überstundenentschädigung bejaht.
Will ein leitender Angestellter sicher gehen, dass seine Überstunden entschädigt werden, empfiehlt
es sich deshalb, im schriftlichen Arbeitsvertrag eine genau fixierte Wochenstundenzahl zu
vereinbaren und die Entschädigungspflicht ausdrücklich festzuhalten. Leitende Angestellte
unterliegen aber nicht nur hinsichtlich Überstunden, sondern auch bezüglich Überzeit einer
Spezialregelung. Da sie nicht dem Arbeitsgesetz unterstehen, besteht selbst bei Überschreiten der
gesetzlichen Höchstarbeitszeit kein Anspruch auf Überzeitentschädigung.
Beweispflicht für Überstunden
Im Streitfall liegt es am Arbeitnehmer, behauptete Überstunden zu beweisen. Da der Arbeitgeber
grundsätzlich nur diejenigen Überstunden entschädigen muss, die von ihm angeordnet oder
nachträglich genehmigt wurden, ist dem Arbeitnehmer anzuraten, geleistete Überstunden aus
Beweisgründen jeweils auf einem Stundenblatt festzuhalten und dieses vom Vorgesetzten visieren zu
lassen. Soweit der Arbeitgeber von der Überstundenarbeit seines Mitarbeiters Kenntnis hat und
dagegen nicht einschreitet, gelten diese Überstunden als stillschweigend genehmigt. Ein solcher Fall
liegt beispielsweise dann vor, wenn der Vorgesetzte sieht, dass der Mitarbeiter immer früh morgens
und noch spät abends im Büro ist und der Vorgesetzte ihn nicht nach Hause schickt. In einer solchen
Situation sollte der Mitarbeiter unmissverständlich auf die Unerwünschtheit von Überstunden
hingewiesen werden.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die meisten Überstundenstreitigkeiten aus der Situation
heraus entstehen, dass dieser Punkt bei Vertragsabschluss nur ungenügend besprochen wird.
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Fristlose Entlassungen
Wann darf einem Mitarbeiter fristlos gekündigt werden? Welches sind die Folgen einer
ungerechtfertigten fristlosen Kündigung? Eine arbeitsrechtliche Kurzdarstellung.
Die fristlose Kündigung stellt eine äusserst harte Sanktion dar, die das Arbeitsrecht sowohl dem
Arbeitgeber als auch dem Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen einräumt. Eine fristlose
Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis per sofort.
Vorsicht bei Verdacht
Die fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist in den Artikeln 337 bis 337d des
Obligationenrechts (OR) geregelt. Gemäss Artikel 337 OR darf das Arbeitsverhältnis aus wichtigen
Gründen fristlos aufgelöst werden, wobei als wichtiger Grund namentlich jeder Umstand gilt, bei
dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf. Hinsichtlich der Frage, ob die Weiterführung
des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber noch zumutbar ist, werden folgende Fallgruppen
unterschieden: Einerseits diejenigen Verfehlungen, die so gravierend sind, dass dem fehlbaren
Arbeitnehmer sofort fristlos gekündigt werden darf und andererseits solche Fälle, bei deren Vorliegen
eine fristlose Kündigung erst nach vorheriger Verwarnung ausgesprochen werden darf. Insbesondere
in der vorsätzlichen Begehung von Straftaten, so bei Diebstählen, Veruntreuungen, Tätlichkeiten des
Arbeitnehmers, liegt ein wichtiger Grund für dessen sofortige fristlose Entlassung vor. Dabei gilt es
aber zu berücksichtigen, dass allein der Verdacht, der Mitarbeiter habe die ihm vorgeworfene
strafbare Handlung begangen, für eine fristlose Kündigung nicht genügt. Stellt sich im Nachhinein
heraus, dass der verdächtigte Mitarbeiter die Tat beging, ist die fristlose Kündigung zu Recht erfolgt.
Wird der verdächtigte Mitarbeiter hingegen nachträglich entlastet, liegt eine unzulässige fristlose
Kündigung mit allen ihren Folgen vor. Weitere Gründe, die eine fristlose Kündigung ohne vorgängige
Verwarnung rechtfertigen, sind gravierende Treuepflichtverletzungen wie die unbewilligte
Konkurrenzierung des Arbeitgebers während oder ausserhalb der Arbeitszeit oder der Verrat von
Geschäftsgeheimnissen.
Zuerst verwarnen
Im Gegensatz zu diesen krassen Verfehlungen gibt es Pflichtwidrigkeiten des Arbeitnehmers, die als
nicht derart gravierend eingestuft werden, als dass sie bereits beim ersten Mal eine fristlose
Kündigung gestatten. Der Arbeitgeber muss dem Mitarbeiter in diesen Fällen eine zweite Chance
einräumen, indem er ihn zuerst verwarnt mit der gleichzeitigen Androhung, dass dem Mitarbeiter im
Wiederholungsfall fristlos gekündigt werde. Fälle, die eine fristlose Kündigung erst nach erfolgter
Verwarnung erlauben, sind insbesondere das wiederholte Fernbleiben des Arbeitnehmers vom
Arbeitsplatz. Der Arbeitgeber darf dem Mitarbeiter also nicht nach dessen erstmaligen «Blaumachen»
fristlos kündigen.
Ungenügende Arbeitsleistung
Bei ungehörigem und ungebührlichem Verhalten des Arbeitnehmers gegenüber Vorgesetzten,
Mitarbeitenden oder Kunden und bei leichteren Unkorrektheiten und Disziplinarwidrigkeiten wie
Nichtbeachten von Weisungen oder Nichteinhalten von Arbeitszeiten darf keinesfalls eine fristlose
Kündigung ohne vorgängige Verwarnung ausgesprochen werden. Ob hier nach erfolgter Verwarnung
eine fristlose Kündigung erfolgen darf, muss von Fall zu Fall je nach Schweregrad der Verfehlung des
Mitarbeiters entschieden werden. Immer wieder kommt es vor, dass dem Arbeitnehmer aufgrund
seiner ungenügenden Arbeitsleistung fristlos gekündigt wird. Diesbezüglich gilt es jedoch zu
beachten, dass eine ungenügende Arbeitsleistung des Mitarbeiters keine fristlose Kündigung
rechtfertigt, sondern nur dessen ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist
gestattet.
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Liegt ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor, muss diese vom Arbeitgeber sofort
ausgesprochen werden. Dies deshalb, weil aus einem zu langen Zuwarten abgeleitet wird, dass die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber nicht unzumutbar war. Die Gerichtspraxis
geht deshalb davon aus, dass eine fristlose Kündigung innerhalb von zwei bis drei Werktagen nach
Kenntnis des wichtigen Grundes ausgesprochen werden muss, ansonsten das Recht zur fristlosen
Kündigung verwirkt ist. Welche Folgen erwachsen dem Arbeitgeber aus einer ungerechtfertigten
fristlosen Entlassung des Mitarbeiters? Der Arbeitnehmer, der ungerechtfertigterweise fristlos
entlassen wird, hat Anspruch auf Ersatz dessen, was er verdient hätte, wenn das Arbeitsverhältnis
unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendigt worden wäre, d.h. also insbesondere den
Lohn für diese Zeit inklusive Nebenleistungen wie Trinkgelder, Zulagen oder Gratifikationen. An
diesen Betrag muss er sich jedoch anrechnen lassen, was er infolge der fristlosen Beendigung des
Arbeitsverhältnisses erspart hat, so beispielsweise weggefallene Mehrkosten für die auswärtige
Verpflegung oder für die Reise an den Arbeitsort. Auch muss er sich anrechnen lassen, was er durch
anderweitige Arbeit verdient oder zu verdienen absichtlich unterlassen hat, so wenn er nach seiner
fristlosen Kündigung sofort eine neue Stelle antrat. Der zu Unrecht fristlos entlassene Arbeitnehmer
hat auch noch Anspruch auf eine Entschädigung von bis zu sechs Monatslöhnen, deren Höhe vom
Gericht im Einzelfall nach den Umständen festgelegt wird.
Ordentliche Kündigung empfohlen
Angesichts der erheblichen finanziellen Folgen, welche dem Arbeitgeber aus einer ungerechtfertigten
fristlosen Entlassung erwachsen und der grossen Unsicherheit, die jeweils mit einer fristlosen
Kündigung verbunden ist, ist dem Arbeitgeber anzuraten, nur bei äussert groben Verfehlungen seines
Arbeitnehmers die fristlose Kündigung auszusprechen. Bei weniger gravierenden Fällen ist zwecks
Vermeidung von langwierigen und in ihrem Ausgang unsicheren Prozessen zu empfehlen, auf eine
fristlose Kündigung zu verzichten und dem Arbeitnehmer stattdessen unter Einhaltung der
ordentlichen Kündigungsfrist zu kündigen.
Arbeitsrecht
Thomas M. Meyer
[email protected]
08.06.2002
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Streitpunkt Ferien
Wer bestimmt den Zeitpunkt der Ferien? Arbeitgeber oder Arbeitnehmer? Ist es erlaubt,
Ferientage in Geld auszubezahlen?
Die rechtlichen Bestimmungen zu den Ferien finden sich in den Artikeln 329a–d des
Obligationenrechts (OR). Hinsichtlich der Feriendauer bestimmt das Gesetz, dass der Mitarbeiter bis
zum vollendeten 20. Altersjahr einen Ferienanspruch von mindestens fünf Wochen und in der Folge
einen solchen von vier Wochen hat. Diese gesetzliche Mindestdauer darf nicht unterschritten werden.
Selbstverständlich kann eine längere Feriendauer vertraglich vereinbart werden. Auch
Teilzeitmitarbeiter haben Anspruch auf die volle Feriendauer. Wie viele Ferientage dies ausmacht,
berechnet sich aufgrund des Teilzeitgrades. Eine 30-jährige Mitarbeiterin, die in einem 40%
Arbeitspensum beschäftigt ist und jeweils montags und dienstags ganztags arbeitet, hat somit
Anspruch auf acht Ferientage (40% von 20 Tagen).
Wünsche berücksichtigen
Teilzeitmitarbeiter, die im Wochen- oder Monatslohn angestellt sind, haben ebenfalls Anspruch auf
bezahlte Feiertage, sofern der Feiertag auf einen Tag fällt, der zur ordentlichen vertraglichen
Arbeitszeit gehört. Die immer montags und dienstags arbeitende Teilzeitverkäuferin hat somit
Anspruch darauf, den Oster- und Pfingstmontag bezahlt frei zu erhalten, ohne diese Feiertage
nacharbeiten zu müssen. Hinsichtlich des Ferienzeitpunktes gilt es zu beachten, dass der Arbeitgeber
das Recht hat, den Zeitpunkt der Ferien festzulegen. Er muss aber auf die Wünsche des
Arbeitnehmers soweit Rücksicht nehmen, als dies mit den Interessen des Betriebes vereinbar ist.
Somit ist beispielsweise Mitarbeitern mit schulpflichtigen Kindern Vorrang zu geben, wenn es um die
Frage geht, wer im Betrieb während der Schulferien Urlaub nehmen darf.
Zerstückelung unzulässig
Das Gesetz schreibt weiter vor, dass pro Jahr wenigstens zwei Ferienwochen zusammenhängend
gewährt werden müssen. Eine vollständige Zerstückelung der Ferien in Einzeltage ist somit selbst mit
Einverständnis des Mitarbeiters unzulässig. Der Arbeitgeber muss mittels seines Weisungsrechts
dafür sorgen, dass diese Vorschrift eingehalten wird. Bei der Ansetzung der Ferien muss dem
Mitarbeiter zudem genügend Zeit für die Ferienplanung eingeräumt werden. Nach der
Rechtsprechung müssen deshalb Ferien in der Regel mindestens drei Monate im Voraus angekündigt
werden, wobei der Arbeitgeber grundsätzlich an die einmal vorgenommene Ferienzuteilung gebunden
ist. Ohne Zustimmung des Mitarbeiters dürfen deshalb bereits festgelegte Ferien nur ausnahmsweise
verschoben werden, sofern die betrieblichen Interessen dies unbedingt erfordern. In dringenden
Notfällen besteht sogar das Recht, den Mitarbeiter aus bereits angetretenen Ferien zurückzurufen.
Der Arbeitgeber trägt jedoch sämtliche Kosten, die dadurch entstehen.
Bei Krankheit und Unfall während der Ferien hat der Mitarbeiter einen Anspruch auf Nachgewährung
der verpassten Ferientage, sofern der Erholungszweck der Ferien dadurch vereitelt wurde. Kein
Anspruch auf Nachgewährung besteht bei kleineren Unpässlichkeiten wie Unwohlsein oder
Kopfschmerzen während eines einzelnen Ferientages. Die Beeinträchtigung muss ein erhebliches
Ausmass angenommen haben wie bei mehrtägiger Bettlägrigkeit aufgrund einer Grippe.
Erholungszweck sicherstellen
Wann und in welchem Ausmass Ferien gekürzt werden dürfen, wird in Art. 329b OR geregelt. Bei
einer durch den Mitarbeiter selbstverschuldeten Arbeitsverhinderung darf eine Ferienkürzung bereits
ab dem ersten vollen Abwesenheitsmonat erfolgen, wobei die Ferien für jeden vollen Monat der
Verhinderung um einen Zwölftel gekürzt werden dürfen. Verursacht ein Mitarbeiter beispielsweise
einen Verkehrsunfall aufgrund von Trunkenheit am Steuer und ist er in der Folge für drei Monate
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arbeitsunfähig, verkürzt sich sein Ferienanspruch um drei Zwölftel. Bei unverschuldeter
Arbeitsverhinderung hingegen, so bei Krankheit, unverschuldetem Unfall oder Militärdienst, darf eine
entsprechende Ferienkürzung erst ab dem zweiten vollen Monat der Arbeitsverhinderung erfolgen. Ist
ein Mitarbeiter für vier Monate krank geschrieben, verkürzt sich sein Ferienanspruch deshalb nur um
drei Zwölftel. Bei Abwesenheit aufgrund von Schwangerschaft und Niederkunft dürfen die Ferien erst
nach Ablauf von drei Monaten um einen Zwölftel gekürzt werden, wobei auch hier in der Folge für
jeden weiteren Abwesenheitsmonat eine weitere Zwölftelkürzung erfolgen darf.
Es kommt immer wieder vor, dass der Arbeitnehmer Ferientage nicht in Natura bezieht, sondern sich
diese in Geld ausbezahlen lässt. Ist eine solche Ferienabgeltung zulässig? Das OR sieht für die
Dauer des Arbeitsverhältnisses ein zwingendes Abgeltungsverbot vor. Dadurch soll der
Erholungszweck der Ferien sichergestellt werden. Ein Verstoss gegen das Abgeltungsverbot hat
erhebliche Konsequenzen, führt dies doch zur nochmaligen Bezahlung des Ferienlohnes durch den
Arbeitgeber. Die Gerichtspraxis lässt jedoch gewisse Ausnahmen vom ansonsten strengen
Abgeltungsverbot zu: Bei sehr unregelmässigen Arbeitsverhältnissen, wo die Berechnung des
Ferienlohnes grosse Schwierigkeiten bereitet, dürfen die Ferien ausnahmsweise in Geld ausbezahlt
werden. Diesbezüglich muss aber zusätzlich unbedingt folgende Formvorschrift eingehalten werden:
Der auf die Ferien entfallende Lohnzuschlag muss sowohl im Arbeitsvertrag als auch in jeder
einzelnen Lohnabrechnung gesondert ausgewiesen werden, wobei Formulierungen wie «Ferien
inbegriffen» nicht genügen.
Regelungen vertraglich festlegen
Auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist ausnahmsweise eine Ausbezahlung der Ferien in
Geld gestattet, sofern ein Ferienbezug während der Kündigungsfrist nicht mehr möglich ist, so
beispielsweise, weil der Mitarbeiter noch dringend eine Arbeit beenden muss. Auch der Umstand,
dass der Mitarbeiter während der Kündigungsfrist noch eine neue Stelle suchen muss und deshalb
die Ferien nicht beziehen kann, erlaubt eine Ausbezahlung in Geld. Um Streitigkeiten zum Thema
Ferien möglichst zu vermeiden, empfiehlt es sich, in den Arbeitsverträgen und Reglementen eine
sorgefältige Regelung vorzunehmen.
Arbeitsrecht in der Unternehmung – Teil I
Thomas M. Meyer
[email protected]
31.05.2003
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Wann haften Mitarbeiter?
Für welche Schäden haften Angestellte? Wie bestimmt sich die Schadenersatzhöhe und
wieviel darf vom Lohn abgezogen werden?
Der Mitarbeiter A ist als Lastwagenchauffeur bei der Firma X angestellt. Eine kurze
Unaufmerksamkeit von A beim Chauffieren führt dazu, dass er eine Auffahrtkollision mit
Blechschaden verursacht. Darf die Firma X bei der nächsten Lohnauszahlung die
Fahrzeugreparaturkosten von 2 000 Franken vom Monatslohn des A in Abzug bringen?
Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, wer für den Schaden verantwortlich und somit haftbar ist.
Das Obligationenrecht (OR) regelt die Haftung des Mitarbeiters für verursachte Schäden in Art. 321e.
Das Gesetz sieht vor, dass der Arbeitnehmer für denjenigen Schaden verantwortlich ist, den er
absichtlich oder fahrlässig dem Arbeitgeber zufügt.
Vorsatz und Fahrlässigkeit
Nach den allgemeinen Regeln des Schadenersatzrechts müssen für eine Haftung vier
Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein, nämlich eine Pflichtverletzung, ein Schaden, ein
Kausalzusammenhang sowie ein Verschulden. Mit anderen Worten setzt eine Haftung des
Mitarbeiters immer voraus, dass dieser eine Pflichtverletzung begangen hat und gerade durch diese
Pflichtverletzung der Arbeitgeber einen Schaden erleidet. Weiter muss die Pflichtverletzung
absichtlich oder fahrlässig begangen worden sein.
Eine vorsätzliche Pflichtverletzung ist immer dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer eine absichtliche
Schädigung vornimmt. Diesfalls ist der Mitarbeiter für den ganzen Schaden haftbar, welchen er dem
Arbeitgeber verursacht. Begeht der Mitarbeiter einen Diebstahl oder eine Veruntreuung von Geldern,
liegt darin eine absichtliche Schädigung des Arbeitgebers, für welche der Mitarbeiter vollumfänglich
haftbar ist. Weniger einfach ist die Sachlage jedoch dann, wenn der Mitarbeiter wie im eingangs
geschilderten Fall den Schaden nicht absichtlich, sondern fahrlässig verursacht. Hierbei muss
zwischen leichter, mittlerer und grober Fahrlässigkeit unterschieden werden. Grobfahrlässigkeit liegt
vor, wenn elementare Vorsichtspflichten missachtet werden. Grobfahrlässig handelt etwa ein
Chauffeur, der aus Unaufmerksamkeit ein Rotlicht überfährt.
Schadensaufteilung
Bei leichter bzw. mittlerer Fahrlässigkeit hingegen werden zwar keine elementaren Vorsichtspflichten
missachtet, aber es wird auch nicht die im konkreten Fall erforderliche Sorgfalt beachtet. So hätte der
Mitarbeiter A bei genügender Sorgfalt die Auffahrtkollision vermeiden können. Der Grad der
Fahrlässigkeit ist insofern von grosser Bedeutung, als sich danach in erster Linie die
Schadenersatzpflicht richtet. Die Gerichtspraxis geht davon aus, dass bei grober Fahrlässigkeit der
Mitarbeiter grundsätzlich voll für den angerichteten Schaden haftet. Der das Rotlicht überfahrende
Chauffeur, der dadurch eine Kollision verursacht, ist im Grundsatz für den ganzen entstandenen
Schaden haftbar. Hingegen gehen die Gerichte bei leichter bzw. mittlerer Fahrlässigkeit in der Regel
von einer Schadensteilung aus, wobei sich die Höhe des je vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu
übernehmenden Schadenanteils nach dem im konkreten Fall bestehenden Verschuldensgrad richtet.
Häufig sehen die
Gerichte bei mittlerer Fahrlässigkeit eine hälftige Schadensteilung vor.
Weitere Haftungskriterien
Art. 321e OR sieht vor, dass sich das Mass der Sorgfalt, für welche der Arbeitnehmer einzustehen
hat, unter Berücksichtigung des Berufsrisikos, des Bildungsgrades oder der erforderlichen
Fachkenntnisse sowie der Fähigkeiten und Eigenschaften des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber
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gekannt hat oder hätte kennen sollen, bestimmt. Handelt es sich bei der Tätigkeit des Mitarbeiters um
eine Arbeit mit erhöhtem Berufsrisiko, wo kleinere Missgeschicke fast unvermeidlich sind
(schadensgeneigte Arbeit), besteht deshalb bei leichter Fahrlässigkeit in der Regel keine und bei
mittlerer Fahrlässigkeit nur eine Haftung in reduziertem Masse. Da die Chauffeurtätigkeit ein erhöhtes
Berufsrisiko beinhaltet, haftet der Mitarbeiter A, der die Kollision infolge ungenügender Vorsicht
fahrlässig verursachte, nicht oder nur in sehr beschränktem Umfang für den verursachten Schaden.
Die Firma X dürfte folglich keinesfalls den ganzen Schadensbetrag vom Lohn des A in Abzug bringen.
Für die Frage der Haftung ist weiter entscheidend, zu welchem Lohn der Mitarbeiter angestellt ist. Ist
das Salär des Mitarbeiters verhältnismässig gering, führt dies zu einer Haftungsverminderung. Auch
ein Mitverschulden des Arbeitgebers bewirkt eine Haftungsreduktion. Ein Mitverschulden liegt etwa
dann vor, wenn der Arbeitgeber wissentlich oder aus Nachlässigkeit einen Mitarbeiter mit
ungenügenden Fachkenntnissen einstellt und dieser Mitarbeiter aufgrund seiner mangelnden
Qualifikationen einen Schaden verursacht.
Gerichtliche Geltendmachung
In Bezug auf die gerichtliche Geltendmachung von Schadenersatzforderungen liegt es am
Arbeitgeber, die Pflichtverletzung durch den Mitarbeiter und den dadurch entstandenen Schaden in
genauer Höhe zu beweisen. Der Arbeitgeber muss jedoch nicht den Beweis erbringen, dass der
Mitarbeiter an der Schadensverursachung ein Verschulden trägt. Es ist Sache des Mitarbeiters, den
Nachweis zu erbringen, dass ihm kein Verschulden zur Last fällt. Kann er beweisen, dass der
Schaden weder absichtlich noch fahrlässig begangen wurde, ist er nicht haftbar.
Verjährung von Forderungen
Schadenersatzforderungen verjähren mit Ablauf von zehn Jahren. Es ist zu beachten, dass der
Arbeitgeber einen Schaden sofort nach dessen Kenntnis geltend machen oder einen Vorbehalt
anbringen muss. Denn eine vorbehaltlose Lohnzahlung erweckt den Anschein, der Arbeitgeber würde
auf seine Schadenersatzforderung verzichten, was den Untergang der Forderung zur Folge hat. Dem
Arbeitgeber, der einen Schaden geltend machen möchte, ist zu empfehlen, den Schaden unmittelbar
nach dessen Kenntnis mit der nächsten Lohnzahlung durch Verrechnung in Abzug zu bringen. Eine
unbeschränkte Verrechnung mit Lohnforderungen ist jedoch nur unter der Voraussetzung zulässig,
dass eine absichtliche Schädigung vorliegt. Bei einer fahrlässigen Schadensverursachung ist eine
Verrechnung nur mit dem das Existenzminimum des Arbeitnehmers übersteigenden Lohnanteil
zulässig.
Arbeitsrecht in der Unternehmung - Teil 5
Thomas M. Meyer
[email protected]
25.10.2003
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Rechte von Schwangeren
Wie ist die rechtliche Situation bei Schwangerschaft? Was müssen Arbeitgeber und
Mitarbeiterinnen in jedem Fall beachten?
Im Zusammenhang mit der Schwangerschaft einer Mitarbeiterin stellen sich jeweils zahlreiche
Fragen, so beispielswei-se, für welche Arbeiten die Mitarbeiterin während der Schwangerschaft noch
eingesetzt werden darf beziehungsweise bis wann der Arbeitgeber das Salär weiterbezahlen muss.
Nachfolgend sollen die wichtigsten Punkte in den Grundzügen dargestellt werden.
Gesundheitsschutz
Das Arbeitsgesetz schreibt vor, dass der Arbeitgeber schwangere Frauen und stillende Mütter so
beschäftigen und ihre Arbeitsbedingungen so gestalten muss, dass ihre Gesundheit und die
Gesundheit des Kindes nicht beeinträchtigt werden. Aus diesem Grund dürfen schwangere Frauen
und stillende Mütter für gefährliche und beschwerliche Arbeiten nur beschäftigt werden, wenn auf
Grund einer Risikobeurteilung feststeht, dass keine konkrete gesundheitliche Belas-tung für Mutter
und Kind vorliegt oder diese durch geeignete Schutzmassnahmen ausgeschaltet werden kann. Als
gefährliche und beschwerliche Arbeiten gelten dabei beispielsweise das Bewegen schwerer Lasten
von Hand, das Arbeiten bei Kälte, Hitze oder bei Nässe oder aber auch Arbeiten, die mit
Einwirkungen wie Stössen, Erschütterungen oder Vibrationen verbunden sind. Hat eine Mitarbeiterin
vor der Schwangerschaft eine im Sinne des Gesetzes gefährliche oder beschwerliche Arbeit
ausgeübt, muss ihr der Arbeitgeber während der Schwangerschaft und Stillzeit eine gleichwertige
Ersatzarbeit zuweisen. Sofern der Mitarbeiterin keine solche Ersatzarbeit zugewiesen werden kann,
hat diese trotzdem Anspruch auf 80 % des Lohnes.
Das Arbeitsgesetz sieht auch gewisse andere Beschäftigungserleichterungen vor. So haben
schwangere Frauen, die eine hauptsächlich stehend zu verrichtende Tätigkeit ausüben, zusätzlich zu
den gewöhnlichen gesetzlichen Pausen nach jeder zweiten Stunde eine Kurzpause von zehn Minuten
zu Gute. Ab dem sechsten Schwangerschaftsmonat wird der Gesundheitsschutz diesbezüglich noch
verschärft, indem die Mitarbeiterin für stehende Tätigkeiten maximal vier Stunden pro Tag eingesetzt
werden darf.
Beschäftigungsverbot
Während der Schwangerschaft darf die Mitarbeiterin auf blosse Anzeige hin von der Arbeit
fernbleiben oder die Arbeit verlassen. Eine schwangere Mitarbeiterin, die sich nicht wohl fühlt und
deshalb nicht zur Arbeit erscheint, muss somit kein Arztzeugnis vorweisen. Sie muss jedoch ihren
Arbeitgeber umgehend hierüber informieren. Stillenden Müttern ist die erforderliche Zeit zum Stillen
freizugeben. Für die Zeit nach der Geburt sieht das Arbeitsgesetz ein absolutes Beschäftigungsverbot
für die Dauer von acht Wochen vor. Nach Ablauf dieser acht Wochen darf die Mitarbeiterin bis zur 16.
Woche nur mit ihrem Einverständnis beschäftigt werden, d.h. es liegt an ihr zu entscheiden, ob sie
bereits ab der neunten Woche oder erst nach Ablauf der 16. Woche nach der Geburt des Kindes die
Arbeit wieder aufnimmt. Schwangere Frauen dürfen im Übrigen ab der achten Woche vor der
Niederkunft zwischen 20 Uhr und 6 Uhr nicht beschäftigt werden.
Lohnfortzahlung
Es gilt zu beachten, dass sich die Lohnfortzahlung für schwangerschafts- und mutterschaftsbedingte
Abwesenheit nicht nach dem Arbeitsgesetz, sondern zurzeit noch nach Art. 324a des
Obligationenrechts (OR) bestimmt. Der Lohnfortzahlungsanspruch richtet sich nach der Dauer des
Arbeitsverhältnisses. Das OR schreibt diesbezüglich für das erste Dienstjahr eine
Lohnfortzahlungsdauer von drei Wochen vor. Da das OR ab dem 2. Dienstjahr die
15
Lohnfortzahlungsdauer nicht genau bestimmt, ist hierfür die von den Gerichten entwickelte Zürcher,
Berner oder Basler Skala heranzuziehen.
Gemäss Zürcher Skala besteht im zweiten Dienstjahr ein Lohnfortzahlungsanspruch von 8 Wochen,
im dritten Dienstjahr ein solcher von 9 Wochen. In der Folge verlängert sich die
Lohnfortzahlungsdauer pro weiteres Dienstjahr um eine weitere Woche. Eine schwangere
Mitarbeiterin, die seit 3 1/2 Jahren angestellt ist und sich somit im 4. Dienstjahr befindet, hat deshalb
bei Schwangerschaft und Mutterschaft Anspruch auf maximal 10 Wochen Lohnfortzahlung. Ist die
Mitarbeiterin jedoch im Verlauf des 4. Dienstjahres bereits drei Wochen krankheitshalber der Arbeit
ferngeblieben, verringert sich ihr Anspruch auf Lohnfortzahlung während der Schwangerschaft und
Mutterschaft auf 7 Wochen, da alle Fälle von Arbeitsunfähigkeit im gleichen Dienstjahr an den
gesamten Lohnfortzahlungsanspruch angerechnet werden. Selbstverständlich ist es zulässig, eine für
die Mitarbeiterin vorteilhaftere Lösung bei Schwangerschaft und Mutterschaft vorzusehen.
Insbesondere is es dem Arbeitgeber auch überlassen eine entsprechende Taggeldversicherung
abzu-schliessen, wie dies auch verschiedentlich Gesamtarbeitsverträge vorschreiben. In Bezug auf
die Lohnfortzahlung bei Mutterschaft ist zu berücksichtigen, dass die vorgesehene
Mutterschaftsversicherung eine Verbesserung der Lohnfortzahlung mit sich bringt, da eine
Lohnfortzahlung von 14 Wochen ab Geburt in Höhe von 80% des Einkommens vorgesehen ist. Ob
die Mutterschaftsversicherung in Kraft tritt, wird in Kürze vom Volk entschieden.
Kündigungsschutz
Eine schwangere Mitarbeiterin geniesst während der gesamten Schwangerschaft und bis 16 Wochen
nach der Geburt einen Kündigungsschutz. Eine während dieser Dauer vom Arbeitgeber
ausgesprochene Kündigung ist somit ungültig und hat keine Wirkung. Wird die Mitarbeiterin erst nach
erfolgter Kündigung schwanger, hat dies einen Unterbruch der Kündigungsfrist bis 16 Wochen nach
der Geburt des Kindes zur Folge, d.h. die Kündigungsfrist verlängert sich um diese Dauer. Wird
hingegen das Arbeitsverhältnis von der Mitarbeiterin selber gekündigt und diese in der Folge
schwanger, führt dies zu keiner Verlängerung der Kündigungsfrist, da der gesetzliche
Kündigungsschutz nur bei Kündigung durch den Arbeitgeber zur Anwendung gelangt.
Bei Schwangerschaft einer Mitarbeiterin ist es empfehlenswert, möglichst frühzeitig alle relevanten
Punkte genau zu besprechen, um allfällige Missverständnisse und daraus entstehende Streitigkeiten
zu vermeiden.
Arbeitsrecht in der Unternehmung – Teil 8
Thomas M. Meyer
[email protected]
27.03.2004
16
Streitpunkt Bonus
Was ist rechtlich unter einem Bonus zu verstehen? In welchen Fällen haben Mitarbeitende
Anspruch auf eine Bonuszahlung?
Viele Arbeitsverträge sehen nebst einem festen Grundgehalt auch so genannte Bonusregelungen vor.
Diese sind je nach Arbeitsvertrag sehr unterschiedlich ausgestaltet, wobei der in Aussicht gestellte
Bonus im konkreten Fall nur einen kleinen Bruchteil des Fixlohnes oder aber einen diesen sogar
überschreitenden Betrag ausmachen kann. So erstaunt es nicht, dass im Zusammenhang mit
Bonuszahlungen in der Praxis oftmals Streitigkeiten entstehen.
Bonusregelungen
Bonusregelungen sind häufig in dem Sinne formuliert, dass dem Mitarbeitenden bei Erreichen
gewisser Zielsetzungen eine Zahlung in Aussicht gestellt wird, deren Höhe jedoch nach freiem
Ermessen von der Geschäftsleitung festgesetzt wird. Dabei wird die Ausrichtung oftmals von der
persönlichen Leistung des Mitarbeitenden und der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens
abhängig gemacht. Viele Bonusregelungen enthalten weiter die Bestimmung, wonach der
Mitarbeitende in ungekündigtem Arbeitsverhältnis stehen muss, um bonusberechtigt zu sein. Die
Schwierigkeit bei solchen Bonusregelungen besteht darin, dass im Streitfall primär geklärt werden
muss, ob es sich beim vereinbarten Bonus um einen Lohnbestandteil oder aber um eine Gratifikation
handelt. Diese Unterscheidung ist insofern von grosser Bedeutung, als dass sich in den
arbeitsvertraglichen Bestimmungen des Obligationenrechts (OR) leider keine spezifischen
Regelungen zum Bonus finden.
Lohnbestandteil oder Gratifikation
Ein variabler Lohnbestandteil im Sinne von Art. 322a OR liegt vor, wenn dem Mitarbeitenden im
Arbeitsvertrag ein Anteil am Gewinn oder am Umsatz oder sonst am Geschäftsergebnis versprochen
wird. Diesfalls hat der Mitarbeitende einen verbindlichen Anspruch auf Auszahlung, sofern die
vorgegebenen Ziele erreicht werden. Dementsprechend ist es auch unzulässig, die Ausbezahlung
des variablen Lohnbestandteils von der Voraussetzung des ungekündigten Arbeitsverhältnisses des
Mitarbeiters abhängig zu machen, da es sich um geschuldeten Lohn handelt. Die Rechtsprechung
geht dabei davon aus, dass ein im voraus festgesetzter und fest vereinbarter Betrag Lohn darstellt
und keine Gratifikation sein kann. Hingegen liegt eine Gratifikation vor, wenn der Bonus sowohl von
dem durch die Arbeitsleistung erzielten Cashflow als auch von der persönlichen Leistung des
Arbeitnehmers abhängt und die Höhe völlig variabel ist. Die Gratifikation ist in Art. 322d OR geregelt.
Hierbei handelt es sich definitionsgemäss um eine ausserordentliche Zulage, die zum Lohn hinzutritt
und bei bestimmten Anlässen ausgerichtet wird. In den meisten Fällen wird die Gratifikation zum
Jahres-ende ausbezahlt. Wichtig ist, dass der Arbeitnehmer gemäss Art. 322d OR nur dann einen
Anspruch auf eine Gratifikation hat, wenn dies verabredet wurde. Ansonsten liegt es im freien
Ermessen des Arbeitgebers, ob und in welcher Höhe er eine Gratifikation ausrichtet. Darin
unterscheidet sich die Gratifikation auch vom 13. Monatslohn. Wird im Arbeitsvertrag ein 13.
Monatslohn verabredet, muss dieser zwingend ausbezahlt werden. Auch bei Austritt des
Mitarbeitenden während des Jahres besteht ein anteilsmässiger Anspruch auf Ausbezahlung.
Verlässt der Mitarbeitende die Unternehmung auf Ende August, hat er somit Anspruch auf zwei Drittel
des vereinbarten 13. Monatslohnes. Ein Anspruch auf anteilsmässige Ausbezahlung der Gratifikation
bei Austritt während des Jahres besteht hingegen nur, sofern dies ausdrücklich verabredet wurde.
Der Ende August austretende Mitarbeiter hätte folglich ohne anderslautende Vereinbarung keinen
Anspruch auf Gratifikation.
Gratifikationsarten
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Auch im Falle der Bonusausgestaltung als Gratifikation muss immer geprüft werden, ob es sich dabei
um eine vollständig freiwillige Leistung des Arbeitgebers (freiwillige Gratifikation) handelt oder ob auf
deren Ausrichtung ein klagbarer Anspruch besteht (vereinbarte Gratifikation). Dies hängt wiederum
von den Umständen ab. Die Rechtsprechung geht insbesondere davon aus, dass eine vereinbarte
Gratifikation vorliegt, wenn sie vorbehaltlos während mindestens drei aufeinander folgenden Jahren
ausgerichtet wurde. Die Unterscheidung zwischen freiwilliger und vereinbarter Gratifikation ist somit
von grosser Bedeutung. Kommt ein Gericht nämlich im Streitfall zum Schluss, dass es sich beim
vereinbarten Bonus rechtlich gesehen um eine freiwillige Gratifikation handelt, hat dies zur Folge,
dass der Mitarbeitende keinen Anspruch auf deren Ausbezahlung hat. Wird hingegen von einer
vereinbarten Gratifikation ausgegangen, besteht ein Rechtsanspruch von Seiten des
bonusberechtigten Mitarbeitenden. Um einen Rechtsanspruch zu verhindern, müssen Unternehmen
deshalb unbedingt darauf achten, dass im Zusammenhang mit jeder Bonuszahlung schriftlich darauf
hingewiesen wird, dass Letztere freiwillig erfolgt und keinerlei Ansprüche für die Zukunft daraus
abgeleitet werden können. Das Bundesgericht hat kürzlich festgehalten, dass ein Vorbehalt der
Freiwilligkeit unwirksam werden kann, wenn er als nicht ernst gemeinte leere Floskel angebracht wird,
und der Arbeitgeber durch sein ganzes Verhalten zeigt, dass er sich zur Auszahlung einer
Gratifikation verpflichtet fühlt. Dieser Umstand läge dann vor, wenn jahrzehntelang ein Bonus mit dem
Vermerk der Freiwilligkeit ausbezahlt wird, dieser Vorbehalt jedoch nie in Anspruch genommen
wurde.
Bonus bei Austritt
Sofern es sich beim Bonus nicht um einen variablen Lohnbestandteil, sondern rechtlich gesehen um
eine vereinbarte Gratifikation handelt, kann der Arbeitgeber die Ausbezahlung vertraglich von
weiteren Voraussetzungen wie dem Vorliegen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses abhängig
machen. Der sich in gekündigter Stellung befindende Mitarbeitende hat somit keinen Bonusanspruch,
falls die entsprechende Bonusregelung dies so vorsehen sollte. Bei der aufgezeigten Komplexität und
der erheblichen rechtlichen Unterschiede, die mit der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen
Bonusregelung verbunden sind, empfiehlt es sich, die Vertragsbestimmungen sorgfältig
auszuformulieren, um sich unliebsame Überraschungen zu ersparen.
Arbeitsrecht in der Unternehmung – Teil 12
Thomas M. Meyer
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04.12.2004
18
Tücken der Teilzeit
Die Teilzeitarbeit ist eine Form der Anstellung, die heute sehr verbreitet ist. Rechtlich ergeben
sich aus der Natur von Teilzeitarbeitsverhältnissen gewisse Besonderheiten. Was muss dabei
zwingend beachtet werden?
Wie den Arbeitsmarktstatistiken entnommen werden kann, kommt der Teilzeitarbeit im
Wirtschaftsleben eine immer grössere Bedeutung zu. Der Grund hierfür ist vielschichtig. Oftmals
handelt es sich um Personen, die zusätzlich zur Familienbetreuung einem Teilzeiterwerb nachgehen,
um Wiedereinsteiger oder um Personen, die gleichzeitig verschiedene Teilzeitjobs aus-üben. Die Art
und Dauer der Teilzeitarbeit kann dabei sehr variieren, abhängig davon, ob es sich um ein tage- oder
stundenweises, regelmässiges oder unregelmässiges Arbeitsverhältnis handelt.
Die arbeitsvertraglichen Bestimmungen des Obligationenrechts (OR) regeln die Teilzeitarbeit nicht
speziell. Dies hat zur Folge, dass Teilzeitarbeitsverhältnisse grundsätzlich den gleichen
Bestimmungen wie Vollzeitarbeitsverhältnisse unterliegen. Dennoch ergeben sich aus der Natur von
Teilzeitarbeitsverhältnissen gewisse Abweichungen.
Umgang mit Überstunden
Auch Teilzeitangestellte sind gemäss Art. 321c OR verpflichtet, Überstunden zu leis-ten, sofern der
Mitarbeitende sie zu leisten vermag und sie ihm nach Treu und Glauben zugemutet werden können.
Überstunden liegen immer dann vor, wenn über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit oder über die
betriebsübliche Normalarbeitszeit hinaus Mehrarbeit geleistet wird. Eine Mitarbeiterin, die in einem
Teilzeitpensum von 20 Stunden pro Woche angestellt ist, jedoch effektiv 24 Stunden arbeitet, leistet
folglich vier Überstunden. Sofern diese Überstunden nicht durch Freizeit ausgeglichen werden und
nichts anderes schriftlich verabredet oder durch Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist,
müssen diese Überstunden mit einem Zuschlag von 25% ausbezahlt werden. Auch bei
Teilzeitangestellten stellt sich die Frage der Lohnfortzahlung bei Krankheit oder Unfall. Diesbezüglich
kommen ebenfalls die gleichen Bestimmungen wie bei Vollzeitarbeit zur Anwendung.
Dementsprechend bestimmt sich die Lohnfortzahlung auch bei Teilzeitangestellten nach Art. 324a
und Art. 324b OR, unabhängig davon, ob diese im Stunden- oder Monatslohn angestellt sind.
Eine im Stundenlohn angestellte Teilzeitmitarbeiterin, die an zwei Tagen pro Woche arbeitet, hat
somit ebenfalls Anspruch darauf, dass ihr während der Krankheit der Lohn weiterbezahlt wird. Sofern
keine Krankentaggeldversicherung besteht, bestimmt sich die Dauer der Lohnfortzahlung nach der
anwendbaren Zürcher, Berner oder Basler Skala: Ist die Teilzeitmitarbeiterin in Zürich tätig, hat sie im
ersten Dienstjahr Anspruch auf drei Wochen Lohnfortzahlung. Im zweiten Dienstjahr beträgt der
Anspruch auf Lohnfortzahlung acht Wochen und in der Folge verlängert sich dieser für jedes weitere
Dienstjahr um eine Woche. Handelt es sich um ein unregelmässiges Arbeits-verhältnis, kann
aufgrund des schwankenden Einkommens die Berechnung des Krankenlohnes Probleme bereiten.
Diesbezüglich ist anzuraten, auf den der Krankheit vorangehenden Durchschnittslohn der letzten
zwölf Monate abzustellen.
Ferien und Feiertage
In der Praxis werden oftmals auch Fehler begangen bei der Festlegung des Ferienanspruchs von
Teilzeitangestellten. Da die Bestimmung von Art. 329a OR auch für Teilzeitmitarbeitende gilt, haben
diese bis zum vollendeten 20. Altersjahr ebenfalls einen Ferienanspruch von mindestens fünf Wochen
und in der Folge einen solchen von vier Wochen. Diese gesetzliche Mindestdauer darf auch bei
Teilzeitangestellten nicht unterschritten werden. Wie viele Ferientage dies im konkreten Fall
ausmacht, berechnet sich aufgrund des Teilzeitgrades. Eine 35-jährige Mitarbeiterin, die in einem
40% Arbeitspensum beschäftigt ist und jeweils am Montag und Dienstag ganztags arbeitet, hat somit
Anspruch auf acht Ferientage (40% von 20 Arbeitstagen). Diese acht Ferientage entsprechen vier
vollen Ferienwochen, da die Mitarbeiterin pro Woche ja nur zwei Tage arbeitet und folglich für jede
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Ferienwoche auch nur zwei Ferientage benötigt. Teilzeitmitarbeitende, die im Wochen- oder
Monatslohn angestellt sind, haben ebenfalls Anspruch auf bezahlte Feiertage, sofern der Feiertag auf
einen Tag fällt, der zur ordentlichen vertraglichen Arbeitszeit gehört. Die immer montags und
dienstags arbeitende Teilzeitverkäuferin hat somit Anspruch darauf, den Oster- und Pfingstmontag
bezahlt frei zu erhalten, ohne diese Feiertage nacharbeiten zu müssen. Im Stundenlohn angestellte
Teilzeiterwerbstätige haben hingegen keinen Anspruch auf bezahlte Feiertage, sofern vertraglich
nicht eine andere Regelung getroffen wurde.
Höchstarbeitszeit
Es kann vorkommen, dass ein Teilzeitangestellter einer Mehrfachbeschäftigung nachgeht, indem er
gleichzeitig für verschiedene Arbeitgeber auf Teilzeitbasis arbeitet. Dabei ist zu beachten, dass die
Summe aller Teilzeitarbeitsverhältnisse die im Arbeitsgesetz vorgeschriebene
Höchstarbeitszeitgrenze nicht überschreiben darf. Diese beträgt je nach Art der Arbeit 45 bzw. 50
Stunden pro Woche. Eine Verletzung der Höchstarbeitszeit läge vor, wenn der Mitarbeitende für zwei
Reinigungsunternehmen je 28 Stunden pro Woche tätig ist. Damit sich ein Arbeitgeber hinsichtlich der
Einhaltung der Höchstarbeitszeit gesetzeskonform verhalten kann, muss er von einer
Mehrfachbeschäftigung des Mitarbeiters Kenntnis haben. Den Teilzeitangestellten trifft eine
Mitteilungspflicht.
Arbeit auf Abruf
Von der gewöhnlichen Teilzeitarbeit muss die Arbeit auf Abruf unterschieden werden. Hierbei handelt
es sich um eine Arbeitsform, bei welcher sich die Dauer und der Zeitpunkt des einzelnen
Arbeitseinsatzes sowie der Beschäftigungsgrad nach den Bedürfnissen des Arbeitgebers richtet. Bei
der Arbeit auf Abruf besteht ein grosses Risiko auf Seiten des Mitarbeiters. Dies deshalb, weil keine
Zusicherung auf ein bestimmtes festes Einkommen besteht, sondern der Arbeitgeber den Mitarbeiter
je nach Bedarf einsetzt. Die Arbeit auf Abruf bietet in rechtlicher Hinsicht zahlreiche Probleme, was
sich auch daran zeigt, dass sich das Bundesgericht in jüngs-ter Zeit mehrfach damit beschäftigen
musste.
Arbeitsrecht in der Unternehmung – Teil 13
Thomas M. Meyer
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29.01.2005
20
Arbeits- und Ruhezeiten
Wie viele Stunden pro Woche dürfen Mitarbeiter maximal zur Arbeit herangezogen werden? Ist
Nachtarbeit erlaubt und wo finden sich die gesetzlichen Bestimmungen?
Das Thema Arbeits- und Ruhezeit betrifft jedes Arbeitsverhältnis und ist somit von zentraler
Bedeutung. Die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen finden sich nicht im schweizerischen
Obligationenrecht (OR), sondern im Arbeitsgesetz (ArG) und dessen Verordnungen. Dabei handelt es
sich um zwingende Bestimmungen, die insbesondere den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter
bezwecken und von denen auch im gegenseitigen Einverständnis der Parteien nicht abgewichen
werden darf. In der Folge sollen einige wichtige Aspekte in den Grundzügen erläutert werden.
Höchstarbeitszeit und Überzeit
Art. 9ArG schreibt vor, dass die Höchstarbeitszeit für Mitarbeiter in industriellen Betrieben sowie für
Büropersonal, technische und andere Angestellte, mit Einschluss des Verkaufspersonals in
Grossbetrieben des Detailhandels, 45Stunden pro Woche beträgt. Für alle anderen Mitarbeiter liegt
die wöchentliche Höchstarbeitszeit bei 50 Stunden. Dies bedeutet, dass beispielsweise
Bankangestellte in den Genuss einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 45 Stunden kommen, ein
manuell tätiger Mitarbeiter eines Handwerksbetriebs hingegen eine solche von 50Stunden hat. Es ist
zu beachten, dass sich das Arbeitspensum des Mitarbeiters in erster Linie nach den
arbeitsvertraglichen Regelungen bestimmt und es sich bei den genannten Höchstarbeitszeiten nur um
gesetzliche Maximallimiten
handelt. Eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit ist in eingeschränktem Ausmass zulässig, sofern
dies insbesondere wegen Dringlichkeit der Arbeit, ausserordentlichen Arbeitsandrangs oder zur
Vermeidung oder Beseitigung von Betriebsstörungen erforderlich ist. Dabei darf die über die
wöchentliche Höchstarbeitszeit hinaus geleistete Arbeit, die «Überzeit», zwei Stunden am Tag nicht
überschreiten. Weiter darf sie im Kalenderjahr nicht mehr als 170 Stunden für Mitarbeiter mit einer
wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 45 Stunden und 140 Stunden für solche mit einer
Höchstarbeitszeit von 50 Stunden betragen. Der Arbeitgeber muss geleistete Überzeit zwingend mit
einem Lohnzuschlag von 25% ausbezahlen, dem Büropersonal sowie den technischen und anderen
Angestellten, mit Einschluss des Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels, jedoch nur
für Überzeitarbeit, die 60 Stunden im Kalenderjahr übersteigt. Es ist jedoch zulässig, anstelle der
Auszahlung von Überzeit diese im Einverständnis mit dem Arbeitnehmer innert eines angemessenen
Zeitraums durch Freizeit von gleicher Dauer auszugleichen. Eine vollständige vertragliche
Wegbedingung, wie dies bei Überstundenarbeit gemäss Art. 321c OR möglich ist, ist hingegen für
geleistete Überzeit angesichts des zwingenden Charakters der genannten Bestimmung unzulässig.
Tages-, Abend- und Nachtarbeit
Das Arbeitsgesetz unterscheidet zwischen Tages-, Abend- und Nachtarbeit. Die Arbeit von 6 Uhr bis
20 Uhr gilt als Tagesarbeit, diejenige von 20 Uhr bis 23 Uhr als Abendarbeit und diejenige von 23 Uhr
bis 6 Uhr als Nachtarbeit. Im Gegensatz zur bewilligungsfreien Tages- und Abendarbeit benötigt der
Arbeitgeber für Nachtarbeit eine behördliche Bewilligung, deren Erteilung an gewisse
Voraussetzungen gebunden ist. Im Weiteren haben Arbeitnehmer, die nur vorübergehend, d.h.
weniger als 25Nächte pro Kalenderjahr Nachtarbeit verrichten, Anspruch auf Ausbezahlung der
geleisteten Nachtarbeit mit einem Lohnzuschlag von 25%. Arbeitnehmer, die dauernd oder
regelmässig wiederkehrend Nachtarbeit leisten, haben Anspruch auf Zeitkompensation von 10% der
Zeit, während der sie Nachtarbeit leisten. So hat beispielsweise ein Mitarbeiter, der jeweils von 23
Uhr bis 6 Uhr Nachtarbeit leistet, Anspruch auf 42 Minuten Zeitkompensation pro Nacht (10% von 7
Stunden). Hiervon sieht das Arbeitsgesetz gewisse Ausnahmen vor. So besteht beispielsweise kein
Anspruch auf Zeitkompensation, wenn der Mitarbeiter nur in vier Nächten pro Woche beschäftigt wird.
Hinsichtlich der Nachtarbeit bestehen verschiedene andere Schutzbestimmungen, so etwa ein
21
Anspruch der Mitarbeiter, die über längere Zeit Nachtarbeit verrichten, auf medizinische
Untersuchung und Beratung. Für die Abendarbeit vom 20 Uhr bis 23 Uhr bestehen keine besonderen
Regelungen. Mitarbeiter, die beispielsweise von 15 Uhr bis 23 Uhr arbeiten, haben keinen
gesetzlichen Anspruch auf spezielle Entschädigung.
Arbeitspausen
Das Arbeitsgesetz sieht vor, dass die Arbeit durch Pausen unterbrochen werden muss. Deren
Mindestdauer ist abhängig von der täglichen Arbeitszeit und beträgt bei einer solchen von mehr als
fünfeinhalb Stunden eine Viertelstunde. Bei einer Arbeitszeit von mehr als sieben Stunden beträgt sie
mindestens eine halbe Stunde. Bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden muss eine
Mindestpause von einer Stunde eingehalten werden. Pausen, bei denen die Mitarbeiter ihren
Arbeitsplatz nicht verlassen dürfen, weil sie beispielsweise Kontrollaufgaben oder Telefondienst zu
erfüllen haben, gelten als Arbeitszeit. Die Frage, ob Pausen vom Arbeitgeber entschädigt werden
müssen, richtet sich nicht nach dem Arbeitsgesetz, sondern nach der jeweiligen vertraglichen
Regelung. Dementsprechend ist es zulässig, wenn ein Arbeitsvertrag beim im Stundenlohn
angestellten Mitarbeiter vorsieht, dass die Pausen nicht entschädigt werden.
Andere Regelungen
Das Arbeitsgesetz enthält in Bezug auf die Arbeits- und Ruhezeit diverse weitere Vorschriften, so
auch zur Sonntagsarbeit. Da für gewisse Betriebsgruppen die aufgeführten Bestimmungen nicht
praktikabel sind, enthält die Verordnung 2 zum Arbeitsgesetz einen Katalog von Betriebsarten, auf
welche die Regelungen keine oder nur eingeschränkte Anwendung finden. Solche Ausnahmen finden
sich beispielsweise für Spitäler, Gastbetriebe, Bäckereien oder Berufstheater. Es ist auch zu
beachten, dass das Arbeitsgesetz auf verschiedene Personengruppen keine Anwendung findet. So
ist es insbesondere nicht auf höhere leitende Mitarbeiter anwendbar, die über weitreichende
Entscheidungsbefugnisse verfügen. Ein geschäftsführender Direktor kommt somit weder in den
Genuss der Höchstarbeitszeit noch der weiteren Arbeits- und Ruhezeitbestimmungen.
Arbeitsrecht in der Unternehmung – Teil 14
Thomas M. Meyer
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23.04.2005
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Streit am Arbeitsplatz
Was muss vor der Einreichung einer arbeitsrechtlichen Klage beachtet werden, und wie
verläuft das Gerichtsverfahren? Wie gilt es die Beweismittel einzubringen?
Im Arbeitsalltag kommt es immer wieder zu Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Mitarbeitenden.
Die Ursache hierfür kann diverse Gründe haben. Oftmals geht es um umstrittene Lohn- oder
Überstundenforderungen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses dreht sich der Streit häufig um
die Zulässigkeit der ausgesprochenen Kündigung oder um die Frage der korrekten Ausstellung des
Arbeitszeugnisses. Sofern die streitenden Parteien keine einvernehmliche Lösung finden, bleibt nur
noch der Weg vor Gericht.
Zuständiges Gericht klären
Vor Einreichung einer Klage ist abzuklären, welches Gericht denn überhaupt für die betreffende
Streitigkeit zuständig ist. Sofern es sich nicht um eine internationale Arbeitsrechtsstreitigkeit handelt,
bestimmt sich örtliche Zuständigkeit nach dem Gerichtsstandsgesetz. Dieses sieht vor, dass für
arbeitsrechtliche Klagen das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei oder am Ort, an dem
der Arbeitnehmer gewöhnlich die Arbeit verrichtet, zuständig ist. Diese Frage ist von entscheidender
Bedeutung. Hat beispielsweise die Firma ihren Sitz in St. Gallen, arbeitet jedoch der Mitarbeiter in der
Regel in Lausanne, steht es ihm frei, entweder in St. Gallen oder in Lausanne seinen Arbeitgeber
einzuklagen. Reicht der Mitarbeiter die Klage in Lausanne ein, hat dies zur Folge, dass der gesamte
Prozess dort durchgeführt wird, was für die Firma Nachteile haben kann. Nicht nur wird das gesamte
Verfahren in der Amtssprache Französisch durchgeführt, sondern es richtet sich auch nach den
entsprechenden kantonalen Verfahrensbestimmungen. Dies ist insofern von grosser Bedeutung, als
zurzeit noch jeder Kanton seine eigene Zivilprozessordnung besitzt, nach welcher sich das
Gerichtsverfahren regelt und dieses folglich von Kanton zu Kanton sehr unterschiedlich ausgestaltet
sein kann.
Klagen begründen
Hat die Firma ihren Sitz im Kanton Zürich und wird die arbeitsrechtliche Streitigkeit auch dort
ausgefochten, bestimmt sich das Prozessverfahren folglich nach den entsprechenden kantonalen
Bestimmungen. Im Kanton Zürich besteht die Besonderheit darin, dass in den Städten Zürich und
Winterthur so genannte Arbeitsgerichte bestehen, welche auf die Beurteilung von arbeitsrechtlichen
Streitigkeiten spezialisiert sind. Im übrigen Kantonsgebiet sind die Bezirksgerichte für
arbeitsrechtliche Klagen zuständig. Ein Unterschied besteht darin, dass die Arbeitsgerichte direkt vom
Kläger angerufen werden können, wohingegen vor Klageeinreichung bei den Bezirksgerichten das so
genannte Sühnverfahren vor dem Friedensrichter durchgeführt werden muss. Dessen Zweck besteht
darin, die Parteien zu einer Einigung zu bewegen.
Vor Gericht muss der Kläger ein konkretes Rechtsbegehren stellen und die Klage detailliert
begründen. Dabei genügt es zum Beispiel nicht, wenn der Kläger nur geltend macht, es sei ihm
missbräuchlich gekündigt worden, weshalb er eine Entschädigung von zwei Monatslöhnen fordere.
Denn das Gesetz schreibt vor, dass die Parteien ihre Behauptungen bestimmt und vollständig
darzulegen haben, damit die Gegenpartei ihrerseits detailliert und umfassend zum Vorgebrachten des
Klägers Stellung nehmen kann. Der Kläger muss folglich in seiner Klage begründen, aufgrund
welcher konkreten Umstände er die Kündigung für missbräuchlich erachtet. Im Anschluss an die
Klagebegründung des Klägers und die entsprechende Klageantwort des Beklagten haben die
Parteien im Kanton Zürich das Recht, nochmals je einmal zu den Ausführungen der anderen Partei
Stellung zu nehmen und die entsprechenden Beweismittel, welche ihre Ausführungen untermauern,
zu benennen. Sofern erforderlich, findet im Anschluss daran ein Beweisverfahren statt. Je nachdem
ist das Gerichtsverfahren mündlich oder schriftlich.
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Beweise erbringen
Leider trifft der Grundsatz «Recht haben und Recht bekommen sind zweierlei» gerade vor Gericht zu.
Denn es liegt an den Parteien, die von ihnen erhobenen Behauptungen, welche von der anderen
Partei bestritten werden, zu beweisen. Der gekündigte Mitarbeiter, der sich auf eine miss-bräuchliche
Kündigung beruft, müsste beispielsweise den Beweis erbringen, dass sich hinter dem im
Kündigungsschreiben vom Arbeitgeber angegebenen Kündigungsgrund «Umstrukturierung» in Tat
und Wahrheit eine unzulässige Rachekündigung verbirgt. Eine solche Beweisführung ist oftmals sehr
schwierig. Das beste Beweismittel ist immer der Urkundenbeweis. Aus diesem Grund ist
Personalverantwortlichen zu empfehlen, wichtige Handlungen wie ausgesprochene Verwarnungen
oder durchgeführte Qualifikationsgespräche schriftlich zu dokumentieren, um im Streitfall den
entsprechenden Beweis erbringen zu können. Im Weiteren haben die Parteien auch die Möglichkeit,
ihre Behauptungen mittels Zeugenaussagen oder durch Sachverständigengutachten zu belegen. Bei
Zeugen besteht das Problem darin, dass das Gericht immer vor der Frage steht, ob die
Zeugenaussagen der Wahrheit entsprechen. Dabei hängt die Glaubwürdigkeit der Zeugen auch
davon ab, wie weit diese von den Parteien unabhängig sind. Beruft sich ein Arbeitgeber auf einen
seiner Mitarbeiter als Zeugen, muss in Bezug auf dessen Glaubwürdigkeit berücksichtigt werden,
dass er unter Umständen seine Stellung im Betrieb gefährdet, falls er gegen die Interessen seines
Arbeitgebers aussagt.
Prozesskosten einberechnen
Das Bundesrecht schreibt vor, dass arbeitsrechtliche Verfahren bis zu einem Streitwert von 30 000
Fr. kostenlos sind, sofern keine mutwillige Prozessführung vorliegt. Dies bedeutet, dass den Parteien
keine Gerichtskos-ten auferlegt werden dürfen. Die unterliegende Partei muss aber der anderen
Partei eine Entschädigung für ihre Umtriebe bezahlen, was bei einer anwaltlichen Vertretung einen
erheblichen Betrag ausmachen kann. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass
Gerichtsverfahren in der Regel mit nicht zu unterschätzenden Unsicherheiten in Bezug auf deren
Ausgang sowie mit grossem persönlichem, emotionalem und unter Umständen finanziellem Aufwand
verbunden sind, weshalb eine aussergerichtliche Kompromisslösung oftmals der sinnvollere Weg ist.
Arbeitsrecht in der Unternehmung - Teil 15
Thomas M. Meyer
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25.06.2005
24
Entgelt für Mutterschaft
Per 1. Juli 2005 ist der bezahlte Mutterschaftsurlaub in Kraft getreten. Welche
Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um Mutterschaftsentschädigung zu erhalten?
Das Schweizer Volk hat sich in der Abstimmung vom 26. September 2004 für einen bezahlten
Mutterschaftsurlaub ausgesprochen. Dies, nach dem die Einführung einer gesetzlichen
Mutterschaftsversicherung vorgängig mehrmals vom Stimmvolk abgelehnt wurde. Die Bestimmungen
zur Mutterschaftsentschädigung sind per 1. Juli 2005 in Kraft getreten und bringen erhebliche
Neuerungen mit sich.
Anspruchsberechtigte
Die neuen Bestimmungen zur Mutterschaftsentschädigung sind nicht im OR geregelt, sondern finden
sich im Bundesgesetz über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft
(Erwerbsersatzgesetz; EOG) sowie in der entsprechenden Verordnung zum Erwerbsersatzgesetz.
Anspruchsberechtigt für den Bezug von Mutterschaftsentschädigung sind Mütter, sofern sie vor der
Geburt mindestens neun Monate bei der AHV obligatorisch versichert waren und während dieser Zeit
mindestens fünf Monate lang eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben. Im Weiteren muss die
anspruchsberechtigte Person im Zeitpunkt der Geburt entweder Arbeitnehmerin oder
Selbständigerwerbende sein oder aber im Betrieb des Ehemannes mitarbeiten und einen Barlohn
beziehen. Aber auch Mütter, die zum Zeitpunkt der Geburt arbeitslos sind, haben Anspruch auf
Mutterschaftsentschädigung, sofern sie bis zur Geburt des Kindes ein Taggeld der
Arbeitslosenversicherung bezogen haben oder am Tag der Geburt die für den Bezug eines
Taggeldes nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz erforderliche Beitragsdauer erfüllen.
Auch Mütter, die im Zeitpunkt der Geburt arbeitsunfähig sind, haben Anspruch auf
Mutterschaftsentschädigung, falls sie bis zur Geburt des Kindes eine Entschädigung für
Erwerbsausfall bei Krankheit oder Unfall einer Sozial- oder Privatversicherung oder Taggelder der
Invalidenversicherung bezogen haben. Damit auch Frauen, die wegen einer Frühgeburt die gesetzlich
verlangte neunmonatige AHV-Mindestversicherungsdauer nicht erreichen, nicht vom
Entschädigungsanspruch ausgeschlossen werden, reduziert sich die entsprechende Frist bei
vorzeitiger Geburt auf sechs Monate bei Niederkunft vor dem siebten Schwangerschaftsmonat, auf
sieben Monate bei einer solchen vor dem achten Schwangerschaftsmonat und auf acht Monate bei
Geburt vor dem neunten Schwangerschaftsmonat.
Anspruchsdauer
Der Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung entsteht, wenn das Kind lebensfähig geboren wird,
oder wenn die Schwangerschaft mindestens 23 Wochen gedauert hat. Bei einem
Schwangerschaftsabbruch besteht kein Anspruch auf Entschädigung. Der Anspruch beginnt
grundsätzlich mit dem Tag der Niederkunft und endet am 98. Tag nach seinem Beginn, d.h. in der
Regel nach Ablauf von 14 Wochen nach der Geburt. Wird durch ein Arztzeugnis nachgewiesen, dass
das neu geborene Kind aus gesundheitlichen Gründen nach der Geburt noch mindestens drei
Wochen im Spital bleiben muss, kann die Mutter beantragen, dass die Mutterschaftsentschädigung
erst ausgerichtet wird, wenn das Kind nach Hause kommt. Damit verschieben sich Beginn und Ende
der Mutterschaftsentschädigung entsprechend nach hinten. Hinsichtlich der Anspruchsdauer gilt es
zu berücksichtigen, dass das Arbeitsgesetz für die Zeit nach der Geburt ein absolutes
Beschäftigungsverbot für die Dauer von acht Wochen vorsieht. Nach Ablauf dieser acht Wochen darf
die Mitarbeiterin bis zur 16. Woche nur mit ihrem Einverständnis beschäftigt werden, d.h. es liegt an
ihr zu entscheiden, ob sie ab der neunten Woche oder erst nach Ablauf der 16. Woche nach der
Geburt des Kindes die Arbeit wieder aufnimmt. Nimmt sie die Arbeit ganz oder teilweise vorzeitig auf,
hat dies zur Folge, dass der Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung auf diesen Zeitpunkt endet.
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Anspruchshöhe
Die Mutterschaftsentschädigung wird in der Form eines Taggeldes ausgerichtet. Die Höhe des
Taggeldes beträgt dabei 80% des vor der Geburt erzielten durchschnittlichen Erwerbseinkommens.
Das maximale Taggeld ist jedoch auf 172 Franken pro Tag beschränkt und wird somit bei einem
monatlichen Bruttoeinkommen von 6 450 Franken erreicht. Dies kann insbesondere bei hohen
Einkommen dazu führen, dass die Mutterschaftsentschädigung bei weitem nicht 80% des vorgängig
erzielten Erwerbseinkommens entspricht. Verdiente eine Mitarbeiterin
beispielsweise vor der Geburt monatlich brutto 10 000 Franken, beschränkt sich ihr Anspruch auf
Mutterschaftsentschädigung trotzdem auf 172 Franken pro Tag und somit auf 5 160 Franken pro
Monat (30 mal 172 Franken). Diese Maximalbeschränkung hat zur Folge, dass insbesondere
langjährige Mitarbeiterinnen mit hohem Salär mit der neuen Mutterschaftsentschädigung gegenüber
der bisherigen Lohnfortzahlungsregelung bei Mutterschaft gemäss Art. 324a OR schlechter fahren.
Für den Grossteil werdender Mütter bringt die neue Regelung jedoch eine erhebliche Besserstellung.
Weiter ist zu beachten, dass die Finanzierung der Mutterschaftsentschädigung durch EO-Beiträge
erfolgt.
Verträge überprüfen
Hinsichtlich der Lohnfortzahlung für die Zeit während der Schwangerschaft gelangt weiterhin Art.
324a OR zur Anwendung. Die Schwangerschaft als solche gibt dabei keinen Anspruch auf Lohn ohne
Arbeitsleistung. Nur wenn die schwangere Mitarbeiterin aus gesundheitlichen Gründen, namentlich
aufgrund von Schwangerschaftsbeschwerden, an der Arbeit verhindert ist, kann sie Leistungen
gestützt auf Art. 324a OR verlangen. Schliesslich müssen wie bis anhin bei Schwangerschaft und
Mutterschaft diverse weitere Vorschriften berücksichtigt werden, so beispielsweise der gesetzliche
Kündigungsschutz während der gesamten Schwangerschaft und bis 16 Wochen nach der Geburt. Im
Zusammenhang mit der per 1. Juli 2005 in Kraft getretenen neuen Mutterschaftsentschädigung ist
den Arbeitgebern zu empfehlen, ihre Arbeitsverträge und Reglemente dahingehend zu überprüfen, ob
sie der neuen gesetzlichen Regelung entsprechen. Dabei ist zu beachten, dass bestehende
Versicherungsverträge, die Taggelder bei Mutterschaft vorsahen, per 1. Juli 2005 von Gesetzes
wegen dahingefallen sind.
Arbeitsrecht in der Unternehmung – Teil 16
Thomas M. Meyer
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27.08.2005
26
Regelung bei Krankheit
Welche Rechte und Pflichten bestehen bei Krankheit von Mitarbeitenden? Wie lange muss der
Arbeitgeber den Lohn weiterbezahlen?
Im Zusammenhang mit einem Krankheitsfall stellen sich sowohl für den erkrankten Mitarbeiter als
auch für seinen Arbeitgeber jeweils verschiedene Rechtsfragen. Diese betreffen in der Regel
insbesondere die Dauer der Lohnfortzahlung und die Frage des Kündigungsschutzes. Im Folgenden
sollen einige Punkte im Überblick dargelegt werden.
Arztzeugnis einreichen
Wird ein Mitarbeiter aufgrund einer Erkrankung arbeitsunfähig, ist er verpflichtet, seinen Arbeitgeber
unverzüglich hierüber zu informieren. Dauert die Erkrankung mehrere Tage, wird in der Regel vom
Mitarbeiter die Einreichung eines Arztzeugnisses verlangt. Da es gesetzlich nicht geregelt ist, ab
welcher Krankheitsdauer der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin ein Arztzeugnis einreichen muss,
empfiehlt es sich, diesen Punkt im Arbeitsvertrag oder Personalreglement klar zu regeln. Des
Weiteren sollte darin auch die Verpflichtung des Mitarbeiters festgehalten werden, sich auf Verlangen
des Arbeitgebers einer vertrauensärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Denn nicht selten kommt
es vor, dass der Arbeitgeber die ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit seiner Mitarbeiterin oder
seines Mitarbeiters in Frage stellt und deshalb eine zusätzliche vertrauensärztliche Untersuchung
wünscht.
Lohnfortzahlung
Die Frage der Lohnfortzahlung bei Krankheit bestimmt sich primär nach Art. 324a des
Obligationenrechts (OR). Gemäss dieser Bestimmung richtet sich der Lohnfortzahlungsanspruch des
Mitarbeiters nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses. Das OR schreibt diesbezüglich für das erste
Dienstjahr eine Lohnfortzahlung von drei Wochen vor. Da das OR ab dem zweiten Dienstjahr die
Lohnfortzahlungsdauer nicht genau regelt, sondern nur bestimmt, dass der Lohn für eine
angemessene längere Zeit entrichtet werden muss, ist hierfür die von den Gerichten entwickelte
Zürcher, Berner oder Basler Skala heranzuziehen. Die einzelnen Skalen weichen dabei voneinander
ab. So sieht die Berner Skala im zweiten Dienstjahr eine Lohnfortzahlungsdauer von einem Monat, im
dritten und vierten Dienstjahr eine solche von zwei Monaten und im fünften bis und mit neuntem
Dienstjahr eine solche von drei Monaten vor. Hingegen geht die Zürcher Skala im zweiten Dienstjahr
von einem Lohnfortzahlungsanspruch von acht Wochen und im dritten Dienstjahr von einem solchen
von neun Wochen aus. In der Folge verlängert sich nach der Zürcher Skala die
Lohnfortzahlungsdauer pro weiteres Dienstjahr um eine zusätzliche Woche. Ein kranker Mitarbeiter
im vierten Dienstjahr hat folglich nach der Zürcher Skala einen Lohnfortzahlungsanspruch von zehn
Wochen, wohingegen der entsprechende Anspruch nach der Berner Skala nur zwei Monate beträgt.
Diese Skalen haben keine verbindliche Gesetzeskraft. Trotzdem halten sich die Gerichte im
Allgemeinen streng an sie, wobei je nach zuständigem Gericht entweder die Zürcher, Berner oder
Basler Skala angewendet wird.
Vorteilhaftere Lösungen
Allen Skalen ist gemeinsam, dass es sich hierbei um die maximale Lohnfortzahlungsdauer pro
Dienstjahr und nicht pro Krankheitsfall handelt. Erkrankt ein Mitarbeiter beispielsweise im ersten
Dienstjahr während vier und nachträglich nochmals während zwei Wochen, muss ihm der Arbeitgeber
den Lohn trotzdem nur während insgesamt drei Wochen bezahlen. Im Weiteren gilt es zu
berücksichtigen, dass die gesetzliche Lohnfortzahlung gemäss Art. 324a OR nur zum Tragen kommt,
sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate
eingegangen wurde.
27
Selbstverständlich dürfen aber zugunsten der Mitarbeiter vorteilhaftere Lösungen getroffen werden.
Davon machen viele Arbeitgeber Gebrauch und sehen für den Krankheitsfall weitergehende
Lohnfortzahlungsregelungen vor. Verbreitet ist auch der Abschluss einer
Krankentaggeldversicherung.
Kündigungsschutz
Gemäss Art. 336c OR darf der Arbeitgeber keine Kündigung aussprechen, wenn der Mitarbeiter ohne
eigenes Verschulden durch Krankheit oder Unfall ganz oder teilweise an der Arbeitsleistung
verhindert ist, und zwar im ersten Dienstjahr während 30 Tagen, ab zweitem bis und mit fünftem
Dienstjahr während 90 Tagen und ab sechstem Dienstjahr während 180 Tagen. Eine während der
Sperrfrist ausgesprochene Kündigung ist nichtig. Ist hingegen der Mitarbeitende im Zeitpunkt der
Kündigung gesund und erkrankt erst im Verlauf der Kündigungsfrist, wird Letztere dadurch
unterbrochen. Die ausgesprochene Kündigung hat aber trotzdem Gültigkeit, da der Mitarbeiter in
jenem Zeitpunkt noch gesund war. Befindet sich der gekündigte, nachträglich erkrankte Mitarbeiter im
dritten Dienstjahr, wird die Kündigungsfrist durch die erfolgte Krankheit maximal um die Dauer der 90tägigen Sperrfrist unterbrochen und läuft danach weiter. Es gilt zusätzlich folgende Regel: Gilt für die
Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Endtermin wie das Ende eines Monates oder einer
Arbeitswoche und fällt dieser Endtermin nicht mit dem Ende der infolge der Unterbrechung
verlängerten Kündigungsfrist zusammen, verlängert sich diese bis zum nachfolgenden Endtermin.
Wurde dem Mitarbeiter am 25. März 2005 unter Einhaltung der zweimonatigen Kündigungsfrist auf
Ende Mai gekündigt und ist der Mitarbeiter in der Folge vom 10. bis 18. Mai 2005 krankheitsbedingt
arbeitsunfähig geschrieben, hat dies zur Folge, dass sich die Kündigungsfrist um diese acht
Absenztage bis zum 8. Juni 2005 verlängern würde. Da das betreffende Arbeitsverhältnis nur auf
Ende Monat aufgelöst werden kann, führt dies dazu, dass sich die Kündigungsfrist bis Ende Juni
2005 verlängert.
Wenn der Arbeitnehmer kündigt
Gemäss Art. 336c OR kommt der zeitliche Kündigungsschutz erst nach Ablauf der Probezeit zur
Geltung. Im Weiteren ist er nur anwendbar bei Kündigungen seitens des Arbeitgebers. Sofern der
Mitarbeiter von sich aus kündigt und daraufhin krank wird, führt dies deshalb zu keiner Verlängerung
der Kündigungsfrist. Dies gilt auch für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung,
sondern durch eine zwischen dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgeschlossene
Aufhebungsvereinbarung aufgelöst wird.
Arbeitsrecht in der Unternehmung – Teil 18
Thomas M. Meyer
[email protected]
03.12.2005
28
Straftaten im Topkader
Welche Handhabung haben Unternehmen gegenüber kriminellen Mitarbeitenden? Wie ist in
solchen Fälle vorzugehen?
Wie gegen Ende letzten Jahres den Medien entnommen werden konnte, hat eine weltweit
durchgeführte Untersuchung der Revisions- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers
erge- ben, dass die Wirtschaftskriminalität im Schweizer Topkader im Vergleich zum Rest der Welt
erschreckend hoch ist. Mehr als die Hälfte der gemeldeten Delikt (Diebstahl, Betrug, Geldwäscherei,
Bilanzfälschung etc.) wurden in der Schweiz vom Topkader verübt, wobei dieser Wert im Vergleich zu
Westeuropa und der restlichen Welt mehr als doppelt so hoch ist. Die Studie hat weiter ergeben, dass
insbesondere zum Schutz ihres eigenen Images die betroffenen Unternehmungen in 40% dieser Fälle
nichts unternehmen. Nachfolgend soll im Überblick aufgezeigt werden, wie rechtlich vorgegangen
werden könnte.
Art der Entlassung
Im Zusammenhang mit einer aufgedeckten kriminellen Tat eines Mitarbeiters stellt sich für das
betroffene Unternehmen in erster Linie die Frage, ob eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters noch
tragbar ist. Ist dies aufgrund der Schwere der Verfehlung für das Unternehmen nicht möglich, ist zu
prüfen, ob das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist oder aber fristlos
aufgelöst werden kann. Dabei gilt es zu beachten, dass eine fristlose Auflösung des
Arbeitsverhältnisses gemäss Artikel 337 OR nur bei Vorliegen wichtiger Gründe erfolgen darf, wobei
als wichtiger Grund namentlich jeder Umstand gilt, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden
nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Straftaten, welche der Mitarbeiter im Rahmen seiner
Arbeitstätigkeit zu Lasten des Arbeitgebers begeht, in der Regel einen wichtigen Grund für eine
fristlose Entlassung ohne vorgängige Verwarnung bilden. Allerdings kommt es auf die konkreten
Umstände und auf die Schwere der Straftat und die Höhe des Deliktsbetrages an.
Strengerer Massstab bei Kader
Bei Kaderpersonen ist auf Grund des ihnen entgegengebrachten Vertrauens und der
Verantwortung, welche ihnen ihre Funktion im Betrieb überträgt, bei der Gewichtung der
Pflichtverletzung ein strengerer Massstab anzulegen. Insbesondere bei Vermögensdelikten von
Kadermitarbeitern wie der Veruntreuung von Geldern ist deshalb in der Regel die fristlose Entlassung
zulässig. Wichtig ist jedoch, dass die fristlose Kündigung unverzüglich nach Kenntnis der strafbaren
Handlung vom Arbeitgeber ausgesprochen wird. Dies deshalb, weil aus einem zu langen Zuwarten
abgeleitet wird, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber nicht unzumutbar
war. Eine fristlose Kündigung muss deshalb grundsätzlich innerhalb von zwei bis drei Arbeitstagen
nach Kenntnis des wichtigen Grundes ausgesprochen werden, sonst ist das Recht zur fristlosen
Kündigung verwirkt.
Verdachtskündigung
Im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen besteht das Problem oftmals darin, dass zunächst
gegenüber dem Mitarbeiter nur ein blosser Verdacht besteht, ohne dass ihm die zur Last gelegte
Straftat jedoch nachgewiesen werden kann. Wird bereits aufgrund dieses Verdachts dem Mitarbeiter
die fristlose Kündigung ausgesprochen, geht der Arbeitgeber ein erhebliches Risiko ein, da er die
Beweislast dafür trägt, dass der Verdacht berechtigt war. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass der
verdächtigte Mitarbeiter die Tat tatsächlich beging, ist die fristlose Kündigung zu Recht erfolgt. Wird
der verdächtigte Mitarbeiter hingegen nachträglich vom Vorwurf entlastet oder kann ihm die Tat nicht
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nachgewiesen werden, liegt in der Regel eine unzulässige fristlose Kündigung mit allen ihren Folgen
vor.
Vorteile einer Strafanzeige
Im Zusammenhang mit einer kriminellen Tat besteht von Seiten der betroffenen Unternehmung
jeweils auch die Möglichkeit, gegen den fehlbaren Mitarbeiter Strafanzeige einzureichen. Dabei gilt es
zu beachten, dass die Strafuntersuchungsbehörde über Kompetenzen verfügt, welche dem
geschädigten Unternehmen abgehen. So könnte die Strafuntersuchungsbehörde zum Beispiel beim
verdächtigten Mitarbeiter eine Hausdurchsuchung anordnen, um festzustellen, ob sich das Deliktsgut
in seinem Besitz befindet. Die Einreichung einer Strafanzeige bietet deshalb für das betroffene
Unternehmen insbesondere in Bezug auf die Ermittlung des Sachverhaltes Vorteile. Andererseits darf
nicht ausser Acht gelassen werden, dass ein solches Vorgehen für den fehlbaren Mitarbeiter
erhebliche persönliche wie auch berufliche Konsequenzen hat, führt dies doch unter Umständen zu
seiner strafrechtlichen Verurteilung und Vorbestrafung.
Schadenersatz
Insbesondere im Zusammenhang mit Vermögensdelikten wie Veruntreuung oder Diebstahl stellt sich
auch immer die Frage der Haftung des Mitarbeiters für den verursachten Schaden. Der
entsprechende Schadenersatzanspruch des Arbeitgebers lässt sich dabei auf die arbeitsrechtliche
Haftungsbestimmung von Art. 321e OR sowie auf die allgemeine Haftungsnorm wegen unerlaubter
Handlung gemäss Art. 41 OR abstützen. In der Regel haftet der Mitarbeiter für sämtlichen durch
seine kriminelle Handlung dem Arbeitgeber absichtlich verursachten Schaden. Es liegt dabei am
geschädigten Arbeitgeber, den Schadensnachweis zu erbringen, d.h. die geltend gemachte
Schadenshöhe zu belegen. Wird beispielsweise vom Arbeitgeber geltend gemacht, der Mitarbeiter
habe mehrfach Gelder in der Gesamthöhe von 250 000 Fr. veruntreut, liegt es im Streitfall an ihm,
den Beweis zu erbringen. Bestehen gegenüber dem fehlbaren Mitarbeiter noch offene
Lohnforderungen, kann der Arbeitgeber den ihm durch das deliktische Verhalten absichtlich
zugefügten Schaden gemäss Art. 323b Abs. 2 OR mit den Lohnforderungen in voller Höhe
verrechnen. Dies bietet für den Arbeitgeber den Vorteil, dass sich dadurch unter Umständen die
kostspielige gerichtliche Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen vermeiden lässt.
Arbeitsrecht in der Unternehmung–Teil 20
Thomas M. Meyer
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08.04.2006
30
Arbeitsgesetz beachten
Was regelt das Arbeitsgesetz? Auf welche Betriebe gelangt es zur Anwendung? Wie werden
Verstösse geahndet?
Im Gegensatz zu den arbeitsrechtlichen Bestimmungen des Obligatio-nenrechts (OR) sind die
Vorschriften des Arbeitsgesetzes (ArG) und deren Bedeutung der Allgemeinheit weniger bekannt.
Dies erstaunt, wenn man bedenkt, dass es sich hierbei um ein im Bereich des schweizerischen
Arbeitsrechts wichtiges Gesetz mit einem ausgedehnten Geltungsbereich handelt. In der Folge sollen
einige wichtige Aspekte in den Grundzügen erläutert werden.
Geltungsbereich
Das Arbeitsgesetz mit seinen Verordnungen bezweckt den Schutz der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer. Deshalb erstreckt sich sein Geltungsbereich mit einigen im Gesetz explizit
aufgezählten Ausnahmen grundsätzlich auf alle öffentlichen und privaten Betriebe. In Bezug auf den
Geltungsbereich muss weiter zwischen Betrieben und Personengruppen unterschieden werden, auf
die sämtliche Bestimmungen des Arbeitsgesetzes zur Anwendung gelangen, und solchen, welche
einzig den Vorschriften über den Gesundheitsschutz unterliegen und ansonsten von den
Bestimmungen des Arbeitsgesetzes ausgenommen sind. Letzteres ist beispielsweise bei
Arbeitnehmern, die eine höhere leitende Tätigkeit ausüben, der Fall. Dies hat erhebliche rechtliche
Konsequenzen, unterliegen diese Personen damit insbesondere nicht den strengen Arbeits- und
Ruhezeitbestimmungen des Arbeitsgesetzes. Dabei ist jedoch zu beachten, dass nach der
Gerichtspraxis nur ein sehr eng definierter Kreis von Personen eine höhere leitende Tätigkeit im
Sinne des Arbeitsgesetzes ausübt.
Höchstarbeitszeit pro Woche
Im Rahmen der Arbeits- und Ruhezeitvorschriften schreibt das Arbeitsgesetz wöchentliche
Höchstarbeitszeiten vor, die nur in eingeschränktem Ausmass überschritten werden dürfen. Für
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in industriellen Betrieben sowie für Büropersonal, technische und
andere Angestellte, mit Einschluss des Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels,
beträgt die entsprechende Höchst- arbeitszeit 45 Stunden pro Woche. Für alle anderen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liegt sie bei 50 Wochenstunden.
Wird die wöchentliche Höchstarbeitszeit überschritten, handelt es sich um so genannte «Überzeit»,
die entweder mit Freizeit gleicher Dauer kompensiert oder vom Arbeitgeber mit einem Lohnzuschlag
von 25% ausbezahlt werden muss. Nebst der wöchentlichen Höchstarbeitszeit regelt das
Arbeitsgesetz unter dem Titel Arbeits- und Ruhezeit auch den zulässigen Rahmen der
bewilligungsfreien Tages- und Abendarbeit.
Nacht- und Sonntagsarbeit
Weiter finden sich im Arbeitsgesetz die entsprechenden Regelungen zur Nacht- und Sonntagsarbeit.
Diesbezüglich geht das Arbeitsgesetz grundsätzlich von einem Verbot aus, wobei bei Vorliegen der
entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen von den zuständigen Behörden Bewilligungen für
vorübergehende oder dauernde Nacht- und Sonntagsarbeit gewährt werden können. Schliesslich
regelt das Arbeitsgesetz auch die zu beachtenden täglichen Ruhezeiten und Pausen der
Arbeitnehmer. Das Arbeitsgesetz schreibt beispielsweise vor, dass bei einer täglichen Arbeitszeit von
mehr als sieben Stunden eine Mindestpause von einer halben Stunde zu gewähren ist.
In Bezug auf die Arbeits- und Ruhezeit finden sich noch diverse weitere Vorschriften, so auch
Regelungen zum Pikettdienst und zum ununterbrochenen Betrieb. Da für gewisse Betriebsgruppen
die gesetzlichen Bestimmungen nicht praktikabel sind, enthält die Verordnung 2 zum Arbeitsgesetz
einen ganzen Katalog von Betriebsarten, für die Spezialbestimmungen gelten.
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Sonderschutzvorschriften
Unter dem Titel «Sonderschutzvorschriften» enthält das Arbeitsgesetz wichtige Bestimmungen zum
Schutz jugendlicher Arbeitnehmer, schwangerer Frauen und stillender Mütter sowie von
Arbeitnehmern mit Familienpflichten. Hier findet sich beispielsweise die Regelung, wonach
Schwangere auf blosse Anzeige hin von der Arbeit fernbleiben oder die Arbeit verlassen dürfen. Auch
das Beschäftigungsverbot, wonach Wöchnerinnen während acht Wochen nach der Niederkunft nicht
und danach bis zur 16. Woche nur mit ihrem Einverständnis beschäftigt werden dürfen, findet sich
dort geregelt.
Im Zusammenhang mit dem Gesundheitsschutz bei Mutterschaft ist zudem die Verordnung des
Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements über gefährliche und beschwerliche Arbeiten bei
Schwangerschaft und Mutterschaft zu beachten.
Sanktionen bei Verstössen
Die Zielsetzung des Arbeitsgesetzes besteht darin, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor
gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die mit dem Arbeitsplatz verbunden sind, zu schützen. Die
Einhaltung der entsprechenden Vorschriften wird deshalb durch die zuständigen Behörden von Amtes
wegen kontrolliert. Die Betriebe müssen dabei den Vollzugs- und Aufsichtsbehörden alle Auskünfte
erteilen, die diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. In Bezug auf die Einhaltung der
gesetzlichen Vorschriften über die Arbeits- und Ruhezeit ist dabei insbesondere von Bedeutung, dass
die Betriebe verpflichtet sind, nebst weiteren Angaben insbesondere auch die geleistete tägliche und
wöchentliche Arbeitszeit inklusive Ausgleichs- und Überzeitarbeit zu dokumentieren und solche
Verzeichnisse und andere Unterlagen den Vollzugsbehörden auf deren Wunsch hin herauszugeben.
Werden im Rahmen behördlicher Inspektionen Verstösse entdeckt, kann dies sanktioniert werden.
Wird beispielsweise eine erteilte Arbeitszeitbewilligung nicht eingehalten, kann die
Bewilligungsbehörde nach vorheriger schriftlicher Androhung die Bewilligung aufheben und, wenn die
Verhältnisse dies rechtfertigen, die Erteilung neuer Bewilligungen für eine bestimmte Zeit sperren.
Schliesslich sieht das Arbeitsgesetz für die Verletzung von verschiedenen Vorschriften auch die
strafrechtliche Bestrafung der entsprechenden Arbeitgeber oder Arbeitnehmer vor.
Arbeitsrecht in der Unternehmung?Teil 21
Thomas M. Meyer
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24.06.2006
32
Massenentlassung
Wann liegt eine Massenentlassung vor? Welche Rechte haben die Mitarbeiter und wie muss
vorgegangen werden?
Trotz der derzeitigen guten Wirtschaftslage kommt es leider immer wieder vor, dass Unternehmen
aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sind, im Rahmen von Restrukturierungsmassnahmen einer
Mehrzahl von Beschäftigten zu kündigen. Soweit es sich dabei rechtlich um eine Massenentlassung
handelt, ist der Arbeitgeber zum Schutz der Arbeitnehmerschaft verpflichtet, ein bestimmtes
Verfahren einzuhalten, welches nachfolgend in den Grundzügen dargestellt werden soll.
Anzahl Entlassungen entscheidend
Die Bestimmungen über die Massenentlassung finden sich in den Artikeln 335d - 335g des
schweizerischen Obligationenrechts (OR). Ob eine Massenentlassung im Sinne des Gesetzes
vorliegt, hängt dabei in erster Linie von der Anzahl Kündigungen im Verhältnis zur Betriebsgrösse ab.
In Betrieben, die in der Regel mehr als 20 und weniger als 100 Arbeitnehmer beschäftigen, liegt eine
Massenentlassung vor, wenn mindes-tens 10 Arbeitnehmern gekündigt wird. Bei Betrieben mit 100
bis 300 Mitarbeitern handelt es sich um eine Massenentlassung, wenn mindestens 10% der
Belegschaft davon erfasst sind, und schliesslich liegt die entscheidende Zahl bei Betrieben mit mehr
als 300 Mitarbeitern bei mindestens 30 Kündigungen. Eine Massenentlassung setzt weiter voraus,
dass die betreffende Anzahl von Kündigungen innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen vom
Arbeitgeber ausgesprochen wird und zudem aus Gründen erfolgt, die in keinem Zusammenhang mit
der Person des Arbeitnehmers stehen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich um
Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen handelt. Hingegen fallen Kündigungen ausser Betracht,
die wegen der Leistung oder des Verhaltens des Arbeitnehmers ausgesprochen werden.
Sieht sich beispielsweise ein Betrieb mit 150 Beschäftigten aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen,
innerhalb von 30 Tagen 20 Kündigungen auszusprechen, sind sämtliche Kriterien erfüllt, womit die
strengen Massenentlassungsvorschriften zur Anwendung gelangen.
Pflicht zur Konsultation
Eine Massenentlassung hat für die betroffene Belegschaft erhebliche nachteilige Folgen. Bevor von
Seiten des Arbeitgebers definitiv über eine solche Massnahme entschieden werden darf, besteht
deshalb die gesetzliche Verpflichtung, die Arbeitnehmerschaft rechtzeitig in den
Entscheidungsprozess einzubeziehen und ihr dabei das Recht einzuräumen, Vorschläge zu
unterbreiten, wie die beabsichtigten Kündigungen vermieden oder deren Zahl beschränkt sowie ihre
Folgen gemildert werden können.
Sofern im Betrieb eine Arbeitnehmervertretung besteht, ist diese der entsprechende Ansprechpartner,
andernfalls sind die einzelnen Arbeitnehmer zu konsultieren. Der Arbeitgeber ist dabei verpflichtet,
alle zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und schriftlich insbesondere über die Gründe der
Massenentlassung, die Zahl der beabsichtigten Kündigungen und den Zeitraum, in dem die
Kündigungen ausgesprochen werden sollen, zu informieren.
Das Gesetz regelt leider nicht genau, in welchem Zeitpunkt diese Konsultation stattfinden muss.
Entscheidend ist jedoch, dass die Arbeitnehmerschaft auf die Entscheidfindung des Arbeitgebers
noch einwirken kann. Unzulässig wäre es deshalb, wenn die Konsultation erst nach der definitiven
Beschlussfassung oder gar erst nach dem Aussprechen der Kündigungen erfolgt. Im Weiteren ist
umstritten, wie weit das Konsultationsrecht der Mitarbeiter geht. Diesbezüglich ist davon auszugehen,
dass den Arbeitgeber mindestens die Pflicht trifft, sich mit den Vorschlägen der Arbeitnehmer
ernsthaft auseinanderzusetzen und mit ihnen in einen Dialog zu treten. Hingegen besteht keine
33
Verpflichtung, die Ablehnung von Vorschlägen zu begründen. Wichtig ist, dass im Rahmen des
Konsultationsverfahrens der Arbeitnehmerschaft eine genügend lange Frist eingeräumt wird.
Arbeitsamt einbeziehen
Eine Massenentlassung hat nicht nur für die betroffenen Mitarbeiter, sondern auch für das
Gemeinwesen erhebliche Konsequenzen. Wie zum Beispiel beim Grounding der Swissair führt eine
Vielzahl von Kündigungen innerhalb eines kurzen Zeitraums zu einer erheblichen Belastung des
Arbeitsmarktes. Aus diesem Grund sieht das Gesetz ausdrücklich vor, dass der Arbeitgeber dem
kantonalen Arbeitsamt jede beabsichtigte Massenentlassung schriftlich anzeigen muss. Die
schriftliche Mitteilung an das kantonale Arbeitsamt muss dabei alle zweckdienlichen Angaben über
die beabsichtigte Massenentlassung und zudem die Ergebnisse der Mitarbeiterkonsultation enthalten.
Die Aufgabe des kantonalen Arbeitsamtes besteht in der Folge darin, nach Lösungen für die
Probleme zu suchen, welche die beabsichtigte Massenentlassung aufwirft.
Sanktionen bei Verstoss
Liegt eine Massenentlassung vor und werden die entsprechenden Vorschriften nicht eingehalten, hat
dies erhebliche Folgen für den fehlbaren Arbeitgeber. Denn gemäss Art. 336 Abs. 2 lit. c OR ist jede
Kündigung missbräuchlich, die im Rahmen einer Massenentlassung erfolgt, ohne dass die
Arbeitnehmervertretung oder, falls es keine solche gibt, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
konsultiert worden sind. Verletzt der Arbeitgeber das Konsultationsrecht seiner Mitarbeiter, führt dies
folglich dazu, dass jeder der betroffenen Mitarbeiter, der rechtzeitig Einsprache gegen seine
Kündigung erhebt, Anspruch auf eine Entschädigung in der Höhe von maximal zwei Monatslöhnen
hat.
Im Weiteren ist zu beachten, dass ein Arbeitsverhältnis, welches im Rahmen einer Massenentlassung
gekündigt wurde, gemäss Art. 335g Abs. 4 OR erst 30 Tage nach der Anzeige der beabsichtigten
Massenentlassung an das kantonale Arbeitsamt endet, ausser wenn die Kündigung nach den
vertraglichen oder gesetzlichen Bestimmungen auf einen späteren Termin wirksam wird. Wird
beispielsweise einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter am 30. Juni mit einmonatiger
Kündigungsfrist auf den 31. Juli gekündigt und die Massenentlassung dem kantonalen Arbeitsamt
erst am 15. Juli angezeigt, ist die Kündigung erst auf den 15. August wirksam.
Arbeitsrecht in der Unternehmung–Teil 24
Thomas M. Meyer
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25.11.2006
34
Arbeitsvertrag - Schriftlichkeit erforderlich
In welcher Form muss ein Arbeitsvertrag abgeschlossen werden? Was bringt der neue Artikel
330b OR bezüglich der Schriftlichkeit eines Arbeitsvertrags? Von Thomas M. Meyer
In der Regel erfolgt die Anstellung eines Mitarbeiters in der Form, dass im Anschluss an das
Auswahlverfahren dem ausgewählten Kandidaten ein schriftlicher Arbeitsvertrag zugestellt wird, mit
der Aufforderung, diesen unterzeichnet zu retournieren. Ist der zukünftige Mitarbeiter mit den im
Arbeitsvertrag enthaltenen Konditionen einverstanden, kommt er dieser Aufforderung nach. Dieser
Vorgang stellt den Idealfall dar, da dank des von beiden Parteien unterzeichneten, schriftlichen
Arbeitsvertrages eine klare Vertragsgrundlage geschaffen wird. Leider kommt es jedoch immer
wieder vor, dass die Parteien vor Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses keinen schriftlichen
Arbeitsvertrag miteinander abschliessen, geschweige denn sich überhaupt über den wesentlichen
Vertragsinhalt wie die Lohnhöhe oder die massgebliche Arbeitsdauer aussprechen.
Formvorschriften
Art. 320 Abs. 1 des schweizerischen Obligationenrechts (OR) schreibt vor, dass der
Einzelarbeitsvertrag zu seiner Gültigkeit keiner besonderen Form bedarf, sofern das Gesetz nichts
anders bestimmt. Da das OR nur für den Lehrvertrag und den Handelsreisendenvertrag gewisse
Formvorschriften vorsieht, können alle anderen Arbeitsverträge demnach auch nur mündlich
abgeschlossen werden. Es liegt somit im freien Ermessen der Parteien, ob sie vor Aufnahme des
Arbeitsverhältnisses einen schriftlichen Arbeitsvertrag miteinander abschliessen oder ob der
Mitarbeiter basierend auf einer mündlichen Übereinkunft seine Arbeit aufnimmt. Wird kein schriftlicher
Arbeitsvertrag abgeschlossen, birgt dies jedoch ein erhebliches Risiko, da sich die von den Parteien
mündlich vereinbarten Vertragspunkte im Streitfall äusserst schwierig beweisen lassen.
Beweislast im Gerichtsverfahren
Macht beispielsweise der Mitarbeiter in der Folge geltend, es sei ihm ein Bruttomonatslohn von 6 000
Franken versprochen worden, muss er dies vor Gericht auch beweisen können. Mangels eines
schriftlichen Arbeitsvertrages wäre der Mitarbeiter darauf angewiesen, dass andere Personen als
Zeugen bestätigen können, dass die Parteien tatsächlich mündlich einen entsprechenden Monatslohn
vereinbart haben, ansonsten seine Klage abgewiesen wird. Hinsichtlich der Lohnhöhe gilt es im
Übrigen zu beachten, dass gemäss Art. 322 OR der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Lohn zu
entrichten hat, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeits- oder Gesamtarbeitsvertrag
bestimmt ist. Soweit für das betreffende Arbeitsverhältnis kein Normalarbeits- oder
Gesamtarbeitsvertrag mit vorgeschriebenen Mindestlöhnen besteht und eine vom Mitarbeiter geltend
gemachte mündlich vereinbarte Lohnübereinkunft nicht bewiesen werden kann, wird das Gericht
somit auf den üblichen Lohn abstellen. Dabei ist für die Lohnhöhe massgebend, welcher Lohn
normalerweise in der betreffenden Region und Branche für vergleichbare Tätigkeiten bezahlt wird,
wobei die persönliche Situation des Mitarbeiters mitzuberücksichtigen ist.
Neuer Artikel 330b OR
Mit der Ausdehnung des Personenfreizügigkeitsabkommens auf die neuen EU-Staaten und den damit
verbundenen verschärften flankierenden Massnahmen hat das Stimmvolk am 25. September 2005
auch dem neuen Artikel 330b OR zugestimmt. Dieser schreibt vor, dass der Arbeitgeber spätestens
einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses den Arbeitnehmer über die folgenden Punkte
schriftlich informieren muss, sofern das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit oder für mehr als
einen Monat eingegangen wird: Die Namen der Vertragsparteien, das Datum des Beginns des
Arbeitsverhältnisses, die Funktion des Arbeitnehmers, den Lohn samt Lohnzuschlägen und die
wöchentliche Arbeitszeit.
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Weiter verlangt Art. 330b OR, dass Änderungen dieser Vertragselemente während des
Arbeitsverhältnisses spätestens einen Monat nachdem sie wirksam geworden sind, dem
Arbeitnehmer wiederum schriftlich mitzuteilen sind. Zweck dieser neuen Bestimmung ist die bessere
Information der Arbeitnehmer und der Kontrollorgane. Der neue Art. 330b OR führt indirekt dazu,
dass für sämtliche Arbeitsverträge inskünftig eine gewisse Schriftlichkeit verlangt wird. Wie jedoch
den Erläuterungen des Bundesrates zu dieser neuen Bestimmung entnommen werden kann, wird die
vorgeschriebene Informationspflicht auch durch die Übergabe von einem oder mehreren Dokumenten
erfüllt, sofern darin die verlangten Vertragselemente gesamthaft enthalten sind und sie dem
Mitarbeiter innert Monatsfrist ab Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgehändigt werden. So muss der
vereinbarte Monatslohn nicht zwingend in einem schriftlichen Arbeitsvertrag festgehalten werden,
sondern es genügt, wenn dieser auf der ersten dem Mitarbeiter ausgehändigten Lohnabrechnung
aufgeführt ist. Der Art. 330b OR tritt voraussichtlich auf den 1. Januar 2006 in Kraft.
Weitere Vorschriften
Das OR sieht für die Gültigkeit von bestimmten Vertragsklauseln vor, dass diese zwingend schriftlich
abgeschlossen werden müssen. Soll beispielsweise der Arbeitsvertrag eine Abrede enthalten,
wonach der Mitarbeiter bei Leistung von Überstunden keinen Entschädigungsanspruch hat, ist eine
solche Bestimmung gemäss Art. 321c OR nur gültig, wenn sie schriftlich zwischen den Parteien
abgeschlossen wurde. Auch für den Lehrvertrag zwischen dem Arbeitgeber und dem Lehrling sieht
das Gesetz ausdrücklich vor, dass dieser zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form bedarf.
Schliesslich verlangt das Gesetz auch beim Handelsreisendenvertrag Schriftlichkeit, doch hat eine
Zuwiderhandlung nicht die Ungültigkeit des Vertrages zur Folge.
Das Gesetz räumt den Vertragsparteien einen erheblichen Gestaltungsspielraum beim Abschluss von
Arbeitsverträgen ein. Zum Schutz der Arbeitnehmer darf jedoch von diversen arbeitsrechtlichen
Bestimmungen des OR entweder gar nicht oder nur zu Gunsten der Mitarbeiter vertraglich
abgewichen werden. Schliesslich ist immer auch zu prüfen, ob keine anderen zwingenden
gesetzlichen Bestimmungen wie solche des Arbeitsgesetzes oder ein Gesamtarbeitsvertrag die
Vertragsfreiheit der Parteien einschränken.
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Das Konkurrenzverbot
Welches sind die Vorraussetzungen eines arbeitsvertraglichen Konkurrenzverbotes? Lässt es
sich immer durchsetzen? Von Thomas M. Meyer
Das arbeitsvertragliche Konkurrenzverbot ist in den Artikeln 340-340c des Obligationenrechts (OR)
geregelt. Durch das Konkurrenzverbot verhindert der Arbeitgeber, dass der austretende Arbeitnehmer
Spezialkenntnisse, die er während des Arbeitsverhältnisses im Betrieb erlangt hat, nach seinem
Austritt in einer Art verwendet, die den alten Arbeitgeber konkurrenziert.
Zur Verschwiegenheit verpflichtet
Während des Arbeitsverhältnisses gehört es zu der in Art. 321a OR statuierten Treuepflicht, dass der
Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber nicht konkurrenziert. Ein Verstoss gegen dieses Gebot kann unter
Umständen sogar die fristlose Kündigung zur Folge haben. Aber auch nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitnehmer gestützt auf seine nachwirkende Treuepflicht zur
Verschwiegenheit hinsichtlich der Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse, die er beim Arbeitgeber
zur Kenntnis genommen hat, verpflichtet, soweit es zur Wahrung der berechtigten Interessen des
Arbeitgebers erforderlich ist. Das gilt auch ohne Vereinbarung eines Konkurrenzverbotes.
Soweit kein Konkurrenzverbot vereinbart wurde, hat der Arbeitnehmer aber das Recht, nach
Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine konkurrenzierende Tätigkeit aufzunehmen. Dies lässt sich
durch die Vereinbarung eines Konkurrenzverbotes verhindern, wobei jedoch die folgenden
Voraussetzungen erfüllt sein müssen.
Schriftlichkeit als Muss
Das Gesetz verlangt für die Vereinbarung eines gültigen Konkurrenzverbotes die Schriftform. Die
Schutzfunktion der Schriftform erfordert es, dass in der Konkurrenzverbotsabrede alle Elemente der
Verpflichtung festgehalten sind. Es muss demgemäss aus- drücklich darin umschrieben werden, auf
welche Dauer, für welches geografische Gebiet und welche konkurrenzierende Tätigkeiten das
Konkurrenzverbot gilt, und welche Sanktionen eine allfällige Übertretung des Konkurrenzverbotes
nach sich ziehen kann. Nicht ausreichend für die Gültigkeit des Konkurrenzverbotes ist der Verweis
im unterschriebenen Arbeitsvertrag auf eine im Mitarbeiterhandbuch enthaltene
Konkurrenzverbotsklausel, desgleichen der Verweis auf eine Betriebsordnung oder ein allgemeines
Reglement.
Einblick in Geschäftsgeheimnisse
Die wichtigste Voraussetzung besteht darin, dass ein vereinbartes Konkurrenzverbot nur dann
verbindlich ist, wenn das Arbeitsverhältnis dem Arbeitnehmer tatsächlich Einblick in den Kundenkreis
oder in Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse gewährt und die Verwendung dieser Kenntnisse den
Arbeitgeber erheblich schädigen könnte. So wurde beispielsweise der Einblick in den Kundenkreis
bejaht für einen Autoverkäufer, für den Angestellten eines Radio- und TV-Geschäfts sowie für einen
Handelsreisenden. Mangels geheimzuhaltender Tatsachen verweigerte hingegen das Bundesgericht
einem Fussballclub den Schutz des Konkur-renzverbotes, welches der Club einem seiner ProfiFussballer auferlegt hatte.
Örtlich, zeitlich, inhaltlich
Das Konkurrenzverbot ist nach Ort, Zeit und Gegenstand zu begrenzen, so dass eine unbillige
Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens der Arbeitnehmerin und des Arbeitnehmers
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ausgeschlossen ist. In örtlicher Hinsicht darf deshalb das Konkurrenzverbot nicht weiter gehen, als
die Geschäftsbeziehungen des Arbeitgebers effektiv reichen. So wäre es beispielsweise unzulässig,
einem Optiker ein schweizweites Konkurrenzverbot aufzuerlegen, da die Geschäftsbeziehungen
eines Optikergeschäftes in der Regel nicht so weit reichen.
Für die zeitliche Dauer des Konkurrenzverbotes ist entscheidend, bis zu welchem Zeitpunkt ein
berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Aufrechterhaltung des Konkurrenzverbotes besteht. In
den meisten Fällen erscheint die Dauer von rund sechs bis zwölf Monaten angemessen. Das Gesetz
schreibt vor, dass die Dauer von drei Jahren nur in Ausnahmefällen überschritten werden darf. Der
Arbeitgeber darf austretenden Mitarbeitern nicht beliebige Tätigkeiten verbieten, sondern nur die ihn
konkurrenzierenden. Das Konkurrenzverbot muss sich inhaltlich stets im Geschäftsbereich des
Arbeitgebers bewegen.
Folgen der Verletzung
Was sind die Folgen, wenn ein Arbeitnehmer gegen ein gültiges Konkurrenzverbot verstösst?
Gemäss Art. 340b OR muss der Arbeitnehmer den dem Arbeitgeber entstandenen Schaden ersetzen.
In den meisten Fällen wird für den Fall der Übertretung des Konkurrenzverbotes eine
Konventionalstrafe vereinbart. Dies hat für den Arbeitgeber den Vorteil, dass er den durch die
Verletzung des Konkurrenzverbotes entstandenen Schaden nicht beweisen muss. Sofern die
vereinbarte Konventionalstrafe übermässig hoch angesetzt wurde, kann das Gericht diese nach
eigenem Ermessen herabsetzen.
Von diesem Recht machen die Gerichte grossen Gebrauch, wobei häufig eine Konventionalstrafe von
rund zwei bis vier Monatslöhnen als angemessen erachtet wird. Zusätzlich zum Schadenersatz
beziehungsweise der Konventionalstrafe besteht nur dann ein Anspruch auf effektive Beseitigung der
konkurrenzierenden Tätigkeit, sofern dieses Recht ausdrücklich schriftlich vereinbart wurde und das
Interesse des Arbeitgebers an der Einhaltung des Konkurrenzverbotes aussergewöhnlich bedeutsam
sowie das Verhalten des Arbeitnehmers äusserst treuwidrig ist.
Hinfälligkeit des Konkurrenzverbots
Schliesslich gilt es zu beachten, dass ein vereinbartes Konkurrenzverbot dahin fällt, wenn der
Arbeitgeber kein erhebliches Interesse mehr an dessen Aufrechterhaltung hat, so beispielsweise,
wenn er den Geschäftszweig aufgibt, in den der Arbeitnehmer Einblick nehmen konnte. Weiter fällt
das Konkurrenzverbot dahin, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt, ohne dass ihm der
Arbeitnehmer dazu begründeten Anlass gegeben hat, oder wenn es dieser aus einem begründeten,
vom Arbeitgeber zu verantwortenden Anlass auflöst. Wird das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber aus
wirtschaftlichen Gründen aufgelöst, fällt folglich auch das Konkurrenzverbot dahin.
38
Kündigung zur Unzeit
Wann ist es dem Arbeitgeber verboten, das Arbeitsverhältnis zu kündigen? Welches sind die
Konsequenzen einer zur falschen Zeit erfolgten Kündigung? Von Thomas M. Meyer
Im Zusammenhang mit der Kündigung von Mitarbeitenden gilt es zu beachten, dass Art. 336c des
schweizerischen Obligationenrechts Kündigungsschutzvorschriften enthält, die das Recht des
Arbeitgebers zur Auflösung eines Arbeitsverhältnisses aus zeitlicher Sicht beschränken. Es handelt
sich hierbei um so genannte «Sperrfristen», während deren Dauer der Arbeitgeber keine Kündigung
aussprechen darf bzw. eine bereits laufende Kündigungsfrist unterbrochen wird. Im Folgenden sollen
die wichtigsten Punkte in den Grundzügen dargestellt werden.
Militärdienst und Krankheit
Gemäss Gesetz besteht ein Kündigungsschutz in der Zeit, in welcher der Mitarbeiter schweizerischen
obligatorischen Militär-, Schutz- oder schweizerischen Zivildienst leistet. Sofern ein solcher Dienst
mehr als elf Tage dauert, erstreckt sich der Kündigungsschutz auf den Zeitraum von vier Wochen vor
und nach dem Dienst. Ein Mitarbeiter, der die Rekrutenschule besucht oder einen dreiwöchigen
Wiederholungskurs absolviert, ist somit während vier Wochen vor Dienstbeginn sowie bis vier
Wochen nach Dienstende vor einer Kündigung geschützt.
Der Arbeitgeber darf keine Kündigung aussprechen, während der Mitarbeiter ohne eigenes
Verschulden durch Krankheit oder Unfall ganz oder teilweise an der Arbeitsleistung verhindert ist, und
zwar im ersten Dienstjahr während 30 Tagen, ab zweitem bis und mit fünftem Dienstjahr während 90
Tagen und ab sechstem Dienstjahr während 180 Tagen. Die Dauer des Kündigungsschutzes
bestimmt sich folglich nach der Anzahl Dienstjahre. Ein Mitarbeiter, der beispielsweise am 1. Januar
2001 seine Stelle angetreten hat und ab 5. Februar 2004 infolge einer Krankheit bis 28. Juli 2004
arbeitsunfähig ist, befindet sich somit in diesem Zeitpunkt im 4. Dienstjahr. Folglich besteht ein
Kündigungsschutz von 90 Tagen, berechnet ab dem Zeitpunkt des Beginns der Arbeitsunfähigkeit.
Da diese am 5. Februar 2004 eintrat, endet die Sperrfrist von 90 Tagen am 4. Mai 2004. Obwohl der
Mitarbeiter weiterhin bis zum 28. Juli 2004 krankgeschrieben ist, ändert dies nichts daran, dass der
Mitarbeiter ab dem 5. Mai 2004 infolge Ablaufs der Sperrfrist keinen Kündigungsschutz mehr geniesst
und somit ab diesem Zeitpunkt eine Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist
durch den Arbeitgeber zulässig ist. Der Kündigungsschutz bei Krankheit oder Unfall besteht auch
dann, wenn der Mitarbeiter nicht zu 100 %, sondern in einem geringeren Ausmass arbeitsunfähig
geschrieben ist.
Schwangerschaft
Auch eine schwangere Mitarbeiterin geniesst einen zeitlichen Kündigungsschutz. Dies für die Dauer
der gesamten Schwangerschaft sowie bis 16 Wochen nach der Geburt des Kindes. Eine Kündigung
durch den Arbeitgeber hat folglich entweder vor Beginn der Schwangerschaft zu erfolgen oder der
Arbeitgeber muss die gesamte Schwangerschaftsdauer sowie weitere 16 Wochen ab Niederkunft
abwarten, bis er eine Kündigung aussprechen darf.
Unterbrochene Kündigungsfrist
Eine während der genannten Sperrfristen ausgesprochene Kündigung ist nichtig. Dies bedeutet, dass
sie rechtlich keinerlei Wirkung entfaltet und als nichtexistent betrachtet wird. Eine während einer
Schwangerschaft ausgesprochene Kündigung hat für die Mitarbeiterin keinerlei Bedeutung. Der
Arbeitgeber, der an der Kündigung festhält, muss deshalb nach Ablauf der Sperrfrist eine neue
Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist aussprechen, ansonsten das
Arbeitsverhältnis weiterhin als ungekündigt gilt. Wird eine Kündigung vor Beginn der Sperrfrist
39
ausgesprochen und ist die Kündigungsfrist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen, so wird deren
Lauf unterbrochen und erst nach Ablauf der Sperrfrist fortgesetzt. Wird beispielsweise einem
Mitarbeiter gekündigt und ist dieser in der Folge ab dem nächsten Tag krankgeschrieben, so hat die
ausgesprochene Kündigung trotzdem Gültigkeit, da der Mitarbeiter in jenem Zeitpunkt noch gesund
war. Die in der Folge eingetretene Krankheit führt jedoch dazu, dass die mit der Kündigung zu laufen
beginnende Kündigungsfrist unterbrochen wird und erst nach Ablauf der Sperrfrist weiterläuft. Ist der
gekündigte, nachträglich krank gewordene Mitarbeiter beispielsweise im ersten Dienstjahr, wird die
Kündigungsfrist maximal um die Dauer der 30-tägigen Sperrfrist unterbrochen und läuft danach
weiter. Diesbezüglich muss eine weitere Regel beachtet werden: Gilt für die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses ein Endtermin wie das Ende eines Monates oder einer Arbeitswoche und fällt
dieser Endtermin nicht mit dem Ende der infolge der Unterbrechung verlängerten Kündigungsfrist
zusammen, verlängert sich Letztere bis zum nachfolgenden Endtermin. Wurde beispielsweise einem
Mitarbeiter am 17. Januar 2004 unter Einhaltung der zweimonatigen Kündigungsfrist auf Ende März
gekündigt und ist der Mitarbeiter in der Folge vom 1. bis 20. Februar krankheitsbedingt arbeitsunfähig,
hat dies zur Folge, dass sich die Kündigungsfrist um diese 20 Absenztage bis zum 20. April 2004
verlängern würde. Da jedoch das Arbeitsverhältnis nur jeweils auf Ende Monat aufgelöst werden
kann, führt dies im konkreten Fall dazu, dass sich die Kündigungsfrist sogar bis Ende April 2004
verlängert.
Kündigungen in der Probezeit
Der zeitliche Kündigungsschutz erlangt erst nach Ablauf der Probezeit Geltung. Während der
Probezeit kann die Kündigung jederzeit ausgesprochen werden, da die Sperrfristen nicht zur
Anwendung kommen. Im Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die genannten Sperrfristen nur bei
Kündigung durch den Arbeitgeber Anwendung finden. Sofern der Mitarbeiter von sich aus kündigt und
daraufhin krank wird, führt dies nicht zu einer Verlängerung der Kündigungsfrist. Dies gilt auch für den
Fall, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung, sondern durch eine Aufhebungsvereinbarung
aufgelöst wird. Auch eine fristlose Kündigung ist immer zulässig, sofern die hierfür erforderlichen
Voraussetzungen erfüllt sind. Schliesslich muss immer auch beachtet werden, dass die Frage des
zeitlichen Kündigungsschutzes von der Frage der Dauer der Lohnfortzahlung unterschieden wird.
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Missbräuchlich kündigen
In welchen Fällen ist eine Kündigung missbräuchlich? Welches sind die Folgen davon und wer
trägt die Beweislat im Prozessfall? Von Thomas M. Meyer
Gerade die derzeitige angespannte Arbeitsmarktsituation führt vermehrt dazu, dass nach der
Entlassung eines Mitarbeiters darüber gestritten wird, ob die ausgesprochene Kündigung rechtlich
zulässig war. Dabei wird oftmals von einem falschen Rechtsverständnis ausgegangen, in der
Annahme, der Arbeitgeber sei nur dann berechtigt, eine ordentliche Kündigung auszusprechen,
sofern er hierfür bestimmte Gründe geltend machen könne.
Kündigungsfreiheit
Das schweizerische Arbeitsrecht geht vom Prinzip der Kündigungsfreiheit aus. Dies bedeutet, dass
der Arbeitgeber für eine ordentliche Kündigung grundsätzlich keiner besonderen Gründe bedarf. Mit
anderen Worten ist eine ordentliche Kündigung immer dann rechtmässig, als sie nicht aus einem
unzulässigen Grund ausgesprochen wird. Die Gründe, welche eine Kündigung unzulässig und somit
missbräuchlich machen, sind in Art. 336 des schweizerischen Obligationenrechts geregelt. Die darin
enthaltene Auflistung ist jedoch nicht umfassend, sondern die Rechtsprechung anerkennt weitere
Fälle von Missbräuchlichkeit. Nachfolgend sollen einige der Missbrauchstatbestände kurz dargestellt
werden.
Eine Kündigung ist immer dann missbräuchlich, wenn sie wegen einer persönlichen Eigenschaft der
gekündigten Partei ausgesprochen wird, sofern diese Eigenschaft nicht in einem Zusammenhang mit
dem Arbeitsverhältnis steht oder die Zusammenarbeit im Betrieb massgeblich beeinträchtigt. Wird
einem Mitarbeiter wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität oder Homosexualität gekündigt, liegt
darin ein unzulässiger Kündigungsgrund. Im Weiteren ist eine Kündigung auch dann unzulässig,
wenn sie erfolgt, weil der Mitarbeiter ein verfassungsmässiges Recht ausübt und die Zusammenarbeit
im Betrieb dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt wird. So wurde beispielsweise die Kündigung einer
Mitarbeiterin, die aus religiösen Gründen bei der Arbeit ein Kopftuch trug und deswegen entlassen
wurde, infolge Verletzung ihrer Religionsfreiheit als missbräuchlich beurteilt.
Rachekündigung
Eine Kündigung ist auch dann missbräuchlich, wenn sie der Arbeitgeber ausspricht, um dadurch
allein die Entstehung von Ansprüchendes Mitarbeiters aus dem Arbeitsverhältnis zu vereiteln.
Demzufolge wäre es beispielsweise unzulässig, eine Kündigung kurz vor dem Termin
auszusprechen, an welchem dem Mitarbeiter eine Gratifikation oder ein Dienstaltersgeschenk
ausbezahlt
werden müsste. Der Mitarbeiter, der dadurch um seine Ansprüche gebracht wird, kann sich diesfalls
auf die Missbräuchlichkeit berufen. Eine weitere Form von Missbräuchlichkeit besteht in der
Rachekündigung. Eine solche liegt vor, wenn der Arbeitgeber die Kündigung aus dem Grund
ausspricht, weil der Mitarbeiter nach Treu und Glauben ihm zustehende Ansprüche aus dem
Arbeitsverhältnis geltend macht. Als Rachekündigung wurde beispielsweise die Kündigung eines
Mitarbeiters eingestuft, die ausgesprochen worden war, nachdem er die betreffende Gewerkschaft mit
der Wahrung seiner Interessen beauftragt hatte. Ebenfalls als Rachekündigung wurde die gegenüber
einem Mitarbeiter ausgesprochene Kündigung beurteilt, die erfolgte, nachdem sich der Mitarbeiter
dagegen zur Wehr gesetzt hatte, dass er zum wiederholten Mal auf geplante Ferien hätte verzichten
sollen.
Änderungskündigung
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Auch im Zusammenhang mit Änderungskündigungen stellt sich die Frage der Missbräuchlichkeit.
Eine Änderungskündigung liegt vor, wenn eine Partei den Arbeitsvertrag kündigt, aber gleichzeitig
eine neue Vertragsofferte mit geänderten Bedingungen unterbreitet. Die bundesgerichtliche
Rechtsprechung geht davon aus, dass ein Missbrauch des Kündigungsrechts dann vorliegt, wenn
eine ungerechtfertigte Änderung der Lohn- und Arbeitsbedingungen durchge-setzt werden soll, für die
weder betriebliche noch marktbedingte Gründe bestehen und die Kündigung als Druckmittel dient, um
den Mitarbeiter zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen. Im Weiteren muss zwecks Vermeidung
von Missbräuchlichkeit im Zusammenhang mit Änderungskündigungen darauf geachtet werden, dass
die neue Vertragsofferte erst nach Ablauf der Kündigungsfrist Kraft tritt.
Beweislast
Es liegt an der gekündigten Partei, die missbräuchliche Kündigung zu beweisen. Der entlassene
Mitarbeiter muss demnach den Beweis erbringen, dass der Kündigung ein missbräuchliches Motiv
zugrund liegt. Diese Beweiserbringung ist in der Regel sehr schwierig, obwohl der Mitarbeiter einen
Anspruch darauf hat, dass der Arbeitgeber die Kündigung auf sein Verlangen hin schriftlich
begründet. Nennt nämlich der Arbeitgeber einen anderen Kündigungsgrund, als er vom gekündigten
Mitarbeiter behauptet wird, muss der Mitarbeiter beweisen, dass es sich beim angegebenen
Kündigungsgrund nur um einen vorgeschobenen, unwahren Grund handelt. Angesichts der
Schwierigkeit, diesen Beweis zu erbringen, lässt die Rechtsprechung diesbezüglich eine hohe
Wahrscheinlichkeit genügen. Wurde beispiels- weise dem Mitarbeiter gemäss Kündigungsschreiben
«aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt, behauptet letzterer jedoch, dass es sich hierbei in Tat und
Wahrheit um eine Rachekündigung gehandelt habe, da kürzlich Überstundenforderungen geltend
machte, muss der Mitarbeiter mittels Zeugen, Schriftstücken oder anderen Beweismitteln seine
Behauptung beweisen. Selbst wenn sich herausstellt, dass die Kündigung missbräuchlich erfolgte,
hat der Mitarbeiter keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Sein Anspruch erschöpft sich in einer
finanziellen Entschädigung, die vom Gericht unter Würdigung aller Umstände festgesetzt wird und
maximal sechs Monatslöhnen entspricht.
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Freistellen ohne Streit
Was ist unter einer Freistellung zu verstehen? Welche Rechte und Pflichten sind damit
verbunden? Eine klare schriftliche Freistellungserklärung hilft, Streitigkeiten zu verhindern.
Von Thomas M. Meyer
Im Zusammenhang mit der Kündigung von Mitarbeitenden kommt es relativ häufig vor, dass der
Arbeitgeber gleichzeitig mit der Kündigung den gekündigten Mitarbeiter für die Dauer der
Kündigungsfrist von der weiteren Arbeitsleistung freistellt. Eine solche Freistellung wird insbesondere
dann ausgesprochen, wenn der Arbeitgeber davon ausgeht, dass ein weiteres Tätigwerden des
gekündigten Mitarbeiters bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ein Risiko darstellt. Dies ist
beispielsweise dann der Fall, wenn der Arbeitgeber damit rechnet, der durch die Kündigung
gekränkte Mitarbeiter könne versuchen, den Betrieb während der Kündigungsfrist noch zu schädigen.
Aber nicht nur in solchen Fällen wird eine Freistellung ausgesprochen. Insbesondere bei leitenden
Angestellten ist die gleichzeitig mit einer Kündigung verbundene Freistellung schon beinahe zur
Regel geworden.
Gesetzliche Regelung
Obwohl der Freistellung in der Praxis eine grosse Bedeutung zukommt, findet man im Gesetz keine
entsprechende Regelung. Die Gerichtspraxis hat diesbezüglich jedoch die folgenden Regeln
entwickelt, die im Rahmen einer Freistellung zu beachten sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass
Freistellungen meistens im Zusammenhang mit Kündigungen ausgesprochen werden, dies jedoch
nicht zwingend der Fall sein muss. Wird ein Mitarbeiter für eine gewisse Zeitdauer von der Arbeit
suspendiert und wird das Arbeitsverhältnis in der Folge fortgesetzt, handelt es sich rechtlich ebenfalls
um eine Freistellung. Denn Letztere zeichnet sich dadurch aus, dass der Arbeitgeber einseitig auf die
Arbeitsleistung des Mitarbeiters verzichtet, ohne dass er jedoch seinerseits von der Einhaltung seiner
vertraglichen Verpflichtungen entbunden ist. Dementsprechend ist der Arbeitgeber auch verpflichtet,
dem freigestellten Mitarbeiter den Lohn vertragskonform weiterzubezahlen, darf die Freistellung doch
nicht zum Nachteil des freigestellten Mitarbeiters gereichen. Dieser hat somit Anspruch darauf, dass
er während der Freistellung finanziell in gleicher Weise weiter entlöhnt wird, wie wenn er seine
Arbeitsleistung erbringen würde. Dieser Grundsatz ist insbesondere dort von Bedeutung, wo dem
Mitarbeiter nebst einem Fixlohn ein zusätzlicher variabler Lohnanspruch zusteht.
Ein Aussendienstmitarbeiter, dessen Salär sich aus einem Fixum und einer Provision
zusammensetzt, hat folglich auch nach einer Freistellung Anspruch darauf, dass ihm während der
Freistellungsdauer sowohl das Fixum als auch die Provision ausgerichtet werden. Die Provisionshöhe
berechnet sich dabei nach der vor der Freistellung durchschnittlich erzielten Provision.
Ein freigestellter Mitarbeiter hat aber auch Anspruch darauf, dass er weiterhin in den Genuss
allfälliger anderer Lohnbestandteile kommt. Wurde dem Mitarbeiter vertraglich das Recht eingeräumt,
das Geschäftsfahrzeug auch privat nutzen zu dürfen, besteht dieser Anspruch auch nach einer
Freistellung weiter, sofern vertraglich nichts anderes explizit geregelt worden ist.
Freistellung und Ferien
Häufig wird gleichzeitig mit der Freistellung angeordnet, dass dadurch sämtliche noch bestehenden
Ferienansprüche des Mitarbeiters abgegolten sind. Damit soll erreicht werden, dass der Mitarbeiter
während der Freistellung noch alle Ferientage bezieht und der Arbeitgeber bei Beendigung des
Arbeitsverhältnisses dem Mitarbeiter folglich kein Restferienguthaben ausbezahlen muss.
Diesbezüglich ist jedoch folgende Regel zu beachten: Die Gerichtspraxis lässt eine vollständige
Abgeltung des Restferienguthabens mittels Freistellung nur zu, sofern die Freistellungsdauer den
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Restferienanspruch des Mitarbeiters erheblich übersteigt. Damit soll sichergestellt werden, dass der
Mitarbeiter nebst dem effektiven Ferienbezug während der Freistellung zusätzlich genügend Zeit für
die Stellensuche hat. Beträgt die Freistellungsdauer z. B. drei Monate und hat der Mitarbeiter bis zum
Ablauf des Arbeitsverhältnisses noch einen Gesamtferienanspruch von 15 Tagen, dürfen sämtliche
dieser Ferientage mittels Freistellung abgegolten werden. Eine vollständige Abgeltung wäre jedoch
unzulässig bei einer Freistellungsdauer von nur einem Monat, da diesfalls die Freistellungsdauer die
Höhe des Restferienanspruch nur unerheblich übersteigt.
Anrechnung von Verdiensten
Der freigestellte Mitarbeiter darf in der Regel schon vor Ablauf der Kündigungsfrist eine neue Stelle
antreten, sofern nichts anderes bestimmt wurde. Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bleibt er aber
insbesondere an seine arbeitsrechtliche Treuepflicht gebunden. Dementsprechend darf er an der
neuen Stelle nicht konkurrenzierend tätig sein oder dem bisherigen Arbeitgeber auf andere Weise
Schaden zufügen. Sofern der Mitarbeiter vor Ablauf der Kündigungsfrist eine neue Stelle antritt, muss
er sich den an der neuen Stelle erzielten Verdienst anrechnen lassen. Folglich hat er seinem
bisherigen Arbeitgeber den neuen Stellenantritt zu melden und ihn über die neue Lohnhöhe zu
informieren. Sofern das neue Salär die bisherige Lohnhöhe nicht erreicht, muss der alte Arbeitgeber
bis zum Ablauf der Kündigungsfrist noch entsprechende Differenzzahlungen dem freigestellten
Arbeitnehmer leisten. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer gleichzeitig mit der Kündigung
vorbehaltlos bis zum Vertragsende freigestellt, geht die Gerichtspraxis davon aus, dass der
Arbeitgeber seine Freistellungserklärung nicht mehr widerrufen kann. Soll der Mitarbeiter während
einer Freistellung für gewisse Aufgaben oder Auskünfte zur Verfügung stehen, empfiehlt es sich, dies
mit der Freistellung gleichzeitig zu regeln.
Freistellungserklärung
Eine Freistellung wird dem Mitarbeiter in der Regel in Form einer schriftlichen Freistellungserklärung
mitgeteilt. Darin werden die verschiedenen Punkte, welche im Zusammenhang mit der Freistellung
Geltung haben, festgelegt. Je sorgfältiger dabei die Freistellungserklärung ausgearbeitet ist, um so
geringer ist das Risiko, dass es nachträglich zu Streitigkeiten kommt.
44
Kündigungsfreiheit
Wie weit geht die Kündigungsfreiheit? Was bedeutet das Gebot der schonenden
Rechtsausübung? Wie wird ein Verstoss sanktioniert?
Im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen gilt es zu beachten, dass das
schweizerische Arbeitsrecht vom Prinzip der Kündigungsfreiheit ausgeht. Dies bedeutet, dass sowohl
der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber für das Aussprechen einer ordentlichen Kündigung
grundsätzlich keiner besonderen Gründe bedürfen. Mit anderen Worten ist eine ordentliche
Kündigung immer dann rechtmässig, wenn sie nicht aus einem unzulässigen Grund ausgesprochen
wird. Die Gründe, welche eine Kündigung unzulässig und somit missbräuchlich machen, sind in Art.
336 OR geregelt. Die darin enthaltene Auflistung ist jedoch nicht abschliessend, sondern die
Rechtsprechung anerkennt aufgrund des allgemeinen Verbotes des Rechtsmissbrauchs weitere Fälle
von Missbräuchlichkeit.
Kündigung nach 44 Dienstjahren
Das Bundesgericht musste vor kurzem die Kündigung eines Mitarbeiters beurteilen, der bei der
gleichen Arbeitgeberin während mehr als 43 Jahren als Heizungsmonteur angestellt war. Kurz vor
dem Ende seines 44. Dienstjahres wurde ihm unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist
gekündigt und gleichzeitig seine Freistellung ausgesprochen. Der Mitarbeiter stand in jenem Zeitpunkt
wenige Monate vor der ordentlichen Pensionierung. Der Ausschlag für die Kündigung lag dabei zum
einen im schlechten Verhältnis des Mitarbeiters zum übergeordneten, ihm aber nicht direkt
vorgesetzten Serviceleiter, zum anderen an der kritischen Haltung, welche der Mitarbeiter gegenüber
Massnahmen der Arbeitgeberin zur Produktionssteigerung einnahm. Da der Mitarbeiter diese
Kündigung nicht akzeptierte, sondern deren Missbräuchlichkeit geltend machte, musste sich das
Bundesgericht zu dieser Frage äussern. Dabei hat das Bundesgericht einmal mehr das im
Zusammenhang mit einer Kündigung zu beachtende Gebot der schonenden Rechtsausübung betont.
Schonende Rechtsausübung
Der Missbrauch einer Kündigung kann sich nicht nur aus den Kündigungsmotiven ergeben, sondern
auch aus der Art und Weise, wie die kündigende Partei ihr Recht ausübt. Selbst wenn eine Partei die
Kündigung rechtmässig erklärt, muss sie das Gebot der schonenden Rechtsausübung beachten.
Dabei darf sie insbesondere kein falsches und verdecktes Spiel betreiben, das Treu und Glauben
krass widerspricht. Ein krass vertragswidriges Verhalten, namentlich eine schwere
Persönlichkeitsverletzung im Umfeld einer Kündigung, führt deshalb zu deren Missbräuchlichkeit.
Im vorliegenden vom Bundesgericht zu beurteilenden Fall kam dieses aufgrund der gesamten
Umstände zum Schluss, dass die Arbeitgeberin ihre Fürsorgepflicht nach Art. 328 Abs. 1 OR verletzt
hat, indem sie den Mitarbeiter auf Betreiben des Serviceleiters ohne weiteres entliess, ohne sich
vorgängig auch nur ansatzweise darum bemüht zu haben, das Verhältnis zwischen Mitarbeiter und
Serviceleiter zu entspannen. Dabei wäre ein Lösungsversuch um so mehr angezeigt gewesen, als
auch andere Arbeitnehmer mit dem Serviceleiter Schwierigkeiten bekundeten. Das Bundesgericht
hielt dabei fest, dass die Arbeitgeberin das Gebot der schonenden Rechtsausübung krass verletzt
hat, indem sie den Mitarbeiter ohne jegliches Vorgespräch und ohne den Versuch, eine sozial
verträgliche Lösung anzustreben, unter sofortiger Freistellung entliess.
Fürsorge- und Treuepflicht
Das Bundesgericht führte ausdrücklich aus, dass die jahrzehntelange Treue des Mitarbeiters für
dieselbe Arbeitgeberin auch deren Fürsorgepflicht erhöhte. Dementsprechend hätte diese dafür
Sorge tragen müssen, dem wenige Monate vor der ordentlichen Pensionierung stehenden Mitarbeiter
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zu ermöglichen, seine Arbeitstätigkeit ohne finanzielle Einbussen zu beenden. Da die Arbeitgeberin
nach Auffassung des Bundesgerichts mit der ausgesprochenen Kündigung als solcher wie auch mit
der Art und Weise massiv gegen gesetzliche Fürsorge- und Treuepflichten verstossen hat und die
vorliegende Kündigung somit missbräuchlich erfolgte, wurde die Arbeitgeberin zur Zahlung der
gesetzlich maximalen Entschädigung von sechs Monatslöhnen verurteilt (Urteil 4C.215/2005 vom 20.
Dezember 2005).
Vorsicht bei Kündigungen
Der vorliegende Entscheid zeigt in aller Deutlichkeit, dass beim Aussprechen einer Kündigung jeweils
besondere Vorsicht geboten ist. Dabei muss im konkreten Fall nicht nur darauf geachtet werden, dass
keiner der in Art. 336 OR gesetzlich geregelten Missbrauchstatbestände verletzt wird, sondern dass
insbesondere auch das Vorgehen im Zusammenhang mit der Kündigung an sich korrekt erfolgt. Das
Bundesgericht hat mit dem erwähnten Urteil auch klar gestellt, dass bei langjährigen
Arbeitsverhältnissen von einer erhöhten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers auszugehen ist, was höhere
Anforderungen an eine Kündigung langjähriger Mitarbeiter mit sich bringt. Insbesondere ist in solchen
Fällen vor Aussprechen einer Kündigung von Seiten des Arbeitgebers zu prüfen, ob eine andere
sozial verträgliche Lösung möglich ist.
Folgen einer Verletzung
Wird das Gebot der schonenden Rechtsausübung verletzt und erfolgt die Kündigung
dementsprechend missbräuchlich, hat der Mitarbeiter trotzdem keinen Anspruch auf
Weiterbeschäftigung. Sein Anspruch erschöpft sich allein in einer finanziellen Entschädigung, die vom
Gericht unter Würdigung aller Umstände festgesetzt wird und maximal sechs Monatslöhnen
entspricht. Von Gesetzes wegen muss der Mitarbeiter dabei gemäss Art. 336b OR zwingend bis
spätestens zum Ablauf der Kündigungsfrist beim Arbeitgeber schriftlich Einsprache gegen die
Kündigung erheben. Weiter muss er innerhalb von 180 Tagen nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses Klage beim Gericht einreichen, ansonsten der Anspruch verwirkt ist. In Bezug
auf die Beweislastverteilung vor Gericht gilt es zu beachten, dass es an der gekündigten Partei liegt,
die Missbräuchlichkeit der Kündigung zu beweisen. Der entlassene Mitarbeiter muss demnach den
Beweis erbringen, dass der Kündigung ein missbräuchliches Motiv zugrunde liegt bzw. das Gebot der
schonenden Rechtsausübung im konkreten Fall verletzt wurde.
46
Das Personalreglement
Personalreglemente sind weit verbreitet. Worauf ist bei einer Neueinführung oder späteren
Änderung besonders zu achten?
In der Praxis sind Personalreglemente keine Seltenheit. Das Gesetz definiert den Begriff
«Personalreglement» nicht.
Folglich begegnet man oft auch anderen Bezeichnungen, wie etwa Personalhandbuch, Betriebs- oder
Firmenreglement. Inhaltlich gemeinsam ist allen, dass sie vorformulierte Bestandteile von
Arbeitsverträge darstellen. Ähnlich den bekannten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) bei
verschiedenen Vertragsbeziehungen können Personalreglemente als «Allgemeine
Anstellungsbedingungen» (AAB) im Arbeitsverhältnis bezeichnet werden. Meist werden diese
Allgemeinen Anstellungsbedingungen von den Parteien in der Arbeitsvertragsurkunde zum
«integrierenden Bestandteil» des Arbeitsvertrags erklärt. Diese Auslagerung einer Vielzahl
arbeitsvertraglich relevanter Bestimmungen in ein separates Dokument erlaubt es, die eigentliche
Vertragsurkunde relativ kurz zu fassen. Dies ist von praktischem Nutzen. Wo aber liegen nun die
Fallstricke?
Vorlagen kritisch prüfen
Ein Fehler bei der Ausgestaltung eines neuen Reglements ist darin zu erkennen, dass
Formulierungen (branchen-)fremder Vorlagen der Einfachheit halber nicht nur als Vorlage dienen,
sondern oft auch noch ungeprüft übernommen werden. Dies birgt Gefahren. So treffen die
vorgegebenen Bestimmungen möglicherweise die firmenspezifischen Bedürfnisse nicht ganz. Weil
branchenfremd, verstossen sie allenfalls in Teilen gegen einen zu respektierenden eigenen
Gesamtarbeitsvertrag oder sie missachten gar zwingendes Recht.
Bereuen könnte eine Arbeitgeberin ausserdem, wenn sie zur Konkretisierung der Arbeitsbeziehung
im Berufsalltag Weisungen und Anordnungen, die jederzeit anpassbar sein müssen, in ein
Personalreglement oder einen Arbeitsvertrag kleidet. Dadurch verliert sie ihre Weisungsfreiheit,
welche ihr aufgrund von Art. 321d des Obligationenrechts (OR) zusteht.
Änderungen durchsetzen
Doch Vorsicht ist bereits bei der Einführung wie auch bei jeder späteren Änderung des Reglements
geboten. Je nach neuem oder geändertem Inhalt liegt faktisch eine Vertragsänderung vor. Eine
solche bedarf der Zustimmung des Arbeitnehmers. Ist diese einvernehmlich nicht ohne weiteres
erreichbar, kann die Arbeitgeberin versuchen, die gewollte Anpassung mit einer Änderungskündigung
zu erwirken. Hierzu wird die Kündigung unter gleichzeitiger Offerte der neuen
Reglementsbestimmungen in Aussicht gestellt.
Primäre Zielsetzung dabei ist nicht, Arbeitnehmende zu entlassen, sondern die Arbeitsverhältnisse
unter veränderten Vertragsbedingungen weiterzuführen. Abhängig von den Reaktionen der einzelnen
Arbeitnehmenden hinsichtlich Annahme oder Ablehnung der neuen Vertragsbestimmungen einerseits
und der allenfalls auszusprechenden Kündigungen - im Verhältnis zur Anzahl der im Betrieb
Beschäftigten - andererseits, könnten die Vorschriften über die Massenentlassung zur Anwendung
gelangen (Art. 335d - 335g OR).
Faktor Zeit nicht unterschätzen
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Verbesserungen von Vertragskonditionen nehmen Arbeitnehmende gerne entgegen. Sie verursachen
keine Widerstände. Bei Verschlechterungen ist die Akzeptanz bzw. Nichtakzeptanz durch die
Betroffenen hingegen im Voraus schwieriger abschätzbar. Daher empfiehlt es sich bei einer
Verschlechterung der Vertragsbedingungen, in der Vorbereitung immer vom schlimmsten Szenario
auszugehen und die formal strengen Vorschriften der Massenentlassung einzuplanen und frühzeitig
einzuleiten.
Mit dieser Vorsichtsmassnahme werden spätere Verzögerungen vermieden. Das Gesetz gebietet der
Arbeitgeberin, Arbeitnehmende oder gegebenenfalls deren Arbeitnehmervertretung vor der
Entscheidung umfassend zu informieren und zu konsultieren. Auch das kantonale Arbeitsamt ist in
das Verfahren mit einzubeziehen. Akzeptiert die gesamte Belegschaft oder wenigstens die
überwiegende Mehrheit der Beschäftigten die neuen Vertragsbedingungen, so dass keine oder nur
eine kleine Zahl von Kündigungen ausgesprochen werden muss, welche das gesetzliche Quorum für
die Massenentlassung nicht erreicht, kann das Massenentlassungsverfahren eingestellt werden.
Andernfalls wäre es zu Ende zu führen.
Selbstredend kämen im Kündigungsfall auch bei einer Massenentlassung die Sperrfristen bei
Krankheit oder Unfall, Schwanger- und Mutterschaft oder bei Abwesenheit infolge einer
schweizerischen, obligatorischen Dienstleistung (Militär, Zivilschutz, Zivildienst) von Arbeitnehmenden
zur Anwendung. Dies könnte bei diesen Arbeitnehmenden zu einer verzögerten Einführung der neuen
Bestimmungen führen, sofern deren freiwillige Mitwirkung weiterhin ausbliebe. Den zeitlichen
Verhältnissen bei Neueinführung oder Änderung eines Mitarbeiterreglements ist somit stets ein
besonderes Augenmerk zu widmen. Eine ungeduldige Geschäftsleitung ist entsprechend frühzeitig
über diese möglichen Umstände in Kenntnis zu setzen und vorzubereiten. Damit kann falschen
(zeitlichen) Erwartungen im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Veränderungsprozess früh
begegnet werden.
Rückwirkung nur im Ausnahmefall
Eine andere, oftmals auch auf Ungeduld basierende Tatsache ist der Wunsch, veränderte Regeln
zeitlich rückwirkend einzuführen. Während dieses Ansinnen bei offensichtlichen Verbesserungen in
jeder Hinsicht unproblematisch sein dürfte (wie beispielsweise bei der Einführung einer zusätzlichen
Ferienwoche rückwirkend auf den Beginn eines Kalenderjahres) kann es in anderen Fällen gesetzlich
verboten sein, selbst wenn die Arbeitnehmenden der Änderung zustimmen würden.
Wenn sich die neuen Bestimmungen aus zwingenden gesetzlichen Vorschriften oder unabdingbaren
Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrags ergeben, gilt für die Arbeitnehmenden ein strenges
Verzichtsverbot. Jegliche Rückwirkung einer solchen Bestimmung ist daher gemäss Art. 341 OR
untersagt und rechtlich wirkungslos. Ein korrekt ausgestaltetes und umgesetztes Personalreglement
schützt vor Unannehmlichkeiten. Achtung Stolpersteine
Kurt Nigg, 28.10.2006
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Online-Bewerbungen
Immer mehr Stellensuchende bewerben sich online. Der Inhalt der elektronisch übermittelten
Bewerbungen lässt jedoch zu wünschen übrig. Tipps und Tricks für die Eintrittskarte zum
Vorstellungsgespräch.
Einerseits gibt es das direkte Ausfüllen von Online-Formularen auf den Web Sites stellenanbietender
Firmen, Personalberatern und -vermittlern sowie Jobbörsen. Hier werden meist nur die Eckdaten
eingegeben. Zum Teil gibt es sogar die Möglichkeit, dass man einen jederzeit änderbaren Lebenslauf
speichern kann. Bei der Eingabe der Daten sind ausgefeilte Formulare behilflich. Je nach Position
kann eine ausführliche Online-Bewerbung schon die elektronische Eintrittskarte zu einem
Vorstellungsgespräch sein oder der Stellenanbieter wird bei Bedarf detailliertere
Bewerbungsunterlagen beim Stellensuchenden anfordern. Andererseits gibt es die E-MailBewerbungen, welche nichts anderes sein sollten als die in elektronischer Form übermittelten
klassischen Bewerbungsunterlagen, mit denen man sein Interesse an der offenen Stelle bekundet.
Feste Regeln
Viele E-Mail-Bewerbungen entsprechen nicht den Vorstellungen der Personalverantwortlichen. Wird
ein «Kurz-Profil» verlangt, sollte dies auch entsprechend kurz sein. Ist nichts vermerkt, wird eine
korrekte Bewerbung erwartet. Diese ist per E-Mail ohne grossen Aufwand und möglich. Trotz der
heute zum Teil saloppen Umgangssprache im Netz gelten für E-Mail-Bewerbungen ähnliche
Richtlinien wie für schriftliche Bewerbungen. Auch bezüglich des Stils gelten die klassischen Ansätze.
Auf den im E-Mail Verkehr oft benutzten Slang ist ebenso zu verzichten wie auf durchgehende
Kleinschreibung. Und vergessen Sie nicht, dass einige Programme Umlaute nicht lesen können. Wo
früher wegen sehr langen Download-Zeiten und wenig verbreiteten Datei-Formaten noch ein kurzes
Mail mit einem Lebenslauf fürs erste genügte, können heute problemlos komplette Dossiers
elektronisch übermittelt werden. Am wenigsten Probleme entstehen, wenn Dokumente im PDFFormat verschickt werden.
E-Mail-Bewerbung
Sie besteht aus dem Mail, welches den klassischen Briefumschlag ersetzt, und dem im Anhang
beigefügten Begleitschreiben, dem Lebenslauf sowie Arbeitszeugnissen, Praktikumsnachweisen und
Diplomen. In der Regel genügt ein Nachweis des jeweils höchsten Ausbildungsabschlusses. Neben
Zeugnissen bieten sich als weitere Anlagen Nachweise von Zusatzqualifikationen und
Weiterbildungen an. Beim korrekten Bewerbungs-Mail gehört zwingend in die Betreffzeile ein Hinweis
auf die Referenznummer des Stelleninserates und die Quelle der Jobausschreibung. E-Mails ohne
aussagekräftige Betreffzeile werden oft ungesehen gelöscht. Das Mail benötigt keinen langen
Begleittext. Das eigentliche Begleitschreiben sollte als Anhang beigefügt sein.
Wichtiger Begleitbrief
Der Begleitbrief ist das Erste, das der Adressat sieht. Wenn schon das Begleitschreiben langweilt,
wird der Lebenslauf gar nicht erst beachtet. Neben Formalitäten (Brief- und E-Mail Adresse,
Telefonnummern, Erreichbarkeit) muss sich der Adressat vor allem persönlich angesprochen fühlen.
Für einen erfolgreichen Begleitbrief sind folgende Punkte zu beachten:
1. Formulieren Sie dem Anforderungsprofil des Inserates entsprechend.
2. Orientieren Sie sich am Stil des Adressaten, ohne den eigenen zu verleugnen.
3. Verzichten Sie auf Standardfloskeln, wie «Hiermit bewerbe ich mich». Die Quelle des Inserates
kann auch fantasievoller in den Text eingebaut werden.
4. Denken Sie beim Schreiben an den Adressaten. Was möchte er von Ihnen wissen?
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5. Niemals länger als eine Seite!
6. Sprechen Sie den Personalverantwortlichen direkt an.
7. Kurze Sätze, wenig Verschachtelungen, keine Abkürzungen, klare Absätze, keine Füllwörter!
8. Verkaufen Sie sich gut, ohne Hymnen auf sich zu singen.
9. Nehmen Sie sich genügend Zeit. Lassen Sie die Bewerbung idealerweise einen Tag liegen, um sie
vor dem Wegschicken noch einmal zu lesen.
10. Lassen Sie die Bewerbung auch noch von jemand anderem lesen, von dem Sie eine ehrliche
Meinung erwarten können.
Schwerpunkte im Lebenslauf setzen
Es ist unverständlich, dass dem Lebenslauf von Bewerberseite oft so wenig Beachtung geschenkt
wird. Dabei ist Lebenslauf nicht gleich Lebenslauf. Ob man 1957 oder 1971 geboren ist – daran kann
man nichts ändern. Der Schul- und Berufsweg kann aber sehr wohl beeinflusst werden, ohne jemals
die Fakten zu verdrehen. Die Schwerpunkte müssen auf die jeweilige Jobausschreibung ausgerichtet
werden. Die Lebensdaten sollten von Zusatzqualifikationen, Sprach- und Computerkenntnissen
getrennt aufgeführt werden. Am besten gibt man denjenigen Daten das grösste Gewicht, die für die
Firma oder die Organisation am interessantesten sind. Chronologie ist nicht immer sinnvoll. Meistens
wird das, was hinten steht, auch zuletzt gelesen. Eine zielgerichtete und ergebnisorientierte
Formulierung ist hilfreich, wie auch die Beschreibung der Kernaufgaben einer früheren Tätigkeit, falls
diese relevant für die neue Stelle sind. Und: auch Misserfolge können positiv verpackt werden.
Das Passfoto in der digitalen Welt
Mit dem Passfoto sollte man möglichst wenig auffallen. Automatenherkunft ist unvorteilhaft. Die
Investition in ein Profifoto lohnt sich. Scanner und Bildbearbeitungsprogramme haben schon
manchen zu Spielereien verführt, die bei vielen Personalverantwortlichen als ebensolche ankommen.
Bevor das komplette E-Mail an die Zieladresse versandt wird, sollte man es zu Testzwecken zuerst
an sich selber senden.
Dank der neuen Kommunikationskanäle ist vieles einfacher und schneller geworden. Trotzdem ist es
wichtig, für die Bewerbung genügend Zeit zu investieren.
Man kann noch so prädestiniert sein für den Job: Es nützt alles nichts, wenn man nicht zu einem
Vorstellungsgespräch eingeladen wird. Und das hängt im wesentlichen von den
Bewerbungsunterlagen ab. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese per E-Mail übermittelt oder auf dem
klassischen Postweg zugestellt werden.
Josua Woerlenm, 20.01.2007
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Lüge als Notwehrrecht?
Welche Fragen dürfen anlässlich eines Bewerbungsgesprächs gestellt werden? Müssen
Bewerber alle Auskünfte wahrheitsgetreu beantworten?
Im Rahmen des Stellenbewerbungsverfahrens müssen sowohl von Seiten des potenziellen
Arbeitgebers als auch vom Stellenbewerber verschiedene rechtliche Aspekte beachtet werden.
Bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen bestehen gegenseitig erhöhte Sorgfalts- und
Rücksichtspflichten. In der Regel beginnt ein Bewerbungsverfahren damit, dass die Stellenbewerber
dem potenziellen Arbeitgeber ihre schriftlichen Bewerbungsunterlagen zukommen lassen. Ist der
Arbeitgeber an der Bewerbung nicht interessiert, müssen die Bewerbungsunterlagen retourniert
werden, weil diese Eigentum des Bewerbers sind. Kein Anspruch des Stellenbewerbers besteht
hingegen auf Aushändigung von Unterlagen, die sich der Arbeitgeber selber beschafft hat, so
beispielsweise ein graphologisches Gutachten. Diesbezüglich ist jedoch zu beachten, dass ein
solches Gutachten nur mit ausdrücklichem Einverständnis des Stellenbewerbers eingeholt werden
darf. Das Einreichen einer handschriftlichen Bewerbung stellt für sich allein noch kein solches
Einverständnis dar. Im Weiteren ist der Arbeitgeber gestützt auf das Datenschutzgesetz verpflichtet,
ein erstelltes, dem Bewerber nicht ausgehändigtes Gutachten nach Scheitern der Bewerbung zu
vernichten.
Bewerbungsgespräch korrekt führen
Gemäss Art. 328b des schweizerischen Obligationenrechts (OR) darf der Arbeitgeber Daten über den
Arbeitnehmer nur bearbeiten, soweit sie dessen Eignung für das Arbeitsverhältnis betreffen oder zur
Durchführung des Arbeitsvertrages erforderlich sind. Auch für die gesamte Bewerbungsphase gilt
dieser Grundsatz, wobei er insbesondere für das Bewerbungsgespräch von grosser Bedeutung ist.
Demnach sind im Rahmen eines Bewerbungsgesprächs nur Fragen zulässig, die in einem
unmittelbaren Zusammenhang zum Arbeitsplatz und der zu erbringenden Arbeit stehen, wobei die
Grenze immer der Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers bildet. Was bedeutet dies konkret?
Grundsätzlich unproblematisch sind Fragen nach Ausbildung, beruflichem Werdegang, Berufsplänen
und ähnlichem. Rechtlich problematisch wird es hingegen bei Fragen zum Gesundheitszustand, einer
bestehenden Schwangerschaft, allfälliger Vorstrafen, der Zugehörigkeit zu Vereinen und Verbänden
oder Fragen zu Religion und Glaubensansichten. Hier gilt Folgendes:
Eingeschränktes Fragerecht
Der Arbeitgeber ist berechtigt, Fragen über akute Krankheiten und Gebrechen sowie absehbare
zukünftige Gesundheitsschädigungen zu stellen, welche die Arbeitstauglichkeit des Stellenbewerbers
betreffen. Dabei trifft diesen allgemein eine Mitteilungspflicht, wenn er infolge chronischer Leiden,
schwerer oder ansteckender Krankheit nicht imstande ist, seine Arbeitspflicht zu erfüllen oder wenn
feststeht, dass er bei Dienstantritt aller Voraussicht nach krank oder zur Kur sein wird. Andererseits
ist es dem Arbeitgeber verwehrt, Fragen über den allgemeinen Gesundheitszustand oder über
Krankheiten zu stellen, welche die aktuelle und voraussehbare Arbeitstauglichkeit nicht betreffen und
nicht infektiös sind. Stellenbewerber, die HIV-positiv sind, müssen diesen Umstand in der Regel
weder von sich aus noch auf entsprechende Frage hin offenbaren, es sei denn, dies hätte eine
Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis. Dies muss insbesondere bei Berufen mit erhöhter
Ansteckungsgefahr wie z.B. bei Ärzten oder Krankenpflegern bejaht werden.
Auch die Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft ist in der Regel rechtlich unzulässig. Dabei
ist zudem zu beachten, dass eine Nichtanstellung aufgrund einer bestehenden Schwangerschaft eine
geschlechtsspezifische Diskriminierung im Sinne von Art. 3 des Gleichstellungsgesetzes darstellt.
Einzig dort, wo die vorgesehene Arbeit wegen der Schwangerschaft nicht ausgeführt werden kann
oder eine Gesundheitsgefahr für die Schwangere oder ihr ungeborenes Kind darstellt, wird ein
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Fragerecht bejaht. So wäre beispielsweise bei einem Mannequin oder einer Tänzerin die Frage nach
einer bestehenden Schwangerschaft berechtigt.
Achtung der Persönlichkeit
Auch nach Vorstrafen des Stellenbewerbers darf nur gefragt werden, wenn dies für die zu besetzende
Stelle von Bedeutung ist. So dürfte beispielsweise der Bewerber, der sich für eine Tätigkeit als
Kassier bewirbt, danach gefragt werden, ob eine Vorbestrafung wegen Veruntreuung besteht. Dabei
muss der Stellenbewerber in der Regel nur über die im Zentralstrafregister verzeichneten Vorstrafen
Auskunft erteilen, nicht jedoch über bereits gelöschte Vorstrafen. Fragen nach der Zugehörigkeit zu
Vereinen und Verbänden, der religiösen Ausrichtung oder zu Glaubensansichten sind i.d.R.
unzulässig, da sie keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweisen und somit persönlichkeitsverletzend
sind. So wäre es beispielsweise unzulässig, den Stellenbewerber danach zu fragen, ob er einer
Gewerkschaft oder einer bestimmten politischen Partei angehört. Eine Ausnahme von diesem
generellen Verbot besteht jedoch dann, wenn der Arbeitgeber eine entsprechende ideelle Zielsetzung
hat und es sich somit um einen «Tendenzbetrieb» handelt. So ist beispielsweise eine politische
Partei, die einen neuen Verbandssekretär sucht, berechtigt, den Bewerber nach seiner politischen
Ausrichtung zu befragen.
Notwehrrecht der Lüge
Grundsätzlich ist der Stellenbewerber verpflichtet, im Rahmen des Bewerbungsgesprächs
wahrheitsgetreu Auskunft zu geben. Wie dargestellt besteht jedoch nur ein eingeschränktes
Fragerecht des Arbeitgebers. Wird ein Bewerber mit zu weit gehenden, persönlichkeitsverletzenden
Fragen konfrontiert, hat er deshalb das Recht, die Auskunft zu verweigern. Da der Bewerber bei einer
Auskunftsverweigerung jedoch befürchten muss, die Stelle nicht zu erhalten, wird ihm sogar das
Recht zuerkannt, die entsprechenden Fragen nicht wahrheitsgemäss beantworten zu müssen. Von
diesem «Notwehrrecht der Lüge» sollte jedoch nur sehr eingeschränkt Gebrauch gemacht werden.
Generell gilt, dass ein von beiden Seiten korrekt durchgeführtes Bewerbungsgespräch die Grundlage
einer erfolgreichen arbeitsvertraglichen Beziehung bildet.
Rechtsanwalt Thomas M. Meyer ist Partner in der Zürcher Anwaltskanzlei Meyer & Wipf sowie
Veranstalter der Seminarreihe «Arbeitsrecht in der Unternehmung» (www.meyer-wipf.ch;
[email protected]
[email protected]
20.01.2007
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Vorsicht: Vereinbarungen
Worauf müssen die Parteien bei der Auflösung von Arbeitsverhältnissen achten? Inwieweit
sind dabei Aufhebungsvereinbarungen zulässig und welche Konsequenzen erwachsen daraus
für die jeweiligen Vertragspartner?
in unbefristetes Arbeitsverhältnis wird in der Regel mittels Kündigung durch eine der Vertragsparteien,
d.h. durch den Arbeitgeber oder den Mitarbeitenden aufgelöst. Anstelle einer Kündigung können sich
die Parteien aber auch darauf einigen, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich durch eine
Auflösungsvereinbarung zu beenden. Dabei sind jedoch gewisse Punkte zu beachten, welche
nachfolgend im Überblick dargestellt werden sollen.
Einverständnis beider Parteien
Eine Aufhebungsvereinbarung setzt immer das Einverständnis beider Parteien voraus, wohingegen
eine Kündigung auch gegen den Willen der anderen Vertragspartei ausgesprochen werden kann. Im
Gegensatz zu einer Kündigung, bei welcher die entsprechende Kündigungsfrist eingehalten werden
muss, können die Parteien das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvereinbarung grundsätzlich auf
jeden beliebigen Zeitpunkt auflösen. Oftmals wird denn auch eine Aufhebungsvereinbarung deshalb
abgeschlossen, weil der Mitarbeiter nicht bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist bleiben will,
sondern möglichst rasch eine neue Stelle antreten möchte. Im Zusammenhang mit dem Abschluss
einer Aufhebungsvereinbarung darf jedoch nicht übersehen werden, dass damit gegenüber der
Kündigung zum Teil erheblich unterschiedliche Rechtsfolgen verbunden sind. Dies kann sich
insbesondere für den Mitarbeitenden nachteilig auswirken. Eine der wichtigsten Abweichungen
besteht darin, dass der in Art. 336c des schweizerischen Obligationenrechts (OR) geregelte zeitliche
Kündigungsschutz nur auf durch den Arbeitgeber ausgesprochene Kündigungen, nicht jedoch bei
Aufhebungsvereinbarungen zur Anwendung gelangt. Schliessen die Parteien beispielsweise mit
heutigem Datum eine Aufhebungsvereinbarung ab, wonach das Arbeitsverhältnis per 31. Januar
2008 endet und wird der Mitarbeiter in der Folge am 10. Januar 2008 für längere Zeit
krankheitsbedingt arbeitsunfähig, führt dies zu keiner Verlängerung des Arbeitsverhältnisses. Wäre
das Arbeitsverhältnis hingegen mittels Kündigung durch den Arbeitgeber aufgelöst worden, würde die
laufende Kündigungsfrist durch die nachfolgende Krankheit des Mitarbeiters unterbrochen, wodurch
sich die Kündigungsfrist zum Vorteil des Mitarbeiters verlängern würde. Aufhebungsvereinbarungen
können sich aber auch in anderen Punkten nachteilig für den betroffenen Mitarbeiter auswirken.
Findet Letzterer im Anschluss an das Arbeitsverhältnis beispielsweise keine neue Stelle und meldet
er sich arbeitslos, werden ihm von der Arbeitslosenkasse infolge selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit
in der Regel Einstelltage bei den Taggeldern auferlegt.
Verzichtsverbot
Im Zusammenhang mit dem Abschluss von Vereinbarungen ist immer das in Art. 341 OR geregelte
Verzichtsverbot zu beachten. Dieses hält fest, dass der Arbeitnehmer während der Dauer des
Arbeitsverhältnisses und einen Monat nach dessen Beendigung nicht auf Forderungen verzichten
kann, die sich aus zwingenden Vorschriften des Gesetzes oder eines Gesamtarbeitsvertrages
ergeben. Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber während des
Arbeitsverhältnisses und sogar einen Monat darüber hinaus die Abhängigkeit des Arbeitnehmers
nicht ausnützen und ihn zu Verzichtshandlungen veranlassen kann. Die zwingenden Vorschriften, von
welchen auch mittels Vereinbarung nicht abgewichen werden darf, finden sich dabei namentlich in
Art. 361 und 362 OR. Es gibt jedoch auch in anderen Gesetzen und insbesondere auch in
Gesamtarbeitsverträgen diverse weitere Bestimmungen, welche zwingender Natur sind. So können
die Parteien beispielsweise nicht gültig vereinbaren, dass gesamtarbeitsvertraglich festgelegte
Mindestlöhne unterschritten werden oder arbeitsgesetzliche Vorschriften wie beispielsweise die
Bezahlung von Lohnzuschlägen für Sonntagsarbeit nicht einzuhalten sind. Da solche Vereinbarungen
gegen zwingende Vorschriften und folglich gegen das in Art. 341 OR festgelegte Verzichtsverbot
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verstossen, sind sie für den Mitarbeitenden nicht bindend. Dies hat zur Folge, dass er nachträglich die
ihm zwingend zustehenden Ansprüche nachfordern kann, soweit diese noch nicht verjährt sind.
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Pflicht zur Geheimhaltung
Wie weit geht die Geheimhaltungspflicht der Mitarbeitenden? Inwiefern lassen sich
Geschäftsgeheimnisse der Firma auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schützen?
Von Thomas M. Meyer, 15.09.2007
Im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erhält der Mitarbeitende in vielen Fällen Einblick in die
Geschäftsgeheimnisse seines Arbeitgebers. Dabei handelt es sich häufig um solche Informationen,
deren Geheimhaltung für die Unternehmung von elementarer Bedeutung ist. In der Folge soll
aufgezeigt werden, in welchem Ausmass die Mitarbeitenden Geschäftsgeheimnisse zu wahren haben
und wie die Unternehmungen deren Schutz bestmöglich absichern können.
Geheim zu haltendes Wissen
Unter die Geheimhaltungspflicht fallen sämtliche Informationen, die nur einem beschränkten
Personenkreis bekannt sind und an denen der Arbeitgeber ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse
hat. In der Regel handelt es sich hierbei um Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse, so
beispielsweise um technische Daten, Preiskalkulationen, Marketingstrategien oder den bestehenden
Kundenkreis. Unter die Geheimhaltungspflicht fallen jedoch auch andere Tatsachen, die der
Arbeitgeber geheim halten möchte, so beispielsweise Informationen hinsichtlich seiner finanziellen
Situation. Dabei ist es unerheblich, ob dem Mitarbeiter solche Geschäftsgeheimnisse anvertraut
wurden oder er hiervon per Zufall Kenntnis erlangt hat. Hinsichtlich des Umfanges der
Geheimhaltungspflicht sieht Art. 321a Abs. 4 OR ausdrücklich vor, dass der Arbeitnehmer geheim zu
haltende Tatsachen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht verwerten oder anderen
mitteilen darf. Aber nicht nur für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, sondern auch nach dessen
Beendigung besteht nach der genannten Gesetzesbestimmung die Geheimhaltungspflicht in
verminderter Form fort, bleibt der Arbeitnehmer doch weiterhin zur Verschwiegenheit verpflichtet,
soweit es zur Wahrung der berechtigten Interessen des Arbeitgebers erforderlich ist.
Geheimhaltung nach Beendigung
Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses besteht somit eine umfassende Geheimhaltungspflicht.
Dem Mitarbeitenden ist dementsprechend nicht nur verboten, Geheimnisse an Dritte weiterzugeben,
sondern es ist ihm zudem untersagt, solche Kenntnisse selber zu verwerten. Aber nicht nur während,
sondern gerade auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht von Seiten des Arbeitgebers
in der Regel ein erhebliches Interesse daran, dass der austretende Mitarbeiter allfällige
Geschäftsgeheimnisse nicht verwenden kann. Hat der Mitarbeiter beispielsweise während seiner
Tätigkeit für den Arbeitgeber einen bestimmten Kundenkreis betreut, stellt sich die Frage, ob der
Arbeitgeber ihm nach seinem Austritt gestützt auf die weiter bestehende Geheimhaltungspflicht
verbieten kann, die Kenntnisse über den Kundenstamm zu verwerten und mit den Kunden
geschäftlich in Kontakt zu treten. Diese Frage musste das Obergericht des Kantons Zürich in einem
Fall entscheiden, in welchem zwei Mitarbeiter des oberen Kaders einer im Versicherungsrecht tätigen
Unternehmung nach der Kündigung eine Konkurrenzfirma gründeten und in der Folge dort ehemalige
Kunden betreuten. Da die beiden Mitarbeiter keinem nachvertraglichen Konkurrenzverbot unterlagen,
versuchte die ehemalige Arbeitgeberin, dies mittels Berufung auf die weiter bestehende
Geheimhaltungspflicht zu verhindern. In seinem Urteil kam das Obergericht des Kantons Zürich
jedoch zum Schluss, dass es den eingeklagten Mitarbeitern nicht verwehrt war, im Zuge ihrer neuen
Tätigkeit mit Kunden der ehemaligen Arbeitgeberin Kontakt zu unterhalten und mit diesen ein
Auftragsverhältnis einzugehen. Dies deshalb, weil die nachwirkende Verschwiegenheitspflicht kein
Verwertungsverbot beinhaltet, da die Geheimhaltungspflicht ansons- ten einem Konkurrenzverbot
gleichkäme.
Konkurrenzverbot
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Möchte der Arbeitgeber verhindern, dass der austretende Mitarbeiter ihn nicht konkurrenziert, muss
dies folglich mittels eines schriftlichen nachvertraglichen Konkurrenzverbotes sichergestellt werden.
Ein solches Konkurrenzverbot setzt jedoch nicht nur das Einverständnis des jeweiligen Mitarbeiters
voraus, sondern ist im Übrigen an strenge Voraussetzungen gebunden. Die entsprechenden
Bestimmungen finden sich in den Artikeln 340 - 340c OR. Dabei ist insbesondere von Bedeutung,
dass das Konkurrenzverbot nur gültig ist, sofern der Arbeitnehmer effektiv Einblick in den
Kundenkreis oder in Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse hatte und die Verwendung dieser
Kenntnisse ein erhebliches Schädigungspozential für den Arbeitgeber mit sich bringt. Im Weiteren
muss das Konkurrenzverbot nach Ort, Zeit und Gegenstand angemessen begrenzt sein. So darf
beispielsweise das Konkurrenzverbot in örtlicher Hinsicht nicht weiter gehen, als die
Geschäftsbeziehungen des Arbeitgebers effektiv reichen, weil ausserhalb dieses Gebietes eine
erhebliche Schädigungsmöglichkeit des Arbeitgebers gar nicht mehr besteht. Schliesslich gilt es zu
beachten, dass ein vereinbartes Konkurrenzverbot aus verschiedenen Gründen wegfällt, so
beispielsweise, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt, ohne dass ihm der Arbeitnehmer
dazu begründeten Anlass gegeben hat.
Sanktionen bei Verstössen
Die Verletzung der Geheimhaltungspflicht stellt eine Treuepflichtverletzung dar. Erleidet der
Arbeitgeber dadurch einen finanziellen Schaden, wird der fehlbare Mitarbeiter schadenersatzpflichtig.
Häufig werden zur Absicherung der Geheimhaltungspflicht zudem Konventionalstrafen vereinbart.
Erhebliche Geheimhaltungspflichtverletzungen können im Weiteren unter Umständen die fristlose
Kündigung zur Folge haben. Schliesslich gilt es zu beachten, dass die Verletzung der
Geheimhaltungspflicht nebst den zivilrechtlichen Folgen auch noch strafrechtliche Konsequenzen
haben kann. So wird gemäss Art. 162 des schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB) die Verletzung
des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses auf Antrag mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren
oder einer Geldstrafe bestraft. Zudem unterliegen gewisse Berufsgruppen wie beispielsweise Ärzte
oder Rechtsanwälte einem speziellen Berufsgeheimnis, dessen Verletzung nach Art. 321 StGB
ebenfalls unter Strafe steht.
Rechtsanwalt lic. iur. Thomas M. Meyer ist Partner in der Zürcher Anwaltskanzlei Meyer & Wipf und
Fachanwalt SAV Arbeitsrecht. Zudem ist er Veranstalter der Seminarreihe «Arbeitsrecht in der
Unternehmung» (www.meyer-wipf.ch; [email protected]).
Beidseitige Zugeständnisse
Gestützt auf das Verzichtsverbot geht die bundesgerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass eine
Aufhebungsvereinbarung nicht dazu dienen darf, zwingende Gesetzesbestimmungen zu umgehen.
Im Weiteren ist eine solche nur zulässig, soweit sie beidseitige Zugeständnisse enthält. Ein Fall einer
Umgehung zwingender Gesetzesbestimmungen läge beispielsweise dann vor, wenn der Arbeitgeber
einen gesundheitlich angeschlagenen Arbeitnehmer zum Abschluss einer für ihn ungünstigen
Aufhebungsvereinbarung bewegt, in der Absicht, dass dieser dadurch des in Art. 336c OR
enthaltenen zeitlichen Kündigungsschutzes verlustig geht. Nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung hat eine unzulässige Aufhebungsvereinbarung keine Gültigkeit. Der Abschluss einer
solchen Aufhebungsvereinbarung ist deshalb für den Arbeitgeber mit einem grossen Risiko
verbunden, könnte sich der Mitarbeiter doch nachträglich auf deren Ungültigkeit berufen, sollte er
beispielsweise krankheitsbedingt arbeitsunfähig werden. Im Zusammenhang mit einer
Aufhebungsvereinbarung ist deshalb seitens des Arbeitgebers unbedingt darauf zu achten, dass
diese im Ergebnis nicht nur ihm Vorteile bringt, sondern darin gleichwertige gegenseitige
Zugeständnisse gemacht werden. Dementsprechend bedarf der Abschluss einer solchen
Vereinbarung jeweils der Rechtfertigung durch eigene vernünftige Interessen des Mitarbeiters.
Möchte Letzterer beispielsweise vorgängig eine neue Stelle antreten, ist der Abschluss einer
entsprechenden Aufhebungsvereinbarung in der Regel unproblematisch, da diese in einem solchen
Fall vorwiegend im Interesse des Mitarbeiters vereinbart wird.
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Das abrupte Ende
In welchen Fällen darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos auflösen? Wann ist
Vorsicht geboten und inwieweit ist der Zeitfaktor von Bedeutung?
Von Thomas M. Meyer, 14.06.2008
Die fristlose Entlassung von Mitarbeitern ist in der Praxis eine häufig von den Gerichten behandelte
Thematik. Dies deshalb, weil es sich dabei um eine für den fristlos gekündigten Mitarbeiter sehr
einschneidende Sanktion handelt, deren Zulässigkeit von strengen Voraussetzungen abhängig
gemacht wird. Die gesetzlichen Bestimmungen zur fristlosen Kündigung finden sich in den Artikeln
337-337d OR. Nachfolgend sollen einige wichtige Aspekte im Überblick dargestellt werden.
Fristlos ohne Verwarnung
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 337 OR ist eine fristlose Entlassung nur bei
besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Diese müssen einerseits
objektiv geeignet sein, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören
oder zumindest so tief greifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Vertrags
nicht mehr zuzumuten ist, und anderseits auch tatsächlich zu einer derartigen Zerstörung oder
Erschütterung des gegenseitigen Vertrauens geführt haben. Sind die Verfehlungen weniger
schwerwiegend, müssen sie trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sein. Die Begehung einer
strafbaren Handlung zum Nachteil des Arbeitgebers oder anderer Mitarbeitenden berechtigt in der
Regel auch ohne vorgängige Verwarnung zur fristlosen Kündigung, so beispielsweise bei einer
Veruntreuung des Arbeitnehmers zulasten des Arbeitgebers oder sexueller Belästigungen von
Mitarbeiterinnen durch den fehlbaren Arbeitnehmer. Bei Straftaten, welche hingegen nicht den
Arbeitgeber oder Mitarbeitende betreffen, ist mit dem Aussprechen einer fristlosen Kündigung
Vorsicht geboten, da solche Straftaten gegenüber Dritten eine fristlose Kündigung nur erlauben,
sofern sie unmittelbare Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben. Das Bundesgericht hat dies in
einem neueren Entscheid bestätigt. Dabei ging es um einen Mitarbeiter, der als Kundenberater
angestellt war und wegen sexueller Handlungen mit Kindern zu einer bedingten Gefängnisstrafe von
16 Monaten verurteilt wurde. Obwohl die örtliche Presse ohne Namen über den Fall berichtete, erfuhr
der Arbeitgeber von dieser Verurteilung und sprach in der Folge die fristlose Kündigung aus. Das
Bundesgericht verneinte die Zulässigkeit dieser Kündigung, wobei es festhielt, dass eine Vorstrafe
oder eine Verurteilung wegen eines Delikts, das mit der Arbeit nichts zu tun habe, nicht einmal eine
ordentliche Kündigung erlaube, da dies zum geschützten Bereich der Persönlichkeit des Mitarbeiters
gehöre. Letzterer sei in solchen Fällen daher auch nicht verpflichtet, den Arbeitgeber über ein gegen
ihn eingeleitetes Strafverfahren zu informieren.
Auch eine schwere Beschimpfung des Arbeitgebers oder des Vorgesetzten gestattet in der Regel die
fristlose Kündigung ohne vorgängige Verwarnung. Unzulässig wäre die fristlose Entlassung jedoch
dann, wenn die Beschimpfung in einer Situation erhöhter Spannung erfolgt ist und der Beschimpfte
diese durch sein vertrags- oder gesetzeswidriges Verhalten selbst zu verantworten hat. Eine fristlose
Kündigung ohne Verwarnung ist schliesslich auch bei schweren Treuepflichtverletzungen des
Mitarbeiters zulässig, so beispielsweise in Fällen unzulässiger Konkurrenzierung des Arbeitgebers
oder bei Entgegennahme von Schmiergeldern von Dritten.
Fristlos nach Verwarnung
Sofern der Arbeitgeber den Mitarbeiter vorgängig bereits verwarnt hat, erlaubt auch der
eigenmächtige Ferienbezug des Mitarbeiters trotz klarem Verbot des Arbeitgebers grundsätzlich eine
fristlose Kündigung. Eine solche wäre jedoch dann unzulässig, wenn der Arbeitgeber die berechtigten
Ferienwünsche des Mitarbeiters nicht genügend berücksichtigt, obwohl er früh genug darüber in
Kenntnis gesetzt wurde und keine betrieblichen Interessen entgegenstehen. Auch die beharrliche
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Arbeitsverweigerung kann mit einer fristlosen Kündigung sanktioniert werden, setzt jedoch ebenfalls
eine vorgängige klare Verwarnung mit Androhung voraus. Schliesslich darf die fristlose Kündigung in
der Regel auch dann ausgesprochen werden, wenn sich der vorgängig verwarnte Mitarbeiter grober
Pflichtverletzungen oder anderer erheblicher Unkorrektheiten am Arbeitsplatz schuldig macht, so
beispielsweise bei regelmässig zu spätem Erscheinen am Arbeitsplatz. An den Wortlaut der
Verwarnung werden nach der Rechtsprechung freilich hohe Anforderungen gestellt. Diese muss
sowohl klar festhalten, welches Verhalten beanstandet wird, als auch unmissverständlich deutlich
machen, dass eine Wiederholung dieses Verhaltens zu erheblichen Sanktionen führt, wobei es sich
empfiehlt, die fristlose Kündigung darin explizit anzudrohen.
Zeitfaktor berücksichtigen
Bei einer fristlosen Kündigung ist dem Zeitfaktor genügend Beachtung zu schenken. Sofern ein
wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorliegt, muss diese sofort ausgesprochen werden.
Andernfalls wird davon ausgegangen, das Einhalten der ordentlichen Kündigungsfrist sei dem
Arbeitgeber subjektiv zumutbar und das Recht auf eine fristlose Kündigung dadurch verwirkt. Nach
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung muss die fristlose Kündigung deshalb in der Regel
spätestens innerhalb von zwei bis drei Arbeitstagen nach Kenntnis des wichtigen Grundes
ausgesprochen werden. In einem neuen Entscheid hat das Bundesgericht seine strenge
Rechtsprechung insofern etwas gelockert, als eine fristlose Kündigung zwar sofort ausgesprochen
werden muss, sobald der Arbeitgeber vom Fehlverhalten des Arbeitnehmers erfährt. Doch darf er sich
in Fällen, in denen zuerst Abklärungen notwendig sind, die erforderliche Zeit nehmen, um die im
Raum stehenden Vorwürfe sorgfältig zu prüfen. Der entsprechende Entscheid betraf einen
Arbeitnehmer, der von einer Mitarbeiterin der sexuellen Belästigung bezichtigt wurde. Dabei hielt das
Bundesgericht fest, dass es dem Arbeitgeber mit Blick auf die Art der Vorwürfe im konkreten Fall
zugestanden werden dürfe, dass die Abklärungen einige wenige Tage in Anspruch genommen
hätten. Generell gilt, dass das Aussprechen einer fristlosen Kündigung mit erheblichen rechtlichen
Risiken verbunden ist und deshalb in jedem Fall eine vorgängige sorgfältige Prüfung erforderlich ist.
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Auszahlung von Ferien
Welche Fehler werden bei der Berechnung des Ferienlohnes und der Auszahlung von Ferien
häufig begangen? Worauf gilt es besonders zu achten?
Von Thomas M. Meyer, 09.02.2008
Der Ferienanspruch der Mitarbeitenden ist ein wesentlicher Bestandteil jedes Arbeitsverhältnisses.
Um den mit den Ferien verbundenen Erholungszweck zu gewährleisten, sieht das Gesetz
Vorschriften vor, die zwingend zu beachten sind. Nachfolgend soll im Überblick auf wichtige Aspekte
eingegangen werden, die in der Praxis oftmals zu Diskussionen führen.
Abgeltungsverbot beachten
Häufig regeln insbesondere Arbeitsverträge mit im Stundenlohn angestellten Mitarbeitern, dass der
Ferienanspruch nicht in Natura gewährt, sondern in Form eines entsprechenden Lohnzuschlages mit
dem Stundenlohn ausbezahlt wird (in der Regel mit einem Zuschlag von 8,33 %). Damit wird jedoch
nicht selten gegen das gesetzliche Abgeltungsverbot verstossen. Denn Art. 329d Abs. 2 des
schweizerischen Obligationenrechts (OR) sieht vor, dass Ferien während der Dauer des
Arbeitsverhältnisses nicht durch Geldleistungen oder andere Vergünstigungen abgegolten werden
dürfen.
Damit soll sichergestellt werden, dass die Mitarbeitenden die ihnen zustehenden Ferien tatsächlich
beziehen und der damit verbundene Erholungszweck gewährleistet ist. Da das Abgeltungsverbot
zwingend ist, ist eine Ferienauszahlung selbst dann unzulässig, wenn der Mitarbeiter damit
einverstanden ist oder eine solche sogar von sich aus wünscht. Angesichts der klaren gesetzlichen
Regelung lässt die Rechtsprechung eine Auszahlung von Ferien nur in den folgenden Fällen
ausnahmsweise zu: Einerseits bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sofern die Ferien vor Ablauf
des Arbeitsverhältnisses vom Mitarbeiter aus betrieblichen Gründen nicht mehr bezogen werden
können, deren Anordnung unzumutbar kurzfristig ist oder wenn die Stellensuche des Mitarbeiters
während der Kündigungsfrist einen Ferienbezug verunmöglicht. Andererseits bei sehr
unregelmässigen Arbeitsverhältnissen, wo die Berechnung des Ferienlohnes grosse Schwierigkeiten
bereitet oder bei sehr kurzem Arbeitseinsatz. Eine Ferienabgeltung ist aber auch in letzteren Fällen
immer nur zulässig, sofern der auf die Ferien entfallende Lohnzuschlag sowohl im Arbeitsvertrag als
auch in jeder einzelnen Lohnabrechnung separat ausgewiesen wird. Formulierungen wie «Ferienlohn
inbegriffen» genügen dabei nicht.
Rechtsfolgen bei Verletzung
Wird gegen das Abgeltungsverbot verstossen, hat dies zur Folge, dass der Arbeitgeber bei
Beendigung des Arbeitsverhältnisses die bereits vorgängig einmal mittels Lohnzuschlag ausbezahlten
Ferien ein weiteres Mal bezahlen muss. Das Bundesgericht hat in einem neueren Entscheid seine
diesbezüglich strenge Rechtsprechung bestätigt. Der Fall betraf einen Mitarbeiter, der zu einem
Stundenlohn von CHF 30.- brutto inkl. Gratifikation und Ferienentschädigung als Autoelektriker
angestellt war. Ihm wurde jeweils die Zeit für den Bezug von Ferien eingeräumt, während diesen aber
kein Lohn bezahlt. Nach seinem Austritt forderte der Mitarbeiter unter Berufung auf das
Abgeltungsverbot die Nachzahlung der Ferien, was vom Bundesgericht geschützt worden ist.
Aufgrund der strengen Rechtsprechung ist deshalb darauf zu achten, dass eine Ferienabgeltung
während des Arbeitsverhältnisses nur bei sehr unregelmässigen Teilzeitarbeitsverhältnissen erfolgt.
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Ferienlohn richtig berechnen
Häufig kommt es im Zusammenhang mit der Berechnung der Höhe des Ferienlohnes zu
Diskussionen. Dies insbesondere dann, wenn der Mitarbeiter nicht zu einem Fixlohn angestellt ist,
sondern sich das Salär auch aus schwankenden Lohnbestandteilen wie beispielsweise Provisionen
oder Schichtzulagen zusammensetzt. Gemäss Art. 329d Abs. 1 OR muss der Arbeitgeber dem
Arbeitnehmer für die Ferien den gesamten darauf entfallenen Lohn entrichten, was bedeutet, dass die
Lohnzahlung für die Ferienzeit den Arbeitnehmer gleich stellen muss, wie wenn er gearbeitet hätte.
Dementsprechend ist bei schwankenden Einkommen auf den bisherigen Durchschnittslohn während
einer bestimmten Referenzperiode, in der Regel auf das Dienstjahr vor dem Ferienbezug,
abzustellen. In einem neueren Entscheid hat das Bundesgericht festgehalten, dass die zusätzlich
zum Grundlohn als Ausgleich für Nacht-, Wochenend- und Feiertagsarbeit erbrachten Leistungen bei
der Berechnung des auf die Ferien entfallenden Lohnes zu berücksichtigen sind, sofern diese
Leistungen regelmässig und während einer gewissen Dauer ausgerichtet wurden. Grundlage dieses
Urteils war die Klage von 19 Angestellten, die im Call Center eines grossen
Telekommunikationsunternehmens arbeiteten, dabei Nacht- und Wochenendarbeit leisteten und
hierfür eine zusätzlich zum Grundlohn ausgerichtete Entschädigung erhielten. Vor Gericht war strittig,
ob der von den Angestellten während ihrer Ferien bezogene Lohn unter Einbezug dieser
Entschädigung zu berechnen sei, was vom Bundesgericht im vorliegenden Fall bejaht wurde.
Sorgfältig vorgehen
Zusammenfassend gilt es festzuhalten, dass gerade bei der Berechnung des Ferienlohnes der
Arbeitgeber Sorgfalt zu walten hat, um nicht nachträglich mit Lohnnachforderungen konfrontiert zu
werden. Im Weiteren ist darauf zu achten, dass nur in den vorgängig aufgeführten Ausnahmefällen
eine Auszahlung der Ferien erfolgt, da ein Verstoss gegen das zwingende Abgeltungsverbot ebenfalls
erhebliche finanzielle Konsequenzen für das fehlbare Unternehmen zur Folge haben kann.
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Optionen zum Kahlschlag
Thomas M. Meyer, 24.01.2009
Mit welchen Alternativen lässt sich ein drohender Stellenabbau in der aktuellen
Wirtschaftskrise verhindern? Wie ist von Seiten des Unternehmens vorzugehen?
Die aktuelle Wirtschaftskrise und die düsteren Prognosen zwingen derzeit eine Vielzahl von
Unternehmen dazu, Restrukturierungsmassnahmen zu ergreifen, die auch einen allfälligen Abbau von
Stellen beinhalten. Ein solcher Stellenabbau trifft nicht nur die davon betroffenen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter hart, sondern ist auch für das zum Handeln gezwungene Unternehmen von grossem
Nachteil, da Entlassungen insbesondere auch mit einem Verlust von betrieblichem Know-how
verbunden sind. Nachfolgend werden deshalb Möglichkeiten aufgezeigt, wie sich ein Stellenabbau
allenfalls verhindern oder zumindest minimieren lässt.
Abbau von Ferien und Überstunden
In Zeiten der Hochkonjunktur wurden in vielen Unternehmen erhebliche Ferien- und
Überstundenguthaben durch die Mitarbeitenden angehäuft. Soweit für solche Überstunden nicht die
Auszahlung vorgesehen ist, können die Unternehmen die Überstunden gemäss Art. 321c Abs. 2 OR
im Einverständnis mit dem Mitarbeitenden durch Freizeit gleicher Dauer kompensieren lassen. Im
Weiteren darf das Unternehmen vom Mitarbeitenden verlangen, dass ein bestehendes
Ferienguthaben abgebaut wird. Dies umso mehr, als gemäss Art. 329c Abs. 2 OR der Arbeitgeber
den Zeitpunkt der Ferien bestimmt, wobei er hierbei jedoch auf die Interessen des Mitarbeitenden
soweit als möglich Rücksicht nehmen muss. Gerade in Zeiten vorübergehender
Beschäftigungseinbrüche bietet es sich deshalb in erster Linie an, die Mitarbeitenden dazu
anzuhalten, ihre Ferien- und Überstundenguthaben abzubauen.
Einführung von Kurzarbeit
Soweit sich allfällige Beschäftigungseinbrüche nicht mit dem Abbau von Ferien- und
Überstundenguthaben ausgleichen lassen, stellt sich die Frage der Einführung von Kurzarbeit im
Unternehmen. Die gesetzlichen Bestimmungen zur Kurzarbeitsentschädigung finden sich dabei im
Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG) und der betreffenden Verordnung (AVIV). Mit der
Ausrichtung von Kurzarbeitsentschädigung bietet die Arbeitslosenversicherung den Unternehmen
eine Alternative zu drohenden Entlassungen, wobei der Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung an
verschiedene, klar definierte Voraussetzungen gebunden ist. Dabei ist primär von Bedeutung, dass
ein Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung nur besteht, sofern der Arbeitsausfall voraussichtlich
vorübergehend ist und erwartet werden darf, dass durch die Kurzarbeit die Arbeitsplätze erhalten
werden können. Im Weiteren muss der Arbeitsausfall auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen und
unvermeidbar sein sowie je Abrechnungsperiode mindestens 10 % der Arbeitsstunden ausmachen,
die von den Mitarbeitenden des Betriebes normalerweise insgesamt geleistet werden. Als
Abrechnungsperiode gilt dabei ein Zeitraum von einem Monat oder von vier zusammenhängenden
Wochen.
Kein Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung besteht dabei bei Mitarbeitenden, die bereits in einem
gekündigten Arbeitsverhältnis stehen sowie insbesondere bei Arbeitnehmern, deren Arbeitsausfall
nicht bestimmbar oder deren Arbeitszeit nicht ausreichend kontrollierbar ist. Die genügende
Kontrollierbarkeit des Arbeitsausfalls setzt deshalb eine betriebliche Arbeitszeitkontrolle voraus.
Weiter ist von Bedeutung, dass Arbeitsausfälle, die branchen-, berufs- oder betriebsüblich sind oder
durch saisonale Beschäftigungsschwankungen oder betriebsorganisatorische Massnahmen wie
Reinigungs-, Reparatur- oder Unterhaltsarbeiten verursacht werden, nicht unter Kurzarbeit fallen und
folglich keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung auslösen. Zudem muss der einzelne
Mitarbeiter mit der Kurzarbeit einverstanden sein. Beabsichtigt das Unternehmen, für seine
Mitarbeitenden Kurzarbeitsentschädigung geltend zu machen, so muss dies im Normalfall der
entsprechenden kantonalen Amtsstelle mindestens zehn Tage vor Beginn der Kurzarbeit schriftlich
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gemeldet werden. Die Kurzarbeitsentschädigung beträgt 80 % des auf die ausgefallenen
Arbeitsstunden anrechenbaren Verdienstausfalls und wird durch die Arbeitslosenkasse ausgerichtet.
Es gilt jedoch zu beachten, dass die Kurzarbeitsentschädigung innerhalb von zwei Jahren während
höchstens zwölf Abrechnungsperioden ausgerichtet wird und folglich grundsätzlich auf ein Jahr
beschränkt ist. Der Bundesrat hat jedoch die Möglichkeit, bei andauernder erheblicher Arbeitslosigkeit
die Entschädigungsdauer allgemein oder für einzelne besonders hart betroffene Regionen oder
Wirtschaftszweige um maximal sechs Abrechnungsperioden, d. h. sechs Monate zu verlängern.
Anpassung der Arbeitsverträge
Unter Umständen ist es geboten, gewisse arbeitsvertragliche Regelungen (z. B. Boni, Spesen,
Arbeitspensen) den neuen wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen. Eine solche Anpassung lässt
sich entweder mittels einvernehmlicher Vertragsänderung durch Zustimmung des jeweiligen
Mitarbeiters oder einseitig durch den Arbeitgeber mittels Änderungskündigung durchsetzen. Bei
Letzterer gilt es zwecks Vermeidung des Aussprechens einer missbräuchlichen Kündigung darauf zu
achten, dass die jeweils geltende Kündigungsfrist des Mitarbeiters voll eingehalten wird. Wird
beispielsweise einem Mitarbeiter mit einer vertraglichen Kündigungsfrist von zwei Monaten im
Februar eine Änderungskündigung ausgesprochen, dürfte der gleichzeitig mit der Kündigung neu
unterbreitete Vertrag frühestens per 1. Mai Geltung haben. Soweit das Unternehmen gezwungen ist,
eine Mehrzahl von Änderungskündigungen auszusprechen, muss zudem beachtet werden, dass es
sich hierbei allenfalls um eine Massenentlassung im Sinne von Art. 335d ff. OR handelt, weshalb die
entsprechenden Vorschriften ebenfalls einzuhalten wären.
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Pflicht zur Gleichstellung
Thomas M. Meyer, ALPHA, 23. 01. 2010
Was müssen Betroffene aufgrund des Gleichstellungsgesetzes beachten?
Welche Ansprüche haben Personen, die von einer Geschlechterdiskriminierung betroffen sind
und wer trägt die Beweislast?
Das am 1. Juli 1996 in Kraft getretene Gleichstellungsgesetz bezweckt die Förderung der tatsächlichen
Gleichstellung von Frau und Mann im Erwerbsleben. Das Gesetz sieht denn auch verschiedene wichtige
Regelungen vor, die nachfolgend im Überblick dargestellt werden sollen.
Verbot der Diskriminierung
Zentrales Kernstück des Gleichstellungsgesetzes bildet das in Art. 3 enthaltene Diskriminierungsverbot,
welches ausdrücklich vorschreibt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund ihres Geschlechts
weder direkt noch indirekt benachteiligt werden dürfen, namentlich nicht unter Berufung auf den Zivilstand, auf
die familiäre Situation oder, bei Arbeitnehmerinnen, auf eine Schwangerschaft. Dabei ist zu beachten, dass das
Diskriminierungsverbot einen sehr weiten Anwendungsbereich hat, gilt es doch insbesondere für die Anstellung,
Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung als auch bei der
Beförderung und Entlassung. In der Praxis bildet der Hauptanwendungsbereich dieser Bestimmung die Frage,
ob im konkreten Fall eine geschlechterspezifische Lohnungleichheit vorliegt. Dabei gilt es zu berücksichtigen,
dass das Gleichstellungsgesetz nur die Lohngleichheit zwischen Frau und Mann und nicht etwa unter
Arbeitnehmern des gleichen Geschlechts gewährleistet. Zuweilen liegt eine indirekte Diskriminierung vor. Dies
ist dann der Fall, wenn die Ungleichbehandlung äusserlich geschlechtsneutral erscheint, jedoch im Ergebnis
überwiegend das eine Geschlecht benachteiligt, ohne dass dies durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Eine
solche indirekte Diskriminierung wäre beispielsweise dann gegeben, wenn ein Unternehmen für
Teilzeitmitarbeitende generell schlechtere Arbeitsbedingungen vorsieht und dies im konkreten Fall dazu führt,
dass davon grösstenteils nur Arbeitnehmerinnen betroffen sind, da erheblich mehr Frauen als Männer Teilzeit
arbeiten.
Sexuelle Belästigung
Bereits aufgrund der Fürsorgepflicht nach Art. 328 des Obligationenrechts ist der Arbeitgeber dafür
verantwortlich, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht sexuell belästigt werden und den Opfern von
sexuellen Belästigungen keine weiteren Nachteile entstehen. Aber auch das Gleichstellungsgesetz regelt die
Diskriminierung durch sexuelle Belästigung und hält dabei ausdrücklich fest, dass jedes belästigende Verhalten
sexueller Natur oder ein anderes Verhalten aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit, das die Würde von Frauen
und Männern am Arbeitsplatz beeinträchtigt, diskriminierend ist. Darunter fallen insbesondere Drohungen, das
Versprechen von Vorteilen, das Auferlegen von Zwang und das Ausüben von Druck zum Erlangen eines
Entgegenkommens sexueller Art. Der Arbeitgeber ist deshalb verpflichtet, Massnahmen zur Verhinderung
sexueller Belästigungen zu treffen. Zu solchen Massnahmen gehören beispielsweise die Information und
Sensibilisierung der Mitarbeitenden durch Merkblätter, die Bekanntgabe und Umsetzung einer diesbezüglichen
Unternehmenspolitik sowie die Einführung interner oder externer Anlaufund Beratungsstellen. Gelingt es dem
Arbeitgeber im konkreten Fall nicht, den Beweis zu erbringen, die erforderlichen und zumutbaren Massnahmen
zur Verhinderung sexueller Belästigungen im Betrieb getroffen zu haben, wird er entschädigungspflichtig.
Sanktionen bei Verstössen
Damit den Vorgaben des Gleichstellungsgesetzes auch tatsächlich Folge geleistet wird, sieht
Letzteres denn auch erhebliche Sanktionen vor. So kann bei einer Lohndiskriminierung die betroffene
Person die Nachzahlung der Lohndifferenz für die Vergangenheit, beschränkt auf die gesetzliche
Verjährungsfrist von fünf Jahren, verlangen. Für den Fall einer geschlechterdiskriminierenden
Kündigung des Arbeitsverhältnisses sieht das Gesetz eine Entschädigungszahlung von bis zu sechs
Monatslöhnen vor. Aber auch Personen, deren Bewerbung für eine Anstellung aus
geschlechterdiskriminierenden Gründen nicht berücksichtigt wurde, haben einen Anspruch auf
Entschädigung, welcher jedoch maximal drei Monatslöhne beträgt. Dabei kann eine Person, die den
Verdacht hat, aufgrund des Geschlechts nicht angestellt worden zu sein, vom entsprechenden
Arbeitgeber eine schriftliche Begründung verlangen. Will die betroffene Person in der Folge den
Anspruch auf Entschädigung geltend machen, muss sie die entsprechende Klage innert drei
Monaten, nachdem ihr der Arbeitgeber die Ablehnung der Anstellung mitgeteilt hat, erheben,
ansonsten der Anspruch verwirkt ist. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass das
Gleichstellungsgesetz auch noch besondere Kündigungsschutzregelungen enthält.
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Die Frage der Beweislast Da es für die betroffene Person oft sehr schwierig ist, den vollen Beweis
für eine behauptete Geschlechterdiskriminierung zu erbringen, sieht das Gleichstellungsgesetz eine
gewisse Beweislasterleichterung vor. Demnach muss in den in Art. 6 abschliessend genannten Fällen
eine Geschlechterdiskriminierung nur glaubhaft gemacht werden. Soweit eine solche
Glaubhaftmachung der betroffenen Person gelingt, führt dies zu einer Beweislastumkehr mit der
Folge, dass der Arbeitgeber das Fehlen einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung zu beweisen
hat. Kann also beispielsweise die Arbeitnehmerin glaubhaft machen, dass ihr aufgrund des
Geschlechts gekündigt wurde, liegt es am Arbeitgeber, den vollen Beweis dafür zu erbringen, dass
die Kündigung in Tat und Wahrheit aus anderen, rechtlich zulässigen Gründen erfolgte. Gelingt dieser
Beweis nicht, wird der Arbeitgeber entschädigungspflichtig.
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Ferienknatsch vermeiden
Thomas M. Meyer, ALPHA vom 5. 2. 2011
Welcher Ferienanspruch besteht von Gesetzes wegen? Wer bestimmt den Zeitpunkt der Ferien und wie
verhält es sich bei Krankheit während der Ferien?
Thomas M. Meyer
Oftmals führt das Thema Ferien im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu hitzigen Diskussionen. Dies
insbesondere in den Fällen, wo sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer über den Zeitpunkt des Ferienbezugs
uneinig sind oder der Mitarbeitende nach seiner Rückkehr aus den Ferien geltend macht, er hätte die Ferien aus
krankheitsbedingten Gründen nicht voll geniessen können. Nachfolgend soll auf einige wichtige Aspekte
eingegangen werden.
Anzahl Ferientage
Hinsichtlich der Feriendauer schreibt Art. 329a des Obligationenrechts (OR) vor, dass der gesetzliche
Mindestferienanspruch für Arbeitnehmer bis zum vollendeten 20. Altersjahr fünf Wochen beträgt. Alle anderen
Arbeitnehmer haben von Gesetzes wegen einen Anspruch auf vier bezahlte Ferienwochen. Dabei muss jedoch
berücksichtigt werden, dass die meisten Gesamtarbeitsverträge und auch eine Vielzahl von Unternehmen, die
keinem Gesamtarbeitsvertrag unterstehen, über diesen gesetzlichen Mindestferienanspruch hinausgehen. Dies
insbesondere für Mitarbeitende ab einem gewissen Alter. In Bezug auf den gesetzlichen Mindestferienanspruch
gilt es im Weiteren zu beachten, dass das Schweizer Volk in Kürze über eine gültig zustande gekommene
Volksinitiative des Gewerkschaftsdachverbandes «Travail. Suisse» abstimmen wird, die vorsieht, dass alle
Arbeitnehmer inskünftig Anspruch auf jährlich mindestens sechs Wochen bezahlte Ferien haben sollen. In der
Praxis kommt es häufig zu Diskussionen über die Anzahl Ferientage von Teilzeitmitarbeitenden, wobei Letztere
ebenfalls Anspruch auf den gesetzlichen Mindestferienanspruch haben. Wie viele Ferientage dies ausmacht,
berechnet sich aufgrund des Teilzeitgrades. Eine 40-jährige Mitarbeiterin, die in einem 60 % Arbeitspensum
beschäftigt ist und jeweils von Montag bis Mittwoch ganztags arbeitet, hat somit Anspruch auf 12 Ferientage (60
% von 20 Tagen). Diese 12 Ferientage entsprechen vier vollen Ferienwochen, da die Mitarbeiterin pro Woche
nur drei Tage arbeitet und folglich für jede Ferienwoche auch nur drei Ferientage benötigt.
Zeitpunkt des Ferienbezugs Häufig wird über den Zeitpunkt des Ferienbezugs gestritten. Dies insbesondere
dann, wenn eine Vielzahl von Mitarbeitenden zum selben Zeitpunkt Ferien beziehen möchten. Dabei gilt es zu
beachten, dass nach Art. 329c OR der Arbeitgeber den Zeitpunkt der Ferien bestimmt, wobei er aber verpflichtet
ist, auf die Wünsche des Arbeitnehmers so weit Rücksicht zu nehmen, als dies mit den Interessen des Betriebes
vereinbar ist. Somit ist beispielsweise Mitarbeitern mit schulpflichtigen Kindern Vorrang zu geben, wenn es um
die Frage geht, wer im Betrieb während der Schulferien Urlaub nehmen darf. Das Gesetz schreibt weiter vor,
dass pro Jahr wenigstens zwei Ferienwochen zusammenhängend gewährt werden müssen. Eine vollständige
Zerstückelung der Ferien in Einzeltage ist somit unzulässig. In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass die
Mitarbeitenden sehr kurzfristig angewiesen werden, Ferientage zu beziehen. Eine solche kurzfristige
Ferienanordnung ist gegen den Willen des davon betroffenen Mitarbeiters jedoch grundsätzlich unzulässig, da
Letzterem bei der Ansetzung der Ferien genügend Zeit für die Ferienplanung eingeräumt werden muss. Nach
der Rechtsprechung müssen deshalb Ferien in der Regel mindestens drei Monate im Voraus angekündigt
werden, wobei der Arbeitgeber grundsätzlich an die einmal vorgenommene Ferienzuteilung gebunden ist. Ohne
Zustimmung des Mitarbeiters dürfen deshalb bereits festgelegte Ferien nur ausnahmsweise verschoben
werden, sofern die betrieblichen Interessen dies unbedingt erfordern. In dringenden Notfällen besteht sogar das
Recht, den Mitarbeiter aus bereits angetretenen Ferien zurückzurufen. Der Arbeitgeber trägt jedoch sämtliche
dadurch entstehende Kosten.
Viele Arbeitsverträge und Personalreglemente sehen vor, dass die Mitarbeitenden verpflichtet sind, den
gesamten Ferienanspruch bis zum Ende des betreffenden Kalenderjahres (oder bis zu einem definierten
Zeitpunkt des Folgejahres) zu beziehen, ansonsten die bis zu diesem Zeitpunkt nicht bezogenen Ferientage
verfallen. Eine solche Regelung lässt sich jedoch nicht durchsetzen, da der Ferienanspruch der gesetzlichen
Verjährungsfrist unterliegt. Das Bundesgericht hat in einem neuen Entscheid unlängst festgehalten, dass die
entsprechende gesetzliche Verjährungsfrist fünf Jahre beträgt.
Krankheit während der Ferien
Es kommt immer wieder vor, dass Mitarbeitende während der Ferien erkranken oder verunfallen. Dabei stellt
sich häufig die Frage, inwieweit diese verpassten Ferientage nachbezogen werden können. Dabei gilt der
Grundsatz, dass der Mitarbeitende immer dann einen Anspruch auf Nachgewährung der verpassten Ferientage
hat, sofern der Erholungszweck der Ferien dadurch tatsächlich vereitelt wurde. Kein Anspruch auf
Nachgewährung besteht bei kleineren Unpässlichkeiten wie Unwohlsein oder Kopfschmerzen während eines
einzelnen Ferientages. Die Beeinträchtigung muss ein erhebliches Ausmass angenommen haben wie
beispielsweise bei mehrtägiger Bettlägrigkeit aufgrund einer Grippe. Um auch hierüber Diskussionen möglichst
zu vermeiden, empfiehlt es sich, vertraglich klar zu regeln, dass bei einer krankheits- oder unfallbedingten
«Ferienunfähigkeit» ein entsprechendes Arztzeugnis eingereicht werden muss.
alpha: Artikel zum Einzalarbeitsvertrag 65
Im Zusammenhang mit Ferien ist immer wieder darauf hinzuweisen, dass Art. 329d OR ausdrücklich festhält,
dass Ferien während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht durch Geldleistungen abgegolten werden dürfen.
Die Gerichtspraxis lässt nur in eng umschriebenen Fällen und unter klar definierten Voraussetzungen gewisse
Ausnahmen von diesem strengen Abgeltungsverbot zu. Ein Verstoss gegen das Abgeltungsverbot hat
erhebliche Konsequenzen, führt dies doch zur nochmaligen Bezahlung des Ferienlohnes durch den Arbeitgeber.
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