Geschichtlicher Überblick der Interessens- und Motivationsforschung Erziehung und Bildungspsychologie sind stark praxisorientiert und beschäftigen sich seit langem mit dem Zusammenhang von Motivation, Emotion und Kognition. Mit der Wende vom Behaviorismus zum Kognitivismus in den 1970ern kam es auch zu einer kognitiven Neuorientierung der Bildungspsychologie; stärkere Rolle der Motivationsforschung. Theorien zur Lernmotivation auf Basis kognitiver Konstrukte : Achievement Goal Theorie (Ames et al., 1992): Auswirkung von gesetzten Zielen auf die individuelle Lernleistung. Task Value Theory (Eccles et al., 1983): Lernmotivation wird vom subjektiven Wert einer Aufgabe bestimmt: Anreiz, Nützlichkeit, intrinsicher Wert, Aufwand Theorie der Selbstwirksamkeit (Bandura 1977): die selbst wahrgenommene Aussicht auf Erfolg beeinflusst die Motivation. Kritik an kognitiven Ansätzen: Meyer&Turner (2002): kognitive Ansätze vernachlässigen häufig emotionale, affektive, situationsspezifische und unterbewusste Aspekte von Motivation Keine Erklärung, warum Personen sich z.B. für gewisse Themen interessieren Interessensforschung Textbasierte Lernen als eines der ersten Gebiete. Aktuelle Schwerpunkte: Untersuchung von längerfristigem Interesse und Interessensveränderungen, Verbindung von kognitiver und affektiver Verarbeitung. Nachweis des Verfalls von Interesse an Unterrichtsgegenständen mit zunehmender Verschulung (Hinderung der Kinder am Ausprobieren, stärker bei Mädchen) Das Konstrukt Interesse Im Alltag verwendet für motivationale Voraussetzungen, Präferenzen, Leidenschaften oder Anziehung, Neugier und Spaß am Lernen Eigenschaft des sich entwickelnden Selbst Differenzierung und Stabilisierung von Interessen als wichtiges Erziehungsziel Interesse verbessert die Integration von neuer Information und Vorwissen Starke Verschiebung der Interessen in der Pubertät (gender-role-Stereotype) Interessensbedigte Motivation durch situationales oder individuelles Interesse, interessensbedingtes Handeln ist mit intrinsischer Motivation vergleichbar Situationales Interesse: durch bestimmte Aspekte des Umfeldes ausgelöst; kann (muss aber nicht) von Dauer sein. Unterschied zwischen auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren Individuelles Interesse : sowohl andauernde Neigung sich mit Inhalten auseinander zu setzen als auch ein motivationaler Zustand. Das 4 Phasen Modell der Interessensentwicklung (Hidi und Renninger, 2003) Phase 1: Situationales Interesse für einen bestimmten Inhalt wird ausgelöst Phase 2: Andauerndes situationales Interesse. Phase 3: aufkommendes individuelles Interesse (durch Neugier verstärkt) Phase 4: als gut entwickeltes individuelles Interesse Emotionale vs. kognitive Intelligenz Harp&Mayer (1997): „emotionale und kognitive Einflüsse auf situationales Interesse führen zu unterschiedlicher Verarbeitung“ -> Vergleich der Auswirkung verschiedener Textarten (emotional vs. sachlich) auf die Verarbeitung. Widerspruch von Hidi, Renninger und Krapp (2004): „Unterscheidung zwischen emotionalem und kognitivem Interesse künstlich.“ ständige Interaktion beider Komponenten, keine neurowissenschaftlichen Hinweise auf ausschließlich emotionale oder kognitive Prozesse Textbasiertes Interesse: Schraw, Brunning und Svoboda (1995): 6 Quellen text-basierten Interesses: Verständlichkeit Vorwissen Lebhaftigkeit/ Klarheit (vividness) Engagement des Lesers Emotionalität Vorwissen hat nur geringen Einfluss auf das wahrgenommene Interesse -> Wissen alleine ist für situationales Interesse nicht ausreichend. Einfluss des Umfeldes: positive Auswirkung von Zusammenarbeiten auf individuelles Interesse. Z.B. höheres Interesse für Physik in reinen Mädchenklassen. Jigsaw- kooperative Zusammenarbeit (Berger&Hänze,2004) Physikunterricht (12. Jahrgang) Rasterelektrodenmikroskop Mikrowellenofen 2 Gruppen Frontalunterricht Gruppenpuzzle Ergebnis Puzzle günstig für intrinsische Motivation Ist aber Thema abhängig Leistungen unterschieden sich nicht Expertengruppe Aufmerksamkeit als Mediator zwischen Interesse und Lernen Interesse ist definiert durch jede Aktivität, auf die mühelos und automatisch Aufmerksamkeit gelenkt wird (Erlyon, Reh und Siegelman, 1964) Interesse hat einen positiven Einfluss auf das Lernen (Berlyne, 1960) Die Beziehung zwischen Interesse und Lernen wird durch die Aufmerksamkeit moderiert (Renninger & Wozniak, 1985) Aufmerksamkeit ist eine Begleiterscheinung die gleichzeitig mit dem Lernen auftritt, aber keinen kausalen Zusammenhang hat (Schiefele,1998) Studie (Schiefele,1998) Personen mussten Texte bearbeiten und es wurde untersucht in wie weit sich die Leser den interessanten oder den wichtigen Informationen zuwandten bzw. wie lange sie für die Bearbeitung brauchten. Es konnte gezeigt werden, dass Interesse einen Einfluss auf besseres Lernen hat. Widerspruch gegen die Ergebnisse (Hidi 1995,2001) Um die Wichtigkeit bestimmen müssen Leser auf vorhandenes Wissen zugreifen, kontinuierlich vergleichen. Durch diesen kognitiven Aufwand brauchen sie länger Nicht die gleichen Prozesse für interessante vs. wichtige Informationen Interessante Informationen müssen nicht verglichen werden, daher schnellere Verarbeitung Entwicklung unterschiedlich interessanter Geschichten (McDaniel 2000) Erste Hälfte der Geschichten gleich interessant, zweite Hälfte unterschiedlich Bearbeitungszeit wurde gemessen und verglichen Erste Hälfte: kein Unterschied zwischen interessant und weniger interessant Zweite Hälfte: interessantere Geschichten schneller gelesen als uninteressante Ergebnisse stützen Hidi´s Annahmen: spontan erzeugte Aufmerksamkeit -> effizientere und schnellere Verarbeitung bei Interesse Zwei Phasen des Interesses Auftauchen des Interesses o Beziehung herstellen o positive Erfahrung und Gefühle Gut entwickeltes Interesse o Gut entwickelte Kenntnisse o Erfahrungen Phasen sind kausal verbunden (Hidi&Renninger,2003) Gemeinsamkeiten (Renninger, 1990) beide Phasen haben Einfluss auf Aufmerksamkeit, Strategien, Gedächtnis Unterschiede (Ainley, 2002, Hirn&Renninger, 2003) Aufgabenschwierigkeit wird in der zweiten Phase eher als Herausforderung gesehen und kann in der ersten zur Aufgabe des Interesses (Frustration) führen, in der ersten Phase ist Unterstützung von außen wichtig um mehr Interesse aufzubauen. Drei Eigenschaften von Interesse Interesse ist kontextabhängig es entwickelt sich durch Interaktion mit der Umgebung es ist eine kognitive und affektive Variable Literatur: Berger, R., Hänze, M. (2004). Das Gruppenpuzzle im Physikunterricht der Sekundärstufe IIEinfluss auf Motivation, Lernen und Leistung. Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften: Jg. 10, 2004 (S. 205-219) Hidi, S., Renninger, K.A., Krapp, A. (2004). Interest, a motivational variable that combines affective and cognitive functioning. In David Yun Dai, Robert J. Sternberg (Eds.) Motivation, Emotion, and Cognition (pp. 89-115). New Yersey: Lawrence Erlbaum Associates Inc. (Pub.)