Zwischen Jerusalem und Monte Carlo - Schönstatt

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SCHÖNSTATT, IM JULI 2009
Gedanken zum Monat Juli
Zwischen Jerusalem und Monte Carlo
Heiß scheint die Sonne an diesem 14. Juni in den Klosterhof der Benediktiner auf der Insel Reichenau. Die Bläser,
die vorher mit festlicher Barockmusik den Gottesdienst gestaltet hatten, zeigen, dass sie auch ganz andere Töne
ihren Instrumenten entlocken können. Und die durstigen Gäste greifen dankbar nach den Erfrischungen, die Gemeindeglieder anbieten. Gefeiert wird das Silberne Priesterjubiläum von Schönstatt-Pater Bernhard Schneider, der
von der Insel Reichenau stammt, in Karlsruhe groß geworden ist und am 9. Juni, dem Pfingstsamstag, im Jahr 1984
zum Priester geweiht wurde. Anschließend war er Kaplan in Sursee (Schweiz). Um die Schweizer Schönstattjugend
kümmerte er sich sechs Jahre. Frucht dieser Jahre sind u.a. auch etliche junge Bundespriester in der Schweiz, deren
Berufung er zu wecken und zu fördern verstand. Nach der Wende engagierte er sich acht Jahre lang für die
Schönstattjugend in Ostdeutschland. Seit 2000 arbeitet er für die Familienbewegung in Bayern und seit 2008 auch
für die Diözese Freiburg.
Hinter diesen knappen biographischen Fakten verbirgt sich eine interessante Persönlichkeit, die sein Provinzial, Pater Franz Brügger, bei seiner Gratulation in die zwei Orte fasste: Zwischen Jerusalem und Monte Carlo. „Jerusalem“
steht für Pater Schneiders Begeisterung für das Ursprüngliche des Christentums, und „Monte Carlo“ benennt seine
Faszination für das Außergewöhnliche. Bibel und Zirkus – bei diesen Themen schlägt Pater Schneiders Herz höher.
Auslandssemester an der Eccole biblique in Jerusalem 1982, ein Sabbatikum dort 1998 sowie etliche Pilgerreisen für
Gruppen von Jugendlichen und Erwachsenen ins Heilige Land sprechen eine deutliche Sprache. Da hat jemand
wirklich sein Herz verloren an die Orte, die für unseren Glauben und für das Volk des Alten Bundes bedeutsam sind.
Während sich dieses Hobby sehr gut mit dem Priesterberuf vereinbaren lässt, so ist doch die Seelsorge an den Artisten angesichts der geringen Zahl an deutschen Schönstatt-Patres für die große deutsche Bewegung eher ein exotisches Hobby, ein Kürprogramm, für das nur Zeit im Urlaub bleibt. Hatte doch Pater Kentenich in seiner „Werktagsheiligkeit“ die Devise ausgegeben: „Das Gewöhnliche außergewöhnlich gut tun!“ Für Pater Schneider sollte es nicht
die Alternative geben, von der ein Theologieprofessor einmal gesprochen hatte: „Die Tragik der theologischen Fakultäten besteht darin, dass die außerordentlichen Professoren nichts Ordentliches leisten und die ordentlichen Professoren nichts Außerordentliches.“ – Die strahlenden Gesichter der Menschen aus den früheren und aktuellen Aufgabengebieten des Jubilars sprachen eine deutliche Sprache: Da hat es ein Seelsorger verstanden, das tiefe Vertrauen
seiner „Schäfchen“ zu gewinnen, ihnen über Jahre ein zuverlässiger und inspirierender Begleiter zu sein, bei aller
Herzlichkeit und Nähe doch so viel Freiheit zu lassen, dass sie ihr Ureigenstes und damit auch das Gottgewollte
finden und verwirklichen konnten. Priestersein hatte Pater Schneider nie in der Engführung eines menschenscheuen
liturgischen Ästheten und reinen Sakramentenspenders verstanden, sondern er war und ist der Vollblutseelsorger,
der sprichwörtlich gute Hirte, in dessen Nähe andere groß werden können und ihre Originalität zur Entfaltung bringen
können. So ist auch die Sakramentenspendung eingebettet in den großen Horizont der Erlösungs- und Liebesgeschichte, die Gott mit jedem Menschen ganz persönlich gestaltet. Damit wandelt er treu in den Spuren seines geschätzten spirituellen Meisters, Pater Josef Kentenich, und ist auch ein lebendiges Beispiel für das neue Zueinander
von Weihepriestertum und allgemeinem Priestertum aller Getauften, wie es das Zweite Vatikanische Konzil definiert
hatte.
Bankverbindung: Schönstatt-Patres - Konto 10 700 - BLZ 400 602 65 - Darlehenskasse Münster
Da Pater Schneider bei der Feier meines Silbernen Priesterjubiläums 2005 in Heiligenstadt gepredigt hatte, konnte
ich mich diesmal „revanchieren“. Es war in seinem Sinne, dass ich nicht so sehr den Fokus auf ihn lenken sollte,
sondern auf Klimafaktoren, die dafür sorgen, dass in unseren Gemeinden junge Männer überhaupt wieder die Frage
ans eigene Herz lassen, ob Christusnachfolge für sie auch in der Form des Priestertums denkbar wäre. Einige Ausschnitte der Predigt möchte ich anschließen:
Lieber Bernhard
Wir feiern heute dein Silbernes Priesterjubiläum; und mit Dir feiern es viele, die Dir viel verdanken. Denn
durch deine einfühlsame und aufmunternde Art hast Du Dir die Herzen vieler Menschen erobert. Manche
hast Du über Jahre als treuer geistlicher Begleiter zum seelischen Wachstum angeregt, manche hast Du aus
dunklen Tunneln der Verzweiflung und Trauer befreit und zurück ins Leben geführt; manchen Ehepaaren,
die meinten, es ginge nicht mehr weiter, hast Du neue Wege und goldene Brücken zum Herzen des Partners
neu erschlossen.
Und wenn man Dich so inmitten von Ehepaaren oder Jugendlichen erlebt, dann hat man den Eindruck: Du
blühst darin richtig auf. Du verstehst Dich in Deinem Priestersein als Vollblutseelsorger, dem nichts Menschliches fremd ist. Du führst ein erfülltes Leben und bist zum Segen für viele geworden.
Und doch schwebt über all der Feieratmosphäre die bange Frage: Sind wir Priester nicht eine aussterbende
Art? Zumindest die Zahlen in Europa legen eine solche Interpretation nahe. Ich finde es nicht ehrlich, wenn
wir heute inmitten der Feier diese Frage tabuisieren.
Ich halte es in diesem Zusammenhang eher mit dem Leipziger Maler Werner Tübke: "Wenn im Schönen
nicht das Gefährliche oder Gefährdete durchschimmert, dann war oder ist der Sensibilisierungsprozess des
Künstlers fürs Lebendige noch nicht weit genug fortgeschritten oder er war oder ist lügenhaft." (Werner
Tübke)
Sinngemäß möchte ich für das heutige Fest sagen: Wenn in der Freude über 25 Jahre Priestertum nicht
auch das Gefährdete durchschimmert, dann wäre das ein abgehobener, verlogener Triumphalismus. Doch
so etwas liegt Dir nicht und mir auch nicht. Du bist eher der Vertreter eines geerdeten und durch den Osterglauben verklärten Realismus’.
Deshalb noch einmal die Frage: Sind wir Priester eine vom Aussterben bedrohte Art? Und daraus ergibt sich
gleich die zweite Frage: Lässt sich dagegen etwas unternehmen? Werfen wir doch einmal einen Seitenblick
auf den „Deutschen Naturschutzbund“ Der Naturschutzbund beschränkt ja seine Tätigkeit nicht allein auf die
Beobachtung und Erstellung von so genannten „roten Listen“, auf denen die vom Aussterben bedrohten Tiere aufgezählt werden. Nein, er fragt auch nach den Ursachen für das Aussterben der Arten und er kämpft um
entsprechende Maßnahmen, damit seltene Tiere einen ihnen gemäßen Lebensraum zurück bekommen.
Spektakulärstes Beispiel für solche Maßnahmen sind die Grünbrücken bzw. Querungshilfen über neue Bundesstraßen und Autobahnen. 36 wurden bisher in Deutschland gebaut und 41 weitere sind im Bau oder in
unmittelbarer Planung.
Wir modernen Menschen brauchen neue Autobahnen und neue Bundesstraßen, um den Verkehr besser
bewältigen zu können. Wir als Bewegungspatres sind viel unterwegs und sind dankbar, wenn wir auf mehrspurigen Autobahnen schnell und ohne Stau an unseren nächsten Wirkungsort kommen. Aber oft durchschneidet ein Straßenneubau die wichtigen und intakten Wanderrouten von Rothirschen, Baummardern,
Fischottern, Dachsen und Wildkatzen. Und wenn die zusammenhängenden Gebiete zu klein werden, dann
sterben die Arten aus….
Nach diesem Seitenblick auf den Bund für Umwelt und Naturschutz fragen wir uns: Worauf muss die Kirche
achten, wenn Priesterwerden wieder eine ganz normale Perspektive für einen jungen Mann werden kann?
Denn so manche modernen Errungenschaften zerschneiden die natürliche Verbindung des Menschen zu
Gott wie es die Autobahnen für die Lebensräume der Wildtiere tun.
Ich habe zwar in den letzten Jahren wiederholte Male darauf hingewiesen, dass ein Priester nie arbeitslos
werden kann – eine berufliche Perspektive, von der heute die wenigsten Arbeitnehmer träumen können.
Aber ich habe noch nie einen Jugendlichen gefunden, der diese Lebensqualität so zu schätzen wusste, dass
er den Weg zum Priestertum eingeschlagen hat.
Womit ich mich als Priester allerdings häufig konfrontiert sah – besonders im Gespräch mit kirchenfernen
oder nicht kirchlichen Gesprächspartnern – das war Mitleid: „Der Arme! Der darf nicht heiraten!“ Ich kann
mich noch daran erinnern, wie ich zu DDR-Zeiten einen jugendlichen Tramper mitgenommen hatte. Er wusste fast nichts von der Kirche, aber das katholische Pfarrer nicht heiraten dürfen, dass wusste er. Fast mitleidig fragte er: „Aber eine Freundin dürfen Sie doch haben?“ – Wobei er mit dem Wort „Freundin“ eine Sexualpartnerin meinte. Hinter dieser Beobachtung verbirgt sich eine veränderte Großwetterlage: Und diesen
Klimafaktor möchte ich einmal benennen mit:
Vergötzung der Sexualität als unersetzlicher Glücksquelle! Unter Vergötzung verstehen wir einen Vorgang,
wo eine in sich gute Sache, oder ein Wert verabsolutiert wird und an die höchste Stelle gesetzt wird. Doch
dieser Platz gehört Gott. Und zur Vergötzung gehören dann auch die Götzenopfer. Wenn z.B. der Wert Erfolg zum Götzen wird, dann werden ihm Menschenopfer dargebracht. Das haben wir an den Dopingskandalen im Radsport beobachten müssen. Wenn der Wert Reichtum zum Götzen wird, dann wird der Mensch
Sklave seiner Gier. Wenn der Wert Macht zum Götzen wird, dann können Politiker zu Diktatoren werden, die
über Leichen gehen. Aus dem Wert Sexualität, die ja eine Erfindung des Schöpfergottes ist, wurde in den
letzten 40 Jahren ein Götze….
Eine neue Kultur des Verzichtes schafft ein Klima, in dem es weniger unglückliche - weil total verwöhnte Kinder gibt, und in dem sich junge Menschen wieder vorstellen können, auch außerhalb von Ehe und Familie
ein erfülltes Leben führen zu können. Und ein solches Klima fördert auch die Fähigkeit zur Treue für Ehepaare. Ein solches Klima wirkt wie eine Grünbrücke über die Autobahn.“
Einen zweiten wichtigen Klimafaktor in unseren Gemeinden benannte ich mit dem Begriffspaar: Spirituelles
Wachstum und Entscheidungschristentum statt Folklorechristentum. Als dritten Klimafaktor benannte ich die
Personalisierung des Glaubens: „Christsein ist nicht primär eine Weltanschauung sondern eine Liebesgeschichte mit dem persönlichen Gott. Abstraktionen brauchen keine Mütter, aber Jesus ist Mensch geworden
und hat uns seine Mutter geschenkt. In ihrer Nähe und in ihrem Klima gelingt Christsein besonders gut und
können Berufungen wachsen.“
Ich beendete die Predigt mit den Worten: „Wenn wir uns um diese 3 Klimafaktoren in unseren Gemeinden
Bemühen, dann tun wir auf seelischem Gebiet das, was die Grünbrücken über die Autobahnen für die Wildtiere darstellen.
Ich wünsche Dir für die nächsten 25 Jahre Gottes reichen Segen. Und uns allen eine neue Freude am
Christsein.“
Liebe Freunde der Schönstatt-Patres!
Der Heilige Vater hat aus Anlass des 150. Todestages († 4. 08. 1859) des hl. Pfarrers von Ars, Johannes-Maria Vianney, ein Priesterjahr ausgerufen, um das Thema Priesterberufung wieder mehr ins öffentliche Bewusstsein der
Kirche zu stellen. Wir freuen uns, dass der 100. Weihetag Pater Kentenichs (Er wurde am 8.7.1910 in Limburg in der
Hauskapelle der Pallottiner zum Priester geweiht.) in dieses Priesterjahr fällt.
Und wir freuen uns, dass unser Mitbruder Frank Riedel am Sonntag den 20.09 um 10.45 Uhr in der Anbetungskirche
hier in Schönstatt durch Weihbischof Karl Borsch aus Aachen zum Priester geweiht wird. Zu dieser Feier möchte ich
Sie im Namen der Schönstatt-Patres ganz herzlich einladen. Mit der Feier wollen wir unser alljährliches Sionsfest
begehen. Sie sind also im Anschluss an die Weihe herzlich ins Vaterhaus auf Berg Sion eingeladen.
Wir möchten Sie auch bitten, ihn und unsere beiden tschechischen Diakone Daniel und Petr, die sich ebenfalls auf
die Priesterweihe vorbereiten, im Gebet zu begleiten.
Danke für alle Zeichen der natürlich-übernatürlichen Solidarität, mit der Sie unsere Arbeit im In- und Ausland unterstützen. Und ich möchte Sie bitten, den 20.9. schon im Kalender vorzumerken. Sie können sich auch schon über den
Mangotreff anmelden. Je eher, je besser.
Gerne bete ich im Heiligtum für Sie und grüße Sie von „Sion“ aus,
Ihr
Pater Elmar Busse
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