die_Lehren_des_Herzmeisters_Da_Avabhasa

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Nur das Glück-An-Sich Ist Frei von der Notwendigkeit
oder dem drängenden Bedürfnis, nach Glück zu Suchen.
Wenn man sich Nur für das Glück-An-Sich entscheidet,
ist alles andere bald vergessen.
Widmet Euch daher ausschließlich und vollkommen dem Glück-An-Sich.
DA AVABHASA THE LION SUTRA (Verse 125-127)
Erwachen zu der Wahrheit jenseits von Angst, Trauer und
Zorn
Nach einem spirituellen Lehrgespräch des Herzmeisters Da Avabhasa vom 24. Mai
1983.
Manchmal wird den Menschen klar, dass sie sich nicht wohl fühlen, keine tiefen
Empfindungen haben,
ihre Gefühle nicht frei ausdrücken und sich nicht auf andere emotional einlassen
können. Sie versuchen
dann alles Mögliche, um diesen Zustand zu beheben.
Sie versuchen z.B. das gegenteilige Gefühl in sich hervorzurufen. Falls sie zu
Depressionen neigen,
versuchen sie besonders lustig zu sein und aus sich herauszugehen. Falls sie nicht
viel für
andere empfinden, versuchen sie ein wirkliches Interesse für andere zu entwickeln
und ihnen eine
Menge Energie und „Liebe“ zu geben. Sie fangen an, sich mit verliebten Augen
anzustarren,
und sagen ihnen fortwährend, wie sehr sie sie lieben.
Oder sie nehmen Zuflucht zu psychotherapeutischen Methoden, um gefühlvoller zu
werden. Sie
durchsuchen die Vergangenheit nach Ursachen für ihre emotionale Verschlossenheit
oder nach
Erinnerungen und traumatischen Erfahrungen, welche sie am Fühlen hindern. Oder
sie beobachten
ihre Träume, um einen Schlüssel in ihnen zu finden, mit dem sie an die Kraft ihrer
Emotionen
herankommen können.
Oder sie versuchen religiös zu werden. Sie lesen eine Menge über Religion oder
gehen zu religiösen
Organisationen und versuchen, sich irgendeine große Idee von der Wirklichkeit zu
bilden,
die sie instand setzen soll, stärker zu empfinden, offener zu sein in ihren Gefühlen,
sich nicht so
widerborstig und verkrampft, sondern einfach glücklich zu fühlen.
Oder sie versuchen sich ständig aufs Neue zu verlieben. Sie stürzen sich in
sexuelle Abenteuer
und lassen sich mit allen und jedem ein. Sie versuchen eine Menge Freunde zu
haben und wollen
immer von allen geliebt werden.
Oder sie wollen sich immer in ihrer Haut wohl fühlen und wenden sich daher
körperlichen Vergnügen
zu. Sie versuchen, immer satt zu sein, niemals leer, niemals ohne Essen, niemals
sexuell
untätig. Oder sie reden oder denken zwanghaft, um damit eine Energie in sich zu
entwickeln, die
das Gefühl der Leere und Bedrückung vergessen lässt.
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Oder sie machen sich anderen gegenüber nützlich, indem sie sich humanitären
Aufgaben widmen,
der Gesellschaft dienen und „gute Werke“ tun. Oder sie wollen andere belehren,
wollen an
die Öffentlichkeit gehen und den Menschen sagen, wo es lang geht, um sich dadurch
zu bestätigen,
dass es wirklich etwas gibt, das wahr ist und worüber man sich freuen kann.
Und so weiter und so fort .... ohne Ende. Mit anderen Worten: alle - nicht nur ein paar
Leute, die ihre
Gefühle nicht ausdrücken können - sondern alle tun irgendetwas, um jenes Übel zu
kurieren, das sie
für eine emotionale Krankheit halten. Aber die Gründe für ihren verkümmerten
Zustand, ihre emotionale
Absonderung, ihre emotionale Verstörtheit werden durch keine dieser
Unternehmungen beseitigt.
Jeder kann sich gewiss irgendeinmal ein bisschen besser fühlen, aber in jenem
letzen Sinne versagen
die Menschen - sie sind am Ende nicht einfach wirklich Glücklich-An-Sich.
Alles, was Du treibst, sei es sozialer, physischer, geistiger, psychischer oder
emotionaler Natur, ist
also die Dramatisierung einer emotionalen Krankheit oder einer „Krankheit des
Fühlens“. „Fühlen“ im
eigentlichen Sinne ist nicht bloß das, was Du als Gegenanstrengung gegen Deine
gehemmte Emotionalität
machen könntest, indem Du immer emotionaler würdest. Mit „Fühlen“ meine ich das
Gefühl-desSeins, das Daseins-Gefühl oder Daseins-Bewusstseins, das der Urzustand der
gesamten Person ist und
sich nicht auf einen neurologischen Teil in uns beschränken lässt, dem wir dann
unsere Emotionen zuordnen.
Der gesamte Körper-Geist ist in diesem Fühlen gegründet. Fühlen erstreckt sich
gleicherweise auf
den Geist wie auf die Gefühle. Es erstreckt sich auf den körperlichen und auf den
sozialen Bereich ebenso
wie auf unsere psychische und unsere Spirituelle Natur. Jeder Teil unseres
gesamten Seins Ist
das Seins-Gefühl und ist in Ihm gegründet. Was ich als Fühlen bezeichne, steht
offensichtlich zu dem
in Beziehung, was man gewöhnlich Emotion nennt. Dennoch ist es kein Gefühl, das
sich auf einen bestimmten
Bereich begrenzen lässt, der in einem Sektor des Gehirns oder der Anatomie der
Brust angesiedelt
wäre. Jeder Teil von uns, jeder Aspekt des Körper-Geistes abgesondert und für sich
genommen
- Psyche, denkender Verstand, Emotion, Körper, unser zwischenmenschliches oder
soziales Leben und
so weiter - ist eine Begrenzung des Seins-Gefühls, eine Dramatisierung der
Selbstverkrampfung.
Wenn Du daher dieses Daseins-Gefühl wiederherstellen willst, wenn Du frei und
uneingeschränkt in
diesem Fühlen sein willst, dann musst Du nicht nur empfindungsfähiger werden und
die emotionale
Seite in Dir entwickeln, sondern der ganze Körper-Geist muss sich ohne jede
Einschränkung an Jenes
hingeben, muss Es Sein, muss Es Fühlen.
Der Spirituelle Prozess dreht sich um die Befreiung der Energie und Aufmerksamkeit
von aller Bindung,
Verkrampfung und Begrenzung. Und begrenzte und blockierte Energie und
Aufmerksamkeit
äußern sich beide im gleichen Symptom: der Begrenzung des Daseins-Gefühls.
Ganz gleich was geschieht,
Du Fühlst nicht vollständig, Du Fühlst nicht unbegrenzt, Du Fühlst nicht nur einfach.
Du bist
begrenzt in Deinem Fühlen in Beziehung zu allem, restlos allem. Und so ist Deine
grundlegende
Krankheit, obgleich sie nicht notwendig ist und daher als „imaginär“ bezeichnet
werden könnte, eine
Begrenzung, die Du dem Fühlen auferlegst.
Doch statt Dich nur emotional - und vielleicht insgesamt - krank zu fühlen und nun zu
versuchen,
Deine Begrenzung durch irgendeine Anstrengung, irgendein Linderungsmittel oder
Heilverfahren zu
überwinden - in der Hoffnung, Dir dadurch Erleichterung zu verschaffen - , musst Du
zuerst einmal
einfach nur Deine typischen persönlichen Begrenzungen gründlich beobachten.
Wenn Du den Göttlichen Grundzustand Wahr-nehmen willst, musst Du einen
Prozess der
Selbsttranszendierung durchmachen. Dieser Prozess beginnt damit, dass Du diese
Aussagen über die
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Selbstverkrampfung, die Begrenzung des Fühlens, „untersuchst“1. Du „untersuchst“
diese Aussagen
nicht lediglich dadurch, dass Du über sie philosophierst, sondern indem Du Dich bei
allem, was Du tust
- selbst mitten in Deinen philosophischen Überlegungen - beobachtest.
Diese Arbeit hilft Dir, Dir selbst gegenüber in jeder Hinsicht sensibel zu werden und
in einen profunden
Zustand der Selbstbeobachtung einzutreten. Du beobachtest dann nicht nur, dass
Du krank oder
un-Glücklich bist oder dass Du emotional oder sonstwie verstört bist - sondern dass
Du das selbst tust.
Du selbst machst Dich un-Glücklich. Du selbst bist das Tun, das Deine Neurose,
Deine Begrenzung ist.
Sie ist nicht lediglich etwas, das dem Körper-Geist widerfährt oder ihm irgendwann in
der Vergangenheit
widerfahren ist oder irgendwo in den Organen des Körpers oder im Gehirn steckt. Es
befindet sich
nirgendwo in Raum und Zeit außerhalb von Dir. Du selbst bist der eigentliche
Urheber, der eigentliche
Prozess, der die Begrenzung ist, welcher die Phänomene hervorbringt, die Du dann
als Deinen unGlücklichen Zustand bemerkst und beklagst.
Und folglich ist Dein un-Glücklicher Zustand überhaupt keine Krankheit. Krankheit ist
wie ein
schmerzender Fuß. Sie ist da unten, am Fuß. Dein Fuß ist ein Ding, das Du als
Objekt behandeln
kannst. Dein un-Glücklicher Zustand ist keine Krankheit - ein weiterer Grund dafür,
ihn eine „imaginäre
Krankheit“ zu nennen. Er ist ein Tun. Er ist etwas, das Du tust. Wenn Du Dich ins
eigene Fleisch
kneifst, ist das keine Krankheit. Aber wenn Du nicht bemerkst, dass Du Dich kneifst,
dann wird das
Kneifen mit der Zeit zu chronischem Schmerz. Darauf reagierst Du dann auf
verschiedene Weise und
stellst Deinen ganzen Lebensstil darauf ein. Du wirst diesen Schmerz dann als
„Krankheit“ bezeichnen.
Würdest Du bemerken, dass Du Dich selbst kneifst, dann könntest Du damit
aufhören und alle Symptome
würden dann ebenfalls verschwinden.
Die Menschen können auch ohne große Einsicht bemerken, dass sie leiden, dass sie
sich nicht wohl
fühlen, dass sie un-Glücklich sind. In privatem Gespräch werden sie es gewiss
zugeben, obwohl sie andauernd
alles Mögliche tun, um sich besser zu fühlen. Eben darum denken sie so viel und tun
sie so
viel, haben so viele Wünsche und so viele Emotionen, und eben darum leiden sie
auch so viel. Die Suche
nach Befreiung vom Leid ist selbst eine Form von Leid. Sie ist nicht die Lösung des
Problems. Du
musst mehr tun, als nur zu bemerken, dass Du leidest und Dich anstrengst, das Leid
loszuwerden. Das
ist nicht sehr intelligent und führt zu nichts.
Dieses „mehr“, das Du tun musst, lässt sich gut mit dem Bild des Kneifens
veranschaulichen. Du
musst Dich in jedem Augenblick ganz gründlich und umfassend und unmittelbar bis
in die letzte Einzelheit
beobachten. Es reicht nicht, dass Du einfach nur über Dich nachdenkst. Beobachte
Dich in jeder
Hinsicht, beobachte alles, was in Dir in Erscheinung tritt, so zum Beispiel auch die
Tendenz, über alles
zu grübeln und nachzudenken.
Beobachte Dich, bis Du an den Punkt kommst, wo Du nicht mehr nur feststellst, dass
Du Dich nicht
besonders wohl fühlst und ständig alles Mögliche unternimmst, um Dich besser zu
fühlen. Beobachte,
dass dieses Sich-nicht-wohl-fühlen etwas ist, was Du tust. Es ist nicht etwas, was Dir
widerfährt. UnGlücklichsein ist nicht der seinsnotwendige Grundzustand der kosmischen Natur
oder des KörperGeistes oder des manifestierten Daseins. Es ist etwas, das von Dir zum
manifestierten Dasein hinzugefügt
wird. Es ist eine Reaktion auf das alles. Jemand, der sich lange Zeit ins eigene
Fleisch gekniffen
„Untersuchung“ entspricht im Weg des Herzens dem uralten Yogabegriff des „samyama“: der rigorosen und erschöpfenden
Konzentration
der gesamten Energie und Aufmerksamkeit auf eine Idee, ein Thema, ein Objekt oder eine Person, bis das eigentliche
Wesen dieses
Gegenstandes offenbar wird. Auf dieser Basis kann man dann intelligente und erfolgversprechende Entscheidungen darüber
treffen, wie
man mit dem Gegenstand der „Untersuchung“ umgehen will. Eine solche „Untersuchung“ beinhaltet, dass man bereit ist, alle
vorgefaßten
Meinungen um der Wahrheit willen aufzugeben und gegebenenfalls sein ganzes Leben zu ändern aufgrund der Erkenntnis,
die einem
am Ende der „Untersuchung“ zuteil wird.
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hat und sich schließlich dessen bewusst wird, hört damit auf. Wirkliches Verstehen ist
von der Art - es
befreit Dich von der Vorstellung krank zu sein und von der Anstrengung, ein Problem
zu lösen. Es versetzt
Dich in die Lage, die Verantwortung für einen primitiven Mechanismus zu
übernehmen, den Du
in Gang hältst - aber nicht in Gang zu halten brauchst. Du musst verstehen, dass
Deine Krankheit, Dein
un-Glücklicher Zustand, Deine Gehemmtheit oder wie auch immer Du es nennen
willst, einfach etwas
ist, das Du Dir selbst antust und wofür Du die volle Verantwortung [- nicht die
Schuld!! -] trägst. Du
musst entdecken, dass es nicht notwendig ist, sondern dass Du es dem Dasein
hinzufügst. Du musst sehen,
dass es in der Tat etwas ist, das Du in Gang hältst, anstatt einfach völlig und wirklich
Dazusein.
Wenn Du verstehst, d.h. wenn Du aufhörst, Dich zu kneifen und stattdessen einfach
in der Position
stehst, die dieser Geste, durch die Du Dich un-Glücklich machst, Immer Bereits
Vorausgeht, dann bist
Du in der Lage, den zeitlosen Grundzustand wahrzunehmen. Du wirst Ihn
„Lokalisieren“, in enge Verbindung
mit Ihm treten und Dich schließlich ganz an Ihn hingeben. Es ist der Zustand, in Dem
Du
wirklich existierst, in Dem Du immer bereits existierst, in Dem die ganze kosmische
Natur existiert, in
Dem alle lebenden Wesen existieren. Und wenn Du Ihn „Lokalisiert“ hast, kannst Du
den Weg des
Herzens praktizieren. Die Praxis des Weges des Herzens besteht vor allem in der
Hingabe an diesen
Göttlichen Grundzustand. Die Praxis beruht auf dieser Fähigkeit der Einsicht. Sie
macht auch
Gebrauch von allen möglichen Disziplinen, die Deinem Gleichmut dienen und Deine
Energie und
Aufmerksamkeit freisetzen von den tiefsitzenden Tendenzen, mit denen Du
gewohnheitsmäßig nur
Deinen un-Glücklichen Zustand dramatisierst. Doch in erster Linie besteht die Praxis
in der Hingabe an
den Göttlichen Grundzustand des Daseins. Und das heißt, die Praxis des Weges des
Herzens besteht in
erster Linie darin, dass man unbegrenzt Fühlt.
In jedem Augenblick tritt ein anderer Umstand in Erscheinung und daher neigst Du in
jedem Augenblick
zu einer anderen Begrenzung des Fühlens. In einem Augenblick des Verlangens
begrenzt Du
Dein Fühlen auf das, was Dir begehrenswert erscheint, was Du zu erlangen suchst,
auf die Empfindungen
und Handlungen, die mit dem Verlangen und seiner Befriedigung verbunden sind. In
einem Augenblick
des Denkens übst Du die Begrenzung des Fühlens, indem Du die Aufmerksamkeit
auf die begrifflichen
Kategorien des Denkens begrenzt. In einem Augenblick der emotionalen Reaktion
begrenzt
Du das Fühlen auf die Kraft emotionaler Reaktion - auf Angst, Trauer, Zorn und jenes
Gefühl, das im
Bereich konventioneller Gesten als „Liebe“ bezeichnet wird. Jeder Gegenstand, jeder
Umstand, der in
Erscheinung tritt, ruft in Dir ganz mechanisch eine andere Art der Begrenzung des
Fühlens auf den
Plan.
Und typischerweise wirst Du dann zu dieser Begrenzung. Was auch immer in
Erscheinung tritt, Du
machst Dir diese Begrenzung zu Eigen und identifizierst Dich mit ihr. Und da Du Dir in jedem Augenblick!
- eine Begrenzung zu eigen machst – ohne zu merken, dass Du es selbst tust,
entwickelst Du
im Laufe der Zeit das Gefühl, dass Du un-Glücklich bist, dass Du blockiert bist, dass
Du das bedauernswerte
Opfer widriger Umstände bist - und Deine Suche nach dem Glück wird um so
intensiver.
Die Lektion des Lebens lautet: „Man kann nicht Glücklich werden, man kann nur
Glücklich sein.“
Mit anderen Worten, man kann das höchste Glück nicht durch Suchen erlangen,
sondern man kann nur
dadurch Glücklich sein, dass man das von Natur aus immer bereits vorhandene
Glück des Daseins
Fühlt. Diese Lektion musst Du erfassen, falls Du in den Strom des Spirituellen
Lebens eintreten willst.
Und was Du entdecken musst, ist dies: Du bist genau das, was Du leidest! Und Du
bist es nicht bloß als
ein leidendes Wesen, sondern Du bist selbst tätig als dieses Leiden. Diese Tätigkeit
ist in erster Linie
eine Begrenzung und Vermeidung des Fühlens. Du kannst diese Begrenzung des
Fühlens in Beziehung
auf alles, restlos alles beobachten, in jedem Augenblick praktischer Tätigkeit und in
jeder Situation, jeder
Beziehung, jedem Vorgang.
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Selbst jetzt, in diesem Augenblick, brauchst Du Dich nur zu beobachten um zu
erkennen, dass Du
nicht unbegrenzt Fühlst. Du kannst jetzt diese augenscheinliche Begrenzung
wahrnehmen. Ist es nicht
offensichtlich, dass Du zu wenig fühlst, dass Du nicht vollständig Fühlst, sondern
eine Grenze fühlst,
die auf dem beruht, womit Du Dich gerade beschäftigst oder darauf, wie es Dich
beeindruckt oder wie
Du es in diesem Moment deutest und damit einengst? Wenn Du Dich beobachtest,
stellst Du fest, dass
Du selbst jetzt nicht genug fühlst - in dieser Situation, die Du vielleicht als angenehm,
glücklich oder
problemlos empfindest und die vermutlich frei von ernstlicher Bedrohung ist. Auch
wenn Du Dich gerade
nicht in einem negativen emotionalen Zustand befindest, brauchst Du nur zu
beobachten, dass Du
nicht einfach grenzenlos Glücklich bist und nicht unbegrenzt Fühlst. Wenn Du nicht
unbegrenzt
Fühlst, dann fühlst Du eben nicht genug, sondern engst die Kraft des Fühlens, die
gegenwärtige Kraft
des Daseins ein, d.h. Du bist aktiv un-Glücklich! Diese Begrenzung des Fühlens, die
Du jetzt während
dieser „Untersuchung“ erkennst, ist genau das, worauf solche Ausdrücke wie
„Ego“, „Narziss“, „Selbstverkrampfung“, un-Glücklich“ usw. hinweisen.
Diese grundlegende Begrenzung, die Du in jedem Augenblick in Dir beobachten
kannst, ist eine
Begrenzung des Fühlens, eine Blockierung des Fühlens, die sich in jedem Aspekt
Deines praktischen
Lebens äußert. Sie äußert sich in allen möglichen Denkgewohnheiten, psychischen
Zustände und Neigungen
zu emotionalen Reaktionen, als tief verwurzelte Wünsche und Triebe, als
Gewohnheiten und
Rituale in Deinen Beziehungen zu anderen, als Sucht und Neigung zur
Ausschweifung, als Suche in jeder
Form und als Rollenspiele. All das wurzelt in diesem einen Grundmuster, diesem
einen Vorgang
der Vermeidung, diesem einen kontinuierlichen Zustand. Und diesen chronischen unGlücklichen Zustand
überträgst Du auf die ganze Welt.
Du weißt, dass man in der Psychotherapie von Übertragung spricht. Patienten
projizieren typischerweise
auf ihren Therapeuten Gefühle, emotionale Reaktionen und Verhaltensmuster, die
sie ansonsten
mit den Personen ihres Privatlebens, z.B. ihren Eltern oder Partnern, ausleben oder
früher erlebten. Sie
machen den Therapeuten tatsächlich zu eben jener Person, auf die sie im Alltag
allergisch reagieren
oder reagierten. Aber man braucht kein Patient zu sein, um zu übertragen und zu
projizieren. Jeder überträgt
und projiziert auf andere und auf die ganze Welt die Krankheit, an der er leidet. Diese
Krankheit
färbt die ganze Welt, färbt alle Beziehungen, ist der Grund dafür, dass die Menschen
anderen gegenüber
auf bestimmte Weise handeln und fühlen und denken. Jeder projiziert auf die Welt
und alle
seine Beziehungen seinen eigenen Zustand, für den er selbst verantwortlich ist,
einen Zustand, der seinen
Ursprung nicht in der Welt, sondern in ihm selber hat.
Man könnte deshalb auch sagen, dass die typisch buddhistische Deutung des
manifesten Daseins eine
Form der Übertragung ist: „Das Dasein ist Leiden.“ Wie ist denn das Dasein dazu
gekommen, Leiden
zu sein? Als wenn der Buddhist tatsächlich alles genau untersucht hätte und dadurch
zu dem
Schluß gekommen wäre! Selbst wenn ein solcher Buddhist eine ganze Menge
untersucht hat, so betrachtet
er das alles doch immer nur durch die Brille seiner eigenen Krankheit und überträgt
diese
Krankheit auf die Welt. Und dann beginnt er, an der Welt und an den Erscheinungen
des KörperGeistes herumzudoktern und macht enorme Anstrengungen, die Erscheinungen der
Welt zu eliminieren,
als seien sie selbst eine Art Übel.
Der traditionelle jüdisch-christliche Begriff der Sünde ist ein ähnliches Beispiel der
Übertragung. Er
verknüpft den unglücklichen Zustand des Menschen mit der Idee einer objektiven
historischen Ursache:
mit Adam und Eva und dem, was sie im Garten Eden Gott gegenüber taten! Nach
dieser Auffassung
sind wir daher schon durch die Geburt, durch unseren angeborenen Charakter, durch
den großen
Sündenfall unserer Ureltern ‘objektiv’ zu Sündern gestempelt. Und daher bedürfen
wir auch einer ‘objektiven’
Ursache, um in den Himmel zu kommen, um glücklich oder spirituell lebendig zu
sein. Deshalb
muss dann der Mensch-gewordene Gott zu uns herabsteigen, sich umbringen lassen
und ein bluti6
ges Sühneritual durchmachen, das uns ‘objektiv’ von aller Schuld enthebt, während
wir zuvor rettungslos
verdammt und voller Schuld waren.
Ihr benützt alle diesen ziemlich primitiven Mechanismus der Übertragung, denn kaum
einer hat bisher
die Verantwortung für sich selbst und für die Heilung seiner „Krankheit“ übernommen.
Da Ihr nun
einmal alle diesen Akt der Übertragung gewohnheitsmäßig begeht, sind Eure
sämtlichen Handlungsweisen
von der Art, dass Ihr sie transzendieren müsst. Ihr müsst auch Eure Religionen und
Philosophien
transzendieren, insofern sie alle nur eine Folgeerscheinung Eures eigenen
verantwortungslosen
Leidens sind. Der größte Teil aller Religionen und Philosophien ist das Produkt
menschlicher Verantwortungslosigkeit,
Egozentrik, menschlichen Un-Glücklichseins. All das besteht aus demselben
Zustand,
den ihr jetzt in diesem einfachen alltäglichen Augenblick als Euren gewohnten
Zustand erkennt:
dem Vermeiden des grenzenlosen Daseins-Gefühls, dem begrenzten Fühlen.
Falls Du also fortfährst, diesen Zustand zu beobachten, wirst Du entdecken, dass Du
nicht lediglich
un-Glücklich und chronisch begrenzt im Fühlen bist, sondern dass Du das selbst tust.
Du brauchst
nicht begrenzt zu sein in Deinem Fühlen, Du tust es einfach nur. Falls Du nicht unGlücklich sein
willst, dann tu das nicht mehr! Wende Dich nicht länger an höhere Mächte um
Erlösung, bezeichne das
manifeste Dasein nicht länger als Übel, mach nicht länger alle möglichen
Gegenanstrengungen in Psyche
und Geist und Gefühl und Körper und in Deinem sozialen Leben, um Dich Glücklich
zu machen.
Wenn Du bereits un-Glücklich bist, dann kann nichts von alledem Dich Glücklich
machen. Und wenn
Du wirklich nicht länger un-Glücklich sein willst, dann musst Du Dich beobachten und
aufhören, unGlücklich zu sein, aufhören, das zu tun, was Dein Un-Glück ist. Und was ist Un-Glück
im Grunde anders
als die Begrenzung und Vermeidung des Unbegrenzten Fühlens?
Beobachte auch, dass Du Dich zu allem, was in Erscheinung tritt, als entweder
angemessen oder unangemessen
in Beziehung fühlst. Wenn ein Tiger hinter Dir herjagt, dann ist Angst - und hoffentlich
auch Flucht - die angemessene emotionale Reaktion. Und die unangemessene
Reaktion wäre, dass Du
lachst und anfängst, dem Tiger Geschichten aus Deiner Kindheit zu erzählen. Wenn
jemand zur Beerdigung
eines geliebten Menschen geht, dann ist die angemessene Reaktion, dass er weint
und sich traurig
und schwermütig fühlt, und eine unangemessene Reaktion wäre - wenigstens aus
konventioneller
Sicht - , wenn er lachen, einen Stepp Tanz aufführen und die Tatsache des Todes
leugnen würde. Die
angemessene Reaktion ist jedoch bestenfalls eine sinnvolle Form begrenzter
Emotion angesichts eines
augenblicklichen Tatbestandes. Sie ist noch nicht unbegrenztes Fühlen. Sie ist eine
Begrenzung des
Fühlens, obgleich sie angemessen ist. Erst recht sind unangemessene Reaktionen
Begrenzungen des
Fühlens. Ganz gleich also, was in Erscheinung tritt und ob Du aus konventioneller
Sicht angemessen
oder unangemessen darauf reagierst, Du stellst Dich stets als Begrenzung des
Fühlens dar. Und das ist
aus der Sicht des grenzenlosen Seins - wie Du Dir wohl denken kannst unangemessen!
Du musst also mehr tun, als lediglich Angst zu haben, wenn es konventionell
angemessen ist, Angst
zu haben; traurig zu sein, wenn es angemessen ist; lustig zu sein, wenn es
angemessen ist. Du musst
vollständig Fühlen, ohne jede Einschränkung. Dann wirst Du in jedem Fall nicht
lediglich Angst haben,
zornig oder traurig sein. Du wirst Angst, Trauer und Zorn empfinden und auch das
was Dich zu Angst,
Trauer und Zorn veranlasst. Indem Du Dir vollständig erlaubst, diese Gefühle zu
fühlen, wirst Du diese
Gefühle nicht mehr lediglich dramatisieren. Du wirst, je klarer Du beobachtest, immer
mehr einfach
nur Fühlen. Das Gefühl der angemessenen Emotion wird zum Fühlen-An-Sich, zur
Wahrnehmung des
Fühlens als reiner Energie werden - jenseits aller Bewertung. Und schließlich ist es
einfach Unbegrenztes
Fühlen.
Es ist schon erstaunlich: der Grund dafür, dass Du so verstört bist angesichts der
Gegebenheiten des
Lebens, die Dir Angst, Trauer und Zorn einflößen können, besteht darin, dass Du,
wenn etwas in Er7
scheinung tritt, auf das Du in geeigneter Weise mit Zorn, Trauer oder Angst reagieren
könntest, nie
diese Gefühle vollständig fühlst. Du begrenzt Deine Empfindung selbst dieser
Reaktionen. Und Du begrenzt
zweifellos Deine Empfindung und Wahrnehmung des Umstandes oder Vorgangs, der
in Erscheinung
tritt. Du bekundest stets diese Begrenzung oder Gehemmtheit im Fühlen. Wenn Du
Dich
nicht verkrampfst und das Fühlen unbegrenzt wird, dann wird das Fühlen zum SeinAn-Sich - zum
Fühlen ohne Begrenzung, ohne Reaktion, ohne Verkrampfung. Dieses unbegrenzte
Fühlen geht über
Angst, Trauer und Zorn, über konventionelles Glück und jedes persönliche Gefühl
von Zuneigung oder
Sympathie weit hinaus.
Was ist Es? Es ist Liebe-Glückseligkeit. Es ist die Aus-Sich-Heraus Existierende und
Strahlende,
völlig ungehinderte Kraft des Daseins. Es ist Göttliche Erleuchtung. Es Verklärt den
Körper-Geist und
wird zur Großen Kraft. Wenn Du dann durch diese Freie Energie auf die Schöpfung
blickst, setzt Sie
Dich instand, alle Erscheinungen neu und umfassend zu erfahren. Nun wirst Du nicht
länger sagen, das
manifeste Dasein sei leidvoll oder böse oder sündhaft oder die anderen seien lieblos
oder wir seien
sterblich und das Leben sei schrecklich und so weiter. Statt dessen wirst Du das
gesamte manifeste Dasein
als von Liebe-Glückseligkeit durchdrungen sehen, und zwar nicht lediglich von einer
Glückseligkeit,
die aus allen Richtungen auf Dich zukommt, sondern im Sinne der Aus-Sich-Heraus
Existierenden
und Strahlenden Liebe-Glückseligkeit, die aus allen Richtungen genau an dem Ort
Strahlt, an dem
Du Stehst, und sogar als Du Strahlt und überall und insgesamt Strahlt. Es ist Freie
Energie. Und inmitten
dieser Freien Energie bist Du Frei als unbegrenzte, ungehinderte Aufmerksamkeit.
Wenn die Aufmerksamkeit unbegrenzt ist, ist sie Göttliches Bewußtsein-An-Sich,
einfach Reines
Bewusstsein. Wenn Energie unbegrenzt ist, ist sie Freie Kraft, Liebe-Glückseligkeit.
Wenn Energie
und Aufmerksamkeit unbegrenzt sind, existiert nur das All-Eine, das Aus-SichHeraus Strahlende Unbegrenzte
Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit (Sat-Chid-Ananda). Dann wird auch die ganze Welt
der
Erscheinungen offenbar als Das. Und Du, diese manifeste Person, wirst zu jemand,
der tätig ist als
Göttlich Verklärende Kraft, die dem Reich des manifesten Kosmos Von-Natur-Aus
Innewohnt und es
zugleich Transzendiert.
Sri RamanaMahashi
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