Blatt 6: Summe und Produkt — Topologische Grundrechenarten II —

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Topologie
M. Eisermann / F. Stoll
WiSe 2016/2017
Blatt 6: Summe und Produkt
— Topologische Grundrechenarten II —
1. I NNERE L EERE ?
1.1. Seien X und Y topologische Räume, sowie A ⊂ X und B ⊂ Y . Zeigen Sie:
(a) A t B = A t B, (A t B)◦ = A◦ t B◦ und δ (A t B) = δ A t δ B.
(b) A × B = A × B, (A × B)◦ = A◦ × B◦ und δ (A × B) = (δ A × B) ∪ (A × δ B).
1.2. Sei X = ∏i∈I Xi ein Produkt topologischer Räume und Ai ⊂ Xi .
[3P] (a) Zeigen Sie ∏i∈I Ai = ∏i∈I Ai und (∏i∈I Ai )◦ ⊂ ∏i∈I A◦i .
(b) Was ist das Innere (∏i∈N [0, 1])◦ von ∏i∈N [0, 1] in ∏i∈N R?
2. U NIVERSELL HILFT SCHNELL !
2.1. Seien (X, TX ) und (Y, TY ) topologische Räume. Der Graph einer Abbildung f :
[4P] X → Y ist die Teilmenge Γ f = {(x, y) ∈ X ×Y | f (x) = y} im Produktraum X ×Y .
Weiter sei π : Γ f → X : (x, y) 7→ x die Projektion auf X. Zeigen Sie:
(a) Die Abbildung π ist bijektiv und stetig.
(b) Die Abbildung π ist genau dann ein Homöomorphismus, wenn f stetig ist.
(c) Ist f stetig und Y hausdorffsch, dann ist der Graph Γ f abgeschlossen in X ×Y .
3. T RENNEN S IE DIE T RENNUNGSAXIOME !
3.1. Finden Sie topologische Räume mit endlicher Trägermenge, sodass
[1P] (a) T4 , aber nicht T3 erfüllt ist,
(b) T4 und T3 , aber nicht T2 erfüllt ist.
3.2. Zeigen Sie: Für jeden topologischen Raum (x, TX ) sind äquivalent:
[2P] (a) X ist ein T1 -Raum.
(b) Jede einelementige Menge {x} ⊂ X ist abgeschlossen.
(c) Jede Menge A ⊂ X ist der Durchschnitt all ihrer Umgebungen.
3.3. Zeigen Sie: Für jeden topologischen Raum (X, TX ) sind äquivalent:
(a) X ist ein T2 -Raum.
(b) Die Diagonale ∆X = {(x, x) | x ∈ X} ⊂ X × X ist abgeschlossen.
(c) Der Durchschnitt aller abgeschlossenen Umgebungen von x ist {x}.
4. F ORTSETZUNG FOLGT . . .
4.1. Zeigen Sie X := Rn \ ({0Rn−m } × Rm ) ∼
= R>0 × Sn−m−1 × Rm ∼
= Rm+1 × Sn−m−1
für n > m > 0. Für n = 3, m = 1 sind dies die klassischen Zylinderkoordinaten.
4.2. Sei f : R → R3 eine Einbettung mit f (x) = (x, 0, 0) für |x| ≥ 1. Wir werden später
[2P] zeigen können, dass f abgeschlossen ist. Die Skizzen im Rand dieses Aufgabenblattes zeigen die Bilder möglicher Einbettungen.
(a) Zeigen Sie, mit einem Satz der Vorlesung, dass f eine Retraktion erlaubt.
(b) Geben Sie explizit eine Retraktion falls f (x) = (x, 0, 0) für alle x ∈ R.
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Stand 18. November 2016
Topologie
M. Eisermann / F. Stoll
WiSe 2016/2017
M OTIVATION / AUSWAHL DER AUFGABEN
Aufgabe 1: Abschluss und Inneres sind zentrale Begriffe, hier üben Sie dies in Summen
und Produkten. Pikantes Detail: Es kommt, wie auf dem vorigen Blatt schon erklärt, immer auf das richtige Ambiente an! In der Aussage A × B = A × B ist der erste Abschluss in
X ×Y , der zweite in X, der dritte in Y . Klar, wo sonst? Es ist üblich, das „Offensichtliche“
nicht weiter zu betonen, aber die Entschlüsselung bedarf anfangs sicherlich der Übung.
Für endliche und vor allem unendliche Produkte müssen Sie die Definition der Produkttopologie genau lesen und verstehen. Die Berechnung von (∏i∈N [0, 1])◦ zwingt zu dieser
Genauigkeit, und das Ergebnis ist einigermaßen überraschend. Intuition? Definition!
Aufgabe 2: Machen Sie sich einige Skizzen zu stetigen und unstetigen Funktionen. Damit
sollten die Aussagen anschaulich klar werden. Die Beweise dienen Ihnen anschließend
zur Einübung der nötigen Begriffe und Techniken.
Aufgabe 3: Die Trennungsaxiome T1 , T2 , T3 , T4 gelten in jedem metrischen Raum. Für
topologische Räume gilt T2 ⇒ T1 , und mit T1 gilt T4 ⇒ T3 ⇒ T2 . Die Umkehrungen gelten
im Allgemeinen nicht. Wie zeigt man das? Durch Gegenbeispiele!
Aufgabe 4: Für die Gerade f (x) = (x, 0, 0) ist eine Retraktion nicht schwer zu finden (b).
Aber für einen Knoten sieht man zunächst keine Retraktion (a), vielleicht glaubt man gar
nicht daran. Mit den Werkzeugen der Vorlesung können Sie diese Frage kurz und elegant
lösen! Wenn die Phantasie versagt, hilft der Fortsetzungssatz von Tietze: Er garantiert uns
die Existenz stetiger Abbildungen, die wir sonst nur mühsam beschaffen können. Wenn
Sie zusätzlich Anschauung oder Intuition wollen, so kann ich zwei Geschichten anbieten:
Physikalische Intuition: Wir denken uns A = f (R) als Draht mit stetiger Temperaturver∼
teilung g : A −
→
]−1, 1[, strikt monoton längs A, zudem zeitlich konstant gehalten. Der
umgebende Raum habe anfangs die Temperatur 0. Nun lassen wir die Wärme im R3
fließen, etwa bis zum Gleichgewicht: In jedem Punkt x ∈ R3 herrscht schließlich eine
Temperatur G(x) ∈ ]−1, 1[. In x ∈ A ist dabei G(x) = g(x) die vorgegebene Temperatur.
Damit ist g−1 ◦ G : R3 → A eine Retraktion. Was beweist das? Noch gar nichts. Aber es
ist eine schöne Geschichte. Wie jedes Märchen kann und soll es die Phantasie anregen. . .
Geometrische Intuition: Ist f stückweise affin (oder glatt),
so existiert eine Schlauchumgebung F : R × D2 ,→ R3 mit
F(x, 0, 0) = f (x). Wir richten sie so ein, dass F(x, y, z) = (x, y, z)
für |x| ≥ r gilt. Zudem ist B = F(R × D2 ) eine abgeschlossene
Umgebung von A in R3 , F(R × B2 ) offen und F(R × S1 ) der
Rand: Hier können wir es explizit herstellen, später können wir
es allgemein folgern aus der Invarianz des Gebietes. Wir können damit G : R3 → R konstruieren: Außerhalb von B setzen
wir G = 0. Auf B setzen wir G ◦ F(x, y, z) = x(1 − y2 − z2 ). Die
Verklebung ist stetig und erfüllt G ◦ f = idR . Was beweist das?
Mehr als nötig! Die Konstruktion von F benötigt Sorgfalt und
gelingt nur für zahme Knoten, nicht für wilde. Eine weitere Anregung Ihrer Phantasie. . .
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Stand 18. November 2016
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