Orientierungen von Sportzuschauern Seminar: Sportmedienpsychologie WS 2001/2 Oliver Händler [email protected] Schlüsselbegriffe: Sportzuschauer, Orientierungen, Motive Definitionen: Als Sportzuschauer sollen in diesem Zusammenhang nur solche Personen gelten, die bei einer Sportveranstaltung vor Ort, d.h. im Stadion oder der Halle etc. sind; also keine Fernsehzuschauer. Bernd STRAUß definiert Orientierungen von Sportzuschauern in Anlehnung an Messing und Lames als postulierte Gründe von Sportzuschauern, eine Sportveranstaltung zu besuchen. Sie stellen jedoch nur theoretische Konstrukte dar, welche sehr verschiedene Ausprägungen haben können. Orientierungsmuster sind nach SIEFKE handlungsleitende Motive, welche nicht nur intentionalem, sondern auch routinisiertem und habitualisiertem Handeln zugrunde liegen. STRAUß meidet den Ausdruck Motiv, da er diese im Gegensatz zu Orientierungen für nicht bewusstseinsfähig hält. Geschichte: Der Sportzuschauer erfreut sich seit den 70er Jahren einer immer stärker werdenden Beliebtheit besonders bei Psychologen. Mit dem Beginn des Hooliganism vor allem in den Fußballstadien Englands und Deutschlands wurden viele Untersuchungen durchgeführt. Diese verengten den Begriff des Sportzuschauers jedoch stark auf den gewaltbereiten Fußballfan. Außerdem fehlte es den Untersuchungen oft an empirischen Belegen und werden daher heute kaum noch beachtet. Da diese Fanprobleme den Amerikanern weitgehend unbekannt waren, und sie vielmehr daran interessiert waren, wie die Zuschauerzahlen in den Stadien erhöht werden könnten, verbissen sie sich nicht wie die Europäer auf eine Sportart und ein Zuschauerphänomen, sondern betrachteten den vielmehr Sportzuschauer in all seinen Facetten, seinen Motive und Orientierungen. Mit der zunehmenden Kommerzialisierung des Sports wuchs auch das Interesse in Deutschland an solchen Analysen. Die größten Probleme selbst dieser Untersuchungen blieben jedoch die unmöglich erscheinenden Vergleiche von Zuschauer- und Fangruppen verschiedener Sportarten. Da das konkrete Sportereignis als der bestimmende Faktor für die Zuschauerbindung betrachtet wird, ist eine Lösung dieses Problems noch nicht in Sicht. Untersuchungen und Modelle: Da diese Sportartenvergleiche nicht zwingend notwendig erscheinen, konzentriert man sich in den neuesten Untersuchungen auch eher auf verschiedene Zuschauerorientierungen innerhalb einer Sportart. OPASCHOWSKI teilte die Interessen von Sportzuschauern in vier Bedürfnisse ein: 'Spaß haben', 'Spannung erleben', 'Geselligkeit finden' und 'begeistert werden'. MESSING und LAMES suchten darauf basierend nach Verbindungen von Zuschauern mit einem Sportereignis, die sie Orientierungen nannten. Sie unterschieden die soziale Orientierung, die Erlebnisorientierung, die Sachorientierung und die Ergebnisorientierung. Soziale Orientierung bedeutet soviel wie ein Bedürfnis des Zuschauers nach Beziehungen zu anderen Zuschauern oder gar Sportlern. Die Erlebnisorientierung umfasst das Bedürfnis nach bestimmten Wirkungen des Sports bzw, des Zuschauens auf den eigenen Gefühlszustand, wie z.B. Spannung oder Spaß zu erleben. Die Sachorientierung ist dagegen stark an das sportliche Geschehen gebunden. Man konzentriert sich auf die gebotenen Leistungen und die Qualität des Ereignisses. Die Ergebnisorientierung bezeichnet die Erwartung eines bestimmten Resultats, die den Zuschauer bewegt, sich das Sportereignis anzusehen. Anhand dieses Modells versucht man nun Indikatoren für Massenphänomene oder leere Stadien zu suchen, allerdings nicht immer erfolgreich. Spielt ein Verein schlecht, dann erwarten die Zuschauer auch schlechte Ergebnisse und bleiben deshalb den Spielen fern. Kommt aber der Ligaspitzenreiter, ist die Bude voll, obwohl die Erwartung einer Niederlage noch größer sein müsste. Solche Beispiele belegen immer wieder, dass es mehrere Gründe für einen Besuch einer Sportveranstaltung gibt und auch Fangruppen nicht immer in die gleichen Orientierungsmuster eingeteilt werden können. Deshalb fällt es den Psychologen auch immer wieder schwer, empirische Beweise für ihre untersuchten Ergebnisse vorzulegen. Da sich die einzelnen Orientierungen gegenseitig vermischen, also nicht voneinander trennbar sind, widersprechen Orientierungshypothese Empiriker und wie fassen STRAUß alle der Indikatoren zu mehrdimensionalen einer Dimension (Hauptorientierung), nämlich der "Attraktivität des Sportereignisses" zusammen. Andere Modelle beschreiben nur einzelne Zuschauerphänomene, wie z.B. SLOAN, der in seiner "Basking in Reflecting Glory" - Theorie Zuschauer beschreibt, welche durch ihren Besuch von Sportveranstaltungen und der damit geringer werdenden Distanz zwischen sich und den erfolgreichen Sportlern ihren Selbstwert zu seigern versuchen. Die Abkehr von erfolglosen Sportlern wird dann wiederum "cutting-of-reflected-failure" - Theorie von SNYDER u.a. als Selbstschutz interpretiert. Andere Vermutungen, wie beispielsweise sich in der Masse zu verlieren, vor dem Alltag zu fliehen (diversion theory), Stress abzubauen oder sich zu erholen (recreation theory) etc. hielten sich bereits seit den 60er Jahren in den psychologischen Überlegungen. Auch die bereits referierten "catharsis" und "sensation-seeking" Theorien sind hier zu finden. All diese untersuchten Phänomene lassen sich jedoch in diese vier Orientierungsmuster mal gut mal schlecht integrieren Probleme: Wie bereits erwähnt ist das Hauptproblem dieses Orientierungsmodells die fehlenden empirischen Belege. Die bekannten Untersuchungen lassen eher auf eine Falsifizierung als auf eine Verifizierung des Modells schließen, obwohl selbst STRAUß die Richtigkeit der Theorie nicht ausschließt. Die Probleme der Beweisführung liegen vor allem im Zuschauer selbst, da dieser oftmals aus mehreren Gründen eine Sportveranstaltung oder verschiedene Ereignisse aus unterschiedlichen Gründen besucht. Außerdem erfordern verschiedene Etikette, Traditionen oder Kulturen oftmals unterschiedliche Verhaltensweisen und Orientierungen der Zuschauer. Ein Golfturnier wird anders beobachtet als ein Fußballspiel. Oder aber sind die Fans in Fußballstadien in Deutschland kaum zu vergleichen mit denen in Südamerika. Aufgrund dieser Probleme sind einheitliche Klassifizierungen von Zuschauerorientierungen im Sport sehr schwierig zu postulieren. Literatur: 1.) http://tal.cs.tu-berlin.de/ifp/buecher/einlbuch.pdf: 2.) Messing M., Lames M. (1996). Empirische Untersuchungen zur Sozialfigur des Sportzuschauers. Niedernhausen: Schors - Verlags - Gesellschaft mbH. 3.) Stollenwerk H. J. (1996). Sport – Zuschauer – Medien. Aachen: Meyer & Meyer Verlag. 4.) Strauß, B. (1994). Orientierungen von Sportzuschauern. Psychologie und Sport - Zeitschrift für Sportpsychologie, 1, 19-25