Gindl, B.: Die Resonanz der Seele. Über ein Grundprinzip therapeutischer Beziehung. Junfermann-Verlag, Paderborn 2002, 294 Seiten, 25,50 Euro. Die zeitgenössische Säuglingsforschung hat deutlich gemacht, welch zentrale Rolle die Dimensionen von Intersubjektivität und Interaktion im zwischenmenschlichen Bereich darstellen und auf diese Weise unser Menschenbild revolutioniert. Ging die wissenschaftliche Babyforschung vor einigen Jahren noch davon aus, dass Spiegelungsprozesse im Rahmen eines „subjektiven“ bzw. „intersubjektiven Selbstempfindens“ etwa ab sieben Monaten relevant werden – so Daniel Stern in der „Lebenserfahrung des Säuglings“ – so wird der Beginn von Intersubjektivität als grundlegende menschliche Motivation im Einklang mit Ergebnissen anderer Nachbarwissenschaften immer weiter nach vorn verlegt, sodass wir uns heute gut vorstellen können, dass es sich beim Bedürfnis nach emotionaler Resonanz um eine angeborene Grundmotivation handelt, die voraussichtlich sogar schon intrauterin eine Rolle zu spielen scheint. Emotionale Resonanz, intersubjektive Abstimmung, das Bedürfnis „Anklang zu finden“ – dies ist die zentrale Thematik dieses Buches, wobei man den Eindruck gewinnt, die Autorin hat sich durch einen riesigen Stoff hindurchgekämpft. Auf vielfältige Quellen greift sie im ihrem unfassenden Versuch einer Synthese zurück – sie reichen von der Physik über die psychoanalytische Objektbeziehungstheorie bis hin zu transpersonalen Erfahrungen. Trotz des Einbeziehens auch einer transpersonalen oder spirituellen Ebene wirkt dieses Buch aber vom Sprachstil her nie mythologisierend oder abgehoben. Wir wissen aufgrund der Säuglingsforschung, dass der Säugling schon ganz früh seine Bezugspersonen als menschliche Wesen – im Unterschied zu Robotern – dadurch erkennen kann, als sie fähig sind, mit Hilfe crossmodaler Wahrnehmung emotionale Zustände auf jeweils anderen Kommunikationskanälen als dem ursprünglichen mitzuteilen. So kann der Vater oder die Mutter eine bestimmte Bewegungsgeste des Kindes durch einen akustischen Laut in der für diese typischen Vitalitätskurve präzis erfassen und kommunizieren. Gleiches gilt für die therapeutische Situation: über nonverbale Medien – wie Musik, oder auch körperlichen Kontakt – können wir im Rahmen einer multimodalen Therapie basale Kommunikations- und Verstehensmöglichkeiten aktivieren und auf diese parallel zur sprachlichen Verständigung ein viel breiteres Repertoir im dialogischen Geschehen bereitstellen. Diese verschiedenen Kanäle ersetzen die Sprache niemals, aber erweitern das Spektrum der Verstehensmöglichkeiten. In Kapitel 1 werden wissenschaftliche Befunde zur Erfassung von Resonanzprozessen sowohl im physisch-physikalischen als auch psychologischen Gegenstandsbereich erörtert, wobei in einer Fußnote (S. 67) auf eine grundlegende Schwierigkeit verwiesen wird: „Liebe ist nicht wissenschaftsfähig“. Dennoch tut die Autorin ihr bestes, um diese Kluft zumindest kleiner zu machen. Kapitel 2 ist entwicklungspsychologischen und anthropologischen Grundlagen emotionaler Resonanz gewidmet, in Bezugnahme auf die Säuglings- und Kleinkindforschung werden frühe affektiver Regulierungsprozesse und Synchronisationsphänomene beschrieben, und wie sich diese auf einer körperlichen Ebene konkret realisieren. Wie sich Störungen im Resonanzbereich basal verankern und später als Grundstörung klinisch in Erscheinung treten, davon ist in Kapitel 3 die Rede. Im 4. Kapitel geht es dann um konkrete Anwendungen von Resonanzbereitschaften im Patienten und im Therapeuten innerhalb der klinischen Situation, wobei im abschließenden Kapitel 5 in spezifischer Weise auf musik- und körpertherapeutische Anwendungsmöglichkeiten näher eingegangen wird. Deutlich wird, welch zentrale Rolle Resonanzerfahrungen in der therapeutischen Interaktion spielen und wie wichtig es ist, in der jeweiligen Klient-Therapeut-Konstellation den dafür passenden Kommunikationskanal zu finden. Multimodale Therapieansätze erscheinen diesbezüglich rein sprachlichen grundsätzlich überlegen zu sein, wenn auch eingeschränkt werden muss, dass über den sprachlichen Kanal nicht nur symbolische Inhalte vermittelt werden, sondern gerade die „Musik der Sprache“ besonders Klienten mit Grundstörungen ein basales Gefühl vermitteln kann, Nähe, Empathie oder Anklang erleben zu können. Die Palette der in diesem Buch angesprochenen Themen reicht hin bis zu tranpersonal-spirituellen Dimensionen; die „Haltung des Lauschens“ erinnert an Erfahrungen im nicht-sprachlichen Erlebensbereich, wie z. B. von Andacht beim Hören ergreifender Musik. Abschließend macht sich Gindl in Anlehnung an Greenspan und unter Rückgriff auf entwicklungspsychologische Gesichtspunkte für eine „Developmentally Based Psychotherapy“ stark. In einer solchen Therapie geht es um entwicklungsanaloges Erfassen von Erfahrungsmodi, angepasst an die jeweilige Regressionsebene und die spezifischen Verständigungsmöglichkeiten zwischen Patient und Therapeut. Körperresonanz ist eine Form verkörperter Gegenübertragung, eine Art von Spürbewusstsein parallel zum Symbol- und Sprachbewusstsein. Die ganz am Ende des Buches angeführten Fallvignetten hätten ruhig ausführlicher ausfallen können, um diesem Buch, das insgesamt sehr viel Theorie vermittelt, ein wenig mehr konkreten Praxisbezug zu geben. Empfehlenswert ist die Lektüre dieses Buches für Kolleginnen und Kollegen aller Therapierichtungen, wegen seiner guten Lesbarkeit aber auch für Ausbildungskandidaten und auch für ein aufgeschlossenes Laienpublikum.