Pferdegottheiten

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Pferdegottheiten
In den eingeborenen religiösen Traditionen Europas gibt es viele Gottheiten - sowohl männliche als auch
weibliche - die eng mit dem Pferd, seinen magischen und mythischen Kräften und dem ursprünglichen
Grund seiner heiligen Würde, seiner Rolle als Repräsentant des Totemgeistes im schamanischen
Glauben unserer rühesten Vorfahren verbunden sind. Vom altsteinzeitlichen Schamanismus, der mit dem
Göttlichen allein durch die Geister der Tiere kommunizierte, entfaltete sich die Alte Naturreligion zu einem
weitreichenderen Erfahrungsfeld, das auch Visionen von Göttinnen und Göttern in Gestalt menschlicher
oder halbmenschlicher Wesen einschloß. Die Menschen begannen die Große Göttin als wichtigste
Gottheit und Mutter ihrer Clans und Stämme zu verehren. Das Clan-Totem wurde ihr männlicher Partner,
der mehr und mehr menschlich erschien und sich schließlich zur Vision des Stammesgottes wandelte,
später bei den Kelten bekannt als Teutates ("Volksvater") und bei den germanischen Stämmen als Wodan
der Allvater. In einigen griechischen Stämmen war das Poseidon, dessen Name "Gatte der Erdgöttin")
bedeutet. Alle diese Stammesgötter haben enge Verbindungen zum alten Totem, dem Pferd. Zumindest
war es ihr heiliges Tier.
Das Pferde-Totem
Totemismus ist keine religiöse Verehrung der Tiere selbst, sondern des Göttlichen Geheimnisses, das
sich in ihnen offenbart. Obwohl es in allen Tieren einer bestimmten Spezies lebt und durch sie erreicht
werden kann, ist das Totem selbst ein Geist der Anderswelt, dessen eigentliches Wesen nur in der
Visionssuche, schamanischen Reise oder mythischen Inspiration erfahren werden kann. Das Toten ist
eine "Maske der Gottheit", die einige essentielle Eigenschaften und Kräfte des Göttlichen offenbart diejenigen, welche die Menschen in bestimmten Tieren, denen sie sich nah und ähnlich fühlen, verkörpert
sehen. Diese spirituelle Beziehung wird als reale Verwandtschaft wahrgenommen, denn das Totem
verkörpert das Göttliche, und das Göttliche ist der Ursprung des Lbens: Wir sind alle Kinder der Erde,
deren Partner in der Schöpfung das Totem ist. So könbnen wir sagen, daß das Totem unser Vorfahr ist
(da es sich um eine spirituelle Verwandtschaft handelt, widerspricht sie nicht unserer biologischen
Herkunft). Wir können auch sagen, daß wir und unser Totem die jüngeren und älteren Kinder derselben
Gottheit sind - wie manche amerikanische Eingeborene, die Bärenclans angehören, den Grizzly "älterer
Bruder" nennen.
In allen totemistischen Gesellschaften gibt es zwei typische Bräuche: Weil sie bestimmte Tiere als ihre
Verwandten ansehen, essen sie sie niemals außer in bestimmten Riten zur Erneuerung ihrer
Verwandtschaft, und andererseits nennen sie oft ihre Kindr nach dem Totem. Im alten Europa waren
pferdebezogene Namen bei den keltischen und germanischen Völkern selten (oder Adeligen wie Hengest
und Horsa vorbehalten), aber ziemlich häufig in Griechenland. Es gibt zum Beispiel Philippos
(Pferdefreund), Leukippe (weiße Stute, sinngleich mit dem deutschen Namen Hroswitha), Xanthippe
(blonde Stute) oder Hipparchos (Pferdemeister). Was das Essen von Totemtieren betrifft, aßen Kelten und
Germanen nur dann Pferdefleisch, wenn die Tiere den Göttern geopfert worden waren - Pferde zu essen
war ein heiliger Ritus der Kommunion mit den Göttern und den Geistern der Ahnen, was auch der Grund
war, warum es die Kirche im Jahr 732, während der Konfrontation mit dem germanischen Heidentum,
verboten hat.
Wodan und die Wilde Jagd
In der germanischen Tradition wurden Pferde nur den höchsten Göttern geopfert, besonders dem
höchsten Gott selbst, Wodan, dessen nordischer Name Odin ist. Obwohl er heute am besten als Gott der
Wikingerkrieger bekannt ist, ist er eigentlich kein Kriegsgott, sondern in erster Linie der Gott von Weisheit,
Runenweissagung und Magie, Heilung und Dichtung. In den Mythen wird berichtet, daß er eines seiner
Augen hergab, um aus der Quelle der Weisheit zu trinken. Er ist auch der Herr des Schicksals und der
nordische psychopompos, d.h. der Führer der Toten, der die besten von ihnen, wie es in der nordischen
Mythologie heißt, in seinem Andersweltpalast Walhall aufnimmt. In der englischen und deutschen Tradition
ist er der Führer der Wilden Jagd, eines Trupps von toten Reitern, der während der Zwölfnähte oder
Rauhnächte zu Mittwinter erscheint, den Nächten zwischen den Jahren im alten germanischen Kalender.
Der Grund dafür ist, daß Wodan seit ältester Zeit als "Allvater" verehrt wird, ähnlich dem griechischen Titel
des Zeus als "Vater der Götter und Menschen", was bedeutet, daß er, neben der Mutter Erde, der göttliche
Ursprung und Vorfahr des Volkes ist, das ihn verehrt. Deshalb reitet er an der Spitze der Ahnen, die in der
Wilden Jagd escheinen. Wodan ist ein Reiter, ein Pferdemensch, weil er mit dem Totemgeist eins ist, der
nun sein tierischer Begleiter und eines seiner wichtigsten heiligen Tiere geworden ist. Andere sind der
Wolf und der Rabe, die vielleicht Totemtiere von Clans waren, die von den dominierenden
indoeuropäischen Pferdevlans assimiliert wurden, oder Totems besonderer Gilden von Wodan-Verehrern.
Wie Wolf und Rabe, die Aas fressen, hat auch das Pferd Beziehung zum Tod. Ein Grund mag sein, daß
es der Geist der Ahnen ist und die meisten Ahnen natürlich tot sind. Ein anderer ist sicherlich die Fähigkeit
des Pferdes, im Dunklen zu sehen, die ihn zu einem Führer auf der dunklen Reise ins Land der
Abgeschiedenen macht.
Die alten Künstler stellten Wodan immer als Reiter wie in der Graphik oben dar, die ihn auf seinem
achtbeinigen Hengst Sleipnir, dem Sohn des Feuergotts Loki, zeigt. Sleipnir trug seinen Reiter durch alle
Welten und sogar ins Land der Toten, Hel. Niemand, der durch das Tot von Hel gegangen ist, kann jemals
wiederkehren. Sleipnir war das einzige Wesen, das über das Tor springen konnte, und so brachte er
Hermodur, den Sohn Odins, von seiner Reise nach Hel zurück. Odin selbst und Sleipnir wurden von den
Wikingern als untrennbare Einheit betrachtet. Ein populäres Rätsel lautete: "Wer hat zehn Beine, drei
Augen und einen I>one Schweif?" Die Antwort ist: Odin auf Sleipnir - beide als ein Wesen genommen.
Neben seiner Darstellung als Reiter wurde Wodan in früher Zeit offenbar auch als eine Art Kentaur
dargestellt, wie er auf den berühmten Hörnern von Gallehus in Dänemark zu sehen ist - siehe Kentauren
des Nordens.
Die Rosse des Poseidon
Der griechische Pferdegott ist Poseidon, am besten bekannt als Gott des Meeres, dessen Wellen von den
Dichtern "Rosse des Poseidon" genannt wurden. Wie sein Name zeigt (aus "potis Daon" = Gatte der
Mutter Erde), ist Poseidon eigentlich ein Erdgott oder der männliche Partner der Erdgöttin und damit eng
mit dem früheren Totemgeist verbunden. Das wird klar im Mythos seiner heiligen Hochzeit mit Demeter
erzählt. In Trauer über den Verlust ihrer Tochter Persephone, die vom Totengott Hades entführt wurde,
wollte sich die Göttin verbergen und verwandelte sich in eine Stute. Poseidon bemerkte die göttliche Natur
dieser Stute, verliebte sich in sie und näherte sich ihr als Hengst. In diesem Mythos ist Demeter die weiße
Stute der Anderswelt, wie die keltischen Pferdegöttinnen, aber sie wurde auch als schwarze Stute der
Erde verehrt, zumindest in Arkadien, wo sie als Frau mit einem schwarzen Pferdekopf dargestellt wurde.
Ein anderer Mythos erzählt, daß Poseidon Medusa liebte, die sterbliche der drei Gorgonen. Als Perseus
sie tötete und ihren Kopf abschnitt, sprang aus ihrem Hals das geflügelte Pferd Pegasos.
Nicht zuletzt zeugte Poseidon ein Pferd mit der materiellen Erde, dem Boden Griechenlands, und das war
der Vorfahr aller Pferde. Es wird erzählt, daß er auf dem Hügeö Kolonos bei Athen schlief. Sein Samen fiel
auf den Hügel, der das erste Pferd gebar. Andere erzählen, daß Poseidon das Pferd während seines
Streits mit Athene um die Herrschaft über Attika geschaffen hat. Zeus beschloß, daß derjenige das Land
regieren sollte, dessen Geschenke am nützlichsten für seine Bewohner sind. Eines der Geschenke
Poseidons war das Pferd, das er aus einem Felsen schuf. Siegerin dieses Wettbewerbs wurde bekanntlich
Athene, die den Ölbaum schuf. Aber der Wettstreit selbst beweist, daß das nicht immer sicher war. Für
eine bestimmte Zeit war der Kult des Poseidons für die Athener zumindest ebenso bedeutend wie der Kult
Athenes.
Vor der klassischen Verehrung des Zeus als panhellenischem Hauptgott verehrten einige griechische
Stämme offenbar Poseidon als die höchste männliche Gottheit oder zumindest als ihren speziellen
Vatergott. Einer davon dürften die Athener gewesen sein, deren größter Held und Gründer ihres
Gemeinwesens, Theseus, ein Sohn Poseidons war. Ein anderer waren die Trojaner. Die Mauern Trojas
wurden von Poseidon selbst gebaut, sodaß die Griechen die Stadt nicht erobern konnten, bevor sie die
Trojaner oder, besser gesagt, den Gott selbst täuschten, indem sieihnen "zu Ehren" Poseidons ein
gigantisches hölzernes Pferd "schenkten". Das Land um Troja war die erste Region im griechischen
Gebiet, wo Pferde gezüchtet wurden. Später kamen die berühmtesten Pferde Griechenlands aus
Thessalien, dem Land der Kentauren.
Epona - die Pferdegöttin
Wie wir bei Demeter gesehen haben, ist die Pferdegottheit nicht immer der männliche Partner, sondern
kann auch die Große Göttin selbst sein. Das war der verbreitetste Glaube bei den Kelten, die viele
Pferdegöttinnen verehrten. Im kontinentalen Keltisch hieß die Große Göttin Rigantona, d.h. Göttliche
Königin, und dieser Name ist der Ursprung der walisischen Rhiannon, der Königin von Annwn, der
Andrsweld. Am besten bekannt ist Rhiannons Erscheinung vor Pwyll als göttliche Reiterin auf einer weißen
Stute, die er nicht erreichen konnte, bevor er sie anredete. Andere keltische Pferdegöttinnen sind die
irische Macha (= Stute) und Etain Echraide (Etain Pferdereiterin), beide wie Rhiannin mit dem keltischen
Mythos der Souvernität verbunden, wonach der König mit der Göttin des Landes verheiratet sein muß.
Über ihnen allen ist die bedeutendste keltische Pferdegöttin Epona, die in Gallien, Süddeutschland,
Österreich, Spanien, Osteuropa, Anatolien, dem keltischen Norditalien und sogar in Rom verehrt wurde,
dessen Einwohner sonst keine Gottheit aus dem "barbarischen" Norden übernahmen. Eponas Name
bedeutet "göttliche Stute" oder "Göttin Stute", aber durch den Einfluß der römischen Kunst im
kontinentalen Keltien wurden nur Schreine und Votivskulpturen gefunden, die sie als anthropomorphe
Göttin zwischen oder auf Pferden reitend zeigen, oft beim Füttern von Fohlen, um ihre Beziehung zur
Fruchtbarkeit und besonders zur Pferdezucht zu symbolisieren. Unter den Römern, die den Kult Eponas
übernahmen, wude sie am meisten von Pferdezüchtern, Kavalleriesoldaten und privaten Pferdemenschen
verehrt, die neben oder in den Stallungen aediculae (kleine Schreine) mit ihrem Bildnis bauten und mit
Rosen schmückten. Sie hatten Epona von keltischen Pferdemenschen, nicht von Druiden, kennengelernt
und kannten sie ausschließlich als eine Göttin, die für das Wohlergehen der Pferde verantwortlich ist. Das
ist natürlich sehr wichtig, aber Epona ist viel mehr: Sie ist die pferdegestaltige Große Göttin selbst - Göttin
von Leben und Tod, Göttin von Land und Volk, Göttin von Souveränität und Anführerschaft.
In der Dreiheit der Großen Göttin ist Epona die Junge, die Tochter, wie man der Geschichte ihrer Geburt
entnehmen kann, die der griechische Autor Agesilaos nacherzählt hat. Wie er hörte, gab es einen Mann
namens Furius Stellus, der "Frauen haßte und Verkehr mit einer Stute hatte. Nach der üblichen Zeit gebar
sie ein scönes Mädchen, das sie Epona nannte. Es ist offensichtlich, daß das eine typische
Druidengeschichte ist, die die Wahrheit in einem Rätsel erzählt. "Furius Stellus" klingt wie ein gallorrömischer lateinischer Name, aber es ist mehr. "Furius" bedeutet "rothaarig", und "stellus" ist die
männliche Form von "stella", Stern. Furius Stellus ist also der "rote Stern", d.h. Mars - der italische
Kriegsgott, dessen Namen die Römer sowohl Taranis als auch Teutates gaben, den höchsten Göttern
vieler keltischer Völkr, die ihn als ihren Stammesgott verehrten. Und die Stutenfrau des Stammesgottes ist
die Große Göttin. Epona ist die wiedergeborene Große Göttin, Rigantona, und die Tochter-eins-mit-derMutter in ihrer Dreiheit. Es ist die höchste Verkörperung weiblicher Göttlichkeit, die unsere keltischen
Vorfahren für würdig erachteten, über ihre geliebten Pferde zu wachen.
Eponas Festtag ist nach dem römischen Kalender A.D. XV KAL. IANVARIAS, das ist der 18. Dezember im Zeichen des Schützen, des Kentauren.
D. EPONAE PRO PRATA ET GRANAE SAL.
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