28. Februar – 17. Mai 2009 „Die Politik der Umverteilung“ Raymond Taudin Chabot Anna De Manincor Harun Farocki (e.) Twin Gabriel Isaac Isitan Sabrina Malek / Arnaud Soulier Elke Marhöfer Barbara Musil Ferhat Özgür Tadej Pogacar Hannah Starkey Kuratorin: Sabine Winkler Künstlerische Positionen erforschen Folgewirkungen neoliberaler Politik, wie Armut, Bildungsarmut, Perspektivelosigkeit von Jugendlichen etc. Weiters wird versucht, alternative Umverteilungssysteme wie Parallelmärkte, das Grundeinkommen oder selbstorganisierte Kooperativen zu erforschen und die Frage nach dem Sozialen zu stellen. Welchen Stellenwert repräsentieren Begriffe wie Solidarität, Allmende, Sozialismus, sozialer Habitus heute und was sind die Folgewirkungen ihres Verlustes im gesellschaftlichen Kontext? Die Politik der Umverteilung Der Wandel gesellschaftspolitischer Systeme innerhalb der letzten 20 Jahre, die Neoliberalisierung breiter politischer, sozialer und wirtschaftlicher Bereiche und deren gesellschaftlichen Auswirkungen und Folgen sind allgegenwärtig und dennoch versteckt. Zunehmende Armut als Folge von zunehmendem Reichtum, der Rückzug der Solidargesellschaft, Prekarisierungen von Lebensbedingungen, Verarmung des Mittelstandes und dramatische Existenzgefährdung sozial schwacher Bevölkerungsgruppen, sowie extrem auseinanderklaffende Einkommensmöglichkeiten werden von Regierungsparteien und deren Wirtschaftsexperten als unumgängliche Maßnahmen der Umsetzung staatlicher Finanzsparkonzepte zur Sanierung des Staatshaushaltes und als nötiges Instrument zur Steigerung von Wirtschaftswachstum verkauft. „Die Ursache vielfältiger ökonomischer, sozialer und wirtschaftspolitischer Probleme liegt in einer zunehmend falschen Verteilung: eine falsche Verteilung von Einkommen führt zum Stocken der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und zu wachsender Armut und Polarisierung sowie zu spekulativer Überhitzung der Finanzmärkte. Eine falsche Verteilung von Arbeit verhindert, dass die positiven Wirkungen langfristiger Produktivitätssteigerungen und des damit sinkenden Arbeitsvolumen in kürzere Arbeitszeit in einer vollbeschäftigten Wirtschaft umgesetzt werden; stattdessen führt steigende Produktivität zu Massenarbeitslosigkeit und längerer und schlechterer Arbeit. Eine falsche Verteilung von Macht und Einflussmöglichkeiten der Menschen auf die Politik schließlich hat zu einer Wirtschaftspolitik geführt, die in erster Linie die Reichen bedient, sich von den Bedürfnissen und Problemen der meisten Menschen immer weiter entfernt und so die Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft untergräbt.“ Folgewirkungen dieser Entwicklungen sollen in dieser Ausstellung innerhalb gesellschaftspolitischer und privater Systeme sichtbar gemacht und analysiert werden. Folgewirkungen neoliberaler Realität wie vererbte Armut, Bildungsarmut und Perspektivelosigkeit von Jugendlichen, sowie die Entstehung von Parallelmärkten und die Frage nach Modellen des Sozialen, bzw. nach einer Solidargesellschaft und nach Sozialpolitik sollen gestellt werden. Ein Modell wäre das Grundeinkommen, das wie Parallelmärkte, eine Reaktion auf neoliberale Politik darstellt und ein anderes Verteilungssystem impliziert, ebenso wie selbstorganisierte Kooperativen, die gemeinschaftliche Lebens- und Arbeitsformen selbstbestimmt entwickeln und neue Verteilungsmechanismen praktizieren. Oder könnte nicht eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich die Massenarbeitslosigkeit beenden und eine gerechtere Verteilung von Arbeit im Sinne einer kurzen Vollzeitarbeit bewirken? Die von neoliberaler Wirtschaftspolitik verursachte Verarmung des Mittelstandes und Dramatisierung der Lebensverhältnisse der Armen wurde mittels Entlassungen, Lohndumping und hohen Inflationsraten erreicht. Arbeitslosigkeit sowie prekäre Arbeitsverhältnisse und Lebensbedingungen sind die fatalen Folgen, die Kapitalanhäufungen auf Seiten der Konzerne und Aktionäre mit sich bringen. Von positiven Phasen und Steigerungen des Wirtschaftswachstums profitieren die Arbeitgeber und Aktieninhaber, nicht oder kaum jedoch die ArbeitnehmerInnen. 1: Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik: Memorandum 2008, Neuverteilung von Einkommen, Arbeit und Macht, Alternativen zur Bedienung der Oberschicht, Kurzfassung, S. 20, Bremen 2008Misstrauen eingeprägt, dass das eigene Leben nicht die Strukturen verlassen wird, die durch die Familie vorgegebenen sind. Und es stellt sich die Frage ob es überhaupt noch möglich ist, den Status des Vaters oder der Mutter zu erreichen. Dieses relativ neue Phänomen spiegelt die Unfähigkeit wider, sich eine glückliche Zukunft vorzustellen. Die Frage: „Für was soll ich lernen, wenn ich trotz Ausbildung keinen Arbeitsplatz bekomme?“ bestimmt das Lebensgefühl vieler Jugendlicher. D.h. die Zukunft ist eine Leerstelle, die nicht mehr positiv besetzt werden kann. Mangel an sozialer Aufmerksamkeit seitens der Familie und seitens der Schule vervollständigt das Bild perspektiveloser Zukunftszonen bereits für 14jährige. Extrem dramatisch ist oftmals die Situation für Jugendliche migrantischer Herkunft. Neben sozialen Erschwernissen müssen sie auch noch mit kulturellen Differenzen fertig werden und die schwierige Situation bewältigen als „die Anderen“ stigmatisiert zu sein. Auch die Aussichtslosigkeit von arbeitslosen Eltern wird auf deren Kinder übertragen und in Perspektivelosigkeit potenziert, die sich dann oftmals durch Gewaltaktionen Gehör, sprich Aufmerksamkeit verschafft. Vorschläge wie die vom Baden Württembergischen Ministerpräsidenten Koch, gewalttätige Jugendliche (gemeint sind Jugendliche migrantischer Herkunft) in Lager zu stecken, setzt auf rechtspopulistische Wahlkampfparolen und Ausgrenzungsstrategien. Neoliberale Politik veranlasst Streichungen von Sozialleistungen und Programmen, die gefährdete Jugendlichen unterstützen. Diese gesellschaftspolitisch produzierte Leerstelle verweigert bewusst Zukunftsperspektiven für Nichtprivilegierte, Zukunftsperspektiven, die exklusiv geschlossenen Gesellschaftsschichten vorbehalten werden. Die Möglichkeiten durch Bildung bessere Lebensbedingungen zu erreichen werden somit erschwert, Bildung als sicherer Aufstiegsmotor hat an Glaubwürdigkeit verloren. Der familiäre Hintergrund rückt als ausschlaggebenderen Parameter für Ausbildung wieder in den Vordergrund und bildet die Grundlage für gesellschaftliche Elitisierungsprozesse. Sichere Arbeitsplätze, Studienplätze und soziale Sicherheit werden somit mehr und mehr zum Privileg der Reichen. Eine Entwicklung, die im Interesse einer wohlhabenden Minderheit agiert, die ihre Territorien abgrenzt und verschließt. Soziale Aufstiegschancen schwinden, Möglichkeiten, dass mittelständischer Familien in ärmliche Verhältnisse fallen, steigen permanent, trotz rückläufiger Arbeitslosenzahlen. Teilzeitjobs, Leiharbeit, prekäre Arbeitsverhältnisse, unsichere Arbeitsbedingungen oder 40-Stunden Löhne, die oft nicht ausreichen um das Leben zu finanzieren und mit dem Nötigsten zu versorgen sind Realität. Die „Für was-Frage“ stellt sich auch hier: „Für was arbeite ich wenn ich von meinem Lohn nicht die Miete bezahlen kann?“ Es wird versucht Billiglöhne und unsichere Arbeitsverhältnisse gesellschaftsfähig zu machen, um diese prekären Arbeitsverhältnisse als normal deklarieren zu können. Dank den politischen Verweisen auf den Mangel an Arbeitsplätzen und auf leere Staatskassen, sowie der Androhung der Industrie auf Standortwechsel, gelingt es, prekäre Arbeitsverhältnisse gesellschaftspolitisch zu etablieren und auch noch als positive Möglichkeit zu verkaufen. Und der Staat zahlt zu, finanziert diese Entwicklung mit. „Anhaltende Massenarbeitslosigkeit hat sich als der wirksamste Hebel zur Veränderung des gesellschaftlichen Klimas, der Kräfteverhältnisse und der Verteilung von Einkommen und Vermögen erwiesen. Sie ist zwar das soziale und gesellschaftliche Hauptübel, aber für die Unternehmen und eine unternehmensorientierte Politik ist sie von Vorteil, weil sie die neoliberalen Kräfte der Gegenreformation unterstützt. Das offensichtlichste Kennzeichen für den Erfolg dieser Gegenreformation ist die Veränderung der Einkommensverhältnisse und die Zunahme der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheit 2“ 2: Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik: Memorandum 2008, Neuverteilung von Einkommen, Arbeit und Macht, Alternativen zur bedienung der Oberschicht, Kurzfassung, S. 20, Bremen 2008 Was bewirken diese Veränderungen innerhalb gesellschaftlicher Systeme? Am anfälligsten sind natürlich die Schwächsten, Jugendliche, MigrantInnen, alleinerziehende Frauen, Rentner-Innen und Arbeitslose, da sie entweder zur Kasse gebeten werden oder von gekürzten Sozialleistungen betroffen sind. Perspektivelosigkeit, Überforderungen, Armut und Diskriminierung breiten sich verstärkt aus und münden in einer Forderung nach einer gerechteren sozialen Verteilung. Von Arbeitszeitverkürzung als Entwurf um Neuverteilungstrukturen anzukurbeln spricht keiner, obwohl dies ein entscheidender Faktor wäre um die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Als Antwort auf fehlende Sozialpolitik und als alternative Möglichkeiten zum kapitalistischen Markt entstehen Gegenmodelle wie das Grundeinkommen, selbstorganisierte Kooperativen oder Parallelmärkte, die Verteilungssysteme neu strukturieren. Parallelmärkte, für wen? Märkte bieten als traditionelle Foren der Partizipation Möglichkeiten des Tausches, der Kommunikation, der Information etc. an. Parallelmärkte sind Orte spezifischer Partizipation, die auf bestimmte Produkte, Produktionsprozesse, oder Verkaufspraktiken hin ausgerichtet sind. Sie können als Reaktion auf bestehende Märkte entstanden sein, oder die Kehrseite bestehender Märkte repräsentieren. Orte des selbstorganisierten Handels, an denen Produkte mit hohen Identifikationswerten und ideellen Produktionsherstellungswerten verkauft werden können, oder Waren legal oder illegal angeboten werden können. Identifikationen mit den Produkten können aus unterschiedlichsten Gründen erfolgen: Produkte deren ideeller Wert ökologischen, sozialen, ästhetischen, individuellen Ansprüchen entspricht, verweisen auf eine diesbezügliche Lebenspraxis. Ein Produkt verweist konkret auf einen Lebensstil oder eine Haltung und ist nicht bloß marketingtechnisch aufgeladen. Ein Beispiel für ein in diesem Sinne authentisches Produkt ist das strike bike, das streikende Arbeiter selbstorganisiert in einer Radfabrik in Thüringen herstellten. Mit ihrem strike bike gelang es den ArbeiterInnen auf die Plattsanierung der Radfabrik hinzuweisen und ein Produkt mittels sozialen Inhalts zu verkaufen. Ein möglicher Markt, der mit sozialen Inhalten und Haltungen handelt, könnte ähnlich funktionieren wie die Marke Bio. Ein Parallelmarkt für Produkte aus selbstorganisierten Herstellungsprozessen könnte entstehen. Diese Markenartikel könnten auf Grund ihrer sozialen und genossenschaftlichen Produktion, die man unterstützen will, gekauft werden. Die Möglichkeit einer solidarischen Geste wird mit dem Produkt vermarktet. Herstellungsbedingungen und -geschichten sind Teil des Produktbrandings, das neue Parallelmärkte für genossenschaftliche Produkte eröffnen könnte. Die Attraktivität eines Produktes wird durch dessen sozialen Gehalt des Herstellungsprozesses bestimmt. Ähnlich agiert auch das Dorf „Sieben Linden“ in dem ökologische und soziale Werte die Produktpalette bestimmen. Das Dorf versteht sich als Modell und Forschungsprojekt für eine zukunftsorientierte Lebensweise, in der Arbeit und Freizeit, Ökologie und Ökonomie, Individuum und Gemeinschaft in Gleichklang gebracht werden. Selbstversorgung, regionaler Handel und Tausch definieren eine mögliche Marktform, die den eigenen sozialen und ökologischen Ansprüchen entspricht. Eine Art kleiner Parallelmarkt, der sich auf selbst hergestellte Produkte und auf Produkte der Region beschränkt. Ein Markt, der sich bewusst gegen weltwirtschaftliche und globale Produktionsprozesse und Handelszonen richtet. Parallelmärkte, die als Reaktion auf bestehende Märkte und auf sozialpolitische und gesellschaftliche Bedingungen und Entwicklungen entstehen können, sind Orte selbstorganisierter Handelszonen, die zwischen Illegalität, Existenzsicherung, Angst, Vertreibung, Ausgeschlossensein und Armut, pendeln. Märkte auf denen Teile von Wohnungsinventaren, Einrichtungsgegenstände und Gebrauchsgegenstände verkauft, gekauft oder getauscht werden, entstehen in den Randbereichen der Großstädte. Innerhalb autonomer Märkte, die ihre eigenen Gesetze und Warenwerte festsetzen, wird versucht, der vom internationalen Markt produzierten Ungleichheit in einer Art selbstorganisierter Marktwirtschaft entgegen zu wirken. Der Handel mit Abfallprodukten kapitalistischer Konsumgesellschaften repräsentiert einen produzierten Marktplatz der Ungleichheiten. Die Wiederverwertung, der Handel mit bereits benützen Gegenständen dokumentiert den Verkauf des mühsam eingerichteten Alltagslebens und einen Verkauf des Inventars privater Räume. Gebrauchtes, Benütztes, Privates wird verteilt. Mit Gegenständen, die an bessere Zeiten erinnern wird Handel betrieben. Privatgegenstände, Erinnerungsstücke, Kleidungsstücke, Gebrauchsgegenstände werden in den öffentlichen Raum getragen um die Besitzer zu wechseln. Wertigkeiten von Gegenständen werden neu ausverhandelt, wobei die Not oft den niedrigen Preis bestimmt. Von gebrauchten Autoteilen bis zu Markenwarenkopien wird alles angeboten. Diese Parallelmärkte etablieren neue Verteilungsstrukturen und damit verbunden entstehen neue soziale Räume zwischen öffentlich und privat und zwischen legal und illegal. Marktökonomien der Straße, die durch ihre Mobilität und Flüchtigkeit und ihren hohen Unsicherheitsfaktor geprägt sind, konstituieren in ihrer ursprünglichen Form, Austauschplätze sozialer Begegnungen, Verhaltensweisen und Produkte. Parallelmärkte spielen sich als gesellschaftliche Gegenmodelle im öffentliche Raum ab und entwickeln soziale Strukturen und eigene Gesetzte, werden aber oft nicht wahrgenommen und verschwinden in der Unsichtbarkeit. Diese Märkte sind Produkte von Wirtschafts- und Kapitalmärkten oder entstehen als Reaktionen auf gesellschaftspolitische Entwicklungen. Selbstorganisierte Märkte offerieren ein Forum für Überlebenspraxen und Zonen der Partizipation, die der illegale oder legale Handel ermöglichen kann, oftmals eine der wenigen Überlebenschancen, die zur Verfügung stehen. In Argentinien konnte zum Beispiel durch die Gründung von Parallelmärkten und durch den Handel mit Schwundgeld die Auswirkungen der Wirtschaftskrise 2001 entschärft werden. Selbstorganisation entsteht aus Notlagen, Miseren, Veränderungswünschen, ideellen Vorstellungen und Überzeugungen, oft als Reaktion auf bestehende Verhältnisse oder aus politischen Kalkül, das zum z.B. Genossenschaften fördern kann, aber auch AsylantInnen bewusst von Arbeitsprozessen ausschließt. Soziales, wie denn? – Grundeinkommen und Selbstorganisation Die Inflation des Begriffes Sozial kann vom Zusammenbruch der Sowjetunion nicht getrennt gesehen werden. Paradox erscheint im nach hinein die Angst vor dem Kommunismus, dem angelastet wurde, Besitz zu verstaatlichen. Ein Alptraum im Westen. Der Westen hat für Enteignungsprozesse seine eigenen Strategien entwickelt und das Verteilungsproblem auf seine Weise gelöst, neoliberal. Wie wird Besitz und Kapital verteilt? Wird Großgrundbesitz und Großkapital umstrukturiert? Wie wird Besitz, Vermögen und Kapital in Relation zu Arbeit besteuert, oder werden Niedrigeinkommen noch reduziert um Renditen von Aktionären, Kapitalgewinne und Managergehälter zu erhöhen? Verteilungsmechanismen, die von Finanzeliten konstruiert und gesteuert werden agieren jenseits solidarischer Realitätsprinzipien. Die Reichen werden reicher, die, die kleine Besitztümer haben geraten mehr und mehr in die Gefahr, diese dank neoliberaler Gesetze zu verlieren. Der Mittelstand wird zu Gunsten der Reichen besteuert und muss einen Großteil der staatlichen Leistungen finanzieren. Die Frage der Verteilung und der Wertveranschlagung ist die entscheidende. Wer bezahlt wie viel und wer bekommt was. Ein Verteilungssystem, das Kapital und Besitz bei einigen wenigen akkumuliert und die Mehrheitsgesellschaft ärmer macht, spiegelt eine Kapitalisierung gesellschaftlicher Systeme wider. Das Prinzip der Allmende, der Gemeinnützigkeit, der Solidarität und des Sozialen wird vernachlässigt und abgeschafft, ohne auf großen Widerstand zu stoßen. Die neoliberale Indoktrinierung der Verkürzung und Eliminierung von Sozialleistungen war erfolgreich und die sozialistische Performance ohne Rückrat. Die Frage lautet heute auch nicht mehr, was ist sozial sondern was ist gerecht. Es darf eine gerechte Gesellschaft oder Verteilung der Mittel geben, nicht mehr jedoch eine soziale. Die Diffamierung des Sozialen vertreibt dessen Signifikatsebenen durch die Eliminierung aus den Sprachsystemen. Bedarfsorientierte Grundsicherung oder das Grundeinkommen könnten Modelle sein um Lebensexistenzen zu sichern ohne in Bittstellerpositionen wie bei Hartz 4 zu gelangen, die Gemeinschaft und Solidarwesen, Chancengleichheit und Bildungsmöglichkeiten fördern könnte, etc. Der Verteilungsschlüssel wäre ein anderer. Es gibt mehrere Modelle zum Grundeinkommen, eines würde die anfallenden Kosten durch die Mehrwertsteuer-Einnahmen finanzieren. Das Grundeinkommen ist mit allen seinen möglichen gesellschaftlichen Auswirkungen noch schwer einschätzbar, jedoch sicher ein interessantes Modell, das dem Faktor Arbeit einen anderen Stellenwert zukommen ließe. Arbeit würde nicht mehr als Mangelware präsentiert werden, sondern als interessengebundenes Objekt, das möglicherweise nicht nur nach dem Leistungsprinzip funktionieren müsste, sondern spielerische, erfinderische Momente beinhalten könnte. Freiräume, in denen Identitäten nicht nur über Arbeit definiert werden, könnten entstehen. Als eine problematische Entwicklung könnte sich allerdings ein damit einhergehender vollkommener Rückzug von staatlicher Seite herauskristallisieren. Das Grundeinkommen könnte als Rechtfertigung für die Streichung sämtlicher Sozialleistungen missbraucht werden und soziale Verpflichtungen könnten undifferenziert durch das Grundeinkommen entsorgt werden. Wenn allerdings gewisse Zusatzförderungen eliminiert werden, könnten Situationen geschaffen werden, die ökonomisch für gewisse Bevölkerungsgruppen von Nachteil sind, abhängig davon wer wieviel Grundeinkommen bekommen würde. Problematisch wäre ein Modell das mit dem Anspruch antritt alle bisherigen Sozialleistungen abzudecken und dies in realiter nicht gewährleisten kann oder will. Das Prinzip Grundeinkommens ist vom konkreten Entwicklungsmodell und dessen sozialer Ausrichtung abhängig zu machen. Um alternative Möglichkeiten sozialerer Arbeitsformen und gerechterer Lohn-Leistungsverteilung bemühen sich auch selbstorganisierte genossenschaftliche Kooperativen. Solidarische Ökonomien erzielen als alternative Gegenmodelle große Aufmerksamkeiten in Zeiten des Turbokapitalismus neoliberaler Prägung. Ausgehend von immer prekäreren Arbeitsbedingungen werden alternative Formen der Selbstorganisation in Gemeinschaften entwickelt um als Modelle umgesetzt zu werden. Gemeinsam ist genossenschaftlichen Modellen oftmals eine Notsituation aus der sie entstanden sind oder die Vorstellung von einem anderen Leben, das bessere Arbeitsbedingungen und autonome, selbstorganisierte Lebensformen ermöglicht. Extreme Überlebensbedingungen oder sozial geprägte Gesellschaftsvorstellungen, solidarische Ökonomien etc. können Gründe für Bildungen von genossenschaftlichen Verbindungen sein. Durch die Gemeinschaft können Lebensformen und -ziele ermöglicht werden, die für Individuen unerreichbar wären. Die Ausgangslage ist für alle gleich, man teilt sich gewisse Erfahrungen und gewisse Vorstellungen, deren Verwirklichung kollektiv erreicht werden kann. Können Genossenschaften eine Möglichkeit sein um Individualisierungsprozessen der Armut und Prekarisierungsprozessen etwas entgegen zu setzen? Staatlich geförderte Kooperativen und private Kooperativen spiegeln Umverteilungs- und gesellschaftliche Umstrukturierungstendenzen und Wünsche wider, die gegen bestehende Verhältnisse Widerstand anmelden. Soziale Marktmodelle und Selbstorganisationskooperativen setzen Wachstumssteigerungsprogrammen und Kapitalanhäufungen andere Verteilungssysteme entgegen. Voraussetzung dafür scheint eine Positionierung innerhalb eines Solidarsystems zu sein, das nicht nur gerecht sondern sozial sein will. Wirtschaftspolitische Vorraussetzung dafür ist eine Neuverteilung von Einkommen, Arbeit und Macht. „Eine Neuverteilung von Einkommen stärkt dauerhaft den privaten und öffentlichen Konsum und festigt dadurch den sozialen Zusammenhalt. Niedriglöhne senken die Kaufkraft und wirken sich negativ auf das Wirtschaftswachstum aus. Niedriglöhne sind das Produkt finanzmarktorientiertern Gewinnstrebens. Eine Neuverteilung der Arbeit kann die Arbeitslosigkeit überwinden und die Fortschritte steigender Produktivität allen Menschen zugute kommen lassen. Arbeitszeitverkürzung könnte als Mittel zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit eingesetzt werden und würde sowohl Arbeit als auch die Einkommen neu verteilen. Und eine Neuverteilung von Macht ist notwendig um den Widerstand derer zu überwinden, die als kleine aber mächtige Gruppe von den Zuständen profitieren und neoliberal gegen die Interessen der Mehrheitsgesellschaft agieren.“3 Ausstellung KünstlerInnen 3: Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik: Memorandum 2008, Neuverteilung von Einkommen, Arbeit und Macht, Alternativen zur Bedienung der Oberschicht, Kurzfassung, S. 20, Bremen 2008