Kurzberichte über Vorlesungen “Aufgaben der nationalen Ethikkommission und ihre Bedeutung für die wissenschaftliche Entwicklung in der Naturwissenschaft und Medizin” von Prof. Dr. Christian Winter Herr Prof. Schöne begrüßte herzlich seinen Amtskollegen von der Johann-Wolfgang-Goethe- Universität Frankfurt, der mit einer Delegation des Seniorenkollegs angereist war. Mit ihnen verbindet uns seit Jahren zum beiderseitigen Nutzen eine enge Kooperation. Prof. Winter erläuterte einleitend, daß seit mehr als 200 Jahren auf dem Gebiet der Naturwissenschaften und der Medizin unbegrenzte Forschungen mit herausragenden Ergebnissen stattfanden. Tierversuche für die Grundlagenforschung konnten unbegrenzt vorgenommen werden. Es gab einen enormen Erkenntnisgewinn, aber niemand kam auf die Idee, das tierische Leben zu schützen. In der 60 er Jahren kam zunehmende Skepsis und Zurückhaltung auf. Erst das Göttinger Manifest der Physiker vom 12.April 1957 zum Verbot von Atomwaffen und zur friedlichen Nutzung der Kernenergie sowie das Weltbild Albert Schweizers: - Ehrfurcht vor dem Leben - das alles beherrschende Fundament Leben erhalten und Leben fördern ohne Einschränkungen - grenzenlose Verantwortung gegenüber allem was lebt, über das Unvermeidliche hinaus darf kein Leben geschädigt werden haben nach und nach in unserer Gesellschaft eine kritischere Haltung zur “grenzenlosen” Forschung erzeugt. Die ethische Einstellung vieler - vor allem junger Menschen wandelte sich. s.a.: http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6ttinger_Manifest Zitat: “Für ein kleines Land wie die Bundesrepublik glauben wir, daß es sich heute noch am besten schützt und den Weltfrieden noch am ehesten fördert, wenn es ausdrücklich und freiwillig auf den Besitz von Atomwaffen jeder Art verzichtet. Jedenfalls wäre keiner der Unterzeichnenden bereit, sich an der Herstellung, der Erprobung oder dem Einsatz von Atomwaffen in irgendeiner Weise zu beteiligen. Gleichzeitig betonen wir, daß es äußerst wichtig ist, die friedliche Verwendung der Atomenergie mit allen Mitteln zu fördern, und wir wollen an dieser Aufgabe wie bisher mitwirken. Fritz Bopp, Max Born, Rudolf Fleischmann, Walther Gerlach, Otto Hahn, Otto Haxel, Werner Heisenberg, Hans Kopfermann, Max v. Laue, Heinz Maier-Leibnitz, Josef Mattauch, Friedrich-Adolf Paneth, Wolfgang Paul, Wolfgang Riezler, Fritz Straßmann, Wilhelm Walcher, Carl Friedrich Frhr. v. Weizsäcker, Karl Wirtz” - Erste Resultate gab es u.a. mit dem Tierschutzgesetz von 1972: Grundsatz: ” Die Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf “ . Ethische Aspekte treten immer mehr in den Vordergrund, da wir durch die biologische Forschung dem Ursprung des Lebens immer näher rücken. - 1969 begann mit der ersten Herztransplantation neues Zeitalter biomedizinischer Forschung. Eine Vielzahl von Transplantationen erfolgte ohne ethische und gesetzliche Regelungen. - Seit ca. 15 Jahren erfolgt die Forschung an menschlichen Stammzellen (Manipulation menschl. Lebens im frühesten Stadium) . Sie rief Kritiker und besonders die Kirche mit massiven Bedenken auf den Plan, da die Grenzen für das menschliche Entstehen erreicht sind. Der Widerspruch zwischen Machbarem und ethischer Überzeugung (Ehrfurcht vor dem Leben) verschärft sich. Eine Übereinkunft über ethische, moralische u. rechtliche Fragen innerhalb der Gesellschaft wird immer wichtiger. Für Regierung u. Parlament gab es keine realen Maßstäbe in ethischen Fragen. (man war auf “Bauchentscheidungen” angewiesen). Deshalb erfolgte im Frühjahr 2001 die Einrichtung eines “Nationalen Ethikrates” (oberstes Ethikgremium der BRD) zur Beratung von Regierung, Parlament u. Öffentlichkeit. s.a.: http://ww.ethikrat.org/ Dieser besteht aus 25 Persönlichkeiten aus allen Bereichen der Gesellschaft, darunter auch die Kirche, Psychologen, Juristen, Vertreter von Behindertenverbänden, der interdisziplinär die Erkenntnisse bündeln und zu Urteilen kommen soll. So gibt es z. B. bereits Stellungnahmen - zur Diagnostik vor und während der Schwangerschaft, um schwere Erbschäden abzuwenden; - zum Klonen; - zur Patientenverfügung, - zur Stammzellforschung (Gewinnung, Import, Anwendung) Herr Prof. Winter erklärte uns sehr anschaulich die Frühphase der embyonalen Entwicklung, beginnend mit der befruchteten Eizelle, den Phasen der Zellteilung und den Stadien, in denen das besondere Forschungsinteresse besteht und in denen aber die Wissenschaftler an die Grenzen des menschlichen Ursprungs stoßen, bei denen es ernsthafte ethischen Bedenken gibt.. So ist es kein Wunder, daß auch der Ethikrat zu keiner einheitlichen Auffassung kommt. Die gegenwärtige Gesetzgebung (Stammzellgesetz vom 01.07.2002) gestattet lediglich die begrenzte Forschung mit importierten Stammzellen. Es ist abzusehen, dass ein großer Rückstand in Wissenschaft und Medizin die Folge ist, die Forschung ins Ausland abwandert und wir später die Ergebnisse zurückkaufen müssen. Die wichtigste Frage ist, wann das “schützenswerte “ Leben beginnt: - Kirchen: mit Befruchtung; - Wissenschaftler: 3-4 Tage (7 Tage ; 12 Tage) nach Befruchtung (Stammzellenstadium, bevor die Differenzierung Einzel- oder Mehrling einsetzt) Man beachte, dass die Schwangerschaftsunterbrechung (Tötung des Embryos) bis zum 3. Monat erlaubt ist! Mit der Stammzellenforschung verbinden sich Erwartungen, die Geiseln der Menschheit wie Krebs, Parkinson u.a. erfolgreich zu überwinden; demgegenüber stehen Bedenken der Juristen, gegen das Grundgesetz zu verstoßen sowie der Kirche, in das entstehende Leben manipulierend einzugreifen, wobei sie diese Phase auf einen sehr frühen Zeitpunkt setzt. Andererseits müssen die Wissenschaftler unseres Landes immer mehr erkennen, daß sie den Anschluß an die Weltspitze verlieren. So gibt es inzwischen nur einen Kompromiss, die Forschung mit importierten Stammzellen begrenzt fortzusetzen. Das trifft auch für das Klonen, d.h. den Kerntranfer in kranke Organe, der zur völligen Heilung führen könnte, aber auchTüren zum Mißbrauch ggf. öffnen würde., wie H. Prof. Winter erläuterte. Es war ein hochinteressanter Vortrag, mit viel Beifall bedacht und anschließender guter Diskussion. Herr Prof Schöne verabschiedete uns dann mit vielen guten Wünschen “in die Ferien“. W.Hübner