Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen

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Botschaft des Regierungsrats des
Kantons Aargau an den Grossen Rat
vom 14. Februar 2007
07.27
Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege (Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG)
Bericht und Entwurf
zur 1. Beratung
-2-
Inhaltsverzeichnis
1.
Ausgangslage
1.1 Einleitung
1.2 Parlamentarische Vorstösse
1.3 Verhältnis zur Justizreform
4
4
5
5
2.
Vernehmlassungsverfahren
6
3.
Überblick über die Änderungen im neuen VRPG
3.1 Instanzenzug
3.2 Parteilehre
3.3 Verfahren vor Versicherungsgericht
3.4 Beschränkung auf Verfahrensvorschriften
3.5 Verschiedene andere Anliegen
7
7
9
9
10
10
4.
Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen
4.1 Geltungsbereich
4.2 Grundsätze des Verwaltungsrechts
4.3 Verfahrensvorschriften
4.4 Rechtsschutz
4.4.1 Rechtsbehelfe
4.4.2 Rechtsmittel
4.4.3 Verwaltungsrechtliche Klagen
4.4.4 Wiederaufnahme
4.5 Überprüfung von Erlassen durch das Verwaltungsgericht
4.6 Vollstreckung
4.7 Schluss- und Übergangsbestimmungen
4.7.1 Verschiedene Schluss- und Übergangsbestimmungen
4.7.2 Fremdänderungen
4.7.3 Fremdaufhebungen
4.7.4 Publikation und Inkraftsetzung der Fremdänderungen und -aufhebungen
11
11
13
16
50
50
52
72
77
80
84
89
89
90
108
109
5.
Weiterer Revisionsbedarf
109
6.
Finanzielle und personelle Auswirkungen
109
7.
Auswirkungen auf die Wirtschaft
110
8.
Auswirkungen auf die Gemeinden
111
Antrag:
111
-3-
Sehr geehrte Frau Präsidentin
Sehr geehrte Damen und Herren
Wir beehren uns, Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf für eine Totalrevision des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRPG) zu unterbreiten und erstatten Ihnen dazu folgenden
Bericht:
Zusammenfassung
Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht regeln das Zustandekommen von
Entscheiden der Verwaltung und den verwaltungsrechtlichen Rechtsschutz. Im Kanton
Aargau ist das Verwaltungsverfahrensrecht heute weitgehend im Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege (Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG) vom 9. Juli 1968 geregelt.
Dieser Erlass wird einer Totalrevision unterzogen und durch einen neuen Erlass ersetzt.
Die Totalrevision des VRPG ist ein Teilprojekt der Justizreform (Entwicklungsschwerpunkt
100ES35 des Aufgaben- und Finanzplans 2007-2010). Letztere strebt die Umsetzung von
Massnahmen zur Effektivitäts- und Effizienzsteigerung und damit zur Entlastung der
Gerichte und der verwaltungsinternen Rechtspflege an. Die Totalrevision ist gleichzeitig die
zeitgerechte Umsetzung der Justizreform des Bundes verbunden mit den notwendigen
Anpassungen, wie sie vom Bundesgerichtsgesetz für die öffentlichrechtlichen Verfahren
verlangt sind.
Die Revisionsarbeiten stützen sich auch auf die durch den Grossen Rat im Zusammenhang mit der Justizreform verabschiedeten Leitsätze. Das neue Gesetz orientiert sich stark
an den nach wie vor sachgerechten Elementen des heutigen VRPG, bringt aber einige
gewichtige Neuerungen:
Instanzenzug: Oftmals weist der Rechtsmittelweg zwei oder mehrere
Beschwerdeinstanzen mit gleicher Überprüfungsbefugnis auf. Die Folge davon ist eine
lange Prozessdauer ohne einen in grundsätzlicher Hinsicht verbesserten Rechtsschutz. Es
drängt sich daher auf, die bestehenden Instanzenzüge zu überprüfen und gegebenenfalls
zu verkürzen. Auf kantonaler Stufe sollen höchstens, aber in der Regel zwei
Beschwerdeinstanzen mit der Verwaltungsrechtspflege befasst sein, wobei die zweite
Rechtsmittelinstanz von Ausnahmen abgesehen keine Ermessenskontrolle hat.
BV 29a: Am 1. Januar 2007 ist ein neuer Artikel in der Bundesverfassung (Art. 29a) in Kraft
getreten, der jeder Person bei Rechtsstreitigkeiten grundsätzlich einen Anspruch auf
Beurteilung der Streitsache durch eine richterliche Behörde gibt. Dieser neuen Vorschrift
wird im neuen VRPG ebenso Rechnung getragen wie den Anforderungen, die das neue
Bundesgerichtsgesetz an den kantonalen Rechtsschutz stellt.
-4-
Parteilehre: Die fehlende Definition der Verfahrensbeteiligten im geltenden VRPG führte zu
erheblichen Schwierigkeiten und Unsicherheiten in einem Punkt, der an sich zweifelsfrei
geklärt sein sollte, da mit der Parteistellung die Verfahrensrechte und -pflichten wie rechtliches Gehör, Akteneinsicht, Anspruch auf Kostenersatz, Pflicht zur Kostentragung und dergleichen verbunden sind. Das neue VRPG behebt diesen Mangel.
Verfahren vor Versicherungsgericht: Das neue VRPG regelt auch das Verfahren vor Versicherungsgericht. Damit kann die inhaltlich längst nicht mehr genügende und teilweise
bundesrechtswidrige Verordnung über die Rechtspflege in Sozialversicherungssachen
aufgehoben werden.
Beschränkung auf Verfahrensvorschriften: Das geltende VRPG beinhaltet organisationsrechtliche Bestimmungen über das Verwaltungsgericht (vgl. §§ 9-14 VRPG). Diese Bestimmungen gehören nicht ins VRPG, sondern ins Gerichtsorganisationsgesetz (GOG).
Das neue Gesetz regelt das Verfahren präziser und dient dadurch sowohl den
rechtsanwendenden Behörden als auch den betroffenen Privaten.
1.
Ausgangslage
1.1
Einleitung
Im Kanton Aargau ist das Verwaltungsverfahrensrecht zur Hauptsache im Gesetz über die
Verwaltungsrechtspflege (Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG) vom 9. Juli 1968 geregelt.
Dieser Erlass wird aus verschiedenen Gründen (vgl. unten Ziffer 3) einer Totalrevision unterzogen und durch einen neuen Erlass ersetzt.
Zum Verwaltungsrecht gehören alle Rechtsnormen, welche die Tätigkeit, die Organisation
und das Verfahren der Verwaltungsbehörden regeln. Die Verwaltungsbehörden sind für den
Vollzug der ihnen kraft Gesetz zugewiesenen Aufgaben zuständig.
Das materielle Verwaltungsrecht ergibt sich in erster Linie aus den Rechtsgrundlagen der
einschlägigen Gesetze, Dekrete und Verordnungen (Baurecht, Schulrecht, Gesundheitsrecht
etc.). Es regelt insbesondere die Rechtsbeziehungen des Staates zu seinen Bürgern (Rechte
und Pflichten), aber auch die Funktionsweise der Institutionen der Verwaltung und ihr
Verhältnis zueinander.
Das materielle Verwaltungsrecht wird ergänzt durch das Verwaltungsverfahrens- und
Verwaltungsprozessrecht, welche das Zustandekommen von Entscheiden der Verwaltung
und den verwaltungsrechtlichen Rechtsschutz ordnen. Eine Behörde, die beispielsweise eine
Bewilligung erteilt oder verweigert, verwaltungsrechtlichen Zwang anordnet oder Aufsichtspflichten wahrnimmt, hat sich an bestimmte Grundsätze und Abläufe zu halten. Diese Grundsätze und vordefinierten Abläufe gehören zum Verwaltungsverfahrensrecht. Hier geht es
somit nicht um das Ergebnis eines Entscheids der Verwaltung, sondern um dessen
Zustandekommen.
-5-
1.2
Parlamentarische Vorstösse
Im Kanton Aargau sind im Zusammenhang mit dem VRPG folgende parlamentarische Vorstösse überwiesen worden:
Dr. Beat Edelmann, Zurzach, hat mit Motion vom 7. Dezember 1999 den Regierungsrat eingeladen, § 36 VRPG so abzuändern, dass den obsiegenden Gemeinwesen im Verwaltungsverfahren und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Parteientschädigung zugesprochen wird. Der Regierungsrat beantragte am 15. März 2000, die Motion abzulehnen. Der
Grosse Rat überwies jedoch die Motion am 9. Mai 2000 mit 75 gegen 40 Stimmen an den
Regierungsrat.
Die Motion wurde im Rahmen dieser Totalrevision des VRPG einer näheren Prüfung unterzogen. Es wird auf die Ausführungen zu § 32 Abs. 4 nVRPG unter Ziffer 5 verwiesen und
beantragt, die Motion als erledigt abzuschreiben.
Martin Bhend, Oftringen, hat am 4. Juni 2002 eine Motion betreffend Änderung bzw. Ergänzung des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRPG) zur finanziellen Sicherstellung von
Ersatzvornahmen durch die öffentliche Hand eingereicht. Der Regierungsrat hat sich mit
Datum vom 25. September 2002 bereit erklärt, den erwähnten Vorstoss als Postulat entgegenzunehmen. Der Motionär war mit der Umwandlung in ein Postulat einverstanden.
Das Postulat wurde im Zusammenhang mit § 82 nVRPG geprüft; es wird auf die Ausführungen zu § 82 nVRPG verwiesen und beantragt, das Postulat als erledigt abzuschreiben.
1.3
Verhältnis zur Justizreform
Die Justizreform (Entwicklungsschwerpunkt 100ES35 des Aufgaben- und Finanzplans 20072010) strebt die Umsetzung von Massnahmen zur Effektivitäts- und Effizienzsteigerung und
damit zur Entlastung der Gerichte und der verwaltungsinternen Rechtspflege an. Die Verwaltungsrechtpflege ist damit auch ein Teilbereich der Justizreform. Mit den Revisionsarbeiten wurde eigens eine Teilprojektgruppe beauftragt.
In dieser Teilprojektgruppe sind das Verwaltungsgericht, die Spezialverwaltungsgerichte, der
Rechtsdienst des Regierungsrats, ein ehemaliger Oberrichter und Bundesrichter sowie das
Departement Volkswirtschaft und Inneres vertreten.
Die Teilprojektgruppe hat sich zuerst gründlich mit Fragen des Instanzenzugs und hernach
mit zahlreichen anderen Revisionsanliegen in der Verwaltungsrechtspflege befasst.
Schliesslich wurde auch noch ein besonderer Bereich der Verwaltungsrechtspflege, die
Rechtspflege in Sozialversicherungssachen (Verfahren vor Versicherungsgericht), in die
allgemeinen Arbeiten einbezogen.
Die Arbeiten stützen sich massgeblich auf die nach wie vor sachgerechten Elemente des
heutigen VRPG und orientieren sich an den durch den Grossen Rat im Zusammenhang mit
der Justizreform verabschiedeten Leitsätzen (vgl. Botschaft Nr. 99.343 des Regierungsrats
und Beschluss des Grossen Rates vom 9. Mai 2000 sowie Botschaft Nr. 03.311 des Regie-
-6-
rungsrats vom 29. Oktober 2003 und Beschluss des Grossen Rates vom 4. Mai 2004 zu den
Leitsätzen).
2.
Vernehmlassungsverfahren
Im Rahmen des Anhörungsverfahrens wurden die politischen Parteien sowie die betroffenen
Verbände und Organisationen zur Vernehmlassung eingeladen. Die Vernehmlassung dauerte vom 23. Januar bis zum 2. Mai 2006. Es sind über 20 Stellungnahmen eingegangen.
Zu den einzelnen Themen äusserten sich die Vernehmlassungsteilnehmenden zusammenfassend wie folgt:
–
–
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–
–
–
Bis auf den Aarg. Gewerbeverband erklärten sich alle Vernehmlassungsteilnehmenden
mit dem neuen Instanzenmodell einverstanden.
Sämtliche Parteien sind mit der Definition der Verfahrensbeteiligten einverstanden. Ablehnung kam vom Gemeindeschreiberverband, drei Gemeinden, vom Bauverwalterverband und der Gemeindeammännervereinigung.
Alle Vernehmlassungsteilnehmenden sind damit einverstanden, dass mit dem neuen
VRPG auch das Verfahren vor Versicherungsgericht geregelt wird.
Die Verschiebung der organisationsrechtlichen Bestimmungen vom heutigen VRPG ins
Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) war unbestritten.
Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden hat sich für die Regelung der Höhe
des Verzugszinses im neuen VRPG ausgesprochen. Die vorgeschlagene Höhe des
Verzugszinses von 4% wurde jedoch allgemein als zu niedrig erachtet, und eine grosse
Mehrheit hat sich für 5% (wie im heutigen VRPG und im Obligationenrecht)
ausgesprochen. Der Verzugszins wurde daher im vorliegenden Entwurf bei 5% festgesetzt (s. § 6 des Entwurfs).
Sämtliche Vernehmlassungsteilnehmenden sind mit einer gesetzlichen Regelung des
Vergleichs einverstanden (s. § 19 des Entwurfs).
Der Vorschlag, dass auch die Verwaltungsjustizbehörden ihre Entscheide im Dispositiv
zustellen dürfen, fand in der Vernehmlassung nur eine knappe Mehrheit, insbesondere
die SP, der Gemeindeschreiberverband, die Gemeindeammännervereinigung und der
Anwaltsverband haben sich dagegen ausgesprochen. Da diese Massnahme – jedenfalls
in einzelnen Sachgebieten – zu einer Effektivitäts- und Effizienzsteigerung und damit zu
einer Entlastung der Gerichte führen kann und damit im Sinn der Justizreform liegt,
wurde daran festgehalten (s. § 26 des Entwurfs).
Vom Aargauischen Bauverwalterverband, vom Aargauischen Gemeindeschreiberverband sowie von drei Gemeinden wurde massiv kritisiert, dass die Gemeinwesen gemäss
§ 30 Abs. 2 des Vernehmlassungsentwurfs neu Verfahrenskosten tragen müssen, dem
Gemeinwesen aber – wie gemäss bisheriger Praxis des Verwaltungsgerichts - kein
Anspruch auf Parteientschädigung zusteht (§ 31 Abs. 4 Vernehmlassungsentwurf).
Angesichts des Widerstands der Gemeinden schlägt die Expertenkommission im
vorliegenden Entwurf folgenden Kompromiss vor: Die Behörden müssen wie bisher
grundsätzlich keine Verfahrenskosten tragen (§ 31 Abs. 2 Satz 2 neues VRPG, ausgenommen sind grobe Verfahrensfehler oder willkürliche, das heisst qualifiziert falsche
Entscheide), erhalten aber wie bisher auch keine Parteientschädigung bei Obsiegen (§
32 Abs. 4 neues VRPG). Diese Lösung rechtfertigt sich auch unter dem Gesichtspunkt,
-7-
–
–
–
–
dass die kantonsinterne Verrechnung des Aufwands zwar konsequent wäre, die Buchungen aber intern einen sehr hohen Aufwand verursachen würden, der sich kaum
rechtfertigen lässt. Detaillierte Ausführungen dazu finden sich unter § 32 Ziff. 4 und 5.
Die Anpassung der Dauer der kantonalen Rechtsmittelfristen an die Rechtsmittelfristen
des Bundes fand in der Vernehmlassung einhellige Unterstützung (s. Ziffer 3.5 und § 44
der Botschaft).
Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden erklärte sich mit der Aufwertung der
Stellung der Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen sowie der nebenamtlichen Richter
und Richterinnen im Instruktionsverfahren voll oder mindestens grundsätzlich
einverstanden (s. § 47 des Entwurfs).
Mit der Regelung in § 54 (Generalklausel mit Verzicht auf Enumeration der Ausnahmen
im VRPG selber) war die überwiegende Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden
einverstanden, dagegen ausgesprochen haben sich lediglich die SP und eine
Einzelperson. § 54 wurde zufolge neuerer Erkenntnisse aus Seminarien gegenüber dem
Vernehmlassungsentwurf jedoch leicht abgeändert und die wichtigsten und hauptsächlichsten Ausnahmen in Abs. 2 enumeriert. Es wird auf die Ausführungen zu § 54 verwiesen.
Mit Ausnahme einer Einzelperson haben alle Vernehmlassungsteilnehmenden die Möglichkeit der Überprüfung von Gesetzen durch das Verwaltungsgericht begrüsst.
Der Entwurf des neuen Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRPG) wurde in der Gesamtbeurteilung von allen Parteien, den Kirchen und den meisten Verbänden als „sehr gut“ oder
„gut“ bezeichnet. Nur der Aarg. Gemeindeschreiberverband, der Aarg. Bauverwalterverband
und zwei Gemeinden beurteilten den Entwurf lediglich als „zufriedenstellend“, wobei viele der
kritisierten Punkte in der Zwischenzeit aufgenommen und berücksichtigt werden konnten.
Die wichtigsten Differenzen bezogen sich auf den Verzicht der Kostenfreiheit für das Gemeinwesen, das Festhalten am Grundsatz, dass das Gemeinwesen keinen Anspruch auf
Parteientschädigung hat und die Höhe des Verzugszinses (s. oben).
3.
Überblick über die Änderungen im neuen VRPG
3.1
Instanzenzug
Oftmals weist der Rechtsmittelweg zwei oder mehrere Beschwerdeinstanzen mit gleicher
Überprüfungsbefugnis auf. Die Folge davon ist eine lange Prozessdauer ohne einen in
grundsätzlicher Hinsicht verbesserten Rechtsschutz. Es drängt sich daher auf, die bestehenden Instanzenzüge zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Dabei soll der Instanzenzug auf das Notwendige beschränkt werden, ohne dass der bisherige Rechtsschutz vermindert wird (Qualität statt Quantität). Das neue Instanzenmodell soll einfach aufgebaut sein
und möglichst generell eingesetzt werden können. Weiter muss es den neuen Anforderungen von Art. 29a BV und des neuen Bundesgerichtsgesetzes, die per 1. Januar 2007 in Kraft
getreten sind, genügen: Danach hat jede Person bei Rechtsstreitigkeiten grundsätzlich einen
Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde, auch auf kantonaler Ebene.
Auf kantonaler Stufe sollen höchstens, aber in der Regel zwei Beschwerdeinstanzen mit der
Verwaltungsrechtspflege befasst sein. Wo es besondere Gründe gibt, wird die Weiterzugsmöglichkeit auf lediglich eine einzige Beschwerdeinstanz beschränkt. Ein ideales Instanzen-
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modell umfasst zwei Rechtsmittelinstanzen, wobei die erste Rechtsmittelinstanz über die
Ermessenskontrolle verfügt (volle Kognition) und die zweite Rechtsmittelinstanz eine unabhängige, richterliche sein soll (in der Regel ohne Ermessenskontrolle). Dies entspricht dem
vom Grossen Rat am 9. Mai 2000 beschlossenen Leitsatz 7, wonach erstinstanzliche Verfügungen im Verwaltungsbereich höchstens von zwei Rechtsmittelinstanzen überprüft werden
sollen (in der Regel von einer Verwaltungsinstanz und einer Gerichtsinstanz).
Durch die Möglichkeit, auf 4 verschiedene Typen zurückzugreifen, erweist sich das Instanzenmodell als sehr flexibel, und es kann davon ausgegangen werden, dass für sämtliche
Bereiche des öffentlichen Rechts eine geeignete Variante zur Verfügung gestellt wird:
Typ 1 (Normalfall)
Typ 2
Typ 3
Typ 4
Eidg. Instanzen
Eidg. Instanzen
Eidg. Instanzen
Eidg. Instanzen
Verwaltungsgericht oder
Spezialverwaltungsgericht
Verwaltungsgericht oder
Spezialverwaltungsgericht
Regierungsrat (mit Delegationsmöglichkeit)
1. Instanz (verfügende
Behörde)
1. Instanz (verfügende
Behörde)
Verwaltungsgericht
Regierungsrat
Spezialverwaltungsgericht
1. Instanz (verfügende
Behörde)
1. Instanz (verfügende
Behörde)
Typ 1 entspricht dem traditionellen Rechtsschutzmodell, wie es im Grundsatz schon dem
geltenden VRPG zu Grunde liegt. Typ 2 hat sich in den letzten Jahren vermehrt durchgesetzt
(Ausländerrecht, Personalrecht, Fürsorgerische Freiheitsentziehung). Typ 3 ohne gerichtlichen Rechtsschutz auf kantonaler Ebene und Typ 4 als Modell mit zwei gerichtlichen
Rechtsmittelinstanzen (z.B. im Steuerrecht) gelangen nur ausnahmsweise zur Anwendung.
Das neue Bundesgerichtsgesetz (BGG) verlangt im Bereich der öffentlichrechtlichen Angelegenheiten keinen doppelten (gerichtlichen) Instanzenzug, schreibt aber vor, dass die Kantone als unmittelbare Vorinstanzen des Bundesgerichts obere Gerichte einsetzen müssen
(Art. 86 Abs. 2 BGG). Ein Vergleich von Typ 2 und Typ 4 zeigt, dass Spezialverwaltungsgerichte im Kanton Aargau teilweise einzige Instanz sind, teilweise als Vorinstanz zum Verwaltungsgericht amten (z.B. die Schätzungskommission nach Baugesetz). Von der Stellung
her sind die Spezialverwaltungsgerichte im Kanton Aargau jedoch „obere“ Gerichte und genügen somit den Anforderungen des BGG. Andernfalls würde der im Kanton Aargau in einzelnen Sachgebieten verbesserte gerichtliche Rechtsschutz im Sinn eines „doppelten“ gerichtlichen Instanzenzuges dazu führen, dass die Spezialverwaltungsgerichte ihre Position
als „obere“ Gerichte i.S. des BGG verlieren, was nicht die Meinung des Bundesgesetzgebers
gewesen sein dürfte. Im Übrigen werden die Richter der Spezialverwaltungsgerichte durch
den Grossen Rat gewählt und die Spezialverwaltungsgerichte sind gesamtkantonale Gerichte, was beides dafür spricht, dass es sich um obere Gerichte im Sinn des BGG handelt.
-9-
Das neue Instanzenmodell stiess in der Vernehmlassung auf grosse Zustimmung: Ausser
dem Aarg. Gewerbeverband waren alle Vernehmlassungsteilnehmenden grundsätzlich bis
vollständig damit einverstanden. Der Aarg. Gewerbeverband ist der Auffassung, dass das
Instanzenmodell mit zwei Rechtsmittelinstanzen den wirtschaftlichen Zeitverhältnissen nicht
mehr entspricht; die Entscheidungen müssten rascher als bisher getroffen werden und es sei
daher nur eine Rechtsmittelinstanz vorzusehen. Am vorerwähnten Instanzenmodell wird
jedoch festgehalten: Wären alle Entscheide direkt ans Verwaltungsgericht weiterziehbar,
würde dort, wo erstinstanzlich ein Gemeinderat entscheidet, ein wichtiger und grosser Teil
der notwendigen kantonalen Aufsicht über die Gemeinden entfallen; dasselbe, wenn auch
weniger ausgeprägt, gilt für die Aufsicht des Regierungsrats über erstinstanzlich verfügende
kantonale Verwaltungsinstanzen. Der direkte Weiterzug ans Verwaltungsgericht würde
mengenmässig zu einer enormen Mehrbelastung führen. Zudem müsste - mit zusätzlicher
Mehrbelastung - das Verwaltungsgericht in allen Fällen über die Ermessenskontrolle
verfügen und mit voller Kognition entscheiden. Dies entspricht nicht seiner Funktion: Es soll
die Rechtsstaatlichkeit der Verwaltungstätigkeit garantieren, wie es von der Verfassung
vorgeschrieben ist, und keineswegs als obere Verwaltungsbehörde agieren. Bei Fehlern der
angefochtenen Verfügungen müsste es den Fall in der Regel an die Vorinstanz
zurückweisen, wodurch es zu einer Verfahrensverlängerung statt –beschleunigung käme. Im
Weiteren hätte der erforderliche massive Ausbau des Verwaltungsgerichts grosse finanzielle
Mehrkosten zur Folge.
3.2
Parteilehre
Die Definition, wer im Verwaltungsverfahren und im Verwaltungsjustizverfahren Partei ist,
gestaltet sich schwierig. Das VRPG hat sich bis anhin damit nicht detailliert auseinandergesetzt, allerdings in verschiedenen Bestimmungen Auskunft darüber gegeben, wer anzuhören
ist, wer Kosten zu tragen hat und wem der Entscheid zu eröffnen ist.
Die fehlende Definition der Verfahrensbeteiligten führte zu erheblichen Schwierigkeiten und
Unsicherheiten in einem Punkt, der an sich zweifelsfrei geklärt sein sollte, da mit der Parteistellung die Verfahrensrechte und -pflichten wie rechtliches Gehör, Akteneinsicht, Anspruch
auf Kostenersatz, Pflicht zur Kostentragung und dergleichen verbunden sind. Das neue
VRPG behebt diesen Mangel (s. § 13 nVRPG).
Die Vernehmlassung hat gezeigt, dass sämtliche Parteien, die Kirchen, der Gewerbeverband
und der Anwaltsverband mit der Definition der Verfahrensbeteiligten einverstanden sind. Auf
Ablehnung stiess der Vorschlag hauptsächlich beim Gemeindeschreiber- und Bauverwalterverband und der Gemeindeammännervereinigung. Allerdings basierte die Ablehnung wohl
hauptsächlich auf den damit verbundenen Kostenfolgen für die Gemeinden; diesem Einwand
ist mit einer Neuformulierung der Kostenbestimmungen Rechnung getragen worden.
3.3
Verfahren vor Versicherungsgericht
Mit dem Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
vom 6. Oktober 2000 (in Kraft seit 1. Januar 2003) hat der Bund u.a. auch eine weitgehende
Vereinheitlichung des Verfahrensrechts im Bereich des Sozialversicherungsrechts angestrebt, indem verfahrensrechtliche Mindestanforderungen definiert worden sind. Gemäss
- 10 -
Art. 82 Abs. 2 ATSG müssen die Kantone ihre Bestimmungen über die Rechtspflege innerhalb von fünf Jahren, d.h. bis Ende 2007, entsprechend anpassen. Bis dahin gelten die bisherigen kantonalen Vorschriften.
Gemäss § 100 Abs. 1 lit. b KV gehört das Versicherungsgericht zu den Verwaltungsgerichten. Es ist somit Organ der Verwaltungsgerichtsbarkeit und gehört zu den Verwaltungsjustizbehörden gemäss § 1 Abs. 1 des neuen VRPG. Das neue Verwaltungsrechtspflegegesetz ist
somit grundsätzlich auch für das Versicherungsgericht anwendbar, nachdem ein Vorbehalt,
wie ihn das geltende VRPG in § 1 Abs. 3 noch enthält, nicht mehr gemacht wird. Weil nun
aber die bundesrechtlichen Verfahrensvorschriften des ATSG in einzelnen Bereichen vom
neuen VRPG abweichen, gleichzeitig aber auch sozialversicherungsrechtliche Verfahren
bestehen, die dem ATSG nicht unterstehen, müssen Anpassungen bzw. Sondervorschriften
für das Verfahren vor Versicherungsgericht erlassen werden. Der Entwurf trifft eine einfache
und schlanke Lösung, damit die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen in das neue
VRPG integriert werden können (s. §§ 14 Abs. 3, 58 und 64 nVRPG).
Die Regelung des Verfahrens vor Versicherungsgericht im VRPG stiess in der Vernehmlassung auf ungeteilte Zustimmung.
3.4
Beschränkung auf Verfahrensvorschriften
Das geltende VRPG beinhaltet organisationsrechtliche Bestimmungen über das Verwaltungsgericht (vgl. §§ 9-14 VRPG). Diese Bestimmungen gehören nicht in das VRPG, sondern ins Gerichtsorganisationsgesetz (GOG). Damit wird auch dem vom Grossen Rat am
9. Mai 2000 beschlossenen Leitsatz 8 Abs. 2 Rechnung getragen, wonach die organisationsrechtlichen Regelungen zu überprüfen und in wenigen Haupterlassen zusammenzufassen
sind. In einem ersten Schritt werden daher die organisationsrechtlichen Bestimmungen des
VRPG zum Verwaltungsgericht unverändert ins GOG verschoben. Im Rahmen der geplanten
Totalrevision des Gerichtsorganisationsgesetzes sind die Bestimmungen den übrigen organisationsrechtlichen Regelungen anzupassen.
Die Aufnahme der organisationsrechtlichen Bestimmungen ins GOG war in der Vernehmlassung unbestritten.
3.5
Verschiedene andere Anliegen
Nebst den bereits genannten Themenbereichen sind im Verlauf der Arbeiten zahlreiche Anregungen seitens der betroffenen Behörden und Gerichte aufgenommen worden. Es ging
dabei häufig um die Präzisierung bestehender, aber teilweise unklarer Bestimmungen oder
um die Übernahme der gerichtlichen Praxis ins Gesetz (wie beispielsweise die Erläuterung
oder Berichtigung eines unklaren oder fehlerhaften Entscheiddispositivs).
Im neuen Verwaltungsrechtspflegegesetz wird im Übrigen nicht differenziert zwischen Urteilen, Verfügungen und Beschlüssen, sondern nur der Begriff "Entscheid" verwendet. Die vorgenannte Unterscheidung bringt kaum etwas, führte in der Vergangenheit aber oft zu falschen Bezeichnungen und kompliziert die Gesetzesredaktion, weshalb darauf verzichtet
wird.
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Weiter werden die Rechtsmittelfristen neu grundsätzlich auf 30 Tage festgesetzt. Es ist eine
Tatsache, dass die öffentlichrechtlichen Fristen des Bundes heute 30 Tage betragen, und es
ist deshalb wenig sinnvoll, bei einer Gesetzesänderung kürzere kantonale Fristen beizubehalten. Diese Vereinheitlichung dient insbesondere auch der Vermeidung von Rechtsunsicherheiten. Aus diesem Grund werden im Rahmen der Fremdänderungen die Rechtsmittelfristen in sämtlichen kantonalen Gesetzen auf 30 Tage festgelegt, sofern es sich nicht um
dringliche Angelegenheiten handelt, für die weiterhin kurze Fristen sachgerecht sind. Sämtliche Vernehmlassungsteilnehmenden waren mit der Anpassung der kantonalen Fristen an
die Rechtsmittelfristen des Bundes einverstanden.
4.
Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen
Zur Unterscheidung der beiden Erlasse, geltendes VRPG und Entwurf des neuen VRPG,
wird in den Kommentierungen stets der Begriff VRPG (alt) und nVRPG (neu) verwendet.
4.1
Geltungsbereich
§1
§ 1 [Geltungsbereich]
1
Dieses Gesetz gilt für das Verfahren vor den Verwaltungs- und den Verwaltungsjustizbehörden.
2
Behörde ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt; darunter
fallen auch Private, wenn sie mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet sind.
3
Sonderbestimmungen in anderen Erlassen bleiben vorbehalten.
Bemerkungen zu § 1 nVRPG (bisher § 1 VRPG, teilweise neu)
1.
In § 1 VRPG werden das Verwaltungsgericht, die Rekurs- und Schätzungskommissionen,
die Verwaltungsbehörden des Kantons, der Gemeinden, sowie die Körperschaften und Anstalten des kantonalen und kommunalen öffentlichen Rechts genannt. Diese Aufzählung ist
unnötig, da das VRPG im Grundsatz für alle Verfahren vor den Verwaltungsbehörden und
den Verwaltungsjustizbehörden (das sind zurzeit: Verwaltungsgericht, Spezialverwaltungsgerichte und Versicherungsgericht, s. § 100 KV) gilt. Eine Aufzählung birgt die Gefahr in sich,
dass einzelne Behörden vergessen oder neue Behörden nicht erfasst werden. Trotz dieser
Straffung des Gesetzestextes ist klar, dass sich nur verwaltungs- oder verwaltungsjustizbehördliches Tätigwerden in verfahrensrechtlicher Hinsicht nach diesem Gesetz richtet; wird
der Staat auf dem Gebiet des Privatrechts tätig, gilt dieses.
2.
§ 1 Abs. 3 VRPG verweist betreffend der Rechtspflege in Sozialversicherungssachen auf ein
Dekret des Grossen Rates. Von dieser Kompetenz hat der Grosse Rat indessen bisher keinen Gebrauch gemacht. In Bezug auf die Rechtspflegebestimmungen im Sozialversiche-
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rungsrecht kann der Kanton Aargau allerdings nur noch ausführend legiferieren, nachdem
der Bundesgesetzgeber detaillierte Regelungen für die Organisation der Rekursbehörden
und für das kantonale Rekursverfahren vorschreibt (vgl. ATSG).
Bisher stützt sich das Verfahren vor Versicherungsgericht hauptsächlich noch auf die Verordnung über die Rechtspflege in Sozialversicherungssachen vom 22. Dezember 1964. Dieser Erlass ist aber grösstenteils überholt. Gemäss Art. 82 Abs. 2 ATSG müssen die Kantone
ihre Bestimmungen über die Rechtspflege bis Ende 2007 den Vorgaben des ATSG anpassen. Es hat sich gezeigt, dass das neue VRPG mit bloss geringfügigen Abweichungen auch
für das Versicherungsgericht als Verfahrensordnung dienen kann. Da das Versicherungsgericht gemäss § 100 Abs. 1 lit. b KV zu den Verwaltungsjustizbehörden gehört, gilt gemäss
§ 1 Abs. 1 nVRPG das neue Verwaltungsrechtspflegegesetz grundsätzlich auch für die vor
Versicherungsgericht durchgeführten Verfahren. Vorbehalten bleiben selbstverständlich
übergeordnete Bestimmungen (z.B. ATSG).
3.
§ 1 nVRPG regelt den funktionalen Geltungsbereich des Gesetzes. Angesprochen sind die
Verwaltungs- und Verwaltungsjustizbehörden. Trotz des Grundsatzes, dass der Behördenbegriff weit zu fassen ist, kann fraglich sein, ob die Legislative, der Grosse Rat und die Gemeindeparlamente vom Geltungsbereich des Gesetzes mit umfasst werden. Das ist so lange
kein Problem, wie der Grosse Rat oder ein Gemeindeparlament nicht Entscheide trifft, die
ein betroffener Privater gestützt auf die Rechtsschutzgarantien in der EMRK muss anfechten
können.
Die Lösung dieses Problems kann darin liegen, dass der Behördenbegriff auch bezüglich der
Legislative grundsätzlich weit zu fassen ist und damit durch § 1 nVRPG jede Stelle angesprochen ist, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Verwaltungstätigkeit ist
danach die Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, die sich im weitesten
Sinne als Ausführung von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts darstellt oder jedenfalls ihre
Grundlage im öffentlichen Recht hat und ihre Berechtigung daraus ableitet. Trifft der Grosse
Rat Entscheide, die vom Betroffenen gestützt auf internationale, schweizerische oder kantonale Rechtsschutzgarantien anfechtbar sein müssen, übt er Verwaltungstätigkeit aus und ist
in diesem Bereich Behörde im Sinn von § 1 nVRPG.
Die Ausdehnung des Behördenbegriffs hat jedoch in der Praxis zu Schwierigkeiten geführt,
weshalb es sich rechtfertigt, den vorgeschlagenen Absatz 2 einzufügen. Mit der Formulierung soll der bereits angesprochenen Problemstellung Rechnung getragen werden, dass
nicht nur Verwaltungs- oder Verwaltungsjustizbehörden Verwaltungsrecht anwenden, sondern zum Beispiel auch die Zivilgerichte oder Private (bis anhin war insbesondere die Justizverwaltung durch Zivilgerichte ein verfahrensrechtliches Problem). Mit Absatz 2 ist sichergestellt, dass tatsächlich alle Stellen, die Verwaltungstätigkeit im hier verstandenen Sinn ausüben, vom nVRPG auch erfasst werden, da die Anwendbarkeit des Gesetzes über die Tätigkeit und nicht die Behördenqualifikation definiert wird.
Soweit Private anstelle des Staates handeln (Übertragung von Verfügungskompetenzen "Befugnisse"), sind sie verfahrensrechtlich betrachtet keine Privaten mehr, sondern Verwaltungsbehörden im Sinn von § 1 nVRPG; dies wird mit der Formulierung in § 1 Abs. 2 nVRPG
- 13 -
sichergestellt. Unter § 1 Abs. 2 nVRPG fallen beispielsweise die hoheitlichen Befugnisse, die
einer Spital-AG durch die Gesetzgebung übertragen sind (vgl. § 12 Abs. 1 des Spitalgesetzes vom 25. Februar 2003).
4.
Es versteht sich eigentlich von selbst, dass Spezialbestimmungen in anderen Erlassen gleicher Stufe immer vorbehalten sind. Aus Gründen der Anwenderfreundlichkeit und der Klarheit wird dieser Vorbehalt in § 1 Abs. 3 nVRPG jedoch noch explizit festgehalten.
4.2
Grundsätze des Verwaltungsrechts
§§ 2–4
§ 2 [Gesetzmässigkeit]
1
Verwaltungs- und Verwaltungsjustizbehörden sind an das Gesetz gebunden.
2
Regierungsrat und Verwaltungsjustizbehörden sind gehalten, Erlassen die Anwendung zu
versagen, die Bundesrecht oder kantonalem Verfassungs- oder Gesetzesrecht widersprechen. Kommunales Recht ist von den Behörden aller Stufen vorfrageweise zu überprüfen.
§ 3 [Öffentliches Interesse, Verhältnismässigkeit, Rechtsgleichheit]
Alle Entscheide müssen das öffentliche Interesse wahren, den Verhältnissen angemessen
sein und die Rechtsgleichheit beachten.
§ 4 [Treu und Glauben]
Bei der Anwendung des Rechts gelten Treu und Glauben. Rechtsmissbrauch findet keinen
Rechtsschutz.
Bemerkungen zu den §§ 2–4 nVRPG (bisher §§ 2 und 3 VRPG)
1.
Die §§ 2 bis 4 nVRPG nennen den Grundsatz der Gesetzmässigkeit, den Grundsatz des
öffentlichen Interesses, den Grundsatz der Verhältnismässigkeit, den Grundsatz der Rechtsgleichheit und den Grundsatz von Treu und Glauben. Dabei handelt es sich um Prinzipien
von Verfassungsrang, welche auch ohne die Erwähnung im nVRPG Geltung haben.
2.
In § 2 Abs. 2 nVRPG wird die inzidente Normenkontrolle geregelt. Auch hier sind die massgeblichen Vorgaben im übergeordnetem Recht geregelt. Im Verhältnis zur eidgenössischen
Gesetzgebung gilt der Grundsatz, wonach Bundesrecht kantonales Recht bricht (Art. 49 BV).
Gestützt auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung sind die kantonalen Gerichte damit
unmittelbar gestützt auf die Bundesverfassung verpflichtet, kantonalen Erlassen die Anwendung zu versagen, wenn sie bundesrechtswidrig sind.
- 14 -
Die Frage der Überprüfbarkeit kantonaler Normen auf ihre Übereinstimmung mit höherrangigem kantonalem Recht ist dagegen nicht im Bundesrecht geregelt. Die Grundlagen der
innerkantonalen inzidenten Normenkontrolle finden sich in § 90 und § 95 KV. Danach sind
die Gerichte und der Regierungsrat gehalten, Erlassen die Anwendung zu versagen, die
Bundesrecht oder kantonalem Verfassungs- oder Gesetzesrecht widersprechen; eine Delegation dieser Kompetenz an untergeordnete Verwaltungsbehörden ist gemäss Verfassungskommentar nicht erlaubt (Eichenberger, Kommentar KV, § 90 Rz 22). Diese Beschränkung
der Normenkontrolle gilt jedoch nicht im Bereich des kommunalen Rechts.
§5
§ 5 [Verjährung von Geldforderungen]
1
Die Verjährung öffentlichrechtlicher Geldforderungen durch Ablauf gesetzlich festgelegter
Fristen ist von Amtes wegen zu beachten.
2
Öffentlichrechtliche Geldforderungen, für deren Geltendmachung das Gesetz nicht
bestimmte Fristen festlegt, verjähren innert 10, periodisch zu erbringende Leistungen innert
5 Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt zu laufen, sobald die Forderungen berechnet werden
können.
3
Eine Unterbrechung der Verjährungsfristen tritt ein
a) durch Klage oder Einrede bei der zuständigen Behörde,
b) durch die Schuld feststellende Entscheide,
c) durch Anerkennung, Schuldbetreibung oder Eingabe im Konkurs,
d) durch jede ähnliche Handlung, mit welcher der Anspruch in geeigneter Form geltend
gemacht wird.
4
Werden die Handlungen gemäss Absatz 3 bei einer unzuständigen Behörde
vorgenommen, die zur Überweisung der Sache an die zuständige Behörde verpflichtet ist,
so gilt die Frist als unterbrochen.
5
Mit Ablauf von 20 Jahren beziehungsweise bei periodisch zu erbringenden Leistungen von
15 Jahren tritt in jedem Fall die absolute Verjährung ein.
Bemerkungen zu § 5 nVRPG (bisher § 78a VRPG)
Der in Kraft stehende Wortlaut spricht vom "Erlöschen" der Forderungen. Diese Wortwahl ist
wenig glücklich. Erlöschen bedeutet, dass die fragliche Forderung untergeht. Das aber
würde nach der herrschenden Terminologie einer Verwirkung gleichkommen. Verwirkungsfristen können definitionsgemäss nicht unterbrochen werden und sind durchwegs von Amtes
wegen zu berücksichtigen. Indem es ausführlich Fragen der Unterbrechung regelt, will das
Gesetz aber offensichtlich eine Verjährung festschreiben und nicht eine Verwirkung. Dem
sollte begrifflich Rechnung getragen werden. Entsprechend wird der Begriff "Erlöschen"
durchgängig durch "Verjährung" ersetzt.
Abs. 1 und 2: Die Bestimmungen erfahren im Grundsatz keine Änderung. Allerdings wurde
der Begriff der Fälligkeit aus dem Gesetz entfernt, da die Norm nur den Zweck hat, die Verjährung und die damit verbundenen Fristen zu regeln, und nichts über die Fälligkeit der Forderung aussagt. Zu beachten ist, dass die Berücksichtigung der Verjährungsfristen von Amtes wegen einer Verjährungsverzichtserklärung nicht entgegensteht, d.h. Verjährungsverzichtserklärungen können gültig vereinbart werden. Der Begriff „Forderung“ wurde wegen der
- 15 -
vor allem im öffentlichen Recht bestehenden Mehrdeutigkeit (Ansprüche, Forderungsrechte,
die nicht nur Geld umfassen) präzisiert, um klarzustellen, dass § 5 nur Geldforderungen
erfasst.
Bei den Fristen in Abs. 2 handelt es sich um gesetzliche Fristen, die von Amtes wegen zu
beachten sind.
Abs. 3: Bei den Unterbrechungsgründen wird neu unter lit. d "jede Handlung" eingefügt, mit
welcher der Anspruch in geeigneter Form geltend gemacht wird. Damit wird die bundesgerichtliche Praxis ins Gesetz überführt, wonach im öffentlichen Recht im Gegensatz zum
Privatrecht wesentlich erleichterte Möglichkeiten der Verjährungsunterbrechung bestehen
(BGE 126 II 1 ff. und 49 ff.). Wie sich aus den beiden angeführten Entscheiden ergibt, ist die
Bundesgerichtspraxis in jüngster Zeit immer liberaler geworden. Die Anforderungen an eine
rechtsgenügliche Unterbrechungshandlung wurden sukzessive herabgesetzt.
Wird die Verjährung unterbrochen, beginnt die Frist neu zu laufen.
Abs. 4: Die Bestimmung bleibt unverändert.
Abs. 5: Die liberale Unterbrechungspraxis hat zur Folge, dass öffentlichrechtliche Geldforderungen im Grundsatz auch nach Jahrzehnten noch geltend gemacht werden können, wenn
nur jeweils rechtzeitig die Verjährung unterbrochen wird. Dadurch kann sich das Verfahren
auf Zeiträume ausdehnen, die in Konflikt geraten mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit
und des Rechtsfriedens. Jedes Rechtsverhältnis muss irgendwann verbindlich und definitiv
festgelegt sein. Aus diesem Grund wird in Absatz 5 eine neue Bestimmung eingefügt, die
eine absolute Verjährungsfrist von 20 Jahren, bzw. von 15 Jahren bei periodisch zu erbringenden Leistungen, statuiert.
§6
§ 6 [Verzinsung]
1
Auf fälligen öffentlichrechtlichen Forderungen ist ein Verzugszins von 5% pro Jahr zu bezahlen.
2
In Härtefällen kann auf den Verzugszins ganz oder teilweise verzichtet werden.
Bemerkungen zu § 6 nVRPG (bisher § 78b VRPG)
Abs. 1: Es fragt sich, ob die Höhe des Verzugszinses positivrechtlich festgelegt werden soll.
Denkbar ist einerseits eine konkrete Festlegung im Gesetz selber, auf der anderen Seite
aber auch eine flexiblere Regelung mittels Kompetenzdelegation an den Regierungsrat. Um
künftige Diskussionen zu vermeiden, wurde im Vernehmlassungsentwurf vorgeschlagen, den
Zinssatz zu nennen. Diese Regelung bringt auch zum Ausdruck, dass Zins geschuldet ist,
nicht aber Zinseszins. Auch hier gilt selbstverständlich, dass Spezialbestimmungen in anderen Erlassen gleicher Stufe immer vorbehalten sind (§ 1 Abs. 3 nVRPG). Im Vernehmlassungsentwurf wurde der Zins bei 4 % festgelegt.
Die vorgeschlagene Regelung des Verzugszinses im Gesetz selber (im VRPG) fand in der
Vernehmlassung fast einhellige Unterstützung. Die vorgeschlagene Höhe von 4% wurde
- 16 -
aber generell als zu niedrig erachtet. Die grosse Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden sprach sich für einen Verzugszins in der Höhe von 5% aus (insbes. CVP, FDP, SVP,
SP, Anwaltsverband, Gemeindeschreiberverband, Bauverwalterverband).
Abs. 2: Die Bestimmung bleibt unverändert.
4.3
Verfahrensvorschriften
§7
§ 7 [Verkehr mit den Behörden]
1
Der Verkehr mit den Behörden kann schriftlich oder, bei Vorliegen der nachfolgenden Voraussetzungen, elektronisch erfolgen.
2 Die
Partei kann eine elektronische Zustelladresse angeben und ihr Einverständnis erklären, dass Zustellungen auf dem elektronischen Weg erfolgen dürfen.
3
Sofern eine Behörde über einen qualifizierten elektronischen Zugang verfügt, können Eingaben in elektronischer Form mit einer anerkannten elektronischen Signatur der absendenden Person übermittelt werden.
4
Bei elektronischer Übermittlung kann die Behörde verlangen, dass die Eingabe in Papierform nachgereicht wird.
5
Der Regierungsrat regelt die Einzelheiten in einer Verordnung.
Bemerkungen zu § 7 nVRPG (neu)
Per 1. Januar 2005 trat eine neue Bestimmung im Obligationenrecht in Kraft, wonach die
elektronische Signatur der eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt wird (Art. 14 Abs. 2bis
OR). Weiter traten das Bundesgesetz über die elektronische Signatur und die Verordnung
über die elektronische Signatur auf diesen Zeitpunkt in Kraft (SR 943.03/943.032). Darin
werden die Voraussetzungen für die Anerkennung der Anbieter von Zertifizierungsdiensten
festgelegt.
§ 7 nVRPG regelt neu, in welcher Form der Verkehr mit den Behörden im Rahmen der vom
VRPG erfassten Verfahren zulässig ist; die Bestimmung wurde wegen der Möglichkeit des
elektronischen Verkehrs notwendig. Sie bringt zum Ausdruck, dass im Grundsatz jede Person Anspruch hat, klassisch, das heisst hier schriftlich und in der Regel über postalische Zustellung, mit den Behörden im Rahmen von Verwaltungsverfahren zu kommunizieren; niemand soll verpflichtet werden können, sich eine elektronische Zustelladresse einzurichten.
Die Regelung des elektronischen Verkehrs in § 7 gilt für alle Verfahren vor Verwaltungs- und
Verwaltungsjustizbehörden. Die elektronische Übermittlung soll damit zulässig sein in den
Anwendungsbereichen von zahlreichen kantonalen Erlassen, in denen von "schriftlicher Eingabe", "unterschriftlicher Bestätigung", "rechtsgültiger Unterschrift", "unterzeichnen", "eigenhändig unterzeichnen", "Unterschrift", und ähnlichem die Rede ist. Es ist nicht nötig, dass
jeder Erlass einzeln geändert wird.
Auf der anderen Seite besteht auch kein Anspruch gegenüber den Behörden, ihrerseits für
einen elektronischen Zugang besorgt zu sein oder auch nur, dass die Korrespondenz künftig
- 17 -
per Mail an den Entscheidadressaten übermittelt wird; die Behörde ist grundsätzlich frei, ob
sie dies tut oder nicht. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Verwaltungsbehörden zurzeit noch nicht über die notwendigen Instrumente für den elektronischen Verkehr verfügen. Eine Verordnung des Regierungsrats wird die Details regeln.
§8
§ 8 [Zuständigkeit a) Prüfung, Überweisung]
1
Jede Behörde prüft ihre Zuständigkeit von Amtes wegen.
2
Die Behörde, die ihre Zuständigkeit verneint, überweist die Sache unverzüglich unter Mitteilung an die Parteien derjenigen Behörde, die sie als zuständig erachtet. Sie pflegt in der
Regel vorher einen Meinungsaustausch mit den in Betracht fallenden Behörden.
Bemerkungen zu § 8 nVRPG (bisher §§ 6 und 7 VRPG)
§ 8 nVRPG ist bürgerfreundlich und hat sich bewährt. Eine Überweisung darf jedoch nur
dann vorgenommen werden, wenn der ansprechende private Dritte nicht auf einem Entscheid durch die (unzuständige) Behörde beharrt. In letzterem Fall hat ein Nichteintretensentscheid zu erfolgen. Dies wird von den Behörden bis anhin so gehandhabt.
§9
§ 9 [b) Zuständigkeitskonflikte]
1
Zuständigkeitskonflikte zwischen Verwaltungsbehörden entscheidet die Aufsichtsbehörde.
2
Zuständigkeitskonflikte zwischen Verwaltungs- und Verwaltungsjustizbehörden oder zwischen Verwaltungsjustizbehörden untereinander entscheidet das Verwaltungsgericht.
3
Ist die Zuständigkeit zwischen den Verwaltungsbehörden oder den Verwaltungsjustizbehörden einerseits und den übrigen Gerichten des Kantons anderseits streitig, so entscheidet
nach durchgeführtem Meinungsaustausch diejenige Behörde, die zuerst angerufen wurde.
Bemerkungen zu § 9 nVRPG (bisher § 8 VRPG)
Die Regelung für die Prüfung der Zuständigkeit und den Entscheid über Zuständigkeitskonflikte hat sich bewährt und ist ohne Widersprüche geblieben.
Abs. 3 ist neu und trifft bei negativer oder positiver Kompetenzkonkurrenz zwischen den genannten Behörden und Gerichten eine pragmatische Lösung, indem nach dem Grundsatz
der Priorität diejenige Behörde über ihre Zuständigkeit entscheidet, die zuerst angerufen
wurde.
Da nun unter Umständen einem Gemeinderat die Aufgabe zufällt, über eine streitige Zuständigkeitsfrage zu entscheiden, ist es ohne Zweifel sinnvoll, einen Meinungsaustausch mit den
höchsten kantonalen Gerichten über die Streitfrage durchzuführen. Aus diesem Grund wurde
in Absatz 3 der Bestimmung ausdrücklich der Meinungsaustausch aufgenommen mit dem
Ziel, dass die entscheidbefugten Instanzen eine juristische Beurteilung bei den letztinstanzlich zuständigen Behörden einholen und damit helfen, unnötige Verfahren zu verhindern. Es
wäre wünschenswert, dass Verwaltungsgericht und Obergericht bei Meinungsdifferenzen in
diesen Fragen regelmässig konsultiert würden.
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Die Bestimmung ist trotz der Regelung in § 82 Abs. 1lit. d KV verfassungskonform, weil § 82
Abs. 1 lit. d KV ausweislich des Verfassungskommentars subsidiäre Bedeutung zukommt
und eine abweichende Regelung auf Gesetzesstufe zulässig ist.
§ 10
§ 10 [Amts- und Rechtshilfe]
1
Verwaltungs- und Verwaltungsjustizbehörden leisten auf Gesuch hin Amtshilfe.
2
Verwaltungsjustizbehörden leisten auf Gesuch hin Rechtshilfe.
3
Amts- und Rechtshilfe ist ausnahmsweise nicht zu leisten, wenn die Erfüllung der eigenen
Aufgaben dadurch erheblich gefährdet ist, wenn eine andere Behörde die Amtshilfe erheblich einfacher leisten könnte oder wenn rechtliche Gründe dagegen sprechen.
4
Die ersuchte Behörde leistet die Amts- und Rechtshilfe gebührenfrei. Auf den Ersatz der
Auslagen kann sie bei Geringfügigkeit verzichten.
Bemerkungen zu § 10 nVRPG (neu)
Rechtshilfe ist die Vornahme einer richterlichen Amtshandlung durch ein Gericht auf Ersuchen eines anderen Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde. Amtshilfe ist die ergänzende
Hilfe einer Verwaltungsbehörde auf Ersuchen einer anderen Behörde, wenn zwischen diesen
kein Weisungsverhältnis besteht. Die Unterscheidung orientiert sich an der Differenzierung,
wie sie in der Bundesverfassung vorgenommen wird.
Bis anhin funktionierte das aargauische Staatswesen auch ohne eine entsprechende Bestimmung; allerdings lassen die zunehmenden Restriktionen aus Gründen des Datenschutzes und die damit unter Umständen erheblich behinderte Informationsübermittlung befürchten, dass auf eine solche Bestimmung (im Sinn einer notwendigen gesetzlichen Grundlage) nicht mehr verzichtet werden kann. Auch das strafrechtlich geschützte Amtsgeheimnis
steht dem unkontrollierten Datenaustausch entgegen. Hinzu kommt die zunehmende organisatorische Trennung der Behörden mit verschiedenen Fachbereichen, die ebenfalls nicht
dazu führen darf, dass die Verwirklichung der Verwaltungsaufgaben unnötig erschwert oder
verteuert wird. Gestützt auf diese Überlegungen sowie den Umstand, dass Art. 44 Abs. 2 BV
den Kantonen die Rechts- und Amtshilfe vorschreibt, macht es Sinn, neu auch die Rechtsund Amtshilfe zu regeln.
Die neue Bestimmung wurde offen formuliert; es wird nicht gesagt, die Behörden leisten einander Rechts- und Amtshilfe, weil damit der Anwendungsbereich auf innerkantonale Gesuche begrenzt worden wäre (§ 1 nVRPG). Die Bestimmung zwingt damit aargauische Verwaltungsbehörden und Verwaltungsjustizbehörden, auch ausserkantonale Gesuche um
Rechts- und Amtshilfe zu bearbeiten. Das dürfte auch gestützt auf die Bundesverfassung
(BV) zutreffend sein, da in Art. 44 Abs. 2 Satz 2 BV von den Kantonen verlangt wird, dass sie
einander Amts- und Rechtshilfe leisten. Konkretisierende Bestimmungen auf Bundesebene
fehlen allerdings.
- 19 -
Die Ausnahmen von der Pflicht zur Rechts- und Amtshilfe sprechen ausserordentliche Situationen an. Es sind Fälle denkbar, in denen die ersuchte Behörde durch das Rechts- oder
Amtshilfegesuch in ihrer Leistungsfähigkeit derart reduziert würde, dass ihr der Vollzug des
Gesuchs nicht zugemutet werden kann; auch die Fälle von Gesuchen aus Bequemlichkeit
werden von den Verweigerungsgründen erfasst. Schliesslich werden entgegenstehende
Rechtsvorschriften genannt, angesprochen sind damit hauptsächlich die Datenschutzgesetzgebung oder in anderen Bestimmungen vorgesehene Geheimhaltungspflichten, die den
Austausch von Daten verhindern. So sind für die Bekanntgabe von Personendaten im Rahmen der Rechtshilfe die Voraussetzungen des kantonalen Gesetzes über die Information der
Öffentlichkeit, den Datenschutz und das Archivwesen (IDAG) zu beachten (§ 14 IDAG i.V.
mit § 8 IDAG, wobei das VRPG nicht als gesetzliche Grundlage im Sinne von § 8 Abs. 2 lit. a
IDAG gelten kann).
Formuliert wird die grundsätzliche Kostenfreiheit der Rechts- und Amtshilfe; ausgenommen
davon sind die Auslagen, welche die ersuchte Behörde im Rahmen des Verfahrens zu leisten hat. Abs. 4 Satz 2 soll zulassen, dass Auslagen in geringer Höhe nicht verrechnet werden müssen, wenn die Aufwendungen für die Rechnungsstellung den in Rechnung gestellten
Betrag übersteigen.
§ 11
§ 11 [Offizialmaxime, Verfahrenseinleitung]
1
Ein Verwaltungsverfahren wird mit Einreichung eines Gesuchs oder von Amtes wegen
eingeleitet.
2
Bei der Einleitung des Verwaltungsverfahrens sind die Parteien, die vom Verfahren erfasst
werden sollen, soweit möglich zu bezeichnen.
Bemerkungen zu § 11 nVRPG (neu)
In § 11 Abs. 1 nVRPG wird neu die Offizialmaxime genannt. Sie ist von der Untersuchungsmaxime zu unterscheiden, die nicht die Einleitung eines Verfahrens von Amtes wegen beschlägt, sondern die amtliche Sachverhaltsabklärung in einem bereits angehobenen Verfahren.
§ 11 nVRPG will das verwaltungsinterne Verwaltungshandeln vom eigentlichen Anwendungsbereich des nVRPG abgrenzen und damit eine gewisse Formalisierung bezüglich der
Parteien erreichen. Mit der Verfahrenseinleitung muss sich die Behörde darüber Rechenschaft ablegen, wen sie mit welchen Rechten in das Verfahren mit einbezieht. Es gibt dann
nicht mehr den indifferenten Beteiligten, sondern nur noch Parteien (bzw. mögliche künftige
Entscheidadressaten) und Dritte, die in anderen Funktionen (als Sachverständige, Auskunftspersonen etc.) am Verfahren teilnehmen. Die Schnittstelle Verfahrenseinleitung und
damit Parteistellung schafft die Verbindung zu den mit der Parteistellung einhergehenden
Verfahrensrechten. Die Einschränkung „soweit möglich“ dient der Klarstellung, dass auch
nach dem Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung bis anhin nicht am Verfahren beteiligte Dritte in
das Verfahren miteinbezogen werden können; die Einschränkung trägt überdies dem Umstand Rechnung, dass einer Behörde zu Beginn des Verfahrens häufig die künftigen Parteien noch gar nicht bekannt sein können.
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§ 12
§ 12 [Beiladung]
1Die
instruierende Behörde kann Dritte von Amtes wegen oder auf Antrag zum Verfahren
beiladen, wenn sie durch den Ausgang des Verfahrens in eigenen Interessen berührt werden könnten.
2
Beigeladene haben Parteistellung und die damit verbundenen Rechte und Pflichten; über
die Anträge der ursprünglichen Parteien können sie nicht hinausgehen, die Verfügung über
den Streitgegenstand steht ihnen nicht zu. Mit der Beiladung wird der Entscheid auch für die
Beigeladenen verbindlich.
3
Verzichten Beigeladene auf eine aktive Teilnahme am Verfahren, tragen sie keine Kosten.
Bemerkungen zu § 12 nVRPG (neu)
Die Beiladung ist im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren (vgl. aber § 62 VRPG
für das Klageverfahren) bis anhin nicht geregelt, liess sich aber als notwendige Ausdehnung
des Schriftenwechsels auf rechtlich Betroffene (§ 41 Abs. 1 VRPG sinngemäss) oder als
nachträglicher Einbezug Dritter in das Beschwerdeverfahren bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen begreifen. Im Aargau existiert dazu kaum eine publizierte Praxis (AGVE 1994,
472 ff.; 1981, 279). Die Beiladung hat den Zweck, die Rechtskraft des Urteils auf den Beigeladenen auszudehnen, damit dieser in einem später gegen ihn gerichteten Prozess das Urteil im Beiladungsprozess gegen sich gelten lassen muss. Die Beiladung dient damit der
Rechtssicherheit durch Ausdehnung der Rechtskraft sowie der Prozessökonomie und verhindert sich widersprechende Urteile. Der Beigeladene kann die Beiladung nicht mit der Wirkung ausschlagen, dass das betreffende Urteil für ihn nicht gilt; selbst wenn er auf die aktive
Mitwirkung (Stellung von Anträgen) am Verfahren verzichtet, entfaltet das Urteil auch ihm
gegenüber Rechtswirkungen, hingegen trägt er diesfalls kein Kostenrisiko. Der beigeladene
Dritte erhält Parteistellung.
Beigeladen werden können Dritte, deren „eigene“ Interessen durch den Entscheid betroffen
werden; auf die Beschwerdebefugnis des Dritten kommt es nicht an. Das (allgemeine) Interesse eines Dritten an der richtigen Anwendung von Verwaltungsrecht kann keine Beiladung
nach sich ziehen.
Das Vernehmlassungsverfahren ist von der Beiladung abzugrenzen. Mit der Zustellung zur
Beschwerdeantwort wird Dritten, die durch den Ausgang des Prozesses direkt in ihren rechtlichen oder tatsächlichen Interessen betroffen werden, die (freigestellte) Teilnahme am Verfahren ermöglicht. Die Beiladung lässt dem Beigeladenen keine Wahl, er wird Partei, ob er
sich am Verfahren aktiv beteiligt oder nicht; allerdings kann er das Kostenrisiko ausschliessen, wenn er auf die Ausübung seiner Parteirechte verzichtet. Darauf ist er hinzuweisen.
Der Beigeladene ist im Grundsatz mit denselben prozessualen Rechten und Pflichten am
Verfahren beteiligt wie die ursprünglichen Parteien. Er kann selbständig Anträge stellen, ein
Rechtsmittel ergreifen und, sofern er sich am Verfahren durch die Stellung von Anträgen
beteiligt hat, auch zur Kostentragung verpflichtet werden; bei Obsiegen hat er Anspruch auf
Kostenersatz. Hingegen fehlt ihm die Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand (kein
Rückzug).
- 21 -
Die Beiladung erfolgt von Amtes wegen, auf Antrag einer Partei oder auf Antrag des beizuladenden Dritten selbst. Der Entscheid über einen Antrag liegt im Ermessen der erkennenden
Instanz. Die Beiladung ist dann eine notwendige, wenn die zu treffende Entscheidung in der
Sache für die Parteien und den beizuladenden Dritten nur einheitlich ergehen kann. Dies ist
beispielsweise der Fall, wenn der Rechtsmittelentscheid zugunsten des Beschwerdeführers
den Dritten belastet (Anwendungsfall in AGVE 1967, 284 ff.), wenn die Feststellung eines
Rechtsverhältnisses verlangt wird, an welchem ein Dritter beteiligt ist, oder wenn bei einer
Rechtsgemeinschaft ein Einzelner an sich selbständig zur Beschwerde befugt ist, das Prozessthema materiell aber die anderen in ihren Rechten gleichwohl betrifft.
Das Verwaltungsgericht verlangt in formeller Hinsicht, dass der Beizuladende über die Folgen der Beiladung orientiert wird. Es ist ihm zu eröffnen, dass er berechtigt ist, innert der gesetzten Frist Anträge zu stellen, seinen Standpunkt zu begründen, dass er ein Kostenrisiko
trägt und den Entscheid auch gegen sich gelten lassen muss, wenn er auf jegliche Mitwirkung verzichtet. Äussert sich der Beigeladene innert Frist nicht zu den gestellten Begehren,
hat er auf die Ausübung seiner Parteirechte verzichtet, womit das Kostenrisiko entfällt, nicht
aber die Verbindlichkeit des ohne seine Mitwirkung zustande gekommenen Entscheids.
§ 13
§ 13 [Parteien]
1
Im erstinstanzlichen Verfahren ist Partei
a) wer durch Gesuch ein Verwaltungsverfahren einleitet,
b) gegen wen ein Verwaltungsverfahren eingeleitet wird,
c) Dritte, die sich am Verfahren mit eigenen Anträgen beteiligen,
d) wer beigeladen ist.
2
Im Beschwerdeverfahren sind Partei
a) die Beschwerdeführenden,
b) die Adressaten des erstinstanzlichen Entscheids im Sinne von Abs. 1 lit. a, b und d,
c) Dritte, die sich am Verfahren mit eigenen Anträgen beteiligen,
d) wer beigeladen ist,
e) die Vorinstanz,
f) die erstinstanzlich entscheidende Behörde, soweit sie einem anderen Gemeinwesen
angehört.
3
Verwaltungsjustizbehörden kommt keine Parteistellung zu; Partei im gerichtlichen Verfahren bleibt die letztinstanzlich entscheidende Verwaltungsbehörde.
Bemerkungen zu § 13 nVRPG (neu)
1.
Das VRPG hat sich bis anhin nicht detailliert mit der Definition der Parteien auseinandergesetzt, allerdings in verschiedenen Bestimmungen Auskunft darüber gegeben, wer anzuhören
ist, wer Kosten zu tragen hat, wem der Entscheid zu eröffnen ist. Die fehlende Definition
führte zu erheblichen Schwierigkeiten und Unsicherheiten in einem Punkt, der an sich zweifelsfrei geklärt sein sollte, da mit der Parteistellung die Verfahrensrechte und -pflichten wie
rechtliches Gehör, Akteneinsicht, Anspruch auf Kostenersatz, Pflicht zur Kostentragung und
dergleichen verbunden sind.
- 22 -
2.
Partei ist der Träger von prozessualen Rechten und Pflichten. Der Begriff "Partei" ist nicht
identisch mit dem Betroffenen: Betroffen ist, wer in seinem schutzwürdigen eigenen Interesse berührt ist; zur Partei wird der Betroffene aber durch eine die Verfahrensrechte und pflichten auslösende Beteiligung am Verfahren wie Beschwerdeerhebung oder Stellung von
Anträgen im bereits hängigen Beschwerdeverfahren eines Dritten.
3.
Systematisch lassen sich im Beschwerdeverfahren Beteiligte unterscheiden, die mit Beschwerdeerhebung unmittelbar durch verfahrensrechtlichen Bezug Parteistellung einnehmen, und Dritte, die einen materiellen Bezug zur Streitsache aufweisen und erst durch prozessuale Willenserklärung (Erstattung einer Beschwerdeantwort) Parteistellung erlangen.
Ohne Probleme dürfte die Nennung des Beschwerdeführers in Abs. 2 lit. a sein, da er das
Beschwerdeverfahren überhaupt erst initiiert.
Schon nicht mehr so zwingend ist dann lit. b. Der vorliegende Entwurf geht aber davon aus,
dass derjenige, um dessen Projekt und Interessen es letztlich geht, am Verfahren beteiligt
bleiben muss und auch die Risiken in finanzieller Hinsicht trägt, wenn die Beschwerde eines
betroffenen Dritten gutgeheissen wird. Die so genannte Desinteresseerklärung des Baugesuchstellers an seinem eigenen Gesuch ist keine überzeugende Lösung; meist ist der
Betreffende keineswegs uninteressiert, schätzt aber seine Prozesschancen als derart gering
ein, dass er lieber das Gemeinwesen allfällige Verfahrenskosten bezahlen lässt, anstatt dass
er selbst für die Folgekosten eines von ihm eingereichten Gesuchs aufkommt.
Adressat ist, bei wem Rechte und Pflichten begründet werden. Adressat ist damit nicht der
Einsprecher zum Beispiel im Baubewilligungsverfahren, der den Baubewilligungsentscheid
zur Kenntnis zugestellt erhält. Zur Verdeutlichung wurde in lit. b bei den Adressaten der Zusatz "im Sinne von Abs. 1 lit. a, b und d" beigefügt.
Der Dritte, der sich mit eigenen Anträgen am Verfahren der Vorinstanz beteiligt hat, wird
nicht automatisch Partei auch im Beschwerdeverfahren; es bedarf einer neuen Beteiligung
(lit. c). Diese Regelung ist bewusst getroffen und sie perpetuiert den heutigen Zustand; es ist
nicht gewollt, dass derjenige Dritte, der sich an einem Beschwerdeverfahren beteiligt hat,
durch alle Instanzen hindurch darin verhaftet bleibt. Der Dritte (zum Beispiel der Einwender/Einsprecher im Baubewilligungsverfahren) kann wählen, ob er sich am nachfolgenden
Beschwerdeverfahren beteiligt oder nicht; führt er selber Beschwerde beim Baudepartement
oder beteiligt er sich mit eigenen Anträge im Beschwerdeverfahren, kann er wiederum wählen, ob er sich am verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren beteiligt oder nicht. Um
diese bewährte Regelung auch im Rahmen des neuen VRPG fortführen zu können, ist
Abs. 1 lit. c nicht in Abs. 2 lit. b erwähnt, sondern in lit. c separat aufgeführt.
- 23 -
4.
Unter den Begriff „Verwaltungsjustizbehörden“ in Abs. 3 fallen zurzeit nur die Spezialverwaltungsgerichte, mit der Anpassung des GOG kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass
eine weitere Justizbehörde von der Bestimmung erfasst werden soll.
§ 14
§ 14 [Verbeiständung, Vertretung a) Zulässigkeit]
1
Die Parteien können sich durch eine handlungsfähige Person verbeiständen und, soweit
nicht persönliches Erscheinen notwendig ist, vertreten lassen.
2
Auf Verlangen der Behörde haben sich Vertretende durch schriftliche Vollmacht auszuweisen.
3
Vor den Verwaltungsjustizbehörden, ausgenommen das Versicherungsgericht, können nur
Anwälte oder Anwältinnen eine Partei verbeiständen oder vertreten. Vorbehalten bleiben
§ 67 Abs. 2 des Zivilrechtspflegegesetzes (Zivilprozessordnung, ZPO) vom 18. Dezember
1984 und Sonderbestimmungen in anderen Erlassen.
4
Wer ordentliches Mitglied einer Behörde ist, kann vor dieser nicht als Beistand oder Vertretung handeln.
Bemerkungen zu § 14 nVRPG (bisher § 18 VRPG)
Zu Abs. 3:
1.
Da zur aargauischen Verwaltungsrechtspflege zunehmend auch Spezialverwaltungsgerichte
gehören, rechtfertigt es sich, das Anwaltsmonopol auch auf diese auszudehnen. Der Begriff
Verwaltungsgericht ist mithin durch Verwaltungsjustizbehörden zu ersetzen.
Eine Partei (SVP) beantragte in der Vernehmlassung, Abs. 3 zu streichen, da sich auch Anwältinnen und Anwälte am Markt behaupten sollten und sachverständige Personen eine
wichtige Rolle spielen können. Demgegenüber vertrat der Anwaltsverband die Ansicht, dass
das Anwaltsmonopol auch auf das Beschwerdeverfahren vor Verwaltungsbehörden auszudehnen sei. Der Schweizerische landwirtschaftliche Treuhänderverband SLTV ist der Meinung, dass mindestens vor der landwirtschaftlichen Rekurskommission eine Vertretung ohne
Anwaltsmonopol zulässig sein soll, da eben nicht Anwälte, sondern spezialisierte Berater,
respektive landwirtschaftliche Treuhänder, spezifische Kenntnisse aufwiesen.
Es stellt sich deshalb die Frage, ob vor den Spezialverwaltungsgerichten die Vertretung ohne
Anwaltsmonopol generell zulässig sein soll, da oftmals Nichtanwälte mit spezifischen (besseren) Kenntnissen eine durchaus valable Vertretung sein können (zum Beispiel fachkundige
Sozialarbeiter, Interessen- oder Verbandsvertreter aus Gewerkschaftskreisen und dgl.). Damit öffnet man den Gerichtszugang jedoch auch zahllosen Personen, die dann weder über
ein Anwaltspatent noch sonst über spezifische Kenntnisse, ausser vielleicht allgemeiner Beratungskompetenz, verfügen. Da man auch vor Spezialverwaltungsgerichten trotz der
Rechtsanwendung von Amtes wegen erhebliche Fehler machen kann (insbesondere im
- 24 -
Verfahren), ist - zum Schutze der Parteien, nicht zur wirtschaftlichen Privilegierung der
Anwälte und Anwältinnen - am Anwaltsmonopol festzuhalten. Denn: Anwälte und Anwältinnen müssen zwingend über eine Haftpflichtversicherung verfügen, was die erheblichen Verfahrensrisiken zumindest für den schlecht vertretenen Mandanten bzw. die schlecht vertretene Mandantin relativiert. Der fachkundige Sozialarbeiter kann trotz dieser Regelung als Berater des Beschwerdeführers am Verfahren teilnehmen.
Ausserdem amten an den Spezialverwaltungsgerichten Fachrichter und Fachrichterinnen,
damit ist das Fachwissen grundsätzlich vorhanden. Eine Ausdehnung des Anwaltsmonopols
auf das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren – wie es der Anwaltsverband beantragt –
scheint jedoch nicht nötig und angesichts der vorerwähnten Stellungnahmen in der Vernehmlassung wohl auch nicht mehrheitsfähig.
2.
Im Rahmen des Gesetzes und Dekrets über Massnahmen zur Erneuerung der Justiz beantragte der Regierungsrat im Jahr 1997, das Anwaltsmonopol auch auf Steuersachen vor
Gericht auszudehnen (vgl. Botschaft des Regierungsrats an den Grossen Rat vom 9. Juli
1997 Ziff. 4.1, Geschäftsnummer 97.003717). Vom Grossen Rat wurde dies jedoch
abgelehnt. Im Steuergesetz von 1998 wurde in § 176 StG festgehalten, dass in
Steuersachen einzig Handlungsfähigkeit für eine Vertretung vorausgesetzt wird. Da die Ausdehnung des Anwaltsmonopols auf Steuersachen explizit geprüft und zu Beginn der Justizreform ausdrücklich abgelehnt wurde, wurde auf eine erneute Prüfung der Frage der
Ausdehnung des Anwaltsmonopols auf Steuersachen vor dem Spezialverwaltungsgericht
und vor dem Verwaltungsgericht verzichtet. Die Erwähnung der Ausnahme vom Anwaltsmonopol in Steuersachen (§ 18 Abs. 3 VRPG) wurde aber aus dem VRPG entfernt, da
sich diese Ausnahme wie erwähnt bereits aus dem Steuergesetz selber ergibt (§ 176 StG).
Die heutige Verweisung auf das Anwaltsgesetz und das Personalgesetz in § 18 Abs. 3
VRPG wurde gestrichen und durch den allgemeinen Hinweis auf Sonderbestimmungen in
anderen Erlassen ersetzt. Damit wird das Anwaltsgesetz (Rechtsschriften aus Gefälligkeit)
und das Personalgesetz (Vertretung von öffentlichrechtlichen Dienstnehmern im Rechtsmittelverfahren durch Verbände) erfasst, gleichzeitig aber sichergestellt, dass bei Änderungen,
sei es nun im Personal- oder Anwaltsgesetz oder durch neue Erlasse, das nVRPG nicht
dauernd nachgeführt werden muss. Die Verweisung auf die Zivilprozessordnung ist beizubehalten, da die Zivilprozessordnung nie Sonderbestimmung zum nVRPG sein kann.
Ausdrücklich erwähnt wird jedoch das Versicherungsgericht. In Beschwerde- und Klageverfahren vor Versicherungsgericht, die sich auf Bundesrecht stützen, ist gemäss Art. 61 lit. f
ATSG das Anwaltsmonopol ausgeschlossen. Sinnvollerweise wird diese Regelung auch für
kantonalrechtliche Verfahren vor dem Versicherungsgericht übernommen, denn auch diese
befassen sich in erster Linie mit Sozialversicherungsrecht.
- 25 -
§ 15
§ 15 [b) bei Massenverfahren und Sitz im Ausland]
1
Sind an einem Verfahren mehr als 10 Parteien beteiligt, die eine kollektive Eingabe oder
inhaltlich gleiche Eingaben eingereicht haben, so kann die Behörde sie verpflichten, ein gemeinsames Zustellungsdomizil oder eine gemeinsame Vertretung zu bezeichnen.
2
Parteien mit Sitz oder Wohnsitz im Ausland haben ein Zustellungsdomizil oder eine Vertretung in der Schweiz anzugeben.
3
Bezeichnen die Parteien kein Zustellungsdomizil oder keine Vertretung in der Schweiz, so
kann die Zustellung durch Publikation im Amtsblatt des Kantons ersetzt werden.
Bemerkungen zu § 15 nVRPG (bisher § 18a VRPG)
Diese Bestimmung entspricht praktisch dem bisherigen § 18a VRPG. Die Norm wurde mit
dem neuen Baugesetz eingeführt und hat sich bewährt.
§ 16
§ 16 [Ausstand]
1
Am Erlass von Entscheiden darf nicht mitwirken, wer
a) in der Sache ein persönliches Interesse hat,
b) mit einer Partei in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt,
verschwägert oder durch Ehe, eingetragene Partnerschaft, Verlobung oder Kindesannahme verbunden ist,
c) eine Partei vertritt oder für eine Partei in der gleichen Sache tätig war,
d) Mitglied, Mitarbeiter oder Mitarbeiterin der Behörde ist, deren Entscheid angefochten ist
oder die mittels verbindlicher Weisung oder Teilentscheid am angefochtenen Entscheid
beteiligt war,
e) aus anderen Gründen in der Sache befangen sein könnte.
2
Wird der Entscheid eines Departements beim Regierungsrat angefochten, hat das dem
Departement vorstehende Regierungsratsmitglied beratende Stimme.
3
Beratung im Rahmen der amtlichen Pflichten ist in der Regel kein Ausstandsgrund.
4
Ist der Ausstand streitig, entscheidet darüber die Aufsichtsbehörde oder, wenn es sich um
den Ausstand eines Mitglieds einer Kollegialbehörde handelt, diese Behörde unter Ausschluss des betreffenden Mitglieds.
Bemerkungen zu § 16 nVRPG (bisher §§ 5 und 50 VRPG)
1.
Art. 6 Ziff. 1 EMRK wie auch Art. 30 Abs. 1 BV garantieren dem Einzelnen unabhängig vom
anwendbaren Verfahrens- und Organisationsrecht, dass seine Sache von einem richtig besetzten sowie unvoreingenommenen, unparteiischen und unabhängigen Gericht beurteilt
wird. Die Unbefangenheit von Verwaltung und Justiz ist enorm wichtig für das Vertrauen des
Volks in staatliche Behörden. Bis anhin war in § 5 VRPG geregelt, dass Behördemitglieder
und Sachbearbeiter beim Erlass von Verfügungen und Entscheiden nicht mitwirken dürfen,
wenn ein Ausstandsgrund im Sinn der Zivilprozessordnung gegeben ist. Die Verweisung auf
- 26 -
die Zivilprozessordnung hatte (unter anderem) zur Folge, dass mit dem Oberbegriff Ausstand
sowohl die Ausschliessungs- wie auch die Ablehnungsgründe erfasst wurden. Dies führte in
der Praxis zu Problemen, weil allein die Mitgliedschaft in einem Verein ausreichend war, um
abgelehnt werden zu können, unabhängig davon, ob sich diese Mitgliedschaft auf die Unabhängigkeit (von aussen her betrachtet) tatsächlich auswirkt oder nicht. Zudem haben Aufzählungen den Nachteil, in der Regel unvollständig zu sein. Die nun vorgelegte Bestimmung
wählt den Ansatz, der auch der EMRK zugrunde liegt. Erfasst werden sollen (teilweise)
generalklauselartig Umstände, die geeignet sind, das Misstrauen (von aussen) in die
Unparteilichkeit eines Behördemitglieds zu erwecken; solche Umstände können im persönlichen Verhalten oder auch in funktionellen oder organisatorischen Begebenheiten begründet
sein.
§ 16 geht nicht weniger weit als § 2 lit. a und c der Zivilprozessordnung des Kantons Aargau,
welche die Ehegatten und eingetragenen Partner automatisch in den Ausstand einbeziehen,
regelt in § 16 lit. e nVRPG solche Fälle des Ausstands jedoch generell. Die Formulierung von
§ 16 entspricht den heute, insbesondere auf Bundesebene üblichen Standards (vgl. Art. 34
BGG).
2.
Auf die Nennung des Sachbearbeitenden wurde neu verzichtet – unter die Ausstandsbestimmung fällt er deswegen gleichwohl. Angelpunkt ist der Begriff der Mitwirkung. Mitwirken
im Sinn der Bestimmung verlangt ein sachliches Eingreifen und heisst nicht, dass die zum
Ausstand verpflichtete richtende oder sachbearbeitende Person im vorausgegangenen Verfahren auch tatsächlich eine rechtsverbindliche Entscheidung getroffen hat. Es reicht mithin
jede Mitwirkung aus, die geeignet ist, den Eindruck hervorzurufen, die richtende oder sachbearbeitende Person habe sich durch ihr Tätigwerden im Verwaltungsverfahren bereits in der
Sache festgelegt. Insoweit kann auf die Nennung des Sachbearbeitenden verzichtet werden.
3.
Der Vorsteher oder die Vorsteherin jenes Departements, dessen bzw. deren Entscheid angefochten ist, darf gemäss Abs. 2 mit beratender Stimme am Rechtsmittelentscheid mitwirken; Abs. 2 geht als Spezialbestimmung Abs. 1 lit. d vor. Betrifft eine Beschwerdesache ein
Regierungsratsmitglied im Sinn von § 16 lit. a, b, c oder e persönlich, muss es in den Ausstand treten.
4.
Über Ausstandsfragen entscheidet die in der Sache hierarchisch übergeordnete Behörde
oder, wenn Mitglieder einer Kollegialbehörde in den Ausstand treten sollen, die Behörde unter Ausschluss der Betroffenen. Diese verbreitete Praxis wurde mit Absatz 4 in das Gesetz
überführt.
- 27 -
§ 17
§ 17 [Untersuchung von Amtes wegen]
1
Die Behörden ermitteln den Sachverhalt, unter Beachtung der Vorbringen der Parteien,
von Amtes wegen und stellen die hiezu notwendigen Untersuchungen an.
2
Sie würdigen das Ergebnis der Untersuchung frei.
3
Besteht über einen Sachverhalt Unsicherheit, kann diese mit Einverständnis aller Parteien
durch Vereinbarung über den dem Entscheid zugrundezulegenden Sachverhalt beseitigt
werden; die öffentlichen Interessen sind zu beachten.
Bemerkungen zu § 17 nVRPG (Abs. 3 ist neu; Abs. 1 und 2 bisher § 20 Abs. 1 VRPG)
1.
Die Abs. 1 und 2 werden weitgehend unverändert von § 20 Abs. 1 VRPG übernommen.
Das Wort "prüfen" wurde durch "ermitteln" ersetzt, da tatsächlich nicht der vorgelegte oder
behauptete Sachverhalt zu prüfen, sondern der wahre Sachverhalt zu ermitteln ist. Mehr aus
sprachlichen Gründen wurden die nachfolgenden Ermittlungen durch Untersuchungen ersetzt.
2.
Abs. 3 ermöglicht eine vergleichsweise Einigung über den Sachverhalt. Die Rechtsfolgen,
die gestützt auf den Sachverhalt festzulegen sind, werden dann wieder ohne verwaltungsvertragliche Bindung ermittelt, es sei denn, es werde gestützt auf § 19 nVRPG ein Vergleich
über die gesamte Fragestellung abgeschlossen. Einigungen sind nur unter Beachtung der
öffentlichen Interessen zulässig. Die Bestimmung wurde als Absatz 3 eingefügt, da sie den
Untersuchungsgrundsatz einschränkt. Es besteht zwar mit Blick auf § 19 nVRPG eine gewisse Doppelspurigkeit, allerdings soll mit der gewählten Formulierung auf den Zusammenhang hingewiesen und ermöglicht werden, im Rahmen der Untersuchung von Amtes wegen
(zurückhaltend) Sachverhaltsvereinbarungen abzuschliessen.
3.
§ 20 Abs. 2 VRPG enthielt die Bestimmung, wonach niemandem wegen Unbeholfenheit
Nachteile erwachsen dürfen. Dem Grundsatz kommt eine erhebliche Bedeutung zu, weshalb
sich seine separate Regelung unter dem Titel "Behördliche Betreuungspflichten" rechtfertigt
(vgl. § 18 nVRPG folgend).
§ 18
§ 18 [Behördliche Betreuungspflichten]
Die Behörden achten darauf, dass niemandem wegen Unbeholfenheit Nachteile erwachsen.
- 28 -
Bemerkungen zu § 18 nVRPG (bisher § 20 Abs. 2 VRPG)
1.
Im bisherigen § 20 Abs. 2 VRPG wurde die behördliche (richterliche) Fürsorgepflicht statuiert. Heute findet sich dieser Grundsatz bereits in § 22 Abs. 2 Satz 1 der Kantonsverfassung.
Es stellt sich daher die Frage, ob dieser Grundsatz nochmals erwähnt werden soll. Da der
Fürsorgepflicht bzw. der behördlichen Betreuungspflicht im Verwaltungsverfahren eine erhebliche Bedeutung zukommt, ist ihre Nennung jedoch gerechtfertigt. Überdies ist es sinnvoll, die massgeblichen Bestimmungen für ein Verfahren nicht in mehreren Erlassen verschiedener Stufe zusammensuchen zu müssen.
Die Marginalie wurde neu gefasst und damit verdeutlicht, dass nicht bloss die Untersuchung
von Amtes wegen Unbeholfene schützen soll, sondern dass auch eine weitergehende Hilfestellung zulässig und unter Umständen geboten ist.
2.
§ 22 Abs. 2 KV will gewährleisten, dass Unbeholfene oder Unerfahrene behördliche Hilfe erhalten, wenn es in einem Verwaltungsverfahren um ihre Rechte geht. Gestützt auf den Verfassungskommentar können solche Massnahmen insbesondere bestehen aus Aufklärungen
und Belehrungen im Instruktionsverfahren an Verhandlungen, in der Gewährung von Nachfristen zur Verbesserung formell ungenügender Rechtsschriften, in der Hilfeleistung bei der
Formulierung von Rechtsbegehren, in Hinweisen bezüglich der Nennung von Tatsachen und
Beweismitteln und anderem. Es wäre denkbar, § 18 nVRPG mit einer nicht abschliessenden
Aufzählung von solchen Fürsorgeleistungen zu konkretisieren. Es erscheint aber auch hier
richtig, es der behördlichen und gerichtlichen Praxis zu überlassen, in welchem Ausmass
Unbeholfene behördlich betreut werden müssen.
3.
Nicht geregelt werden in § 18 nVRPG die Folgen der Verletzung dieser behördlichen Betreuungspflicht. Auch hier sollte der Praxis die notwendige Konkretisierung überlassen werden.
Immerhin dürfte soviel gelten: Werden Betreuungsmassnahmen im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens zu Unrecht unterlassen, stellt die Verletzung der Betreuungspflicht einen
Verfahrensfehler dar, der die Verfügung oder den Entscheid unter Umständen formell
rechtswidrig macht, auch wenn der Inhalt des Entscheids an sich korrekt wäre. Die Verletzung muss erheblich und offensichtlich sein, damit sie zur Aufhebung des Entscheids führen
kann.
§ 19
§ 19 [Vergleich]
1
Besteht über den Sachverhalt oder die Rechtslage Unsicherheit oder liegen andere Umstände vor, welche eine einvernehmliche Lösung als vorteilhaft erscheinen lassen, sind die
Behörden zum Abschluss von Vergleichen berechtigt; die öffentlichen Interessen sind zu
beachten.
2
Das Verfahren wird durch Sachentscheid abgeschlossen.
- 29 -
Bemerkungen zu § 19 nVRPG (neu)
1.
Das VRPG kennt für das Verwaltungsverfahren, das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren oder das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren keine Erledigungsart, die den
Vergleich vorsieht (zum verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren vgl. § 65 VRPG). Das Verwaltungsgericht hat es aber in langjähriger Praxis auch vor dem Hintergrund der Untersuchungsmaxime stets als zulässig erachtet, übereinstimmenden Anträgen der Beteiligten
(Parteien) zur Erledigung des Verfahrens stattzugeben, sofern sich diese - nach einer summarischen Überprüfung - als gesetzmässig erweisen und allfällige Zugeständnisse der Parteien innerhalb des Spielraums bleiben, den das Gesetz ohnehin gewährt (AGVE 1972, 285
f.; 1982, 286 ff.; 1991, 383). Ein gewisses Unbehagen über Vergleichsverträge ist aber wegen der fehlenden gesetzlichen Grundlage stets geblieben. Es rechtfertigt sich, die Möglichkeit des Vergleichs auch unter der Herrschaft des öffentlichen Rechts vorzusehen. Wie
andere verwaltungsrechtliche Verträge muss auch er sich innerhalb der Schranken halten,
die das öffentliche Recht setzt. Dies bedeutet insbesondere, dass die öffentlichrechtliche
Regelung, über deren Gegenstand ein Vertrag abgeschlossen wird, den Parteien überhaupt
einen Gestaltungsspielraum überlässt. Zwingende gesetzliche Regelungen ohne Ermessensspielraum schliessen einen Vergleich aus.
Die gesetzliche Regelung des Vergleichs stiess in der Vernehmlassung auf ungeteilte
Zustimmung.
2.
Mit der gewählten Formulierung wurde versucht, die Zulässigkeit des verwaltungsrechtlichen
Vergleichs im Verwaltungsverfahren und im Verwaltungsjustizverfahren an verschiedene
Voraussetzungen zu knüpfen, damit nicht zahlreiche Vereinbarungen das Legalitätsprinzip
gefährden. Voraussetzung, damit überhaupt vertragliche Vereinbarungen in Betracht gezogen werden können, ist Ungewissheit über die Rechts- oder Sachlage (oder beides). Fehlt es
an dieser Ungewissheit, ist ein Vergleich im Grundsatz nicht zulässig. Ungewissheit über die
Sach- oder Rechtslage kann bestehen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage auch nach
umfangreichen amtlichen Ermittlungen nicht endgültig festlegen lässt. Ungewissheit kann
aber auch dann bestehen, wenn sich vor allem ein Sachverhalt theoretisch aufklären liesse,
diese Arbeit im konkreten Fall aber unverhältnismässig wäre und sich vielmehr eine Einigung
über den Sachverhalt oder die Rechtslage als zweckmässig erweist. Da auch Fälle denkbar
sind, bei denen zwar weder der Sachverhalt noch die Rechtslage wirklich unklar sind, aber
ein Vergleich aus Gründen des öffentlichen Interesses geboten ist, können auch "andere
Umstände" genügen.
Als weitere Voraussetzung wird das öffentliche Interesse an einer vergleichsweisen Lösung
genannt. Damit ist auch klar, dass eine Behörde eine Frage nur dann mit verwaltungsrechtlichem Vertrag lösen darf, wenn das Vorgehen im öffentlichen Interesse geboten ist. Dieser
Entscheid ist pflichtgemäss zu treffen, der Behörde kommt dabei aber ein grosser Ermessensspielraum zu.
- 30 -
Es versteht sich von selbst, dass ein Vergleich nur mit Zustimmung aller Parteien zulässig
ist. Dies hat zur Folge, dass diejenigen dem Vergleich zustimmen müssen, die am Verfahren
(noch) mit eigenen Verfahrensrechten als Partei beteiligt sind. Entschliesst sich zum Beispiel
der einsprechende Nachbar, im Beschwerdeverfahren nicht mehr mitzumachen, ist auch
sein Einverständnis zu einer vergleichsweisen Lösung nicht erforderlich, sofern der Vergleich
nicht über das hinausgeht, was im Baugesuch ausgewiesen war. Der Gemeinderat als Baubewilligungsbehörde bleibt auch im baudepartementalen Verfahren als Vorinstanz Partei und
muss somit einem allfälligen Vergleich zustimmen.
Im Übrigen ist die Bestimmung so weich formuliert, dass eine Behörde durchaus einen Vergleichsabschluss verweigern kann, wenn eine Verfahrenskonstellation oder ein Vergleichsinhalt vorliegt, der geeignet ist, Interessen Dritter zu verletzen.
3.
Die Bestimmung wird bei den allgemeinen Verfahrensvorschriften aufgeführt. Damit soll zum
Ausdruck gebracht werden, dass § 19 nVRPG sowohl für die nichtstreitigen erstinstanzlichen
Verwaltungsverfahren wie auch für die nachfolgenden Bestimmungen über die Beschwerde-,
Rekurs- und verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren Gültigkeit beansprucht.
4.
Da die entscheidende Behörde prüfen muss, ob die öffentlichen Interessen gewahrt sind, ist
die Dispositionsbefugnis der Parteien über den Streitgegenstand nicht vollumfänglich gegeben. Es ergeht daher nicht ein Abschreibungsbeschluss, sondern ein Sachentscheid.
Grundlage dieses Sachentscheids ist die Parteierklärung, wenn auch verbunden mit der
richterlichen Prüfung, ob sich die Parteierklärung an den Spielraum hält, den das Gesetz
gewährt. Gegen den Entscheid ist die Beschwerde möglich, wobei die Rügen beschränkt
sind (v.a. Verletzung öffentlicher Interessen, Missachtung der Vergleichsvoraussetzungen,
Verfahrensfehler, Willensmängel beim Vergleichsabschluss).
§ 20
§ 20 [Anordnungen vorsorglichen Charakters]
1
Die Behörde trifft von Amtes wegen oder auf Antrag Anordnungen vorsorglichen Charakters, wenn dies zur Abwehr eines drohenden, nicht wiedergutzumachenden Nachteils notwendig ist.
2
Bei Kollegialbehörden ist hiezu in dringlichen Fällen das vorsitzende Mitglied zuständig.
Bemerkungen zu § 20 nVRPG (neu)
1.
Bisher wurde in § 44 VRPG der vorläufige Rechtsschutz geregelt. § 44 VRPG regelt aber nur
den vorläufigen Rechtsschutz während der Dauer des Beschwerdeverfahrens und genügt
damit nicht als Grundlage für die Anordnungen von Massnahmen, die vor Erlass der eigentlichen erstinstanzlichen Hauptverfügung ergehen sollten. Diese finden sich in den materiellen
Gesetzen, welche auf die Hauptsache zur Anwendung kommen, lassen sich aber auch ohne
- 31 -
ausdrückliche Normierung aus der materiellen Bestimmung selbst ableiten. Die Zulässigkeit
dieser Ableitung ist in der Lehre allerdings umstritten. Will man dieser Unsicherheit begegnen, drängt es sich auf, unter den allgemeinen Verfahrensvorschriften auch eine Bestimmung aufzunehmen, die Anordnungen vorsorglichen Charakters während des erstinstanzlichen Verfahrens vorsieht und damit eine gesetzliche Grundlage darstellt. Die gesetzliche
Grundlage für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen während der Dauer des Beschwerdeverfahrens findet sich demgegenüber neu in § 46 Abs. 2 nVRPG.
2.
Um sicherzustellen, dass von dieser Befugnis nicht regelhaft bei allen Verwaltungsverfahren
Gebrauch gemacht wird, die mit einer Verfügung abgeschlossen werden, wurde das Kriterium des nicht wiedergutzumachenden Nachteils eingeführt. Das Kriterium ist im öffentlichen
Verfahrensrecht gut bekannt und schränkt den Anwendungsbereich der Bestimmung sachgerecht ein.
3.
Absatz 2 regelt die Zuständigkeit zum Erlass dieser Anordnungen. Die Zuständigkeit wurde
bewusst auf die Behörde an sich oder in Fällen der Dringlichkeit auf deren Präsidium
begrenzt, da Anordnungen vorsorglichen Charakters weitreichende Auswirkungen haben
können und deshalb ein Entscheid möglichst nahe am späteren Spruchkörper gesucht ist.
Ist eine betroffene Person mit dieser Anordnung nicht einverstanden, kann sie den Entscheid
des vorsitzenden Mitglieds des jeweiligen Spruchkörpers (zum Beispiel des Gemeindeammanns), sofern die entsprechenden Beschwerdevoraussetzungen gegeben sind, direkt bei
der nächsthöheren Beschwerdeinstanz anfechten. Es ist nicht notwendig, zunächst an die
Kollegialbehörde zu gelangen; das vorsitzende Mitglied entscheidet als Behörde (im Sinn
von § 50 nVRPG), jedenfalls aber im Namen der Kollegialbehörde.
§ 21
§ 21 [Rechtliches Gehör a) Anhörung]
1
Die Behörde hört die Parteien an, bevor sie entscheidet.
2
Die Anhörung kann ausnahmsweise unterbleiben, wenn Gefahr im Verzug ist oder eine
vorgängige Anhörung den Zweck der behördlichen Anordnung vereiteln würde. Die Anhörung ist umgehend nachzuholen, und es ist ein neuer Entscheid zu erlassen.
Bemerkungen zu § 21 nVRPG (bisher §§ 15 und 17 VRPG)
1.
Der bisherige § 15 VRPG genügt den Anforderungen an die korrekte Gehörsgewährung
heute nicht mehr und kann zu Missverständnissen Anlass geben (AGVE 1980, 303 ff.).
Das rechtliche Gehör (Anhörung, Mitwirkungsrechte, Akteneinsicht, Anspruch auf Begründung) ist bereits durch Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung und § 22 der Kantonsverfassung gewährleistet. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass Völkerrecht und Bundes-
- 32 -
recht den Inhalt des rechtlichen Gehörs sehr weitgehend bestimmen, rechtfertigt sich keine
detaillierte Regelung auf kantonaler Ebene, da man immer Gefahr läuft, der Entwicklung
hinterher zu hinken und übergeordnetem Recht widersprechende Gesetze in Kraft zu setzen.
2.
In § 21 sowie § 22 nVRPG werden wichtige Teilgehalte des rechtlichen Gehörs explizit geregelt.
3.
In § 15 Abs. 3 Satz 1 VRPG wird im Sinne einer Ausnahme geregelt, dass die Anhörung
unterbleiben kann, wenn Gefahr im Verzug ist. Gemeint ist zeitliche, nicht sachliche Dringlichkeit. Gestützt auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung ist die vorgängige Anhörung
auch dann zu unterlassen, wenn deren Gewährung die Gefahr der Vereitlung einer geplanten Massnahme in sich birgt. Insofern ist § 15 Abs. 3 Satz 1 VRPG zu eng. Die neue Fassung in § 21 Abs. 2 nVRPG trägt dem Rechnung.
§ 15 Abs. 3 Satz 2 VRPG bestimmt, dass die Betroffenen, sobald sie erreichbar sind, am folgenden Werktag angehört werden müssen, worauf unverzüglich eine neue Verfügung zu
erlassen ist. Die Formulierung schränkt den Handlungsspielraum sowohl der Behörde wie
auch der betroffenen Privaten erheblich ein. Letztere sind unter Umständen nicht an einer
mündlichen Stellungnahme interessiert, sondern an vorbereiteten schriftlichen Ausführungen. Das Verwaltungsgericht wendet denn auch § 15 Abs. 3 Satz 2 VRPG nicht nach dem
Wortlaut an, sondern ist der Auffassung, den Betroffenen sei am nächsten Werktag Gelegenheit zu einer schriftlichen Vernehmlassung innert kurzer Frist einzuräumen oder sie seien
zu einer Augenscheinsverhandlung vorzuladen (die dann allerdings nicht am nächsten
Werktag stattzufinden braucht; AGVE 1980, 313). Stimmt die Praxis mit dem Wortlaut einer
Bestimmung nicht überein, ist deren Revision geboten. Um keine unnötigen Einschränkungen vorzunehmen, wurde die Bestimmung auf die Pflicht zur nachträglichen Anhörung, die
umgehend erfolgen muss, reduziert.
§ 22
§ 22 [b) Akteneinsicht]
1
Die Parteien haben das Recht, in die Verfahrensakten Einsicht zu nehmen. Nicht zu den
Verfahrensakten gehören Notizen, Entwürfe, Referate und dergleichen, wenn sie nur dem
internen Gebrauch dienen.
2
Die Einsichtnahme in ein Aktenstück kann verweigert werden zur Wahrung wichtiger
öffentlicher oder schutzwürdiger privater Interessen.
3
Wird zum Nachteil einer Partei auf Akten gemäss Absatz 2 abgestellt, ist ihr der
belastende Inhalt derselben mitzuteilen und Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äussern.
4
Über die Akteneinsicht entscheidet die Behörde, bei welcher das Verfahren hängig ist.
- 33 -
Bemerkungen zu § 22 nVRPG (bisher §§ 16 und 42 Abs. 2 VRPG)
1.
§ 22 nVRPG regelt die Akteneinsicht in laufenden Verfahren. Die Akteneinsicht ausserhalb
hängiger Verfahren richtet sich nach der Datenschutzgesetzgebung, einschlägigen Spezialerlassen oder letztlich nach der Bundesverfassung. § 22 nVRPG geht als Spezialbestimmung § 7 lit. b IDAG, der die Akteneinsicht in hängigen Verfahren ausschliesst, vor.
Der Begriff Akten wurde durch die Verwendung des Worts Verfahrensakten präzisiert. Die
Parteien haben Anspruch darauf, alle das Verfahren betreffenden Akten einzusehen. Das
sind nicht nur die Akten, welche mit dem Gegenstand des Verfahrens unmittelbar in Zusammenhang stehen, sondern auch weitere (alle) Akten, sofern sie bei der Entscheidfindung
eine Rolle spielen, spielen sollen oder gespielt haben. Gestützt auf die bundesgerichtliche
Rechtsprechung ist klar, dass unter den Begriff der Verfahrensakten, in die Einsicht gewährt
werden muss, nicht die verwaltungsinternen Akten fallen. Verfahrensinterne Akten sind Unterlagen, die ausschliesslich der behördeninternen Meinungsbildung dienen und denen für
die Behandlung des Falls kein Beweischarakter zukommt; darunter fallen insbesondere Entscheidentwürfe, Anträge, Notizen, Mitberichte, Hilfsbelege (vgl. BGE 122 I 161; Merkli /
Aeschlimann / Herzog, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kt.
Bern, Bern 1997, Art. 23 Rz 8). Diese Definition hat auch Folgen im Beschwerdeverfahren,
weil der Rechtsmittelinstanz im Rahmen der Instruktion die Verfahrensakten (ohne Entscheidentwürfe) übergeben werden müssen. Ein Ausschluss von der Überweisungspflicht
mit Bezug auf interne Akten erweist sich damit im Grundsatz als entbehrlich; die Formulierung in Absatz 1 Satz 2 dient allerdings der Klarstellung.
Das Recht auf Akteneinsicht hat Verfassungsrang. Es beinhaltet unter anderem das Recht,
von den relevanten Aktenstücken Kopien anzufertigen.
2.
Die Formulierung im bisherigen § 16 Abs. 3 VRPG kann missverständlich sein, weil während
der Dauer eines Verfahrens immer diejenige Behörde über die Akteneinsicht zumindest
erstinstanzlich zu entscheiden hat, bei welcher das Verfahren hängig ist. Wurde die Verfügung oder der Entscheid gefällt, sind sämtliche entscheidrelevanten Akten im Beschwerdefall
der Rechtsmittelbehörde zu übersenden, weshalb die Behörde, die den Entscheid erlassen
hat, im Grundsatz keine Entscheide mehr über die Akteneinsicht fällen kann, wie dies § 16
Abs. 3 zweiter Satzteil VRPG nahe legt. Die Bestimmung wurde in diesem Sinn vereinfacht.
§ 23
§ 23 [Mitwirkungspflichten]
1 Die
2
Parteien sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken.
Wenn eine Partei die notwendige und zumutbare Mitwirkung verweigert, ist die Behörde
nicht verpflichtet, auf deren Begehren einzutreten; diese Rechtsfolge ist vorher anzudrohen.
Im Übrigen würdigt sie dieses Verhalten frei.
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Bemerkungen zu § 23 nVRPG (bisher § 21 VRPG)
1.
Es genügt, die Verfahrensparteien auf die Mitwirkung zu verpflichten. Insofern ist der Text zu
vereinfachen.
2.
In § 23 Abs. 2 nVRPG wird wie bisher die Möglichkeit gegeben, auf ein Begehren nicht einzutreten. Satz 2 wurde leicht abgeändert, da die bisherige Formulierung den Schluss nahe
legte, negative Konsequenzen fehlender Mitwirkung seien nur in Verfahren möglich, welche
auf Begehren des antragstellenden Privaten eingeleitet worden seien, nicht aber auf von
Amtes wegen eingeleitete Untersuchungen.
Die Mitwirkung der Parteien am Verfahren dient in erster Linie der Durchsetzung ihrer
Rechte, ist aber auch Mittel zur Sachaufklärung. Kommen die Parteien ihrer Pflicht nicht
nach, kann die Behörde im Fall von Antragstellenden auf deren Begehren nicht eintreten.
Tritt sie ein, kann die Würdigung nach freiem Ermessen zur Folge haben, dass die beurteilende Behörde keine Untersuchungspflicht zu Gunsten der Antragstellenden trifft. Diese
Rechtsfolge ist vorher anzudrohen: Damit wird nachvollzieh- und beweisbar, dass die
Betroffenen um ihre Mitwirkungspflicht und die Folgen bei Unterlassung wussten.
Leitet die Behörde das Verfahren ein, ist eine betroffene Drittperson ohne gesetzliche Vorschriften grundsätzlich nicht verpflichtet, sich an der Sachverhaltsabklärung zu beteiligen
(AGVE 1992, 179). Lehre und Rechtsprechung sind aber auch der Meinung, eine Mitwirkungspflicht der Verfahrensparteien könne auch dann gegeben sein, wenn Treu und Glauben vom Beweisgegner ein derartiges Verhalten verlangen. Es scheint deshalb gerechtfertigt, § 23 Abs. 2 Satz 2 nVRPG allgemein zu fassen und nicht bloss auf einen Antragstellenden zuzuschneiden.
§ 24
§ 24 [Beweismittel]
1
Die Behörde kann sich jener Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemässem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere
a) die Parteien und Drittpersonen befragen,
b) Urkunden beiziehen,
c) Augenscheine vornehmen und
d) Expertisen anordnen.
2
Die Zeugeneinvernahme ist nur im Rechtsmittelverfahren, die formelle Parteibefragung nur
vor Verwaltungsjustizbehörden zulässig.
3
Ist das persönliche Erscheinen einer Partei oder Dritter unerlässlich, so kann die polizeiliche Vorführung angeordnet werden. Dies soll in der Regel erst nach unentschuldigtem
Ausbleiben erfolgen und wenn die Vorführung zuvor angedroht wurde.
4
Im Übrigen gelten die Bestimmungen der Zivilprozessordnung, soweit die Unterschiede
der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschliessen.
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Bemerkungen zu § 24 nVRPG (bisher § 22 VRPG)
1.
Die bisherige Bestimmung wurde zunächst vereinfacht. Die Nennung von Beauftragten
erscheint unnötig. Angesichts der strafrechtlichen Relevanz der Zeugenbefragung und der
formellen Parteibefragung wurde in Absatz 2 normiert, dass diese lediglich im Rechtsmittelverfahren bzw. vor Verwaltungsjustizbehörden zulässig sind. Damit wird verhindert, dass
bereits im erstinstanzlichen Verfügungsverfahren mit Zeugenaussagen operiert wird.
Darüber hinaus ist zu erwarten, dass im Rechtsmittelverfahren in aller Regel ein Jurist oder
eine Juristin am Verfahren beteiligt ist und den korrekten (und zurückhaltenden) Gebrauch
dieser Institute sicherstellt; die formelle Parteibefragung bleibt den Verwaltungsjustizbehörden vorbehalten und sollte ohnehin nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen.
2.
Die Bestimmung wurde des Weiteren weniger eng gefasst. Der Grundsatz der Abklärung des
Sachverhalts von Amtes wegen schliesst die Beschränkung der Beweismittel aus. Der
abschliessenden Aufzählung im bisherigen § 22 VRPG kommt in der Neuformulierung lediglich noch exemplarischer Charakter zu. Im Grundsatz gilt, dass die Behörde sich aller (legaler) Mittel, die nach den Grundsätzen der Logik, nach allgemeiner Erfahrung oder wissenschaftlicher Erkenntnis geeignet sind, den Sachverhalt zu erhellen, bedienen darf. Die bisherige Einschränkung verschliesst sich unter Umständen auch neuen Methoden und beeinflusst die Flexibilität behördlichen Handelns negativ.
3.
Die Verweisung auf die Zivilprozessordnung in Abs. 4 bezieht sich auch auf § 231 ZPO; hinsichtlich der Zeugenentschädigung gilt somit § 29 des Verfahrenskostendekrets (VKD). Die
Verweisung kann sich jedoch nicht auf das Konkordat über die Gewährung gegenseitiger
Rechtshilfe in Zivilsachen (SR 274) beziehen, da dieses von den Kantonen nur für den Bereich des Zivilrechts gültig vereinbart wurde.
§ 25
§ 25 [Prozessualer Anstand]
Die Behörde kann Personen, die im Verfahren vor den Verwaltungs- oder Verwaltungsjustizbehörden den prozessualen Anstand grob verletzen, mit einem Verweis oder mit einer
Ordnungsbusse bis Fr. 500.-- bestrafen.
Bemerkungen zu § 25 nVRPG (bisher § 57bis VRPG)
Die Bestimmung hat (ausser für die Betroffenen) zu keinen Problemen geführt. Neu gilt diese
Bestimmung jedoch nicht nur im Verwaltungsjustizverfahren, sondern auch im Verwaltungsverfahren, da auch dort ein Bedürfnis besteht, Personen, die sich ungebührlich betragen,
bestrafen zu können. Die Bestrafung erfolgt durch die für den Sachentscheid zuständige
Behörde, da die Sanktionen mit Zurückhaltung auszusprechen sind und nicht zur allgemei-
- 36 -
nen Verfahrensleitung benutzt werden sollen. Die Busse ist auf dem ordentlichen Rechtsmittelweg anfechtbar.
Die SVP und die SP beantragten in der Vernehmlassung eine Erhöhung der Höchstbusse
auf Fr. 1'000.--. Da bei Ehrverletzungen parallel zu der vorgenannten Ordnungsbusse ein
Privatstrafverfahren eingeleitet werden kann, wurde darauf verzichtet, die Höhe der maximalen Ordnungsbusse zu verdoppeln.
§ 26
§ 26 [Eröffnung, Begründung]
1
Entscheide sind als solche zu bezeichnen und den Parteien mit Rechtsmittelbelehrung
schriftlich zu eröffnen; die Eröffnung an betroffene Dritte ist möglich. Eine vorgängige mündliche Entscheideröffnung ist zulässig.
2
Entscheide sind schriftlich zu begründen. Auf die Begründung kann verzichtet werden,
wenn
a) die Behörde dem Antrag vollumfänglich entsprochen hat und der Entscheid nicht in die
Rechte Dritter eingreift,
b) gegen den Entscheid die Einsprache zulässig ist,
c) eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gemacht wird.
3
Die schriftliche Eröffnung kann auf die Zustellung des Dispositivs beschränkt werden mit
dem Hinweis, dass der Entscheid rechtskräftig wird, wenn innert 10 Tagen keine Partei eine
schriftlich begründete Ausfertigung verlangt. Verzichten die Parteien auf eine vollständige
Ausfertigung, ist eine kurze Begründung in die Akten aufzunehmen.
4
Die Rechtsmittelbelehrung muss die Rechtsmittelinstanz, die Rechtsmittelfrist, das Erfordernis von Schriftform, Antrag und Begründung der Beschwerdeschrift nennen sowie Auskunft über die Geltung von Rechtsstillstandsfristen geben.
5
Auf Verlangen bescheinigt die Instanz, die zuletzt entschieden hat, dass die Rechtsmittelfrist abgelaufen und ein die Rechtskraft hemmendes Rechtsmittel nicht eingelegt worden ist.
Bemerkungen zu § 26 nVRPG (bisher § 23 VRPG)
1.
Die Frage, wem ein Entscheid eröffnet werden muss, ist mit erheblichen Schwierigkeiten
verbunden. Bis anhin wurde geregelt, dass der Entscheid allfälligen weiteren "in ihren
schutzwürdigen Interessen Betroffenen" zu eröffnen ist. Die Formulierung ist nicht unüblich,
aber eher unpraktikabel. Eine Behörde wird beispielsweise nie allen in ihren schutzwürdigen
Interessen Betroffenen die Bewilligung für eine neue Wohnüberbauung oder eine Kehrichtverbrennungsanlage eröffnen.
Damit bleibt bei dieser Bestimmung letztlich das Risiko, als Behörde den Entscheid nicht
gesetzeskonform eröffnet zu haben, weil man jemanden vergessen hat, der allenfalls in seinen schutzwürdigen Interessen verletzt ist. Dieser Gefahr kann mit der Formulierung Rechnung getragen werden, dass die Behörde den Entscheid weiteren Betroffenen zustellen
kann.
- 37 -
2.
Mündliche Entscheideröffnungen kommen immer wieder vor, sie beschränken sich aber auf
wenige Sachgebiete (Fürsorgerischer Freiheitsentzug, Aufschub der Landesverweisung,
Führerausweisentzug). Die Rechtsmittelfrist beginnt erst zu laufen, wenn eine schriftliche
Begründung vorliegt. Die bisherige Regelung mit der mündlichen Eröffnung erscheint unter
diesen Umständen unnötig komplizierend. Es wird vorgeschlagen, diesen möglichen Sonderfall nicht mehr in dieser Form zu berücksichtigen. Die Möglichkeit der mündlichen Eröffnung ist gleichwohl gegeben, nur muss dieser in der Regel eine schriftliche folgen.
Auch aus Gründen der Rechtssicherheit drängt sich die Abschaffung der mündlichen Mitteilung als gültige Eröffnungshandlung auf. Die mündliche Eröffnung erwächst auch nach der
bisherigen Konzeption nicht in Rechtskraft (vgl. Botschaft I 1967, S. 23), da der Betroffene
(unter Umständen Jahre später) verlangen kann, dass ihm der Entscheid schriftlich zugestellt
wird mit dem Ergebnis, dass die Rechtsmittelfrist erst dann zu laufen beginnt (vgl. § 23 Abs.
1 Satz 2 VRPG). Dieser schwebende Zustand lässt sich mit dem Gebot der Rechtssicherheit
nicht vereinbaren.
3.
Dass die Zustellung in der Regel gegen Empfangsbescheinigung zu erfolgen hat, ist richtig,
letztlich aber bloss (ausser bei Massensendungen) eine Frage der Vernunft (und im Übrigen
blosse Ordnungsvorschrift, nicht Gültigkeitsvoraussetzung). Für die korrekte Berechnung der
Rechtsmittelfrist muss die Behörde wissen, wann ein Verfügungsadressat bzw. eine Verfügungsadressatin den Entscheid erhalten hat. Um dies sicherzustellen, wird sie den Entscheid
gegen Empfangsbestätigung (GU) zustellen. Dies machen aber betroffene Private ohne entsprechende Vorschrift mittels eingeschriebener Sendungen auch, wenn sie sicher sein wollen, dass sie die Einhaltung einer Rechtsmittelfrist beweisen können. Es ist deshalb unnötig,
dieses Verhalten gesetzlich vorzuschreiben. Dies auch deshalb, weil damit zu rechnen ist,
dass andere Instrumente in Zukunft den Rückschein ersetzen werden.
Eine interne Weisung, wie bei der Zustellung von Verfügungen und Entscheiden zu verfahren ist, genügt somit vollauf.
4.
Entscheide sind im Grundsatz zu begründen. Die bisherige Formulierung in § 23 Abs. 3
VRPG vergisst die Beeinträchtigung von Drittinteressen und setzt sich zudem in Widerspruch
zu § 23 Abs. 1 VRPG, wonach Entscheide nicht nur den am Verfahren Beteiligten, sondern
auch allfälligen weiteren in ihren schutzwürdigen Interessen Betroffenen zu eröffnen sind.
Dennoch gibt es Fälle, in denen eine schriftlich ausgefertigte Begründung überflüssig ist, weil
sich die Parteien einig sind und der Entscheid ausser den Parteien niemanden betrifft (§ 26
Abs. 2 lit. a nVRPG). Neu werden als Ausnahme die Entscheide genannt, gegen die Einsprache erhoben werden kann. Diese Massnahme erscheint aus Gründen der Prozessökonomie gerechtfertigt (§ 26 Abs. 2 lit. b nVRPG). Eine weitere Ausnahme ist für Allgemeinverfügungen, die im Dispositiv publiziert werden, zu machen (§ 26 Abs. 2 lit. c nVRPG).
- 38 -
§ 26 Abs. 2 lit. a nVRPG hat zur (neuen) Folge, dass im Beschwerdeverfahren dann von
einer Begründung abgesehen werden kann, wenn sich die Parteien einigen und dem Gericht
beantragen, einem Vergleich zuzustimmen. Dann ist nur noch zu prüfen, ob die Vereinbarung die Schranken beachtet, die das öffentliche Recht setzt. Bejaht man dies, kann eine
Kurzbegründung zu den Akten genommen werden.
5.
Da die Verwaltungsbehörden gemäss § 23 Abs. 4 VRPG ihre Entscheide zunächst im
Dispositiv zustellen können, stellt sich die Frage, ob auch die Spezialverwaltungsgerichte
und das Verwaltungsgericht berechtigt sind, ihre Entscheide auf das Dispositiv zu beschränken. Die entsprechende Ausdehnung wurde in § 26 Abs. 3 nVRPG vorgenommen. Mit dieser
Massnahme war (nur) eine knappe Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden einverstanden. Da sie – jedenfalls in einzelnen Sachgebieten - zu einer Effektivitäts- und Effizienzsteigerung und damit zur Entlastung der Gerichte führen kann und damit im Sinn der Justizreform liegt, wurde daran festgehalten.
6.
Neu wurde auch die Pflicht, dem Entscheid in jedem Fall eine Rechtsmittelbelehrung anzufügen, aufgenommen. Die bisherige Formulierung ist (teilweise) bundesrechtswidrig geworden, da letztinstanzliche kantonale (Verwaltungs-)Behörden gestützt auf Art. 1 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 35 VwVG im Grundsatz verpflichtet sind, ihre Entscheide mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen. Im Übrigen können auch hier Drittinteressen tangiert sein,
weshalb die (bisherigen) Voraussetzungen für den Rechtsmittelbelehrungsverzicht ungenügend sind.
Gegen die neue Formulierung lässt sich einwenden, dass es Entscheide gibt, die endgültig
sind, weshalb auch keine Rechtsmittelbelehrung gegeben ist. Der Begriff Rechtsmittelbelehrung ist hier weit zu verstehen und beinhaltet auch diesen Fall; die Behörde hat dem Entscheidadressaten mitzuteilen, dass gegen den vorliegenden Entscheid kein ordentliches
Rechtsmittel gegeben ist (was auch eine Rechtsmittelbelehrung darstellt).
Neu muss die Rechtsmittelbelehrung auch Auskunft über die Gerichtsferien (neuer Begriff:
Rechtsstillstandsfristen, s. Bemerkungen zu § 28 Ziff. 3 Abs. 3) geben. Damit kann es künftig
keine Unsicherheiten mehr geben über die Geltung der Rechtsstillstandsfristen (Gerichtsferien) bei Beschwerden an das Verwaltungsgericht.
7.
Erstmals geregelt wird die Pflicht zur Ausfertigung einer Rechtskraftbescheinigung; wer das
innerhalb der Instanz macht, die zuletzt entschieden hat, wird der betreffenden Behörde
überlassen. Im Gegensatz zur ZPO wird das Recht, eine Rechtskraftbescheinigung zu verlangen, nicht auf die Parteien beschränkt. Obwohl das VRPG im vorliegenden Entwurf auch
Vorinstanzen als Parteien nennt, sind Dritte (vor allem Behörden) denkbar, die, obwohl nicht
Partei, ein berechtigtes Interesse am Wissen um die Rechtskraft eines Entscheids haben
können.
- 39 -
§ 27
§ 27 [Zustellung, Publikation]
1
Entscheide werden den Parteien zugestellt. Hat eine Partei eine Person zur Vertretung
bevollmächtigt, muss an diese zugestellt werden.
2
Können Entscheide nicht innert nützlicher Frist zugestellt werden, weil die Adressaten
nach gehöriger Abklärung nicht erreichbar oder unbekannt sind, sind sie im Amtsblatt und in
allfälligen weiteren amtlichen Publikationsorganen im Dispositiv zu veröffentlichen. Die
Publikation ersetzt die Zustellung.
3
Entscheide, die sich an eine grosse oder unbestimmte Zahl von Personen richten, sind
ebenfalls durch öffentliche Bekanntmachung zu eröffnen; die Publikation ersetzt die
Zustellung.
Bemerkungen zu § 27 nVRPG (bisher § 24 VRPG, teilweise neu)
1.
Die Regel, dass an den Vertreter bzw. die Vertreterin zugestellt werden muss, wurde neu ins
Gesetz aufgenommen. Die Konsequenzen von Fehlern bei der Zustellung sind bei der Wiederaufnahme (§ 65 Abs. 2 nVRPG) geregelt; die Konzeption verhindert, dass Entscheide
wegen eines Zustellungsfehlers unerkannt nie rechtskräftig werden.
2.
Der Begriff der Betroffenen wird (verfahrensrechtlich) im bisherigen § 24 VRPG (insbesondere Absatz 2) eher untechnisch gebraucht, indem alle gemeint sind, die vom Entscheid
betroffen sein könnten. In Absatz 2 wurde deshalb auf die Nennung des Betroffenen verzichtet, und in Absatz 3 wird die latente Beschwerdebefugnis durch die Verwendung des
Begriffes "Personen" vermieden.
Im bisherigen Absatz 3 wurde gesagt, dass öffentlich bekannt gemachte Entscheide für alle
gelten, die vom veröffentlichten Entscheid betroffen sind. Die neue Formulierung, dass die
Publikation die Zustellung ersetzt, ist präziser. Zusammen mit dem Dispositiv ist auch die
Rechtsmittelbelehrung zu publizieren. Diese Publikation hat dann die Rechtskraft des Entscheids nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist zur Folge.
§ 28
§ 28 [Fristen]
1
Für die Berechnung der Fristen, deren Unterbruch und die Wiederherstellung gegen die
Folgen der Säumnis gilt die Zivilprozessordnung.
2
Die Vorschriften über die Rechtsstillstandsfristen gelten nur im Verfahren vor den
Verwaltungsjustizbehörden; abweichende Bestimmungen in anderen Erlassen bleiben
vorbehalten.
3
Soweit es das Gesetz nicht ausdrücklich vorsieht, können gesetzlich bestimmte Fristen
nicht erstreckt werden.
4
Behördlich bestimmte Fristen können aus zureichenden Gründen erstreckt werden, wenn
vor Ablauf darum nachgesucht wird.
- 40 -
Bemerkungen zu § 28 nVRPG (bisher §§ 31 und 32 VRPG)
1.
In § 31 VRPG wird in Satz 2 vorgeschrieben, dass die Vorschriften über die Gerichtsferien
nur im Verfahren vor Verwaltungsgericht und den Rekurs- und Schätzungskommissionen
gelten, und selbst dort nicht, wenn Verfahren gemäss Einführungsgesetz zum Ausländerrecht, gemäss Submissionsdekret und gemäss Sozialhilfe- und Präventionsgesetz zur
Beurteilung anstehen.
Diese Ausnahmen von der Regel werden in den betreffenden Sacherlassen (Einführungsgesetz zum Ausländerrecht [EGAR] vom 14. Januar 1997, Submissionsdekret [SubmD] vom
26. November 1996 und Sozialhilfe- und Präventionsgesetz [SPG] vom 6. März 2001) selber
heute nicht geregelt. Bürgerfreundlich ist letztlich aber nur eine Regelung, die bereits in der
Rechtsmittelbelehrung sagt, ob vor der nächsten Instanz die Rechtsstillstandsfristen
(Gerichtsferien) gelten oder nicht. Diese Ergänzung wurde in § 26 Abs. 4 nVRPG vorgenommen; danach ist dieser Hinweis zusammen mit der Rechtsmittelbelehrung anzubringen.
Es rechtfertigt sich deshalb, § 28 nVRPG im Vergleich zu § 31 VRPG zu kürzen und gleichzeitig die Nichtgeltung der Rechtsstillstandsfristen in den Sacherlassen zu normieren, da
andernfalls die hierfür notwendigen gesetzlichen Grundlagen fehlen würden.
2.
Es erscheint zweckmässig, die §§ 31 und 32 VRPG in einer Bestimmung unterzubringen, da
diese thematisch zusammengehören.
Der Verweis auf die ZPO in § 28 Abs. 1 bezieht sich selbstverständlich auch auf die neuen
Abs. 3-5 von § 82 ZPO (vgl. Fremdänderungen).
3.
Der Anwaltsverband beantragte in der Vernehmlassung, die Geltung der Gerichtsferien auf
alle Verwaltungsverfahren auszudehnen, da das Bedürfnis der Rechtsbetroffenen nach
Unterbrechung der Frist in allgemeinen Ferienzeiten gegenüber Verwaltungsbehörden nicht
geringer sei.
Dieses Anliegen läuft jedoch den Zielen der Justizreform zuwider und soll daher nicht
umgesetzt werden. Zu beachten ist immerhin, dass mit der Anpassung der Dauer der kantonalen Rechtsmittelfristen an die Rechtsmittelfristen des Bundes in § 44 nVRPG den Rechtsbetroffenen neu grundsätzlich 10 Tage mehr Zeit gewährt wird, um über eine allfällige
Beschwerdeführung zu entscheiden.
Der Anwaltsverband regte weiter an, die Bezeichnung „Gerichtsferien“ durch „Rechtsstillstand“ zu ersetzen. Der Begriff „Gerichtsferien“ ist tatsächlich irreführend, da dieses Institut
einem praktischen Bedürfnis nicht nur der Gerichte, sondern auch der Parteien, vor allem der
kleinen Anwaltskanzleien, entspricht und die Gerichte in dieser Zeit nicht geschlossen sind.
Da der Begriff „Gerichtsferien“ weder im Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG Art. 34 „Stillstand der Fristen“) noch im neuen Bundesgerichtsgesetz (BGG
- 41 -
Art. 46 „Stillstand“) oder im Entwurf der Schweizerischen Zivilprozessordnung (Art. 143 „Stillstand der Fristen“) erwähnt wird, wird im nVRPG auf diesen überholten Begriff verzichtet und
neu der Begriff “Rechtsstillstandsfristen“ verwendet.
§ 29
§ 29 [Kosten a) Begriff]
Die Kosten bestehen aus Verfahrenskosten (Gebühren und Auslagen) und notwendigen
Parteikosten (Kosten der Vertretung oder Verbeiständung durch Anwälte und Anwältinnen
oder weitere vor Verwaltungsjustizbehörden zugelassene Vertretungen).
Bemerkungen zu § 29 nVRPG (bisher §§ 33 und 36 Abs. 1 VRPG)
Verfahrenskosten sind Gebühren und Auslagen, darunter fallen auch Kosten für Gutachten
und dergleichen.
Es stellt sich die Grundsatzfrage, ob man die "Arbeitszeit" einer Partei ebenfalls entschädigen will oder nicht. Wenn ja, bräuchte es dafür aus Gründen der Klarstellung eine gesetzliche Grundlage; wenn nein, kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass unter "Kosten"
nur tatsächlich angefallene Kosten gerechnet werden und damit die eigene Zeit nicht entschädigt ist. Das ist bis anhin weit verbreitete Praxis. Mit der Einführung des Begriffs der
Notwendigkeit wird sichergestellt, dass der Prozesssituation nicht angemessene Aufwendungen nicht zu entschädigen sind. Es ist denkbar, für die eigentliche Teilnahme am Gerichtstermin der obsiegenden Partei eine Entschädigung zum Beispiel nach dem Ansatz für
die Entschädigung von Zeugen zuzusprechen. Man kann sich aber auch auf den Standpunkt
stellen, die Prozessführung gehöre zum allgemeinen Lebensrisiko und das Erscheinen vor
dem Gericht sei Bürgerpflicht. Davon wird im vorliegenden Entwurf ausgegangen.
Sachverständige (ohne Anwaltspatent) müssen nicht mehr entschädigt werden, ausser sie
sind vor Verwaltungsjustizbehörden explizit als Vertretung zugelassen (Bsp. § 176 Steuergesetz).
§ 30
§ 30 [b) Kostenvorschuss]
1
Die instruierende Behörde kann in Beschwerdeverfahren unter Ansetzung einer angemessenen Frist einen Anteil der mutmasslichen Verfahrenskosten als Kostenvorschuss erheben.
2
Bezahlt die Partei den Kostenvorschuss innert Frist nicht, setzt ihr die instruierende Behörde eine letzte Frist von 10 Tagen mit der Androhung, dass auf das Begehren nicht eingetreten wird.
3
Wird eine Expertise beantragt, kann die antragstellende Partei verpflichtet werden, für die
mutmasslichen Expertisekosten einen Kostenvorschuss zu leisten.
Bemerkungen zu § 30 nVRPG (bisher § 34 VRPG)
Kostenvorschüsse werden gemäss § 34 VRPG im geltenden Recht nur unter bestimmten
Voraussetzungen erhoben. Im Zivilprozess ist die Erhebung von Vorschüssen demgegenüber verbreitete Praxis. Die Differenzierung innerhalb der Verwaltungsrechtspflege überzeugt nicht, weshalb es sich rechtfertigt, die Möglichkeit, einen Kostenvorschuss zu verlan-
- 42 -
gen, generell einzuführen. Angesichts des Umstands, dass die Möglichkeit, einen Kostenvorschuss zu erheben, erst 1998 nach ausführlicher Diskussion in das Gesetz aufgenommen
wurde, wird auf eine erneute Diskussion, ob die Erhebung eines Kostenvorschusses sinnvoll
ist oder nicht, verzichtet.
§§ 31 und 32
§ 31 [c) Verfahrenskosten]
1
Das erstinstanzliche Verwaltungsverfahren ist unentgeltlich; abweichende Bestimmungen
sind vorbehalten.
2
Im Beschwerdeverfahren werden die Verfahrenskosten in der Regel nach Massgabe des
Unterliegens und Obsiegens auf die Parteien verlegt. Den Behörden werden Verfahrenskosten nur auferlegt, wenn sie schwerwiegende Verfahrensmängel begangen oder willkürlich entschieden haben.
3
Wer sein Rechtsmittel zurückzieht oder auf andere Weise dafür sorgt, dass das Verfahren
gegenstandslos wird, gilt als unterliegende Partei. Wird ein Verfahren ohne Zutun einer
Partei gegenstandslos, so sind die Verfahrenskosten nach den abgeschätzten Prozessaussichten zu verlegen oder aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise dem Gemeinwesen zu
belasten.
4
Zusatzaufwand, der durch das Verhalten einer Partei entstanden ist, kann dieser auferlegt
werden. Die Kosten von Expertisen können in jeder Instanz den Parteien belastet werden,
soweit ihr Interesse an der Sache dies rechtfertigt.
§ 32 [d) Parteikosten]
1
Im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren werden keine Parteikosten ersetzt; abweichende Bestimmungen sind vorbehalten.
2
Im Beschwerdeverfahren werden die Parteikosten in der Regel nach Massgabe des Unterliegens und Obsiegens auf die Parteien verlegt.
3
Wer sein Rechtsmittel zurückzieht oder auf andere Weise dafür sorgt, dass das Verfahren
gegenstandslos wird, gilt als unterliegende Partei. Wird ein Verfahren ohne Zutun einer
Partei gegenstandslos, so sind die Parteikosten nach den abgeschätzten Prozessaussichten
zu verlegen oder aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise dem Gemeinwesen zu belasten.
4
Das Gemeinwesen hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung.
Bemerkungen zu den §§ 31 und 32 nVRPG (bisher §§ 33, 35 und 36 VRPG)
1.
Am Grundsatz der Unentgeltlichkeit des erstinstanzlichen Verfahrens wird festgehalten. Mit
der Neuformulierung von § 31 Abs. 1 nVRPG ist keine inhaltliche Änderung beabsichtigt.
Das Einspracheverfahren fällt unter § 31 Abs. 1 nVRPG, da die Einsprache bei der entscheidenden Behörde erhoben wird.
- 43 -
Wiederaufnahmeverfahren richten sich bezüglich der Kosten nach dem Verfahrensstand, in
welchem wieder aufgenommen wird: Richtet sich das Wiederaufnahmebegehren gegen
einen erstinstanzlichen Entscheid, ist das Wiederaufnahmeverfahren kostenlos, soll ein
Beschwerdeentscheid bzw. das Beschwerdeverfahren wieder aufgenommen werden, gelten
die Kostenbestimmungen des Beschwerdeverfahrens. Das ist langjährige Rechtsprechung
des Verwaltungsgerichts.
2.
Die Kostenfolge bei Beschwerderückzug oder Gegenstandslosigkeit, wenn sie durch den
Beschwerdeführer verursacht ist, wird neu in das Gesetz aufgenommen (§ 31 Abs. 3 Satz 1
nVRPG). Der mutmassliche Verfahrensausgang spielt, anders als in Abs. 3 Satz 2, keine
Rolle.
Ist keine der beteiligten Parteien für die Gegenstandslosigkeit verantwortlich, sollen die
Kosten nach den abgeschätzten Prozessaussichten verlegt werden (§ 31 Abs. 3 Satz 2
nVRPG). Die Bestimmung ist neu und widerspricht der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts: Im Fall der Gegenstandslosigkeit eines Verfahrens hat das Verwaltungsgericht bis anhin die Kosten dem Gemeinwesen überbunden. Hinter dieser Entscheidung
steht der Gedanke, dass eine Verlegung der Verfahrenskosten zwingend eine vollumfängliche Beurteilung des Falls in der Sache selbst erforderlich machen würde und deshalb unter
Umständen sogar Augenscheine vorgenommen werden müssten, nur um über die Kostenfragen zu entscheiden. Dies - so das Verwaltungsgericht - könne einem überlasteten
Spruchkörper nicht zugemutet werden und sei im Übrigen unverhältnismässig. Eine summarische Prüfung des Falls lehnt das Verwaltungsgericht ab. Die Rechtsprechung ist im Grundsatz konsequent, ambitioniert (keine Urteile aufgrund von Vermutungen) und ein Entscheid
zugunsten des Bürgers. Sie führt aber in zahlreichen Fällen zu offensichtlich unbilligen
Ergebnissen.
Die vorliegende Formulierung liefert eine gesetzliche Grundlage, in Zukunft den Prozessausgang abzuschätzen und die Kosten nach dieser Abschätzung zu verlegen. Mit dem Abschätzen ist eine Prognose über den Verfahrensausgang aufgrund einer summarischen Prüfung
der Begehren gemeint. Massgebend für die Beurteilung ist, was bis zu diesem Zeitpunkt in
das Verfahren eingebracht worden ist. Der Ermessensspielraum bei der Beurteilung ist vergleichsweise gross, die Prognosestellung sicher auch mit gewissen Unsicherheiten verbunden. Aus Gründen der Prozessökonomie muss dies aber hingenommen werden. Es ist
durchaus denkbar, dass in Einzelfällen eine Prognosestellung sehr schwierig ist. Für diesen
Fall sowie andere besondere Konstellationen besteht durch die Formulierung des zweiten
Satzteils die Möglichkeit, letztlich doch das Gemeinwesen mit den Kosten zu belasten.
3.
Bis anhin war in § 33 Abs. 2 VRPG geregelt, dass die Kosten ganz oder teilweise dem
Obsiegenden auferlegt werden, wenn er durch Saumseligkeit in der Vorinstanz das
Beschwerdeverfahren verursacht hat. Die Bestimmung war nie ganz klar und hat in der
Rechtspraxis kaum zu Anwendungsfällen geführt. Neu wird in § 31 Abs. 4 nVRPG formuliert,
dass Kosten ganz allgemein dann einer (auch obsiegenden) Partei auferlegt werden können,
wenn sie durch diese verursacht wurden oder in ihrem Interesse lagen.
- 44 -
Die Verlegung von Expertisekosten nach dem Interesse der Verfahrensparteien wurde aus
dem bisherigen Gesetz übernommen.
§ 32 nVRPG ist die nahezu identische Bestimmung wie § 31 nVRPG, regelt aber die Parteikosten. Die Zweiteilung wurde allein aus Gründen der Lesbarkeit des Gesetzes vorgenommen.
4.
In der Motion Dr. Beat Edelmann, Zurzach, vom 7. Dezember 1999, wurde die Zusprechung
einer Parteientschädigung an Gemeinwesen im Verwaltungsverfahren und verwaltungsgerichtlichen Verfahren beantragt. Gleiches beantragten im Rahmen der Vernehmlassung der
Aargauische Gemeindeschreiberverband, der Aargauische Bauverwalterverband und drei
Gemeinden. Zur Begründung wird hauptsächlich ausgeführt, die Gemeinden wären wegen
der Komplexität der Rechtslage oder der fehlenden zeitlichen Kapazität oft gezwungen,
einen Rechtsanwalt beizuziehen. Nach der bisherigen Praxis des Verwaltungsgerichts und
nun gestützt auf § 32 Abs. 4 nVRPG stehe den Gemeinden dabei auch im Fall, dass sie als
Partei auftreten und obsiegen, keine Parteientschädigung zu. Dies sei ungerecht und unzeitgemäss. Zudem gingen die Kosten von Gemeinden, die Anwälte beiziehen, zulasten der
Steuerzahler.
Der Aargauische Gemeindeschreiberverband, der Aargauische Bauverwalterverband sowie
drei Gemeinden schlagen vor, dem Gemeinwesen dann einen Anspruch auf Parteikosten zu
geben, wenn die Gegenpartei anwaltlich vertreten ist und selber Parteikosten geltend macht.
Der Bürger könnte dann sein Prozessrisiko selber bestimmen. Falls dies nicht möglich sei,
wird die Streichung von Abs. 4 beantragt.
Die bisherige Praxis des Verwaltungsgerichts (AGVE 1985 384 ff. und 2000 365 ff.), dass
Gemeinwesen keinen Anspruch auf Parteientschädigung haben, wird neu in § 32 Abs. 4
nVRPG explizit festgehalten. An der heute geltenden Regelung wird aus folgenden Gründen
festgehalten:
–
–
–
Müssten im Falle des Unterliegens nicht nur die Verfahrenskosten und allfällige eigene
Parteikosten, sondern auch noch jene des Gemeinwesens, das allenfalls einen Anwalt
oder eine Anwältin beigezogen hat, getragen werden, so erhöht sich das Kostenrisiko der
durchschnittlichen Verfahrensbeteiligten erheblich. In vielen Fällen würde das Ergreifen
eines Rechtsmittels für die Rechtssuchenden damit ein finanziell unverhältnismässiges
Risiko. Aus rechtsstaatlicher Sicht wäre es fragwürdig, den Rechtszugang durch ein
erhöhtes Kostenrisiko zusätzlich zu erschweren.
Die Stellung von Privaten kann nicht mit derjenigen von Gemeinwesen verglichen werden. Ein Gemeinwesen muss von seiner Aufgabe und Organisation her sicherstellen,
solche Verfahren durchführen zu können, das gehört zu seinen normalen
Obliegenheiten.
Der in einem Rechtsmittelverfahren erforderliche Aufwand übersteigt vielfach jenen
Aufwand nicht wesentlich, den das betreffende Gemeinwesen im vorangehenden
nichtstreitigen Verfahren ohnehin zu erbringen hatte (Alfred Kölz/ Jürg Bosshart/ Martin
- 45 -
–
–
–
Röhl, VRG, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2.A.,
Zürich 1999; § 17 N 19).
Wenn Gemeinwesen die Kompetenz haben, auch in komplexen Fällen Entscheide zu
erlassen, so müssen sie auch über das nötige Fachwissen verfügen, um sich in Beschwerdeverfahren behaupten zu können. Es ist Sache der Gemeinwesen, ob sie intern
über dieses Fachwissen verfügen oder dieses extern beiziehen wollen.
Grundsätzlich legen insbesondere Gemeinden ihre Organisation in einem gewissen
Rahmen selbständig fest. Es steht ihnen frei, sich die zur Erfüllung ihrer Aufgaben
notwendigen Fachkenntnisse durch Anstellung von juristischem Personal zu verschaffen
oder fallweise „einzukaufen“. Mit der in der Motion gewünschten Änderung würde eine
problematische Ungleichbehandlung von Privaten entstehen, je nachdem, ob eine
Gemeinde einen Anwalt bzw. eine Anwältin extern beizieht oder über das Fachwissen
intern verfügt.
Der Grundsatz, dem obsiegenden Gemeinwesen keinen Anspruch auf Parteientschädigung gegenüber dem unterliegenden Privaten zuzuerkennen, ist als solcher anerkannt
und auch in der jüngeren Doktrin unbestritten (AGVE 2000 S. 380 mit div.
Literaturhinweisen).
5.
Es fragt sich, ob am Grundsatz der Kostenfreiheit für das Gemeinwesen festgehalten werden
soll (§ 35 Abs. 1 VRPG). Bisher wurde davon nur in den von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmefällen (eigene Vermögensinteressen; Form- und Verfahrensfehler; Wiedererwägung des eigenen Entscheides) abgewichen.
Im Grunde soll jeder, der Kosten verursacht, damit auch belastet werden. Ob dies nun eine
Gemeinde, eine kantonale Amtsstelle, eine selbständige Anstalt oder eine Privatperson ist,
kann eigentlich keine Rolle spielen. Die Aufgabe des Grundsatzes der Kostenfreiheit führt
dazu, dass die Kosten auch innerhalb des Staatswesens dort zugeordnet werden können,
wo sie auch verursacht werden. Dies ist sachgerecht, weshalb im Vernehmlassungsentwurf
auf die bisherige Sonderbestimmung von § 35 Abs. 1 VRPG, welche die Gemeinwesen von
der Pflicht zur Tragung von Verfahrenskosten (Gerichtsgebühren und Auslagen) befreit, verzichtet wurde.
Der Gemeindeschreiberverband und der Aargauische Bauverwalterverband sowie mehrere
Gemeinden wehrten sich im Rahmen der Vernehmlassung vehement gegen den Verzicht auf
die bisherige Kostenbefreiung des Gemeinwesens: Finanziell würde der Kanton davon profitieren, weil er künftig einer in einem Verfahren unterliegenden Gemeinde Verfahrenskosten
belasten könnte. Es sei zudem fraglich, ob diese Regelung den Interessen des Kantons dienen würde, da anzunehmen sei, dass die Gemeindebehörden inskünftig eher gemäss Antrag
des Gesuchstellenden entscheiden würden, wenn hauptsächlich kantonale Interessen auf
dem Spiel stünden, um kein Beschwerdeverfahren zu riskieren. Zudem resultiere ein beträchtlicher Aufwand für die sich aus dieser Regelung ergebenden internen Verrechnungen.
Angesichts des Widerstands der Gemeinden schlägt die Expertenkommission folgenden
Kompromiss vor: Die Behörden müssen wie bisher grundsätzlich keine Verfahrenskosten
tragen (§ 31 Abs. 2 Satz 2 nVRPG, ausgenommen sind grobe Verfahrensfehler oder willkürliche, das heisst qualifiziert falsche Entscheide), erhalten aber wie bisher auch keine Partei-
- 46 -
entschädigung bei Obsiegen (§ 32 Abs. 4 nVRPG). Diese Lösung rechtfertigt sich auch unter
dem Gesichtspunkt, dass die kantonsinterne Verrechnung des Aufwands zwar konsequent
wäre, die Buchungen aber intern einen Aufwand verursachen würden, der sich kaum rechtfertigen lässt. Um die Behörden zu einer konsequenten Rechtsanwendung zu motivieren,
sollen ihnen die Verfahrenskosten jedoch bei schwerwiegenden Verfahrensmängeln oder
willkürlichen Entscheiden auferlegt werden können (§ 31 Abs. 2 Satz 2 nVRPG). Diese Verfahrenskosten sind grundsätzlich vom Gemeinwesen, das von der Behörde vertreten wird, zu
tragen (im internen Verhältnis kann in krassen Fällen der Rückgriff des Staates gemäss Verantwortlichkeitsgesetz die Folge sein).
§ 33
§ 33 [e) Mehrere Parteien]
1
Haben mehrere Parteien dasselbe Begehren gestellt oder richtet sich dasselbe Verfahren
gegen mehrere Parteien, so tragen sie die ihnen auferlegten Verfahrenskosten und Parteientschädigungen zu gleichen Teilen.
2
Sofern diese Regelung unbillig erscheint, hat die Verteilung nach Massgabe der Interessenlage am Verfahrensausgang stattzufinden.
3
Wo die Umstände es rechtfertigen, kann ganz oder teilweise die solidarische Haftbarkeit
angeordnet werden.
Bemerkungen zu § 33 nVRPG (neu)
Abs. 1 fügt ins Gesetz ein, was bereits bisher aufgrund der Rechtsprechung Geltung hatte:
Sind mehrere Parteien am Verfahren beteiligt, sollen sie grundsätzlich zu gleichen Teilen für
die Kosten aufkommen.
Gemäss kantonaler Praxis haften Beschwerdeführende, welche eine gemeinsame
Beschwerdeschrift eingereicht haben, für die Verfahrenskosten sogar solidarisch (vgl. AGVE
1995, S. 580 und 1977 S. 538). Es stellt sich die Frage, ob eine solidarische Haftbarkeit für
die Verfahrenskosten und eventuell auch die Parteikosten sinnvoll ist. In Abs. 3 wurde die
Regelung von § 117 Abs. 2 ZPO übernommen, da sich diese bewährt hat.
§ 34
§ 34 [f) Unentgeltliche Rechtspflege]
1
Auf Gesuch befreit die zuständige Behörde natürliche Personen von der Kosten- und Vorschusspflicht, sofern die Partei ihre Bedürftigkeit nachweist und das Begehren nicht aussichtslos erscheint.
2
Unter den gleichen Voraussetzungen kann einer Partei eine unentgeltliche Rechtsvertretung bestellt werden, wenn es die Schwere einer Massnahme oder die Rechtslage rechtfertigt und die Vertretung zur gehörigen Wahrung der Interessen der Partei notwendig ist.
3 Im
Übrigen gelten die Bestimmungen der Zivilprozessordnung.
Bemerkungen zu § 34 nVRPG (bisher § 35 VRPG)
Der Aargauische Bauverwalterverband, der Aargauische Gemeindeschreiberverband und
drei Gemeinden beantragen in der Vernehmlassung, dass im erstinstanzlichen Verfahren
- 47 -
keine unentgeltliche Rechtspflege gewährt werden soll. Von Bundesrechts wegen muss jedoch die Möglichkeit bestehen, die unentgeltliche Rechtspflege beim Vorliegen der Voraussetzungen zu beanspruchen, auch im erstinstanzlichen Verfahren. Dies war auch bis anhin
so; der Kanton hat diesbezüglich keine Regelungsfreiheit. Der Einfachheit halber ist es sinnvoll, dass Voraussetzungen und Wirkungen der unentgeltlichen Rechtspflege in Übereinstimmung mit der Regelung in der Zivilprozessordnung normiert werden.
Die Streichung des Worts "offenbar" (bisher „offenbar aussichtslos“, neu „aussichtslos“) soll
keine Änderung zur bisherigen Regelung und Rechtsprechung bedeuten, sondern ist
lediglich eine sprachliche Vereinfachung: aussichtslos ist aussichtslos. Dasselbe gilt für den
Begriff der Mutwilligkeit; mutwillig geführte Verfahren sind ebenfalls aussichtslos.
Praxisgemäss werden nur Anwälte und Anwältinnen, die im kantonalen Register eingetragen
sind oder Freizügigkeit gemäss BGFA geniessen, als unentgeltliche Rechtsvertretung eingesetzt. Damit kann gewährleistet werden, dass die eingesetzten Personen über die nötigen
Rechtskenntnisse und eine Haftpflichtversicherung für allfällige Schadensfälle verfügen.
§ 35
§ 35 [Erläuterung]
1
Ist ein Entscheiddispositiv unklar, muss die Behörde dieses auf Gesuch hin erläutern.
2
Der Entscheid, der das Erläuterungsbegehren abweist, ist endgültig.
Bemerkungen zu § 35 nVRPG (neu)
1.
Ziel bei der Entscheidredaktion muss unter anderem sein, das Dispositiv eindeutig und klar
zu formulieren, damit die Entscheidadressaten wissen, welche Wirkungen das Dispositiv
entfalten wird. Infolge menschlicher Unvollkommenheit und Kompliziertheit der Tatbestände
ist es möglich, dass ein Entscheid unklar oder gar missverständlich ist (Ursina BeerliBonorand, Die ausserordentlichen Rechtsmittel der Verwaltungsrechtspflege des Bundes
und der Kantone, Zürich 1985, S. 188). Die Unklarheit kann auch im Widerspruch zwischen
Begründung und Dispositiv des Entscheids liegen. Das Erläuterungsgesuch bezweckt die
formelle Klarstellung eines unklaren oder widersprüchlichen Entscheiddispositivs oder einzelner Teile davon. Die Klarstellung kann verbunden sein mit einer Berichtigung gemäss §
36 nVRPG, wenn sich bei der Ausarbeitung der Erläuterung ergibt, dass im Entscheid ein
Widerspruch vorliegt, der berichtigt werden kann.
Im vorliegenden Entwurf ist die Unklarheit des Entscheiddispositivs Voraussetzung für die
Erläuterung. Über diesen Begriff ist zu entscheiden, ob überhaupt erläutert werden darf.
Liegt nach Auffassung der Behörde oder des Gerichts keine Unklarheit vor, ist das Gesuch
abzuweisen. In dieser Hinsicht wird sorgfältig zu entscheiden sein, dies aus folgendem
Grund: Ein gutheissender Erläuterungsentscheid (verbunden mit der Erläuterung) kann dem
erläuterten Entscheid (auch wenn keine Berichtigung notwendig ist) einen ganz anderen
Sinn geben, was dazu führen muss, dass Rechtsmittelfristen neu zu laufen beginnen. Wird
also erläutert, muss der Entscheid mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen werden. Das
sagt natürlich noch nichts darüber aus, ob die Rechtsmittelinstanz auf die Beschwerde ein-
- 48 -
treten muss, da hierfür ein schutzwürdiges eigenes Interesse des Betroffenen gegeben sein
muss und dieses nur vorliegt, wenn die Erläuterung zu einer Änderung des Entscheidinhalts
geführt hat und den Beschwerdeführer neu beschwert.
2.
Einzelne Verfahrensgesetze verbinden mit dem Anspruch auf Erläuterung Fristbestimmungen. In der Lehre hingegen wird mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass Erläuterungen
jederzeit zulässig sein sollen, da Unklarheiten, Unvollständigkeiten und Widersprüche nicht
durch Zeitablauf behoben werden und sich oft erst später beim Vollzug einer Vereinbarung
zeigen. Dieser Auffassung schliesst sich auch der vorliegende Entwurf an, weshalb auf Fristbestimmungen verzichtet wird. Die Beurteilung des Erläuterungsbegehrens fällt in die
Zuständigkeit derjenigen Behörde, welche den zu erläuternden Entscheid erlassen hat; nur
diese Behörde ist in der Lage, Missverständnisse im eigenen Entscheid aufzuklären. Dies
erscheint derart selbstverständlich, dass im vorliegenden § 35 nVRPG keine zuständige
Erläuterungsinstanz genannt wird.
§ 36
§ 36 [Berichtigung]
1
Schreibfehler, Rechenfehler und offensichtliche Unrichtigkeiten im Entscheid sind von der
Behörde zu berichtigen.
2
Führt die Berichtigung zu einer Änderung des Entscheiddispositivs, läuft die Rechtsmittelfrist neu.
Bemerkungen zu § 36 nVRPG (neu)
1.
Die Berichtigung durchbricht den Grundsatz, dass Entscheide nur im Rechtsmittelverfahren
abgeändert werden können, für Fälle offensichtlicher Unrichtigkeiten (z.B. Kanzleiversehen).
Darunter werden (einschränkend) Schreibfehler, Rechnungsfehler und die mangelnde Unterzeichnung einer behördlichen Anordnung verstanden (Imboden/Rhinow, Nr. 44, S. 268).
Zur Verdeutlichung: Die Berichtigung nach § 36 nVRPG betrifft auch offensichtliche inhaltliche Unrichtigkeiten, die von den Behörden nicht gewollt waren, das heisst nicht nur den Text
oder Worte, die offensichtlich falsch gewählt wurden, sondern auch offensichtliche Fehler
inhaltlicher Natur.
2.
Die Vorschrift gibt den Behörden im Interesse der Rechtsklarheit und der Verfahrensökonomie die Befugnis zur Berichtigung offensichtlicher Unrichtigkeiten. Unrichtigkeit liegt vor,
wenn ein Verwaltungsakt eine inhaltliche Aussage trifft, welche die Behörde nicht treffen
wollte. Berichtigungsfähig sind aber nur Fehler in der Abfassung des Entscheids, die auf
Flüchtigkeit oder Unachtsamkeit zurückzuführen sind, nicht aber Denkfehler. Ein Irrtum im
Wollen ist kein Fehler, der auf dem Weg der Berichtigung korrigiert werden könnte, in diesen
Fällen ist Beschwerde zu führen. Das Verwaltungsgericht weist in seiner Rechtsprechung
- 49 -
darauf hin, dass Fehler in der Willensbildung der verfügenden Behörde nicht berichtigt werden können (Unterscheidung zwischen Kopf- und Handarbeit; vgl. AGVE 1997, 233).
Wenn die Unrichtigkeit zudem offensichtlich ist, gilt der betreffende Verwaltungsakt im
Grundsatz als mit dem rechtlich richtigen Inhalt erlassen. Das Prinzip der Offensichtlichkeit
gilt auch für Rechenfehler, die deshalb nur dann auf dem Wege einer einfachen Berichtigung
korrigiert werden können, wenn sie für die Betroffenen aus dem Inhalt der Verfügung oder
des Entscheids, insbesondere auch aus der Begründung ohne weiteres und unschwer
ersichtlich sind.
3.
Die Ergänzung, wie sie in der ZPO separat geregelt wird, ist nach dem Konzept der vorliegenden Bestimmung ein Unterfall der Unrichtigkeit, wird also vom Wortlaut von § 36 nVRPG
mit umfasst.
4.
Das Gesuch ist nicht an eine Frist gebunden (vgl. Ziffer 2 der Erläuterungen zu § 35).
§ 37
§ 37 [Widerruf]
1
Entscheide, die der Rechtslage oder den sachlichen Erfordernissen nicht entsprechen,
können durch die erlassende Behörde oder die Aufsichtsbehörde abgeändert oder aufgehoben werden, sofern das Interesse an der richtigen Rechtsanwendung die Interessen der
Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes überwiegt.
2
Vorbehalten bleiben Entscheide, die nach besonderen Vorschriften oder der Natur der
Sache nicht oder nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zurückgenommen werden
können.
3
Erleidet jemand, der im Vertrauen auf den widerrufenen Entscheid gutgläubig Aufwendungen gemacht oder Vorkehrungen getroffen hat, durch den Widerruf Schaden, so hat er Anspruch auf Entschädigung, wenn ihn am Widerruf kein Verschulden trifft.
4
Der Anspruch auf Entschädigung richtet sich gegen das Gemeinwesen, das den Widerruf
zu vertreten hat. Er ist im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren gemäss §§ 60 ff. geltend
zu machen.
Bemerkungen zu § 37 nVRPG (bisher 26 VRPG)
Der geltende Wortlaut von § 26 Abs. 1 VRPG hat die Zulässigkeit des Widerrufs davon abhängig gemacht, dass wichtige öffentliche Interessen es erfordern. Lehre und Rechtsprechung sind sich jedoch einig, dass bei der Frage der Zulässigkeit stets eine Interessenabwägung stattzufinden hat. Dabei ist abzuwägen zwischen dem Interesse an der richtigen
Rechtsanwendung auf der einen Seite und dem Interesse an der Rechtssicherheit und dem
Vertrauensschutz andererseits. Diese Präzisierung in § 37 Abs. 1 nVRPG scheint angemessen.
- 50 -
4.4
Rechtsschutz
4.4.1 Rechtsbehelfe
Vorbemerkung zu den §§ 38 ff. nVRPG
Beim Rechtsschutz unterscheidet man zwischen formlosen Rechtsbehelfen und förmlichen
Rechtsmitteln. Rechtsbehelfe geben dem Rechtssuchenden im Gegensatz zu den Rechtsmitteln keinen Rechtsschutzanspruch. Als Rechtsbehelfe gelten die Aufsichtsanzeige und die
Wiedererwägung, weshalb sie den Rechtsmitteln unter einem eigenen Titel vorangestellt
wurden.
§ 38
§ 38 [Aufsichtsanzeige]
1
Jede Person kann jederzeit Tatsachen, die im öffentlichen Interesse ein Einschreiten
gegen Behörden und Staatsangestellte von Amtes wegen erfordern, der Aufsichtsbehörde
anzeigen.
2
Der anzeigenden Person stehen keine Parteirechte zu. Sie hat Anspruch auf Beantwortung, soweit sie nicht missbräuchlich handelt.
3
Erweist sich die Anzeige als leichtfertig oder böswillig, können den Anzeigenden Kosten
auferlegt werden.
Bemerkungen zu § 38 nVRPG (bisher § 59a VRPG)
§ 59a VRPG wurde aus dem Abschnitt über das Beschwerdeverfahren herausgelöst und
diesem vorangestellt. Es handelt sich bei der "Aufsichtsbeschwerde" um keine Beschwerde
i.S. eines Rechtsmittels, sondern um eine Anzeige; entsprechend wurde auch die Marginalie
angepasst. Im Übrigen wurde die Bestimmung mit dem bisherigen Wortlaut übernommen.
§ 39
§ 39 [Wiedererwägung]
1
Entscheide können durch die erstinstanzlich zuständige Behörde in Wiedererwägung
gezogen werden; im Fall der Anfechtung bis zur Erstattung ihrer Vernehmlassung, nach der
Vernehmlassung nur noch mit Zustimmung der Beschwerdeinstanz.
2
Liegt ein Rechtsmittelentscheid vor, ist die Wiedererwägung nur zulässig, wenn sich der
dem rechtskräftigen Entscheid zugrunde liegende Sachverhalt oder die Rechtslage erheblich und entscheidrelevant geändert hat.
Bemerkungen zu § 39 nVRPG (bisher § 25 VRPG)
1.
Die Wiedererwägung hat im Rahmen der Vorarbeiten zu Diskussionen Anlass gegeben.
Grund ist die in Lehre und Rechtsprechung uneinheitliche Begriffsdefinition.
- 51 -
Erstinstanzliche Behörden können Entscheide von Amtes wegen oder auf Gesuch hin in
Wiedererwägung ziehen.
2.
Es stellt sich zudem die Frage, ob die Wiedererwägung auch gegen Rechtsmittelentscheide
zulässig sein soll oder nicht.
Hier wird mit dem überwiegenden Teil der Lehre die Auffassung vertreten, dass gegen
Rechtsmittelentscheide prinzipiell keine Wiedererwägung zulässig ist. Es lässt sich aber
nicht verkennen, dass vor allem im Regelungsbereich von Dauersachverhalten unter Umständen eine Anpassung an veränderte äussere Umstände möglich sein muss. Deshalb
wurde im Absatz 2 der vorliegenden Bestimmung neu geregelt, dass ein veränderter Sachverhalt oder eine veränderte Rechtslage zu Korrekturen berechtigt; der Gesuchstellende wird
dies darzulegen haben. Erheblichkeit der Änderung ist Anspruchsvoraussetzung. Das Erfordernis der Entscheidrelevanz soll verhindern, dass sich die Rechtslage im fraglichen Bereich
zwar geändert hat, dies aber ohne Auswirkungen auf den wiederzuerwägenden Entscheid,
dieser aber gleichwohl wiedererwogen werden muss, weil er ursprünglich fehlerhaft ist.
Zuständig für die Wiedererwägung eines Rechtsmittelentscheids ist wie in Abs. 1 die erstinstanzliche Behörde.
3.
In der bisherigen Praxis hat sich die Frage gestellt, bis zu welchem Zeitpunkt die erstinstanzlich verfügende Behörde ihren Entscheid in Wiedererwägung ziehen kann. Einigkeit bestand
darüber, dass spätestens ab dem Zeitpunkt der Ausfällung des Rechtsmittelentscheids eine
Wiedererwägung ausgeschlossen ist. Mit Vorliegen eines Rechtsmittelentscheids ist das
Datum der Urteilsfällung gemeint; der Versand muss noch nicht notwendigerweise erfolgt
sein.
Die Wiedererwägung ist eine Willensäusserung der erstinstanzlich entscheidenden Behörde.
Im Rechtsmittelverfahren gibt sie ihren Standpunkt endgültig und in der Regel letztmals mit
ihrer Vernehmlassung vor der Rechtsmittelbehörde bekannt. Man kann sich daher fragen, ob
man den letztmöglichen Zeitpunkt der Wiedererwägung nicht auf diese Eingabe hin festlegen
sollte. Allerdings ist der Verzicht auf eine Vernehmlassung oder ein erneuter Schriftenwechsel keine Seltenheit, weshalb es bei dieser Variante an der notwendigen Bestimmbarkeit des
Zeitpunktes fehlt. Es erscheint daher sinnvoll, zwar am Zeitpunkt der Erstattung der Vernehmlassung festzuhalten, aber gleichzeitig auch eine spätere Wiedererwägung zu ermöglichen, dann aber nur mit Zustimmung der Beschwerdeinstanz.
- 52 -
4.4.2
Rechtsmittel
4.4.2.1 Einsprache
§ 40
§ 40 [Einsprache]
1
Gegen erstinstanzliche Entscheide kann bei der entscheidenden Behörde Einsprache
geführt werden, soweit dies vorgesehen ist.
2
Die Behörde entscheidet unter Berücksichtigung der Vorbringen in der Einsprache neu.
Bemerkungen zu § 40 nVRPG (neu)
1.
Die Einsprache ist ordentliches, vollkommenes, nicht devolutives, reformatorisches, selbständiges und prinzipales Rechtsmittel. Die Einsprache ist im VRPG bis anhin nicht geregelt
und steht als Rechtsmittel nur zur Verfügung, wenn sie spezialgesetzlich vorgesehen ist. Das
Einspracheverfahren kann echtes Rechtsmittelverfahren oder aber Bestandteil des erstinstanzlichen Verwaltungsverfahrens sein, indem es funktionell als formalisierte Ausübung des
Anspruchs auf rechtliches Gehörs erscheint. Als Rechtsmittel gilt die Einsprache im Veranlagungsverfahren nach Steuergesetz, da sie sich gegen einen bestehenden Entscheid der
Steuerbehörde richtet. Anders zu qualifizieren sind die §§ 4, 10, 24 (nicht aber §§ 29 und
35), 60 (nicht aber § 78), 95 und 152 BauG, wo die Einsprache der Vorbereitung eines noch
nicht ergangenen Verwaltungsakts (zum Beispiel § 4 Abs. 2 BauG) oder einer durch die
Stimmberechtigten der Gemeinde zu beschliessenden Planungsmassnahme (zum Beispiel
§ 24 Abs. 2 BauG) dient und neben der Gehörsgewährung die Verbesserung der Verfahrensökonomie und Entscheidqualität zum Ziel hat. Insofern ist die Bezeichnung der Einsprache als "Rechtsmittel" in den §§ 4, 10, 24, 60 und 95 BauG ungenau, da es sich im Grunde
genommen um so genannte Einwendungen handelt und dies, obgleich an die unterlassene
Einspracheerhebung in der Regel weitergehende Folgen geknüpft werden (Ausschluss aus
dem nachfolgenden Beschwerdeverfahren [vgl. zum Beispiel § 4 Abs. 2 Satz 3 BauG]).
Die Einsprache ist dort sinnvoll, wo eine Behörde zahlreiche Verwaltungsakte erlässt mit der
Gefahr, dass den Umständen im Einzelfall durch die routinemässige Erledigung nicht Rechnung getragen wird. Hier soll die entscheidende Behörde die Möglichkeit haben, den angefochtenen und möglicherweise fehlerhaften Verwaltungsakt selbst einer neuerlichen Prüfung
zu unterziehen. Das Vorgehen entlastet überdies die Beschwerdeinstanzen. Ist die Einsprache Rechtsmittel gegen eine bereits erlassene Verfügung, ist der einsprachefähige Entscheid mit einer entsprechenden Rechtsmittelbelehrung zu versehen. Fehlt diese und wird
gegen den Entscheid Beschwerde erhoben, gilt die Beschwerde als Einsprache.
Einsprachen sind nicht generell zulässig und können von den entsprechenden Spruchkörpern auch nicht einfach eingeführt werden; die Formulierung in § 40 Abs. 1 ("soweit sie vorgesehen ist") meint die rechtssatzmässige Einführung dieses Rechtsmittels, wobei ein
Rechtssatz auf Stufe Verordnung genügt.
- 53 -
2.
Da der Einsprache eine gewisse Bedeutung zukommt und bis anhin keine Regeln bestanden, rechtfertigt es sich, sie unter den Rechtsmitteln aufzuführen. Zu betonen ist allerdings,
dass die Spezialgesetzgebung immer vorbehalten bleibt. Der Grossteil der Verfahrensregeln
findet sich denn auch in den jeweiligen Gesetzen, welche für das Einspracheverfahren die
gesetzliche Grundlage schaffen. Die Spezialgesetzgebung soll konkrete Regeln (Frist, formelle Anforderungen) aufstellen. Da diese Regeln unterschiedlich sind, rechtfertigt es sich
nicht, im VRPG eine subsidiäre Grundregelung zu normieren. Im Sinne einer Vereinheitlichung ist es jedoch sinnvoll, die Einsprachefristen in der Spezialgesetzgebung auch bei
30 Tagen festzulegen, sofern keine spezielle zeitliche Dringlichkeit besteht. Die allgemeinen
Bestimmungen des Beschwerdeverfahrens sind auf das Einspracheverfahren nicht, beim
völligen Fehlen von Bestimmungen in der Spezialgesetzgebung allenfalls aber sinngemäss,
anwendbar. Im Grundsatz ist aber im Rahmen der Spezialgesetzgebung auf eine ausreichende Normierung zu achten.
4.4.2.2 Allgemeine Bestimmungen zum Beschwerdeverfahren
§ 41
§ 41 [Beschwerde]
1
Entscheide können mit Beschwerde angefochten werden.
2
Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung sind anfechtbaren Entscheiden gleichgestellt.
Bemerkungen zu § 41 nVRPG (bisher §§ 38, 40 Abs. 4 und 45 VRPG)
1.
§ 41 nVRPG formuliert den Grundsatz, dass Entscheide mit Beschwerde angefochten werden können. Es wurde auf den Versuch, mögliche Anfechtungsobjekte zu konkretisieren,
verzichtet; dies ist Lehre und Rechtsprechung zu überlassen.
2.
In § 38 VRPG ist von Verfügungen und Entscheiden die Rede. Der Entscheid hat im Grundsatz dieselben Merkmale wie eine Verfügung, nur wird er zumeist mit einem Rechtsmittelentscheid in Verbindung gebracht. Die Unterscheidung bringt kaum etwas, kompliziert aber die
Gesetzesredaktion, weshalb daran nicht länger festgehalten wird. Neu wird nur noch von
Entscheiden gesprochen, worunter sämtliche Verfügungen, Beschlüsse und Urteile fallen.
3.
Die Rechtsverweigerungs- und Rechtsverzögerungsbeschwerde wurde bis anhin wenig
prominent als Abs. 4 der Fristbestimmung in § 40 VRPG eingeführt. Im Gegensatz zur
Rechtsverweigerungs- und Rechtsverzögerungsbeschwerde an das Verwaltungsgericht
(§ 53 VRPG) hat die verwaltungsinterne Schwester offenbar nicht zu publikationswürdigen
Entscheiden geführt (der einzige publizierte Anwendungsfall findet sich in AGVE 1975, 601).
- 54 -
Das dürfte nichts damit zu tun haben, dass der verwaltungsinterne Beschwerdeweg verzögerungsfrei funktionieren würde. Vielmehr genügen wegen der Hierarchie innerhalb der Verwaltung Schreiben oder Aufsichtsanzeigen an die vorgesetzte Dienststelle oder den Departementsvorsteher (bzw. die Departementsvorsteherin), um denselben Effekt zu erzielen.
Darüber hinaus war die verwaltungsinterne Rechtsverweigerungs- und Rechtsverzögerungsbeschwerde derart diskret platziert, dass sie in Vergessenheit geriet. Es ist davon auszugehen, dass diese Beschwerde gleichwohl von erheblicher Bedeutung ist und sich eine Streichung im verwaltungsinternen Beschwerdeverfahren nicht rechtfertigt. Die Neuformulierung
in § 41 Abs. 2 nVRPG an prominenter Stelle ist der Versuch dazu.
Fälle, in denen die Behörde zu Unrecht Vollzugshandlungen ohne einen vorgängigen Entscheid vornehmen, sind nach § 41 Abs. 2 nVRPG zu behandeln und nicht nach § 60 Ziffer 4
nVRPG.
4.
Anfechtungsobjekt gemäss Art. 41 sind Entscheide; damit fragt sich, ob man eine Regelung
für Realakte treffen soll, insbesondere mit Blick auf Art. 25a VwVG, der ab 1. Januar 2007
Folgendes vorsieht: Wer ein schutzwürdiges Interesse hat, kann von der Behörde, die für
Handlungen zuständig ist, welche sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und
Rechte oder Pflichten berühren, verlangen, dass sie widerrechtliche Handlungen unterlässt,
die Folgen beseitigt oder die Widerrechtlichkeit feststellt; dies ist durch Verfügung zu entscheiden. In der Lehre besteht vereinzelt die Meinung, dass § 25a VwVG zumindest bezüglich Verfahren, die durch Bundesrecht bestimmt werden, kantonal zu übernehmen ist.
Das Problem der Anfechtung von Realakten hat zu bundesgerichtlichen Urteilen geführt; das
fehlende Anfechtungsobjekt wird entweder durch eine Ausdehnung des Verfügungsbegriffs
oder eine Ausdehnung des Rechtsschutzes über die Verfügung hinaus gesucht. Im Grundsatz sind die Kantone aber frei, wie sie dieses Problem lösen. Vorgeschlagen wird in diesem
Entwurf die Variante, dass klagen soll, wer sich (in seinen Rechtspositionen) unzutreffend
behandelt fühlt (vgl. § 60 lit. d nVRPG). Eine Übernahme von Art. 25a VwVG erscheint bei
dieser Lösung unnötig; die Variante harmoniert im Übrigen mit der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung, die nur Realakte erfasst, die eine Person in ihren rechtlichen Interessen
berührt, ein faktisches Interesse reicht nicht aus.
§ 42
§ 42 [Beschwerdebefugnis]
Zur Beschwerde ist befugt
a) wer ein schutzwürdiges eigenes Interesse an der Aufhebung oder der Änderung des
Entscheids hat,
b) jede andere Person, Organisation oder Behörde, die durch das Bundesrecht oder
kantonales Recht zur Beschwerde ermächtigt ist.
- 55 -
Bemerkungen zu § 42 nVRPG (bisher § 38 VRPG)
1.
Es kann sich die Frage stellen, ob man die Formulierung in Art. 89 Abs. 1 lit. b BGG übernehmen soll, wonach zur Beschwerde befugt ist, wer „besonders“ berührt ist. Inhaltlich ist
das kein Unterschied zur vorgeschlagenen Lösung. Die zitierte Formulierung im BGG ist
bereits als etwas unglücklich taxiert worden, weshalb an der hier formulierten Variante festgehalten ist. Zuhanden der Materialien sei immerhin gesagt, dass die Bestimmungen inhaltlich deckungsgleich sind, also kein Unterschied zwischen bundesrechtlicher und aargauischer Beschwerdebefugnis besteht.
2.
Im bisherigen § 38 Abs. 2 VRPG war die Beschwerdebefugnis der als Vorinstanz am Verfahren beteiligten Behörde geregelt. Mit der Behördenbeschwerde wird beabsichtigt, einen richtigen und einheitlichen Gesetzesvollzug durchzusetzen und die Kollision sich widerstreitender öffentlicher Interessen aufzulösen sowie (neuerdings mit den Entwicklungen im Anwendungsbereich wirkungsorientierter Verwaltungsführung) den einer Behörde zugestandenen
eigenverantwortlichen Bereich zu schützen.
Es stellt sich die Frage, ob dem bisherigen § 38 Abs. 2 neben Abs. 1 eine eigenständige Bedeutung zukommt oder nicht. Dafür ist der Unterschied zwischen der Beschwerde eines
Gemeinwesens "aus eigenem Recht" und der Behördenbeschwerde massgeblich:
Die Behördenbeschwerde ist die Beschwerde einer Verwaltungsstelle, die durch organisationsrechtliche Bestimmungen losgelöst vom jeweiligen Amtsinhaber und gestützt auf eine
gesetzliche Ordnung regelhaft in ihre Zuständigkeit fallende Materien durch einen Verwaltungsakt (Verfügung, Beschluss, Entscheid) unter eigenem Namen für das Gemeinwesen
entscheidet, gegen den Entscheid einer Behörde desselben Rechtsträgers (Bund, Kanton,
Gemeinde).
Davon zu unterscheiden ist die "Beschwerde aus eigenem Recht", d.h. die Beschwerde
eines Selbstverwaltungskörpers gegen Entscheide desjenigen Gemeinwesens, dessen
Bestandteil der Selbstverwaltungskörper bildet, oder des Gemeinwesens gegen Entscheide
des Selbstverwaltungskörpers. Die Beschwerde wird in diesen Fällen zwar oft von einer
Behörde geführt, diese handelt aber als Organ des betroffenen Gemeinwesens (der
Gemeinderat für die Einwohnergemeinde). Das Verwaltungsgericht leitet denn auch die
Beschwerdebefugnis der Gemeinde nicht aus § 38 Abs. 2 VRPG ab, sondern bejaht sie in
Anwendung von Abs. 1 (AGVE 1989, 305 f.; 1988, 373; 1986, 322; Verwaltungsgericht in ZBl
82/1981, 138 ff.). Publizierte Entscheide zur Beschwerdebefugnis von Behörden, die ihre
schutzwürdigen eigenen Interessen erfolgreich nicht aus ihrer Organstellung bzw. der
Gemeindeautonomie abgeleitet haben, gibt es nicht, da das Verwaltungsgericht in § 38 Abs.
2 (gestützt auf die Materialien wohl zu Recht) keine Grundlage für die Behördenbeschwerde
erkennt (einzig in AGVE 1989, 305 ff., der allerdings singulär blieb. Es wurden aber die
schutzwürdigen Interessen des Gemeinderats mit der Formulierung, die Interessen seien
solche der Einwohnergemeinde, verneint). Gestützt auf diese Überlegungen ist davon auszugehen, dass es den bisherigen § 38 Abs. 2 VRPG überhaupt nicht mehr braucht.
- 56 -
Der Klarheit halber wird - wie dies die Grüne Aargau in ihrer Vernehmlassungseingabe
beantragt - in lit. b festgehalten, dass die Beschwerde von anderen Personen, Organisationen oder Behörden zulässig ist, wenn spezialgesetzlich vorgesehen.
3.
§ 38 Abs. 3 VRPG regelt nicht die Beschwerdebefugnis des Regierungsrats auf Bundesebene, was unzulässig wäre, sondern will sagen, dass nicht Departemente oder andere
Verwaltungseinheiten gegen Entscheide des Verwaltungsgerichts Beschwerde führen können.
Der Regierungsrat ist den Departementen oder Ämtern hierarchisch übergeordnet. Es ist davon auszugehen, dass die Departemente gegen den ausdrücklichen Willen des (Gesamt-)
Regierungsrats nicht Beschwerde führen werden. Der Regelungsinhalt von § 38 Abs. 3
VRPG ist eine Rarität. Die Bestimmung erlangte nie Bedeutung, und eine Aufnahme ins
Gesetz ist unter diesem Gesichtspunkt retrospektiv nicht mehr gerechtfertigt.
§ 43
§ 43 [Beschwerdeschrift]
1
Beschwerden sind schriftlich bei der Beschwerdeinstanz einzureichen.
2
Die Beschwerdeschrift muss einen Antrag sowie eine Begründung enthalten. Auf
Beschwerden, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, ist nicht einzutreten.
3
Der angefochtene Entscheid ist anzugeben, allfällige Beweismittel sind zu bezeichnen und
soweit möglich beizulegen; die Eingabe ist zu unterzeichnen. Ist die Beschwerde in dieser
Hinsicht ungenügend oder sonst unklar, ist eine Nachfrist zur Verbesserung anzusetzen
unter Androhung des Nichteintretens.
Bemerkungen zu § 43 nVRPG (bisher § 39 VRPG)
1.
Der Gesetzgeber des VRPG 1968 legte keinen Wert auf strenge Formvorschriften, ein "einfacher, unbeholfener Brief genügt" (Prot. GR Kom. 15.9.1967, S. 11). An dieser grundsätzlichen Einstellung soll festgehalten werden. Allerdings hat der bisherige § 39 Abs. 3 VRPG,
welcher die Nachbesserung ungenügender Eingaben vorsieht, zu Diskussionen Anlass gegeben. Das Verwaltungsgericht begründete die folgende Praxis: Fehlt Antrag oder Begründung oder beides (trotz vollständiger Rechtsmittelbelehrung) vollständig und ergibt sich der
Antrag bei Laienbeschwerden auch nicht aus der Begründung, ist ohne Nachfrist auf Nichteintreten zu erkennen. Sind Antrag und Begründung wenigstens im Ansatz vorhanden und
lediglich unvollständig oder unklar, muss eine Nachfrist angesetzt werden. Das Bundesgericht hatte auf staatsrechtliche Beschwerde hin einen entsprechenden Entscheid des Verwaltungsgerichts zu beurteilen und erkannt, dass sich die Praxis mit dem Gesetzestext nicht
notwendigerweise vollständig decke, sich aber auch nicht gerade als unhaltbar erweise
(vgl. Bundesgericht in ZBl 98/1997, 307 ff.). Gestützt auf diese Rechtsprechung ist klar, dass
an der bisherigen Bestimmung etwas geändert werden sollte. Mit der Formulierung in Abs. 2
- 57 -
erfolgt somit faktisch keine Verschärfung, sondern nur eine Kodifikation der heute gültigen
Praxis.
Vorgeschlagen wird, dass die Nachfristansetzung entfällt. Damit wird Klarheit geschaffen in
Bezug auf den Fristenlauf, der sich nicht mehr künstlich verlängern lässt: Auf Beschwerdeschriften ohne Antrag und/oder ohne Begründung ist ohne Nachfristansetzung nicht einzutreten. Es wird nach wie vor Fälle geben, bei denen Laien verfahrensrechtlich fehlerhafte
Eingaben erstellen. In begründeten Fällen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die allgemeine richterliche Fürsorgepflicht eine Rücksendung zur Verbesserung möglich macht;
allerdings dürfte dies dann ausgeschlossen sein, wenn in einer Rechtsmittelbelehrung einfach und verständlich auf die Erfordernisse einer Beschwerde hingewiesen wird (was der
absolute Regelfall ist). Einzutreten ist (vor allem auch auf Laienbeschwerden), wenn
Begründung und/oder Antrag wenigstens im Ansatz vorhanden sind, bzw. wenn die angerufene Behörde erkennen kann, um was es dem Beschwerdeführer geht und was er will.
2.
In § 43 Abs. 1 nVRPG wurde am Erfordernis der Schriftlichkeit festgehalten. Die Schriftform
beinhaltet die Notwendigkeit der Unterzeichnung der Eingabe; eine Unterschrift ist eigenhändig zu schreiben, Faksimile und maschinenschriftliche Unterzeichnungen genügen nicht,
ebenso wenig die Fotokopie oder eine telegraphische oder fernschriftliche Eingabe mit der
Folge, dass die mittels Telefax übermittelten Beschwerden der gültigen Unterschrift entbehren, da die Schriftstücke beim Empfänger als Telekopie eintreffen. Das Bundesgericht wie
auch das Aargauische Verwaltungsgericht lassen bei fehlender Unterschrift keine Nachfristansetzung zur Verbesserung zu (BGE 121 II 253 ff.; AGVE 1996, 385 ff.).
Es kann sich die Frage stellen, ob diese Praxis heute noch gerechtfertigt ist und ob man die
modernen Technologien berücksichtigen soll und damit Eingaben per Telefax oder mit elektronischer Post genügend sind. In jedem Fall muss es zulässig sein, eine Beschwerde an die
Beschwerdeinstanz mittels Faxgerät zu übermitteln, wenn auch mit dem Risiko, dass das
betreffende Faxgerät nicht funktioniert. Um dies trotz der bundesgerichtlichen und
aargauischen Rechtsprechung zum Unterschriftserfordernis zu gewährleisten, wurde in § 43
Abs. 3 nVRPG unter den Ordnungsvorschriften vorgesehen, dass die Eingabe zu unterzeichnen ist. Ordnungsvorschriften sind auch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist nachbesserungsfähig. Damit dies auch im Gesetz zum Ausdruck kommt, bezieht sich die Androhung
des Nichteintretens lediglich auf den Antrag und die Begründung.
Bezüglich Regelung des elektronischen Verkehrs mit den Behörden s. § 7 nVRPG.
§ 44
§ 44 [Beschwerdefrist]
1
Beschwerden sind innert 30 Tagen seit Eröffnung des anzufechtenden Entscheids einzureichen. Vorbehalten bleiben Sonderbestimmungen in anderen Erlassen.
2
Durch rechtzeitige Einreichung der Beschwerde bei einer Behörde gemäss § 1 dieses
Gesetzes gilt die Frist als gewahrt, auch wenn eine andere Behörde zuständig ist.
- 58 -
Bemerkungen zu § 44 nVRPG (bisher § 40 VRPG)
Die Beschwerdefrist wurde von 20 Tagen auf 30 Tage erhöht. Grund für diese Erhöhung ist
der Umstand, dass praktisch alle Rechtsmittelfristen im Bund und auch in anderen Kantonen
30 Tage betragen. Es ist deshalb wenig sinnvoll, kürzere kantonale Fristen bei einer Gesetzesänderung beizubehalten. Die heutige Regelung führt beispielsweise dazu, dass das Bundesrecht im Bauwesen in verschiedenen Fällen die Publikation der Baubewilligung während
30 Tagen vorschreibt, nach kantonalem Recht aber bereits nach 20 Tagen mit den Bauarbeiten begonnen werden kann. Mit einer Vereinheitlichung können viele Rechtsunsicherheiten vermieden werden. Hinzu kommt, dass innert einer dreissigtägigen Frist noch eher vergleichsweise Lösungen möglich sind. Zudem wird dem Rechtssuchenden damit mehr Zeit
gewährt, um einen Entscheid in Ruhe zu studieren und allenfalls noch einen Rechtsvertreter
beiziehen zu können.
§ 45
§ 45 [Schriftenwechsel]
1
Stellt sich die Beschwerde nicht offensichtlich als unzulässig oder unbegründet dar, ist sie
den Parteien zur Beschwerdeantwort und der vorinstanzlichen Justizbehörde zur Vernehmlassung zuzustellen.
2
Mit Erstattung ihrer Beschwerdeantwort oder Vernehmlassung hat die Vorinstanz die Verfahrensakten einzureichen.
3
Beschwerdeantwort und Vernehmlassung sind den Parteien zuzustellen.
4
Die mit der Instruktion betraute Person entscheidet über einen weiteren Schriftenwechsel.
Bemerkungen zu § 45 nVRPG (bisher § 41 und § 42 Abs. 1 VRPG)
1.
Mit der bisherigen Formulierung "sofort" in § 41 Abs. 1 war "offensichtlich" gemeint und nicht
schnell. Der Gesetzestext in Abs. 1 wurde in diesem Punkt angepasst.
Der bisherige § 41 VRPG verlangte die Zustellung der Beschwerde an alle Beteiligten, die
durch das Beschwerdebegehren betroffen werden. Betroffen ist, wer in seinen schutzwürdigen eigenen Interessen berührt ist. Es ist unbestritten, dass eine Beschwerde nicht allen
möglicherweise Betroffenen zugestellt wird, sondern in der Regel lediglich denjenigen Personen, die im vorinstanzlichen Verfahren Parteistellung hatten. Diesem Umstand trägt § 45
nVRPG Rechnung.
2.
Abs. 2 wurde aus § 42 Abs. 1 VRPG übernommen und hier eingefügt, weil Sachzusammenhang besteht und § 42 Abs. 2 VRPG nicht in das neue Gesetz übernommen wird. Gestützt
auf die alte Regelung waren dem Verwaltungsgericht (nur) die "für die Beurteilung nötigen
Akten" zu übergeben. Auf diesen Einschub wird in der Neuregelung verzichtet, da die Vorinstanz sämtliche Verfahrensakten zu überweisen hat und durch das Gesetz nicht zur Durchführung einer selektiven Auswahl "nötiger" Aktenstücke animiert werden sollte.
- 59 -
Der Begriff Akten wurde wie schon in § 22 nVRPG durch den Begriff Verfahrensakten präzisiert. Ein Vorbehalt für Entwürfe, Referate und dgl. erweist sich wegen der entsprechend
einschränkenden Definition der Akten als Verfahrensakten (§ 22 nVRPG) nicht als nötig.
3.
Abs. 4 dient der Klarstellung der Instruktionsrichterkompetenzen. Durch die Nennung der mit
der Instruktion betrauten Person wird auch gesagt, dass vor Verwaltungsgericht nicht nur wie
bis anhin ein vollamtliches Mitglied des Verwaltungsgerichts instruierend tätig werden kann,
sondern auch der Gerichtsschreiber oder die Gerichtsschreiberin oder ein nebenamtlicher
Richter oder eine nebenamtliche Richterin, sofern dies vom Gericht gewünscht wird.
Die Bestimmung soll nicht zum Ausdruck bringen, dass ein weiterer Schriftenwechsel üblich
ist; er bleibt schon wie bis anhin die Ausnahme.
§ 46
§ 46 [Aufschiebende Wirkung und andere vorsorgliche Massnahmen]
1
Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, wenn nicht aus wichtigen Gründen im angefochtenen Entscheid oder durch besondere Vorschrift etwas anderes bestimmt wird.
2
Die Beschwerdeinstanz oder das ihr vorsitzende Mitglied prüft, ob eine gegenteilige
Anordnung oder andere vorsorgliche Massnahmen zu treffen sind.
Bemerkungen zu § 46 nVRPG (bisher § 44 VRPG)
1.
Die aufschiebende Wirkung ist eine mögliche vorsorgliche Massnahme. Sie unterscheidet
sich von den anderen lediglich dadurch, dass sie von Gesetzes wegen angeordnet ist. Mit
der Aufnahme in die Marginalie wird aber dem Anliegen Rechnung getragen, dass der Begriff bekannt ist und damit auch häufig gesucht wird und die Marginalie in diesem Sinn dienende Funktion hat.
2.
Über vorsorgliche Massnahmen kann von Amtes wegen entschieden werden. Bis anhin
wurde dies kaum je gemacht mit dem Ergebnis, dass Beschwerdefälle während Monaten
und unter Umständen auch Jahren ruhten, ohne dass die sinnvollen vorsorglichen Massnahmen getroffen wurden. Die Pflicht zur Prüfung ist ein Mehraufwand für die beurteilenden
Instanzen, stellt aber auch sicher, dass die Wartefristen in Beschwerdeverfahren für die
Betroffenen nur die notwendigen Einschränkungen nach sich ziehen.
Bis anhin ist bei Kollegialbehörden die oder der Vorsitzende nur in dringlichen Fällen berechtigt, vorsorgliche Massnahmen zu treffen. Dies erscheint eine unnötige Komplizierung des
Verfahrens. Im Grundsatz gilt ja, dass die verfahrensrechtliche Übergangsregelung die Entscheidfähigkeit der angerufenen Rechtsmittelbehörde nicht beeinträchtigen darf. Unter diesem Blickwinkel ist es durchaus statthaft, der oder dem Vorsitzenden die Kompetenz zum
- 60 -
Erlass vorsorglicher Massnahmen zu gewähren. Der verantwortungsvolle Prozessleitende
wird in Zweifelsfällen ohnehin das Kollegium in die Entscheidfindung mit einbeziehen.
§ 47
§ 47 [Verfahrensleitung]
1
Die mit der Instruktion betraute Person achtet auf die effiziente Durchführung des Verfahrens.
2
Sie ist unter Vorbehalt einer anders lautenden Weisung der entscheidkompetenten Behörde berechtigt, alle notwendigen Anordnungen zu treffen und Beweise abzunehmen, um
das Verfahren zum Sachentscheid zu führen.
Bemerkungen zu § 47 nVRPG (bisher § 57 VRPG)
Die Bestimmung regelt die Zuständigkeit zur Verfahrensleitung und die damit verbundene
Verpflichtung zur effizienten Durchführung des Verfahrens. Bis anhin war für das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren nicht geregelt, wer für die Verfahrensleitung verantwortlich ist. Dafür wurde für das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren gesagt, dass nur
der Präsident oder ein anderes hauptamtliches Mitglied des Verwaltungsgerichts berechtigt
ist, verfahrensleitende Anordnungen zu treffen oder Beweise abzunehmen.
Die Regelung im bisherigen VRPG ist historisch zu begreifen, indem man bei Erlass des
VRPG zwar wusste, wie die Verwaltung Beschwerden abarbeitete, sich aber nicht sicher
war, wie dies ein künftiges Verwaltungsgericht mit nebenamtlichen Richtern tun würde. Deshalb beschränkte man die Berechtigung, die Verfahrensleitung auszuüben, auf hauptamtliche Richter. Dafür besteht heute kein Grund mehr. Es soll den Verwaltungsbehörden und
den Verwaltungsjustizbehörden überlassen sein, wie sie einen möglichst effizienten Rechtsschutz organisieren. Ziel ist es auch, dass eine einzelne Person ohne den Spruchkörper, in
den sie eingebunden ist, verfahrensleitend tätig werden kann. Sämtliche Parteien und eine
Mehrheit der übrigen Vernehmlassungsteilnehmenden erklärten sich mit der Aufwertung der
Stellung der Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen sowie der nebenamtlichen Richter und
Richterinnen voll oder mindestens grundsätzlich einverstanden.
Es muss aber gleichwohl möglich sein, dass die entscheidkompetente Behörde die Instruktion oder einzelne verfahrensleitende Anordnungen selbst trifft. Die Weisung kann sich auf
einen konkreten Fall beziehen oder generell abstrakt sein. Damit ein Sachbearbeitender
nicht gegen den Willen der entscheidkompetenten Behörde instruierend tätig sein kann,
wurde ein entsprechender Vorbehalt aufgenommen.
§ 48
§ 48 [Bindung an Beschwerdebegehren]
1
Die Verwaltungsbehörden sind an die Beschwerdebegehren nicht gebunden. Zum Nachteil
der beschwerdeführenden Partei können sie aber den angefochtenen Entscheid nur abändern, wenn dies in den Beschwerdebegehren verlangt wird, die Voraussetzungen des
Widerrufs gegeben sind oder andere Vorschriften dies vorsehen. Die Betroffenen sind
vorher anzuhören.
2
Die Verwaltungsjustizbehörden dürfen über die Beschwerdebegehren nicht hinausgehen.
- 61 -
Bemerkungen zu § 48 nVRPG (bisher § 43 VRPG)
§ 43 VRPG wurde weitgehend unverändert übernommen. Fragen kann man sich, ob die
Pflicht zur Gewährung des rechtlichen Gehörs nicht mehr erwähnt werden soll, da diese bereits aus § 21 nVRPG hervorgeht. Angesichts der Bedeutung dieses Verfahrensrechts im
Fall einer reformatio in peius rechtfertigt sich jedoch die nochmalige Erwähnung (so schon
der Gesetzgeber des VRPG, vgl. Erläuterungen JD November 1966, S. 9).
Vor Verwaltungsgericht und den Spezialverwaltungsgerichten gilt im Grundsatz die Dispositionsmaxime: Der Richter ist an die Parteibegehren gebunden. Das Urteil hat somit zwischen
dem vorinstanzlichen Entscheiddispositiv und den Beschwerdeanträgen zu liegen (Verbot
der reformatio in peius vel in melius). Eine Ausnahme bildet gemäss § 1 Abs. 3 nVRPG das
Versicherungsgericht (vgl. dazu die Bemerkungen zu § 58 nVRPG).
§ 49
§ 49 [Entscheid]
Hebt die Rechtsmittelinstanz den angefochtenen Entscheid auf, so kann sie in der Sache
selbst entscheiden oder diese zum Erlass eines neuen Entscheids an eine Vorinstanz
zurückweisen.
Bemerkungen zu § 49 nVRPG (bisher § 58 VRPG)
§ 49 nVRPG entspricht nahezu dem bisherigen § 58 VRPG, der allerdings nur das Verwaltungsgericht angesprochen hat. Der damalige Gesetzgeber war der Auffassung, im verwaltungsinternen Beschwerdeverfahren brauche es eine derartige Bestimmung nicht. Dies mag
unter den damaligen Voraussetzungen zutreffend gewesen sein, ist heute im Zuge der zunehmenden Formalisierung und Straffung der Instanzenzüge nicht mehr richtig (zu denken
ist vor allem an Nichteintretensentscheide).
Gemäss § 13 Abs. 2 lit. e und f nVRPG kann es mehrere Vorinstanzen geben. Die Rechtsmittelinstanz entscheidet, an welche Instanz die Zurückweisung am sinnvollsten ist.
4.4.2.3 Verwaltungsbeschwerde
§ 50
§ 50 [Grundsatz]
1
Der Regierungsrat beurteilt Beschwerden gegen Entscheide
a) kantonaler Verwaltungsbehörden,
b) letztinstanzlicher kommunaler Behörden,
c) öffentlichrechtlicher Körperschaften und Anstalten,
d) mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteter Privater.
2
Er kann seine Entscheidkompetenz oder die Entscheidvorbereitung durch Verordnung
delegieren.
- 62 -
Bemerkungen zu § 50 nVRPG (bisher § 45 - 47, teilweise 50 VRPG)
1.
Mit § 50 nVRPG wurde § 45 VRPG auf eine Zuständigkeitsbestimmung reduziert. Der allgemeine Grundsatz, wonach Verfügungen und Entscheide grundsätzlich beschwerdefähig sind,
findet sich heute in § 41 nVRPG (bis anhin § 38 VRPG). Die Bestimmung gilt für das verwaltungsinterne wie auch verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren. Der bisherige § 45
VRPG konnte deshalb ohne inhaltlichen Verlust auf die Zuständigkeit reduziert werden.
2.
Als Beschwerdeinstanz wird der Regierungsrat eingesetzt. Damit wird selbstverständlich
nicht angestrebt, dass sich der Regierungsrat um alle Beschwerdefälle kümmert, im Gegenteil: Ziel muss sein, dass der Regierungsrat von Rechtsprechungsaufgaben weitgehend
befreit wird. Er soll sich wie bis anhin mit weitgehenden Delegationen dieser Pflicht entledigen. Da eine Straffung des Instanzenzugs angestrebt wird, kann jeder letztinstanzliche Entscheid auf kommunaler Ebene sowie jeder erstinstanzliche Entscheid auf kantonaler Ebene
direkt beim Regierungsrat angefochten werden. Abweichungen sind möglich, erfordern
jedoch eine spezialgesetzliche Regelung (vgl. § 1 Abs. 3 nVRPG).
3.
Aus dem bisherigen § 47 VRPG wurde die Delegationskompetenz übernommen. Dies ist
notwendig, da die Delegationskompetenz eine Ermächtigung durch Rechtssatz voraussetzt.
Die Delegationsmöglichkeit wurde sehr offen formuliert und nicht beschränkt, wobei sich der
Regierungsrat bei der Delegation jedoch nach dem Instanzenmodell richten muss.
§ 51
§ 51 [Sprungbeschwerde]
Wenn letztinstanzlich der Weiterzug an das Verwaltungsgericht möglich ist, kann die verwaltungsinterne Beschwerdeinstanz mit Zustimmung der Beschwerdeführenden auf den
Entscheid verzichten und die Sache dem Verwaltungsgericht zur Erledigung überweisen.
Bemerkungen zu § 51 nVRPG (bisher § 48 VRPG)
1.
Die Sprungbeschwerde ist eine Durchbrechung der funktionellen Zuständigkeitsordnung und
Ausnahme vom Grundsatz, dass der Instanzenzug durch Parteiabrede nicht abgeändert
werden kann. Zweck der Sprungbeschwerde ist die Straffung des Instanzenzugs: Vorteile
sind die Entlastung der verwaltungsinternen Rechtspflegeinstanzen und die Beschleunigung
des Verfahrens. Als Nachteil ist in Kauf zu nehmen, dass das Verwaltungsgericht unter
Umständen eine Frage entscheiden muss, zu welcher der Regierungsrat keine Praxis
begründet hat.
Die Sprungbeschwerde ist in der aargauischen Praxis von untergeordneter Bedeutung: Nur
beim Personalrekursgericht sind Sprungbeschwerden relativ häufig. Man kann sich deshalb
- 63 -
die Frage stellen, ob sie auch unter Berücksichtigung der Straffung der Instanzenzüge überhaupt noch gerechtfertigt ist. Allerdings sollte nicht leichthin auf ein Institut verzichtet werden,
das zur Verfahrensbeschleunigung beitragen kann.
2.
In § 48 VRPG wurde als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Sprungbeschwerde verlangt,
dass in der Verwaltungsbeschwerde keine anderen als die vor Verwaltungsgericht zulässigen Beschwerdegründe geltend gemacht werden. Damit war die Überprüfung des Ermessens angesprochen. Gemäss § 51 nVRPG kommt dem Verwaltungsgericht bei Sprungbeschwerden neu grundsätzlich eine Ermessenskontrolle zu, was sinnvoll ist, jedoch zu einer
Mehrbelastung des Verwaltungsgerichts führen wird.
§ 52
§ 52 [Beschwerdegründe]
Mit der Beschwerde können, unter Vorbehalt besonderer gesetzlicher Bestimmungen, alle
Mängel des Verfahrens und des angefochtenen Entscheids geltend gemacht werden.
Bemerkungen zu § 52 nVRPG (bisher § 49 VRPG)
§ 52 nVRPG regelt, welche Mängel des angefochtenen Entscheids der Beschwerdeführer
vor der Rechtsmittelinstanz rügen kann. Die Umschreibung erfasst die Rügen der unrichtigen
oder unvollständigen Sachverhaltsermittlung, der Rechtsverletzung und der Unangemessenheit. Die Bestimmung wurde unverändert übernommen. Es liesse sich allerdings diskutieren,
ob man nicht den Vorbehalt abweichender Bestimmungen aus dem Gesetz streicht (vgl. § 1
Abs. 3 nVRPG). Dies insbesondere deshalb, weil Art. 13 EMRK nach sich zieht, dass einem
Beschwerdeführer mindestens eine Instanz mit vollumfänglicher Kognition auf seinem Weg
zur Gerechtigkeit zur Verfügung stehen muss und Kognitionsbeschränkungen im verwaltungsinternen Beschwerdeverfahren die absolute Ausnahme bleiben müssen.
4.4.2.4 Beschwerde an ein Spezialverwaltungsgericht
§ 53
§ 53 [Geltungsbereich und Verfahren]
1
Die Beschwerde an ein Spezialverwaltungsgericht ist in den vom Gesetz vorgesehenen
Fällen zulässig.
2
Das Verfahren richtet sich unter Vorbehalt besonderer Bestimmungen nach den Regeln für
das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren. Die Beschwerdegründe bestimmen sich
nach § 52.
Bemerkungen zu § 53 nVRPG (neu)
Der Gesetzgeber hat sich bekanntlich entschieden, vermehrt Spezialverwaltungsgerichte als
gerichtliche Instanzen einzusetzen. Sie kommen in Fällen zum Zug, die entweder sehr
schnell entschieden werden müssen oder Spezialkenntnisse erfordern oder in grosser Zahl
auftreten.
- 64 -
Das Personalrekursgericht hat entgegen dem Wortlaut des Personalgesetzes entschieden,
dass ihm die Ermessenskontrolle zusteht. Diese Praxis wird nun ins Gesetz überführt, indem
Spezialverwaltungsgerichten grundsätzlich Ermessensüberprüfung zugestanden wird. Abs. 2
steht jedoch unter dem Vorbehalt abweichender Bestimmungen: So kann zum Beispiel vor
dem Rekursgericht im Ausländerrecht gemäss § 9 Abs. 2 EGAR die Rüge der Unangemessenheit nicht erhoben werden.
4.4.2.5 Beschwerde an das Verwaltungsgericht
§ 54
§ 54 [Grundsatz und Ausnahmen]
1 Gegen
letztinstanzliche Entscheide der Verwaltungsbehörden und, soweit vorgesehen,
gegen Entscheide der Spezialverwaltungsgerichte ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
zulässig.
2
Ausgeschlossen ist die Beschwerde in folgenden Sachbereichen
a) Richtpläne, sofern die Beschwerde nicht durch eine Gemeinde erhoben wird,
b) Angebotsbestellungen für den öffentlichen Verkehr,
c) Entscheide im Rahmen der Ausarbeitung eines generellen Strassenbauprojekts,
d) Schulstandorte,
e) gesundheitspolitische Standortentscheide,
f) Begnadigungen,
g) Einsatz von Fondsmitteln und Verwendung des Alkoholzehntels,
h) Kulturförderung.
3 Vorbehalten
bleiben Sonderbestimmungen in anderen Gesetzen.
4 Die
Beschwerde ist auch in den Fällen von Absatz 2 und Absatz 3 zulässig, wenn die
Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung von Streitigkeiten durch eine richterliche Behörde
gerügt wird.
Bemerkungen zu § 54 nVRPG (bisher § 51 f. VRPG)
1.
Der Entwurf sieht vor, dass im Grundsatz sämtliche Entscheide der Verwaltungsbehörden
(nicht aber der Spezialverwaltungsgerichte) in letzter Instanz vor Verwaltungsgericht
angefochten werden können, Ausnahmen müssen ausdrücklich genannt werden. Diese
Regelung gebietet sich wegen des sich stets weiterentwickelnden Rechtsschutzes durch die
EMRK, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, die Revision der
Bundesrechtspflege sowie den (per 1.1.2007 in Kraft getretenen) neuen Art. 29a BV. Dieser
lautet:
„Jede Person hat bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde. Bund und Kantone können durch Gesetz die richterliche Beurteilung in Ausnahmefällen ausschliessen.“
Die Rechtsweggarantie auf Verfassungsstufe ist ein Grundrecht, auf das sich jeder berufen
kann; die kantonalen Verfahrensgesetze werden sich daran orientieren müssen. Desgleichen
sieht das neue Bundesgerichtsgesetz (BGG) vor, dass die Kantone als letzte kantonale
Instanzen richterliche Behörden einzusetzen haben. Es führt deshalb kein Weg daran vorbei,
- 65 -
das Verwaltungsgericht im Grundsatz als letzte kantonale Instanz in allen verwaltungsrechtlichen Streitfällen einzusetzen.
Gestützt auf Art. 29a Satz 2 BV sind Ausnahmen zur allgemeinen Rechtsschutzgarantie in
engen Grenzen zulässig; sie bedürfen allerdings der qualifizierten Begründung (Yvo
Hangartner, Recht auf Rechtsschutz, AJP 2/2002, S. 135 f.). Allgemeine Vorbehalte wie, die
Justiz dürfe nicht verpolitisiert werden, oder Argumente der Gewaltenteilung und der mangelnden Justiziabilität genügen zur Begründung einer Ausnahmeregelung nicht (Hangartner,
a.a.O., S. 135). Im Anwendungsbereich des Bundesgerichtsgesetzes sind Ausnahmen vom
Gerichtszugang nur aus politischen Gründen zulässig (Art. 86 Abs. 3 BGG).
Die Generalklausel ist die einzige verfassungsrechtlich zulässige Lösung; lediglich Entscheide der Spezialverwaltungsgerichte können generell von der verwaltungsgerichtlichen
Kontrolle ausgenommen werden, weil das Bundesgerichtsgesetz keinen doppelten gerichtlichen Instanzenzug im Kanton verlangt.
2.
Obwohl die verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit bereits heute relativ weit gefasst ist, muss
damit gerechnet werden, dass die Rechtsweggarantie von Art. 29a BV sowie Art. 191b des
Bundesbeschlusses über die Reform der Justiz vom 8. Oktober 1999 ("Die Kantone bestellen richterliche Behörden für die Beurteilung von öffentlichrechtlichen Streitigkeiten sowie
von Straffällen") eine Fallzunahme und damit die Notwendigkeit eines Gerichtsausbaus nach
sich ziehen wird (s. Kapitel 6 hinten).
3.
Schwierig zu formulieren sind die Ausnahmen von der verwaltungsgerichtlichen
Zuständigkeit. Es bleibt, wie dargelegt, von Bundesrechts wegen nicht allzu viel
Handlungsspielraum. Vorgeschlagen wird, politisch gefärbte Infrastrukturentscheide der
verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit zu entziehen. Das betrifft zum einen den öffentlichen
Verkehr: Die Angebotsbestellung des Regierungsrats erfolgt in diesem Bereich gestützt auf
detaillierte Angebotsvereinbarungen mit den Transportunternehmungen, die Bestandteil der
Angebotsbestellung sind. Allfällige Rechtsmittel in diesem Sachzusammenhang richten sich
nach Bundesrecht; um Entscheidungen des Regierungsrats über das Streckennetz, die Lage
der Haltestellen sowie den Fahrplan, aber auch die Anzahl der Sitzplätze und die Ausrüstung
der Transportfahrzeuge dem kantonalen Rechtsschutz zu entziehen, ist der vorliegende
Ausschluss nötig. Generell werden als Infrastrukturentscheide auch die Bestimmung von
Schul- und Spitalstandorten der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit entzogen. Dasselbe
gilt für die in Präzisierung der Richtpläne vom Baudepartement ausgearbeiteten generellen
Projekte für den Neu- und Ausbau von Kantonsstrassen (§ 94 Baugesetz): Diese generellen
Strassenbauprojekte sind, wie die Richtpläne, nur behördenverbindlich und sollen keinem
Rechtsmittel unterliegen; es genügt, wenn das Bauprojekt selbst (§ 95 BauG) vom
Verwaltungsgericht überprüft werden kann. Zulässig dürfte auch die Nennung der
Begnadigung sein, weil „ausserrechtliche“ Gründe den Entscheid beeinflussen. Die
Anfechtbarkeit des Richtplans scheitert in der Regel schon am fehlenden Anfechtungsobjekt,
der Ausschluss kann sich aber unter dem Gesichtspunkt des wandelnden Verständnisses
darüber, was einen Entscheid ausmacht, rechtfertigen, vorbehalten bleiben wegen der
- 66 -
Behördenverbindlichkeit des Plans Anfechtungen durch die Gemeinden. Die Beschwerde an
das Verwaltungsgericht wird weiter ausgeschlossen in folgenden Sachbereichen: Einsatz
von Fondsmitteln (darunter fällt auch die Verwendung des Lotteriefonds), Verwendung des
Alkoholzehntels und Kulturförderung. In diesen Sachbereichen werden kulturpolitische
Entscheide getroffen, die als Entscheide „mit vorwiegend politischem Charakter“ im Sinn von
Art. 86 Abs. 3 BGG gelten können. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu dieser
Bestimmung bleibt allerdings abzuwarten.
Die Enumeration in Abs. 2 umfasst die wichtigsten und hauptsächlichsten Ausnahmen vom
Zugang zum Verwaltungsgericht; es ist denkbar, dass weitere Einzelfälle in anderen (formellen!) Gesetzen genannt werden; um auf diese Möglichkeit explizit hinzuweisen, wurde
Absatz 3 in die Bestimmung aufgenommen. § 54 erfasst aber ohne Zweifel den allergrössten
Teil der vom gerichtlichen Rechtsschutz ausgenommenen Sachgebiete.
4.
Immerhin soll aber der Weg geöffnet werden, eine Verletzung der Rechtsweggarantie vor
dem Verwaltungsgericht zu rügen (vgl. Abs. 4, welcher sich weitgehend an Art. 78 Abs. 2
BGG anlehnt), damit innerkantonal reagiert werden kann, wenn ein Sachgebiet zu Unrecht
dem gerichtlichen Rechtsschutz entzogen worden ist und nicht zunächst ein Entscheid des
Bundesgerichts ergehen muss, der den Kanton zur Änderung zwingt.
5.
Vorsicht ist gestützt auf das Bundesgerichtsgesetz (BGG) auch bezüglich der Schaffung von
Rekursgerichten angebracht. Das Bundesgericht könnte sich dereinst auf den Standpunkt
stellen, dabei handle es sich nicht um obere Gerichte im Sinne von Art. 80 Abs. 2 BGG. Vergleicht man Art. 80 Abs. 2 BGG, welcher die Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten beschlägt, mit Art. 71 Abs. 2 BGG betreffend die Beschwerde in Zivilsachen, fällt auf,
dass die Verpflichtung der Kantone, als unmittelbare Vorinstanzen des Bundesgerichts obere
Gerichte einzusetzen, in beiden Fällen besteht, allerdings in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten die Formulierung "diese entscheiden als Rechtsmittelinstanzen" fehlt. Daraus muss
geschlossen werden, dass eine gerichtliche Instanz im Kanton genügt. Da am Kriterium des
"oberen" Gerichts aber ohne Einschränkung festgehalten wird, kann allerdings schon die
Möglichkeit bestehen, dass Rekursgerichte diesem Erfordernis neben einem bestehenden
Verwaltungsgericht nicht genügen. In der Botschaft des Bundesgerichts wird auf diese Konfliktsituation allerdings nicht näher eingegangen, wenngleich als oberes Gericht im Sinn des
BGG das Verwaltungsgericht genannt wird (vgl. Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege vom 28. Februar 2001, BBl 2001, S. 4325 f.).
Die aargauischen Spezialverwaltungsgerichte sind nach Auffassung der Expertenkommission ganz klar obere Gerichte, auch im Sinn des Bundesgerichtsgesetzes. Sie wurden geschaffen, um Spezialgebiete einem spezialisierten Spruchkörper mit hoher Fachkompetenz
zuzuweisen, der das Verwaltungsgericht als urteilende Instanz ersetzt. Als „Vorinstanz“ des
Verwaltungsgerichts sind Spezialverwaltungsgerichte nur in für die Betroffenen speziell sensiblen Bereichen eingesetzt (Steuern, Enteignungen). Der Umstand, dass das Spezialverwaltungsgericht in einzelnen Sachbereichen als Vorinstanz entscheidet, kann nicht bedeuten, dass es dann in den anderen Sachbereichen nicht mehr oberes Gericht im Sinn des
- 67 -
BGG ist; dies würde im Endeffekt dazu führen, dass der im Kanton Aargau in einzelnen
Sachgebieten verbesserte gerichtliche Rechtsschutz i.S. eines „doppelten“ gerichtlichen
Instanzenzuges aufgegeben werden müsste, nur um nicht auch in allen anderen, einem
Spezialverwaltungsgericht zugewiesenen Sachgebieten den doppelten Instanzenzug einführen zu müssen. Dies dürfte kaum die Meinung des Bundesgesetzgebers gewesen sein.
Im Übrigen werden die Richter und Richterinnen der Spezialverwaltungsgerichte durch den
Grossen Rat gewählt, und es handelt sich um ein gesamtkantonales Gericht, was ebenfalls
für die Annahme spricht, es handle sich um ein oberes Gericht.
6.
Es ist darauf hinzuweisen, dass es noch einen weiteren Bereich von Sachgebieten gibt, die
gestützt auf Bundesrecht in den Ausnahmekatalog von Abs. 2 aufgenommen werden dürften: In Rechtsgebieten, in denen die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig
ist, wird gemäss neuem BGG auf kantonaler Ebene kein gerichtlicher Rechtsschutz verlangt.
Die Kantone könnten daher in diesen Sachbereichen die Beschwerde an das kantonale
Verwaltungsgericht ausschliessen. Dies wäre beispielsweise in Teilbereichen des Zivilschutzgesetzes, des Landesversorgungsgesetzes oder des Landwirtschaftsgesetzes möglich. Der Regierungsrat hat jedoch darauf verzichtet, diese Gebiete von der kantonalen
Gerichtsbarkeit auszunehmen, da er der Auffassung ist,
–
–
–
–
–
dass der Kanton seine Verwaltungstätigkeit primär selber überprüfen und nötigenfalls
korrigieren und deshalb einen vollwertigen kantonalen Rechtsschutz anbieten soll;
dass der Bürger Anspruch darauf haben soll, dass seine Sache zunächst im Kanton
gerichtlich beurteilt wird;
dass der Ausschluss dieser (eher selten zu Verfahren Anlass gebenden) Sachgebiete
teilweise zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten führen kann;
dass der Vorbehalt der direkten Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu einer
wenig bürgerfreundlichen Komplizierung des Rechtsmittelweges führt;
dass die davon erfasste Fallzahl sehr tief ist und eine Sonderregelung deshalb nicht
rechtfertigt.
§ 55
§ 55 [Beschwerdegründe]
1
Mit der Beschwerde können die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts sowie Rechtsverletzungen gerügt werden.
2
Bei Beschwerden gegen Entscheide eines Spezialverwaltungsgerichts und in Sachgebieten gemäss Absatz 3 ist das Verwaltungsgericht an die Feststellung des Sachverhalts
gebunden, wenn dieser nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde.
3
In folgenden Sachgebieten kann nur die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten
gerügt werden
a) Durchführung von Lotterien,
b) Zusprechung von Subventionen, auf die kein Anspruch besteht,
c) Zuteilung von Ausbildungsgängen an Schulen,
d) Festlegung der Klassengrössen an Schulen.
- 68 -
4
Die Rüge der Unangemessenheit ist in den folgenden Fällen zulässig
a) bei Sprungbeschwerden,
b) bei der Fürsorgerischen Freiheitsentziehung,
c) bei Erteilung und Entzug von Führerausweisen,
d) bei Immissionen,
e) bei der Kostenverteilung zwischen Personen des öffentlichen Rechts,
f) wenn es durch Bundesrecht vorgeschrieben ist.
Bemerkungen zu § 55 nVRPG (bisher § 56 VRPG)
1.
Im Grundsatz kann vor Verwaltungsgericht nur geltend gemacht werden, der Sachverhalt sei
unrichtig oder unvollständig festgestellt worden, sowie, es liege eine Rechtsverletzung vor;
die Rüge der Unangemessenheit ist in der Regel ausgeschlossen. Die einschränkende
Bestimmung in Abs. 2 bei Sachverhaltsfeststellungen durch eine richterliche Vorinstanz
orientiert sich an Art. 105 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (Bundesrechtspflegegesetz [OG]) vom 16. Dezember 1943 (in der Fassung vom
20. Juni 2006), da sich diese Bundesverfahrensnorm im Laufe der Jahrzehnte ihrer Gültigkeit
bewährt hat. Der Grundsatz des Ausschlusses der Ermessenskontrolle durch das Verwaltungsgericht wird in Abs. 4 der vorliegenden Bestimmung eingeschränkt; dies aus folgenden
Gründen: Die Differenzierung zwischen Rechts- und Ermessenskontrolle ist sehr schwierig,
die theoretischen Analysen dazu sind zahlreich und unergiebig, die praktischen Probleme
gross. Die Energie des Verwaltungsgerichts sollte auf die Sache und nicht auf formelle
Randprobleme konzentriert werden, es darf nicht sein, dass das Verwaltungsgericht mehr
(zeitlichen) Aufwand betreibt, um die Abgrenzung zwischen Rechts- und Ermessenskontrolle
zu begründen, als für den Entscheid für die vom Bürger gestellte Hauptfrage (mit Ermessenskontrolle) notwendig wäre. Entgegen der herrschenden Lehrmeinung, aber mit dem
bestehenden VRPG, wird deshalb an dieser Stelle die Meinung vertreten, dass das Verwaltungsgericht in einzelnen Sachgebieten durchaus zur Ermessensüberprüfung befugt sein
soll.
2.
Der Ausnahmekatalog in § 54 hiervor muss von Bundesrechts wegen auf Entscheide mit
politischem Charakter beschränkt werden (Art. 86 Abs. 3 BGG). Die Expertenkommission ist
der Auffassung, dass hier wiederum zwischen zwei Varianten differenziert werden soll:
Erstens soll es Sachgebiete geben, die politischer Natur sind und die deshalb von der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit aus politischen Gründen generell ausgenommen werden
sollen; diese Sachgebiete finden sich in § 54 Abs. 2. Zweitens gibt es die Sachgebiete
gemäss § 55 Abs. 3, die zwar ebenfalls politischer Natur sind (und damit auch unter § 54
Abs. 2 hätten subsumiert werden können), bei denen es sich aber rechtfertigt, eine
(eingeschränkte) verwaltungsgerichtliche Kontrolle vorzusehen, weil einerseits Private von
diesem Ausschlusskatalog eher betroffen sind als von jenem in § 54 Abs. 2 und weil die
Sachgebiete etwas weniger politisch sind als jene in § 54 Abs. 2 und aus innerkantonaler
Sicht damit
einer eingeschränkten Beurteilung des Sache durch das Verwaltungsgericht nichts im Wege
steht.
- 69 -
Dieser Differenzierung wird mit einer Einschränkung der Kognition des Verwaltungsgerichts
auf die Verletzung verfassungsmässiger Rechte Rechnung getragen; darüber hinaus ist das
Verwaltungsgericht (mit Einschränkungen) an den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt
gebunden. Es ist darauf hinzuweisen, dass, sollte das Bundesgericht die Sachgebiete nicht
als „überwiegend politisch“ im Sinn von Art. 86 Abs. 3 BGG anerkennen, der in § 55 Abs. 3
gewährte Rechtsschutz den Anforderungen an eine gerichtliche Vorinstanz nicht genügt, weil
es an der freien Überprüfung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht fehlt.
§ 56
§ 56 [Beschwerde gegen landeskirchliche Entscheide]
1
Gegen letztinstanzliche Entscheide landeskirchlicher Behörden kann wegen Verletzung
der Verfassung oder des Organisationsstatuts innert 30 Tagen seit Eröffnung beim Verwaltungsgericht Beschwerde geführt werden.
2
Zur Beschwerde ist befugt, wer ein schutzwürdiges eigenes Interesse geltend macht. Bei
Anordnungen, die nicht in persönliche Verhältnisse eingreifen, steht die Beschwerdebefugnis allen Konfessionsangehörigen, der Kirchenpflege und dem Kirchenrat zu.
Bemerkungen zu § 56 nVRPG (bisher § 59b VRPG)
1.
Einen Sonderfall verwaltungsgerichtlicher Zuständigkeit stellt die Bestimmung über die Anfechtung letztinstanzlicher landeskirchlicher Entscheide dar. Aus den Materialien zur Verfassungsgebung folgt, dass mit § 114 KV bzw. (später) § 59b VRPG nicht beabsichtigt war,
weltliche Gerichtsbarkeit in innerkirchlichen Angelegenheiten zu schaffen; gemeint war,
"vermehrt Rechtsschutz in den äusseren Belangen der Landeskirchen, also in Fragen der
Organbestellung, der Mitgliedschaft, der Finanzordnung, des Stimm- und Wahlrechtes" zu
garantieren (Prot. VR, S. 435, Votum Huber). § 114 KV bzw. § 59b VRPG soll die Landeskirchen verpflichten, "einen eigenen Rechtsschutz aufzurichten". Zu schützen sind die Kirchgenossen. Auch die Kirchgemeinden sind einzubeziehen, so dass sich Kirchgemeinden zum
Beispiel gegenüber Entscheiden der Landeskirchen bei den landeskirchlichen Rechtsschutzorganen zur Wehr setzen können. Der Verfassungsredaktor selbst war der Auffassung, dass
die Vorschrift in § 114 KV nicht innerkirchliche Vorgänge betrifft ("diese sind in keiner Weise
durch staatliches Recht mitbestimmt"), sondern Belange beschlägt, die irgendeinen Konnex
mit dem staatlichen Recht haben.
An dieser Ausgangslage ist festzuhalten. Dies gilt auch für vermögensrechtliche Ansprüche,
wie dies das Verwaltungsgericht in einem Grundsatzentscheid vom 11. März 2002 festgehalten hat; der Entscheid wurde vom Bundesgericht mit Urteil vom 29. November 2002
bestätigt.
2.
Die Beschwerde richtet sich gegen landeskirchliche Entscheide, gleichgültig, ob sie im landeskirchlichen Beschwerdeverfahren oder im landeskirchlichen Klageverfahren ergangen
sind.
- 70 -
3.
Beschwerdeinstanz ist heute der Regierungsrat, neu das Verwaltungsgericht. Für die bisherige Lösung spricht heute nicht mehr viel: Der Verfassungsgeber wollte durch eine staatliche
Rechtsmittelinstanz sicherstellen, dass ein ausserkirchlicher, staatlicher Rechtsschutz besteht und damit die Freiheit des Einzelnen in der Kirche schützen. Es geht jedoch nicht um
die Überprüfung von Ermessen, noch weniger sollen politische Ansichten bei der Streitentscheidung eine Rolle spielen. Hinzu kommt, dass die landeskirchlichen Rekurskommissionen
als unabhängige Rechtspflegeinstanzen vergleichbar mit der staatlichen Judikative ausgestaltet wurden, dem Regierungsrat diese Stellung aber nicht zukommt. Die Bestimmung
wurde deshalb entsprechend angepasst.
§ 57
§ 57 [Öffentlichkeit]
1
Die Verhandlungen vor Verwaltungsjustizbehörden sind öffentlich.
2
Das vorsitzende Mitglied kann die Öffentlichkeit aus wichtigen Gründen von den Verhandlungen ausschliessen.
3
Erfolgt die Urteilsverkündung nicht in der Verhandlung, steht das Urteil unter Vorbehalt von
Absatz 2 auf der Gerichtskanzlei zur Einsicht offen.
Bemerkungen zu § 57 nVRPG (bisher § 57 Abs. 3 VRPG, teilweise neu)
1.
Lediglich der Grundsatz der Publikumsöffentlichkeit (die Parteiöffentlichkeit wird in den
Bestimmungen zum rechtlichen Gehör geregelt) ist zur Verdeutlichung beizubehalten. Publikumsöffentlichkeit ist Teilgehalt von Art. 6 Ziff. 1 EMRK und wird auch in § 72 Abs. 1 KV vorgeschrieben. Die Publikumsöffentlichkeit bezieht sich jedoch nur auf Verhandlungen vor
Verwaltungsjustizbehörden; Verhandlungen vor Verwaltungsbehörden sind nicht öffentlich.
2.
Der Grundsatz der Öffentlichkeit umfasst auch die öffentliche Urteilsverkündung (Art. 6 Ziff. 1
EMRK; Villiger, EMRK, Rz 450). Urteile der Verwaltungsjustizbehörden werden aber nur in
den allerseltensten Fällen öffentlich verkündet; dies ist wegen der den Verhandlungen folgenden Beratungen und der Bearbeitung des Urteilsentwurfes gar nicht möglich. Die Ansetzung einer öffentlichen Urteilsverkündung nach zustellungsreifem Entscheid ist unpraktisch.
Eine Lösung dieses Problems kann in einer Hinterlegung des Urteilsdispositivs auf der
Gerichtskanzlei zu finden sein. Allerdings ist die Strassburger Rechtsprechung noch nicht
derart gefestigt, dass man definitiv davon ausgehen kann, die Hinterlegung genüge dem
Erfordernis an die Öffentlichkeit (vgl. Villiger, EMRK, Rz 451). Zurzeit gilt Folgendes: Wie
erwähnt, sind Urteile in Anwendung von Art. 6 Ziff. 1 Satz 2 EMRK öffentlich zu verkünden.
Der EGMR lässt es dabei genügen, wenn das Urteil öffentlich zugänglich gemacht wird, zum
Beispiel durch dessen Hinterlegung bei der Gerichtskanzlei (Frowein/Peukert, Europäische
Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. A. Kehl / Strassburg / Arlington 1996,
- 71 -
Art. 6 N 119). Offen bleibt die Frage, ob lediglich das Urteilsdispositiv hinterlegt werden muss
oder ob es zwingend der Urteilserwägungen bedarf. Der EGMR hat sich zu dieser Frage
bislang nicht geäussert. Nach Auffassung des Bundesgerichts genügt es, wenn Rubrum und
Dispositiv veröffentlicht bzw. öffentlich zugänglich gemacht werden (Geschäftsbericht 2002
des Bundesgerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts, S. 4). In der Lehre
wird Kritik geübt an der blossen Einsicht in Rubrum und Dispositiv (vgl. Paul Tschümperlin,
Öffentlichkeit der Entscheidungen und Publikationspraxis des Schweizerischen Bundesgerichts, in SJZ 99 (2003) S. 266 FN 7) bzw. postuliert, neben dem Dispositiv seien die
wichtigsten Erwägungen aufzulegen (Flühmann/Sutter, Kritische Betrachtung der bundesgerichtlichen Veröffentlichungspraxis oder "Wünschbares ist machbar", in AJP/PJA 9/2003
S. 1034). Letztere Ansicht verdient Unterstützung. Die in Art. 6 Ziff. 1 EMRK geforderte
Öffentlichkeit des Verfahrens sichert dessen Kontrolle und fördert das Vertrauen in die
Gerichtsbarkeit. Daneben ist sie eine Garantie für die Fairness des Verfahrens (Villiger,
EMRK, Rz 441). Mit der Auflage lediglich des Dispositivs wird den erwähnten Grundsätzen
keine Genüge getan. Es ist daher zu empfehlen, neben dem Dispositiv zumindest die wichtigsten Erwägungen aufzulegen. Angesichts der Ausgangslage, die heute noch als offen zu
bezeichnen ist, wird auf eine ausdrückliche Regelung im Gesetz verzichtet.
4.4.2.6 Beschwerde an das Versicherungsgericht
§ 58
§ 58 [Geltungsbereich und Verfahren]
1
Die Beschwerde an das Versicherungsgericht ist in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen
zulässig.
2
Das Verfahren, soweit es nicht bundesrechtlich geregelt ist, richtet sich nach den Art. 2754 und 56-61 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000, im Übrigen nach den Regeln über das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren. Sonderbestimmungen in anderen Erlassen bleiben
vorbehalten.
Bemerkungen zu § 58 nVRPG (neu)
1.
Die Zuständigkeit des Versicherungsgerichts als Beschwerdeinstanz ergibt sich schon heute
ausschliesslich aus Spezialbestimmungen des Bundesrechts oder kantonaler Normen
(Gesetze, Dekrete, Verordnungen).
2.
Das Beschwerdeverfahren vor Versicherungsgericht entspricht im Wesentlichen demjenigen
vor Verwaltungsgericht. Im Unterschied zum Verwaltungsgericht urteilt das Versicherungsgericht jedoch immer mit voller Kognition.
Aus dem ATSG ergeben sich weitere Besonderheiten für das versicherungsgerichtliche
Verfahren: So ist im Beschwerdeverfahren vor Versicherungsgericht zwingend eine Nachfrist
anzusetzen, wenn eine Beschwerdeschrift den Anforderungen an Form und Inhalt nicht
- 72 -
genügt (Art. 61 lit. b ATSG). Ausserdem ist das Versicherungsgericht von Bundesrechts
wegen nicht an die Parteibegehren gebunden (Art. 61 lit. d ATSG). Beide Besonderheiten
gelten an sich nur für Beschwerdeverfahren, die sich auf Bundesrecht stützen. Der vorliegenden Bestimmung liegt das Konzept zugrunde, dass die Regelungen im ATSG auf alle
sozialversicherungsrechtlichen Verfahren Anwendung finden sollen, also nicht nur auf die
bundesgesetzlich geregelten Sozialversicherungen (vgl. Art. 2 ATSG), sondern auch auf
sozialversicherungsrechtliche Regelungen, die auf autonomem kantonalem Recht beruhen
(z. B. Prämienverbilligung nach KVG; vgl. Art. 65 KVG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 lit. c
KVG) oder zwar bundesrechtliche Sozialversicherungen sind, aber nicht (oder nur teilweise)
dem ATSG unterstehen (BVG). Der Verweis auf die in § 58 genannten Bestimmungen des
ATSG bezweckt, dass in Sozialversicherungssachen durch alle Instanzen grundsätzlich dieselben Verfahrensregeln gelten (beispielsweise hinsichtlich der Fristberechnung sowie der
Geltung der Gerichtsferien) und liegt damit im Interesse der Bürger und Bürgerinnen. Die
Bestimmungen des ATSG erfassen (als kantonales Verfahrensrecht) deshalb auch das BVG;
soweit sich im ATSG für diese Verfahren keine Bestimmung finden lässt, gilt das VRPG, vorbehalten sind für beide Verweisungen (ATSG und VRPG) Sonderbestimmungen in anderen
kantonalen Erlassen (angesprochen ist insbesondere die den kantonalen sozialversicherungsrechtlichen Verfahren entzogene Kostenfreiheit bei Beschwerden gegen Kinderzulagenentscheide und Prämienverbilligungsentscheide, s. Fremdänderungen Ziff. 25 und 27).
4.4.3
Verwaltungsrechtliche Klagen
4.4.3.1 Klage an ein Spezialverwaltungsgericht
§ 59
§ 59 [Zuständigkeit]
1
Die Klage an ein Spezialverwaltungsgericht ist in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen
zulässig.
2
Sind in Sachgebieten Spezialverwaltungsgerichte für Beschwerdeentscheide eingesetzt,
erstreckt sich deren Zuständigkeit auch auf das Klageverfahren.
3
Das Verfahren richtet sich unter Vorbehalt besonderer Bestimmungen nach den Regeln für
das Klageverfahren vor Verwaltungsgericht.
Bemerkungen zu § 59 nVRPG (neu)
1.
Gestützt auf das Personalgesetz ist in Einzelfragen die Klage an das Personalrekursgericht
zulässig. Es rechtfertigt sich schon deshalb, diese Verfahrensvariante ins Gesetz aufzunehmen. Des Weiteren sind auch die Bestimmungen über das Enteignungsverfahren sowie das
Verfahren bei der Festsetzung von Erschliessungsabgaben klageverfahrensähnlich ausgestaltet, weshalb mit der Erwähnung der Klage an ein Spezialverwaltungsgericht kein blosser Einzelfall geregelt wird.
- 73 -
2.
Nach Erlass des Personalgesetzes hat sich gezeigt, dass dieses in verfahrensrechtlicher
Hinsicht Mängel aufweist; insbesondere ist nicht sichergestellt, dass alle dienstrechtlichen
Belange auch tatsächlich durch das Personalrekursgericht entschieden werden können (zum
Beispiel der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis; der Anspruch auf Entschädigung bei Entlassung eines Mitarbeiters, dessen Dienstverhältnis auf einer Verfügung beruht; vgl. auch
AGVE 2001, 517 ff.). Aber auch in anderen Sachgebieten stellen sich vergleichbare Fragen
(zum Beispiel der Anspruch auf Entschädigung für gefällte Bäume als nachträgliches Begehren im Sinn von § 155 BauG). Diese Frage soll hier eindeutig beantwortet werden: Wurde
eine Materie einem Spezialverwaltungsgericht zur Erledigung zugewiesen, sollten damit
thematisch eng zusammenhängende Fragen ebenfalls durch dieses Spezialverwaltungsgericht entschieden werden und nicht durch das Verwaltungsgericht im Klageverfahren. Mit
Absatz 2 wurde im Sinne eines Auffangtatbestands diesem Problem Rechnung getragen.
4.4.3.2 Klage an das Verwaltungsgericht
§ 60
§ 60 [Zuständigkeit]
Das Verwaltungsgericht urteilt als einzige Instanz über
a) Streitigkeiten aus verwaltungsrechtlichen Verträgen, soweit nicht ein Spezialverwaltungsgericht zuständig ist,
b) Streitigkeiten über Konzessionen sowie über wohlerworbene Rechte an öffentlichen
Sachen, sofern nicht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist,
c) vermögensrechtliche Streitigkeiten, an denen der Kanton, eine Gemeinde oder eine
öffentlichrechtliche Körperschaft oder Anstalt des kantonalen oder kommunalen Rechts
beteiligt ist, sofern nicht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben oder ein Ziviloder ein Spezialverwaltungsgericht zuständig ist,
d) öffentlichrechtliche Streitigkeiten in anderen Angelegenheiten, wenn in Rechtspositionen
von Privaten eingegriffen wird, ohne dass ein Entscheid ergeht oder Klage vor einer
anderen Instanz erhoben werden kann.
Bemerkungen zu § 60 nVRPG (bisher § 60 VRPG)
1.
In lit. a wird der Begriff der öffentlichrechtlichen Verträge ersetzt durch denjenigen der verwaltungsrechtlichen Verträge. Die Änderung ist kosmetischer Natur und trägt dem Umstand
Rechnung, dass in der Lehre der Begriff des verwaltungsrechtlichen Vertrags der vorherrschende ist. Inhaltlich wird damit keine Veränderung vorgenommen.
2.
Lit. b ist in der Praxis insbesondere wegen ihrer engen Formulierung weitgehend ohne
Bedeutung geblieben. Von daher könnte auch ernsthaft gefragt werden, ob sie nicht zu streichen wäre. Jedoch ist bei den Konzessionen die Praxis des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 EMRK zu berücksichtigen. Danach ist mit grosser Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass Konzessionen relativ umfassend in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen (Andreas Kley-Struller, Der Anspruch auf richterliche Beur-
- 74 -
teilung "zivilrechtlicher" Streitigkeiten im Bereich des Verwaltungsrechts sowie von Disziplinar- und Verwaltungsstrafen gemäss Art. 6 EMRK, in: Aktuelle Juristische Praxis [AJP]
1/1994, S. 38). Vor diesem Hintergrund drängt sich eine Neufassung von Abs. 2 im Sinne
einer umfassenden verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit im Bereich Konzessionen auf,
zumal die EMRK auch ohne Umsetzung im Landesrecht vor Verwaltungsgericht unmittelbar
angerufen werden kann (Yvo Hangartner, Recht auf Rechtsschutz, in: AJP 2/2002, S. 141).
Hingegen rechtfertigt es sich, die Tavernenrechte mangels Relevanz aus dem Gesetz zu
streichen.
3.
Lit. d hat ihre Ursache darin, dass nicht alle Streitigkeiten, die von den Rechtsschutzgarantien der EMRK, des Internationalen Pakts über die bürgerlichen und politischen Rechte
sowie Art. 29a BV erfasst werden, in Verfügungsform konkretisiert werden können. Damit ein
konventionskonformer Rechtsschutz sichergestellt werden kann, wird mit Erlass von Ziff. 4
ein Auffangtatbestand für jene Fälle geschaffen, in denen keine Verfügung ergeht, aber
trotzdem in Rechtspositionen (vorab in Grundrechte) von Privaten eingegriffen wird und kein
anderes Rechtsmittel zur Verfügung steht. Es ist unbestritten, dass die Abgrenzung schwierig sein kann; allerdings lässt sich die Zulässigkeit der Klage nicht präziser formulieren, wenn
man nicht von vornherein mögliche Klagegegenstände ausschliessen will. Die Abgrenzung
kann der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts überlassen werden; dieses kann auf
zukünftige Entwicklungen besser reagieren als der Gesetzgeber. Darüber hinaus wird sich
ein Kläger in jedem Fall überlegen müssen, ob er eine aussichtslose Klage führt, zumal
damit ja auch Kostenfolgen verbunden sind.
4.
Bei landeskirchlichen Streitigkeiten ist die Klage an das Verwaltungsgericht nicht zulässig, da
die Landeskirchen keine staatlichen öffentlichrechtlichen Körperschaften sind. Streitigkeiten
sind vor den innerkirchlichen Instanzen auszutragen, vorbehalten bleibt der Weiterzug letztinstanzlicher landeskirchlicher Entscheide an das Verwaltungsgericht gestützt auf § 56
nVRPG; dies gilt auch für Entscheide, die innerkirchlich im Klageverfahren ausgetragen
werden.
§ 61
§ 61 [Vorverfahren]
1
Vor Einreichung der Klage soll die klagende der beklagten Partei ihr Begehren schriftlich
mitteilen und sie um Stellungnahme innert angemessener Frist ersuchen.
2
Unterbleibt die Mitteilung oder die Stellungnahme, so kann darauf bei der Kostenauflage
Rücksicht genommen werden.
Bemerkungen zu § 61 nVRPG (bisher § 63 VRPG)
Das Vorverfahren nach § 63 VRPG sollte an sich die Bedeutung eines internen Sühneverfahrens haben und verhindern, dass eine Partei klagt, ohne dass die beklagte Partei überhaupt etwas von ihren geltend gemachten Ansprüchen weiss. Es kann indessen diese
Zwecksetzung nur unvollständig erfüllen, da es keinen vermittelnden Dritten gibt. Damit stellt
- 75 -
sich die Frage, ob das Vorverfahren de lege ferenda nicht dem friedensrichterlichen Sühneverfahren entsprechend ausgestaltet werden sollte, indem ein vollamtliches Mitglied des
Verwaltungsgerichts die Funktion des parteilosen Dritten übernähme, dann allerdings von
der Beurteilung des nachfolgenden Klageverfahrens ausgeschlossen wäre.
Diese Lösung wäre für das Verwaltungsgericht mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden, weshalb im Entwurf darauf verzichtet wird. Die Bestimmung bleibt unverändert. Das
rechtfertigt sich auch mit Blick auf die nachfolgende Bestimmung, die dem Instruktionsrichter
ermöglicht, die Parteien zu einer mündlichen Vermittlungsverhandlung vorzuladen.
Wenn in einem Verfahren schon ein Schlichtungsverfahren vorgesehen ist, das die Anforderungen von § 61 nVRPG erfüllt, gilt dieses (Bsp. § 37 des Personalgesetzes vom 16. Mai
2000).
§ 62
§ 62 [Vermittlung]
Das mit der Instruktion betraute Mitglied des Verwaltungsgerichts kann den Parteien einen
schriftlichen Vergleichsvorschlag zur Stellungnahme unterbreiten oder sie zu einer Vermittlungsverhandlung einladen.
Bemerkungen zu § 62 nVRPG (bisher § 65 VRPG)
1.
Der Gesetzgeber konnte sich seinerzeit nicht entscheiden, dem verwaltungsrechtlichen Klageverfahren ein formalisiertes Vermittlungs- bzw. Sühnverfahren voranzustellen (Botschaft I
1967, S. 50; Prot. GR 28.11.1967, Art. 1021, S. 1654) und die Durchführung dieses Verfahrens zur Sachurteilsvoraussetzung zu erheben. Stellvertretend wurden zwei Bestimmungen
geschaffen, welche die Wirkungen des fehlenden Vermittlungsverfahrens abschwächen
sollen (§ 63 VRPG [Vorverfahren] und § 65 VRPG [Vermittlung]).
2.
Dienstrechtliche Streitigkeiten wurden mit dem neuen Personalgesetz der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit entzogen. Im Personalgesetz ist das Sühnverfahren ausdrücklich
vorgeschrieben. Bezüglich der verbleibenden Streitigkeiten kann unter Berücksichtigung der
möglicherweise beteiligten Parteien davon ausgegangen werden, dass das Vorverfahren
ausreicht, um eine allfällige Vergleichsbereitschaft zu ermitteln und kein formalisiertes Vermittlungsverfahren vorgeschaltet werden muss.
Es wird deshalb am Wortlaut von § 65 VRPG - bis auf den überflüssigen Begriff "mündlich" festgehalten. Die Möglichkeit, einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten oder zu einer Vermittlungsverhandlung zu laden, besteht kumulativ; die Verwendung des Wortes "oder" ist
nicht qualifiziert gemeint.
- 76 -
§ 63
§ 63 [Verweisung auf die Zivilprozessordnung]
Im Übrigen kommen die Bestimmungen der Zivilprozessordnung sinngemäss zur
Anwendung.
Bemerkungen zu § 63 nVRPG (bisher § 66 und 57 VRPG)
In § 66 VPRG war bis anhin geregelt, für Verfahrensleitung und Instruktion käme § 57 VRPG
zur Anwendung. Die Verweisung auf die Regelung im VRPG und nicht in der ZPO dürfte ihre
Ursache darin gehabt haben, dass in der zivilprozessualen Ordnung nicht notwendigerweise
der Präsident als Instruktionsrichter amten muss, sondern ein anderer Richter diese Aufgabe
wahrnehmen kann (vgl. [heute] § 14 Abs. 2 ZPO bezüglich des Obergerichts). In der Verwaltungsrechtspflege wollte der Gesetzgeber allerdings sicherstellen, dass ein vollamtliches
Mitglied des Verwaltungsgerichts diese Aufgabe wahrnimmt, damit sich die Verwaltungsgerichtsbarkeit deutlich von der verwaltungsinternen Rechtspflege abhebt, wo die Prozessleitung durch Sachbearbeitende erlaubt ist (vgl. § 50 Abs. 1 VRPG e contrario). Soweit dieser
Entscheid des Gesetzgebers nicht tangiert wird, ist die Anwendung zivilprozessualer Regeln
auch bezüglich Verfahrensleitung und Instruktion VRPG-konform. Die Beschränkung von
Verfahrensleitung und Instruktion auf vollamtliche Richter ist im vorliegenden Entwurf aufgegeben worden; damit entfällt auch die Notwendigkeit der Verweisung auf § 57 VRPG.
4.4.3.3 Klage an das Versicherungsgericht
§ 64
§ 64 [Verfahren]
1
Die Klage an das Versicherungsgericht ist in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen
zulässig.
2
Das Versicherungsgericht kann der klagenden Partei mehr zusprechen, als sie verlangt
hat.
3
Im Übrigen richtet sich das Verfahren unter Vorbehalt besonderer Bestimmungen nach der
Zivilprozessordnung.
Bemerkungen zu § 64 (neu)
1.
Die Zuständigkeit des Versicherungsgerichts ergibt sich schon heute ausschliesslich aus
Spezialbestimmungen des Bundesrechts oder kantonaler Normen (Gesetze, Dekrete, Verordnungen).
2.
Das Klageverfahren vor Versicherungsgericht folgt grundsätzlich den Bestimmungen der
Zivilprozessordnung. Besonderheiten im versicherungsgerichtlichen Klageverfahren ergeben
sich aus dem BVG und dem ATSG: Im Unterschied zu den übrigen Justizbehörden ist das
Versicherungsgericht nicht an die Klagebegehren gebunden (Art. 73 BVG sinngemäss und
- 77 -
Art. 61 lit. d ATSG). Dies gilt an sich nur für Klagen, die sich auf Bundesrecht stützen, doch
sollen auch Klagen aus kantonalem Recht gleich behandelt werden.
4.4.4
Wiederaufnahme
§ 65
§ 65 [Voraussetzungen]
1
Ein rechtskräftig erledigtes Verfahren ist auf Begehren einer Partei durch die letzte Instanz,
die entschieden hat, wieder aufzunehmen, wenn nachgewiesen wird, dass
a) erhebliche Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, die zur Zeit des Entscheids wohl
bestanden, den Behörden aber nicht bekannt waren,
b) die Vorschriften über die rechtmässige Zusammensetzung der entscheidenden Behörde
verletzt oder erhebliche Tatsachen, die sich aus den Akten ergaben, versehentlich nicht
berücksichtigt worden sind,
c) der Entscheid durch Arglist oder strafbare Handlung beeinflusst wurde.
2
Die Wiederaufnahme kann auch verlangen, wer zu Unrecht nicht in ein Verfahren einbezogen wurde oder wem ein Entscheid zu Unrecht nicht eröffnet worden ist.
3
Eine Wiederaufnahme ist ausgeschlossen, wenn die Wiederaufnahmegründe im Verfahren, das dem Entscheid vorausging, oder mit einem Rechtsmittel gegen den Entscheid
hätten geltend gemacht werden können.
Bemerkungen zu § 65 nVRPG (bisher § 27 VRPG)
1.
Die Wiederaufnahme als ausserordentliches Rechtsmittel wird neu nach den ordentlichen
Rechtsmitteln aufgeführt.
2.
Lit. a von Abs. 1 wird in der Weise präzisiert, dass Tatsachen oder Beweismittel, die erst
nach dem fraglichen Entscheid eingetreten sind, keinen Wiederaufnahmegrund bilden. Lit. b
wird eingeschränkt. Die allgemeine Formulierung der Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift wird konzentriert auf die Verletzung der Vorschriften über die rechtmässige
Zusammensetzung der entscheidenden Behörde. Verfahrensfehler können und sollen in der
Regel ohne weiteres im Beschwerdeverfahren selber geltend gemacht werden. Eine falsche
Zusammensetzung der entscheidenden Behörde soll aber weiterhin Wiederaufnahmegrund
bilden. Nicht selten werden nämlich Ablehnungs- oder Ausstandsvorschriften erst nach
Rechtskraft eines Entscheids entdeckt, während übrige Verfahrensfehler in aller Regel rasch
ersichtlich sind. Lit. c schliesslich wird unverändert beibehalten: Bei der strafbaren Handlung
ist im Grundsatz das Strafurteil abzuwarten, dieses ist aber nicht zwingende Voraussetzung
für lit. c als Wiederaufnahmegrund, da der Täter allenfalls unbekannt sein kann. Das Vorliegen einer strafbaren Handlung an sich genügt daher.
3.
Ein neuer Absatz 2 übernimmt weitgehend den im bisherigen § 40 Abs. 2 VRPG geregelten
Fall des bei der Entscheideröffnung (oder bereits vorher) vergessenen Dritten. Bis anhin gilt,
- 78 -
dass für den vergessenen Dritten die Beschwerdefrist erst zu laufen beginnt, wenn er vom
Entscheid Kenntnis erhält. Dies hatte zur Folge, dass zum Beispiel Baubewilligungsentscheide während Jahrzehnten versteckt nicht rechtskräftig wurden, weil man einen Nachbarn
zu Unrecht nicht in das Verfahren miteinbezogen hatte. Die Bestimmung wollte ursprünglich
den formell überhaupt nie in das Verfahren einbezogenen Dritten schützen; die
Rechtsprechung änderte dies und beschränkte § 40 Abs. 2 auf Fälle vergessener Parteien,
um die
Situation aus Gründen der Rechtssicherheit zu entschärfen. Wie zu verfahren ist, wenn ein
solcher Mangel entdeckt wurde, war aber nicht klar. Neu wird das Problem über die
Wiederaufnahme gelöst, indem auch ein früher nicht am wiederaufzunehmenden Verfahren
beteiligter Dritter zum Wiederaufnahmebegehren berechtigt ist, sofern er geltend macht, man
habe ihn (zu Unrecht) vergessen. Stimmt das denn auch, stehen mit den §§ 65 ff. auch die
notwendigen Instrumente für die Interessenabwägung zur Verfügung.
4.
Ein neuer Abs. 3 hält präzisierend das fest, was bereits nach bisheriger Lehre und Rechtsprechung Geltung hat: Sofern die angerufenen Wiederaufnahmegründe bereits vorher im
Verfahren um Erlass der erstinstanzlichen Verfügung oder anschliessend mit einem Rechtsmittel hätten geltend gemacht werden können, ist die Wiederaufnahme ausgeschlossen.
§ 66
§ 66 [Fristen]
1
Das Wiederaufnahmebegehren ist innert 3 Monaten, seit die gesuchstellende Person vom
Wiederaufnahmegrund Kenntnis erhalten hat, bei der letzten Instanz, die entschieden hat,
schriftlich mit Antrag und Begründung einzureichen.
2
Nach Ablauf von 10 Jahren nach Eröffnung des Entscheids ist eine Wiederaufnahme nur
aus den in § 65 Abs. 1 lit. c genannten Gründen zulässig.
Bemerkungen zu § 66 nVRPG (bisher § 28 VRPG)
In Abs. 1 wird zur Klarheit explizit erwähnt, dass das Wiederaufnahmebegehren bei der
letzten Instanz mit Antrag und Begründung einzureichen ist. Ein neuer Absatz 2 führt die
absolute Verjährungsfrist ein, wie sie neuere Prozessgesetze wie etwa jenes des Kantons
Bern kennen.
§ 67
§ 67 [Aufschiebende Wirkung]
Das Wiederaufnahmebegehren hat keine aufschiebende Wirkung, es sei denn, diese werde
durch die Behörde eigens angeordnet.
Bemerkungen zu § 67 nVRPG (bisher § 29 Abs. 1 VRPG)
Es drängen sich keine Änderungen von § 29 Abs. 1 VRPG auf. Der bestehende Absatz 2
wurde in eine eigene Bestimmung überführt wegen des fehlenden Konnexes (s. § 68 nachfolgend).
- 79 -
§ 68
§ 68 [Entscheid]
1
Heisst die Behörde das Wiederaufnahmebegehren gut, so kann sie die Sache zurückweisen oder selber entscheiden.
2
Gegen den Wiederaufnahme- und gegen den Sachentscheid steht der ordentliche
Rechtsmittelweg offen.
Bemerkungen zu § 68 nVRPG (bisher § 29 Abs. 2 VRPG)
Die Beurteilung eines Wiederaufnahmeverfahrens erfolgt in drei Schritten:
Zuerst ist, wie in allen übrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren, darüber zu befinden, ob
die Verfahrensvoraussetzungen erfüllt sind. Darunter fällt die Prüfung der Zuständigkeit und
der Zulässigkeit des Begehrens (Beschwerdebefugnis, Antrag und Begründung, Fristwahrung), welche insbesondere auch diejenige der Subsidiarität umfasst - d.h. die Unmöglichkeit, die im Wiederaufnahmegesuch vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel in dem der
rechtskräftigen Anordnung vorangegangenen Verfahren oder mit dem damals gegebenen
ordentlichen Rechtsmittel geltend zu machen. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist auf das
Gesuch nicht einzutreten (AGVE 2001, S. 390; Alfred Kölz / Jürg Bosshart / Martin Röhl,
Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich
1999, § 86d N 1 f.; Merkli / Aeschlimann / Herzog, a.a.O., Art. 98 N 1; zur Subsidiarität:
Rudolf Weber, Grundsätzliches zur Wiederaufnahme nach § 27 VRPG, in: Festschrift für Dr.
Kurt Eichenberger, alt Oberrichter, Beinwil am See, Aarau 1990, S. 348 ff.).
Im Rahmen eines zweiten Schrittes ist darüber zu befinden, ob das Revisionsgesuch
begründet ist (Beerli-Bonorand, S. 162). Geht es um die Anwendung von § 27 lit. a und b
VRPG bzw. § 65 lit. a und b nVRPG, hat sich das Gericht insbesondere von der Erheblichkeit der geltend gemachten, nicht berücksichtigten Tatsachen oder von der Wesentlichkeit
der behaupteten verletzten Verfahrensvorschrift zu überzeugen. Diese Prüfung der Erheblichkeit umfasst die Prognose, ob der gerügte Wiederaufnahmetatbestand zu einer für den
Gesuchsteller günstigeren Beurteilung führen kann. Die Tatsache muss geeignet sein, den
von der rechtsanwendenden Behörde zu Grunde gelegten Sachverhalt zu verändern und so
zu einer anderen Entscheidung in der Sache zu führen (AGVE 1987, S. 330). Erweisen sich
die vorgebrachten Revisionsgründe als nicht rechtserheblich, so ist das Wiederaufnahmebegehren abzuweisen (Beerli-Bonorand, a.a.O., S. 163; Kölz/Bosshart/Röhl, a.a.O., § 86d N
3; Merkli/Aeschlimann/Herzog, a.a.O., Art. 99 N 1; vgl. auch Alfred Bühler / Andreas
Edelmann / Albert Killer, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, 2. Auflage,
Aarau 1998, § 350 N 2, Entscheid des Verwaltungsgerichts [VGE] vom 20. Februar 2001, S.
7 ff.). Wird demgegenüber die Erheblichkeit der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe
bejaht, ist der Entscheid oder sind Teile davon aufzuheben und zu entscheiden, welche
Instanz neu in der Sache befindet. Die Behörde kann die Sache an eine vorinstanzlich
zuständige Behörde zurückweisen oder selbst entscheiden, wenn sie das Wiederaufnahmebegehren gutheisst. Die Aufhebung beendet das Wiederaufnahmeverfahren im engeren
Sinn.
- 80 -
In einem dritten Verfahrenabschnitt ist eine materielle Neubeurteilung des nunmehr wieder
hängigen früheren Verfahrens vorzunehmen.
Angesichts dieser verfahrensrechtlichen Systematik ist die bisherige Formulierung in Abs. 2
("tritt die Behörde auf das Wiederaufnahmebegehren ein") angepasst worden, da die materielle Neubeurteilung richtigerweise die Gutheissung des Begehrens zur Voraussetzung hat.
§ 69
§ 69 [Schutz der Rechte von Dritten]
1
Sind Dritte von der Neubeurteilung betroffen, sind ihre Interessen an der Aufrechterhaltung
des Entscheids gegen die Interessen der Gesuchstellenden an einer korrekten Neubeurteilung gegeneinander abzuwägen. Es ist unter Berücksichtigung aller Umstände ein Ausgleich der Interessen anzustreben.
2
Erleidet eine Person, die im Vertrauen auf den aufgehobenen Entscheid gutgläubig Aufwendungen gemacht oder Vorkehrungen getroffen hat, Schaden, so hat sie Anspruch auf
Entschädigung. Diese richtet sich bei Wiederaufnahme gemäss § 65 lit. a gegen diejenigen,
in deren Interesse die Wiederaufnahme erfolgt, bei Wiederaufnahme gemäss § 65 lit. b
gegen die Gemeinwesen, deren Behörde irrtümlich handelte, und bei Wiederaufnahme
gemäss § 65 lit. c gegen die Schuldigen.
3
Der Anspruch gemäss Absatz 2 ist im verwaltungsrechtlichen Klageverfahren geltend zu
machen.
Bemerkungen zu § 69 nVRPG (bisher § 30 VRPG)
Die Bestimmung wurde praktisch unverändert übernommen.
4.5
Überprüfung von Erlassen durch das Verwaltungsgericht
§ 70
§ 70 [Grundsatz]
1
Vorschriften verwaltungsrechtlicher Natur in kantonalen Gesetzen, Dekreten und Verordnungen sowie Erlassen der Gemeinden, öffentlichrechtlicher Körperschaften und Anstalten
können dem Verwaltungsgericht jederzeit zur Prüfung auf ihre Übereinstimmung mit übergeordnetem Recht unterbreitet werden.
2
Ausgenommen sind die im Nutzungsplanungsverfahren erlassenen, der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegenden Pläne und Vorschriften.
Bemerkungen zu § 70 nVRPG (bisher § 68 VRPG)
1.
Die Einführung der prinzipalen Normenkontrolle (Prüfung eines Erlasses auf seine Rechtmässigkeit, ohne dass ein konkreter Rechtsanwendungsakt ergangen ist) war eine aussergewöhnliche gesetzgeberische Entscheidung. Der Kanton Aargau ist damit nach wie vor
führend, und rechtspolitisch hat es sich als gute Lösung erwiesen.
- 81 -
Die prinzipale Normenkontrolle wurde im geltenden VRPG auf Erlasse untergesetzlicher
Stufe beschränkt mit der Begründung, ein eigentliches Verfassungsgericht könne sich der
Kanton Aargau nicht leisten. Hinter den finanziellen Bedenken stand allerdings als Hauptgrund die Überlegung, das Verwaltungsgericht - mit welchem man noch überhaupt keine
Erfahrungen hatte - sollte nicht über den Gesetzgeber gestellt werden. Mit Blick auf § 62
Kantonsverfassung, wonach Gesetze dem obligatorischen Referendum unterliegen, war
diese Begründung zutreffend. Am 2. Juli 2002 wurde über eine Änderung der Kantonsverfassung abgestimmt und das fakultative Gesetzesreferendum eingeführt. Mit Blick auf diese
Anpassung der Kantonsverfassung und unter Berücksichtigung der hohen Qualität der bisherigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung erscheint es richtig, nun auch formelle Gesetze der prinzipalen Normenkontrolle zu unterstellen. Die Kantonsverfassung hat diesen
Schritt für die inzidente Normenkontrolle (Normenkontrolle anlässlich der Überprüfung eines
konkreten Rechtsanwendungsakts) schon lange vollzogen, indem § 95 Abs. 2 KV auch die
Gesetze der inzidenten Normenkontrolle unterwirft. Mit der vorgeschlagenen Formulierung
wird die wünschbare identische Regelung für beide Arten von Normenkontrollen erreicht.
2.
Die im prinzipalen Normenkontrollverfahren anfechtbaren Normen (Gesetze, Dekrete, Verordnungen) sind gestützt auf den bisherigen Wortlaut in § 68 VRPG auf ihre Verfassungsund Gesetzmässigkeit hin zu überprüfen. Reglemente mit Aussenwirkungen, d.h. Wirkungen,
welche eine Person in gleicher Weise treffen wie die Wirkung von Rechtsnormen, gehören
materiell zu den Verordnungen und sind somit überprüfbar, darunter fallen dann auch „Verordnungen“ bzw. Reglemente der Justiz im Bereich der Justizverwaltung.
Als Prüfungsmassstab sind aber entgegen dem zu engen Wortlaut von § 68 VRPG alle der
angefochtenen Norm funktionell übergeordneten Normen beizuziehen. Eine Norm im prinzipalen Prüfstand ist an der Gesamtheit höherrangigen Rechts zu prüfen. Um dies auch im
Gesetzestext zum Ausdruck zu bringen, wurde der entsprechende Teilsatz durch die Formulierung "Prüfung auf ihre Übereinstimmung mit übergeordnetem Recht" ersetzt.
§ 71
§ 71 [Antragsbefugnis]
Zum Antrag ist befugt, wer durch die Anwendung dieser Vorschriften in absehbarer Zeit in
seinen schutzwürdigen eigenen Interessen verletzt werden könnte.
Bemerkungen zu § 71 nVRPG (bisher § 69 VRPG)
1.
Gestützt auf die bisherige Formulierung muss der Antragstellende in seinen schutzwürdigen
Interessen berührt sein. Unbestritten ist, dass es sich dabei um eigene Interessen handeln
muss (AGVE 1968, 107). Die entsprechende Korrektur wurde in der vorliegenden Bestimmung angebracht.
2.
- 82 -
Für die in schutzwürdigen eigenen Interessen betroffenen öffentlichrechtlichen Körperschaften wird der Antrag durch deren oberste Verwaltungsbehörde gestellt. Die Antragsbefugnis
der obersten Verwaltungsbehörden des Kantons, der Gemeinden und der öffentlichrechtlichen Körperschaften und Anstalten wurde in § 69 Abs. 2 VPRG eigens erwähnt, aber ohne
Nennung der Voraussetzung eines schützwürdigen eigenen Interessens. Das Verwaltungsgericht verlangt allerdings in konstanter Praxis, dass die obersten Verwaltungsbehörden
ebenfalls über schutzwürdige eigene Interessen verfügen bzw. solche als Organe der jeweiligen Körperschaft vertreten (AGVE 1990, 122 f.; 1985, 350 f.; 1970, 252, 261). Die Regelung in § 69 Abs. 2 VRPG kann bei dieser Auslegung ohne Schaden gestrichen werden.
Erwähnt sei, dass der Norm nur eine sehr geringe Bedeutung zugekommen ist; dies liegt in
der Hauptsache daran, dass die Bestimmung verfahrensrechtlich mehr erlaubte, als politisch
tragbar war, nämlich das gerichtliche Vorgehen der Exekutive (Regierungsrat, Gemeinderat)
gegen ihre eigene Legislative (Grosser Rat, Einwohnergemeindeversammlung).
Die Streichung harmoniert im Übrigen trotzdem mit Art. 89 Abs. 2 BGG, wo weitere zur Beschwerde berechtigte Behörden genannt werden, da entweder (ebenfalls) schutzwürdige
Interessen verlangt sind (Art. 89 Abs. 2 lit. b BGG) oder dann eine spezialgesetzliche Regelung auf Bundesebene vorausgesetzt wird (Art. 89 Abs. 2 lit. a, c und d BGG).
§ 72
§ 72 [Gegenpartei]
Gegenpartei im Normenkontrollentscheid ist diejenige öffentlichrechtliche Körperschaft oder
Anstalt, welche die Norm erlassen hat.
Bemerkungen zu § 72 nVRPG (bisher § 70 VRPG)
1.
In § 70 VRPG war es dem Verwaltungsgericht freigestellt, eine Vernehmlassung einzuholen.
Die Bestimmung lässt den Rückschluss zu, dass das Gemeinwesen, dessen Norm angefochten ist, nicht als Antragsgegner mit Parteistellung betrachtet wird. Im Grundsatz ist aber
auch das Normenkontrollverfahren ein echtes Parteienstreitverfahren und Antragsgegner
dasjenige Gemeinwesen, welches die angefochtene Norm erlassen hat. Diese Konzeption
schliesst Freiwilligkeit bei der Anordnung der Antragsantwort (nicht etwa Vernehmlassung)
wegen des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus. Wird die Norm gestrichen, gelten die allgemeinen Verfahrensbestimmungen auch für das Normenkontrollverfahren.
2.
In § 70 Abs. 2 VRPG wird im Übrigen sinngemäss auf die Vorschriften dieses Gesetzes verwiesen. Dieser Verweis steht neu in § 75 nVRPG.
§ 73
§ 73 [Entscheid]
1
Das Verwaltungsgericht hebt die angefochtenen Bestimmungen, die übergeordnetem
Recht widersprechen, auf.
- 83 -
2
Führt die Aufhebung der rechtswidrigen Norm zu einer unbefriedigenden Rechtslage, kann
das Verwaltungsgericht eine befristete Übergangsregelung erlassen.
3
Der Aufhebungsbeschluss ist entsprechend den Regeln, wie sie für die aufgehobene
Bestimmung gelten, zu veröffentlichen.
4
Die Kostenverlegung richtet sich nach den Regeln über das Beschwerdeverfahren.
Bemerkungen zu § 73 nVRPG (bisher § 71 VRPG)
An der Bestimmung, wonach das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bestimmungen nur
aufheben, nicht abändern kann, wurde festgehalten. Die Regelung ist aus Gründen der
Gewaltenteilung folgerichtig. Sie führt aber zu sehr störenden Ergebnissen, wenn die Norm
mit wenigen Handgriffen der Rechtmässigkeit zugeführt werden könnte. Das Problem lässt
sich durch eine Übergangsregelung entschärfen, indem das Verwaltungsgericht berechtigt
wird, die angefochtene und aufgehobene Norm im Sinne des Gesetzes verfassungs- und
gesetzeskonform umzuformulieren und die so gefundene Bestimmung als Übergangsregelung während einer kurzen Übergangsfrist gelten zu lassen. Die zeitlich befristete Übergangsregelung ist zusammen mit dem Aufhebungsbeschluss zu veröffentlichen.
§ 74
§ 74 [Wirkung]
1
Das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Überprüfung von Erlassen aus wichtigen
Gründen aufschiebende Wirkung erteilen. Dieser Entscheid ist zu veröffentlichen. Mit dem
Datum der Veröffentlichung kann in keinem hängigen Verfahren, das die Anwendung der
angefochtenen Bestimmung betrifft, die Rechtskraft eintreten; allfällige Beschwerdefristen
stehen bis zum publizierten Normenkontrollentscheid still.
2
Der Aufhebungsbeschluss des Verwaltungsgerichts wird mit der Veröffentlichung allgemein verbindlich.
3
Die in diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftigen Entscheide, die sich auf die aufgehobenen Bestimmungen stützen, sind hinfällig.
Bemerkungen zu § 74 nVRPG (bisher § 72 VRPG)
1.
Gestützt auf den bisherigen § 72 VRPG war der Entscheid über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in das (Entschliessungs-)Ermessen des Präsidenten bzw. der Präsidentin
des Verwaltungsgerichts gestellt. Diese Lösung hat zwei Nachteile: Zum einen hat die aufschiebende Wirkung im Normenkontrollverfahren weitreichende Konsequenzen und sollte
nicht von einer einzelnen Person sondern vom sachlich zuständigen Spruchkörper angeordnet werden; zum andern ist der Präsident des Verwaltungsgerichts nicht notwendigerweise
auch der Präsident der Kammer, die den Normenkontrollentscheid fällt; damit werden verfahrensleitende Kompetenzen und die Kompetenz zum Sachentscheid geteilt, was verfahrensökonomisch wie auch in fachlicher Hinsicht keinerlei Sinn macht. Es wird deshalb vorgeschlagen, dass der Entscheid über die aufschiebende Wirkung vom zum Entscheid in der
Hauptsache zuständigen Spruchkörper gefällt wird.
- 84 -
2.
Bei der Erteilung der aufschiebenden Wirkung ist Zurückhaltung zu üben: In Anlehnung an
die Regelung in § 47 Abs. 6 des deutschen VwGO ist sie nur anzuordnen, wenn dies zur
Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Dieser Notwendigkeit wurde mit der teilweisen Anpassung in Abs. 1 Rechnung getragen.
Da im Normenkontrollverfahren losgelöst vom konkreten Rechtsanwendungsakt die Rechtmässigkeit einer Norm überprüft wird, kann sich die Frage stellen, ob subjektive Interessen
des Antragstellenden überhaupt zu berücksichtigen sind oder nur solche der Allgemeinheit.
Um sich für die Zukunft nicht unnötig einzuschränken, wird diese Frage durch die vorliegende Formulierung offen gelassen.
3.
Werden die angefochtenen Bestimmungen aufgehoben, sind die in diesem Zeitpunkt noch
nicht rechtskräftigen Entscheide hinfällig. § 72 Abs. 3 VRPG sagt hingegen nichts darüber,
was mit den nicht rechtskräftigen Verfügungen und Entscheiden passiert, wenn der Normenkontrollantrag abgewiesen wird. Eine rechtsgleiche Regelung wird erreicht, wenn man davon
ausgeht, dass während der aufschiebenden Wirkung die Beschwerdefristen stillstehen. Dieser Grundsatz wurde neu in Absatz 1 der Bestimmung verankert.
4.
Der Entscheid bezüglich Erteilung der aufschiebenden Wirkung ist zu publizieren. Gleiches
gilt dann für den Normenkontrollentscheid.
§ 75
§ 75 [Verfahren]
Im Übrigen gelten für das Verfahren die Bestimmungen dieses Gesetzes sinngemäss.
Bemerkungen zu § 75 nVRPG (bisher § 70 Abs. 2 VRPG)
Es sind sowohl die allgemeinen Bestimmungen des nVRPG als auch die Regeln über das
verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren anwendbar.
4.6
Vollstreckung
§ 76
§ 76 [Vollstreckbarkeit]
1
Entscheide sind vollstreckbar, sobald sie nicht mehr mit einem ordentlichen Rechtsmittel
weitergezogen werden können oder diesem keine aufschiebende Wirkung zukommt.
2
Entscheide landeskirchlicher Organe sind vollstreckbaren Entscheiden gleichgestellt.
- 85 -
Bemerkungen zu § 76 nVRPG (bisher § 73 VRPG, Abs. 2 neu)
1.
Ein Entscheid ist erst dann vollstreckbar, wenn er erstens durch kein ordentliches Rechtsmittel mehr angefochten werden kann oder zweitens, wenn er zwar noch angefochten werden kann, dem Rechtsmittel aber von vornherein keine aufschiebende Wirkung zukommt
oder aber dem Rechtsmittel die aufschiebende Wirkung entzogen worden ist (vgl. statt vieler:
Pierre Tschannen/Ulrich Zimmerli/Regina Kiener, Allgemeines Verwaltungsrecht, Bern 2000,
S. 217).
Bis auf redaktionelle Korrekturen wird die Bestimmung unverändert aus dem bestehenden
VRPG übernommen; Änderungen drängen sich nicht auf.
2.
Neu werden landeskirchliche Entscheide vollstreckbaren staatlichen Entscheiden gleichgestellt (Abs. 2). Dies erweist sich als notwendig, da Voraussetzung für eine Zwangsvollstreckung die Vollstreckungsgrundlage ist und das nVRPG nur für die Verwaltungs- und
Verwaltungsjustizbehörden gilt (die Landeskirchen sind zwar öffentlichrechtliche Körperschaften, fallen aber nicht unter den Begriff der Verwaltungs- und Verwaltungsjustizbehörden
des kantonalen oder kommunalen Rechts, weil ihnen in der Verfassung ausdrücklich Selbständigkeit zugestanden wird § 110 KV).
§ 77
§ 77 [Zuständigkeiten]
1
Die entscheidende Behörde vollstreckt ihre Anordnungen selbst, sofern es nicht um eine
Geld- oder Sicherheitsleistung geht. Sie kann die Vollstreckung einer anderen Behörde
übertragen.
2
Beschwerdeentscheide werden von der ersten Instanz vollstreckt, soweit die Beschwerdeinstanz nichts anderes bestimmt.
3
Bei Entscheiden landeskirchlicher Organe sorgt der Regierungsrat für die Vollstreckung.
Bemerkungen zu § 77 nVRPG (bisher § 74 VRPG, Abs. 3 neu)
1.
Die Absätze 1 und 2 erfahren nur redaktionelle Änderungen. Sie entsprechen im Übrigen
einer weit verbreiteten Usanz in verschiedenen Kantonen (beispielsweise Bern und Zürich).
2.
Absatz 3 wurde neu ins Gesetz eingefügt, um in Verbindung mit § 76 nVRPG auch mit
Bezug auf die Zuständigkeit die korrekte Vollstreckung landeskirchlicher Entscheide sicherzustellen.
- 86 -
§§ 78 und 79
§ 78 [Geld- und Sicherheitsleistungen]
Auf Geldzahlung oder Sicherheitsleistung lautende Entscheide werden nach den Vorschriften des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) vom 11. April 1889
vollstreckt. Sie stehen einschliesslich derjenigen der landeskirchlichen Organe im Sinne von
Art. 80 Abs. 2 des Bundesgesetzes vollstreckbaren gerichtlichen Urteilen gleich.
§ 79 [Vollstreckung von Klageentscheiden]
Entscheide im verwaltungsrechtlichen Klageverfahren werden nach den Vorschriften der
Zivilprozessordnung vollstreckt.
Bemerkungen zu den §§ 78 und 79 nVRPG (bisher §§ 75 und 78 VRPG)
Das Verwaltungsvollstreckungsrecht unterscheidet zwischen zwei Arten der Vollstreckung:
die Vollstreckung von Geldleistungspflichten und die Vollstreckung wegen anderer Pflichten
(Handlungs-, Duldungs- und Unterlassungspflichten). Geldleistungen werden nach den
Regeln des SchKG realisiert, die Erfüllung der anderen Pflichten ist über das VRPG sicherzustellen.
§ 78 nVRPG wurde wie bis anhin in § 75 VRPG geregelt. Die Bestimmung bleibt deshalb bis
auf die Nennung der landeskirchlichen Organe unverändert. Der bisherige § 78 VRPG wird
als § 79 nVRPG (praktisch unverändert) angefügt, wobei die Marginale jedoch anschaulicher
formuliert wurde.
§ 80
§ 80 [Zwangsmittel]
1
Zwangsmittel zur Vollstreckung von Entscheiden sind die Ersatzvornahme und der unmittelbare Zwang.
2
Die Behörde hat sich bei der Vollstreckung des mildesten jeweils geeigneten Zwangsmittels zu bedienen; sie kann Dritte beauftragen und polizeiliche Hilfe in Anspruch nehmen.
3
Anstelle oder neben den in Absatz 1 genannten Zwangsmitteln kann die für den Fall des
Ungehorsams vorgesehene Strafe angedroht werden. Enthält der angewendete Erlass
keine Strafbestimmung, so kann die Bestrafung gemäss Art. 292 des Schweizerischen
Strafgesetzbuches (StGB) vom 21. Dezember 1937 angedroht werden.
Bemerkungen zu § 80 nVRPG (bisher § 76 VRPG, teilweise neu)
1.
Die Bestimmung wurde aus systematischen Gründen neu gefasst. Ausgangspunkt einer
Vollstreckung ist ein Vollstreckungstitel, ein nicht leistungsbereiter Bürger sowie die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, gegen den Betreffenden Zwangsmittel einzusetzen, um den
rechtskräftigen Entscheid einer Behörde durchzusetzen. Die Möglichkeit des Zwangs und die
zulässigen Mittel sind im Gesetz zu nennen.
- 87 -
In Absatz 2 nVRPG wird gesagt, dass bei der Wahl der Mittel das Verhältnismässigkeitsprinzip zu beachten ist (bisher Abs. 1). Die bisherigen Bestimmungen in § 76 Abs. 2 und 3
VRPG konkretisieren lediglich das Verhältnismässigkeitsprinzip und erweisen sich deshalb
als unnötig, zumal lediglich zwei Zwangsmittel vorgesehen sind.
2.
Abs. 3 bleibt unverändert.
§ 81
§ 81 [Zwangsandrohung]
1
Der Ersatzvornahme oder der Anwendung unmittelbaren Zwangs hat deren ausdrückliche
Androhung voranzugehen, unter Ansetzung einer angemessenen Frist zur Erfüllung.
2
Die Zwangsandrohung kann in der zu vollstreckenden Anordnung selbst, oder durch
nachträglichen Entscheid ergehen.
3
Die Androhung kann unterbleiben, wenn Gefahr im Verzug ist.
Bemerkungen zu § 81 nVRPG (bisher § 77 VRPG)
Die Bestimmung wurde aus systematischen Gründen umgestellt. Eine inhaltliche Änderung
der bestehenden Lösung ist nicht beabsichtigt.
Gemäss Absatz 3 kann die Androhung unterbleiben, wenn Gefahr in Verzug ist. Darunter
fällt auch der Fall, dass durch die Androhung der Vollzug vereitelt oder erheblich erschwert
würde.
Der bisherige Absatz 3 wurde neu als Rechtsmittel in eine eigene Bestimmung überführt
(s. § 83 nVRPG).
§ 82
§ 82 [Kosten]
1
Die Kosten (Gebühren und Auslagen) einer Vollstreckung sind vom Pflichtigen zu
bezahlen.
2
Bei der Ersatzvornahme kann die Vollstreckungsbehörde vom Pflichtigen einen Kostenvorschuss in der Höhe der mutmasslichen Vollstreckungskosten erheben.
Bemerkungen zu § 82 nVRPG (bisher § 76 Abs. 2 VRPG, teilweise neu)
1.
Schliesslich ist es zur Klarstellung notwendig, festzulegen, nach welchen Regeln die Vollstreckungskosten zu verteilen sind. Die Verfügung darüber kann gemäss § 83 Abs. 2 nVRPG
auf dem ordentlichen Instanzenweg angefochten werden. Schon aus diesem Grund drängt
sich eine klare gesetzliche Regelung auf.
- 88 -
§ 82 Abs. 1 nVRPG regelt den Grundsatz der Kostentragungspflicht. Abs. 2 ermöglicht es
der Vollstreckungsbehörde, vom Pflichtigen einen Kostenvorschuss einzuholen, soweit sie
dies als sinnvoll erachtet. Der Entscheid, mit dem ein Kostenvorschuss einverlangt wird, ist
nicht anfechtbar.
2.
Martin Bhend, Oftringen, hat am 4. Juni 2002 eine Motion betreffend Änderung bzw. Ergänzung des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRPG) zur finanziellen Sicherstellung von Ersatzvornahmen durch die öffentliche Hand eingereicht. Zur Begründung führte er aus, die
Erfüllung von verwaltungsrechtlichen Pflichten sei durch die Anwendung von Zwang herbeizuführen, wenn der Pflichtige nicht freiwillig handle. Diese Massnahme werde in der Regel
unter Polizeieinsatz im Auftrag der jeweiligen Behörde durchgeführt. Über den Umfang der
Kosten und der Sicherstellung, die der Pflichtige bei erfolgter Ersatzvornahme zu übernehmen habe, würden sich Baugesetz und VRPG ausschweigen. Das volle finanzielle Risiko
liege schlussendlich beim durch die Behörden vertretenen Steuerzahler. Eine Änderung des
VRPG sei daher dringend notwendig. Der Regierungsrat hat sich mit Datum vom 25. September 2002 bereit erklärt, den erwähnten Vorstoss als Postulat entgegenzunehmen. Der
Motionär war mit der Umwandlung in ein Postulat einverstanden.
Tatsächlich lässt es sich nicht vermeiden, dass in einzelnen Fällen aus der Ersatzvornahme
durch den Staat für diesen ein Ausfall entsteht. Als Alternative kommt nur die Erhebung
eines Kostenvorschusses in Frage, wie dies neu in § 82 Abs. 2 vorgesehen ist. Wird oder
kann der Kostenvorschuss vom Pflichtigen jedoch nicht geleistet werden, käme nur der Verzicht auf die Vollstreckungshandlung in Frage. Dies ist aus rechtsstaatlichen Überlegungen
keine Option. Entscheide müssen vollstreckt werden, notfalls auch zulasten der Staatskasse.
§ 83
§ 83 [Rechtsmittel]
1
Der Vollstreckungsentscheid ist mit Beschwerde innert 10 Tagen beim Verwaltungsgericht
anfechtbar, welches innert kurzer Frist entscheidet.
2
Der Entscheid über die Kosten unterliegt dem ordentlichen Instanzenzug.
Bemerkungen zu § 83 nVRPG (bisher § 77 Abs. 3 VRPG)
1.
§ 77 Abs. 3 Satz 1 VRPG beschränkt die Anfechtbarkeit von Vollstreckungsverfügungen auf
eine einzige Instanz, den Regierungsrat, der endgültig entscheidet. Grundsätzlich sind im
Vollstreckungsverfahren Rügen gegen die der Vollstreckungsverfügung zugrunde liegende
Sachverfügung nicht mehr möglich; diese müssen im Rechtsmittelverfahren gegen die Sachverfügung selber erfolgen. In der Regel besteht denn auch die Vollstreckung in einer rein
technischen Umsetzung dessen, was in der Sachverfügung enthalten ist. Denkbar sind aber
auch Ausnahmen vom Grundsatz, indem die Vollstreckungsverfügung über das hinausgeht,
was die Sachverfügung regelt. Um in diesem Fall den Rechtsschutz nicht abzuschneiden,
muss dem Pflichtigen der gerichtliche Rechtsschutz zur Verfügung stehen. Überdies ist
anerkannt, dass es von der genannten Regel weitere Ausnahmen geben muss, so bei einer
- 89 -
nichtigen Sachverfügung, soweit unverjährbare und unverzichtbare verfassungsmässige
Rechte in Frage stehen oder wo gar keine Sachverfügung vorangegangen ist (vgl. dazu
Tschannen/Zimmerli/Kiener, a.a.O., S. 233). In diesen Fällen dürfte aber wiederum die
EMRK greifen und gerichtlicher Rechtsschutz angezeigt sein.
Aus Gründen des effizienten Vollzugs kann aber nicht zur Diskussion stehen, wieder einen
zweistufigen Rechtsmittelweg zu eröffnen. Deshalb wird in § 83 nVRPG die direkte
Beschwerde an das Verwaltungsgericht vorgesehen. Damit steht ein schneller gerichtlicher
Rechtsschutz zur Verfügung. Die „kurze Frist“ in Abs. 1 Satz 2 hat präventive Wirkung
gegenüber trölerischen Beschwerden und stellt im Übrigen sicher, dass der Fall vor Verwaltungsgericht ausserhalb der ordentlichen Routine bearbeitet wird. Die „kurze Frist“ soll aber
in keiner Art und Weise die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigen; deshalb wurde aus
rechtsstaatlichen Gründen auch darauf verzichtet, dem Verwaltungsgericht eine konkrete
kurze Frist zu setzen.
2.
Neu wurden sämtliche Kostenentscheide dem ordentlichen Instanzenzug unterworfen. Dies
rechtfertigt sich schon deshalb, weil mit der Vollstreckung der ordentliche Zustand wieder
hergestellt und keine Eile beim Entscheid mehr geboten ist, und weil die Kosten (vor allem
bei Ersatzvornahmen) doch erheblich sein können, was ihre Überprüfbarkeit auf dem ordentlichen Rechtsmittelweg auf sachliche Richtigkeit hin rechtfertigt.
4.7
Schluss- und Übergangsbestimmungen
4.7.1 Verschiedene Schluss- und Übergangsbestimmungen
§ 84
§ 84 [Übergangsbestimmung]
Die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits angehobenen Verfahren werden nach bisherigem Recht zu Ende geführt. Für Entscheide, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes eröffnet werden, bestimmen sich die Weiterziehbarkeit und das Verfahren in der Rechtsmittelinstanz nach neuem Recht.
Bemerkungen zu § 84 nVRPG (bisher § 87 VRPG)
Diese generelle Übergangsbestimmung entspricht der bereits im geltenden Recht enthaltenen Fassung. Hängige Verfahren sollen nach bisherigem Recht entschieden werden. Wird
dagegen ein Rechtsmittel eingelegt, urteilt die (nach neuem Recht bestimmte) Rechtsmittelinstanz nach den Vorschriften des nVRPG.
§ 85
§ 85 [Publikation und Inkrafttreten]
Dieses Gesetz ist nach unbenütztem Ablauf der Referendumsfrist beziehungsweise nach
Annahme durch das Volk in der Gesetzessammlung zu publizieren. Der Regierungsrat
bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens.
- 90 -
Bemerkungen zu § 85 nVRPG
Diese Formulierung entspricht der für Gesetze üblichen Fassung.
Da das Bundesrecht die neue Rechtsweggarantie ab 1. Januar 2009 zwingend vorschreibt,
muss das neue Verwaltungsrechtspflegegesetz spätestens auf den 1. Januar 2009 in Kraft
gesetzt werden.
4.7.2 Fremdänderungen
Ziffer 1
1. Das Einführungsgesetz zum Ausländerrecht (EGAR) vom 14. Januar 1997 wird wie folgt
geändert:
§ 2 Abs. 1 und 2 (neu)
1 Unter Vorbehalt abweichender Bestimmungen dieses Gesetzes gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (Verwaltungsrechtspflegegesetz,
VRPG) vom … .
2 Im Verfahren vor dem Rekursgericht im Ausländerrecht gelten keine Rechtsstillstandsfristen.
§ 7 Abs. 2
2 Die Einsprachefrist beträgt 30 Tage ab Zustellung.
§ 9 Abs. 1
1 Einspracheentscheide können innert 30 Tagen ab Zustellung mit Beschwerde an das
Rekursgericht im Ausländerrecht weitergezogen werden.
§ 11
Aufgehoben.
§ 21 Abs. 2 und 4
2 Die betroffene Person kann gegen die Verfügung der Fremdenpolizei innert 30 Tagen
bei der Präsidentin oder beim Präsidenten des Rekursgerichts im Ausländerrecht
Beschwerde erheben.
4 Die betroffene Person kann gegen den Entscheid der Fremdenpolizei über das
Gesuch innert 30 Tagen bei der Präsidentin oder beim Präsidenten des Rekursgerichts
im Ausländerrecht Beschwerde erheben.
§ 30 Abs. 2
2 Die Fremdenpolizei holt eine Stellungnahme des Bezirksamtes ein.
Bemerkungen zu Ziffer 1
Weil das nVRPG vor den Verwaltungsjustizbehörden grundsätzlich Rechtsstillstandsfristen
(Gerichtsferien) vorsieht, müssen diese für das Verfahren vor dem Rekursgericht im Ausländerrecht ausdrücklich ausgeschlossen werden. Zusätzlich werden die Rechtsmittelfristen
dem nVRPG angepasst. § 11 kann gestrichen werden, da sein Inhalt in § 13 nVRPG geregelt wird. In § 30 Abs. 2 darf die Fremdenpolizei (Migrationsamt) zufolge der
Rechtsweggarantie im neuen BGG nicht mehr abschliessend entscheiden; der 2. Satzteil
von Abs. 2 wurde daher gestrichen.
- 91 -
Ziffer 2
2. Das Gesetz über die politischen Rechte (GPR) vom 10. März 1992 wird wie folgt geändert:
§ 71
1 Das Verwaltungsgericht entscheidet über Wahl- und Abstimmungsbeschwerden
betreffend die kantonalen Wahlen und Abstimmungen als einzige Instanz.
2 Der Regierungsrat entscheidet über Stimmrechtsbeschwerden sowie über Wahl- und
Abstimmungsbeschwerden bei den übrigen Wahlen und Abstimmungen. Er befindet
ferner über Beschwerden gegen den Entscheid der Staatskanzlei betreffend Änderung
des Titels eines Initiativbegehrens sowie über abgelehnte Nachzählungsgesuche. Die
Entscheide können innert 5 Tagen an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden.
Bemerkungen zu Ziffer 2
Der Rechtsmittelweg des Gesetzes über die politischen Rechte wurde dem neuen Instanzenmodell angepasst. Gegen die Ablehnung des Gesuchs um Nachzählung ist neu eine
Beschwerdemöglichkeit gegeben. Das Verwaltungsgericht und nicht mehr der Regierungsrat
entscheidet über Wahl- und Abstimmungsbeschwerden betreffend die kantonalen Wahlen
und Abstimmungen, da neu eine richterliche Überprüfung stattfinden muss.
Ziffer 3
3. Das Unvereinbarkeitsgesetz vom 29. November 1983 wird wie folgt geändert:
§ 8 Abs. 3
3 Anderen Gerichten dürfen die Beamten der kantonalen Verwaltung als nebenamtliche
Richter nur dann nicht angehören, wenn sich Interessenkollisionen ergeben könnten.
Bemerkungen zu Ziffer 3
Zufolge der Rechtsweggarantie im neuen BGG darf der Regierungsrat im Bereich der
Unvereinbarkeit nicht mehr abschliessend entscheiden. Satz 2 von § 8 Abs. 3 ist daher zu
streichen.
Ziffer 4
4. Das Grossratswahlgesetz (Gesetz über die Wahl des Grossen Rates) vom 8. März 1988
wird wie folgt geändert:
§ 9 Abs. 1
1 Über Beschwerden gegen Entscheide im Vorverfahren entscheidet das Verwaltungsgericht.
§ 15
Beschwerden gegen das Wahlverfahren sind innert 3 Tagen nach der Veröffentlichung
des Wahlergebnisses beim zuständigen Bezirksamt zuhanden des Verwaltungsgerichts einzureichen.
- 92 -
Bemerkungen zu Ziffer 4
Im Gesetz über die Wahl des Grossen Rates (Grossratswahlgesetz) wird der Instanzenzug
angepasst. Mit dem Verwaltungsgericht wird neu eine richterliche Instanz zur Überprüfung
eingesetzt.
Ziffer 5
5. Das Organisationsgesetz (Gesetz über die Organisation des Regierungsrates und der
kantonalen Verwaltung) vom 26. März 1985 wird wie folgt geändert:
§ 23 Abs. 3 (neu)
3 Der Rechtsdienst instruiert Beschwerden gegen Entscheide der Departemente.
Bemerkungen zu Ziffer 5
§ 50 Abs. 2 VRPG, der die Instruktion der Beschwerden gegen Entscheide der Departemente durch den Rechtsdienst des Regierungsrats vorschreibt, wird aus dem VRPG entfernt
und in § 23 Organisationsgesetz eingefügt. Eine Übernahme von § 50 Abs. 3 VRPG ist nicht
notwendig, da in § 32 des Organisationsgesetzes bereits geregelt ist, dass die Ämter und
unselbständigen Anstalten in eigenem Namen handeln.
Ziffer 6
6. Das Gerichtsorganisationsgesetz (Gesetz über die Organisation der ordentlichen richterlichen Behörden) (GOG) vom 11. Dezember 1984 wird wie folgt geändert:
Titel nach § 67a (neu)
5. Das Verwaltungsgericht
§ 67b (neu) [A. Richter]
1 Das Verwaltungsgericht besteht aus voll- oder teilamtlichen und nebenamtlichen
Richtern.
2 Die Zahl der Richter und Ersatzrichter wird durch Dekret des Grossen Rates
bestimmt.
3 Die voll- oder teilamtlichen Richter sind Mitglieder des Obergerichtes. Stellvertretend
können die übrigen Mitglieder des Obergerichtes oder die nebenamtlichen Richter und
Ersatzrichter, die Juristen sind, beigezogen werden.
4 Die nebenamtlichen Richter sollen entweder als Juristen die Voraussetzungen von
§ 67d Satz 2 erfüllen oder solchen Berufen angehören, deren Fachkenntnis für die
Praxis des Verwaltungsgerichtes erforderlich ist (z.B. Architekt, Landwirt, Bücherexperte).
§ 67c (neu) [B. Bestellung]
Der Grosse Rat wählt die Richter und Ersatzrichter. Aus dem Kreis der Oberrichter am
Verwaltungsgericht bezeichnet er den Präsidenten.
§ 67d (neu) [C. Wählbarkeit]
Für die Richter und Ersatzrichter gelten die in § 4 Abs. 1 dieses Gesetzes aufgestellten
Wählbarkeitsvoraussetzungen. Die Mehrzahl muss zudem ein juristisches Hochschulstudium abgeschlossen haben oder einen Fähigkeitsausweis zur Ausübung des
Anwaltsberufes besitzen.
- 93 -
§ 67e (neu) [D. Gliederung des Verwaltungsgerichtes]
1
Das Verwaltungsgericht erledigt seine Geschäfte als Gesamtgericht und in Kammern
mit drei oder fünf Mitgliedern.
2 Das Gesamtverwaltungsgericht weist die Richter den Kammern zu und wählt deren
Präsident.
§ 67f (neu) [E. Kanzlei]
Das Obergericht stellt Gerichtsschreiber und Kanzlei des Verwaltungsgerichtes.
§ 67g (neu) [F. Übrige Vorschriften]
Im Übrigen kommen auf das Verwaltungsgericht die Vorschriften über die Organisation
des Obergerichtes zur Anwendung.
Bemerkungen zu Ziffer 6
Die aufgehobenen Bestimmungen in den §§ 9-14 VRPG müssen in das Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) überführt werden. Nachdem das GOG in nächster Zeit im Rahmen der
Umsetzung der Leitsätze eine Totalrevision erfahren wird, rechtfertigt es sich, die obgenannten Bestimmungen – bis auf einen Verweis, der angepasst werden muss - unverändert
unter einem neuen Titel ins bestehende GOG einzufügen.
Ziffer 7
7. Das Gesetz über die Grundzüge des Personalrechts (Personalgesetz, PersG) vom
16. Mai 2000 wird wie folgt geändert:
§ 12 Abs. 2 (neu)
2 Ein Anspruch auf Wiedereinstellung besteht nicht.
§ 37 Abs. 1 und 2
1 Vor Einreichung einer gerichtlichen Klage nach § 39 oder einer Beschwerde nach
§ 40 sind alle Streitigkeiten, einschliesslich derjenigen nach Bundesgesetz über die
Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz, GlG) vom 24. März 1995,
der Schlichtungskommission vorzulegen. Bei Verfügungen und Vertragsauflösungen ist
eine Frist von 30 Tagen nach Zustellung einzuhalten.
2 Die Schlichtungskommission gibt eine Empfehlung ab. Innert 30 Tagen nach Zustellung der Empfehlung stellt die zuständige Stelle einen neuen Entscheid zu. Die betroffene Person kann innert 30 Tagen eine gerichtliche Klage nach § 39 einreichen beziehungsweise gerichtliche Beschwerde nach § 40 führen. Der Klageanspruch verwirkt
6 Monate ab Zustellung des neuen Entscheids.
§ 38
Aufgehoben.
§ 40
Gegen Verfügungen in Personal- und Lohnfragen kann nach durchgeführtem Schlichtungsverfahren beim Personalrekursgericht Beschwerde erhoben werden. Die Frist
beträgt 30 Tage ab Zustellung des neuen Entscheids.
§ 41
Das Schlichtungsverfahren ist kostenlos. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des
Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG)
vom … .
- 94 -
§ 42 Abs. 2
2
Für die Organisation und das Verfahren sind die für das Verwaltungsgericht geltenden Vorschriften anwendbar, soweit keine abweichenden Vorschriften bestehen. Die
Rüge der Unangemessenheit ist zulässig.
§ 46 Abs. 2
2 Soweit öffentliches Recht anwendbar erklärt wird, gelten die Bestimmungen über das
gerichtliche Klage- und Beschwerdeverfahren gemäss §§ 39 und 40. Die Frist für die
Beschwerde an das Personalrekursgericht beträgt 30 Tage nach Zustellung des Entscheids des letztinstanzlich zuständigen Anstaltsorgans.
§ 48
1 Bei Streitigkeiten aus einem öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis von Gemeinden,
Gemeindeverbänden oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften mit Ausnahme der Landeskirchen gelten die Bestimmungen über das gerichtliche Klage- und
Beschwerdeverfahren gemäss §§ 39 und 40. Das Schlichtungsverfahren nach § 37
entfällt.
2 Die Frist für die Beschwerde an das Personalrekursgericht beträgt 30 Tage nach Zustellung des Entscheids des letztinstanzlich zuständigen Organs der Gemeinde beziehungsweise der Körperschaft.
3 Bei Beschwerden wegen ungerechtfertigter Entlassung ist subsidiär § 12 analog anwendbar.
Bemerkungen zu Ziffer 7
Die §§ 55 und 59 VRPG beschränkten das Recht der Rechtsmittelinstanz, angefochtene
Entlassungsentscheide aufzuheben. Somit konnte in dienstrechtlichen Streitigkeiten nur
festgestellt werden, dass eine Entlassung ungerechtfertigt war, eine Wiedereinsetzung ins
Amt war ausgeschlossen. Mit Erlass des Personalgesetzes wurden die §§ 55 und 59 VRPG
aufgehoben, die Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung im Personalgesetz ging
jedoch vergessen mit der Folge, dass Entlassungsentscheide (soweit dagegen die
Beschwerde und nicht die Klage gegeben ist) im Grunde genommen wieder aufgehoben
werden müssten, was nicht Meinung des Gesetzgebers war. Das Personalrekursgericht hat
daher entschieden, dass kein Anspruch auf Wiedereinstellung besteht (AGVE 2001, 523).
Der gesetzgeberische Fehler wird nun in § 12 Abs. 2 korrigiert; mit der Anpassung von § 12
ist somit keine materielle Änderung beabsichtigt. Der neue Absatz 2 erleichtert demjenigen,
der die in der AGVE publizierte Rechtsprechung nicht kennt, das Gesetzesverständnis.
Am 1. Januar 2005 ist das "Zwillingsgesetz" des Personalgesetzes, das Gesetz über die
Anstellung von Lehrpersonen (GAL), in Kraft getreten. Dieses sieht im Unterschied zum Personalgesetz kein verwaltungsinternes Beschwerdeverfahren vor; vielmehr haben Beschwerdeführende direkt an das Personalrekursgericht zu gelangen. Es ist kein Grund ersichtlich,
warum bezüglich des dem Personalgesetz unterstellten Verwaltungspersonals zusätzlich ein
verwaltungsinternes Beschwerdeverfahren nötig sein sollte. § 38 PersG wird daher aufgehoben. Weiter werden die Rechtsmittelfristen im PersG dem neuen VRPG angepasst.
Das Personalrekursgericht hat entgegen dem Wortlaut des Personalgesetzes entschieden,
dass ihm die Ermessenskontrolle zusteht (AGVE 2001, 523). Diese Praxis wird nun mit einer
Ergänzung des Personalgesetzes (§ 42 Abs. 2) ins Gesetz überführt.
- 95 -
In § 48 wird die Zuständigkeit des Personalrekursgerichts in landeskirchlichen Streitigkeiten
aufgehoben. Die Fragestellung in derartigen Verfahren ist nicht eine personalrechtliche, sondern beschlägt die Frage, ob eine innerkirchliche Entscheidung verfassungskonform und
organisationsstatutskonform ist, was mit Dienstrecht nichts zu tun hat. Im Übrigen rechtfertigt
es sich nicht, auch noch die Zuständigkeit zur Beurteilung letztinstanzlicher kirchlicher Entscheide zwischen dem Verwaltungsgericht und dem Personalrekursgericht aufzuteilen. In
§ 48 Abs. 3 wird neu festgehalten, dass § 12 analog anwendbar ist. Damit wird klar geregelt,
dass auch Entschädigungsforderungen bei ungerechtfertigten Entlassungen aus kommunalen, nicht-vertraglichen Dienstverhältnissen gerichtlich geltend gemacht werden können. Der
Zusatz "subsidiär" ist jedoch nötig, da die einschlägigen Anstellungsreglemente spezielle
Regelungen vorsehen können, die selbstverständlich vorgehen.
Ziffer 8
8. Das Gesetz über die Einwohnergemeinden (Gemeindegesetz) vom 19. Dezember 1978
wird wie folgt geändert:
§ 105 Abs. 1
1 Entscheide der Organe von Gemeinden, Gemeindeverbänden, öffentlich-rechtlichen
Waldkorporationen, Gerechtigkeitsgenossenschaften und ähnlichen Körperschaften
können innert 30 Tagen seit Eröffnung mit Verwaltungsbeschwerde angefochten werden.
§ 106 Abs. 1
1 Allgemein verbindliche Erlasse von Gemeinden, Gemeindeverbänden und anderen
öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sowie Verwaltungsakte, die nicht in persönliche
Verhältnisse eingreifen, können innert 10 Tagen seit Veröffentlichung mit Gemeindebeschwerde angefochten werden.
§ 109
1 Zur Beurteilung von Verwaltungsbeschwerden und Gemeindebeschwerden ist der
Regierungsrat zuständig, sofern nicht nach Gesetz die Zuständigkeit einer anderen Instanz gegeben ist.
2 Zum Weiterzug von Gemeindebeschwerden ist auch der Gemeinderat berechtigt.
3 Aufgehoben.
§ 110
Aufgehoben.
Bemerkungen zu Ziffer 8
Im Gemeindegesetz werden die Rechtsmittelfristen und der Instanzenzug dem nVRPG
angepasst. Da es sich in § 106 Abs. 1 um eine dringliche Frist handelt, wird diese auf 10
Tage reduziert.
- 96 -
Ziffer 9
9. Das Zivilrechtspflegegesetz (Zivilprozessordnung, ZPO) vom 18. Dezember 1984 wird
wie folgt geändert:
§ 78 Abs. 3 (neu)
3Die Aktenstücke können auf elektronischem Weg zur Einsichtnahme zugestellt werden, wenn die Partei oder ihre Vertretung ihr Einverständnis zu elektronischen Zustellungen erklärt hat. Der Regierungsrat regelt die Einzelheiten in einer Verordnung.
§ 82 Abs. 3-5 (neu)
das Gericht über einen qualifizierten elektronischen Zugang verfügt, können
Eingaben auch in elektronischer Form mit einer anerkannten elektronischen Signatur
der absendenden Person übermittelt werden. Der Regierungsrat regelt die Einzelheiten
in einer Verordnung.
4Bei elektronischer Übermittlung ist die Frist gewahrt, wenn der Empfang beim betreffenden Gericht vor Ablauf der Frist durch das betreffende Informatiksystem bestätigt
worden ist.
5Bei elektronischer Übermittlung kann das Gericht verlangen, dass die Eingabe in
Papierform nachgereicht wird.
3Sofern
§ 83 Abs. 1
1Schriftliche Eingaben, Eingaben in elektronischer Form mit einer anerkannten elektronischen Signatur der absendenden Person sowie Einzahlungen, die fristgerecht erfolgen, aber aus Irrtum an eine unrichtige aargauische Gerichts- oder Verwaltungsbehörde gerichtet sind, gelten als rechtzeitig eingelangt.
§ 92 Abs. 3 (neu)
3Die Partei oder ihre Vertretung kann eine elektronische Zustelladresse angeben und
ihr Einverständnis erklären, dass Zustellungen auf dem elektronischen Weg erfolgen
dürfen. Der Regierungsrat regelt die Einzelheiten in einer Verordnung.
Bemerkungen zu Ziffer 9
In § 7 nVRPG wird der elektronische Verkehr mit den Behörden geregelt. In § 28 Abs. 1
nVRPG wird auf die ZPO verwiesen, die ZPO ist daher auch den neuen Anforderungen entsprechend anzupassen. Weiter soll generell die gesetzliche Grundlage geschaffen werden,
damit der Zugang zu den Zivilgerichten mit elektronischer Signatur möglich wird.
Ziffer 10
10. Das Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (EG
SchKG) vom 22. Februar 2005 wird wie folgt geändert:
§ 8 Abs. 3
Aufgehoben.
Bemerkungen zu Ziffer 10
Die Prüfungskommission darf gemäss der Rechtsweggarantie im neuen BGG über Prüfungsentscheide nicht mehr endgültig entscheiden. Der eingeschränkten Justiziabilität von
Prüfungsentscheiden ist nicht durch eine Ausnahme vom Gerichtszugang, sondern durch
eine Anpassung des Kontrollumfangs Rechnung zu tragen (vgl. E. Tophinke, ZBl 2006
S. 109). § 8 Abs. 3 ist daher aufzuheben.
- 97 -
Ziffer 11
11. Das Gesetz über die Strafrechtspflege (Strafprozessordnung, StPO) vom 11. November
1958 wird wie folgt geändert:
§ 49 Abs. 3bis (neu)
3bisDie Partei oder ihre Vertretung kann eine elektronische Zustelladresse angeben und
ihr Einverständnis erklären, dass Zustellungen auf dem elektronischen Weg erfolgen
dürfen. Der Regierungsrat regelt die Einzelheiten in einer Verordnung.
§ 52 Abs. 1
1Für die Berechnung der Fristen, die Fristeinhaltung bei elektronischer Übermittlung
und für die Gerichtsferien sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung anwendbar.
Im Ermittlungs- und Untersuchungsverfahren sowie in Haftfällen wird der Lauf der
Fristen durch die Gerichtsferien nicht unterbrochen.
Titel nach § 55 (neu)
Fbis. Elektronische Eingaben
§ 55a (neu) [Eingaben in elektronischer Form]
1Sofern eine Behörde über einen qualifizierten elektronischen Zugang verfügt, können
Eingaben, für welche die schriftliche Form vorgeschrieben ist, auch in elektronischer
Form mit einer anerkannten elektronischen Signatur des Absendenden übermittelt
werden.
2Bei elektronischer Übermittlung kann die Behörde verlangen, dass die Eingabe in
Papierform nachgereicht wird.
3Der Regierungsrat regelt die Einzelheiten in einer Verordnung.
§ 240 Abs.4
Aufgehoben.
Bemerkungen zu Ziffer 11
Auch im Bereich des Strafrechts wird die gesetzliche Grundlage geschaffen, dass der
Zugang mit elektronischer Signatur möglich wird.
Ziffer 12
12. Das Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und
Anwälte (EG BGFA) vom 2. November 2004 wird wie folgt geändert:
§9
Gegen Entscheide der Anwaltskommission kann Beschwerde beim Verwaltungsgericht
geführt werden.
Bemerkungen zu Ziffer 12
Auch Prüfungsentscheide der Anwaltskommission dürfen gemäss BGG nicht mehr endgültig
sein (vgl. Kommentar zu Ziffer 10 oben).
- 98 -
Ziffer 13
13. Das Gesundheitsgesetz (GesG) vom 10. November 1987 wird wie folgt geändert:
§ 64 Abs. 2
2 Verfügungen und Entscheide der Gemeindebehörden, der Bezirksärzte und
Bezirkstierärzte können mit Verwaltungsbeschwerde an den Regierungsrat weitergezogen werden.
Bemerkungen zu Ziffer 13
Das Gesundheitsgesetz wurde dem neuen Instanzenmodell angepasst.
Ziffer 14
14. Das Spitalgesetz (SpiG) vom 25. Februar 2003 wird wie folgt geändert:
§ 18 Abs. 2
2 Das Verwaltungsgericht entscheidet innert 2 Monaten. Eine Überprüfung des Ermessens des Regierungsrats ist ausgeschlossen. Das übrige Verfahren wird in einem
Dekret geregelt.
§ 25 Abs. 2
2 Über die Beitragsleistungen entscheidet der Regierungsrat auf der Grundlage eines
Leistungsvertrags.
Bemerkungen zu Ziffer 14
In § 18 Abs. 2 wurde Satz 2 gestrichen, da das kantonale Recht nicht regeln kann, ob ein
Entscheid des Verwaltungsgerichts abschliessend ist.
In § 25 Abs. 2 wurde das Wort „abschliessend“ gestrichen, da ein endgültiger Entscheid des
Regierungsrats gemäss Art. 29a BV und neuem BGG nicht zulässig ist.
Ziffer 15
15. Das Schulgesetz vom 17. März 1981 wird wie folgt geändert:
§ 38b Abs. 2
2 Ist die Betreuung durch die Eltern beziehungsweise Pflegeeltern im Falle eines Ausschlusses gemäss Abs. 1 lit. d und e während der Unterrichtszeit nicht gewährleistet,
muss sie von der Schule organisiert werden. Allfällige Betreuungskosten sind von den
Eltern zu tragen. Die Wohnortsgemeinde erlässt eine Kostenverfügung. Dagegen kann
innert 30 Tagen von der Zustellung an Beschwerde beim Departement Bildung, Kultur
und Sport geführt werden.
§ 38e Abs. 3
3 Die Schulleitung plant rechtzeitig die Wiedereingliederung. Die Wohnortsgemeinde
kann die Eltern zur Gewährleistung des schulischen Wiedereinstiegs des Kinds verpflichten, an die entstandenen Kosten einen Beitrag von höchstens Fr. 1'000.– pro
Monat zu leisten. Die Wohnortsgemeinde erlässt eine Kostenverfügung. Dagegen kann
innert 30 Tagen von der Zustellung an Beschwerde beim Departement Bildung, Kultur
und Sport geführt werden.
- 99 -
§ 38 f Abs. 3 Einleitungssatz
3 Folgende Disziplinarmassnahmen sind mittels Beschwerde an den Regierungsrat
weiterziehbar:
§ 75
Gegen Entscheide der Schulpflege kann innert 30 Tagen von der Zustellung an
Beschwerde beim Schulrat des Bezirks geführt werden. Vorbehalten bleiben die
Zuständigkeiten des Jugendgerichts im Jugendstrafverfahren sowie der Bezirksgerichtspräsidentin beziehungsweise des Bezirksgerichtspräsidenten gemäss § 37a
Abs. 4 sowie die für diese Verfahren geltenden Fristen.
§ 78
Gegen Entscheide des Schulrats des Bezirks kann innert 30 Tagen von der Zustellung
an Beschwerde beim Regierungsrat geführt werden; vorbehalten bleibt § 38f Abs. 2
dieses Gesetzes.
§ 85
Gegen Entscheide des Erziehungsrats kann innert 30 Tagen von der Zustellung an
Beschwerde beim Regierungsrat geführt werden.
§ 87
Aufgehoben.
Bemerkungen zu Ziffer 15
Im Schulgesetz werden die Rechtsmittelfristen dem nVRPG angepasst. Mit der Einsetzung
des Regierungsrats als Beschwerdeinstanz gegen Entscheide kantonaler Verwaltungsbehörden kann § 87 SchulG gestrichen werden. In § 38f Abs. 3 handelt es sich um schwerwiegende Disziplinarmassnahmen, die gemäss den Rechtsweggarantien des neuen BGG
ans Verwaltungsgericht weiterziehbar sein müssen. Da das nVRPG nicht mehr zwischen
Urteil, Verfügung und Beschluss differenziert und neu den Begriff „Entscheid“ verwendet,
werden die zu ändernden Paragraphen des SchulG auch sprachlich angepasst. Nicht geändert wurde jedoch der Instanzenzug. Dieses Thema muss in den Gesamtzusammenhang
einer umfassenden Behördenreorganisation (Erziehungsrat, Schulrat, Gemeinderat, Schulpflegen, Schulleitungen) gestellt werden.
Ziffer 16
16. Das Gesetz über die Anstellung von Lehrpersonen (GAL) vom 17. Dezember 2004 wird
wie folgt geändert:
§ 13 Abs. 2 (neu)
2 Ein Anspruch auf Wiedereinstellung besteht nicht.
- 100 -
§ 35
1
Vor Einreichung einer gerichtlichen Klage nach § 36 oder einer gerichtlichen
Beschwerde nach § 37 dieses Gesetzes sind alle Streitigkeiten, einschliesslich derjenigen nach Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz, GlG) vom 24. März 1995, der Schlichtungskommission gemäss § 37 des
Gesetzes über die Grundzüge des Personalrechts (Personalgesetz, PersG) vom
16. Mai 2000 vorzulegen. Bei Verfügungen und Vertragsauflösungen ist eine Frist von
30 Tagen nach Zustellung einzuhalten.
2 Die Schlichtungskommission gibt eine Empfehlung ab. Innert 30 Tagen nach Zustellung der Empfehlung stellt die zuständige Stelle einen neuen Entscheid zu. Die betroffene Person kann innert 30 Tagen Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach § 37 führen
beziehungsweise eine gerichtliche Klage nach § 36 einreichen. Der Klageanspruch
verwirkt nach 6 Monaten.
§ 37
Gegen Verfügungen in Personal- und Lohnfragen kann nach durchgeführtem Schlichtungsverfahren beim Personalrekursgericht Beschwerde erhoben werden. Die Frist
beträgt 30 Tage ab Zustellung des neuen Entscheids.
§ 38
Das Schlichtungsverfahren ist kostenlos. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des
Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG)
vom … .
Bemerkungen zu Ziffer 16
Bei den Fremdänderungen im Personalrecht (s. Ziffer 7 oben) wird in § 12 Abs. 2 neu festgehalten, dass kein Anspruch auf Wiedereinstellung besteht. Da beim Erlass des Gesetzes
über die Anstellung von Lehrpersonen (GAL) streng darauf geachtet wurde, dass nur dort
Abweichungen zum Personalgesetz vorgenommen werden, wo diese von der Sache her
notwendig sind, ist das GAL in § 13 Abs. 2 ebenfalls anzupassen.
Weiter werden die Rechtsmittelfristen an die Frist im nVRPG von 30 Tagen angepasst.
Ziffern 17 bis 20
17. Das Aargauische Fachhochschulgesetz (AFHG) vom 27. Mai 1997 wird wie folgt geändert:
§ 26 Abs. 3
Das Verfahren richtet sich nach dem Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege (Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG) vom ... .
18. Das Gesetz über die Einrichtungen für Menschen mit besonderen Betreuungsbedürfnissen (Betreuungsgesetz) vom 2. Mai 2006 wird wie folgt geändert:
§ 36
Soweit dieses Gesetz keine besonderen Vorschriften enthält, gelten für das Verfahren
und für den Rechtsschutz die Bestimmungen des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG) vom … .
19. Das Gesetz über den Bevölkerungsschutz und den Zivilschutz im Kanton Aargau
(Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetz Aargau, BZG-AG) vom 4. Juli 2006 wird wie folgt
geändert:
- 101 -
§ 48
1 Gegen Verfügungen und Entscheide der Gemeinderäte und des zuständigen
Departements in Streitigkeiten nicht vermögensrechtlicher Natur kann innert 30 Tagen
Beschwerde beim Regierungsrat erhoben werden.
2 Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege
(Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG) vom … . § 50 bleibt vorbehalten.
§ 50
Der Regierungsrat ist berechtigt, im Bewirtschaftungsfall im Sinne der Gesetzgebung
über die wirtschaftliche Landesversorgung durch Verordnung von den ordentlichen
Bestimmungen des VRPG abzuweichen. Insbesondere kann er den Ausschluss der
Verwaltungsgerichtsbeschwerden gemäss § 54 VRPG sowie kürzere Rechtsmittelfristen vorsehen.
20. Das Gesetz über die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit (Polizeigesetz, PolG)
vom 6. Dezember 2005 wird wie folgt geändert:
§ 24 Abs. 2
2 Das Verfahren richtet sich nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG) vom … .
§ 48 Abs. 2
2 Das Verfahren richtet sich nach den Bestimmungen des VRPG.
Bemerkungen zu den Ziffern 17 bis 20
Hier wird der Verweis auf das Verwaltungsrechtspflegegesetz von 1968 an das Datum den
neuen VRPG angepasst (gleich in § 2 EGAR, § 41 PersG, § 38 GAL, § 43 EG GschG, § 31
Abs. 4 EG KVG, § 58 Abs. 4 SPG und § 2 Abs. 4 des Gesetzes über den Vollzug des
Strassenverkehrsrechtes). Im Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes stimmt zudem der
Verweis auf Paragraphen des heutigen VRPG im neuen VRPG nicht mehr und wird daher
korrigiert. Weiter wird die Rechtsmittelfrist auf 30 Tage angehoben.
Ziffern 21 bis 28
21. Das Feuerwehrgesetz (FwG) vom 23. März 1971 wird wie folgt geändert:
§ 37 Abs. 2
2 Die Beschwerden sind innert 30 Tagen, von der Zustellung an gerechnet, einzureichen, und zwar gegen Verfügungen und Entscheide:
a)
der Feuerwehrkommission beim Gemeinderat,
b)
des Gemeinderates beim Amt,
c)
des Amtes beim Regierungsrat.
22. Das Brandschutzgesetz (Gesetz über den vorbeugenden Brandschutz) vom 21. Februar
1989 wird wie folgt geändert:
§ 25 Abs.1
1 Gegen Verfügungen des Gemeinderates auf dem Gebiet des Brandschutzes kann innert
30 Tagen seit Zustellung bei der Aargauischen Gebäudeversicherung Beschwerde geführt
werden. Die Beschwerde gegen feuerpolizeiliche Verfügungen im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens richtet sich nach dem Baugesetz.
- 102 -
23. Das Gesetz über die Gebäudeversicherung (Gebäudeversicherungsgesetz, GebVG)
vom 19. September 2006 wird wie folgt geändert:
§ 50 Abs.1
1 Gegen Verfügungen der Gebäudeversicherung, die gestützt auf dieses Gesetz ergehen, kann innert 30 Tagen nach Zustellung Einsprache erhoben werden. Diese muss
schriftlich erfolgen und einen Antrag mit kurzer Begründung enthalten. Allfällige
Beweismittel sind beizulegen oder zu bezeichnen.
§ 51 Abs. 1
1 Gegen den Einspracheentscheid kann innert 30 Tagen nach Zustellung Beschwerde
bei der Schätzungskommission nach Baugesetz geführt werden.
24. Das Gesetz über Raumplanung, Umweltschutz und Bauwesen (Baugesetz, BauG) vom
19. Januar 1993 wird wie folgt geändert:
§ 10 Abs. 6
6 Die Beschlüsse des Grossen Rates über die Nutzungspläne und Nutzungsvorschriften können von den in schutzwürdigen eigenen Interessen Betroffenen innert
30 Tagen seit der amtlichen Publikation mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht
angefochten werden, das sie auf ihre Rechtmässigkeit prüft. Die Beschwerde hat nur
aufschiebende Wirkung, wenn und soweit das Gericht sie gewährt.
§ 26 Abs. 1
1 Gegen die Beschlüsse der zuständigen Gemeindeorgane über die Nutzungspläne
und -vorschriften können diejenigen, die ein schutzwürdiges eigenes Interesse geltend
machen, innert 30 Tagen seit der amtlichen Publikation Beschwerde beim Regierungsrat führen.
§ 28
Die Entscheide des Grossen Rates und des Regierungsrates über die Genehmigung
können von den in schutzwürdigen eigenen Interessen Betroffenen und von den Gemeinden innert 30 Tagen seit der amtlichen Publikation mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht angefochten werden, das sie auf ihre Rechtmässigkeit prüft. Die
Beschwerde hat nur aufschiebende Wirkung, wenn und soweit das Gericht sie
gewährt.
§ 35 Abs. 2 und 3
2 Gegen den Beitragsplan kann während der Auflagefrist, gegen andere Abgabeverfügungen innert 30 Tagen seit Zustellung, beim verfügenden Organ Einsprache erhoben werden. Einspracheentscheide können mit Beschwerde bei der Schätzungskommission angefochten werden.
3 Aufgehoben.
§ 89 Abs. 2
2 Der beitragspflichtigen Gemeinde ist Gelegenheit zu geben, sich vor Baubeginn zum
Projekt und zu den Kosten zu äussern. Über Meinungsverschiedenheiten zwischen
den Gemeinden entscheidet der Regierungsrat.
§ 148 Abs. 3
3 Die Schätzungskommission vollzieht die Vorschriften über die Enteignung. Ihre Entscheide können beim Verwaltungsgericht angefochten werden.
- 103 -
25. Das Gesetz über die Grundbuchabgaben vom 7. Mai 1980 wird wie folgt geändert:
§ 30
1 Gegen Abgaberechnungen kann innert 30 Tagen seit Zustellung beim Regierungsrat
Beschwerde geführt werden. Hiezu sind sowohl die Parteien als auch die Urkundsperson, die das Geschäft angemeldet hat, legitimiert.
2 Der Entscheid des Regierungsrates kann innert 30 Tagen seit Zustellung an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden.
26. Das Einführungsgesetz zum eidgenössischen Gewässerschutzgesetz (EG GSchG) vom
11. Januar 1977 wird wie folgt geändert:
§ 23 Abs. 2
2 In dringenden Fällen kann der Regierungsrat vorzeitig die erforderlichen Einzelverfügungen erlassen; gegen eine solche Verfügung steht den Betroffenen innert 30 Tagen
das Beschwerderecht an den Grossen Rat zu.
§ 43
Verfügungen und Entscheide in Gewässerschutzsachen können innert 30 Tagen seit
Zustellung mit Verwaltungsbeschwerde angefochten werden. Es gelten die Bestimmungen des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG) vom … .
§ 44 Abs. 2
2 Bei Übertretungen gemäss Art. 40 GSchG spricht der Gemeinderat Bussen bis
Fr. 1'000.-- durch bedingten Strafbefehl aus. Erhebt der Verurteilte innert 30 Tagen
beim Gemeinderat schriftlich Einsprache, so wird der Strafbefehl aufgehoben und die
Sache zur Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft überwiesen.
27. Das Gesetz über den Hochwasserschutz, die Entwässerung und die Bodenverbesserungen im Gebiet der Reussebene (Reusstalgesetz) vom 15. Oktober 1969 wird wie folgt
geändert:
§ 8 Abs. 2
2 Gesuche um Bewilligungen gemäss Absatz 1 sind während einer Frist von 30 Tagen
in der betreffenden Gemeindekanzlei zur Einsicht aufzulegen. Auf die Auflage ist im
Amtsblatt durch den Gemeinderat hinzuweisen. Einsprachen gegen ein Gesuch sind
während der Auflagefrist bei der Gemeindekanzlei zuhanden des Regierungsrates
schriftlich zu erheben.
28. Das Gesetz über die Nutzung und den Schutz der öffentlichen Gewässer vom 22. März
1954 wird wie folgt geändert:
§ 49
Verfügungen und Entscheide unterer Verwaltungsbehörden können innert 30 Tagen
seit der Zustellung an den Regierungsrat weitergezogen werden.
§ 50 Abs. 1
1 Gegen Entscheide der Schätzungskommission und letztinstanzliche Verfügungen und
Entscheide der Verwaltungsbehörden kann innert 30 Tagen seit der Zustellung beim
Verwaltungsgericht Beschwerde geführt werden.
- 104 -
Bemerkungen zu den Ziffern 21 - 28
In diesen Gesetzen werden die Rechtsmittelfristen an die 30-tägige Frist des nVRPG angepasst.
Im Gebäudeversicherungsgesetz (Ziff. 23) ist § 50 Satz 2, wonach die Einsprache schriftlich
erfolgen muss, nach Inkrafttreten des nVRPG wie bei bestehenden Erlassen mit ähnlicher
Formulierung im Sinne von § 7 nVRPG auszulegen; d.h. sofern die Gebäudeversicherung
über einen qualifizierten elektronischen Zugang verfügt, können Einsprachen auch in
elektronischer Form mit einer anerkannten elektronischen Signatur der absendenden Person
übermittelt werden.
Im Baugesetz (Ziff. 24) wird die Weiterziehbarkeit von Entscheiden der Schätzungskommission an das allgemeine Instanzenzugkonzept angepasst. In zweitinstanzlichen Beschwerdeverfahren entscheidet das Spezialverwaltungsgericht kantonal letztinstanzlich (§ 35 Abs. 2
und 3), in erstinstanzlichen Klage-(Enteignungs-)verfahren steht der Weiterzug ans Verwaltungsgericht offen (§ 148 Abs. 3). In § 89 Abs. 2 Satz 2 wird das Wort „endgültig“ gestrichen,
da die endgültige Zuständigkeit des Regierungsrats gemäss Art. 29a BV und BGG nicht
mehr zulässig ist.
Im Gesetz über die Nutzung und den Schutz der öffentlichen Gewässer muss in § 50 Abs. 1
der Passus „ausgenommen solche über Staatsbeiträge“ gestrichen werden, da dieser Einschub der Rechtsweggarantie des neuen BGG zuwiderläuft.
Ziffer 29
29. Das Gesetz über Kinderzulagen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vom
23. Dezember 1963 wird wie folgt geändert:
§ 32 Abs. 5
5 Die privaten Familienausgleichskassen können Schiedsgerichte einsetzen. Verfügungen dieser Familienausgleichskassen können innert 30 Tagen seit der Zustellung beim
betreffenden Schiedsgericht angefochten werden. Besteht kein Schiedsgericht, ist die
Beschwerde innert der nämlichen Frist beim Versicherungsgericht des Kantons Aargau
einzureichen. Das Beschwerdeverfahren ist kostenpflichtig.
§ 32bis Abs.1
1 Gegen die schriftlichen Mitteilungen gemäss § 13 Abs. 3 dieses Gesetzes kann innert
30 Tagen seit der Zustellung beim Versicherungsgericht des Kantons Aargau
Beschwerde geführt werden. Das Beschwerdeverfahren ist kostenpflichtig.
§ 32ter
Gegen Entscheide der kantonalen Familienausgleichskasse und des Schiedsgerichts
kann innert 30 Tagen seit der Zustellung beim Versicherungsgericht des Kantons
Aargau Beschwerde erhoben werden. Die Beschwerde muss eine zusammengefasste
Darstellung des Sachverhalts, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten. Das Versicherungsgericht entscheidet endgültig. Das Beschwerdeverfahren ist
kostenpflichtig.
Bemerkungen zu Ziffer 29
- 105 -
Das Beschwerdeverfahren wird für kostenpflichtig erklärt. Dies war schon bisher so, muss
aber zufolge der Verweisung in § 58 Abs. 2 nVRPG auf das ATSG nun explizit festgehalten
werden.
Ziffer 30
30. Das Einführungsgesetz zu den Bundesgesetzen über die Alters- und Hinterlassenenversicherung und die Invalidenversicherung (EG AHVG/IVG) vom 15. März 1994 wird wie
folgt geändert:
Titel nach § 12 (neu)
Abis. Kantonales Schiedsgericht gemäss IVG
§ 12a (neu) [Zusammensetzung und Wahl]
1 Das Schiedsgericht besteht aus der Präsidentin oder dem Präsidenten des Versicherungsgerichts (Vorsitz) und zwei oder vier Mitgliedern, die vom Regierungsrat von Fall
zu Fall nach Anhören der Beteiligten paritätisch bestellt werden.
2 Ein Obergerichtsschreiber oder eine Obergerichtsschreiberin erledigt die Gerichtsschreiberarbeiten; die Obergerichtskanzlei besorgt die Kanzleigeschäfte.
§ 12b (neu) [Verfahren]
Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften über das Klageverfahren vor Versicherungsgericht.
§ 15
Gegen die von der Ausgleichskasse und der IV-Stelle erlassenen Einspracheentscheide oder Verfügungen, gegen welche eine Einsprache ausgeschlossen ist, kann
beim kantonalen Versicherungsgericht innert 30 Tagen seit Zustellung Beschwerde
geführt werden.
Bemerkungen zu Ziffer 30
Die Organisation der vom IVG und KVG vorgeschriebenen kantonalen Schlichtungsstellen
wird neu in die kantonalen Einführungsgesetze eingefügt (s. auch Bemerkungen zu
Ziffer 32). Die Verordnung über die Rechtspflege in Sozialversicherungssachen kann
aufgehoben werden (s. unten Ziffer 4.7.3).
§ 15 EG AHVG/IVG wurde angepasst: Die genannten Stellen erlassen sowohl Einspracheentscheide als auch (direkt anfechtbare) Verfügungen.
Ziffer 31
31. Das Gesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (Ergänzungsleistungsgesetz) vom 14. Juni 1966 wird wie folgt geändert:
§ 24 Abs. 1 und 3
1 Gegen die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Einspracheentscheide oder Verfügungen, gegen welche eine Einsprache ausgeschlossen ist, können die Betroffenen
innert 30 Tagen seit der Zustellung beim Versicherungsgericht des Kantons Aargau
Beschwerde erheben. Das gleiche Recht steht den Verwandten in auf- und absteigender Linie und den Geschwistern der leistungsansprechenden Person zu.
3 Aufgehoben.
- 106 -
Bemerkungen zu Ziffer 31
Abs. 1 wird geändert, da sowohl Einspracheentscheide als auch (direkt anfechtbare) Verfügungen erlassen werden.
Abs. 3 wird aufgehoben, da der Bund das Verfahren abschliessend regelt. Die Kantone haben keine Kompetenz mehr, ein Einspracheverfahren freiwillig einzuführen.
Ziffer 32
32. Das Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung (EG KVG)
vom 5. September 1995 wird wie folgt geändert:
§ 31 Abs. 4
4 Für das Verfahren gilt das Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege (Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG) vom … ; das Beschwerdeverfahren ist kostenpflichtig.
§ 32 Abs. 3
Aufgehoben.
Titel nach § 32 (neu)
Hbis. Kantonales Schiedsgericht gemäss KVG
§ 32a (neu) [Zusammensetzung und Wahl]
1 Das Schiedsgericht besteht aus der Präsidentin oder dem Präsidenten des kantonalen
Versicherungsgerichts (Vorsitz) sowie je zwei Mitgliedern aus der Gruppe der Krankenversicherungen einerseits und der entsprechenden Kategorie der Leistungserbringer nach KVG
andererseits; sie werden vom Regierungsrat, nach Anhören der entsprechenden kantonalen
Organisation, für eine vierjährige Amtsdauer gewählt.
2 Das Schiedsgericht urteilt in einer Besetzung von drei oder fünf Richterinnen und Richtern,
bestehend aus der oder dem Vorsitzenden und je gleich viel Mitgliedern aus der Gruppe der
am Streite beteiligten Parteien.
3 Ein Obergerichtsschreiber oder eine Obergerichtsschreiberin erledigt die Gerichtsschreiberarbeiten; die Obergerichtskanzlei besorgt die Kanzleigeschäfte.
§ 32b (neu) [Verfahren]
Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften über das Klageverfahren vor Versicherungsgericht.
Bemerkungen zu Ziffer 32
Die Organisation der vom IVG und KVG vorgeschriebenen kantonalen Schlichtungsstellen
wird neu in die kantonalen Einführungsgesetze eingefügt (s. auch Bemerkungen oben zu
Ziffer 30). Die Verordnung über die Rechtspflege in Sozialversicherungssachen kann
aufgehoben werden (s. unten Ziffer 4.7.3).
In § 31 Abs. 4 wird das Beschwerdeverfahren für kostenpflichtig erklärt. Dies war schon
bisher so, muss aber zufolge der Verweisung in § 58 Abs. 2 nVRPG auf das ATSG nun
explizit festgehalten werden.
- 107 -
Ziffer 33
33. Das Gesetz über die öffentliche Sozialhilfe und die soziale Prävention (Sozialhilfe- und
Präventionsgesetz, SPG) vom 6. März 2001 wird wie folgt geändert:
§ 58 Abs. 2 bis (neu), 3 und 4
2bis Im Verfahren vor Verwaltungsgericht gelten keine Rechtsstillstandsfristen.
3 Die Beschwerdefrist beträgt 30 Tage.
4 Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege
(Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG) vom … .
Bemerkungen zu Ziffer 33
Weil § 27 Abs. 2 nVRPG vor den Verwaltungsjustizbehörden grundsätzlich Rechtsstillstandsfristen (Gerichtsferien) vorsieht, müssen diese in Verfahren nach Sozialhilfe- und
Präventionsgesetz vor Verwaltungsgericht ausdrücklich ausgeschlossen werden
(entsprechend der bisherigen Regelung in § 31 VRPG).
Ziffer 34
34. Das Gesetz über die Erhaltung und Förderung der Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz) vom 11. November 1980 wird wie folgt geändert:
§ 17 Abs. 3
3 Die betroffenen Grundeigentümer und -eigentümerinnen können innert 30 Tagen
nach Kenntnisnahme beziehungsweise nach Bekanntgabe der Auflage Einsprache
beim zuständigen Genossenschaftsorgan einreichen. Dieses entscheidet, in der Regel
nach Durchführung einer Einigungsverhandlung, über die Einsprachen.
§ 28 Abs. 2
2 Gegen Verfügungen des Gemeinderates betreffend Beitragsleistungen kann innert 30
Tagen seit Zustellung bei der Landwirtschaftlichen Rekurskommission Beschwerde
eingereicht werden.
§ 42
Der Beschluss der in § 14 Abs. 2 genannten Gemeindeorgane zur Durchführung einer
Güterzusammenlegung kann innert 30 Tagen seit dessen Veröffentlichung beim Regierungsrat angefochten werden.
Bemerkungen zu Ziffer 34
Im Landwirtschaftsgesetz werden die Rechtsmittelfristen ans nVRPG angepasst.
Ziffer 35
35. Das Gesetz über Wildschutz, Vogelschutz und Jagd (Jagdgesetz) vom 25. Februar 1969
wird wie folgt geändert:
§ 51 Abs. 1
1 Auf Vorschlag der Interessiertenkreise bestellen für je vier Jahre das zuständige
Departement eine Jagdkommission pro Bezirk und der Regierungsrat eine kantonale
Jagdkommission als Beschwerdeinstanz.
- 108 -
§ 52 Abs. 1 und 3
1
Gegen alle das Jagdwesen betreffenden Verfügungen von Bezirksämtern oder
Gemeinderäten kann innert 30 Tagen seit Zustellung des Entscheids beim Regierungsrat Beschwerde geführt werden.
3 Aufgehoben.
Bemerkungen zu Ziffer 35
Das Jagdgesetz wird dem Instanzenmodell und den Fristen des nVRPG angepasst.
In § 51 Abs. 1 wird der letzte Satzteil gestrichen, da ein endgültiger Entscheid gemäss
Art. 29a BV und neuem BGG nicht mehr zulässig ist.
Ziffer 36
36. Das Gesetz über den Vollzug des Strassenverkehrsrechtes vom 6. März 1984 wird wie
folgt geändert:
§ 2 Abs. 2 und 4
2 Gegen Verkehrsanordnungen kann jeder Betroffene innert 30 Tagen seit der Veröffentlichung bei der verfügenden Behörde Einsprache erheben. Gegen Einspracheentscheide kann innert 30 Tagen beim Regierungsrat Beschwerde geführt werden.
4 Aufgehoben.
§ 3 Abs. 4
4 Gegen Entscheide des Gemeinderates kann innert 30 Tagen beim Regierungsrat
Beschwerde geführt werden.
§ 6 Abs. 2
2 Gegen Entscheide des Gemeinderates kann innert 30 Tagen beim Regierungsrat
Beschwerde geführt werden.
Bemerkungen zu Ziffer 36
Die Rechtsmittelfristen im Gesetz über den Vollzug des Strassenverkehrsrechtes werden
ans nVRPG angepasst. Weiter wird die abschliessende Zuständigkeit des Regierungsrats in
§ 2 Abs. 4 aufgehoben, da diese nicht mehr zulässig ist. Seit 1. Januar 2003 ist gegen
Anordnungen nach Art. 3 Abs. 4 SVG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gegeben (nicht mehr die Beschwerde an den Bundesrat). Daher sind die Kantone
gemäss Art. 98a OG verpflichtet, eine richterliche Behörde als letzte kantonale Instanz zu
bestellen.
4.7.3 Fremdaufhebungen
Es werden aufgehoben:
1. Das Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege (Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG)
vom 9. Juli 1968;
2. Die Verordnung über die Rechtspflege in Sozialversicherungssachen vom 22. Dezember
1964.
- 109 -
Bemerkungen
Das neue Verwaltungsrechtspflegegesetz ersetzt das bisherige VRPG vollständig. Es kann
aufgehoben werden.
Die Verordnung über die Rechtspflege in Sozialversicherungssachen vom 22. Dezember
1964 kann aufgehoben werden. Das neue Verwaltungsrechtspflegegesetz ersetzt die bisherige grossrätliche Verordnung über die Rechtspflege in Sozialversicherungssachen (VRS) bis
auf die §§ 44 – 46 vollständig. Die Organisation der vom IVG und KVG vorgeschriebenen
kantonalen Schlichtungsstellen wird neu in die kantonalen Einführungsgesetze eingefügt
(s. oben Fremdänderungen Ziff. 28 und 30). § 45 und § 46 Abs. 2 können ebenfalls
aufgehoben werden, da diese Bestimmungen im Bundesgesetz über die Unfallversicherung
stehen. Die Organisation der vom UVG vorgeschriebenen kantonalen Schlichtungsstelle wird
in eine bestehende kantonale Verordnung integriert, da ansonsten keine Organisations- bzw.
Verfahrensbestimmungen für das Schiedsgericht nach UVG bestehen.
4.7.4 Publikation und Inkraftsetzung der Fremdänderungen und -aufhebungen
Diese Änderungen sind nach unbenütztem Ablauf der Referendumsfrist beziehungsweise
nach Annahme durch das Volk in der Gesetzessammlung zu publizieren. Der Regierungsrat
bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens.
Bemerkungen
Die Fremdänderungen und -aufhebungen sind in der Gesetzessammlung zu publizieren. Der
Regierungsrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens.
5.
Weiterer Revisionsbedarf
Als Folge des neuen Verfahrensgesetzes werden, nebst den unter II. nVRPG erwähnten
Gesetzen, verschiedene andere Erlasse tieferer Stufe (Dekrete und Verordnungen) angepasst werden müssen. Dies betrifft einerseits den Instanzenzug (Bezeichnung der Rechtsmittelinstanzen) und andererseits dem neuen VRPG widersprechende Verfahrensbestimmungen, sofern diese nicht aufgrund besonderer Umstände weiterhin gelten sollen.
Mit der Botschaft zur 2. Beratung des nVRPG wird der Regierungsrat eine weitere Vorlage
mit den Dekretsänderungen unterbreiten.
6.
Finanzielle und personelle Auswirkungen
Der Nutzen des neuen Gesetzes liegt in erster Linie darin, dass das Verwaltungsverfahren
und der Verwaltungsprozess präziser geregelt werden, was sowohl den rechtsanwendenden
Behörden als auch den betroffenen Privaten Vorteile bringt. Zudem erfolgt mit dem neuen
VRPG die notwendige Anpassung des kantonalen Rechts an die Vorgabe des Bundes, der
seit 1. Januar 2007 bei Rechtsstreitigkeiten grundsätzlich einen Anspruch auf Beurteilung
- 110 -
durch eine richterliche Behörde, auch auf kantonaler Ebene, gibt (Art. 29a BV und neues
Bundesgerichtsgesetz).
Durch den in verschiedenen Bereichen vorgesehenen Wegfall einzelner Rechtsmittelinstanzen kann das Verfahren beschleunigt werden (Bsp. kein doppelter Instanzenzug mehr über
Departement und Regierungsrat im Bereich der Verwaltungs- und Gemeindebeschwerden
im Gemeindegesetz, s. 109 GG und Kapitel 8 hinten). Insgesamt werden jedoch keine Ressourcen frei, da zufolge der neuen bundesrechtlichen Vorgaben grundsätzlich ein Weiterzug
ans Verwaltungsgericht zulässig sein muss. Der damit verbundene Übergang zur Generalklausel (mit kleinem Ausnahmekatalog) bei den Zuständigkeiten sowie die neue Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts in Vollstreckungsbeschwerden werden höchstwahrscheinlich zu
einer Mehrbelastung des Verwaltungsgerichts führen. Diese kann jedoch nicht vermieden
werden, da das Bundesrecht (bis spätestens 1. Januar 2009) zwingend umgesetzt werden
muss, und sie ist somit auch keine eigentliche Folge des neuen VRPG. Die Neuregelung der
Sprungbeschwerde (§ 51 nVRPG) wird ebenfalls zu einer Mehrbelastung des Verwaltungsgerichts führen. Eine gewisse Entlastung und zudem eine weitere Verfahrensbeschleunigung
bringt demgegenüber die Bestimmung, dass neu auch Verwaltungsjustizbehörden die
schriftliche Eröffnung auf die Zustellung des Dispositivs beschränken können mit dem Hinweis, dass eine begründete Ausfertigung verlangt werden kann (§ 26 Abs. 3 nVRPG) und
durch die Möglichkeit des Vergleichs sowohl über den Sachverhalt als auch das Ganze (§§
17 Abs. 3 und 19 Abs. 1 nVRPG).
Die konkrete Mehrbelastung des Verwaltungsgerichts kann nicht beziffert werden, da nicht
abschätzbar ist, wie viele Fälle pro Jahr zusätzlich beim Verwaltungsgericht eingehen werden und in wie vielen Fällen das Verwaltungsgericht dadurch entlastet wird, dass kein begründetes Urteil verlangt wird. Wichtig ist jedoch das Bewusstsein, dass durch die neuen
bundesrechtlichen Vorgaben mit einer Mehrbelastung des Verwaltungsgerichts zu rechnen
ist und dass bei entsprechendem Bedarf des Verwaltungsgerichts für zusätzliche Ressourcen innert nützlicher Frist reagiert wird. Eine handlungsfähige und qualitativ gute Gerichtsbarkeit ist für den Standort Aargau von grosser Bedeutung.
7.
Auswirkungen auf die Wirtschaft
Die Straffung bei den Instanzenzügen und den Verfahrensregelungen führt zu einer schnelleren Erledigung der Streitfälle. Durch die Möglichkeit der Sprungbeschwerde – auch gegen
den Willen des Verwaltungsgerichts – kann der Instanzenzug verkürzt werden bei Fragen, in
denen die Unternehmen wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung auf jeden Fall einen Entscheid des Verwaltungsgerichts wollen. Die Zulässigkeit des Vergleichs eröffnet ausserdem
weitere Möglichkeiten für eine raschere und kostengünstigere Streiterledigung.
Generell bringt das neue Gesetz für die Unternehmungen eine bessere Übersicht und grössere Klarheit über das Verfahrensrecht in verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten. Heute
vorliegende Schwierigkeiten und Unsicherheiten, wie beispielsweise die fehlende Definition
der Verfahrensbeteiligten oder unklare Rechtswege, werden behoben und die gerichtliche
Praxis zum heutigen VRPG weitgehend ins neue Gesetz integriert.
- 111 -
8.
Auswirkungen auf die Gemeinden
Das neue Verwaltungsrechtspflegegesetz hat keine grossen Auswirkungen auf die Gemeinden.
Bei den Fremdänderungen zum nVRPG wird das Gemeindegesetz geändert (s. Ziffer. 8 der
Fremdänderungen): Neu findet kein doppelter Instanzenzug mehr statt über Departement
und Regierungsrat im Bereich der Verwaltungs- und Gemeindebeschwerden. Weiter wurde
im Gemeinderecht die 20-tägige Rechtsmittelfrist für Verwaltungsbeschwerden in § 105 GG
an die neue Rechtsmittelfrist von 30 Tagen gemäss § 44 nVRPG angepasst. Die bisherige
Rechtsmittelfrist von 20 Tagen für Gemeindebeschwerden in § 106 Abs. 1 GG wurde demgegenüber auf 10 Tage reduziert, da es sich dabei um eine dringliche Frist handelt.
Abschliessend zu erwähnen ist noch § 31 Abs. 2 Satz 2 nVRPG: Den Behörden können neu
Verfahrenskosten auferlegt werden, wenn sie schwerwiegende Verfahrensmängel begangen
oder willkürlich entschieden haben. Diese Regelung wird jedoch kaum finanzielle Auswirkungen auf die Gemeinden haben, da davon auszugehen ist, dass auf Gemeindeebene nur in
Ausnahmefällen qualifiziert falsch gehandelt wird.
Antrag:
1.
Der Entwurf für ein neues Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege
(Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG) wird in 1. Beratung zum Beschluss erhoben.
2.
Die (99.391) Motion Dr. Beat Edelmann, Zurzach, vom 7. Dezember 1999 betreffend
Zusprechung einer Parteientschädigung an Gemeinwesen im Verwaltungsverfahren und
verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäss § 36 VRPG wird abgeschrieben.
3.
Das (02.183) Postulat Martin Bhend, Oftringen, vom 4. Juni 2002 betreffend Änderung
beziehungsweise Ergänzung des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRPG) zur finanziellen
Sicherstellung von Ersatzvornahmen durch die öffentliche Hand wird abgeschrieben.
- 112 -
Aarau, 14. Februar 2007
IM NAMEN DES REGIERUNGSRATS
Landammann:
Kurt Wernli
Staatsschreiber:
Dr. Peter Grünenfelder
Beilage:
–
Synoptische Darstellung des Gesetzesentwurfs
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