Der „Aufruf für ein ‚Tribunal` - Mit dem Forum der Aufklärung

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FORUM zur Aufklärung und Erneuerung e. V.
22.3.1992 – 22.3.2012
Der Vorstand
Ruschestr. 103 (Haus I)
10365.Berlin
Tel./Fax: 030-55155986
Vereinsregister:
AG Leipzig, VR 1748
Bankverbindung:
Kto.: 33005750
BLZ.: 81053272
Stadtsparkasse.Magdeburg
Internet: www.ddr-diktatur.de
22. März 2012
20 Jahre FORUM zur Aufklärung und Erneuerung e. V.
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,
sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,
mir obliegt die angenehme Aufgabe, Sie im Namen unseres Vereinsvorstandes und im
eigenen Namen ganz herzlich zu begrüßen.
Der Anlass unserer Einladung ist der Tatsache gewidmet, dass wir genau an diesem 22. März
2012 den 20sten Jahrestag unseres Vereins begehen. Dank gilt in dieser Stunde all jenen, die
dem Vereinsanliegen über diese doch lange Zeit treu geblieben sind. Unsere Gedanken wollen
wir auch dem langjährigen Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Ullmann in Dankbarkeit zuwenden.
Mit einigem Stolz können wir hervorheben, dass die Arbeit in unserem Verein ausschließlich
auf ehrenamtlichem Engagement beruht; Christiane Gumpert und Carola Winkler sei für das
unermüdliche Mitwirken herzlich gedankt. Belastungen, die unvermeidlich bis in die Familien
hineinreichen und dort mitgetragen werden, sind uns wesentliche Hilfe.
Als Gründungsmitglied des FORUMs sei mir gestattet, einige Worte den zeitgeschichtlichen
Hintergründen zu widmen, die Motiv für die deutschlandweite „Wanderung“ von Menschen
zu den Treffs der Vereinsgründung im Februar/März 1992 waren.
Der „Aufruf für ein ‚Tribunal’ - Mit dem Forum der Aufklärung beginnen!“, verfasst
durch
namhafte Bürgerrechtler und Träger der demokratischen Bewegung um Joachim Gauck,
Friedrich Schorlemmer, Wolfgang Thierse, Wolfgang Ullmann, Gerd und Ulrike Poppe u. a.,
hatte Menschen aus ganz Deutschland an den Gründungsort, das Neue Stadthaus zu Leipzig,
gerufen. Die meisten sahen sich mit den Verfassern des Aufrufs, die im Wesentlichen aus
dem Kreis der Bürgerrechtler, Friedens- und Umweltbewegung kamen, in einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe verbunden:
„Es geht um einen gesellschaftlichen Prozeß der Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit. Der Staat
hat mit den Mitteln der Strafjustiz das seinige zu tun, nämlich Recht sprechen zu lassen; der Bundestag wird eine Enquéte-Kommission zur Untersuchung des Unrechtregimes in der DDR einsetzen.
Wir aber, die sie erlebt, ermöglicht und ertragen haben, dürfen uns in der Begegnung mit der DDRUnrechts-Geschichte nicht vertreten lassen.“ (Aufruf, letzter Absatz)
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Menschen, die noch vor dem 13. August 1961 der DDR den Rücken kehrten, die Opfer
der
politischen Verfolgung und der Justizwillkür wurden, die unter Einsatz ihres Lebens die
innerdeutsche Grenze überwanden und eine neue Perspektive suchten und solche, die an der
Überwindung der Folgen der kommunistischen Diktatur mitwirken wollten, waren zugegen.
Das Gros der Gründungsmitglieder war von dem Willen geprägt, die Einheit
Deutschlands
verantwortlich mitzugestalten. Eine unbeschreibliche Aufbruchstimmung verbreitete sich im
Saal des Stadthauses zu Leipzig.
Nicht unterschlagen wollen wir, dass die Tribunalidee sich nicht als durchsetzbar erwies.
Es gab die Opfer der politischen und (wirtschafts-) politischen Verfolgung, aber keine Täter.
Die Wirkung der Initialzündung für die Vereinsgründung war verpufft. Die Aussicht auf
politische Ämter war reizvoller als das ehrenamtliche Engagement.
Wolfgang Ullmann stellte dazu treffend fest, dass mit dem Ausschalten der Kameras das
Interesse der Träger des Aufrufs erloschen war.
Das pyromanische Verlangen eines damaligen Vorstandsmitglieds aus Wittenberg/Elbe im
Umgang mit den Stasi-Akten löste einen notwendigen vereinsinternen Klärungsprozeß aus,
der den Zugang zum Herrschaftswissen einerseits und die juristische, historische und politische Aufarbeitung andererseits als untrennbare Einheit ansah.
Im Vorfeld von Leipzig war aber auch klar geworden, dass der Kampf um das Herrschaftswissen, insbesondere den Stasi-Akten, Allianzen entstehen ließ, die in diesem nicht vertrauensfördernd waren. Erinnert sei nur daran, dass erst die Besetzung der Büroräume des MfSZentralarchivs am 4.9.1990 und ein Offener Brief vom 21.9.1990 die Unterhändler der DDR
und der Bundesrepublik Deutschland dahin führten, das Problem der Stasi-Akten im Einigungsvertrag zu berücksichtigen. Der Weg zum Stasi-Unterlagen-Gesetz vom 20.12.1991
war damit geebnet.
Der Einigungsvertrag sah im Art. 17 und 18 ferner vor, die Opfer politisch motivierter Strafverfolgung des SED-Unrechtregimes zu rehabilitieren und zu entschädigen.
Es brauchte allerdings Jahre, um die bekannten Gesetze zur straf-, verwaltungsrechtlichen und
beruflichen Rehabilitierung auf den Weg zu bringen.
Wir rechnen uns zu, dass wir gemeinsam mit Opferverbänden und Aufarbeitungsinitiativen
nichts unversucht gelassen haben, die Hürden in den Gesetzen zur strafrechtlichen Rehabilitierung, zur Höhe der Kapitalentschädigung und der Opferrente, zur Anerkennung haftbedingter Gesundheitsschäden und zum Ausgleich von Vermögensschäden (§ 10 des Vermögensgesetzes - Erbringung eines Verwertungsnachweises durch Betroffene) zu überwinden.
Erfolglos geblieben sind wir in der Frage der Entschädigung der im Frühjahr 1945 deportierten deutschen Mädchen und Frauen. Das bedrückt uns bis heute.
Wenige Ausführungen zur Unabhängigkeit unsers Wirkens: Einen großen nicht hoch genug
zu schätzenden Vorteil haben wir daraus ziehen können, und zwar die Unabhängigkeit bei der
Bildung und Vertretung eines eigenen Standpunkts zu Vorhaben im politischen Raum bis
hinauf zur Bundesebene. Wir haben uns die willige Unterwerfung unter das Prinzip der
(bestellten) Zustimmung dank dieser Unabhängigkeit nicht auferlegen müssen. Teilnehmer an
öffentlichen Veranstaltungen, am Arbeitskreis II des Berliner Landesbeauftragten für die
Stasi-Unterlagen und der Senatskulturverwaltung sowie der Gesprächsrunden beim Regierenden Bürgermeister von Berlin können dies vielleicht bestätigen.
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Das „Wagnis“, eigene Ideen zur Gestaltung der Gedenkstätten KZ Sachsenhausen/
Internierungslager/SpezLager Nr. 7, der Gedenkstätte Berliner Mauer als Zeitzeugnis für die
Verbrechen des Kommunismus gegen die Menschlichkeit einzubringen oder die Frage zur
Notwendigkeit eines Museums des Kalten Krieges aufzuwerfen, führte zu Brüchen in
jahrelangen Beziehungen.
Gern würden wir Sie gewinnen, den etwas in Vergessenheit geratenen Bau des Einheitsund Freiheitsdenkmals zu einem Anliegen aller Bürger der Bundesrepublik Deutschland zu
machen - die Finanzierung eingeschlossen.
Vielen Dank!
Berlin, den 22.3.2012
Reinhard Dobrinski
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