Unterrichtseinheit zu John Marsdens Briefroman

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Unterrichtseinheit zu John Marsdens Briefroman
„Liebe Tracey, liebe Mandy“ (engl.: Letters from inside) und Chris Kraus’
Film “Vier Minuten” (D 2007)
Inhalt des Romans:
Bei »Liebe Tracey, liebe Mandy« von John Marsden handelt
es sich um einen Briefroman: Die beiden 16-jährigen
Mädchen lernen sich über ein Inserat Traceys in einer
Jugendzeitung kennen, auf das Mandy eher spontan und aus
Langeweile mit einer gewissen Unverbindlichkeit antwortet.
Mandy lebt zusammen mit ihren Eltern und ihrem 17jährigen Bruder Steve in einer australischen Kleinstadt,
Acacia Park. Ihre Mutter ist Bibliothekarin und ihr Vater
Krankenpfl eger. Außerdem hat sie noch eine Schwester,
Katrina, die Kunst studiert und nicht mehr zu Hause wohnt.
Die ersten lockeren, eher distanziert verfassten Briefe der
beiden
Brieffreundinnen
handeln
von
typischen
Teenagerproblemen, vor allem Schwierigkeiten mit den
Eltern, Geschwistern, Freunden und Lehrern sowie von
Hobbys, Schulerlebnissen und den Lieblingsbands. Traceys
Briefe vermitteln den Eindruck, als lebte sie in einer fast
perfekten Familie, während Mandy schon recht bald über
Probleme mit ihrem gewalttätigen Bruder klagt, in denen sie
von ihren Eltern keine Unterstützung erfährt (v. a. S. 30–32). Sie ist zunächst enttäuscht, dass
sich auch Tracey, obwohl sie sehr sensibel auf Mandys Andeutungen reagiert (z. B. S. 14 oben,
S. 10 unten), nicht für ihre Schwierigkeiten zu interessieren scheint. Dennoch benutzt Mandy die
Briefe, um sich ihre Unzufriedenheit von der Seele zu schreiben.
Im Laufe ihrer Brieffreundschaft bemerkt Mandy immer wieder Widersprüche in Traceys
Briefen (z. B. S. 54), was sie dahin bringt, Tracey hartnäckig aufzufordern, die Wahrheit ihrer
Identität preiszugeben (S. 56ff.). Nach einigem Zögern und irritierenden Beschimpfungen
schreibt Tracey endlich über ihr wahres Leben (S. 61ff.): Sie ist seit elf Monaten im
Jugendgefängnis Garrett und hat ein schweres Verbrechen begangen, das allerdings im gesamten
Roman nicht benannt wird. Tracey möchte den Kontakt zu Mandy abbrechen. Diese ist zwar
zunächst geschockt, will dann aber doch mehr über Garrett und natürlich auch über Tracey
erfahren. Im Zuge der Briefe über Gewalt und ihre Ursachen und Erscheinungsformen gibt dann
auch Mandy zunehmend ihr bedrückendes Geheimnis preis: Sie fürchtet sich massiv vor ihrem
Bruder Steve, der sie terrorisiert und misshandelt und ein gefährlicher Waffennarr ist (zuerst S.
30–32, dann S. 133 und als Höhepunkt S. 144f.). Ihre Eltern stehen ihr in diesem Konfl ikt nicht
bei, sondern verharmlosen und negieren Steves Gewaltausbrüche und glauben Mandy nicht.
Mandy spürt die zunehmende Bedrohung, die von Steve ausgeht, und hat große Angst vor dem,
was kommen könnte.
Auch Tracey erleidet einen Zusammenbruch, doch ein Anruf von Mandy gibt ihr Auftrieb und
das Telefongespräch schweißt die beiden noch mehr zusammen. Darüber hinaus gewinnt sie mit
der sehr persönlichen Kurzerzählung »Gib nicht auf, bevor die Uhr abgelaufen ist« (S. 84–87)
den ersten Preis in einem Schreibwettbewerb. Mandys Briefe werden für Tracey nun immer
wichtiger, sie erwartet sich zusehends mehr Hilfe von ihr und gibt einiges über ihr Leben preis:
Erst nach dem Tod ihrer Großmutter, bei der Tracey aufgewachsen ist, erfuhr sie aus alten
Zeitungsausschnitten, dass ihr Vater ihre Mutter ermordet hatte und dafür 18 Jahre Haft bekam.
Sie erzählt Mandy auch von Raz, dem jungen Mann, mit dem sie das Verbrechen begangen hat,
für das sie nun im Gefängnis sitzt – Näheres zu diesem Verbrechen erzählt Tracey jedoch auch
auf Mandys Nachfrage hin nicht. Schließlich schickt Mandy Tracey noch ein Weihnachtspaket
nach Garrett.
Nach dem 21. Dezember und damit ein knappes Jahr nach Beginn ihrer Brieffreundschaft erhält
Tracey jedoch keine weiteren Briefe mehr von Mandy, deren letzte Briefe immer mehr von der
Furcht vor ihrem Bruder dominiert waren. Tracey schreibt in großer Sorge und Verzweifl ung
weitere Briefe an Mandy, aber Mandys Antworten bleiben aus. Was mit ihr passiert ist, bleibt am
Ende offen. Es deutet aber alles darauf hin, dass Mandy und wohl auch ihre Eltern Opfer ihres
Bruders geworden sind.
Quelle: Unterichtsmaterial von Franziska Reif, erschienen im Beltz-Verlag (ISBN 978-3-40762553-3)
Inhalt des Films:
Die Pianistin Traude Krüger (Monica Bleibtreu) erteilt seit mehr als sechzig Jahren
Klavierunterricht in einem Frauengefängnis. Einige Vollzugsbeamte halten das Klavierzimmer
für einen Luxus, zumal derzeit nur vier Häftlinge von dem Angebot Gebrauch machen. Als
Meyerbeer (Stefan Kurt), der neue Direktor, Traude Krüger jovial darauf hinweist, ärgert sie
sich, denn für die meisten Kosten kommt sie selbst auf. Beispielsweise lässt sie gerade einen
neuen Flügel aufstellen, den sie selbst gekauft hat.
Nachdem eine der Klavierschülerinnen sich in ihrer Zelle erhängt hat, bewirbt sich eine wegen
Mordes verurteilte junge Frau um die freie Stelle. Jenny von Loeben (Hannah Herzsprung) bringt
die alte Dame jedoch mit ihrem frechen Benehmen so gegen sich auf, dass diese es ablehnt, sie
auszubilden oder auch nur vorspielen zu lassen. Stattdessen fordert Traude Krüger den
Vollzugsbeamten Mütze (Sven Pippig) auf, die Bewerberin wegzubringen. Als er Jenny anfasst,
schlägt sie ihn krankenhausreif. Danach verbarrikadiert sie sich in dem Musikzimmer und spielt
wilden Jazz. Traude Krüger hört es auf dem Korridor, während Beamte gerannt kommen, um die
Tür aufzubrechen und die renitente junge Frau zu überwältigen. Traude Krüger verabscheut zwar
diese "Negermusik", aber sie erkennt, dass Jenny außergewöhnlich begabt ist. Deshalb sucht sie
Jenny auf, als diese in einer Einzelzelle gefesselt auf einer Pritsche liegt und erklärt sich bereit,
ihr Klavierunterricht zu erteilen: "Ich halte Sie für niederträchtig, das sollten Sie wissen. Aber
Sie haben eine Gabe geschenkt bekommen, und damit haben Sie eine Pflicht. Ich kann Ihnen
helfen, dass Sie besser spielen – nicht, dass sie besser werden."
In der Gefängnisleitung sind die Meinungen geteilt, ob Jenny nach dem Angriff auf Mütze für
einen Jugendwettbewerb angemeldet werden soll oder nicht. Kowalsky (Richy Müller), der
Vertreter der Vollzugsbeamten, spricht sich strikt dagegen aus. Seine Ex-Frau, die
Gefängnispsychologin Nadine Hoffmann, erwartet von der Vergünstigung einen positiven
Einfluss auf Jenny, und Meyerbeer stimmt schließlich Traude Krügers Vorschlag zu.
Bei den ersten Klavierstunden verweist Kowalsky auf Dienstvorschriften und ist nicht bereit,
Jenny die Handschellen abzunehmen. Als die Medien von der Anmeldung der verurteilten
Mörderin zu einem Musikwettbewerb erfahren, wollen sie Jenny bei der Vorbereitung
fotografieren. Im Beisein der Journalisten ist es Jenny, die darauf besteht, wie bisher
Handschellen zu tragen. Zum Erstaunen der Anwesenden spielt sie mit den am Rücken
gefesselten Händen kraftvoll Jazz. Nur Traude Krüger ist von dem Kunststück nicht begeistert:
Sobald sie mit ihrer Schülerin allein ist, ohrfeigt sie Jenny und fordert sie noch einmal auf, nur
klassische Musik zu spielen.
Traude Krüger verlangt von ihrer neuen Schülerin Demut, Disziplin und bedingungslose
Unterwerfung. Der Versuch der asketischen, strengen, authoritären Klavierlehrerin, die
impulsive, sich gewaltsam gegen Übergriffe wehrende junge Frau zu bezähmen, wird zu einem
unberechenbaren Psychoduell.
Nach einer der erfolgreich bestandenen Vorrunden des Klavierwettbewerbs wendet sich die sonst
so unnahbare Jenny ihrer Lehrerin unvermittelt zu: "Ich sag's jetzt mal als Erste. Und ich hab's
noch nicht mal zu Leuten gesagt, mit denen ich geschlafen habe: Ich mag Sie." Da ringt Traude
Krüger vergeblich nach Worten.
Sie weiß nicht, was sie erwidern soll, weil sie an ihre große Liebe Hannah (Kathrin Kestler)
denkt, die 1945 von den Nationalsozialisten wegen ihrer kommunistischen Überzeugung zum
Tod verurteilt worden war. Auch Traude Krüger (Edita Malovcic), die damals als
Krankenschwester in einem Lazarett arbeitete, wurde
verhört. Auf die Frage, ob sie mit Hannah befreundet
gewesen sei, antwortete sie zunächst mit "ja", doch als der
Geheimdienstoffizier entgegnete, ein Volksschädling könne
ihr doch niemals nahegestanden haben, verleugnete sie ihre
Liebe und Freundschaft. Die Erinnerung an ihre
glücklichen Tage mit Hannah, ihren Verrat und die
Hinrichtung der Geliebten hat Traude Krüger nie mehr
losgelassen.
Jenny wurde von ihrem Stiefvater als Wunderkind
vorgeführt und gewann Dutzende von Preisen. Als sie mit
der Ausnahmekarriere nicht mehr weitermachen wollte,
versuchte er, den Widerstand seiner Stieftochter durch eine
Vergewaltigung zu brechen. Seither hasst Jenny ihren
Stiefvater und rastet aus, wenn man sie unerlaubt berührt.
Gerhard von Loeben (Vadim Glowna) wird von
Schuldgefühlen gequält und glaubt, ohne Alkohol nicht
mehr leben zu können. Als er erfährt, dass seine Tochter zu
einem Klavierwettbewerb angemeldet ist, sucht er Traude Krüger auf. Jenny habe niemanden
ermordet, behauptet er. Er ist überzeugt, dass sie sich vor Gericht nicht entlastete, weil sie ihren
damaligen Geliebten decken wollte, der seinen eigenen Vater bestialisch umgebracht hatte. Bei
ihrer Festnahme war sie bereits schwanger, aber ihr Liebhaber ließ sie im Stich. Jenny erzählte
ihrer Klavierlehrerin bereits, dass sie sich sechzehn Stunden lang mit der Geburt gequält habe.
Einen Kaiserschnitt lehnte der Krankenhausarzt ab – bis das Kind tot war. Vor Verzweiflung
wollte Jenny durch ein Fenster springen, aber die Scheibe zerbrach nicht.
Als sich Mütze von den Verletzungen erholt hat, kann er es nicht fassen, dass die Angreiferin
inzwischen Ausgang bekommt, um an einem Jugendwettbewerb teilnehmen zu können. Einmal
muss er sie selbst begleiten. In seiner ohnmächtigen Wut hält er ihr im Warteraum seine
Dienstpistole an den Kopf. Nachdem Mütze bei einer willkürlichen Durchsuchung ihrer Zelle
einen Marienkäfer gefunden hat, verlegt er Jenny wegen "Ungezieferbefalls", und zwar zu ihrer
gefährlichsten Feindin Ayse (Jasmin Tabatabai) und deren Anhängerinnen.
Eines Nachts bindet Ayse die Hand der Schlafenden mit einem Stoffstreifen fest und zündet die
Fessel an. Jenny wacht von dem Schmerz auf – und schlägt Ayse zusammen.
Nach dieser erneuten Gewalttätigkeit befolgt Meyerbeer Kowalskis Rat und teilt den Medien mit,
dass Jenny von Loeben nicht an dem Klavierwettwerb teilnehmen könne, weil der Vorfall
sorgfältig untersucht werden müsse und sie deshalb die Justizvollzugsanstalt nicht verlassen
dürfe.
Traude Krüger weiß, dass Mütze sich auf diese Weise an Jenny rächte und redet dem Beamten
ins Gewissen. Mit Rücksicht auf seine kleine Tochter Clara (Amber Bongard) ist Mütze zwar
nicht zu einem Geständnis gegenüber dem Gefängnisdirektor bereit, doch als Traude Krüger ein
paar Stunden vor dem Beginn des Finales im Klavierwettbewerb ihren Flügel abholen lässt, sorgt
er dafür, dass sie Jenny aus der Haftanstalt schmuggeln kann.
In Traude Krügers Wohnung findet Jenny eine leere Schnapsflasche und schließt daraus, dass ihr
Vater da war. Der steckt also hinter dem Ganzen! Vergeblich beteuert Traude Krüger, aus
eigenen Stücken gehandelt zu haben. Jenny rast vor Wut, zertrümmert Einrichtungsgegenstände
und schlägt ihre Lehrerin nieder. Um Jennys Vertrauen zurückzugewinnen, erzählt Traude
Krüger ihr von ihrer lesbischen Liebesbeziehung. Am Ende zieht Jenny doch das von Traude
Krüger besorgte Abendkleid an und fährt mit ihr im Taxi zur Oper.
Während Jenny die Bühne betritt, treffen Streifen- und Mannschaftswagen der Polizei mit
Blaulicht und Sirenengeheul vor dem Operngebäude ein. Die Polizisten verteilen sich hinter der
Bühne sowie im voll besetzten Parkett und in den Rängen. Im letzten Augenblick überredet
Traude Krüger den Gefängnisdirektor, Jenny vier Minuten für ihren Auftritt zu gewähren.
Wie angekündigt, beginnt Jenny mit Schumann. Doch nach ein paar Takten springt sie auf,
hämmert mit den Händen auf den Flügel, reißt an den Saiten und lässt eine wilde, eigenwillige
Musik erklingen. Das Publikum ist begeistert und erhebt sich beim frenetischen Applaus. Jenny
blickt zu ihrer Lehrerin, verbeugt sich stolz – und lässt sich widerstandslos abführen.
Quelle: www.dieterwunderlich.de/Kraus_4_minuten.htm
Unterrichtsverlauf
Am Anfang war der Film:
Die Klasse hat den Film gut "verkraftet", im Anschluss wurde u.a. diskutiert, warum andere
Erwachsene im Vorfeld eher skeptisch waren, den Film in einer 7.Klasse zu zeigen. Aus der
Klasse wurden als mögliche Gründe genannt, dass sie gedacht haben könnten, die Handlung auf
zwei Zeitebenen würde nicht verstanden, die Gewaltdarstellung sei zu verstörend oder die
lesbische Beziehung, von der man in den Rückblenden aus dem Leben der Lehrerin erfährt, sei
zu anstößig. Auch das Thema des sexuellen Missbrauchs durch den Vater der Schülerin wurde
von Schülerseite angesprochen. Zu allen Punkten haben sich die Schülerinnen und Schüler
durchaus angemessen geäußert, in einem Nachbarort Wildeshausens "regiert" ein homosexueller
Bürgermeister, Wowereit oder von Beust haben auch schon ein paar registriert und als
langweilig, jedenfalls als in dieser Hinsicht nicht der Rede Wert empfunden. Erfreulich war die
abgeklärte Aussage, die Gewaltdarstellungen seien nicht so verstörend, weil sie aus dem
Charakter der Figuren verständlich und motiviert seien, in jedem James-Bond-Film sehe man
mehr unsinnige Gewalt. Dass manche Wendungen im Film auch einfach dem Medium Film
geschuldet sind, ist auch angesprochen worden, manche Szene sei nur wegen des
Spannungsbogens in den Film integriert worden. Wir haben den Film mit Unterbrechungen
angesehen und dabei immer wieder den Ablauf rekonstruiert und über den Fortgang spekuliert,
mögliche Hindernisse auf dem Weg Jennys bis ins Finale thematisiert, Motive gesammelt und
hinsichtlich ihrer Nachvollziehbarkeit diskutiert. Zu den Szenen, die in den letzten Kriegstagen
spielen, mussten ein paar historische Hintergrundinformationen gegeben werden, die man aber
auch in höheren Jahrgängen hätte geben müssen. Die Überlegungen zum Film haben die
Schülerinnen und Schüler z.T. in Briefform verfasst. Die Briefe wurden an eine Partnerklasse an
einem anderen Gymnasium verschickt, die sich in ihren Antwortbriefen dann auch auf die
Aussagen zum Film bezogen hat.
Behandlungsaspekte zum Roman ergaben sich dann folgendermaßen:
- privater vs. Geschäftsbrief: Selbstauskunft und Adressatenbezug, Normung durch DIN-Normen
und Briefsteller
- 20.März (S.16): Analyse des Briefs hinsichtlich Adressatenbezug und Selbstoffenbarung,
Selbstauskunft als adressatenbezogenes Manöver bzw. Selbstoffenbarung durch die Art und
Weise des Adressatenbezugs (Pronomen, (rhetorische) Fragen, Wörter wie "auch", "wohl",
"vielleicht" etc.)
- 26.April (S.34): Mandy: "Ich habe tausend Gesichter" Hat man oder ist man eine
Persönlichkeit? Wie authentisch sind Briefe (als Botschaft, als Geständnis, als Inszenierung, eher
zur Selbstaufklärung/Selbsttäuschung oder als Mitteilungsform an den Empfänger)? Aus welchen
sprachlichen Merkmalen kann man Hinweise ableiten?
- 1.August (S.61): Traceys Wahrheit - In der Rückschau arbeitsteilig Vorausdeutungen
(Unstimmigkeiten, Widersprüche, unbeantwortete Fragen etc. seitens Tracey) finden und als
literarisches Verfahren erkennen, Traceys Wut auf Mandy nachvollziehen und hinsichtlich ihrer
Berechtigung untersuchen
- Warum antwortet Mandy überhaupt noch? Bedeutung der Briefe Traceys für Mandy
rekonstruieren
- 4./12.September (S.67/72): Alltag Traceys beschreiben und mit Alltag Jennys aus "Vier
Minuten" vergleichen, Begründungen für den Entzug bzw. die Reduzierung von medialen
Zerstreuungsangeboten, privatem Besitz suchen (Strafe ("Strafanstalt"), Konzentration auf sich
selbst ("Besserungsanstalt"), Kosten, Hygiene, Gerechtigkeit unter den Häftlingen...) Aus einer
Tabelle (wie sinnvoll anlegen: Lesbarkeit sowohl vertikal als auch horizontal, man muss also
Lücken
lassen
können)
einen
kohärenten
Text
entwickeln
(Konjunktionen,
Vergleichsformulierungen,
Gliederungsmarken
für
Einleitung,
Hauptteil,
Schluss,
Verteilungsmöglichkeiten der Tabelleneinträge (nach Wichtigkeit, vom Speziellen zum
Allgemeinen etc.)
- 5.Oktober (S.84): Traceys Geschichte: Warum preiswürdig: allgemeingültig (ist für viele
relevant), anrührend, vorbildlich (Mitleid mit Nanna), rätselhaft (Gestaltung des Anfangs, findet
wirklich ein Deal mit Gott statt, keine ausdrückliche Angabe von Gründen für den Weggang
Traceys), erschütternd (Weg in die Kriminalität aus Enttäuschung). Diskussion der Fiktionalität:
ist Tracey in der Geschichte die Tracey, die Birefe schreibt (kann, muss aber nicht sein - Chancen
und Grenzen biographisch orientierter Interpretationsansätze)
- Das offene Ende (was könnte passiert sein? Hinweise auf Steve rekonstruieren) Das Ende
hinsichtlich Mandys (Opfer von Gewalt?) und Traceys (Läuterung? Verlegung aus Block A etc.)
untersuchen und bewerten, Bewertung des Briefromans insgesamt (Rezension für Parallelklasse)
Im Rückblick ergibt sich, dass man mit dem Roman durchaus gut arbeiten kann. Der Roman
eignet sich einerseits für den Deutschunterricht als Lese- und Schreibunterricht, andererseits gibt
er auch im Sinne personaler Bildung geeignete Anstöße, die durchaus altersgemäß den
Selbstfindungs- und Selbstbildungsprozess anregen und reflektieren helfen.
Bearbeitungszeit incl. Film: 12 Ustd.
Matthias Holthaus, Gymnasium Wildeshausen
Anti-Gewalt-Training in der Justizvollzugsanstalt
Seit Anfang des Jahres 2008 können Insassen der JVA Volkstedt ein Anti-Gewalt-Training
besuchen. Sozialpädagogin Kathrin Jäger bietet den Häftlingen dieses spezielle Angebot
gemeinsam mit ihren Kollegen Jens Kaiser und Frank Winzerling an.
Frau Jäger, Sie setzen in der JVA Volkstedt ein Anti-Gewalt-Training mit Erwachsenen
um. Wie kam es zu dieser Idee?
Da es das Ziel des Strafvollzuges ist, die Gefangenen bei ihrer Resozialisierung und
Wiedereingliederung zu unterstützen und etwa 25 Prozent der Gefangenen in der JVA Volkstedt
wegen Gewaltdelikten vorbestraft sind, wurde im Jahr 2002 an die Installation eines AntiGewalt-Trainings (AGT) gedacht. In Vorbereitung eines eigenen Trainings habe ich seit 2002 an
verschiedenen Fortbildungen zum Thema Gewalt teilgenommen. Zudem besuchte ich als Gast
mehrere Anti-Gewalt-Trainings in Magdeburg (innerhalb und außerhalb der JVA Magdeburg),
um dadurch die Art und Methode des Trainings kennenzulernen. Im Jahr 2006/2007 nahm ich
an der Ausbildung zum AGT-Trainer nach dem Magdeburger Modell® teil. Die Ausbildung
wurde durch die AGT-Trainer Anke Marx und Tim Marx in Zusammenarbeit mit dem Ministerium
der Justiz durchgeführt. Im Jahr 2007 ließen sich zwei weitere Kollegen zu AGT-Trainern
ausbilden. Mit diesen setze ich seit dem 09.01.2008 das erste Anti-Gewalt-Training nach dem
Magdeburger Modell® um.
Denken Sie, dass Sie bereits straffällig gewordene Erwachsene mit diesem Training noch
erreichen können?
Das hiesige AGT richtet sich an Gefangene ab dem 23. Lebensjahr. Eine Altersbegrenzung
nach oben gibt es nicht.
Ja, ich denke, dass auch schon bereits mehrfach straffällig gewordene Erwachsene das
Training noch erreichen kann. In der Haft herrschen andere Bedingungen als im „normalen“
Leben. In Haft haben Straftäter einen höheren Leidensdruck als dies Außen möglich ist, da
schon die letzte Konsequenz ihres bisherigen Verhaltens eingetreten ist. Somit ist der Gedanke,
sich zu verändern, um unter anderem nicht wieder in Haft zu kommen, größer. Es ist klar, dass
erwachsene Gefangene schon sehr in ihren Strukturen gefestigt sind, aber aus meiner Sicht
sind diese teilweise noch veränderungswillig und –fähig. Zumeist bestehen große Defizite im
Sozialisationsbereich, so dass ihre Entwicklung noch nicht vollständig beendet ist. Die
Gefangenen, die sich für das AGT angemeldet haben, taten dies auf freiwilliger Basis, ohne
Druck der Anstalt, so dass zumindest davon ausgegangen werden kann, dass sie selbst noch
einen Bedarf sehen sich zu verändern.
Wie wird das Anti-Gewalt-Training von den Erwachsenen angenommen?
Unser Training beruht auf dem Prinzip ausschließlicher Freiwilligkeit. Für unser erstes Training
hatten wir etwa 20 Bewerber, aus denen wir unsere Probanden ausgewählt haben. Im Moment
liegen auch schon wieder Bewerbungen für das zweite Training vor, welches Ende diesen
Jahres oder Anfang des nächsten Jahres beginnen soll.
Gibt es eine Altersgruppe oder eine spezielle Gruppe von Gewalttätern, die Sie mit
diesem Training besonders erreichen möchten?
Das Training richtet sich an keine spezielle Gruppe von Gewalttätern. Zielgruppe der
Maßnahme sind Gewalttäter, das heißt männliche und weibliche Gefangene, die aufgrund von
Gewaltdelikten verurteilt wurden.
Des Weiteren werden auch Gefangene in das AGT aufgenommen, welche zwar nicht wegen
Gewaltdelikten verurteilt sind, aber in hiesiger Behörde durch aggressives Verhalten in
Erscheinung treten und den Willen zur Veränderung haben. Die endgültige Auswahl der
Probanden erfolgt durch das zuständige Anti-Gewalt-Trainer-Team.
Wie sieht Ihre Arbeit mit den Erwachsenen im Rahmen des Anti-Gewalt-Trainings aus?
Das AGT Volkstedt ist ebenso wie das Magdeburger AGT® ein offenes Gruppentraining. Zu
jeder Sitzung werden hierzu Gäste von “außen” eingeladen, welche aktiv am Training
teilnehmen. Der Täter muss somit öffentlich seiner Gewalt abschwören, wodurch eine stabilere
und anhaltendere Friedfertigkeit erreicht werden kann. Die Gäste arbeiten gemeinsam mit den
Teilnehmern und Trainern an dem Ziel
– Verzicht auf Gewalt bei dem Schläger!
Viele Schwerpunkte des AGTs werden im Rahmen von Kleingruppen erarbeitet und
anschließend in der gesamten Gruppe ausgewertet. Weiterhin ist das AGT eine praxisorientierte
Trainingsmaßnahme. Deshalb finden regelmäßig praktische Übungen statt. So wird ein
besonderes Augenmerk auf die Körpersprache, das Rhetorik-, Flirt- und Deeskalationstraining
gelegt. Nach vorheriger Theorie werden Übungen absolviert, um den Gefangenen
Handlungssicherheit zu geben und die Erkenntnis zu vertiefen, dass es auch anders gehen
kann als bisher, ohne sein Gesicht zu verlieren.
Während des gesamten Trainings werden die Gefangenen mit ihrem Vorleben konfrontiert. Der
Täter soll erkennen, dass er seine eigene Hilflosigkeit auf Kosten seiner Opfer ausgeglichen hat,
um so kurzfristig sein Selbstwertgefühl aufzubessern. Er soll erkennen, worauf er selbst stolz
sein kann und soll dafür Anstrengungsbereitschaft (wie Ausdauer, Kraft und Konzentration)
aufbringen. Er soll durch Übungen die Fähigkeiten erlernen, sich geistig und körperlich zu
entspannen. Ein weiteres Lernziel ist, wieder Nähe zu anderen Menschen in Form von
Anschauen oder Körperkontakt zu zulassen (Körpersprache/Deeskalationsmodul). Durch den
Aufbau einer Hemmschwelle gegenüber Gewalt (wie auch Schubsen, Pöbeln und Schreien) soll
er die Einzigartigkeit eines jeden Individuums respektieren lernen.
In dem Training sollen die Teilnehmer erfahren, dass sie selbst etwas wert sind. Dies vor dem
Hintergrund der eigenen Lebenserfahrung, da die Gefangenen selbst häufig Demütigungen
erfahren haben und mit einem Mangel an Liebe und Zuneigung aufgewachsen sind. Durch
unser AGT soll verloren gegangenes Selbstwertgefühl wieder aufgebaut werden, da sie nur,
wenn sie beginnen, zu sich und ihren eigenen Schwächen zu stehen und somit sich auch zu
lieben, es schaffen können, sich in andere Menschen hinein zu versetzen. Folglich können sie in
die Lage versetzt werden, andere Menschen zu mögen und diese mit Respekt zu behandeln.
Was ist Ihrer Meinung nach das Besondere an diesen Trainings?
Ich denke, dass das AGT eine Möglichkeit für die Gefangenen ist, ihr Leben noch mal neu zu
überdenken und neue Lebensstrategien zu finden.
Im Gegensatz zu anderen ähnlich aufgebauten Trainingsmaßnahmen liegt der Schwerpunkt
beim Magdeburger Modell® nicht in der Konfrontation (die aber auch bei uns Bestandteil ist),
sondern bei theoretischen und praktischen Übungen und Lernsituationen. Unter anderem finden
neben dem Körpersprache- und Deeskalationstraining noch Spot-/Antiblamierübungen statt.
Durch diese sollen die Gewalttäter lernen, sich nicht mehr so wichtig zu nehmen.
Gewalttäter nehmen sich meist viel zu ernst. Kleine Anlässe werden scheinbar als Provokation
angesehen. Sie reichen aus, um die Welt des Gewalttäters aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Ihre Aggressionen steigern sich in einem Maße, dass sie dann mit Gewalt reagieren. Dabei
spielt Angst, ihr Gesicht vor den Mitmenschen zu verlieren, eine große Rolle. Durch die ständig
wiederkehrenden Übungen soll eine Desensibilisierung erreicht werden. Dadurch kann seine
Hemmschwelle gegenüber Gewalt ansteigen. Weiterhin kann ihm bewusst werden, dass alle
Menschen Probleme haben sich zu blamieren und nicht nur er.
Worauf wird dabei besonders Wert gelegt?
Besonderen Wert legen wir darauf, dass der Gefangene so angenommen wird, wie er ist – mit
seinen vorhandenen Defiziten und seiner bisherigen „Karriere“. Uns ist das Individuum wichtig.
Wir wollen die negativen Elemente der Persönlichkeit verändern und die positiven
Eigenschaften des Gefangenen finden und weiter fördern. Dadurch und durch die viele Praxis
wollen wir eine Verhaltensänderung beim Gefangenen auslösen, welche langfristig anhält.
Welche Bedingungen müssen die Inhaftierten erfüllen, um an einem Anti-Gewalt-Training
teilnehmen zu können?
Die Auswahl zur Eignung des Gefangenen findet vor Beginn des AGT in Form eines
Vorgespräches statt. In der JVA Volkstedt können, wie schon erwähnt, Gefangene ab dem 23.
Lebensjahr teilnehmen. Voraussetzungen für die Teilnahme sind:

ausreichende Deutschkenntnisse

ein Strafrest von mindestens sieben Monaten
Ausgeschlossen sind:




Personen, bei denen ein akutes Suchtproblem vorliegt (hier erfolgt immer eine
Rücksprache mit der internen Suchtberatung)
psychisch kranke oder gestörte Menschen
Täter mit intellektueller Minderbegabung (IQ niedriger als 75)
Gefangene mit deutlicher Kriminalitätsaffinität oder Einbettung in kriminelle Strukturen
Wie lange dauert ein solches Training und wie oft findet es statt?
Das hiesige AGT dauert etwa sechs Monate und findet wöchentlich statt. Eine Sitzung dauert
drei bis vier Stunden. Angedacht ist mindestens ein Training pro Jahr.
Welche Themenkomplexe werden im Rahmen dieses Trainings angesprochen?
Das Anti-Gewalt-Training ist in folgende sieben Phasen unterteilt:
1) Kosten-Nutzen-Analyse (mit Vortrag des Gerichtsmediziners Herrn Dr. Stiller)
2) Körpersprache (Schulung Eigen- und Fremdwahrnehmung)
3) Kommunikationstraining (Flirt- und Rhetoriktraining)
4) Deeskalationsmodul (mit Provokationstests)
5) Deliktbezogene Anamnese
6) Demaskierungssitzung/Tatkonfrontation (ein Teilnehmer pro Abend)
7) Empathiephase (mit Opfervideo und Entschuldigungsbriefen)
Weiterhin finden noch Entspannungs- und Antiblamierübungen statt.
Ist Rechtsextremismus dabei auch ein Thema?
Das Thema Rechtsextremismus ist nicht vordergründig, da unser Training alle Gewalttäter
ansprechen soll. Und Rechtsextremismus ist meiner Ansicht nach nur eine weitere Form der
Gewalt.
Sind Gefangene mit einer rechten Gesinnung (was auch jetzt der Fall ist) im Training integriert,
so wird dieses Thema auf jeden Fall aufgegriffen, da das Ziel der Maßnahme ein Leben ohne
Gewalt ist. Diese Szene ist eine sehr gewaltbereite, so dass dann unbedingt darauf
eingegangen werden muss, um gegebenenfalls eine Änderung oder Zweifel bei den
Gefangenen hervorzurufen. Unter anderem wurde deshalb das Tragen angemessener Kleidung
als Regel für unser Anti-Gewalt-Training aufgenommen, um dadurch ein Zeichen zu setzen.
Gefangene, welche im Training ihre rechtsextreme Einstellung, Parolen und Floskeln äußern,
werden darauf angesprochen und das Argument wird durch Gegenargumentieren entkräftet.
Weiterhin werden die Gefangenen mit den Reaktionen der Mitgefangenen oder Gäste
konfrontiert.
Werden die Teilnehmer auch nach ihrer Entlassung weiter von Ihnen betreut oder können
sie in Notsituationen mit Ihnen Kontakt aufnehmen?
Die Gefangenen können nach Entlassung nicht weiter durch uns betreut werden. Hierfür ist
gegebenenfalls die Bewährungshilfe oder die Führungsaufsicht zuständig. Den Teilnehmern
steht es aber frei, sich in Notsituation an uns zu wenden, um eventuell über Gespräche eine
Lösung zu finden oder ihn an andere Stellen weiter zu vermitteln.
Vielen Dank für das Gespräch.
Quelle: http://www.sign-project.de/10_5584.php
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