Autismus Autismus ist eine tief greifende Entwicklungsstörung, die auf neurobiologischen Ursachen beruht. Von früh an verläuft die Entwicklung der Nervenzellen im Gehirn anders, die Nervenzellen verarbeiten die Anregungen aus der Umwelt in anderer Form. Die Ursache der Störung sind in erster Linie genetische Veränderungen. Autistische Menschen haben große Schwierigkeiten im sozialen Miteinander und der gegenseitigen Verständigung. Ihnen fehlt ein natürliches Verständnis für die Gefühle, Gedanken, Vorstellungen und Wünsche anderer. „Als ich zwei Jahre alt war, verloren die Menschen um mich herum ihr Aussehen. Ihre Augen lösten sich in Luft auf. Nebel verschleierte ihre Gesichter. Die Stimmen verdunsteten. Mit der Zeit verwandelten sich die Menschen um mich herum in flatterhafte Schatten Mir fiel es nicht leicht sie wahrzunehmen!“ aus: Buntschatten und Fledermäuse, Autobiographie von Axel Brauns Charakteristische Merkmale Kein oder mangelnder Blickkontakt Schwere Sprachauffälligkeiten Fehlende oder mangelhafte Nachahmungsfähigkeit Stereotype Spielgewohnheiten Schwere Auffälligkeiten in der sozialen Interaktion Frühkindlicher Autismus (nach KANNER) Beginn der Auffälligkeiten vor dem 3. Lebensjahr. Zumeist werden die ersten Auffälligkeiten von den Eltern in den ersten Lebensmonaten erkannt. kein Blickkontakt, Wegschauen, flüchtiger oder leerer Blick fehlende oder mangelnde Nachahmungsfähigkeit stereotype Spielgewohnheiten (rhythmisches Klopfen, Drehen von Gegenständen, Flattern mit den Händen, ...) großer Widerstand gegen Veränderungen und Abweichungen vom Gewohnten kein Erkennen von realen Gefahren schwere Auffälligkeiten in der Sprache und Kommunikation o später Sprachbeginn oder Ausbleiben der Sprachentwicklung o Sprache hat keine kommunikative Funktion Aspergersyndrom (Autismus nach ASPERGER) Die von Asperger als „autistische Psychopathen“ beschriebene Gruppe von Kindern unterscheidet sich von den "Kannerschen Autisten" durch folgende Charakteristika: frühe Sprachentwicklung 1 inhaltlich und grammatikalisch hochstehende Sprache mangelnde nonverbale Kommunikation (Gestik und Mimik) hohe Intelligenz (Spezialinteressen, "Inselbegabungen") skurrile, sozial inadäquate Denkabläufe mangelndes soziales Verständnis und soziales Verhalten ausgeprägte Ungeschicklichkeit bis zur Apraxie Autismus ist schon im frühen Kindesalter erkennbar: Emotionaler – sozialer Bereich: - verändertes Bedürfnis nach Nähe und Körperkontakt – Körperkontakt wird schwer ertragen und zugelassen - keine Reaktion auf Rufen des Namens (wirken wie gehörlos) - Kind reagiert mit Rückzug oder Schreien auf Anwesenheit anderer Personen - Kind reagiert mit Rückzug oder Schreien auf Veränderungen - Kind nimmt von sich aus keinen Kontakt zu anderen Kindern auf - Kind erträgt die Annäherung von anderen Kindern nicht (zeigt Angstreaktionen) - Kind tröstet Eltern nicht, wenn diese traurig sind - Kind versucht nicht, die Aufmerksamkeit der Eltern durch Zeigen zu erregen - Kind zeigt keine Freude bei gemeinsamen Erlebnissen Spielverhalten: - kein adäquater Umgang mit Spielmaterial z.B. kein Bauen mit Bausteinen - Spielmaterial wird zweckentfremdet verwendet z.B. Klopfen, Drehen, Riechen, Belecken, Schlichten, Reihen von Spielmaterialien - Kein symbolisches Spiel „so tun als ob“ - Keine Rollenspiele Motorik: - Probleme in der Grob- und Feinmotorik - Qualitative Veränderungen in den Bewegungsabläufen, mangelnde Koordination - Krabbeln wird oft ausgelassen - Gehen und Laufen wird manchmal verspätet erlernt - Gehen und Laufen erscheint unharmonisch und unkoordiniert - Schwierigkeiten beim Umgang mit Essbesteck - Schwierigkeiten beim An- und Ausziehen - Schwierigkeiten beim Öffnen und Schließen der Verschlüsse - Schwierigkeiten beim Erlernen des Zeichnens und Schreibens Sprache und Kommunikation - Mangelndes Sprachverständnis Eingeschränkte und veränderte Lallproduktion im Kleinstkindalter Einige Wörter werden erlernt und verschwinden wieder Keine weitere aktive Sprachentwicklung Keine Kompensation durch Gestik und Mimik Echolalie (Aussprüche werden ohne Sinnverständnis immer wieder wiederholt) Verwechseln von Personalpronomina (ich - du) Reden von sich in der dritten Person Sprache dient nicht zum sozialen und kommunikativen Austausch Bei Asperger Autisten: o Sprache wirkt oft bizarr o Hochstehende Sprache mit Wortneuschöpfungen o Sprache dient nicht zur Kommunikation o Monologisierende Vorträge über Einzelinteressen Neuroregulative Funktionen 2 - Veränderter Schlaf- Wachrhythmus Schlafstörungen Veränderte Essgewohnheiten z.B. Vorliebe für nur wenige Nahrungsmittel, isst immer nur eine Speise, Widerstand bei neuen Speisen, etc. Stuhlprobleme Verändertes Schmerzempfinden Veränderte Temperaturwahrnehmung z.B. lau wird schon als heiß wahrgenommen Veränderte taktile Wahrnehmung z.B. Streicheln wird als unangenehm erlebt, Haare waschen, Haare und Nägel schneiden bereiten große Probleme Abweichende Verhaltensweisen - Vorliebe für Rituale und Routinen z.B. müssen immer den selben Weg gehen oder fahren, Einsteigen nur in einen bestimmten U-Bahnwagon, ziehen immer nur die gleiche Hose an, ... Vorliebe für Details z.B. beobachten des Öffnens und Schließens der Aufzugstüren Vorliebe für Lichter, drehende und bewegende Objekte (Kreisel, Bänder, etc.) Ich sehe, aber mit Vorliebe Details Ich höre, aber ich kann dem Gehörten keinen Sinn Entnehmen Ich rieche, ich schmecke, ich taste – intensiv ist die Erfahrung, schmerzlich, fast unaushaltbar. Jede einzelne Dieser Wahrnehmungen Sehen, Hören, Reichen, Schmecken, Tasten empfange ich, versuche ich zu einem Ganzen zu vereinen, zu einer Information Zusammenzufügen, doch bruchstückhaft, detailhaft bleibt Das Abbild meiner Umwelt. Die Welt aus der Sicht eines Autisten Ursachen: In den letzten Jahren gibt es zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, die auf genetische Faktoren hinweisen. Die psychodynamische Mutter-Kind-Beziehungsstörungs-Theorie ist glücklicherweise überholt und überwunden. Nach den Erkenntnissen der Familien- bzw. Zwillingsuntersuchung über Autismus kann gesagt werden, dass Autismus durch eine Kombination verschiedener Gene, die vor allem während der Gehirnentwicklung aktiv sind, bedingt wird. Die genaue Anzahl der am Autismus beteiligten Gene lässt sich derzeit nicht verlässlich angeben. Derzeit weiß man von sechs beteiligten Genen. Eine Mutation des Gens HOXA1 scheint mitverantwortlich für die Entstehung von Autismus. Die Wissenschaftler der University of Rochester stellten bei der Untersuchung von 57 Autisten fest, dass 40 % von ihnen eine veränderte Form dieses Gens, das eine bedeutende Rolle bei frühen Ausbildung des zentralen Nervensystems spielt, aufwiesen. Anscheinend sind die Weichen bei Autismus schon in den allerersten Schwangerschaftswochen gestellt, wenn sich das Gehirn beginnt zu entwickeln. Autismus tritt familiär gehäuft auf. Die Chance für Geschwister eines autistischen Kindes ebenfalls an Autismus zu erkranken, liegt bei 3 – 8 %. Therapie: 3 Autismus ist nicht heilbar, aber betroffene Menschen können sich durch geeignete Förderung und angemessene Lernbedingungen gut weiterentwickeln. Verhaltenstherapeutische Interventionen gehören zu den hilfreichsten Ansätzen der Autismustherapie. Menschen mit Autismus bedürfen einer speziellen Förderung, damit sie ihre kognitiven und sozialen Fähigkeiten entwickeln und in ihrer Umwelt einsetzen können. Nur spezielle heilpädagogische und förderpädagogische Unterstützung ermöglicht ihnen ein erfülltes Leben in unserer Gesellschaft. Wichtig ist in jedem Fall eine möglichst frühzeitige Therapie, in die auch die Eltern miteinbezogen werden. Involvierungstherapie Die Involvierungstherapie (verhaltenstherapeutischer Ansatz) ermöglicht den Zugang zum autistischen Kind auf spielerischer Ebene und baut eine Brücke, welche die Welt der Menschen mit Autismus mit unserer Welt verbindet. Ich komme in Eure Welt und werde ein Teil von ihr und führe Euch Schritt für Schritt in unsere Welt dann haben wir ein Stück gemeinsame Welt Dr. Muchitsch Die Involvierungstherapie entwickelte sich aus dem Versuch, die Welt der autistischen Kinder zu verstehen und sich in sie einbeziehen zu lassen, ihre Welt zu sehen, zu hören, zu spüren und zu erleben. Der Therapeut lässt sich in die Spiele der Autisten einbeziehen, er wird ein Teil des autistischen Spiels. Schlüsselspiele, Lichtschalterspiele, Spiele mit Vorhängen, Jalousien, sowie das Versetzen von Objekten in Pendel– und Drehbewegungen werden Mittler zwischen Therapeuten und Kind. Es ist das erste gemeinsame Erlebnis zwischen zwei verschiedenen Welten. Stückweise werden neue, für die Entwicklung des Kindes notwendige, Spiele dazugeschaltet und so das Lernrepertoire der Kinder Schritt für Schritt erweitert. 4