Sozialwort der 14 christlichen Kirchen in Österreich

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Sozialwort der 14 christlichen Kirchen in Österreich
Gleichzeitig mit dem Erscheinen dieser Ausgabe von INTERESSE - Soziale Information,
veröffentlichen die österreichischen christlichen Kirchen ihr gemeinsames Sozialwort.
Bischof Maximilian Aichern ersucht, das Sozialwort in ganz Oberösterreich zu
verbreiten, zu studieren und Veranstaltungen zu organisieren, besonders auch in
Pastoral und Religionsunterricht.
Wir vom Sozialreferat werden ab Dezember 2003 und während des ganzen Jahres 2004 an
der Verbreitung des Sozialwortes der 14 christlichen Kirchen in Österreich arbeiten. Jede
Initiative, im Religionsunterricht, im Gottesdienst bzw. in der Predigt, jede
Bildungsveranstaltung, vor allem aber die sozialen Taten der kirchlichen Werke sind dazu
wichtig. Wir bitten alle Leserinnen und Leser, sich an dieser Arbeit zu beteiligen: In Ihrem
persönlichen Umfeld, durch gute Ideen und Vorschläge, eigene Initiativen, gemeinsame
Verantstaltungen etc.
Wir vom Sozialreferat stehen Ihnen dafür jederzeit zur Verfügung.
DDr. Severin Renoldner
Das Sozialwort der christlichen Kirchen ist ab sofort im Sozialreferat erhältlich (9,80
plus Porto). Bei Mehrabnahme ist eine Preisermäßigung möglich.
Tel. (0732) 7610-3251, e-mail: [email protected]
Die Redaktion legt Ihnen hier den Beitrag eines orthodoxen Theologen, der in Österreich lebt,
vor. Grigorios Larentzakis wurde auf unser Ersuchen von Metropolit Michael Staikos
beauftragt, ein offizielles Wort von orthodoxer Seite für unsere Zeitschrift zu verfassen. Es
scheint uns von großer Bedeutung, nachdem 1997 die deutschen Bischöfe - katholisch und
evangelisch! - ein soziales Rundschreiben verfassten, den orthodoxen Blickwinkel näher zu
betrachten. Die orthodoxen und altorientalischen Kirchen - viele von ihnen sind auch in
Österreich anerkannt (zuletzt die koptische Kirche) - stellen das älteste Segment der
christlichen Kirchen dar. Wegen ihrer jahrelangen Isolation in Osteuropa (mit Ausnahme:
Griechenland) werden sie in unserer Öffentlichkeit und in der Diskussion über Ökumene oft
zu wenig beachtet. Eine Sozialtheologie der orthodoxen Kirchen ist im Westen bisher kaum
bekannt. Grigorios Larentzakis, Univ.-Prof. in Graz, hat selbst orthodoxe und katholische
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Theologie studiert, und ist der wohl bedeutendste Mitarbeiter von Metropolit Staikos in
Fragen der Theologie und der sozialen Verantwortung der Kirche.
Der Mensch als Abbild Gottes und seine Würde
Aspekte einer orthodoxen Sozial-Theologie, die allen Kirchen gemeinsam sind
Grigorios Larentzakis
Zuallererst möchte ich meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass die
14 christlichen Kirchen in Österreich, also auch die Orthodoxen, in ihrer
traditionellen ökumenischen Gesinnung und Verantwortung und im
Bewusstsein der europäischen gemeinsamen Verpflichtung beschlossen haben,
gemeinsam ein Sozialwort herauszugeben. U. a. ist es auch erfreulich, weil
dadurch in einem wichtigen Bereich eine Aufforderung der Charta Oecumenica
aller europäischen Kirchen ihre Konkretisierung findet. Denn Ökumene kann
nur unter Einbeziehung der westlichen und der östlichen kirchlichen Traditionen
und nicht nur zwischen den westlichen Traditionen verwirklicht werden. Dies ist
im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union und die neue
Gestaltung Europas unter Einbeziehung der Völker des südost- osteuropäischen
Raumes unverzichtbar, auch wenn dort die soziokulturellen und religiösen
Gegebenheiten anders sind als im Westen. Sie gehören zur europäischen
Wirklichkeit mit ihrer reichhaltigen Vielfalt!
In einer Zeit also der soziopolitischen Umwälzungen ist es erforderlich, daß die
christlichen Kirchen wachsam sind, um einerseits das Grundsätzliche und
andererseits den Menschen und seine konkreten Probleme nicht aus den Augen
zu verlieren. Denn heute hat man den Eindruck, daß die religiösen Bedürfnisse
der Menschen in die Privatsphäre gestellt werden, in der irrigen Annahme, sie
seien für das konkrete Leben der Menschen in der heutigen Gesellschaft
irrelevant. Die Frage nach dem Menschen selbst, seinem Wesen und seiner
Würde, seiner Herkunft, seiner Gegenwart und seiner Zukunft wird nicht
diskutiert, vor allem dann nicht, wenn sie nicht dem Hauptziel unserer
Wohlstandsgesellschaft dient.
Die Orthodoxe Kirche bemüht sich um einen umfassenden Dialog zur
Behandlung und zur Lösung solcher sozialen Probleme: innerhalb der
Orthodoxen Kirchen, mit den Kirchen in ökumenischer Verantwortung, mit den
Religionen, mit den verantwortlichen Politikern. Diese Initiativen zeigen, daß
die Orthodoxe Kirche die Lösung der verschiedenen existentiellen Probleme der
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Menschen nicht allein, sondern nur in Zusammenarbeit mit den verschiedenen
Kräften für möglich hält. Für eine intensivere Zusammenarbeit mit den
Strukturen der Europäischen Union hat der Ökumenische Patriarch von
Konstantinopel Bartholomäos in Straßburg, im Europaparlament (1994) eine
beachtenswerte Rede gehalten. Für eine solche Zusammenarbeit hat das
Ökumenische Patriarchat und andere Orthodoxe Kirchen in Brüssel eigene
Büros eingerichtet.
Was die konkreten Fragen unserer Thematik betrifft, meine ich, dass die
orthodoxe, d.h. die christliche Anthropologie, das Menschenbild überhaupt sehr
wichtig ist, worauf sich dann auch die juridischen und die politischen
Entscheidungen stützen können, um auch soziale Probleme zu lösen.
Fangen wir an mit der Handlung, wodurch wir überhaupt Christen werden, also
mit dem Sakrament der Taufe. Die bekannte Taufformel auf den Namen des
Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes ist keine leere Formel ohne
Sinn und Inhalt, sondern sie hat eine existentielle Bedeutung für die Menschen.
Dies müssen wir uns bewußter machen, daß der christliche Gott, von dem wir
unsere Existenz und unser Christsein haben, der Dreieinige Gott ist, der in einer
Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes existiert. In
dieser Quelle liegt auch für uns das Fundament der christlichen Anthropologie,
von dort ernährt sich das christliche Menschenbild.
Halten wir fest: Der dreieinige Gott ist eine Gemeinschaft von Personen, die das
Prinzip der Gleichheit bzw. Gleichwertigkeit aufweisen, welche durch die Liebe
gemeinschaftlich verbunden sind. Dadurch wird jede Unterordnung abgelehnt
und verurteilt. Außerdem handeln die drei göttlichen Personen synergetisch
(also in Zusammenarbeit): Gott hat alles geschaffen vom Vater durch den Sohn
im Heiligen Geist. Das ist die übliche Formulierung von der Frühkirche.
Welche sind nun die Konsequenzen dieses fundamentalen christlichen Glaubens
für alle Menschen, vorausgesetzt, wir meinen es ernst?
Wir wissen von der Bibel, daß die Menschen nach dem Bild Gottes geschaffen
wurden (Gen 1, 26). Die göttliche Gemeinschaft ist also das Vorbild für uns. Im
Johannes-Evangelium Kap. 17 lesen wir: "Alle sollen eins sein: Wie du, Vater,
in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt,
daß du mich gesandt hast.... denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind." (Joh
17, 21-22). Die Qualifizierung der Menschen als Abbild Gottes ist sehr hoch.
Sie hat aber zugleich Konsequenzen für das Verhalten der Menschen Gott
gegenüber, aber auch der Menschen untereinander, miteinander und füreinander.
Diese Qualifizierung bedeutet auch Verantwortung für den Menschen und seine
unteilbare Würde.
Und wenn die Menschen, Mann und Frau, tatsächlich als Abbild Gottes
geschaffen wurden, bedeutet es, daß so wie in der Heiligen Dreieinigkeit die
Gemeinschaft der drei gleichwertigen göttlichen Personen durch das Band der
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Liebe existiert, genauso die Menschen gemäß dem Urbild in einer harmonischen
Gemeinschaft in ihrer Gleichwertigkeit, bzw. Gleichheit existieren müssen,
verbunden mit dem Band der Liebe.
Das bedeutet noch, daß von orthodoxer Seite theologisch nicht begründet
werden kann, daß einzelne Menschen, oder ein Volk qualitativ besser seien als
andere. Genauso kann man nicht behaupten, daß manche Menschen oder Völker
qualitativ minderwertiger seien als andere. Von dieser grundsätzlichen
theologischen Position her ist ebenfalls jeder ausgrenzende Nationalismus
abzulehnen und entschieden zu verurteilen.
Von dieser fundamentalen Auffassung her kann also die Würde jeder
menschlichen Person und die Gemeinschaft und die Harmonie aller in der Welt
gesehen werden. Diese Würde aller Menschen, die geachtet und respektiert
werden muß, ist auch das Fundament und die Ausgangsposition für jede
politische und juridische Schutzmaßnahme, ob sie Grundrechte heißen oder
Menschenrechte, die politisch und juridisch eingemahnt werden können und
müssen. Aus diesem Hintergrund müssen auch alle sozialen Fragen und
Sozialprobleme beurteilt, behandelt und gelöst werden.
Die Realität in dieser Welt spricht aber eine schmerzhafte Sprache. Wir wissen
es!
Trotzdem haben wir als Christen die unerläßliche Pflicht, aus unserem Glauben
die Konsequenzen für die Menschen, für Mann und Frau und für das friedliche
und soziale Zusammenleben der Völker, wie auch für die gesellschaftliche
Ordnung aller Menschen zu ziehen.
Noch einmal: Die Personalität und die Gemeinschaft, fundiert auf dem Prinzip
der Liebe, schaffen wichtige Voraussetzungen in der gesellschaftlichen,
solidarischen und sozialen Ordnung.
Konkret bedeutet das: Keine Isolierung der Individuen, kein Egoismus, kein
extremer Individualismus auf der einen Seite, und auf der anderen Seite kein
Kollektivismus, keine zusammenhanglose Existenz der Menschen-Massen, die
oft als Nummern existieren und behandelt werden, sondern eine Gemeinschaft
von Menschen mit gegenseitiger Achtung der Menschenwürde in allen
Lebensformen, Lebensbereichen und Lebensabschnitten der Menschen: der
Männer und der Frauen, der geborenen und ungeborenen, der jungen und der
alten, der gesunden und der kranken , der armen und der reichen.
So ist der christliche Glaube nicht nur eine transzendentale Spekulation aus rein
philosophisch-erkenntnistheoretischen Motiven, fern vom Leben, sondern ein
sinnvoller Wegweiser für das konkrete Leben und für das Wohl der Menschen.
Wenn wir es also mit unserem Glauben ernst meinen, dann hat es konkrete
Konsequenzen, daß der christliche Glaube nicht nur schöne Worte bleiben darf,
sondern konsequentes Handeln, tätige Liebe werden muß."Hört das Wort nicht
nur an, sondern handelt danach; sonst betrügt ihr euch selbst."(Jak. 1, 22).
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Noch viele Fragen könnten erwähnt werden, wie z.B. das Minderheiten-Problem
(ethnisch-kulturell-religiös usw.), Einwanderung, Fremdenangst-Xenophobie,
Fremdenhaß, "Gastarbeiter"- und Asyl-modalitäten usw.
Abschließend möchte ich auf ein gesamtorthodoxes Dokument aus dem Jahre
1986 hinweisen, das viele orthodoxe Aspekte der genannten Fragen anspricht.
Der Titel dieses Dokuments lautet: ” Der Beitrag der Orthodoxen Kirche zur
Verwirklichung des Friedens, der Gerechtigkeit, der Freiheit, der Brüderlichkeit
und der Liebe zwischen den Völkern sowie zur Beseitigung der Rassen- und
anderen Diskriminierungen”. Über die Gleichheit, ich würde lieber sagen über
die Gleichwertigkeit aller Menschen, betont dieses Dokument ausdrücklich, daß
jeder einzelne Mensch "unabhängig von Farbe, Religion, Rasse, Nationalität
und Sprache- das Bild Gottes in sich trägt und unser Bruder oder unsere
Schwester ist und gleichberechtigtes Glied der menschlichen Familie”. Hier
wird auch die soziale Dimension des christlichen Glaubens als Grundauffassung
der Orthodoxen Kirche besonders hervorgehoben: "Denn Gottes Wille, der auch
heute nichts anderes als das Heil des konkreten Menschen hier und jetzt zum
Ziel hat, verpflichtet uns, dem Menschen zu dienen und uns unmittelbar mit
seinen konkreten Problemen auseinanderzusetzen. Getrennt von der
diakonischen Sendung ist der Glaube an Christus sinnlos. Christsein bedeutet,
Christus nachzufolgen und bereit zu sein, ihm im Schwachen, im Hungrigen und
Unterdrückten und allgemein in jedem Hilfsbedürftigen zu dienen. Jeder andere
Versuch, Christus unter uns real gegenwärtig sehen zu wollen, ohne ihn in dem
zu suchen, der unserer Hilfe bedarf, ist leere Ideologie." (VII,4).
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