Unscharfe Mengen in der DDR Rudolf Seising European Centre for Soft Computing Visiting Researcher Edificio Científico-Tecnológico. 3ª Planta. C Gonzalo Gutiérrez Quirós S/N 33600 Mieres, Asturias, Spain E-Mail: [email protected] Kybernetik und Systemtheorie, bis zu Stalins Tod als „bürgerlich-idealistisch“ diffamiert, wurden in den 1960er Jahren zur „kommunistischen Wissenschaft“, die als besonders förderungswürdig galt, damit der „wissenschaftlich-technische Höchststand“ rasch erreicht würde. Dem mit diesem Elan gewachsenen Anspruch von Kybernetik und Systemtheorie, über die technischen Grenzen hinaus auch die Regelung im sozio-ökonomischen Bereich zu übernehmen, begegneten die SED-Ideologen jedoch in den 1970er Jahren mit Gegensteuerungsmaßnahmen, und das Fach wurde in die Grenzen seiner technischen Ausrichtung zurück verwiesen. Um die den Aufbau des Sozialismus verheißende wissenschaftlich-technische Revolution (WTR) in der DDR nicht zu gefährden, wurden zur Förderung kybernetischer und systemtheoretischer Forschung neue Institutionen an Hochschulen und Akademie eingerichtet, nicht zuletzt auch aufgrund der Gründung des International Institute for Applied System Analysis (IIASA). In diesem Stadium entstand eine vor allem an technischen Anwendungen orientierte Arbeitsgruppe von Wissenschaftlern verschiedener Hochschulen, die sich mit der so genannten Theorie „unscharfer Mengen“ beschäftigten. Initiator dieser „GDR Working Group on Fuzzy Sets and Systems“ war Manfred Peschel, der damalige Leiter des Forschungsbereichs „Mathematik und Kybernetik“ der Akademie der Wissenschaften der DDR. Der Vortrag behandelt nach einer Einführung in die Geschichte der in den USA 1965 begründeten Theorie der Fuzzy Sets and Systems auch deren Entwicklung in der DDR. Während diese mathematisch exakte „Theorie unscharfer Mengen“ erst zu Beginn der 1980er Jahre in Japan, den USA und in Westeuropa bekannt und erfolgreich wurde, gab es in der DDR schon in den späten 1970er Jahren Wissenschafter und Techniker, die sich ihrer erfolgreich annahmen. Leben und Werk von Manfred Peschel in der DDR und später in der Bundesrepublik Deutschland ist hier von besonderem Interesse. Kurze Biographie: Rudolf Seising ist Wissenschaftshistoriker und -philosoph und zurzeit als Visiting Researcher am European Centre for Soft Computing in Mieres (Asturien), Spanien. Nach dem Studium in Mathematik und Physik an der Ruhr-Universität Bochum promovierte er an der Fakultät für Philosophie, Wissenschafts-theorie und Statistik der Ludwig– Maximilians–Universität in München, mit der Dissertation Probabilistische Strukturen in der Quantenmechanik. An derselben Universität habilitierte er sich später mit der Arbeit Die Fuzzifizierung der Systeme. Die Entstehung der Fuzzy Set Theorie und ihrer ersten Anwendungen Ihre Entwicklung bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts (Steiner 2005; engl.: Springer 2007) und er ist Herausgeber des Bandes Views on Fuzzy Sets and Systems from Different Perspectives Philosophy and Logic, Criticisms and Applications (Springer 2009). Dr. Seising war von Wissenschaftlicher Assistent in der Fakultät für In-formatik an der Universität der Bundeswehr München (1988-1995) und Universitätsassistent für Wissenschaftsgeschichte in der Fakultät für Sozialwissenschaften derselben Universität (19952002). Danach war er Hochschulassistent in der Medizinischen Statistik und Informatik der Medizinischen Universität Wien (2002-2008). Seit 2005 ist er Privatdo-zent an der Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaften der Lud-wig-Maximilians-Universität in München. Er vertrat die Professuren für Geschichte der Naturwissenschaften an der Friedrich-Schiller-Universi-tät Jena (SS 2008) und der Ludwig–Maximilians–Universität in München (WS 2009/10). Er war mehrmals Visiting Scholar an der University of California at Berkeley. Seit 2004 ist er Chairman der IFSA Special Interest Group “History” und seit 2007 leitet er die EUSFLAT Working Group “Philosophical Foundations”.