29. Orientierungen von Sportzuschauern

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Orientierungen von Sportzuschauern
Seminar: Sportmedienpsychologie WS 2001/2
Oliver Händler
[email protected]
Schlüsselbegriffe: Sportzuschauer, Orientierungen, Motive
Definitionen:
Als Sportzuschauer sollen in diesem Zusammenhang nur solche Personen
gelten, die bei einer Sportveranstaltung vor Ort, d.h. im Stadion oder der Halle
etc. sind; also keine Fernsehzuschauer.
Bernd STRAUß definiert Orientierungen von Sportzuschauern in Anlehnung
an Messing und Lames als postulierte Gründe von Sportzuschauern, eine
Sportveranstaltung zu besuchen. Sie stellen jedoch nur theoretische
Konstrukte dar, welche sehr verschiedene Ausprägungen haben können.
Orientierungsmuster sind nach SIEFKE handlungsleitende Motive, welche
nicht nur intentionalem, sondern auch routinisiertem und habitualisiertem
Handeln zugrunde liegen. STRAUß meidet den Ausdruck Motiv, da er diese
im Gegensatz zu Orientierungen für nicht bewusstseinsfähig hält.
Geschichte:
Der Sportzuschauer erfreut sich seit den 70er Jahren einer immer stärker
werdenden Beliebtheit besonders bei Psychologen. Mit dem Beginn des Hooliganism
vor allem in den Fußballstadien Englands und Deutschlands wurden viele
Untersuchungen durchgeführt. Diese verengten den Begriff des Sportzuschauers
jedoch stark auf den gewaltbereiten Fußballfan. Außerdem fehlte es den
Untersuchungen oft an empirischen Belegen und werden daher heute kaum noch
beachtet. Da diese Fanprobleme den Amerikanern weitgehend unbekannt waren,
und sie vielmehr daran interessiert waren, wie die Zuschauerzahlen in den Stadien
erhöht werden könnten, verbissen sie sich nicht wie die Europäer auf eine Sportart
und ein Zuschauerphänomen, sondern betrachteten den vielmehr Sportzuschauer in
all seinen Facetten,
seinen Motive und Orientierungen. Mit der zunehmenden
Kommerzialisierung des Sports wuchs auch das Interesse in Deutschland an solchen
Analysen. Die größten Probleme selbst dieser Untersuchungen blieben jedoch die
unmöglich
erscheinenden
Vergleiche
von
Zuschauer-
und
Fangruppen
verschiedener Sportarten. Da das konkrete Sportereignis als der bestimmende
Faktor für die Zuschauerbindung betrachtet wird, ist eine Lösung dieses Problems
noch nicht in Sicht.
Untersuchungen und Modelle:
Da diese Sportartenvergleiche nicht zwingend notwendig erscheinen,
konzentriert man sich in den neuesten Untersuchungen auch eher auf verschiedene
Zuschauerorientierungen innerhalb einer Sportart. OPASCHOWSKI teilte die
Interessen von Sportzuschauern in vier Bedürfnisse ein: 'Spaß haben', 'Spannung
erleben', 'Geselligkeit finden' und 'begeistert werden'. MESSING und LAMES suchten
darauf basierend nach Verbindungen von Zuschauern mit einem Sportereignis, die
sie Orientierungen nannten. Sie unterschieden die soziale Orientierung, die
Erlebnisorientierung, die Sachorientierung und die Ergebnisorientierung.
Soziale Orientierung bedeutet soviel wie ein Bedürfnis des Zuschauers nach
Beziehungen zu anderen Zuschauern oder gar Sportlern. Die Erlebnisorientierung
umfasst das Bedürfnis nach bestimmten Wirkungen des Sports bzw, des
Zuschauens auf den eigenen Gefühlszustand, wie z.B. Spannung oder Spaß zu
erleben. Die Sachorientierung ist dagegen stark an das sportliche Geschehen
gebunden. Man konzentriert sich auf die gebotenen Leistungen und die Qualität des
Ereignisses. Die Ergebnisorientierung bezeichnet die Erwartung eines bestimmten
Resultats, die den Zuschauer bewegt, sich das Sportereignis anzusehen.
Anhand dieses Modells versucht man nun Indikatoren für Massenphänomene
oder leere Stadien zu suchen, allerdings nicht immer erfolgreich. Spielt ein Verein
schlecht, dann erwarten die Zuschauer auch schlechte Ergebnisse und bleiben
deshalb den Spielen fern. Kommt aber der Ligaspitzenreiter, ist die Bude voll, obwohl
die Erwartung einer Niederlage noch größer sein müsste. Solche Beispiele belegen
immer wieder, dass es mehrere Gründe für einen Besuch einer Sportveranstaltung
gibt und auch Fangruppen nicht immer in die gleichen Orientierungsmuster eingeteilt
werden können. Deshalb fällt es den Psychologen auch immer wieder schwer,
empirische Beweise für ihre untersuchten Ergebnisse vorzulegen. Da sich die
einzelnen Orientierungen gegenseitig vermischen, also nicht voneinander trennbar
sind,
widersprechen
Orientierungshypothese
Empiriker
und
wie
fassen
STRAUß
alle
der
Indikatoren
zu
mehrdimensionalen
einer
Dimension
(Hauptorientierung), nämlich der "Attraktivität des Sportereignisses" zusammen.
Andere Modelle beschreiben nur einzelne Zuschauerphänomene, wie z.B.
SLOAN, der in seiner "Basking in Reflecting Glory" - Theorie Zuschauer beschreibt,
welche durch ihren Besuch von Sportveranstaltungen und der damit geringer
werdenden Distanz zwischen sich und den erfolgreichen Sportlern ihren Selbstwert
zu seigern versuchen. Die Abkehr von erfolglosen Sportlern wird dann wiederum
"cutting-of-reflected-failure" - Theorie von SNYDER u.a. als Selbstschutz interpretiert.
Andere Vermutungen, wie beispielsweise sich in der Masse zu verlieren, vor dem
Alltag zu fliehen (diversion theory), Stress abzubauen oder sich zu erholen
(recreation theory) etc. hielten sich bereits seit den 60er Jahren in den
psychologischen Überlegungen. Auch die bereits referierten "catharsis" und
"sensation-seeking" Theorien sind hier zu finden.
All diese untersuchten Phänomene lassen sich jedoch in diese vier
Orientierungsmuster mal gut mal schlecht integrieren
Probleme:
Wie bereits erwähnt ist das Hauptproblem dieses Orientierungsmodells die
fehlenden empirischen Belege. Die bekannten Untersuchungen lassen eher auf eine
Falsifizierung als auf eine Verifizierung des Modells schließen, obwohl selbst
STRAUß die Richtigkeit der Theorie nicht ausschließt. Die Probleme der
Beweisführung liegen vor allem im Zuschauer selbst, da dieser oftmals aus mehreren
Gründen
eine
Sportveranstaltung
oder
verschiedene
Ereignisse
aus
unterschiedlichen Gründen besucht. Außerdem erfordern verschiedene Etikette,
Traditionen
oder
Kulturen
oftmals
unterschiedliche
Verhaltensweisen
und
Orientierungen der Zuschauer. Ein Golfturnier wird anders beobachtet als ein
Fußballspiel. Oder aber sind die Fans in Fußballstadien in Deutschland kaum zu
vergleichen mit denen in Südamerika. Aufgrund dieser Probleme sind einheitliche
Klassifizierungen von Zuschauerorientierungen im Sport sehr schwierig zu
postulieren.
Literatur:
1.)
http://tal.cs.tu-berlin.de/ifp/buecher/einlbuch.pdf:
2.)
Messing
M.,
Lames
M.
(1996).
Empirische
Untersuchungen
zur
Sozialfigur
des
Sportzuschauers. Niedernhausen: Schors - Verlags - Gesellschaft mbH.
3.)
Stollenwerk H. J. (1996). Sport – Zuschauer – Medien. Aachen: Meyer & Meyer Verlag.
4.)
Strauß, B. (1994). Orientierungen von Sportzuschauern. Psychologie und Sport - Zeitschrift für
Sportpsychologie, 1, 19-25
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