Kapitel 1.5 Ein adäquater Kalkül der Aussagenlogik

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Kapitel 1.5
Ein adäquater Kalkül der Aussagenlogik
Teil 1:
Kalküle und Beweisbarkeit
und die Korrektheit des Shoenfield-Kalküls
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Syntaktischer Folgerungsbegriff: Beweisbarkeit
Wir stellen nun dem semantischen Folgerungsbegriff einen syntaktischen
Folgerungsbegriff, die Beweisbarkeit, gegenüber.
Hierzu führen wir zunächst den Begriff eines Kalküls oder Axiomensystems
sowie die zugehörigen Beweis- und Beweisbarkeitsbegriffe ein.
Wir geben dann einen Kalkül der Aussagenlogik an (den Shoenfield-Kalkül
S) und zeigen, dass Beweisbarkeit in diesem Kalkül mit dem semantischen
Folgerungsbegriff zusammenfällt. Der Beweis besteht aus zwei Teilen:
I Korrektheitssatz: nur semantische Folgerungen lassen sich beweisen
I Vollständigkeitssatz: alle semantischen Folgerungen lassen sich
beweisen
(Hier beweisen wir zunächst nur den Korrektheitssatz und behandeln den
aufwändigeren Beweis des Vollständigkeitssatzes im nächsten Kapitel.)
Da der Beweisbegriff rein syntaktisch beschrieben ist, liefert dies die
gewünschte syntaktische Charakterisierung des Folgerungsbegriffs.
Da Folgerungen aus der leeren Menge mit der Allgemeingültigkeit (al.
Wahrheit) zusammenfallen, erhalten wir mit der Beweisbarkeit insbesondere
eine rein syntaktische Charakterisierung der aussagenlogischen Wahrheit.
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Übersicht
1.5.1 Kalküle: Beweise und Beweisbarkeit
1.5.2 Kalküle der Aussagenlogik: Korrektheit und Vollständigkeit
1.5.3 Der Shoenfield-Kalkül der Aussagenlogik und dessen Korrektheit
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Kapitel 1.5: Kalküle
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1.5.1 Kalküle: Beweise und Beweisbarkeit
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Kalküle (Axiomensysteme)
Ein (formaler) Kalkül K wird durch folgende Komponenten bestimmt:
1
die Sprache von K, die durch das (in der Regel abzählbare) Alphabet von K
festgelegt ist
2
die Menge der Formeln von K, wobei diese eine Teilmenge der endlichen
Folgen (d.h. der Wörter) über dem Alphabet von K ist
3
die Menge der Axiome von K, wobei diese eine Teilmenge der Menge der
Formeln von K ist
4
die Menge der Regeln von K, wobei jede Regel R die Gestalt
(R)
ϕ1 , . . . , ϕn
——————
ϕ
hat, wobei n ≥ 1 und ϕ1 , . . . , ϕn , ϕ Formeln von K sind.
ϕ1 , . . . , ϕn sind die Prämissen, ϕ die Konklusion von R.
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Anforderungen an einen Kalkül: Sprache (Alphabet)
I.a. wird man bei einem unendlichen Alphabet verlangen, dass man die
Zeichen des Alphabets effektiv generieren kann.
Im Falle der Aussagenlogik würde man z.B. das Alphabet
{A0 , A1 , . . . , ¬, ∨, ∧, →, ↔, (, )} wählen. Wie wir bereits gesehen haben,
kann man die Aussagenvariablen An effektiv generieren, indem man diese als
Wörter über dem endlichen Alphabet {A, 1} (nämlich durch A1n ) darstellt.
Man kann statt der Junktoren ¬, ∨, ∧, →, ↔ auch irgendeinen anderen Satz
von Junktoren wählen, so lange die zugehörigen Booleschen Funktionen eine
Basis bilden.
Konkret werden wir hier einen Kalkül mit Alphabet {A0 , A1 , . . . , ¬, ∨, (, )}
(also mit dem Junktorensatz {¬, ∨}) betrachten.
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Anforderungen an einen Kalkül: Formeln
Hier erwartet man, dass Formeln durch deren Form bestimmt sind, also
syntaktisch charakterisiert sind.
Dabei verlangt man, dass insbesondere entscheidbar ist, ob ein Wort über
dem Alphabet des Kalküls eine Formel ist oder nicht.
Interpretiert werden Formeln als Aussagen (Sätze) oder Aussageformen
(Satzformen).
Im Falle der Aussagenlogik würde man bei Zugrundelegung des Alphabets
{A0 , A1 , . . . , ¬, ∨, ∧, →, ↔, (, )} die al. Formeln als Formelmenge wählen.
Legt man einen anderen Junktorensatz zugrunde, sind die Formeln
entsprechend definiert. Für das Alphabet {A0 , A1 , . . . , ¬, ∨, (, )} werden z.B.
die Formeln induktiv definiert durch:
I
I
I
Jede Aussagenvariable An ist eine Formel.
Ist ϕ eine Formel, so auch ¬ϕ.
Sind ϕ und ψ Formeln, so auch (ϕ ∨ ψ).
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Anforderungen an einen Kalkül: Axiome
Auch hier erwartet man, dass die Axiome durch deren Form bestimmt sind,
also syntaktisch charakterisiert sind, und dass es entscheidbar ist, ob eine
Formel ein Axiom ist.
Ist die Axiomenmenge unendlich, so liegen in der Regel endlich viele
Axiomenschemata vor, wobei jedes Axiomenschema eine (unendliche) Menge
von Formeln mit einer gemeinsamen syntaktischen Eigenschaft ist.
Interpretiert werden Axiome als wahre Aussagen (Sätze) oder wahre
Aussageformen (Satzformen).
Beispiele für mögliche Axiomenschemata im Falle der Aussagenlogik sind
(ϕ ∨ ¬ϕ)
oder
(ϕ → ¬¬ϕ)
wobei ϕ eine beliebige Formel (bzgl. der zugehörigen Sprache) ist.
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Anforderungen an einen Kalkül: Regeln
Auch hier erwartet man wie bei Formeln und Axiomen, dass die Regeln
durch deren Form bestimmt sind, also syntaktisch charakterisiert sind, und
dass es entscheidbar ist, ob eine Formelfolge eine Regel ist.
Ist die Regelmenge unendlich, so geht man entsprechend wie bei den
Axiomen davon aus, dass endlich viele Regelschemata vorliegen, wobei jedes
Regelschema eine (unendliche) Menge von Formelfolgen (fester endlicher
Länge) mit einer gemeinsamen syntaktischen Eigenschaft ist.
Interpretiert werden Regeln als zulässige Folgerungen.
Beispiele für mögliche Regelschemata im Falle der Aussagenlogik sind
ϕ
———
¬¬ϕ
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oder
ϕ, ϕ → ψ
————–
ψ
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(modus ponens)
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Kalküle: Beweise und Beweisbarkeit
DEFINITION. Sei K ein Kalkül. Ein (K-) Beweis der (K-) Formel ϕ (oder eine
(K-) Herleitung von ϕ) ist eine endliche Folge ψ1 , . . . , ψn von (K-) Formeln,
sodass folgendes gilt:
ϕ ≡ ψn
Jede Formel ψm (1 ≤ m ≤ n) ist
I
I
ein (K-) Axiom oder
die Konklusion einer (K-) Regel R, deren Prämisse(n) in
{ψ1 , . . . , ψm−1 } liegen.
n ist die Länge des Beweises ψ1 , . . . , ψn .
DEFINITION. Eine (K-) Formel ϕ ist (K-) beweisbar, wenn es einen (K-) Beweis
von ϕ gibt.
NB: Jedes (K-) Axiom ϕ ist ein (K-) Beweis (der Länge 1) und damit (K-)
beweisbar.
Als nächstes relativieren wir den Beweis(barkeits)begriff, um so die syntaktische
Entsprechung zum semantischen Folgerungsbegriff zu erhalten:
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Kalküle: Beweise und Beweisbarkeit aus T
DEFINITION. Sei K ein Kalkül und T eine Menge von (K-) Formeln. Ein (K-)
Beweis der (K-) Formel ϕ aus T ist eine endliche Folge ψ1 , . . . , ψn von (K-)
Formeln, sodass folgendes gilt:
ϕ ≡ ψn
Jede Formel ψm (1 ≤ m ≤ n) ist
I
I
I
ein (K-) Axiom oder
eine Formel aus der Formelmenge T oder
die Konklusion einer (K-) Regel R, deren Prämisse(n) in
{ψ1 , . . . , ψm−1 } liegen.
n ist die Länge des Beweises ψ1 , . . . , ψn .
DEFINITION. Eine (K-) Formel ϕ ist (K-) beweisbar aus T , wenn es einen (K-)
Beweis von ϕ aus T gibt.
NB: Jede Formel ϕ ∈ T ist ein (K-) Beweis (der Länge 1) aus T und damit (K-)
beweisbar aus T .
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Kalküle: Widerspruchsfreiheit
Im Folgenden sei K ein Kalkül, T eine Menge von K-Formeln und ϕ eine
K-Formel.
SCHREIBWEISE:
T `K ϕ :⇔ ϕ ist K-beweisbar aus T
`K ϕ :⇔ ∅ `K ϕ
⇔
ϕ ist K-beweisbar
Ist K aus dem Kontext bekannt, so schreiben wir ` statt `K . Entsprechend sagen
wir Formel, Beweis, etc. statt K-Formel, K-Beweis etc.
Weiter sagen wir statt (K-)Beweis aus T auch kurz T -Beweis und entsprechend
T -beweisbar statt (K-)beweisbar aus T .
DEFINITION. Der Kalkül K ist widerspruchsfrei, falls es eine K-Formel ψ mit 6` ψ
gibt.
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Einfache Eigenschaften der Beweisbarkeit
Im Folgenden sei K ein Kalkül, T , T 0 Mengen von K-Formeln und ϕ eine
K-Formel.
Dann gelten:
MONOTONIELEMMA FÜR `. Falls T ⊆ T 0 und T ` ϕ, so gilt auch T 0 ` ϕ.
BEWEIS. Aus T ⊆ T 0 folgt, dass jeder T -Beweis auch ein T 0 -Beweis ist.
NB: Insbesondere lässt sich also jede beweisbare Formel aus allen Formelmengen
T beweisen.
TRANSITIVITÄTSLEMMA FÜR `. Gelte T ` ϕ und gelte weiter T 0 ` ψ für alle
ψ ∈ T . Dann gilt T 0 ` ϕ.
BEWEISIDEE: s. nächste Folie.
NB: Man beachte, dass die entsprechenden Aussagen auch für den semantischen
Folgerungsbegriff gelten!
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Beweis des Transitivitätslemmas und das Prinzip der
Herleitungsinduktion
TRANSITIVITÄTSLEMMA FÜR `. Gelte T ` ϕ und gelte weiter T 0 ` ψ für alle
ψ ∈ T . Dann gilt T 0 ` ϕ.
BEWEISIDEE: Nach Annahme gibt es einen Beweis ϕ
~ = ϕ1 , . . . , ϕn−1 , ϕ von ϕ
~ = ψ1 , . . . , ψm−1 , ψ von ψ aus T 0 .
aus T und für jedes ψ ∈ T einen Beweis ψ
Ersetzt man nun jede Formel ψ ∈ T , die in dem Beweis ϕ
~ von ϕ aus T vorkommt,
~ aus T 0 , so erhält man einen Beweis von ϕ aus T 0 .
durch deren Beweis ψ
Formal zeigt man die Behauptung - wie generell Aussagen über (T -)Beweise ϕ
~
bzw. die (T -)Beweisbarkeit von Formeln ϕ - durch Herleitungsinduktion, d.h.
durch Induktion nach der Länge n des (T -)Beweises ϕ
~ = ϕ1 , . . . , ϕn−1 , ϕn bzw.
durch Induktion nach der Länge des kürzesten Beweises von ϕ. Hierbei beachte
man, dass jedes nichtleere Anfangsstück ϕ1 , . . . , ϕm (1 ≤ m ≤ n) des
(T -)Beweises ϕ
~ = ϕ1 , . . . , ϕn−1 , ϕn wiederum ein (T -)Beweis (und zwar von der
Formel ϕm ) ist.
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Der Endlichkeitssatz für die T -Beweisbarkeit
ENDLICHKEITSSATZ FÜR `. Falls T ` ϕ gilt, so gibt es eine endliche
Teilmenge T0 von T mit T0 ` ϕ.
BEWEIS.
Es gelte T ` ϕ.
Dann gibt es einen Beweis
ϕ
~ = ϕ1 , . . . , ϕn = ϕ1 , . . . , ϕn−1 , ϕ
von ϕ aus T .
Setze T0 = T ∩ {ϕ1 , . . . , ϕn }.
Offensichtlich ist T0 eine endliche Teilmenge von T .
Weiter ist ϕ
~ ein Beweis von ϕ aus T0 .
Also T0 ` ϕ.
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1.5.2 Kalküle der Aussagenlogik: Korrektheit und
Vollständigkeit
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Kalküle der Aussagenlogik
Im Folgenden nennen wir einen Kalkül K einen Kalkül der Aussagenlogik, wenn
die Sprache von K auf dem Alphabet A = {A0 , A1 , . . . , j1 , . . . , jk , (, )}
basiert, wobei die Junktoren j1 , . . . , jk eine Basis der Booleschen Funktionen
definieren, und
die Formeln wie üblich gebildet sind. Also - im Falle, dass nur 1-stellige und
2-stellige Junktoren in A vorkommen - die Formeln induktiv definiert sind
durch:
(F1) Jede Aussagenvariable Ai (i ≥ 0) ist eine Formel.
(F2) Ist ∗ ein 1-st. Junktor und ϕ eine Formel, so ist auch ∗ϕ eine Formel.
(F3) Ist ∗ ein 2-st. Junktor und ϕ1 und ϕ2 Formeln, so ist auch (ϕ1 ∗ ϕ2 )
eine Formel.
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Korrektheit und Vollständigkeit: Definitionen
DEFINITION. Sei K ein Kalkül der Aussagenlogik.
K ist korrekt bzgl. der Allgemeingültigkeit, falls jede K-beweisbare Formel ϕ
allgemeingültig ist, also `K ϕ ⇒ ϕ für alle K-Formeln ϕ gilt.
K ist korrekt bzgl. Folgerungen, falls jede aus einer Formelmenge T
K-beweisbare Formel ϕ aus T (semantisch) folgt, also T `K ϕ ⇒ T ϕ
für alle K-Formelmengen T und alle K-Formeln ϕ gilt.
K ist vollständig bzgl. der Allgemeingültigkeit, falls jede allgemeingültige
Formel ϕ K-beweisbar ist, also ϕ ⇒ `K ϕ für alle K-Formeln ϕ gilt.
K ist vollständig bzgl. Folgerungen, falls jede aus einer Formelmenge T
folgende Formel ϕ aus T K-beweisbar ist, also T ϕ ⇒ T `K ϕ für alle
K-Formelmengen T und alle K-Formeln ϕ gilt.
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Korrektheit und Vollständigkeit: Bemerkungen
Wegen
`K ϕ ⇔ ∅ `K ϕ
und
ϕ ⇔ ∅ϕ
impliziert Korrektheit (Vollständigkeit) bzgl. Folgerungen auch Korrektheit
(Vollständigkeit) bzgl. der Allgemeingültigkeit. Die Umkehrung gilt i.a. nicht.
Im Folgenden sagen wir kurz Korrektheit (Vollständigkeit) anstelle von
Korrektheit (Vollständigkeit) bzgl. Folgerungen, und wir nennen einen Kalkül
K der Aussagenlogik adäquat, wenn K korrekt und vollständig ist, also stets
T `K ϕ ⇔ T ϕ
gilt.
Der syntaktische Beweisbarkeitsbegriff in einem adäquaten Kalkül der
Aussagenlogik fällt also gerade mit dem semantischen Folgerungsbegriff
zusammen (und die beweisbaren Formeln sind gerade die allgemeingültigen
Formeln).
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Nachweis der Korrektheit eines Kalküls
Um zu zeigen, dass ein Kalkül K der Aussagenlogik korrekt (bzgl.
Folgerungen) ist, genügt es zu zeigen, dass
die Axiome allgemeingültig sind und
die Regeln korrekt bzgl. Folgerungen sind.
Hierbei heißt eine Regel
(R)
ϕ1 , . . . , ϕn
ϕ
korrekt (bzgl. Folgerungen), wenn ϕ1 , . . . , ϕn ϕ gilt.
Um dies zu zeigen, beweisen wir das folgende Korrektheitslemma.
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Korrektheitslemma
KORREKTHEITSLEMMA. Sei K ein Kalkül der Aussagenlogik, dessen Axiome
allgemeingültig sind und dessen Regeln korrekt bzgl. Folgerungen sind. Dann ist
K korrekt bzgl. Folgerungen.
BEWEIS: Es gelte T ` ϕ.
Zu zeigen: T ϕ.
Sei ϕ0 , . . . , ϕn ein Beweis von ϕ aus T . Wegen ϕ ≡ ϕn genügt es T ϕi für
i ≤ n durch Ind(i) (= Herleitungsinduktion) zu zeigen.
Zum Nachweis von T ϕi unterscheide die folgenden drei möglichen Fälle:
I
I
I
ϕi Axiom: Dann ist (nach Annahme) ϕi allgemeingültig, weshalb
insbesondere T ϕi gilt.
ϕi ∈ T : Dann gilt trivialerweise T ϕi .
ϕi ist mit Hilfe einer Regel R aus ϕj0 , . . . , ϕjk mit j0 , . . . , jk < i
erschlossen. Dann gilt nach I.V. T ϕjm für m ≤ k.
Da R nach Annahme korrekt bzgl. Folgerungen ist - also
ϕj0 , . . . , ϕjk ϕi gilt - folgt T ϕi mit der Transitivität von .
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Korrektheitslemma für die Allgemeingültigkeit
Entsprechend kann man zeigen, dass ein Kalkül K der AL korrekt bzgl. der
Allgemeingültigkeit ist, falls die Axiome allgemeingültig sind und die Regeln
korrekt bzgl. der Allgemeingültigkeit sind.
Hierbei heißt eine Regel
(R)
ϕ1 , . . . , ϕn
ϕ
korrekt bzgl. der Allgemeingültigkeit, wenn aus der Allgemeingültigkeit von
ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn die Allgemeingültigkeit von ϕ folgt.
KORREKTHEITSLEMMA FÜR DIE ALLGEMEINGÜLTIGKEIT. Sei K ein Kalkül
der Aussagenlogik, dessen Axiome allgemeingültig sind und dessen Regeln korrekt
bzgl. der Allgemeingültigkeit sind. Dann ist K korrekt bzgl. der Allgemeingültigkeit, d.h. jede beweisbare Formel ist allgemeingültig.
Wir verzichten auf den einfachen Beweis, da wir im Folgenden nur an der
stärkeren Korrektheit bzgl. Folgerungen interessiert sind.
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Korrektheit von Regeln: Korrektheit bzgl. vs. Korrektheit
bzgl. ag
Wie sich schon implizit aus den vorhergehenden Korrektheitslemmata ergibt, gilt:
LEMMA. Sei R korrekt bzgl. Folgerungen. Dann ist R auch korrekt bzgl. der
Allgemeingültigkeit.
BEWEIS:
R korrekt bzgl. Folgerungen
⇒
⇒
⇒
⇒
⇒
⇒
ϕ1 , . . . , ϕn ϕ
(nach Definition der Korrektheit bzgl. )
∀ B [B(ϕ1 ) = · · · = B(ϕn ) = 1 ⇒ B(ϕ) = 1]
(nach Definition von )
∀ B [B(ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn ) = 1 ⇒ B(ϕ) = 1]
(nach Definition der Bewertungen)
∀ B [B(ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn ) = 1] ⇒ ∀ B [B(ϕ) = 1]
(logischer Schluss)
ag[ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn ] ⇒ ag[ϕ]
(nach Definition von ag)
R korrekt bzgl. Allgemeingültigkeit
(nach Definition der Korrektheit bzgl. ag)
Die Umkehrung gilt i.a. nicht. Wir betrachten im Folgenden zwei Beispiele zur
Korrektheit von Regeln.
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Beispiele zur Korrektheit von Regeln: Einsetzungsregel
BEISPIEL 1. Wie wir bereits in Kapitel 1.2.2 gezeigt haben (s. Lemma 8 dort), ist
die Einsetzungsregel
(Ein)
ϕ
ϕ[ψ/X ]
korrekt bzgl. der Allgemeingültigkeit.
Die Einsetzungsregel ist aber nicht korrekt bzgl. Folgerungen. Hierzu kann man
folgendes Gegenbeispiel betrachten:
ϕ :≡ X
ψ :≡ ¬X
Also: ϕ[ψ/X ] ≡ ¬X
Wegen X 6 ¬X gilt also ϕ 6 ϕ[ψ/X ].
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Beispiele zur Korrektheit von Regeln: Ersetzungsregel
BEISPIEL 2. Wie wir bereits in Kapitel 1.2.2 gezeigt haben (s. Lemma 9 dort), ist
die Ersetzungsregel
(Ers)
χ
falls ϕ äq ψ
χ(ϕ/ψ)
korrekt bzgl. Folgerungen (also insbesondere korrekt bzgl. Allgemeingültigkeit).
(Dies folgt aus der Formulierung von Lemma 9 unter Verwendung von Lemma 4
in Kapitel 1.2.2, wobei letzteres gerade besagt, dass eine Formel ψ1 genau dann
zu einer Formel ψ2 äquivalent ist, wenn die Äquivalenzformel ψ1 ↔ ψ2
allgemeingültig ist.)
Im Folgenden werden wir einen Kalkül der Aussagenlogik angeben und von diesem
zeigen, dass er adäquat ist.
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1.5.3 Der Shoenfield-Kalkül der Aussagenlogik
und dessen Korrektheit
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Shoenfields Kalkül S der Aussagenlogik: Sprache und
Formeln
Dem Shoenfield-Kalkül S liegt die Basis {¬, ∨} zugrunde. Die Sprache von
S ist also durch das Alphabet {A0 , A1 , . . . , ¬, ∨, (, )} gegeben.
Wie bereits oben ausgeführt führt dies zu folgender induktiver Definition der
(S-)Formeln:
I
I
I
Jede Aussagenvariable ist eine Formel.
Ist ϕ eine Formel, so auch ¬ϕ.
Sind ϕ1 und ϕ2 Formeln, so auch (ϕ1 ∨ ϕ2 ).
Aussagenlogische Formeln, die nicht von diesem Typ sind, fassen wir als
Abkürzungen von S-Formeln auf, wobei wir folgende Identitäten verwenden:
(i) (ϕ ∧ ψ) :≡ ¬(¬ϕ ∨ ¬ψ)
(ii) (ϕ → ψ) :≡ (¬ϕ ∨ ψ)
(iii) (ϕ ↔ ψ) :≡ ((ϕ → ψ) ∧ (ψ → ϕ))
wobei hier → und ∧ noch wie in (i) und (ii) zu ersetzen sind.
Zur Erhöhung der Lesbarkeit verwenden wir wie bei den al. Formeln die
früher eingeführten Regeln zur Klammerersparnis.
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Shoenfields Kalkül S der Aussagenlogik: Axiome und
Regeln
Der Schoenfield-Kalkül besitzt ein Axiomenschema und vier
Regelschemata:
AXIOME
¬ϕ ∨ ϕ (≡ ϕ → ϕ) “tertium non datur” (Ax)
REGELN
ψ
ϕ∨ψ
Expansion (E)
ϕ∨ϕ
ϕ
Kürzung (Kü)
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ϕ ∨ (ψ ∨ δ)
(ϕ ∨ ψ) ∨ δ
Assoziativität (A)
ϕ ∨ ψ, ¬ϕ ∨ δ
ψ∨δ
Kapitel 1.5: Kalküle
Schnitt (S)
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Korrektheit des Shoenfield-Kalküls S
KORREKTHEITSSATZ. Der Schoenfield-Kalkül S ist korrekt (bzgl.
Folgerungen):
T `S ϕ ⇒ T ϕ
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Beweis des Korrektheitssatzes
Nach dem Korrektheitslemma genügt es zu zeigen, dass die Axiome von S
allgemeingültig und die Regeln korrekt bzgl. Folgerungen sind.
Dies lässt sich aber leicht nachweisen (und wurde zum großen Teil bereits in
Kapitel 1.2.2 gezeigt). Wir zeigen hier nur die Korrektheit der Schnittregel:
Wegen der Ersetzungsregel genügt es A ∨ B, ¬A ∨ C B ∨ C zu zeigen,
wozu es wiederum genügt zu zeigen, dass für jede Belegung
B : {A, B, C } → {0, 1}
B(A ∨ B) = 1 und B(¬A ∨ C ) = 1 ⇒ B(B ∨ C ) = 1
gilt. Gelte also B(A ∨ B) = B(¬A ∨ C ) = 1. Dann gilt:
I
B(A) = 0 ⇒ B(B) = 1 (wegen B(A ∨ B) = 1) ⇒ B(B ∨ C ) = 1
I
B(A) = 1 ⇒ B(¬A) = 0 ⇒ B(C ) = 1 (wegen B(¬A ∨ C ) = 1) ⇒
B(B ∨ C ) = 1
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