4. Diskussion Zur präoperativen Abklärung eines funktionell oder latent geöffneten Foramen ovale wurde in der vorliegenden Studie die transkranielle Dopplersonographie verwendet. In der Literatur ist beschrieben, dass in bis zu 10 % aller Patienten kein adäquates Schallfenster vorliegt, bei älteren Patientinnen sogar in bis zu 50 % (Widder 1999). In der vorliegenden Untersuchung konnte die transkranielle Dopplersonographie in 20% der Patienten nicht durchgeführt werden, die Verteilung zwischen Männern und Frauen ergab hier keinen signifikanten Unterschied (10,1% Frauen, 8,3% Männer). Das ausgewählte Verfahren hinsichtlich Messintervall, Zeitfenster und Lagerung unter Verwendung der transkraniellen Dopplersonographie und das verwendete Kontrastmittel haben sich in mehreren Studien gegenüber anderen Vorgehensweisen als überlegen herausgestellt (Droste 1999, Schwarze 1999, Stendel 2000). Mit der transkraniellen Dopplersonographie nachgewiesene HITS sind mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf ein persistierendes Foramen ovale zurückzuführen. Ein sicherer Beweis für die Existenz eines persistierenden Foramen ovale kann mit dieser Methode allerdings nicht erbracht werden. In seltenen Fällen können die gemessenen HITS auch durch einen Rechts-LinksShunt anderer Genese entstanden sein. Hier wäre zum Beispiel die pulmonale arteriovenöse Fistel zu nennen. Einige Autoren vertreten die Ansicht, dass durch eine Beschränkung des Messintervalls auf höchstens 10 Herzzyklen dieser Fehler ausgeschlossen werden kann (Kampen 2001). Eine sichere Differenzierung zwischen persistierendem Foramen ovale und anderen möglichen Shuntursachen ist entsprechend der Ergebnisse mehrer aktueller Untersuchungen aber bis jetzt nicht möglich (Stendel 2001). Bezüglich der Risikominimierung bei Operationen in sitzender Lagerung ist diese Ungenauigkeit allerdings ohne Bedeutung, da auch bei einem anders verursachten Rechts-Links-Shunt das Risiko einer paradoxen Luftembolie gegeben ist. 37 Umgekehrt ist ein nachgewiesenes offenes Foramen ovale auch nicht ohne weiteres mit einem Rechts-Links-Shunt gleichzusetzen (Konstadt 1991). Erst bei einem Druckanstieg im rechten Vorhof über den im linken Vorhof herrschenden Druck entsteht ein Blutfluß so dass sich ein Rechts-Links-Shunt ergibt. Im Fall einer intraoperativen venösen Luftembolie kann es jedoch sehr schnell zu einem Anstieg der pulmonalarteriellen Widerstände und zu einer Umkehr der Druckverhältnisse in den Vorhöfen kommen. Aber auch bei Gesunden kann es zu einer transienten Druckumkehr in der präsystolischen Phase kommen (Sgouropoulou 2001). Ein nur latent vorhandenes Foramen ovale kann somit ebenfalls zu einer paradoxen Embolie führen. Die kontrastmittelgestützte transkranielle Dopplersonographie besitzt zum Nachweis bestehender Rechts-Links-Shunts eine hohe Sensitivität. Gemessen an der transösophagealen Echokardiographie konnte mit der transkraniellen Dopplersonographie ein persistierendes Foramen ovale in 95% der Fälle diagnostiziert werden (Droste 1999). Bei den 90 in dieser Studie untersuchten Patienten wurde bei 26 Patienten ein permanent oder latent geöffnetes Foramen ovale diagnostiziert. Dies entspricht einem Anteil von 28,8% was sich mit dem in der Literatur angegebenen Vorkommen eines persistierenden Foramen ovale deckt (Sweeney 1979, Black 1990) Zur intraoperativen Risikominimierung wurde die Lagerung des Patienten unter Berücksichtigung des Vorhandenseins eines persistierenden Foramen ovale gewählt. Soweit es von der Lokalistion der Raumforderung und der Art der Operation möglich war, wurden alternative Lagerungsformen bei funktionell offenem Foramen ovale bevorzugt. In der Literatur werden verschiedene relative und absolute Kontraindikationen für die sitzende Lagerung angegeben. Dazu gehört zum Beispiel ein Alter über 38 70 Jahre, ein nichtbehandelter Hypertonus, eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung und auch ein persistierendes Foramen ovale (Porter 1999). In die Studie eingeschlossen wurden nur die Patienten, die aufgrund ihres sonstigen Allgemeinzustandes und der Art der Operation für die sitzende Lagerung in Frage kamen. Das entscheidende Kriterium war bei diesen Patienten dann nur noch die Existenz eines Rechts-Links-Shunts. Ergab die präoperative Untersuchung ein persistierendes Foramen ovale, wurde bei funktionell relevanten Rechts-Links-Shunts nach Möglichkeit auf die sitzende Lagerung verzichtet um eine intraoperative paradoxe Luftembolie zu vermeiden. Doch selbst wenn präoperativ ein persistierendes Foramen ovale ausgeschlossen wurde, kann es intraoperativ zu paradoxen Embolien kommen. In Studien bei denen die transösophageale Echokardiographie als präoperative Screeningmethode eingesetzt wurde, kam es trotzdem während der Operation zu paradoxen Embolien. Das persistierende Foramen ovale wurde hierbei erst während einer Luftembolie intraoperativ mit der transösophagealen Echokardiographie entdeckt. In der präoperativen Untersuchung ist hier auch unter Provokation mit PEEP Beatmung kein Nachweis eines Rechts-LinksShunts gelungen (Papadopoulos 1994). In der Literatur ist ebenfalls ein Fall beschrieben, bei dem es zu einer gesicherten paradoxen Luftembolie in sitzender Position kam, obwohl in einer späteren Autopsie ein persistierendes Foramen ovale mit Sicherheit ausgeschlossen wurde. In diesem Fall muss von einem Luftübertritt durch das pulmonale Kapillarbett ausgegangen werden (Marquez 1981). Ein derart massiver Übertritt von Luft in das arterielle System ohne einen vorhandenen intraartrialen Shunt stellt eine Rarität dar, kann aber niemals vollständig ausgeschlossen werden. Ein nur latent offenes Foramen ovale, dass nur unter Provkation (Valsalvamanöver, Husten, PEEP Beatmung) zu einem Rechts-Links-Shunt führt ist klinisch nur in geringem Maße relevant (De Castro 2000). Aus diesem Grund ist es durchaus zu vertreten, dass Patienten mit einem nur latent offenen Foramen ovale unter Berücksichtigung der intraoperativen Vorteile in sitzender oder halbsitzender Position gelagert werden. 39 Zu diesen Vorteilen gehören neben der geringeren Komplikationsrate vor allem eine bessere Übersicht über das Operationsgebiet, da ein Abfluss von Blut und Liquor gewährleistet ist. Das Risiko einer paradoxen Embolie ist bei nur latent vorhandenem Foramen ovale deutlich geringer als bei einem funktionellen Foramen ovale, da unter normalen Bedingungen kein tatsächliches Shuntvolumen besteht. Aus diesem Grund wurden die Patienten mit nur latentem Defekt des Vorhofseptums auch zu 92% in sitzender beziehungsweise halbsitzender Lagerung operiert. Von den Patienten die einen funktionellen Rechts-Links-Shunt aufwiesen, wurden 23% in sitzender und 8% in halbsitzender Position operiert. In keinem Fall konnte eine paradoxe Embolie nachgewiesen werden. Um das Risiko der sitzenden Lagerung einzuschätzen darf allerdings nicht ausschliesslich die paradoxe Luftembolie betrachtet werden. Auch nach Ausschluß eines PFO bleibt die Gefährdung durch eine venöse Luftembolie bestehen und muss bei der Entscheidung für die sitzende Position mitbedacht werden (Albin 1984). Eine intraoperativ diagnostizierte venöse Luftembolie hat in Abhängigkeit von der Luftmenge und der Geschwindigkeit des Lufteintritts in den meisten Fällen zwar keine neurologischen Ausfälle zur Folge, bedingt aber eine allgemeine Gefährdung des Patienten, insbesondere bei älteren und kardial vorgeschädigten Patienten. Die Gefährdung bei ansonsten gesunden Patienten durch intraoperative Luftembolien ist nicht endgültig geklärt. In einer Untersuchung an 91 Kindern, die während einer Operation in sitzender Position eine Luftembolie erlitten, sind keine zusätzlichen neurologischen Ausfallerscheinungen oder andere postoperative Komplikationen beobachtet worden (Ralston 2000). In der Literatur schwanken die Angaben zum Auftreten einer venösen Luftembolie bei Operationen in sitzender Position zwischen 25% und 76% (Porter 1999). Ausschlaggebend ist hierbei das intraoperativ verwendete Monitoring. Die intraoperative transösophageale Echokardiographie ermöglicht ein sehr 40 sensibles Monitoring, so dass Luftembolien in bis zu 76% der Operationen detektiert werden (Papadopoulos 1994). Trotz dieses häufigen Auftretens ist in der aktuellen Literatur keine wesentliche Erhöhung der Morbidität und der Mortalität durch Luftembolien beschrieben. In einer Studie von 1988 sind 579 Eingriffe an der hinteren Schädelgrube in unterschiedlichen Lagerungen untersucht worden. Dabei konnte bei den Patienten in der sitzenden Lagerung kein Unterschied in der Häufigkeit von perioperativen Herzinfarkten, Lungenembolien oder hämodynamischen Instabilitäten gezeigt werden. Eine postoperative Verschlechterung von Hirnnervenfunktionen trat in der sitzenden Lagerung deutlich seltener auf, und auch der intraoperative Blutverlust war geringer (Black 1988). In der vorliegenden Untersuchung konnten acht sichere und sieben fragliche Luftembolien registriert werden. Eine der fraglichen Luftembolien trat in Seitenlagerung auf, die anderen wurden alle in sitzender oder halbsitzender Position diagnostiziert. Demnach sind Luftembolien bei Patienten in sitzender Lagerung in 17,5% diagnostiziert worden. In drei Fällen kann man von einer schweren Luftembolie sprechen, hier war die Gabe von Katecholaminen erforderlich. In keinem Fall konnte eine paradoxe Embolie nachgewiesen werden. In der vorliegenden Studie wurde keine intraoperative transösophageale Echokardiographie verwendet, so dass davon ausgegangen werden muss, dass kleine Luftembolien nicht detektiert wurden. Die klinische Bedeutung solcher entgangenen kleinen Embolien ist fraglich, da es bei keinem Patienten zu neurologischen Ausfällen oder ischämischen Läsionen gekommen ist. Das sehr geringe Vorkommen einer schweren Luftembolie ist auf die optimierte Lagerung zurückzuführen, wodurch der Lufteintritt in das venöse System signifikant reduziert werden kann. Zusammenfassend hat die vorliegende Studie gezeigt, dass die präoperative Diagnostik eines persistierenden Foramen ovale mittels transkranieller Dopplersonographie verlässlich möglich ist. Durch ihre vergleichsweise einfache Handhabung und Erlernbarkeit bei vergleichbarer Sensitivität ist sie der transösophagealen Echokardiographie überlegen. 41 Ebenso zeigt die Studie, dass bei optimaler Lagerung und gutem anästhesiologischen Monitoring und Management eine Operation in sitzender Lagerung im allgemeinen, aber auch bei Patienten mit offenem Foramen ovale kein wesentlich erhöhtes Operationsrisiko beinhaltet. 42