Rüdiger Funiok Medienethik: Trotz Stolpersteinen ist der Wertediskurs über Medien unverzichtbar. (aus: Medien und Ethik, Matthias Karmasin (Hrsg.), Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 2002) Abstract Rüdiger Funiok versucht in seinem Text sowohl Informationen über den Begriff Medienethik an sich, als auch über die rund um Medien handelnden Akteure zu geben. Er informiert über philosophische als auch pragmatische Ansätze, Problematiken sowie Verantwortung in der Welt der Massenmedien, und präsentiert Beispiele für Konfliktfelder. Darüber hinaus wird aber auch nicht auf die kritische Auseinandersetzung mit den Aufgaben und Blickwinkeln der einzelnen involvierten Personengruppen vergessen. Schlagwörter Ethik, Medienethik, Verantwortung, Moral, Massenmedien, Öffentlichkeit, ethische Prinzipien, ethische Steuerung, Journalismus, Medienrecht. Andreas Pucher, 0251428 696511 VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur Univ.-Prof. Dr. Thomas A. Bauer, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien, WS 2004/2005 1/6 Zusammenfassung Der Text Rüdiger Funioks über Medienethik ist in mehrere, von einander unabhängige Teile gegliedert. Einleitend formuliert der Autor den gesteigerten 'Ethik-Bedarf' in der Medienlandschaft, und das damit verbundene Bedürfnis nach einer unbestechlichen, parteilosen Institution. Es gilt die Begriffe Ethik und Moral zu unterscheiden. „Moral bezeichnet einen Bereich des menschlichen Lebens, der von Kunst, Wissenschaft, Recht oder Religion verschieden ist; Moral ist die Gesamtheit der moralischen Urteile, Normen, Ideale, Tugenden, Institutionen.“1 „Ethik ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Bereich der Moral.“2 Innerhalb des Ethikbegriffes ist nun die deskriptive (sozialwissenschaftliche) Ethik, von der philosophischen Ethik zu unterscheiden. Während die deskriptive Variante untersucht, ob die Handlungsweise für richtig gehalten werden kann, hat der philosophische Ansatz den Anspruch, die Richtigkeit der Handlung an sich zu klären. „Sie versucht, die vorhandenen Normen der Alltagsmoral oder die Berufsnormen auf ihre logische Konsistenz zu prüfen.“3 Funiok beruft sich in diesem Zusammenhang auf Kurt Bayertz und Bernhard Irrgang, die fünf idealtypische Ebenen philosphisch-ethischer Argumentation beschreiben: „ - die moralischen Urteile - konkrete Regeln oder Normen - moralischen Grundüberzeugungen oder Haltungen - ethischen Prinzipien - ethischen Theorien“4 1 Friedo Ricken, Allgemeine Ethik, Stuttgart, 1998, S.14 Funiok Rüdiger, Medien und Ethik, Stuttgart, 2002, S.39 3 Funiok Rüdiger, Medien und Ethik, Stuttgart, 2002, S.40 4 Funiok Rüdiger, Medien und Ethik, Stuttgart, 2002, S.41 2 2/6 Laut Autor entsteht ein Urteil bezüglich der Ethik auch aus dem direkten Zusammenhang heraus. „In die Frage nach (moralisch) richtig und falsch, also in die Werturteile, gehen nicht nur formale ethische Überlegungen ein, sondern wesentlich auch empirische Aussagen zum Gegenstandsbereich.“5 Medienethik wird von Funiok als Form angewandter Ethik beschrieben, für ihn vergleichbar mit anderen Sparten wie etwa der Umweltethik oder der Medizinethik. Diese Formen der Ethik fußen auf der Notwendigkeit, aufgrund neuer wissenschaftlicher Entwicklungen Bewertungen abgeben zu müssen, für die bis dato nach herrschender Moral jedoch noch keine Beurteilungskriterien vorhanden sind. Die Unterscheidung, beziehungsweise das Verhältnis zwischen Ethik und Recht sieht Funiok in der Selbstverpflichtung der handelnden Personen. Während die Rechtsprechung eine allgemein gültige Institution bzw. ein Sanktionierungsinstrument und damit unersetzlich ist, gilt die freiwillige ethische Selbstbindung als etwas Ethik-typisches. Das Zusammenspiel beider Faktoren, ermöglicht für Funiok erst die Stabilität eines gesellschaftlich so bedeutsamen Sektors wie den Medienbereich. Die Begrifflichkeiten in der Alltagssprache zum Thema Moral und Ethik, werden laut Funiok von einem Wort geprägt: Verantwortung. Die Frage nach der Verantwortung gliedert der Autor in sechs Teilfragen: „- Wer trägt Verantwortung? (Handlungsträger) - Was ist zu verantworten? (Handlung) - Wofür trägt er Verantwortung? (Folgen) - Wem gegenüber trägt er Verantwortung? (Betroffene) - Wovor muss er sich verantworten? (Instanz, z. B. Gewissen, Öffentlichkeit) - Weswegen muss man sich verantworten? (Werte, Normen, Kriterien).“6 5 6 Funiok Rüdiger, Medien und Ethik, Stuttgart, 2002, S.41 Funiok Rüdiger, Medien und Ethik, Stuttgart, 2002, S.42 3/6 Gerade im Medienbereich, ist die Frage nach der Verantwortung der Handlungsträger jedoch stark umstritten. Da die meisten Abläufe und Prozesse arbeitsteilig erfolgen, ist es schwer einen für die Medienangebote Verantwortlichen auszumachen. Einzelnen Produzenten, Institutionen oder auch die Strukturen eines Mediensystems könnten verantwortlich gemacht werden. Durch diese Aufteilung verschiedener Verantwortung ist sogar ein Paradoxon vorstellbar, in dem alle Beteiligten für sich gesehen moralisch einwandfrei handeln, jedoch das Endprodukt problematische Folgen nach sich zieht. Dieses Problem ist für den Autor nur durch das persönliche Gewissen, und eine ethische Sensibilität der Unternehmung lösbar. Zudem muss die Öffentlichkeit ihre Rolle als Kritiker aktiv wahrnehmen und moralische Standards einfordern. Diese Schwierigkeiten in Zukunft zu überwinden, werden auch durch bürokratische Hürden verkompliziert. Um die Notwendigkeit für Gesetzesreformen im öffentlichen Bewusstsein festzusetzen, die Dringlichkeit des Problems zu schildern, die Entwicklung eines Problembewusstseins zu ermöglichen, wird (zu)viel Zeit benötigt. Diese Regelungen dann auch justiziabel und effektiv zu machen, ist für Funiok die nächste Herausforderung. Nachdem in der derzeitigen Situation die staatlichen Interventionsmöglichkeiten stark beschränkt sind, sollte doch zumindest die klassische Markttheorie, die freie Konkurrenz des Marktes eine regulierende Rolle spielen. Jedoch durch horizontale, vertikale und vor allem diagonale Konzentration, wird, so Funiok dieses Regulierungsinstrument zunehmend ausgespielt. „(Beispiel: die spanische Telefonica kauft den sog. TV-Content-Anbieter Endemol, der u. a. Big Brother produziert).“7 7 Funiok Rüdiger, Medien und Ethik, Stuttgart, 2002, S.44 4/6 Um der Medienethik Substanz zu geben, sollte ihre eine gewisse „Bodenhaftung“ seitens der Wirtschaftsethik gesichert werden. Die Gewinnorientierung, und den Gemeinwohlbezug als Verbund zu sehen ist eine der zukünftigen Hauptaufgaben. Als weitere aktuelle Herausforderung gilt, die beste Mischung aus anregendunterhaltenden und nüchtern-informierenden Elementen zu finden. In einer von PR-mäßigen Inszenierungen geprägten Alltagswelt, ist die kritische Auseinandersetzung mit den gebotenen Ressourcen mehr denn je eine Grundlage, um journalistische Unabhängigkeit zu gewährleisten. Vor allem ein neues Medium, die Onlinezeitung, lässt für Rüdiger Funiok in vielen Fällen die notwendige strukturelle Unterscheidung zwischen redaktionellen Teilen, und Verkaufsangeboten vermissen. Ein weiterer Ansatzpunkt für medienethisch Verantwortungsbewusste, so Funiok Bibliographie Medien und Ethik, Matthias Karmasin (Hrsg.), Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 2002 Allgemeine Ethik, Friedo Ricken, Kohlhammer-Verlag, Stuttgart, 1998 5/6 Kritische Betrachtung Der Artikel von Rüdiger Funiok arbeitet sehr schön die wichtigsten Aspekte rund um die Medienethik heraus. Beginnend mit der für Funiok geltenden Definition der Ethik, über die Spezialisierung und Einteilung in Untergruppen, hin zur kritischen Betrachtung der Akteure, und auch abschließend der Blick in die Gegenwart bzw. Zukunft, ist sehr klar und gut verständlich erklärt. Der Autor spannt viele parallele Linien, und knüpft sie im Fortlauf seines Textes auch quer aneinander. Gut erklären lässt sich dieser rote Faden zum Beispiel, am als für Medienethik zentral angesehenen Wort Verantwortung. Von der Begriffserklärung für diesen spezifischen Fall, über die gesellschaftliche Bedeutung, bis hin zu den Personen die für Wahrnehmung diese Verantwortung zuständig sind läuft von Beginn des Textes bis zur Conclusio eine gut verfolgbare, und angenehm lesbare Linie. Inhaltlich versteht es Funiok ausgezeichnet, hochtrabend philosophische Ansätze, pragmatischen gegenüberzustellen, sie nicht gegeneinander auszuspielen sondern als gut verständliche Einheit zu präsentieren. Medienpädagogisch setzt Funiok an einem Kernpunkt an. Die Grundvoraussetzung zur Reflexion über das eigene mediale Schaffen ist die Definition von anzustrebenden Werten. Die Ethik hat für Funiok, einen zentralen Platz in der Liste der Zielvorgaben anspruchvoller und gesellschaftlich wertvoller Medienarbeit. An den Wertevorgaben die eine Gesellschaft für sich definiert, Ziele eines optimierten oder zumindest idealisierten Seins, versuchen im Idealfall auch Medienschaffende ihre Arbeit zu orientieren. Die dabei auftretenden Problematiken, z.B. die Verteilung der Verantwortung in die einzelnen Arbeitsstufen, um sich schlussendlich vor ihr zu drücken stellt Funiok sehr nachvollziehbar dar. Eine Veränderung der Medienwelt wird der Autor mit seinem Text wahrscheinlich nicht erreichen. Jedoch die von ihm geforderte Auseinandersetzung mit ethischen Problematiken, bei der tagtäglichen Nutzung der Medien, gibt eventuell allen Wirkenden - also Journalisten, Medienfunktionären, aber auch uns Rezipienten Tag für Tag neue Denkanstöße. 6/6