Das Recht des Lufttransports Prof. Dr. Wolf Müller-Rostin, Bonn 2– Inhaltsverzeichnis 1 Die Rechtsgrundlagen des Luftverkehrs...................................................... 5 1.1 1.2 1.3 Das Recht der internationalen Luftbeförderung ................................................................ 5 Das Recht der nationalen Luftbeförderung ....................................................................... 8 Die Beförderungsbedingungen ......................................................................................... 8 2 Grundsätzliches zu den frachtrechtlichen Vorschriften Error! Bookmark not defined. 3 Der Luftbeförderungsvertrag und die Parteien des Luftbeförderungsvertrages 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 4 Der Luftbeförderungsvertrag als Werkvertrag ................................................................. 11 Der Luftfrachtführer ......................................................................................................... 12 Der Spediteur .................................................................................................................. 14 Der Absender .................................................................................................................. 15 Nicht am Vertrag Beteiligte ............................................................................................. 15 Die Dokumentation der Luftfrachtbeförderung ......................................... 16 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 Der Luftfrachtbrief und „jede andere Aufzeichnung“ ....................................................... 16 House Air Waybill und Master Air Waybill ...................................................................... 18 Der Luftfrachtbrief als Sicherung eines Akkreditivgeschäftes ........................................ 20 Ausstellen des Luftfrachtbriefes ...................................................................................... 20 Der Inhalt des Luftfrachtbriefes gem. Art. 8 WA bzw. Art. 8 WA/HP .............................. 22 Der Inhalt von Luftfrachtbrief und Empfangsbestätigung gem. Art. 5 MÜ ...................... 23 Die Beweiskraft der Angaben im Luftfrachtbrief bzw. in der Empfangsbestätigung ....... 24 5 Rechte und Pflichten von Absender und Empfänger gemäß Art. 12-15 WA, WA/HP, MÜ ................................................................................................ 277 5.1 5.2 5.3 5.4 5.4.1 Schadensersatzanspruchsrecht des Absenders ....................................................... 28 Verfügungsrechte des Absenders ............................................................................. 28 Die Pflichten des Absenders ...................................................................................... 31 Rechte und Pflichten des Empfängers ....................... Error! Bookmark not defined.2 Rechte und Pflichten bei Ablieferung der Güter 3– 5.4.2 6 33 Die Haftungsregelungen ............................................................................ 344 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.3 6.4 6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.5.4 6.6 6.6.1 6.6.2 6.7 6.7.1 6.7.2 6.7.3 7 Das Recht zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen Das Verschulden ........................................................................................................... 344 Die Schadensobjekte und Schadensformen ................................................................... 35 Die Zerstörung ............................................................................................................ 36 Der Verlust .................................................................................................................. 36 Die Beschädigung ....................................................................................................... 37 Die Verspätung ........................................................................................................... 38 Das schadenursächliche Ereignis und die Kausalität ..................................................... 40 Die Beweispflicht ............................................................................................................. 40 Der Haftungszeitraum gemäß Art. 18 WA, WA/HP, MÜ ................................................. 42 Bestimmung des Haftungszeitraumes nach dem Warschauer Abkommen ............... 42 Bestimmung des Haftungszeitraumes nach dem Montrealer Übereinkommen ......... 43 Der Begriff der Obhut.................................................................................................. 43 Der Haftungszeitraum bei der Verspätung gemäß Art. 19 ......................................... 45 Die Haftungsbefreiung .................................................................................................... 45 Haftungsbefreiung wegen Mitverschuldens nach dem Warschauer Abkommen bzw. Montrealer Übereinkommen 45 Haftungsbefreiung nach dem Montrealer Übereinkommen........................................ 46 Die Luftfrachtersatzbeförderung ..................................................................................... 49 Vertragsgemäße Luftfrachtersatzbeförderung und bekannter Schadensort .............. 49 Vertragsgemäße Luftfrachtersatzbeförderung und unbekannter Schadensort .......... 50 Vertragswidrige Luftfrachtersatzbeförderung ............................................................. 51 Die Haftungsgrenzen.................................................................................... 55 7.1 Die Haftungsgrenzen des Warschauer Abkommens und ihre Durchbrechbark. ............ 55 7.2 Die Haftungsgrenzen des Montrealer Übereinkommens und ihre Undurchbrechbarkeit .................................................................................................................... 58 7.3 Die Bemessung des Umfangs des Schadensersatzes ................................................... 62 8 Die Haftung des Luftfrachtführers für seine „Leute“ ................................ 63 9 Von einem anderen als dem vertraglichen Luftfrachtführer ausgeführte Beförderung ........................................................................................................ 65 10 Die Gerichtsstände des Art. 28 WA, WA/HP bzw. Art. 33 MÜ ................... 67 11 Die Frist zur Schadensanzeige .................................................................... 68 12 Die Ausschlussfrist ...................................................................................... 69 13 Schiedsverfahren ......................................................................................... 70 14 Die Umrechnung der abstrakten Haftungsbeträge .................................... 70 15 Die Versicherungspflicht ............................................................................. 71 16 Nationales Lufttransportrecht der §§ 407–475h HGB................................. 73 16.1 Besonderheiten des Lufttransports .................................................................................... 73 16.2 Der Luftbeförderungsvertrag ........................................................................................... 74 4– 16.3 16.4 16.5 16.6 16.7 16.8 Die Haftung des Luftfrachtführers ................................................................................... 76 Haftungsausschlussgründe ............................................................................................. 77 Ersatz für Güterschäden ................................................................................................. 78 Die Schadensanzeige ..................................................................................................... 80 Verjährungsregelung ....................................................................................................... 80 Die Beförderungsdokumente .......................................................................................... 80 17 Schlussbemerkung ...................................................................................... 81 Übersicht - Prüfungsschema für den Schadensfall……………………………..83 Literaturverzeichnis ........................................................................................... 86 Anhang ................................................................................................................ 87 5– 1 Die Rechtsgrundlagen des Luftverkehrs 1.1 Das Recht der internationalen Luftbeförderung Gewerblicher Luftverkehr wird seit fast 100 Jahren betrieben. Wesentliches Merkmal des Luftverkehrs ist, dass er zumeist grenzüberschreitend ist und dadurch zahlreiche Länder mit unterschiedlichen Rechtssystemen berührt. So kommt z. B. bei einer Luftfrachtbeförderung von Deutschland nach Kanada mit Zwischenlandung in Irland die Anwendung von mindestens drei Rechtsordnungen in Betracht. Wird zudem die Beförderung durch ein US-amerikanisches Luftfahrtunternehmen für einen holländischen Absender durchgeführt, ist ersichtlich, dass ohne vereinheitlichende Vorschriften allenfalls die Rechtsanwälte der Parteien, und zumeist nicht einmal diese, in der Lage sind, das anzuwendende Recht zu bestimmen. So wurde frühzeitig erkannt, dass diese neue Verkehrsart auch einer angemessenen Behandlung durch das Recht bedurfte. Eine Vereinheitlichung der die Luftbeförderung regelnden Vorschriften war unabdingbar, um die Anwendung unterschiedlicher nationaler Rechte auszuschließen und um für die Parteien des Luftbeförderungsvertrages Rechtsklarheit und Rechtssicherheit herbeizuführen. So wurde bereits im Jahre 1925 in Paris eine internationale Luftprivatrechtskonferenz einberufen, die einen Entwurf eines Abkommens über die Beförderungsdokumente und die Haftung des Luftfahrtunternehmers im internationalen Luftverkehr erarbeitete. Ausgehend von diesem Entwurf wurde auf einer weiteren Konferenz, die im Oktober 1929 in Warschau stattfand, das Abkommen zur Vereinheitlichung von gewissen Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr erarbeitet. Dieses Abkommen, besser bekannt unter der verkürzten Bezeichnung „Warschauer Abkommen“, trat am 29. Dezember 1933 für das Deutsche Reich in Kraft (RGBl. 1933 II 1039). Damit war ein Rechtsinstrument geschaffen, welches die wesentlichsten privatrechtlichen Regelungen im internationalen Luftverkehr auf eine weltweit einheitliche Grundlage stellte und somit den rechtlichen Rahmen für den rasanten Aufschwung des gewerblichen Luftverkehrs gewährte. Kritik insbesondere an den Haftungsregelungen des Warschauer Abkommens führte zu einer Staatenkonferenz, die im Jahre 1955 in Den Haag im Wege des sogenannten „Haager Protokolls“ (BGBl. 1964 II 1295) das Warschauer Abkommen in zahlreichen Vorschriften novellierte. Das Haager Protokoll trat ergänzend neben das Warschauer Abkommen. Deutschland ist Ratifikationsstaat des Warschauer Abkommens in seiner Originalfassung und in der Fassung des Haager Protokolls. In den Folgejahren zeigten sich weitere Schwächen des Warschauer Abkommens, die durch weitere Protokolle, Zusatzabkommen und privatrechtliche Vereinbarungen geheilt werden sollten. Dadurch wurde jedoch das Abkommen immer unübersichtlicher, die angestrebte Rechtsvereinheitlichung ging 6– verloren. Im Mai 1999 wurde daher eine Staatenkonferenz nach Montreal einberufen, deren Ziel die Wiederherstellung der Rechtsvereinheitlichung und eine Modernisierung der luftfahrtrechtlichen Vorschriften durch Schaffung eines neuen Abkommens war. Das „Übereinkommen zur Vereinheitlichung gewisser Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr“ (Montrealer Übereinkommen, MÜ) vom 28. Mai 1999 ist am 4. November 2003 in Kraft getreten. Für Deutschland und die damaligen übrigen 14 (Alt-) Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft ist es zeitgleich am 28. Juni 2004 (BGBl. 2004 II 458) in Kraft getreten. Für die jeweilige Anwendbarkeit des Warschauer Abkommens in seiner Originalfassung oder in derjenigen des Haager Protokolls bzw. für die Anwendbarkeit des Montrealer Übereinkommens auf einen Vertrag über die internationale Beförderung im Luftverkehr ist darauf abzustellen, welches Abkommen der Staat des Abgangsortes und welches Abkommen der Staat des Bestimmungsortes der Beförderung ratifiziert haben (vgl. Art. 1 WA, WA/HP bzw. Art. 1 MÜ, s. auch BGH TranspR 2011, 220). Abgangsort und Bestimmungsort der Beförderung ergeben sich aus den Eintragungen im Luftfrachtbrief bzw. in „jeder anderen Aufzeichnung“ gemäß Art. 4 Abs. 2 MÜ (s. dazu die Ausführungen unter Kapitel 4.1). Haben beide Staaten das Warschauer Abkommen, ggfs. auch in der Fassung des Haager Protokolls, ratifiziert, so ist das Warschauer Abkommen in seiner Ursprungsfassung oder ggfs. in der Fassung des Haager Protokolls anwendbar. Entsprechendes gilt, wenn beide Staaten das Montrealer Übereinkommen ratifiziert haben (BGH TranspR 2007, 425 = NJW 2008, 289). Grundsätzlich ist jeweils das jüngste der gemeinsam ratifizierten Abkommen bzw. Übereinkommen anwendbar. Hat z. B. ein Staat das Warschauer Abkommen und der andere Staat daneben noch das Montrealer Übereinkommen ratifiziert, so gilt das Warschauer Abkommen als “gemeinsamer Nenner“. Innerstaatliche Teilstrecken einer ansonsten internationalen Beförderung (Hamburg-Frankfurt-New York) unterliegen gleichermaßen dem Warschauer Abkommen bzw. Montrealer Übereinkommen und nicht nationalem Recht. Angesichts der Tatsache, dass das Warschauer Abkommen in der Originalfassung von 1929 in 152 Staaten, das Warschauer Abkommen in der Fassung des Haager Protokolls von 1955 in 137 Staaten gilt, wohingegen knapp über 100 Staaten bislang (Stand August 2011) das Montrealer Übereinkommen ratifiziert haben (der jeweilige Ratifizierungsstand ist abrufbar über die Internetseiten der International Civil Aviation Organisation: http://www.icao.int/icao/en/leb/mtl99.htm bzw. http://www.icao.int/icao.en/leb/wc-hp.htm), gelten noch für einen nicht absehbaren Zeitraum beide Abkommen nebeneinander. Daher erstrecken sich auch die nachfolgenden Erläuterungen auf beide Abkommen, allerdings mit Schwerpunkt auf den Vorschriften des Montrealer Übereinkommens, hier wiederum mit Schwerpunkt auf den frachtrechtlichen Vorschriften. 7– Sofern eine internationale Luftbeförderung vorliegt, bei der Abgangs- und Bestimmungsort in Mitgliedsstaaten des Warschauer Abkommens bzw. des Montrealer Übereinkommens liegen, ist die Anwendung des jeweiligen Abkommens/Übereinkommens zwingend (Art. 24 WA, WA/HP, Art. 29 MÜ). Soweit eine Haftung nach dem Abkommen/Übereinkommen gegeben ist, ist eine Haftung nach anderen Haftungsnormen, z.B. Deliktsrecht, ausgeschlossen (BGH NJW 1969, 2008; NJW 1974, 1619). Weiterhin bestimmt Art. 55 MÜ, dass das Übereinkommen für seine Ratifikationsstaaten Vorrang genießt gegenüber den in den jeweiligen Staaten bislang anwendbaren Abkommen über die Beförderung im internationalen Luftverkehr. Dies sind namentlich das Warschauer Abkommen in seiner Originalfassung, das Warschauer Abkommen in seiner Fassung des Haager Protokolls sowie das Zusatzabkommen von Guadalajara (s. dazu Kapitel 10, Seite 64) und das Montrealer Protokoll Nr. 4, welches allerdings für Deutschland nicht in Kraft getreten ist (zum Montrealer Protokoll Nr. 4 s. Koller, Transportrecht, Teil B. 5; Müller-Rostin, TranspR 1999, 81). Die Anwendung nationalen Rechts wird durch das Warschauer Abkommen bzw. das Montrealer Übereinkommen insoweit verdrängt, als die völkerrechtlichen Instrumente Regelungen enthalten, die auch Gegenstand nationalen Rechts sind. Vorausgesetzt ist indes stets, dass der Schaden anlässlich einer internationalen Luftbeförderung iSv Art. 1 Abs.2 WA, WA/HP, MÜ entstanden ist. Soweit hingegen in den internationalen Instrumenten ein Sachverhalt keine Regelung gefunden hat, wird mitunter auf die „lex fori“ verwiesen, so z. B. bei der Berechnung der Ausschlussfristen für Klagen gegen den Luftfrachtführer (Art. 29 Abs. 2 WA, WA/HP bzw. Art. 35 Abs. 2 MÜ). Hat ein Sachverhalt keine Regelung in den internationalen Abkommen gefunden und wird auch nicht ausdrücklich auf die „lex fori“ verwiesen, so gelangt nationales Vertragsrecht zur Anwendung z. B. bei folgenden Rechtsfragen: - Pfandrecht des Luftfrachtführers, - Haftung für Nicht- oder Schlechterfüllung, - Anfechtung des Luftfrachtbeförderungsvertrages, - Übertragbarkeit des Luftfrachtbriefes (s. Giemulla, in Giemulla/Schmid, Kommentar MÜ, Einleitung Rdnr. 41). Für die Frage, auf welches nationale Recht zurückzugreifen ist, ist zunächst zu untersuchen, ob die Parteien eine Vereinbarung über das anzuwendende Recht getroffen haben (BGH Transpr 2007, 425 = NJW-RR 2008, 347). Andernfalls ist für Verträge, die vor dem 17.12.2009 geschlossen worden sind, das anzuwendende Recht über die allgemeinen Kollisionsnormen der Art. 3-38 und 220 EGBGB zu bestimmen. Für ab 8– diesem Datum geschlossene Verträge sind die Vorschriften der sog Rom-I Verordnung maßgebend (Verordnung (EG) 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht [Rom-I VO], ABl. EU 2008, L 177, S. 6; s. dazu Drews, TranspR 2010, 327). Die Rom-I Verordnung hält für Güterbeförderungsverträge an dem Prinzip der Rechtswahl durch die Parteien des Beförderungsvertrages fest. Ist aber von den Parteien eine Rechtswahl nicht vorgenommen worden, so ist das Recht des Staates anwendbar, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, sofern sich in diesem Staat auch der Ort der Übernahme, der Ort der Ablieferung oder der gewöhnliche Aufenthaltsort des Absenders befindet (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Rom-I VO). Liegen die Voraussetzungen für die kumulative Anknüpfung nicht vor, unterliegt der Vertrag dem Recht desjenigen Staates, in dem der vertraglich vereinbarte Ablieferungsort liegt (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Rom_I VO). Nationales Recht ist auch anwendbar, wenn keines der völkerrechtlichen Übereinkommen anwendbar ist, weil keine internationale Beförderung iSv. Art. 1 WA, WA/HP bzw. MÜ vorliegt, weil Abgangs- und Bestimmungsort nicht in zwei Ratifikationsstaaten liegen. 1.2 Das Recht der nationalen Luftbeförderung Die innerstaatliche Luftbeförderung unterliegt nicht den Vorschriften internationaler Abkommen, sondern bestimmt sich allein nach nationalem Recht. Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 17. 1.3 Die Beförderungsbedingungen Auch im Luftverkehr werden Allgemeine Geschäftsbedingungen, hier „Beförderungsbedingungen“ genannt, zur inhaltlichen Gestaltung des Luftfrachtvertrages verwandt. In der Anlage sind die Beförderungsbedingungen der Deutschen Lufthansa Cargo Aktiengesellschaft (Stand März 2011) abgedruckt. Die Beförderungsbedingungen der einzelnen Luftverkehrsgesellschaften sind in deren Verkaufbüros oder über ihre Internetseiten erhältlich. Im Übrigen sind sie auszugsweise abgedruckt auf der Rückseite eines jeden der herkömmlichen Luftfrachtbriefe, verbunden mit einem Hinweis auf die beim Luftfrachtführer vollständig einsehbaren Bedingungen. Bedeutsamste Funktion der Beförderungsbedingungen ist die Ergänzung der auf den Luftbeförderungsvertrag anwendbaren nationalen und internationalen Vorschriften, Lücken des nationalen oder internationalen Luftfrachtrechts werden durch sie ausgefüllt. Für die Wirksamkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, also auch der Beförderungsbedingungen, ist bei Zugrundelegung deutschen Rechts ihre Einbeziehung in den Luftfrachtvertrag unabdingbare Voraussetzung. Ihre rechtswirksame 9– Einbeziehung kann vermutet werden – der Gegenbeweis ist zulässig –, sofern die Beförderungsbedingungen gemäß Art. 11 WA/HP, MÜ im Luftfrachtbrief oder in der Empfangsbestätigung über die Güter (Art. 4 Abs. 2 MÜ) niedergelegt sind. Vom Abdruck der Allgemeinen Beförderungsbedingungen im Luftfrachtbrief oder in der Empfangsbestätigung gemäß Art. 4 Abs. 2 MÜ wird aber im Regelfall abgesehen. Allerdings finden die strengen Einbeziehungsvorschriften des § 305 BGB, die im Wesentlichen dem Schutz des Verbrauchers dienen, bei der Luftfrachtbeförderung zumeist keine Anwendung. Denn Vertragspartner des Luftfrachtführers ist hier fast stets ein Spediteur oder sonstiger gewerblicher Versender, mithin ein Unternehmer iSv. 14 BGB. In diesem Falle ist unter Beachtung der im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche eine rechtsgeschäftliche stillschweigende Unterwerfung des Unternehmers unter die vom Luftfrachtführer verwandten Allgemeinen Beförderungsbedingungen des Luftfrachtführers ausreichend. Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten auch dann gegenüber einem Unternehmer als in den Vertrag einbezogen, wenn eine Vertragspartei auf ihre im Internet abrufbaren Bedingungen hinweist, gleichgültig, ob sich die andere Unternehmenspartei tatsächlich dort informiert oder davon Abstand nimmt (OLG Bremen, NJOZ 2004, 2854; Ruhwedel, in MünchKomm, Bd VII HGB MÜ, Art. 1, Rdnr. 60; Grüneberg, in Palandt, § 305, Rdnr. 38; s. auch unter Kapitel 4.7). Die Beförderungsbedingungen unterliegen, soweit deutsches Recht heranzuziehen ist, einer Überprüfung ihres Inhalts anhand der Vorschriften des BGB über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 307 ff BGB, BGH NJW 2007, 997). Durch Verwendung von Allgemeinen Beförderungsbedingungen darf verbindliches Recht, hier insbesondere die Vorschriften des Warschauer Abkommens oder Montrealer Übereinkommens, nicht zum Nachteil des Vertragspartners des Verwenders der Beförderungsbedingungen abgeändert werden; andernfalls ist die betreffende Klausel unwirksam. Eine Nichtigkeit des gesamten Vertrages tritt nur im Ausnahmefall ein, wenn nämlich das Festhalten an dem Vertrag eine unangemessene Härte für die andere Vertragspartei darstellen würde, so z.B. bei einer Vielzahl von Verstößen gegen die §§ 305 ff BGB. Allerdings gilt auch bei der Inhaltskontrolle, dass, sofern die Beförderungsbedingungen gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, ihr Inhalt gemäß § 310 Abs. 1 BGB nur in eingeschränktem Maße einer Kontrolle zugeführt wird. (ausführlich zu Allgemeinen Beförderungsbedingungen s. Gran, A., Die IATA, Dissertation, S. 112 ff). 2. Grundsätzliches zu den frachtrechtlichen Vorschriften Die Vorschriften des Montrealer Übereinkommens haben in etlichen Bereichen, so z. B. bei den Haftungsregelungen für Frachtschäden (Art. 18 ff), eine grundlegende Änderung im Vergleich zu den Vorschriften des Warschauer Abkommens geschaffen, in anderen 10 – Bereichen, so z. B. bei den Verfügungsrechten des Absenders (Art. 12), sind die Regelungen des Warschauer Abkommens inhaltsgleich übernommen worden. Weniger gravierend sind demgegenüber die Änderungen im Montrealer Übereinkommen im Vergleich zu den Vorschriften des Warschauer Abkommens in der Fassung des Montrealer Protokolls Nr. 4 (Protokoll von Montreal Nr. 4 zur Änderung des am 12.10.1929 in Warschau unterzeichneten Abkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr in der Fassung des Haager Protokolls vom 28. September 1955 [Montrealer Protokoll Nr. 4], ICAO-Dokument 918; abgedruckt auch bei Giemulla/Schmid, Kommentar zum WA, Anhang II-6; dazu ausführlich: Ehlers, Montrealer Protokolle Nr. 3 und Nr. 4, Dissertation Köln [1985]). Durch dieses Protokoll waren nämlich bereits im Jahre 1975 die frachtrechtlichen Vorschriften des Warschauer Abkommens, die immerhin aus dem Jahre 1929 stammen, den Entwicklungen und Erfordernissen des modernen Luftverkehrs angepasst worden. Das Montrealer Protokoll Nr. 4 ist erst am 14. Juni 1998 in Kraft getreten (Müller-Rostin, TranspR 1999, 81), von Deutschland – im Gegensatz zu den meisten anderen Industriestaaten – aber nicht ratifiziert worden und somit auch nicht für Beförderungen von oder nach Deutschland einschlägig (Saenger, NJW 2000, 169, 172). Allerdings kann sehr wohl ein deutscher Luftfrachtführer den Regelungen des Montrealer Protokolls Nr. 4 unterliegen, wenn er nämlich eine Luftbeförderung zwischen zwei Staaten durchführt, die beide das Protokoll ratifiziert haben, z. B. eine Beförderung von den USA nach Portugal (BGH TranspR 2009, 479 mit Anm. Ramming, TranspR 2011, 169; OLG Frankfurt, TranspR 2004, 261; OLG Frankfurt TranspR 2007, 367 mit Anm. Müller-Rostin). Mit dem Inkrafttreten des Montrealer Übereinkommens am 28. Juni 2004 auch für Deutschland werden Luftfrachttransporte nicht mehr ausschließlich nach den gesetzlichen Regeln abgewickelt, die im Jahre 1929 Gültigkeit hatten. Indes entfällt mit dem Tage des Inkrafttretens des Montrealer Übereinkommens auch für Deutschland nicht zugleich die Anwendung der Vorschriften des Warschauer Abkommens gänzlich, denn, wie bereits oben in Ziffer 1.1. ausgeführt, bleiben beide Instrumente nebeneinander bestehen, solange nicht jeder Staat, der das Warschauer Abkommen ratifiziert hat, auch zugleich das Montrealer Übereinkommen ratifiziert hat. Bei den Beratungen zum Montrealer Übereinkommen ist auf der Diplomatischen Konferenz mehrfach von Delegierten darauf hingewiesen worden, dass die frachtrechtlichen Vorschriften des Übereinkommens möglichst inhaltsgleich mit denjenigen des Montrealer Protokolls Nr. 4 sein sollen (Whalen, Air & Space Law 2000, 17). Diese Intention ist weitgehend, jedoch nicht durchgängig befolgt worden, vgl. z.B. Art. 5 MP 4 mit Art. 5 MÜ bzgl. des entfallenen Rechts, eine Beförderung abzulehnen bei Fehlen der Möglichkeiten 11 – elektronischer Dokumentation; Haftung für vertragswidrige Luftfrachtersatzbeförderung (Art. 18 Abs. 4 MÜ) ohne Vorbild im MP 4, eingehend Müller-Rostin, in Giemulla/Schmid, Kommentar zum MÜ, Vorbem. vor Art. 4-16, Rdnr. 5. Regelungsbereiche des Warschauer Abkommens und des Montrealer Übereinkommens sind im Wesentlichen: - die Dokumentation der Beförderung, d.h. die Beförderungsurkunden - die Verfügungsrechte des Absenders von Frachtgut - die Schadensersatzansprüche der Vertragsparteien sowie des Empfängers formelle Vorschriften, wie z. B. Gerichtsstand oder Klagefristen - Versicherungsanforderungen Daneben enthält das Montrealer Übereinkommen noch Vorschriften über die von einem anderen als den vertraglichen Luftfrachtführer ausgeführte Beförderung. Mit den Vorschriften der Art. 39 bis 48 MÜ werden dabei die Regelungen des Zusatzabkommens von Guadalajara (s. dazu ausführlich Schmid, TranspR 1994, 420) ausdrücklich in das Übereinkommen einbezogen. Diese Vorschriften haben in der Vergangenheit zunehmend an Bedeutung gewonnen durch die Usancen im Luftverkehr. Denn immer häufiger lässt der vertragliche Luftfrachtführer die Beförderung durch einen anderen Luftfrachtführer ganz oder teilweise ausführen (Code Sharing). 3. Der Luftbeförderungsvertrag und die Parteien des Luftbeförderungsvertrages 3.1 Der Luftbeförderungsvertrag als Werkvertrag Die Anwendung des Warschauer Abkommens bzw. des Montrealer Übereinkommens setzt unausgesprochen den Abschluss eines Beförderungsvertrages voraus. Dies ergibt sich gem. Art. 1 WA, WA/HP bzw. Art. 1 MÜ aus dem Merkmal der Entgeltlichkeit der Beförderungsleistung bzw. ihrer Unentgeltlichkeit allein für den Fall, dass sie von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird sowie auf den Bezug in Art. 1 Abs. 2 „auf die Vereinbarungen der Parteien“ und aus dem ausdrücklichen Hinweis auf den Beförderungsvertrag in Art. 1 Abs. 3. Damit scheiden reine Gefälligkeitsbeförderungen aus dem Regelungsbereich beider Abkommen aus. „Beförderung“ bedeutet, obwohl im Abkommen 12 – nicht definiert, vom Beförderer ausgeführte objektive Ortsveränderung (Müller-Rostin, in Fremuth/Thume, Art. 1 WA, Rdnr. 2). Seine inhaltliche Ausgestaltung erfährt der Beförderungsvertrag im Warschauer Abkommen bzw. im Montrealer Übereinkommen. Lücken werden durch das ergänzend jeweils anwendbare nationale Recht ausgefüllt (BGH TranspR 2004, 369; TranspR 2008, 412), bei ergänzend anwendbarem deutschen Recht (s. Art. 27, 28 EGBGB, Art. 5 Rom-I VO) durch das Montrealer-Übereinkommen-Durchführungsgesetz (abgedruckt im Anhang), durch die Vorschriften der §§ 407ff HGB, sowie durch die werkvertragrechtlichen Vorschriften des BGB. Der Luftbeförderungsvertrag ist ein Werkvertrag. Geschuldeter werkvertraglicher Erfolg ist die Ortsveränderung, d.h. der Transport von Gütern zu einem konkret vereinbarten Bestimmungsort (BGH NJW 1974, 852; OLG Düsseldorf, TranspR 1995, 29; OLG Stuttgart, TranspR 2010, 37) bzw. bei der Personenbeförderung die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck gemäß Art. 1 WA, WA/HP, MÜ. Güter sind solche Gegenstände, die vorwiegend im Handelsverkehr auf dem Luftwege transportiert werden (OLG Hamburg, VersR 1980, 1075). Als Güter werden auch Leichen und lebende Tiere angesehen. Nicht zu den Gütern zählt das Reisegepäck, welches der Reisende aufgibt, es sei denn, er gibt es wegen seiner Ausmaße oder seines großen Gewichts als Frachtgut auf. Nicht zu den Gütern zählen Postsendungen. Für deren Beförderung finden gemäß Art. 2 WA, WA/HP, MÜ weder das Warschauer Abkommen noch das Montrealer Übereinkommen Anwendung (BGH TranspR 2006, 468). Bei der Beförderung von Luftpostsendungen sind die Haftungsvorschriften des Weltpostvertrages (BGBl. 1998 II S. 2135) und des Postpaketübereinkommens (BGBl. 1998 II S. 2172) einschlägig. Der Luftbeförderungsvertrag ist formloser Konsensualvertrag, er kommt bereits durch übereinstimmende Willenserklärungen der beiden an ihm beteiligten Parteien zustande, die Übergabe des Frachtgutes ist nicht Voraussetzung für den Abschluss eines wirksamen Beförderungsvertrages, ebenso wenig das Ausstellen oder Aushändigen eines Luftfrachtbriefes. 3.2 Der Luftfrachtführer Die Bestimmung der Parteien des Luftbeförderungsvertrages ist u.a. deswegen erforderlich, um festzustellen, welche Person bei nicht ordnungsgemäßem Ablauf der Beförderung u.U. schadensersatzberechtigt und welche Person u.U. schadensersatzverpflichtet ist. Die Parteien des Luftfrachtbeförderungsvertrages sind der Luftfrachtführer einerseits und der Absender von Luftfrachtgütern andererseits. Luftfrachtführer (englisch: Carrier; 13 – französisch: le transporteur) ist diejenige Person, die sich vertraglich zu einer Luftbeförderung verpflichtet; sie schuldet die ordnungsgemäße Beförderung von Personen (Fluggästen) oder Sachen (Frachtgüter oder Gepäck) an den vereinbarten Bestimmungsort (BGH VersR 1983, 986; OLG Karlsruhe VersR 2005, 697). Unerheblich ist dabei, ob dieser vertragliche Luftfrachtführer die Beförderung auch tatsächlich selbst ausführt oder ob er die vereinbarte Luftbeförderung mit eigenen Luftfahrzeugen auszuführen überhaupt in der Lage ist. Bei der Beförderung von Gütern gilt als Luftfrachtführer, wer sich gegenüber dem Absender verpflichtet, die Güter zu befördern. Dies ist zumeist das Unternehmen, das den Luftfrachtbrief ausstellt – sofern nicht der Absender Aussteller ist – und sich darin als Luftfrachtführer bezeichnet (vertiefend Giemulla, in Giemulla/Schmid, Kommentar MÜ, Art. 1, Rdnr. 38). Der vertragliche Luftfrachtführer kann zur Ausführung der Beförderung auf einen oder mehrere aufeinanderfolgende Luftfrachtführer zurückgreifen. Dabei tritt nach Art. 30 WA, WA/HP bzw. Art. 36 MÜ die Fiktion ein, dass jeder Luftfrachtführer, der Reisende, Reisegepäck oder Güter annimmt, bei einer Beförderung, die gemäß Art. 1 Abs. 3 WA, WA/HP, MÜ durch mehrere aufeinanderfolgende Luftfrachtführer auszuführen ist, für den von ihm durchgeführten Beförderungsabschnitt als Partei des Luftbeförderungsvertrages gilt. Dabei haben sich die beteiligten Lufttransportunternehmen dem Absender gegenüber bereit erklärt, als Einheit zu fungieren, sie müsssen eine einheitliche Leistung durch Beförderung mit Luftfahrzeugen erbringen (BGH TranspR 2007, 425 mit Anm. Thume = RIW 2007, 871 = NJW 2008, 289 mit Anm. Ramming). Um als vertraglicher Luftfrachtführer zu gelten, braucht der Luftfrachtführer mithin die Beförderung nicht selbst auszuführen, entscheidend ist die vertraglich übernommene Verpflichtung zur Beförderung, sei es gegen Entgelt (wie im Regelfall) oder unentgeltlich. Denkbar ist allerdings auch, dass der vertragliche Luftfrachtführer zur Ausführung der Beförderung gänzlich oder auf Teilstrecken einen oder mehrere sog. ausführender Luftfrachtführer beauftragt. Der ausführende Luftfrachtführer wird nicht Vertragspartei - von seiner Existenz erfährt der Absender häufig erst im Fall einer Unregelmäßigkeit -, er führt lediglich auf Grund einer Vereinbarung mit dem vertraglichen Luftfrachtführer die Beförderung gänzlich oder teilweise durch (BGH NJW 2010, 1522). Vom sog aufeinanderfolgenden Luftfrachtführer unterscheidet sich der ausführende Luftfrachtführer dadurch, dass ersterer mit dem von ihm ausgeführten Beförderungsstrecken im Luftfrachtbrief aufgelistet und somit Vertragspartner geworden ist. Im Schadensfall kann der geschädigte Absender oder Empfänger bei aufeinanderfolgenden Luftfrachtführern denjenigen in Anspruch nehmen, auf dessen Beförderungsstrecke der Schaden eingetreten ist. Sofern der Schadensort unbekannt ist, kann der Absender den ersten und der Empfänger den letzten Luftfrachtführer in Anspruch nehmen (Art. 30 WA, WA/HP, Art. 36 MÜ). Demgegenüber stehen im Fall des ausführenden Luftfrachtführers dem Anspruchsteller vertraglicher und ausführender Luftfrachtführer als 14 – Anspruchsgegner zur Verfügung, sofern der Schaden auf dem vom ausführenden Luftfrachtführer ausgeführten Streckenabschnitt eingetreten ist, andernfalls nur der vertragliche Luftfrachtführer. 3.3 Der Spediteur Spediteur ist, wer sich verpflichtet, die Versendung des Gutes zu besorgen (§ 453 Abs. 1 HGB). Solange der Spediteur nicht eine eigene Transportleistung verspricht, sondern nur deren Besorgung, ist er nicht als Luftfrachtführer anzusehen. Da aber jede beliebige natürliche oder juristische Person allein durch das vertragliche Versprechen einer Luftbeförderung zum Luftfrachtführer werden kann, kann auch der Spediteur, der zunächst nur einen Speditionsvertrag gem. § 453 HGB abgeschlossen hatte, zum Luftfrachtführer durch nachträglichen Selbsteintritt nach § 458 HGB werden (BGHZ 84, 101 = NJW 1983, 516). Selbsteintrittsspediteur ist derjenige Spediteur, der die Beförderung des Gutes selbst ausführt. Gemäß § 458 Satz 2 HGB hat er hinsichtlich der Beförderung die Rechte und Pflichten eines Frachtführers. Auch der Spediteur, der Luftfrachtgüter als Sammelladung i.S.d. § 460 HGB befördert, wird hiermit zum Luftfrachtführer. Sammelladungsspediteur ist, wer die Versendung eines Gutes zusammen mit den Gütern anderer Auftraggeber in einer Sammelladung auf Grund eines für seine Rechnung geschlossenen Frachtvertrages bewirkt. Er hat gemäß § 460 Abs. 2 HGB hinsichtlich der Beförderung in Sammelladung die Rechte und Pflichten eines Frachtführers. (OLG Hamburg, VersR 1980, 827; Thume, in Fremuth/Thume, Transportrecht, Vorbem, §§ 453 HGB, Rdnr. 67). Gleichermaßen kommt auch dem Spediteur, der eine Spedition zu festen Kosten durchführt, die Qualifikation als Luftfrachtführer zu (BGHZ 96, 136 = NJW 1986, 1434; BGH TranspR 2011, 220; OLG Düsseldorf, TranspR 1996, 443). Fixkostenspediteur ist, wer als Vergütung für die Besorgung der Versendung einen bestimmten Betrag mit dem Versender vereinbart, der auch die Kosten für die Beförderung miteinschließt. Er hat dann gemäß § 459 HGB hinsichtlich der Beförderung die Rechte und Pflichten eines Frachtführers (BGH TranspR 2011, 80; OLG Stuttgart, TranspR 2010, 37; Thume, in Fremuth /Thume, a.a.O. Rdnr. 50; Koller, TranspR 2005, 177 [179]). Infolgedessen unterliegt der Sammelladungs-, Selbsteintritts- oder Fixkostenspediteur, der gemäß §§ 458-460 HGB bei der Besorgung der Beförderung von Luftfrachtgütern zum Luftfrachtführer wird, „hinsichtlich der Beförderung“ bei nationalen Luftfrachtbeförderungen dem Luftfrachtrecht der §§ 407 ff HGB und bei internationalen Beförderungen den Vorschriften des Montrealer Übereinkommens bzw. des Warschauer Abkommens. Eine Berufung auf die Haftungsvergünstigungen des ADSp ist ihm in diesen Fällen verwehrt (Ruhwedel, Rdnr. 89), 15 – jedoch können die ADSp dort gültig sein, wo sie haftungserweiternd wirken (BGH TranspR 2011, 80; TranspR 2011, 220; s. unten Ziffer 7.2). 3.4 Der Absender Vertragspartner des Luftfrachtführers ist der Absender von Frachtgut. Der Begriff wird weder im Warschauer Abkommen noch im Montrealer Übereinkommen definiert. Als Absender von Frachtgut wird derjenige angesehen, der den Luftfrachtführer vertraglich mit der Beförderung von Frachtgut auf dem Luftwege im eigenen Namen betraut. Ihm schuldet der Luftfrachtführer die Beförderung des Gutes an den Bestimmungsort und die Ablieferung an den Empfänger. Im Regelfall ergibt sich die Person des Absenders aus den Eintragungen in der entsprechenden Spalte des Luftfrachtbriefes (BGH TranspR 2001, 29 = NJW-RR 2001, 396). Absender ist in zahlreichen Fällen der Luftfrachtspediteur, der im eigenen Namen den Luftfrachtvertrag als Auftraggeber des Luftfrachtführers abschließt. 3.5 Nicht am Vertrag Beteiligte Vertragsfremde Parteien sind der sog. ausführende Luftfrachtführer, der Empfänger des Frachtgutes und der sog. „Notify“. Zum sog. ausführender Frachtführer s. die Erläuterungen in Kapitel 2.2 und Kapitel 9. Ebensowenig wie der Begriff „Absender“ wird der Begriff „Empfänger“ im Warschauer Abkommen bzw. im Montrealer Übereinkommen definiert. Aus analoger Anwendung von § 421 HGB ist Empfänger als die aus dem Frachtvertrag begünstigte Person derjenige, an den der Luftfrachtführer nach den vertraglichen Vereinbarungen das Gut abzuliefern hat (OLG Hamburg, VersR 1980, 1075). Der Empfänger ist nicht als Vertragspartei am Luftfrachtvertrag beteiligt. Sinn des Beförderungsvertrages ist indes eine erfolgreiche Transportdurchführung zugunsten des Empfängers, weshalb der Luftfrachtvertrag auch als Vertrag zugunsten Dritter, nämlich des Empfängers, bezeichnet wird (OLG Frankfurt, ZLW 1977, 230 = BB 1977, 1071; OLG Köln, TranspR 2004, 120). Der Empfänger hat, auch ohne Vertragspartner zu sein, nach Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber dem Luftfrachtführer einen Anspruch auf Herausgabe des Frachtgutes sowie unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Zu beachten ist, dass der häufig im Luftfrachtbrief als “Notify“, d.h. als die von der Ankunft des Gutes zu benachrichtigende Person, eingetragenen Partei keine dem Absender oder Empfänger vergleichbare Rechtsposition zukommt. Insbesondere ist der „Notify“ nicht berechtigt, die Ablieferung des Gutes zu verlangen oder Schadensersatzansprüche nach dem Warschauer Abkommen oder dem Montrealer Übereinkommen gegenüber dem Luftfrachtführer geltend zu machen (OLG 16 – Düsseldorf, TranspR 1995, 30 = VersR 1994, 1498; Mühlbauer, Haftpflichtprozeß, Kap. 29, Rdnr. 61). Im Falle eines Dokumentenakkreditivs lässt sich regelmäßig die finanzierende Bank selbst als „Empfänger“ eintragen, während der Käufer lediglich als „Notify“ benannt wird. Weist der Luftfrachtbrief als Empfänger einen Spediteur aus, so ist auch dieser selbst und nicht das als „Notify“ angegebene Unternehmen „Empfänger“ (Ruhwedel, MünchKomm, Bd VII HGB, Art 1 MÜ, Rdnr. 27). 4 Die Dokumentation der Luftfrachtbeförderung Für die Beförderung von Personen, aufgegebenem Reisegepäck und Frachtgütern in Luftfahrzeugen ist vom Luftfrachtführer ein entsprechendes Beförderungsdokument (Flugschein, Fluggepäckschein bzw. Identifizierungsmarke, Luftfrachtbrief) auszustellen. Allerdings ist in rechtlicher Hinsicht für die Wirksamkeit des Luftbeförderungsvertrages unterbliebenes Ausstellen der Dokumente ohne Belang. Unterlassenes Ausstellen eines Beförderungsdokuments hindert nicht das Zustandekommen eines wirksamen Beförderungsvertrages. Nicht oder nicht ausreichend ausgestellte Dokumente (Flugschein und Luftfrachtbrief) können allerdings unter der Geltung des Warschauer Abkommens, auch in seiner Fassung des Haager Protokolls, zur Folge haben, dass die nach Art. 22 WA, WA/HP grundsätzlich summenmäßig beschränkte Haftung des Luftfrachtführers zur unbeschränkten Haftung wird (vgl. Art. 3 Abs. 2, Art. 4 Abs. 2, Art. 9 WA, WA/HP). Um das Privileg der beschränkten Haftung nicht zu verlieren, liegt es im eigenen Interesse des Luftfrachtführers sicherzustellen, dass die Beförderungsdokumente überhaupt ausgestellt und zudem nicht fehlerhaft ausgestellt worden sind. In das Montrealer Übereinkommen ist diese wenig geglückte Verbindung von mangelhafter Dokumentation und Aufhebung der Haftungsbeschränkungen nicht übernommen worden, d.h. fehlende oder fehlerhaft ausgestellte Beförderungsdokumente haben keinen Einfluss auf die Haftung des Luftfrachtführers. 4.1 Der Luftfrachtbrief und „jede andere Aufzeichnung“ Das bei der Beförderung von Luftfrachtgütern ausgestellte Dokument wird als Luftfrachtbrief (englisch Air Waybill, AWB) bezeichnet. Das Montrealer Übereinkommen gestattet in Art. 4 Abs. 2 anstelle der Ausstellung eines papiermäßigen Luftfrachtbriefes die Dokumentation der Luftfrachtbeförderung durch „jede andere Aufzeichnung, welche die Angaben über die auszuführende Beförderung enthält“. Der Luftfrachtbrief in seiner papiermäßigen Form und in seiner Form als „jede andere Aufzeichnung“ dokumentiert den Abschluss des Vertrages zwischen Luftfrachtführer und Absender über die Beförderung von 17 – Frachtgütern in Luftfahrzeugen. In der Praxis wird für den papiermäßigen Luftfrachtbrief ein von der International Air Transport Association (IATA) geschaffenes Einheitsdokument verwandt, unabhängig davon, ob es sich im Einzelfall um eine innerstaatliche oder internationale Luftfrachtbeförderung handelt (Muster eines Luftfrachtbriefes im Anhang). Inhalt und äußere Form des IATA Standardfrachtbriefes ergeben sich aus der IATAResolution 600a. Enthält der Vordruck bereits Namen, Adresse und Luftfrachtbriefnummer einer bestimmten Luftverkehrsgesellschaft im rechten oberen Feld eingedruckt, handelt es sich einen sog. Airline AWB. Häufig indessen wird heutzutage ein neutrales Muster als sog. Endlos-Formular verwandt, in dem die entsprechenden Daten sodann einzugeben sind. Das Montrealer Übereinkommen erlaubt – wie auch das Montrealer Protokoll Nr. 4 –, anstelle eines herkömmlichen papiermäßigen Luftfrachtbriefes “jede andere Aufzeichnung zu verwenden, welche die Angaben über die auszuführende Beförderung enthält“ (Art. 4 Abs. 2 MÜ). Mit dieser Möglichkeit, andere Aufzeichnungen zu verwenden, in denen die Daten über die auszuführende Beförderung festgehalten werden können, wird bei der Frachtbeförderung, ebenso wie bei der Beförderung von Reisenden und Reisegepäck, insbesondere der Einsatz und die Verwendung von elektronischen Datenträgern anstelle von physischen Dokumenten ermöglicht (Ryff, ASDA/SVLR Bulletin 2000, 8). Bislang hat der „elektronische“ Luftfrachtbrief allerdings noch keine allgemeine Verbreitung gefunden. Dies liegt im wesentlichen daran, dass, anders als der Wortlaut von Art. 4 Abs. 2 MÜ vermuten lässt, eben nicht „jede andere Aufzeichnung“ verwandt werden kann, denn wenn jeder Absender ein von ihm entworfenes Dokument verwenden würde, würde Einheitlichkeit verloren gehen. Vielmehr ist die IATA bestrebt, ein Dokument zu entwerfen, welches einen international einheitlichen Standard gewährleistet und insbesondere auch (ver)fälschungssicher ist. Immerhin kann ein solches elektronisches Dokument nicht unterschrieben werden und muss somit mittels einer elektronischen Signatur die im Rechtsverkehr erforderliche Sicherheit herstellen (vertiefend zum elektronischen Luftfrachtbrief Ruhwedel, TranspR 2004, 421). Wenn „jede andere Aufzeichnung“ anstelle eines herkömmlichen Luftfrachtbriefes in Papierform verwandt wird, hat der Absender das Recht, vom Luftfrachtführer eine „Empfangsbestätigung über die Güter“ zu verlangen. Mit diesem Dokument wird zunächst der Empfang der Güter, d.h. ihre Übernahme vom Absender durch den Luftfrachtführer, bewiesen (Quittung). Zugleich ermöglicht dieses Dokument aber auch dem Absender einen Zugriff auf die gespeicherten Daten, womit er in die Lage versetzt wird, das Frachtgut während des Transports zu identifizieren, seinen Sendungsverlauf zu verfolgen und Weisungen über das Gut gem. Art. 12 zu erteilen. 18 – 4.2 House Air Waybill und Master Air Waybill Von besonderer Bedeutung ist bei einer Sammelladung („Consolidation“) die Unterscheidung zwischen „House Air Waybill“ (HAWB) und „Master Air Waybill“ (MAWB). Beim Sammelladungsverkehr bringt der beauftragte Spediteur das vom Versender stammende Gut gemeinsam mit anderem Gut durch einen Frachtführer auf Grund eines für eigene Rechnung geschlossenen Frachtvertrages zur Versendung (Bydlinski, MünchKomm Bd VII HGB, § 460 HGB, Rdnr. 1). Der Spediteur schließt mit den einzelnen Versendern Frachtverträge, in denen er sich zu unmittelbarer Transportleistung verpflichtet. Durch die Ausstellung eines HAWB dokumentiert der Spediteur, dass er für die jeweilige unter dem HAWB zu befördernde Einzelsendung auf der dort bezeichneten Beförderungsstrecke vom Abgangsflughafen zum Bestimmungsflughafen („airport to airport“) die Rechtsposition eines Luftfrachtführers einnehmen will. Im HAWB wird der Spediteur als Luftfrachtführer und der Versender als Absender eingetragen. Im Verhältnis zu seinem Kunden (Versender) wird der Spediteur somit zum vertraglichen Luftfrachtführer. Seit dem Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 ergibt sich die Rechtsfolge unmittelbar aus dem HGB: Die Ausstellung eines Frachtbriefes als Dokumentation eines abgeschlossenen Verkehrsvertrages gilt als „unechter“ Selbsteintritt. Selbsteintritt hat nach § 458 HGB rechtlich zur Folge, dass der Spediteur „hinsichtlich der Beförderung“ als Frachtführer gilt. Der den HAWB ausstellende Spediteur ist regelmäßig Sammelladungsspediteur, der gem. § 460 HGB „hinsichtlich der Beförderung“ gleichfalls als Frachtführer gilt. Zugleich ist er auch Fixkostenspediteur mit der gleichen, in § 459 HGB festgeschriebenen Rechtsfolge „hinsichtlich der Beförderung“. Mithin ergibt sich die Rechtsgrundlage dafür, dass der einen HAWB ausstellende Spediteur als Frachtführer gilt, aus dem HGB. Gleichwohl wird die Haftung dieses kraft Rechtsfolgenverweisung gem. §§ 458-460 HGB einem Frachtführer gleichgestellten Spediteurs durch die Vorschriften des spezielleren Frachtrechts des Warschauer Abkommens bzw. des Montrealer Übereinkommens geregelt, sie gehen den Vorschriften des allgemeinen Frachtrechts nach HGB vor (Thonfeld, Fachkommentar, § 458, S. 14). Im Regelfall wird der Spediteur die Luftbeförderung nicht selbst ausführen, sondern damit den sog. ausführenden Luftfrachtführer beauftragen. Das haftungsrechtliche Verhältnis dieser beiden Luftfrachtführer untereinander, aber auch gegenüber dem Absender bestimmt sich bei einer Beförderung, die dem Warschauer Abkommen unterliegt, nach dem 19 – Zusatzabkommen von Guadalajara, bei einer Beförderung, die dem Montrealer Übereinkommen unterliegt, nach den Vorschriften dessen Kapitels V (Art. 39-48), welches die Regelungen des Zusatzabkommens in das Übereinkommen integriert hat. „Hinsichtlich der Beförderung“ hat folgende haftungsrechtliche Konsequenzen für den einen HAWB ausstellenden Spediteur: Für Verlust, Beschädigung, Zerstörung oder Verspätung des Frachtgutes, die während der im HAWB bezeichneten Luftbeförderung eingetreten sind, haftet der Spediteur nach den Bestimmungen der Art. 18 ff WA bzw. MÜ (zur genauen Bestimmung des Haftungszeitraumes „während der Luftbeförderung“ s. die Erläuterungen unter Ziffer 6.5). Für o.g. Schadensarten, die im Vor- oder Nachlauf zur Luftbeförderung eintreten, haftet der Spediteur nach den frachtrechtlichen Bestimmungen des HGB-Frachtrechts über den multimodalen Transport, also §§ 452-452d HGB. Für alle Vermögensschäden, denen eine Verspätung nicht ursächlich zugrundeliegt, haftet der Spediteur nach den speditionsrechtlichen Bestimmungen der §§ 453 ff HGB. Daraus ergibt sich, dass der Spediteur durch die Ausstellung eines HAWB nicht vollständig seiner Rechte als Spediteur verlustig geht, sondern dass er lediglich für Schäden während der im HAWB bezeichneten Luftbeförderung wie ein Luftfrachtführer haftet. Für alle anderen Schadensereignisse ist weiterhin das Speditions- und Frachtrecht des HGB einschlägig, welches u.U. – sofern vereinbart – durch die ADSp zu Gunsten des Spediteurs teilweise abgeändert werden kann (Thonfeld, a.a.O). Der – wirtschaftliche – Vorteil bei der Ausstellung eines House Air Waybills liegt für den Spediteur darin begründet, dass er Luftbeförderungen durchführen (lassen) kann, ohne seinem Auftraggeber, dem Versender der Sendung, mitteilen zu müssen, welchen Luftfrachtführers er sich dabei bedient und insbesondere zu welchen Raten diese Luftbeförderung durchgeführt wird. Diesen Vorteil „erkauft“ er sich allerdings während der Luftbeförderung durch eine Aufgabe des Schutzes der Vorschriften der ADSp und eine Unterstellung unter das Haftungsregime des Luftverkehrsrechts mit u.U. unbeschränkter Haftung. Die in einer Sammelsendung zusammengefassten Einzelsendungen verschiedener Kunden werden nach erfolgter Konsolidierung im Master Air Waybill zusammengefasst. Dieser – und nicht die jeweiligen House Air Waybills – dokumentiert das frachtvertragliche Verhältnis zwischen dem die Konsolidierung durchführenden Spediteur, der als Absender im MAWB eingetragen wird, und dem Luftfrachtführer. 20 – 4.3 Der Luftfrachtbrief als Sicherung eines Akkreditivgeschäftes Bei der Abwicklung internationaler Kaufverträge gibt es zur Sicherstellung der Kaufpreiszahlung das Akkreditiv. Beim Akkreditivgeschäft hat eine Bank im Auftrag eines Kunden Zahlung an einen Dritten – im Regelfall an den Verkäufer der Sendung oder an seine Bank – gegen Übergabe vorgeschriebener Dokumente zu leisten, sobald alle sonstigen Akkreditivbedingungen erfüllt sind. Eines dieser vorgeschriebenen Dokumente ist der Frachtbrief, der Beweis dafür erbringen soll, dass der Transport der Ware, die mit Akkreditiv bezahlt werden soll, begonnen hat. Daher ist es erforderlich, dass der Versender die Sendung als Stückgut einem Spediteur und dieser wiederum einem Luftfrachtführer übergibt. Für dieses Stückgut wird dem Versender vom Spediteur ein HAWB ausgehändigt, wodurch der Versender ein bankfähiges Dokument für den Zahlungsverkehr in den Händen hält. Der MAWB, welcher den Abschluss eines Luftfrachtvertrages über eine nur stückzahlund gewichtsmäßig bezeichnete Sammelladung dokumentiert und den Sammelladungsspediteur als Absender ausweist, ist für den einzelnen Versender, dessen Stückgutsendung Teil der Sammelladung ist, nicht als akkreditivfähiges Dokument zu verwenden (Thonfeld, Haftung und Versicherung beim Gütertransport, S. 106; MüllerRostin, in Giemulla/Schmid, Kommentar zum MÜ, Art. 4, Rdnr. 3-7). 4.4 Ausstellen des Luftfrachtbriefes Wird anstelle der Möglichkeit „jeder anderen Aufzeichnung“ weiterhin der herkömmliche Luftfrachtbrief in Papierform benutzt, so ist es nach Art. 5 Abs. 1WA, WA/HP bzw. Art. 7 Abs. 1 MÜ Aufgabe des Absenders, den Luftfrachtbrief auszustellen. Der Absender kann allerdings zur Unterstützung den Luftfrachtführer ob seiner Sachkenntnis und Erfahrung hinzuziehen, allerdings wird dadurch in rechtlicher Hinsicht der Luftfrachtführer nicht zum Aussteller, sondern handelt bis zum Beweis des Gegenteils als Beauftragter des Absenders (Art. 6 Abs. 5 WA, WA/HP bzw. Art. 7 Abs. 4 MÜ). Nach Art. 10 WA, WA/HP, MÜ ist der Absender für die Richtigkeit, Genauigkeit und Vollständigkeit der im Luftfrachtbrief gemachten Angaben verantwortlich. Dies gilt selbst dann, wenn die für den Absender bei der Eintragung handelnde Person zugleich Beauftragter des Luftfrachtführers ist, z.B. ein Luftfrachtspediteur. Für Schäden, die auf Grund von unrichtigen (z.B. landwirtschaftliche Geräte anstatt Kriegswaffen), ungenauen (6 kg anstatt 16 kg) oder unvollständigen (fehlende Angabe „radioaktiv“ oder „explosiv“) Angaben im Luftfrachtbrief bzw. in den Urkunden gem. Art. 4 Abs. 2 MÜ dem Luftfrachtführer oder Dritten entstehen, denen gegenüber der Luftfrachtführer verantwortlich ist, haftet der Absender. 21 – Unterlaufen dem Luftfrachtführer im Rahmen des Auftragsverhältnisses Fehler, die z.B. eine ordnungsgemäße Ablieferung des Gutes verhindern, sei es dass eigene Angaben fehlerhaft eingetragen werden, sei es dass ihm vom Absender korrekt übermittelte Angaben unrichtig, ungenau oder unvollständig in die Beförderungsdokumente eingetragen werden, so hat der Absender gegenüber dem Luftfrachtführer mangels einer Schadensersatzregelung im Abkommen/Übereinkommen einen Anspruch auf Schadensersatz nach nationalem Recht (OLG Frankfurt, ZLW 1989, 381 = VersR 1990, 1031). Entsprechend der Anzahl der am Luftbeförderungsvertrag beteiligten Parteien ist nach Art. 6 WA, WA/HP bzw. Art. 7 MÜ ist der Luftfrachtbrief in mindestens drei Ausfertigungen auszustellen.In der Praxis werden indessen mehr Durchschriften als drei Ausfertigungen erstellt, von denen allerdings nur die ersten drei Ausfertigungen, die im unteren Rand als Original 1 („for issuing carrier“), Original 2 ( „for consignee“) und als Original 3 („for shipper“) bezeichnet werden, als Originale gelten. Mit der ersten Ausfertigung ist der Frachtführer in der Lage, den Abschluss des Beförderungsvertrages und seinen Anspruch auf die Fracht nachzuweisen. Mit der zweiten Ausfertigung wiederum ist der Empfänger in der Lage, Nachweis über sein Recht auf Ablieferung des Gutes zu führen. Die dritte Ausfertigung dient dem Absender als Quittung für die Übergabe des Gutes an den Frachtführer. Den weiteren Durchschriften kommt keine rechtliche Bedeutung zu, sie sind bestimmt für weitere Luftfrachtführer, für Luftfrachtagenten oder für andere mit der Durchführung der Beförderung beauftragte Personen. Die dritte Ausfertigung des Luftfrachtbriefes, die für den Absender bestimmt ist, wird vom Luftfrachtführer sofort nach Annahme des Gutes, also vor Verladung in das Luftfahrzeug, unterzeichnet. Sie ist dem Absender auszuhändigen. Diese Ausfertigung, auch Luftfrachtbriefdritt genannt, beweist zunächst einmal die Übergabe des Gutes. Darüber hinaus ist ihre Innehabung zugleich auch notwendiges Erfordernis, um während des Transportes über das Gut noch Verfügungen treffen zu können. Will also der Absender den Luftfrachtführer während der Beförderung anweisen (zu den Weisungsrechten s. unten Ziffer 5), das Gut z. B. an einen anderen Empfänger als an den im Luftfrachtbrief eingetragenen auszuliefern oder es auf einem Unterwegsflughafen anzuhalten so braucht der Luftfrachtführer diesen Weisungen nur dann Folge zu leisten, wenn ihm der Absender das Luftfrachtbriefdritt – bzw. bei Verwendung „jeder anderen Aufzeichnung“ gem. Art. 4 Abs. 2 MÜ die Empfangsbestätigung über die Güter – vorlegt. Insoweit kommt dem Luftfrachtbrief bzw. der Empfangsbestätigung eine Legitimationsfunktion für seinen Besitzer und eine entsprechende Sperrfunktion für alle anderen Personen zu. Kommt der 22 – Luftfrachtführer Weisungen des Absenders nach, ohne sich von ihm das Luftfrachtbriefdritt bzw. die Empfangsbestätigung über die Güter vorlegen zu lassen, macht er sich gegenüber dem rechtmäßigen Besitzer des Luftfrachtbriefdritts oder der Empfangsbestätigung schadensersatzpflichtig (verschuldensunabhängige Haftung, BGHZ 76, 213 = ZLW 1977, 79). 4.5 Der Inhalt des Luftfrachtbriefes gem. Art. 8 WA bzw. Art. 8 WA/HP Für Beförderungen, die dem Warschauer Abkommen bzw. dem Haager Protokoll unterliegen, werden in Art. 8 WA bzw. Art. 8 WA/HP die Angaben benannt, die im Luftfrachtbrief einzutragen sind. Art. 8 WA Buchstaben a-i und q erfordert einen Katalog von mindestens zwölf Einzelangaben, die zwingend vom Absender in den Luftfrachtbrief einzutragen sind. Bei der Neufassung des Warschauer Abkommens durch das Haager Protokoll ist dieser umfängliche Katalog auf drei Mindestangaben reduziert worden. Dieses sind - die Angabe des Abgangs- und Bestimmungsortes der Beförderung ([Art 8 b WA], Art. 8a WA/HP); - die Angabe mindestens eines Zwischenlandeortes im Ausland (z.B. Madrid–Lissabon– Teneriffa), wenn andernfalls die Beförderung keine internationale Beförderung iSv. Art 1 WA, WA/HP wäre ([Art. 8 c WA], Art. 8 b WA/HP); - ein Hinweis auf die nach dem Warschauer Abkommen im Falle des Verlustes oder der Beschädigung von Gütern grundsätzlich beschränkte Haftung des Luftfrachtführers ([Art. 8q WA], Art. 8 c WA/HP). Hat der Luftfrachtführer bei einer Beförderung, die sich nach der Originalfassung des WA bemisst, das Gut angenommen, ohne dass ein Luftfrachtbrief ausgestellt worden ist oder fehlt eine der in Art. 8 Buchstaben a-i und q geforderten Angaben, kann sich der Luftfrachtführer nach Art. 9 WA nicht auf die Vorschriften, die seine Haftung beschränken, berufen. Die gleiche Sanktion gilt nach Art. 9 WA/HP, wenn das Gut in das Luftfahrzeug eingeladen wird, ohne dass zuvor ein Luftfrachtbrief ausgestellt worden ist oder wenn der Luftfrachtbrief nicht den Hinweis auf die Haftungsbeschränkung nach Art. 8c WA/HP enthält. Diese Sanktionen greifen ein unabhängig davon, ob die fehlenden Angaben bzw. der fehlende Hinweis auf die beschränkte Haftung überhaupt für den eingetretenen Schaden kausal waren. Um ihr Haftungsrisiko zu minimieren, verwenden die Luftfrachtführer gemeinhin Standardluftfrachtbriefe, in denen der entsprechende Hinweis 23 – auf die Haftungsbeschränkung an prominenter Stelle eingedruckt ist. Für Spediteure, die im Selbsteintritt, als Sammelladungspediteure oder zu festen Kosten befördern und kraft Rechtsfolgenverweisung gem. §§ 458-460 HGB einem Frachtführer „hinsichtlich der Beförderung“ gleichgestellt werden, ist zu beachten, dass die von ihnen verwandten Beförderungsdokumente auch die o.g. Hinweisklausel aufweisen. Spediteure, die einen Luftfrachtbrief ausstellen, in dem die o.g. Angaben nicht eingetragen sind oder der den Hinweis auf das einschlägige Warschauer Abkommen oder Haager Protokoll mit ihren Haftungsbeschränkungen nicht aufweist, unterliegen bei internationalen Luftbeförderungen ebenso wie der Luftfrachtführer der Sanktion des Art. 9 WA bzw. Art 9 WA/HP und können sich somit nicht auf die grundsätzlich beschränkte Haftung des Abkommens berufen (Gran, TranspR 1996, 138). In diesem Zusammenhang ist noch auf ein zusätzliches, erhebliches Haftungsrisiko des Spediteurs hinzuweisen: wenn der Spediteur den Luftfrachtbrief ausstellt und sich darin als Luftfrachtführer bezeichnet, führt er dadurch die Vermutung herbei, dass er selbst Partei des Luftfrachtvertrages ist. Den Gegenbeweis, der ihm zwar nach Art. 11 WA bzw. Art. 11 WA/HP eröffnet ist, wird er kaum führen können. Materiellrechtlich liegt dann ein Selbsteintritt iSv. § 458 HGB vor, mit der Folge, dass der Spediteur dann stets dem für die jeweilige Beförderungsart einschlägigen Frachtrecht unterliegt. Der Spediteur kann sich dabei unvermutet einem strengeren Haftungsregime ausgesetzt sehen als ursprünglich vorgesehen. 4.6 Der Inhalt von Luftfrachtbrief und Empfangsbestätigung gem. Art. 5 MÜ Die Ausstellung des Luftfrachtbriefes und die Eintragung der geforderten Inhaltsangaben ist grundsätzlich Sache des Absenders. Während Art. 8 WA mindestens zwölf in den Luftfrachtbrief aufzunehmende Inhaltsangaben vorschreibt, wurde in Art. 8 WA/HP die Zahl dieser Pflichtangaben auf drei beschränkt. Auch Art. 5 MÜ schreibt lediglich drei Angaben vor, nämlich die Angabe von Abgangs- und Bestimmungsort, die Angabe eines Zwischenlandeortes, sofern Abgangs- und Bestimmungsort in ein und demselben Staat liegen (andernfalls läge eine innerstaatliche Beförderung vor) und die Angabe des Sendungsgewichts. Die ersten beiden Angaben werden auch bereits in Art. 8 WA/HP gefordert, anstelle der Angabe des Sendungsgewichts, welches u. a. für die Berechnung der Haftung des Luftfrachtführers bedeutsam ist, fordert Art. 8 WA/HP den Hinweis auf die Anwendbarkeit des Haager Protokolls und seine Haftungsbeschränkungen. Fehlender Hinweis oder fehlender Luftfrachtbrief zum Zeitpunkt der Verladung wird in Art. 9 WA/HP mit der Sanktion des Wegfalls der Haftungsbeschränkungen belegt. Diese Sanktionen sind jedoch unter der Geltung des Montrealer Übereinkommens entfallen, Fehlen oder 24 – Unvollständigkeit des Frachtbriefes oder der Empfangsbestätigung berühren weder den Bestand noch die Wirksamkeit des Beförderungsvertrages oder die Haftung des Luftfrachtführers. Der Vertrag bleibt vielmehr mit dem Inhalt bestehen, den die Parteien vereinbart hatten. Mithin sind das Fehlen eines Frachtbriefes, ein nicht ordnungsgemäß ausgestellter Frachtbrief, oder das Fehlen einer anderen Aufzeichnung bzw. der Empfangsbestätigung oder eine nicht ordnungsgemäß ausgestellte andere Aufzeichnung bzw. Empfangsbestätigung für den Vertragsschluss ohne jedwede rechtliche Folge. Vielmehr bestimmt Art. 9 MÜ, dass auf den Beförderungsvertrag gleichwohl die Übereinkommensvorschriften zur Anwendung gelangen und dass insbesondere, im Unterschied zum Warschauer Abkommen bzw. dem Haager Protokoll, die Sanktion einer unbeschränkten Frachtschadenhaftung nicht eingreift. Dokumentation auf der einen Seite und Haftung auf der anderen Seite werden voneinander unabhängig. 4.7 Die Beweiskraft der Angaben im Luftfrachtbrief bzw. in der Empfangsbestätigung Dem Luftfrachtbrief und - bei Anwendung des Montrealer Übereinkommens - der Empfangsbestätigung kommen im Hinblick auf drei verschiedene Teilbereiche eine Beweisfunktion zu (Art. 11 WA, WA/HP, MÜ). Allerdings kann der mit dem Luftfrachtbrief bzw. mit der Empfangsbestätigung geschaffene Beweis jederzeit durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden. Die Angaben im Luftfrachtbrief bzw. in der Empfangsbestätigung gelten solange als richtig, bis sie durch einen – meist schwierig zu führenden – Gegenbeweis widerlegt worden sind. So kann z. B. der Luftfrachtführer, wenn er eine geringere Anzahl von Frachtstücken ausliefert als in den Beförderungsdokumenten angegeben, den Beweis führen, dass nur diese geringere Anzahl aufgeliefert wurde und damit die Angabe in dem Luftfrachtbrief bzw. der Empfangsbestätigung unrichtig war. Nur wenn ihm dieser Beweis gelingt, ist er von der Haftung für die fehlende Anzahl der Frachtstücke befreit. Die verschiedenen Beweisfunktionen von Luftfrachtbrief und Empfangsbestätigung im Einzelnen: 1.) Zunächst erbringen der Luftfrachtbrief und die Empfangsbestätigung Beweis über den Abschluss und den Inhalt des zwischen dem Luftfrachtführer und dem Absender abgeschlossenen Beförderungsvertrages (OLG Stuttgart, TranspR 2009, 482). Ist z. B. eine Person als Luftfrachtführer im Luftfrachtbrief bzw. in der Empfangsbestätigung benannt, so begründet dies den durch Gegenbeweis widerlegbaren Beweis, dass dieser Luftfrachtführer als vertraglicher Luftfrachtführer tätig geworden ist (OLG Düsseldorf, ZLW 1995, 347 = TranspR 1995, 30; vgl. auch BGH NJW-RR 2001, 396 = TranspR 25 – 2001, 29). Die im Luftfrachtbrief oder in der Empfangsbestätigung eingetragene Gewichtsangabe gilt bis zum Beweis des Gegenteils als richtig (OLG Frankfurt, TranspR 2003, 471). 2.) Luftfrachtbrief und Empfangsbestätigung erbringen auch Beweis über die Beförderungsbedingungen. Solange diese vollständig in der Urkunde selbst abgedruckt sind oder ihr im Anhang oder als Beiblatt beigefügt sind, kann der Beweis leicht erbracht werden. Problematisch ist es indes, wenn, wie zumeist, im Luftfrachtbrief bzw. in der Empfangsbestätigung auf die Allgemeinen Beförderungsbedingungen lediglich Bezug genommen wird. Doch hat das OLG Stuttgart (VersR 1988, 909) entschieden, dass die Bestimmungen der IATA Resolution 507 B als Teil der Allgemeinen Beförderungsbedingungen des Luftfrachtführers allein durch de Inbezugnahme im Luftfrachtbrief (entsprechend auch in der Empfangsbestätigung) auch ohne deren vollständigen Abdruck und selbst in englischer Sprache Vertragsinhalt geworden sein sollen, zumindest dann, wenn es sich um ein Luftfrachtgeschäft unter Kaufleuten (wie zumeist) handelt (a.A. Abraham I, Art. 11 WA Anm.3). Fraglich ist, ob diese Grundsätze des OLG Stuttgart, die zum Warschauer Abkommen festgelegt worden sind, auch noch unter der einschränkenden Formulierung des Art. 11 MÜ („Der Luftfrachtbrief und die Empfangsbestätigung…begründen die widerlegbare Vermutung…für die Beförderungsbedingungen, die darin niedergelegt sind“) Gültigkeit haben. In den Erläuterungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 15/2285 vom 22. Dezember 2003) wird die Auffassung vertreten, dass Folge der eingeschränkten Formulierung sei, dass Allgemeine Beförderungsbedingungen nur noch insoweit in die Beweiskraft einbezogen seien, als sie im Luftfrachtbrief oder in der Empfangsbestätigung abgedruckt sind. Dieser Auffassung kann indes nicht gefolgt werden. Rein praktisch können die Allgemeinen Beförderungsbedingungen, die sich über eine Vielzahl von Seiten erstrecken, nicht jedem Luftfrachtbrief oder jeder Empfangsbestätigung beigefügt werden. Darüber hinaus macht aber auch eine solche Beifügung wenig Sinn, denn Vertragspartner des Luftfrachtführers sind zumindest im Regelfall Spediteure, denen bewusst ist, dass der Luftfrachtführer mit Allgemeinen Beförderungsbedingungen arbeitet und dass diese Bedingungen in den Verkaufsstellen des Luftfrachtführers eingesehen oder auf seiner Internetseite abgerufen werden können. Insofern ist auch, sofern deutsches Recht nach den Grundsätzen des Internationalen Privatrechts ergänzend heranzuziehen ist, die Frage einer Einbeziehung der Beförderungsbedingungen in den Frachtvertrag nach den Vorschriften des deutschen Rechtes über Allgemeine Geschäftsbedingungen zu 26 – beurteilen. Nach § 310 Abs.1 BGB sind die Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB nicht einschlägig und eine Unterwerfung des Spediteurs unter die Beförderungsbedingungen des Luftfrachtführers kann vermutet werden. Insofern dürfte ein Verweis auf die Allgemeinen Beförderungsbedingungen im Luftfrachtbrief bzw. in der Empfangsbestätigung auch bei Beförderungen, die dem Montrealer Übereinkommen unterliegen, ausreichend und ihr vollständiger Abdruck in diesen Urkunden entbehrlich sein (im Internet abrufbare Bedingungen sind ausreichend, BGH NJW-RR 2007, 1282; OLG Bremen, NJOZ 2004, 2854; Ruhwedel, TranspR 2008, 89 [101]). 3.) Hat der Luftfrachtführer den Luftfrachtbrief unterschrieben (Druck der Unterschrift oder Stempel reichen aus, Art. 6 Abs. 4 WA,,WA/HP; Art. 7 Abs. 2 MÜ), kommt ihm auch die Funktion einer Quittung über die Übernahme der Güter vom Absender durch den Luftfrachtführer zu (BGH NJW-RR 1989, 1270 = TranspR 1989, 327; OLG München, VersR 2000, 1567). Entsprechendes gilt auch für die „Empfangsbestätigung über die Güter“, hier bedarf es allerdings einer Unterschrift durch den Frachtführer nicht. 4.) Nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 WA, WA/HP und Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz MÜ sind folgende Angaben im Luftfrachtbrief bzw. in der Empfangsbestätigung bis zum Beweis des Gegenteils als richtig anzusehen: a) das Gewicht der Güter b) die Maße der Sendung c) die Verpackung der Güter und d) die Anzahl der Frachtstücke. Die Richtigkeit dieser Angaben kann der Luftfrachtführer ohne nennenswerte Schwierigkeiten bereits bei der Annahme der Güter überprüfen, so dass die festgeschriebene Vermutung sachgerecht ist. Demgegenüber gelten Angaben gemäß Satz 2 bzw. Satz 1, 2. Halbsatz, nämlich die Angaben über Menge, Rauminhalt und Zustand der Güter nur dann gegenüber dem Luftfrachtführer als richtig, wenn er diese in Gegenwart des Absenders nachgeprüft hat und sich darüber ein Vermerk im Beförderungsdokument befindet. Diese Einschränkung der Beweiskraft ist deswegen gerechtfertigt, weil diese Angaben nicht ohne weiteres bei der Annahme der Güter erkennbar bzw. überprüfbar sind. Grundsätzlich besteht für den Luftfrachtführer keine Pflicht zur Nachprüfung (OLG Frankfurt, RIW 1984, 69; LG Frankfurt, ZLW 1988, 85 = VersR 1988, 352), ein Recht auf Nachprüfung wird man dem Luftfrachtführer schon aus Gründen der Sicherheit, d.h. zur Gefahrenabwehr, nicht verwehren können, selbst wenn der Absender nicht zustimmt. 27 – Nahezu sämtliche Luftfrachtbriefe weisen die eingedruckte Angabe „received in apparent good order and condition“ auf. Diese nicht ganz klare Angabe kann sich auf die Verpackung der Güter beziehen, dann gilt sie bis zum Beweis des Gegenteils als richtig. Sie kann sich aber auch auf den Zustand der Güter selbst beziehen, sie erbringt dann aber nur Beweis, wenn der Luftfrachtführer den Zustand in Gegenwart des Absenders nachgeprüft hat und dies auf dem Luftfrachtbrief bzw. in der „Empfangsbestätigung über die Güter“ vermerkt hat. Bei fehlendem Vermerk auf dem Luftfrachtbrief bzw. in der Empfangsbestätigung über eine mögliche Prüfung des Zustands der Güter durch den Luftfrachtführer in Anwesenheit des Absenders ist die Angabe „received in good order and condition“ bis zum Beweis des Gegenteils nur insoweit richtig, als sie sich auf den äußeren Zustand der Güter bezieht (BGH VersR 2005, 811). Zusammenfassend lassen sich folgende Funktionen für beide Dokumente, Luftfrachtbrief und „Empfangsbestätigung über die Güter“, festhalten: 1) sie dokumentieren den Abschluss des Vertrages über eine Luftfrachtbeförderung 2) sie sind Empfangsbescheinigung (Quittung) des Luftfrachtführers für die Übernahme der Sendung vom Absender 3) sie dokumentieren das Einverständnis des Absenders mit den Beförderungsbedingungen des Luftfrachtführers 4) sie enthalten Instruktionen des Absenders hinsichtlich u.a. der Beförderungsstrecke, der Behandlung und der Auslieferung der Güter 5) sie dienen dem Absender als Nachweis, Verfügungsrechte über die Güter ausüben zu dürfen 6) sie enthalten Gewichtsangaben, die letztendlich die Haftungshöhe des Luftfrachtführers bestimmen und 7) sie können als Unterlage für die Zolldeklaration und als Versicherungszertifikat benutzt werden, wenn der Absender den Abschluss einer Versicherung wünscht. 5 Rechte und Pflichten von Absender und Empfänger gemäß Art. 12-15 WA, WA/HP, MÜ Die Rechte von Absender und Empfänger haben in Art. 12-15 WA, WA/HP, MÜ eine umfängliche Regelung gefunden. Die Pflichten des Absenders werden demgegenüber sehr 28 – viel weniger umfänglich in Art. 6 MÜ und in Art. 16 WA, WA/HP, MÜ und diejenigen des Empfängers noch weniger umfänglich in Art. 13 WA, WA/HP, MÜ geregelt. 5.1 Das Schadensersatzanspruchsrecht des Absenders Sieht man von den Ausnahmeregelungen des Art. 30 Abs. 3 WA, WA/HP und Art. 36 Abs. 3 MÜ ab, die jeweils bei aufeinanderfolgenden Luftfrachtführern dem Absender Schadensersatzansprüche zusprechen, so fehlen sowohl im Warschauer Abkommen als auch im Montrealer Übereinkommen Vorschriften, die ausdrücklich den Absender zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen berechtigen. Da indessen das Abkommen und das Übereinkommen nur auf solche Beförderungen Anwendung finden, denen ein Beförderungsvertrag, abgeschlossen zwischen Luftfrachtführer und Absender, zugrunde liegt, stehen die Rechte aus dem Frachtvertrag, wozu auch die Schadensersatzrechte zu zählen sind, jedenfalls dem Absender als Vertragspartner des Luftfrachtführers zu (BGH TranspR 2001, 29 = NJW-RR 2001, 396; OLG München, ZLW 2000, 118; zu den Schadensersatzrechten des Empfängers s. 5.4.2). 5.2 Verfügungsrechte des Absenders Art. 12 WA, WA/HP, MÜ regelt die Verfügungsrechte des Absenders über die zu befördernden Güter. Dank der Verfügungsrechte kann der Absender dem Frachtführer Weisungen erteilen, um dem im Frachtvertrag vorgesehenen Beförderungsablauf abzuändern, beispielsweise bei Nichterreichbarkeit des Empfängers. Die Rechte des Absenders können so lange von diesem ausgeübt werden, bis nach Ankunft des Gutes am Bestimmungsort der Empfänger Aushändigung des Luftfrachtbriefes gemäß Art. 13 WA und WA/HP bzw. Ablieferung der Güter gegen Zahlung der geschuldeten Beträge (Art. 13 WA, WA/HP, MÜ) verlangen kann. Der Zeitpunkt der Ankunft der Güter ist somit Zeitpunkt des Erlöschens der Verfügungsrechte des Absenders und zugleich Zeitpunkt der Entstehung der Verfügungsrechte des Empfängers. Allerdings lebt das Verfügungsrecht des Absenders wieder auf, wenn der Empfänger die Annahme der Sendung verweigert hat oder wenn der Empfänger nicht erreicht werden kann. Die Verfügungsrechte im Einzelnen: Der Absender kann gemäß Art. 12 WA, WA/HP, MÜ nachträglich, d. h. nach Übernahme der Frachtgüter durch den Luftfrachtführer, Verfügungen über die Güter treffen und durch Weisungen an den Luftfrachtführer auf die Beförderung der Güter einwirken. Grund für eine solche Verfügung könnte für den Absender z. B. sein, dass der Käufer als Empfänger der Sendung seine kaufvertraglichen Pflichten nicht erfüllt hat oder insolvent geworden ist 29 – und der Absender bzw. der Verkäufer somit einen neuen Empfänger/Käufer suchen muss. Voraussetzung für die Ausübung des Verfügungsrechts ist, dass 1) der Absender die Weisung an den Luftfrachtführer in Schriftform getroffen hat. Zwar ergibt sich das Erfordernis nicht aus Art. 12, der insoweit keine Formerfordernisse aufstellt, doch füllen die allgemeinen Beförderungsbedingungen der Luftfrachtführer diese Lücke aus, siehe z. B. Art. 7 der IATA Bedingungen bzw. Art. 7 Ziffer 2 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen für Fracht der Lufthansa Cargo AG (im Anhang abgedruckt); 2) der Absender alle Verpflichtungen aus dem Frachtvertrag erfüllt hat. Hierzu gehören insbesondere die Entrichtung des Beförderungsentgelts und die Erstattung der durch die Ausführung der Verfügung dem Luftfrachtführer entstehenden Kosten; 3) Weisungen nur insofern ausgeführt werden können, als weder der Luftfrachtführer noch die anderen Absender geschädigt werden. Mögliche Schädigungen dieser Personen lassen die Ausführung der Weisung für den Luftfrachtführer unzumutbar werden. Andere Absender sind diejenigen Vertragspartner des Luftfrachtführers, deren Güter der Luftfrachtführer in demselben Flugzeug wie die Güter des verfügenden Absenders befördert; 4) der Luftfrachtführer überhaupt in der Lage ist, die Weisung auch tatsächlich ausführen zu können; ihre Ausführung darf ihm nicht unmöglich sein. Unmöglich ist die Ausführung z. B. dann, wenn die Güter bereits dem Empfänger ausgeliefert worden sind. Unmöglichkeit liegt aber auch dann vor, wenn zwar nicht der angewiesene Luftfrachtführer, z. B. wegen Personalmangels, wohl aber andere Luftfrachtführer die Weisung hätten ausführen können; 5) sich die Weisung nur auf die Güter in ihrer Gesamtheit und nicht auf einzelne Frachtstücke einer Sendung beziehen kann. Diese Schranke für die Ausübung des Verfügungsrechts ist zwar nicht in Art. 12 erwähnt, doch ist zu berücksichtigen, dass dem Frachtführer mit einem einheitlichen Luftfrachtbrief bzw. entsprechendem Beförderungsdokument ein einziges Gut zur Beförderung übergeben worden ist, sodass nicht über einzelne Teile dieser Sendung gesonderte Verfügungen getroffen werden können. Vielmehr steht es dem Absender frei, die Sendung unterwegs anhalten zu lassen und für die nachfolgende Beförderung mehrere neue Frachtverträge über die einzelnen Teile der Sendung abzuschließen; 30 – 6) der Absender dem Luftfrachtführer zeitgleich mit der Erteilung der Weisung das Luftfrachtbriefdritt bzw. die dem Absender übergebene Ausfertigung der Empfangsbestätigung vorlegt. Auch diese Schranke ergibt sich nicht aus dem Wortlaut des Art. 12, wohl aber aus der Rechtsfolge des Abs. 3, wonach der Luftfrachtführer sich u. U. Schadenersatzansprüchen aussetzt, wenn er einer Weisung nachkommt, ohne sich das Luftfrachtbriefdritt oder die entsprechende Ausfertigung der Empfangsbestätigung vorlegen haben zu lassen. Liegen die o. g. Voraussetzungen vor, kann der Absender vier unterschiedliche Verfügungen über die Frachtgüter treffen. Er kann 1) sich die Güter am Abgangs- oder Bestimmungsflughafen zurückgeben lassen; 2) die Güter unterwegs während einer Zwischenlandung aufhalten lassen; 3) die Güter am Bestimmungsort oder unterwegs an eine andere Person als an den im Frachtbrief bezeichneten Empfänger abliefern lassen; 4) die Güter vom Luftfrachtführer an den Abgangsflughafen zurückbringen lassen. Andere als die vorgenannten Verfügungsrechte stehen dem Absender nicht zu und der Luftfrachtführer ist nicht verpflichtet, hiervon abweichenden Weisungen nachzukommen. Der Luftfrachtführer hat den Absender unverzüglich zu benachrichtigen – andernfalls macht er sich schadenersatzpflichtig –, wenn die Ausführung einer Weisung objektiv oder subjekiv unmöglich ist Schadensersatzpflichtig macht sich der Luftfrachtführer auch dann, wenn er eine zulässige Weisung nicht ausgeführt. Wird die Sendung infolge der unterbliebenen Ausführung zerstört, beschädigt oder geht sie verloren, bemisst sich der Schadenersatzanspruch nach Art. 18 WA, WA/HP, MÜ; im Fall einer Verspätung nach Art. 19 WA, WA/HP, MÜ. Fallen z. B. Lagerkosten an, weil die Weisung nur für einen Teil der Sendung beachtet worden ist, kommt ein Anspruch des Absenders wegen Verstoßes gegen die erteilte Weisung nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung, d. h. nach nationalem Recht, in Betracht (siehe im Einzelnen zu den Verfügungsrechten des Absenders Müller-Rostin, in: Giemulla/Schmid, Kommentar zum WA, Art. 12, Rdnr. 1 – 18b; ders., in Giemulla/Schmid, Kommentar zum MÜ, Art. 12, Rdnr. 1 – 50; Ruhwedel, Rdnr. 226 – 230). 31 – 5.3 Die Pflichten des Absenders Art. 6 MÜ, eine Vorschrift, die im Warschauer Abkommen keine Vorgängerin hatte, gibt dem Absender die öffentlich-rechtliche Pflicht auf, sofern von den Behörden verlangt, eine Urkunde mit Angaben zur Art der Güter auszuhändigen. Falls Vorschriften der Zoll-, Polizei- oder anderer Behörden solches vorsehen, können Behörden eine Bezeichnung und ggf. hinreichende Beschreibung der zu befördernden Güter verlangen, z. B. bei Gefahrgut oder Gütern, zu deren Beförderung es gemäß § 27 LuftVG einer behördlichen Erlaubnis bedarf (Waffen, Munition, Giftgase). Damit soll sichergestellt werden, dass der Durchführung des Beförderungsvertrages keine verwaltungsrechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Die Angaben zur Art der Güter sind vom Absender in einer Urkunde zu machen, mithin auch im Luftfrachtbrief oder in den Urkunden gemäß Art. 4 Abs. 2 MÜ ggf. auch in einem sonstigen elektronischen Dokument, sofern es vom Absender an die Behörde „ausgehändigt“, d. h., übermittelt werden kann. Die Angaben des Absenders zur Art der Güter bewirken für den Luftfrachtführer keine Verpflichtung, Verbindlichkeit oder Haftung (Art. 6 Abs. 2 MÜ). Unrichtige Angaben zur Art der Güter, die im Luftfrachtbrief, in der „Empfangsbestätigung über die Güter“ oder in der „anderen Aufzeichnung“ gemacht werden, begründen eine Schadenersatzpflicht des Absenders gemäß Art. 10 MÜ. Unrichtige Angaben zur Art der Güter, die in sonstigen Urkunden gemacht werden, bewirken eine Schadenersatzpflicht nach ergänzend anwendbarem nationalen Recht. Neben der gegenüber den Behörden zu erfüllenden Pflicht nach Art. 6 MÜ ist der Absender nach Art. 16 WA, WA/HP, MÜ verpflichtet, dem Luftfrachtführer diejenigen Auskünfte zu erteilen und Urkunden, z. B. Einfuhrgenehmigungen, Veterinärzeugnisse, auszustellen, die dieser zur Erfüllung der mit dem Transport zusammenhängenden öffentlich-rechtlichen Pflichten benötigt. Fehlen, Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Auskünfte oder Urkunden macht den Absender gegenüber dem Luftfrachtführer schadenersatzpflichtig, Die Ersatzpflicht erstreckt sich auch auf mittelbare Vermögensschäden, die u. U. darin liegen können, dass der Luftfrachtführer einem Dritten zum Schadenersatz verpflichtet ist oder Zoll- oder Steuerstrafen zu zahlen hat. Diese Kausalhaftung des Absenders tritt nur dann nicht ein, wenn den Luftfrachtführer oder seine Leute ein eigenes Verschulden, z. B. Verlust der ihm vom Absender ausgehändigten Urkunden, hinsichtlich des Informations- oder Dokumentenmangels trifft. Die Haftung des Luftfrachtführers bemisst sich dann nach Art. 18 ff WA, WA/HP, MÜ. 32 – 5.4 5.4.1 Rechte und Pflichten des Empfängers Rechte und Pflichten bei Ablieferung der Güter Art. 13 WA, WA/HP, MÜ regelt bestimmte Rechte des Empfängers, die diesem nach Ankunft des Gutes am Bestimmungsort zukommen. Bestimmungsort ist derjenige Ort, an dem nach dem ursprünglichen oder nach dem nachträglich abgeänderten Frachtvertrag die Beförderung enden soll. Bestimmungsort ist immer ein Flughafen und nicht die betreffende Stadt; abzustellen ist also auf den Zeitpunkt der Landung des Flugzeuges auf diesem Flughafen. Der Regelung der Dispositionsrechte des Empfängers liegt zugrunde, dass der Güterbeförderungsvertrag ein Vertrag zugunsten Dritter i. S. v. § 328 BGB ist (OLG Frankfurt, BB 1977, 1071 = DB 1977, 1503; OLG Köln, TranspR 2004, 120). Der Empfänger ist nicht Partei des zwischen dem Absender und dem Luftfrachtführer abgeschlossenen Beförderungsvertrages, sondern ein in bestimmten Situationen und in bestimmter Hinsicht begünstigter Dritter dieses Vertrages. Er ist nicht Vertragspartei, wohl aber ausgestattet mit bestimmten Rechten und Pflichten, die sich insbesondere aus Art. 13 WA, WA/HP, MÜ ergeben. Nach Ankunft der Güter am Bestimmungsort und unter der Voraussetzung, dass der Absender nicht vor Ankunft seine Verfügungsrechte geltend gemacht hat und beispielsweise die Rückführung der Güter an den Abgangsort verfügt hat, kann der Empfänger zunächst einmal verlangen, dass ihm der Luftfrachtführer die Ankunft der Güter unverzüglich anzeigt. Daneben kann er die Ablieferung der Güter verlangen. Dem Recht des Empfängers auf Ablieferung steht gleichzeitig seine Pflicht gegenüber, dem Luftfrachtführer die „Zahlung der geschuldeten Beträge“ zu leisten, sofern nicht bereits der Absender diese Beträge beglichen hat. Zug um Zug gegen Ablieferung der Güter hat der Luftfrachtführer Anspruch auf Bezahlung noch ausstehender Frachtraten, seiner sonstigen Auslagen oder Nebenkosten. War im Luftfrachtbrief Nachnahme vereinbart („cash on delivery“, COD) trifft den Luftfrachtführer die Pflicht, die Nachnahmebeträge zu vereinnahmen, andernfalls macht er sich dem Absender gegenüber schadenersatzpflichtig. Der Empfänger ist nicht zur Bezahlung noch unbeglichener Frachtraten verpflichtet, sofern nicht Abweichendes im Luftfrachtbrief vereinbart worden ist. Sein Recht, Ablieferung gegen Zahlung zu verlangen, bedeutet aber, dass der Luftfrachtführer auch nur abzuliefern braucht, wenn er noch unbeglichene Frachtraten vom Empfänger gezahlt erhält. Ist im Luftfrachtbrief bezüglich der Fracht „prepaid“ vereinbart, kann der Empfänger die Ablieferung der Güter verlangen, ohne zur Zahlung eventuell noch ausstehender Frachtraten verpflichtet zu sein. Daneben ist der Empfänger 33 – nach Art. 13 Abs. 1 WA, WA/HP, MÜ zur Erfüllung der Beförderungsbedingungen verpflichtet. Dies ist im Wesentlichen die Erfüllung von Zoll-, Steuer- oder Polizeivorschriften, deren Erfüllung sich aus den Allgemeinen Beförderungsbedingungen des Luftfrachtführers ergeben muss. 5.4.2 Das Recht zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen Das dem Empfänger in Art. 13 Abs. 1 WA, WA/HP, MÜ zugesprochene Recht, Ablieferung der Güter zu verlangen, wandelt sich in Abs. 3 in das Recht um, die Rechte aus dem Beförderungsvertrag geltend zu machen, sofern die Güter nicht am Bestimmungsort eingetroffen sind. Art. 13 Abs. 3 WA, WA/HP, MÜ spricht dem Empfänger das Recht zu, anstelle seines verwirkten Anspruches auf Ablieferung Schadensersatz nach Art. 18 Abs. 1 WA, WA/HP, MÜ zu verlangen. Das Recht, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, ist neben dem Recht, Ablieferung zu verlangen, das bedeutsamste für den Empfänger. Voraussetzung für die Geltendmachung des Schadenersatzanspruches ist entweder, dass • der Frachtführer den Verlust der Güter anerkannt hat (OLG Köln, TranspR 2003, 111; OLG Stuttgart, TranspR 2010, 37) oder dass • die Güter nach Ablauf von sieben Tagen, nachdem sie am Bestimmungsort hätten ankommen sollen, noch nicht angekommen sind. Damit wird der Empfänger, obgleich er nicht Vertragspartei ist, aktiv legitimiert und unter den vorgenannten Voraussetzungen zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen berechtigt. Art. 13 Abs. 3 WA, WA/HP, MÜ spricht dem Empfänger die Geltendmachung der Rechte aus dem Frachtvertrag, wozu auch das Recht zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen zählt, ausdrücklich nur zu im Fall des Verlustes oder der Verspätung, nicht hingegen im Fall der Beschädigung oder der Zerstörung der Güter. Da aber der Luftbeförderungsvertrag ein Vertrag zugunsten Dritter, nämlich zugunsten des Empfängers, ist (siehe Abschnitt 5.2.1), und da somit dem Empfänger bereits aus Art. 13 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 3 WA, WA/HP, MÜ gewisse Rechte, auch Schadenersatzrechte bei fehlender oder verspäteter Ankunft der Güter am Bestimmungsort, zugewiesen sind, 34 – wird man ihm auch das Recht zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen Beschädigung oder Zerstörung der Güter aus seiner Position als Drittbegünstigter zuerkennen können. Sofern ergänzend deutsches Recht auf den Beförderungsvertrag anwendbar ist, ergibt sich eine diesbezügliche Aktivlegitimation bereits aus § 421 HGB. Der BGH (TranspR 2004, 369 = VersR 2005, 811) hat demgegenüber das Recht auf Schadenersatz wegen Beschädigung der Güter unmittelbar aus Art. 13 Abs. 3 WA/HP – entgegen dem Wortlaut der Vorschrift – hergeleitet. Unabhängig davon, woher das Recht des Empfängers zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen hergeleitet wird, ist festzuhalten, dass der Empfänger einer Sendung insgesamt im gleichen Umfang zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen legitimiert wie der Absender als Vertragspartner des Luftfrachtführers. Nach herrschender Auffassung steht die Aktivlegitimation des Empfängers neben derjenigen des Absenders, so dass beide als Gesamtgläubiger anzusehen sind, wodurch wiederum der Luftfrachtführer vor der Gefahr geschützt ist, zweimal in Anspruch genommen zu werden (OLG Stuttgart, TranspR 2010, 37; Reuschle, Montrealer Übereinkommen, Art. 18, Rn. 85). In jedem Fall bleibt aber der Absender zumindest dann anspruchsberechtigt, wenn der Empfänger entweder die Annahme der Sendung verweigert hat oder deutlich gemacht hat, dass er auf die Erhebung von Ansprüchen gegen den Frachtführer verzichte. Empfänger bei einer Sammelsendung, die noch zu verteilen ist, ist der Empfangsspediteur (OLG Hamburg, VersR 1982, 375). Wird die Person des ursprünglichen Empfängers aufgrund einer Weisung des Absenders nach Art. 12 WA, WA/HP, MÜ ausgewechselt, z.B. wegen Insolvenz des Empfängers, ist allein der neu benannte Empfänger anspruchsberechtigt. Sämtliche Dispositions- und Anspruchsrechte des Empfängers erlöschen, wenn er die Annahme der Güter am Bestimmungsort verweigert. In diesem Falle leben die bereits gemäß Art. 12 Abs. 4 WA, WA/HP, MÜ erloschenen Verfügungsrechte des Absenders wieder auf. 6 Die Haftungsregelungen des WA, WA/HP, MÜ 6.1 Das Verschulden Die Regelungen der Haftung des Luftfrachtführers für Personen-, Gepäck- und Frachtschäden bilden den Kernbereich des Warschauer Abkommens und ebenso des Montrealer Übereinkommens. Nachfolgend sollen lediglich die Haftungsregelungen für Frachtschäden gemäß Art. 18 ff WA, WA/HP, MÜ näher betrachtet werden. Die 35 – Haftungsregelungen in Art. 18 ff. MÜ weisen gravierende Änderungen auf im Vergleich zum Warschauer Abkommen, nicht indes im Vergleich zum Montrealer Protokoll Nr. 4, das zwar nicht für Deutschland, ansonsten aber für über 60 Staaten seit 1998 in Kraft ist. Nach dem Warschauer Abkommen haftet der Luftfrachtführer bei Beschädigung, Verlust, Zerstörung oder Verspätung des Frachtgutes für vermutetes Verschulden. Haftung für vermutetes Verschulden bedeutet, dass nicht der Geschädigte (Absender oder Empfänger) ein Verschulden seitens des Luftfrachtführers zu beweisen braucht, um ihn in Anspruch nehmen zu können. Vielmehr wird ein Verschulden des Luftfrachtführers am eingetretenen Schaden vermutet mit der Folge, dass der Luftfrachtführer den Beweis seiner Schuldlosigkeit und die seiner „Leute“ zu führen hat, um seine Haftung zu vermeiden. Nur ein erfolgreicher Entlastungsbeweis setzt ihn in die Lage, von der ihm obliegenden Haftung frei zu werden. Als Ausgleich für diese den Luftfrachtführer belastende Beweislastumkehr ist seine Haftung der Höhe nach beschränkt - zumindest im Regelfall. Eine Haftung für vermutetes Verschulden mit entsprechender Beweislastumkehr gilt im Montrealer Übereinkommen nur noch für Verspätungsschäden. Für Sachsubstanzschäden ist die Haftung dagegen strikt ausgestaltet. Nach Art. 18 MÜ haftet der Luftfrachtführer bei Sachsubstanzschäden „allein aufgrund der Tatsache“, dass das zur Beschädigung, zum Verlust oder zur Zerstörung des Frachtgutes führende Ereignis während der Zeit, in der sich das Gut in der Obhut des Luftfrachtführers befunden hat, eingetreten ist. Ein Verschulden des Luftfrachtführers wird nicht gefordert. Der Luftfrachtführer hat mithin ohne Rücksicht auf die Schadensursache und auf etwaiges Verschulden für alles einzutreten, was sich während seiner Obhut substantiell auf das Frachtgut ausgewirkt hat (Boettge, VersR 2005, 908). 6.2 Die Schadensobjekte und Schadensformen Als Schadensobjekte kommen nach dem Wortlaut von Art. 18 WA, WA/HP, MÜ nur Güter in Betracht, nicht dagegen Post. Die Beförderung von Postsendungen unterliegt nach Art. 2 Abs. 3 MÜ nicht dem Regelungsbereich des Übereinkommens. Mangels einer Begriffsbestimmung im WA oder MÜ dürften unter dem Begriff „ Güter“ sämtliche körperlichen Gegenstände zu verstehen sein, die befördert werden können (Ausnahme Reisegepäck, sofern es nicht ausnahmsweise als Fracht, z.B. wegen Gewichtsüberschreitung, befördert werden soll), ein besonderer Wert braucht diesen Gütern nicht zuzukommen. Auch ist der Begriff nicht auf Handelsware beschränkt, wie es die französische Bezeichnung “marchandises“ nahe zu legen scheint (Reuschle, Kommentar MÜ, Art. 18, Rdnr. 9). Das Warschauer Abkommen und das Montrealer Übereinkommen 36 – unterscheiden vier Schadensformen, nämlich Zerstörung, Verlust, Beschädigung oder Verspätung, für die der Luftfrachtführer einzustehen hat. Ist eine dieser Schadensformen eingetreten, dann ist grundsätzlich der Absender oder der Empfänger berechtigt, Schadensersatzansprüche gegenüber dem Luftfrachtführer geltend zu machen. Die einzelnen Schadensformen, nämlich Zerstörung, Beschädigung und Verlust gemäß Art. 18 WA, WA/HP, MÜ einerseits sowie Verspätung gemäß Art.19 WA, WA/HP, MÜ andererseits und ihre jeweiligen Rechtsfolgen sind gesondert zu betrachten. Im Einzelnen: 6.2.1 Die Zerstörung Eine Zerstörung liegt zunächst dann vor, wenn die Güter oder Teile davon vollständig in ihrer Substanz vernichtet sind. Zerstörung bedeutet Substanzvernichtung, zerstörtes Gut hat keinen wirtschaftlichen Wert mehr, abgesehen von einem möglichen Schrottwert. Daneben kann aber auch bereits dann von einer Zerstörung gesprochen werden, wenn die Güter so schwerwiegend beschädigt sind, dass sie nicht mehr ihrer Zweckbestimmung gemäß genutzt werden können (LG Frankfurt, TranspR 1991, 143 = ZLW 1991, 194; Thume, TranspR 2001, 433), z.B. leicht verderbliche Ware. Bei der Zerstörung von Gütern sind häufig weitere Schadensfolge die Kosten einer Entsorgung. Ist der Inhalt einer verpackten Sendung zerstört, während die Verpackung unbeschädigt ist, wird man insgesamt eine Beschädigung der Sendung annehmen müssen. Bei einer Beschädigung, nicht aber bei einer Zerstörung, unterliegt der Absender bzw. der Empfänger einer Pflicht zur Abgabe einer Schadensanzeige nach Art. 26 WA, WA/HP und Art. 31 MÜ gegenüber dem Luftfrachtführer. Grund für diese Pflicht ist u.a. die Sicherstellung der Beweise durch den Luftfrachtführer. Dieser Aufgabe kann er indessen nicht nachkommen, wenn bei unterbliebener Schadensanzeige für ihn der Schaden angesichts der unbeschädigten Verpackung überhaupt nicht erkennbar ist. 6.2.2 Die Beschädigung Beschädigung ist jede substantielle Veränderung der Güter, die ihren Wert mindert (Fremuth, in Fremuth/Thume, Transportrecht, § 425 HGB, Rdnr. 14). Die Beschädigung führt zu einer Veränderung der inneren oder äußeren Unversehrtheit. Die Abgrenzung zwischen Beschädigung und Zerstörung und zwischen Beschädigung und Verlust bzw. Teilverlust ist fließend, aber zum Teil notwendig wegen der unterschiedlichen Anforderungen an die Rüge des eingetretenen Schadens (s. unten Ziffer 12). Beschädigung und nicht Zerstörung ist im Allgemeinen anzunehmen, wenn die Sache noch repariert werden kann. Ist hingegen eine Maschine derart schwer „beschädigt“, dass der 37 – Reparaturwert den Neuwert der Maschine übersteigen würde, liegt eine Zerstörung vor. Sind z. B. einige der zu befördernden Tiere während der Beförderung umgekommen, so könnte streitig sein, ob ein Teilverlust oder aber eine Beschädigung vorliegt. Das LG Frankfurt (ZLW 1973, 306) hat beim Tod von 80 % der zu befördernden Küken Beschädigung angenommen. 6.2.3 Der Verlust Ein Verlust der Güter liegt vor, wenn die Güter untergegangen oder unauffindbar sind oder aus sonstigen tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründen vom Luftfrachtführer auf absehbare Zeit nicht an den berechtigten Empfänger ausgeliefert werden können (OLG Frankfurt, TranspR 1999, 24; OLG Köln, TranspR 2003, 111 = VersR 2003, 269; OLG Düsseldorf NJOZ 2006, 1071). Berechtigter Empfänger ist die in Luftfrachtbrief bzw. in der „Empfangsbestätigung über die Güter“ als Empfänger eingetragene Person bzw. die im Falle einer Verfügung gemäß Art. 12 vom Absender als neuer Empfänger benannte Person. Ein Verlust ist eingetreten, wenn der Luftfrachtführer nicht mehr den aus dem Beförderungsvertrag sich ergebenden Besitzverschaffungsanspruch des Empfängers gemäß Art. 13 Abs. 1 WA, WA/HP, MÜ erfüllen kann. Ein Verlust liegt selbst dann vor, wenn der Luftfrachtführer zwar weiß, wo die Güter sich befinden, er aber gleichwohl sie nicht ausliefern kann. Ein Verlust wird daher auch dann angenommen, wenn der Luftfrachtführer die Frachtgüter an den unrichtigen Empfänger ausgeliefert hat und er sie von diesem nicht wiedererlangen kann (OLG Frankfurt, ZLW 1978, 53 = RIW 1978, 197). Einem Verlust steht es nach Auffassung des OLG Nürnberg gleich (OLG Nürnberg, TranspR 2001, 262; a.A. Thume, TranspR 2001, 433), wenn die Sendung zwar an den berechtigten Empfänger abgeliefert worden war, allerdings entgegen den Anweisungen des Absenders nicht gegen Übergabe eines bankbestätigten Schecks. Dem Verlust gleich zu setzen ist die dauernde Unmöglichkeit der Erlangung der Güter, z. B. durch ihre endgültige behördliche Beschlagnahme als Folge der Nichtbeachtung von Zollvorschriften (Koller, Transportrecht, § 425 HGB, Rdnr. 7). Eine Abgrenzung zwischen Verlust/Teilverlust und Beschädigung kann bedeutsam werden im Hinblick auf das Anzeigeerfordernis gem. Art. 26 WA, WA/HP bzw. Art. 31 MÜ (s. Kapitel 11). Bei einer Beschädigung ist eine Schadensanzeige erforderlich, bei einem Verlust hingegen entbehrlich. Bei der Abgrenzung zwischen beiden Schadensarten wird letztendlich auf den Inhalt von Luftfrachtbrief bzw. Empfangsbestätigung abzustellen sein. Ob Verluste einzelner Teile 38 – (Teilverlust) als Verlust oder als Beschädigung der gesamten Sendung anzusehen sind, bemisst sich nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien, so wie diese in den Beförderungsdokumenten ihren Niederschlag gefunden haben. Entscheidend ist, ob das verlustige Frachtstück im den Dokumenten als selbständige Einheit aufgeführt worden war. Sind im Luftfrachtbrief oder in der Empfangsbestätigung mehrere Frachtstücke einzeln aufgelistet, von denen eines oder mehrere verloren gegangen sind, so ist von einem Verlust auszugehen (BGHZ 84, 101 = NJW 1983, 516; OLG Hamburg, TranspR 1988, 201 = ZLW 1988, 362). Für jedes einzelne dieser einzeln aufgelisteten Frachtstücke hätte nämlich ein gesonderter Luftfrachtbrief gemäß Art. 7 WA, WA/HP bzw. Art. 8 MÜ ausgestellt werden können. Auch hätte der Absender vom Luftfrachtführer die Aushändigung einzelner Empfangsbestätigungen verlangen können. Wäre sodann ein Frachtstück verlustig gegangen, so hätte es sich zweifelsohne um einen Verlust gehandelt. Die Tatsache, dass alle Frachtstücke in einem einzelnen Luftfrachtbrief bzw. in einer einzelnen Empfangsbestätigung aufgelistet waren, kann nicht ein anderes Ergebnis rechtfertigen (OLG Frankfurt, ZLW 1981, 312 = MDR 1981, 851). Demgegenüber ist von einer Beschädigung auszugehen – und im Schadensfall eine Anzeige zu erstatten -, wenn nach dem Inhalt des Beförderungsvertrages mehrere Packstücke als eine gesamte Beförderungseinheit erscheinen und eines (oder mehrere) dieser Packstücke nicht ausgeliefert werden kann. So hat das OLG Hamburg (TranspR 1988, 201 = ZLW 1988, 362) folgerichtig entschieden, dass dann, wenn in einem Frachtbrief 8 Packstücke nicht als jeweils selbständige Frachtstücke ausgewiesen werden, sondern lediglich mit der Gesamtzahl 8 angegeben und unter einem Gesamtgewicht und zu einer Beförderungseinheit zusammengefasst werden, eine Beschädigung vorliegt, wenn einzelne dieser Packstücke oder ihr Inhalt fehlen (so auch OLG Köln, TranspR 1987, 108). 6.2.4 Die Verspätung Neben den Sachsubstanzschäden, die in Art. 18 WA, WA/HP, MÜ geregelt sind, ist der Schaden durch verspätete Beförderung (Art. 19 WA, WA/HP, MÜ) weiterer Teilbereich der Regelungen der Leistungsstörungen bei der Abwicklung eines Luftfrachtbeförderungsvertrages. Wann eine Beförderung als „verspätet“ anzusehen ist, wird weder im Warschauer Abkommen noch im Montrealer Übereinkommen definiert. Überwiegend wird eine „Verspätung“ als nicht rechtzeitiges Eintreffen am Bestimmungsort verstanden (OLG Frankfurt, TranspR 1983, 21 = MDR 1984, 318; OLG Köln NJOZ 2005, 4288). Der Begriff der Rechtzeitigkeit kann anhand der vertraglichen Vereinbarungen bestimmt werden, so wie sie im Luftfrachtbrief oder in der „jeder anderen Aufzeichnung“ 39 – gemäß Art. 4 MÜ ihren Niederschlag gefunden haben, oder unter Hinzuziehung des Flugplanes, wenn ausdrückliche Vereinbarungen nicht getroffen wurden. Allerdings ist nicht jede vom Flugplan oder der Vereinbarung abweichende Ankunft als verspätet zu betrachten, sondern erst eine solche, die nicht innerhalb eines objektiv angemessenen Zeitraums, sondern nur unter erheblicher Abweichung vom Flugplan erfolgt ist (OLG Frankfurt, TranspR 1993, 103; OLG Frankfurt, RRa 2005, 78). Hierbei ist die vertraglich vereinbarte Flugzeit mit einem vernünftigen Zuschlag zu versehen, der die Empfindlichkeit des Luftverkehrs auf äußere Einflüsse (Wetter, Luftraumüberfüllung) hinreichend berücksichtigt. Keine Verspätung, sondern Nichterfüllung des Vertrages, ist die Beförderung von an sich gebuchter Fracht auf einem späteren Flug wegen Überbuchung des ursprünglich gebuchten Fluges (OLG Frankfurt, ZLW 1989, 179 = RIW 1989, 226; OLG Frankfurt, TranspR 1997, 373 = ZLW 1997, 540). Hierauf finden sodann, sofern deutsches Recht anzuwenden ist, die Vorschriften über werkvertragliche Leistungsstörungen Anwendung (Kronke, MünchKomm HGB, Art. 19 WA 1955, Rdnr. 44). Nach einer Entscheidung des AG Frankfurt (NZV 1998, 332) kann von einer Verspätung solange noch gesprochen werden, wie ihr Ausmaß nicht zu einem völlig neuen Leistungsinhalt führt. Bei einem 12stündigen Flug, der mit 9,5 Stunden Verspätung startet, sei noch von einer Verspätung i.S.v. Art. 19 auszugehen, nicht mehr hingegen bei einer Verspätung um einen vollen Tag (LG Frankfurt TranspR 1991, 145). Demgegenüber hat das LG München I (NJW 1978, 2454 = RIW 1978, 473) einen um 2 Stunden „verspätet“ angekommenen Flug auf einer Strecke, die normalerweise in 80 Minuten zurückzulegen wäre, als verspätet betrachtet und dem Passagier Schadensersatzansprüche nach Art. 19 WA/HP zugebilligt. Das AG Frankfurt am Main (RRa 2011, 207) hat hingegen eine Verspätung von jedenfalls bis zu 2 Stunden als bloße im Werkvertragsrecht ersatzlos hinzunehmende Unannehmlichkeit bezeichnet. Im Unterschied zur neu eingeführten verschuldensunabhängigen Haftung für Sachsubstanzschäden verbleibt es im Montrealer Übereinkommen für Verspätungsschäden anlässlich der Beförderung von Gütern bei der Haftung für vermutetes Verschulden, wie es im Warschauer Abkommen durchgängig war. Zu seiner Entlastung hat der Luftfrachtführer den Nachweis der Ergreifung aller zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des Schadens zu führen. Dieser Nachweis stellt geringere Anforderungen als der noch unter Art. 20 WA geforderte Nachweis der Ergreifung aller notwendigen Maßnahmen (Bollweg, ZLW 2000, 439 [445]). Die Haftung ist auf 19 SZR je Kilogramm verspäteter Fracht begrenzt, selbst wenn der Schaden leichtfertig oder mit der Absicht, Schaden herbeizuführen, verursacht worden ist (Art. 22 Abs. 5 MÜ; s dazu Kapitel 7.2). 40 – 6.3 Das schadenursächliche Ereignis und die Kausalität bei Sachsubstanzschäden Voraussetzung ist zunächst, dass der Schaden am Transportgut durch ein Ereignis während der Luftbeförderung hervorgerufen sein muss. Jedes beliebige Ereignis, durch das die Zerstörung, die Beschädigung oder der Verlust innerhalb des Haftungszeitraumes eingetreten ist, ist als Ursache ausreichend (OLG Köln, ZLW 1982, 167 = TranspR 1982, 43). Im Unterschied zur Personenschadenshaftung nach Art. 17 WA, WA/HP, MÜ ist nicht erforderlich, dass der Sachschaden durch einen Unfall verursacht worden ist. Unerheblich ist, ob das Schadensereignis vom Luftfrachtführer oder seinen Leuten, von außenstehenden Dritten oder durch Naturereignisse gesetzt worden ist. Der geltend gemachte Schaden muss durch die Zerstörung, die Beschädigung oder den Verlust des Frachtgutes entstanden sein. Die Kausalität ist durch den Gesichtspunkt der Adäquanz einzuschränken, wonach zumindest bei Zugrundelegung deutschen Rechts Schadensfolgen nicht zuzurechnen sind, die völlig außerhalb gewöhnlicher Geschehensabläufe liegen. Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Betrieb des Luftfahrzeuges ist bei Frachtschäden, anders bei Passagierschäden, nicht erforderlich (BGH NJW 1964, 2348; BGH NJW 1979, 493). Bei der Beförderung von Gütern beschränkt sich nämlich die Sorgfaltspflicht des Luftfrachtführers nicht auf die typischen Gefahren des Luftverkehrs (zur luftfahrttypischen Gefahr s. Thor, in Müller-Rostin, Schmid (Hrsg.) Festgabe für E. Ruhwedel, S. 273ff), sondern umfasst die gesamte Verpflichtung eines Frachtführers aus der Obhut der ihm übergebenen Güter. 6.4 Die Beweislast Dem Absender bzw. Empfänger der beförderten Frachtgüter obliegt als Geschädigtem zunächst die Beweislast dafür, dass die Güter dem Luftfrachtführer in einwandfreiem Zustand ausgehändigt worden sind (BGH TranspR 2004, 369; OLG Frankfurt, TranspR 1984, 20 = MDR 1984, 236). Dieser Beweispflicht Genüge zu tun wird indes erleichtert, wenn sich auf dem Luftfrachtbrief oder der „Empfangsbestätigung über die Güter“ gemäß Art. 4 MÜ Angaben über den Zustand der Güter befinden. Diese Angaben erbringen nämlich nach Art. 11 WA, WA/HP, MÜ gegenüber dem Luftfrachtführer immerhin insoweit Beweis – Gegenbeweis ist möglich (OLG Frankfurt, VersR 2006, 675) - , als dieser sie in Anwesenheit des Absenders nachgeprüft hat und diese Angaben auf dem Luftfrachtbrief bzw. der Empfangsbestätigung vermerkt hat, oder wenn es sich um Angaben handelt, die sich auf den äußerlich erkennbaren Zustand der Güter beziehen. 41 – Der in der Praxis häufig auf dem Luftfrachtbrief bzw. der Empfangsbestätigung angebrachte Vermerk „It is agreed, that the goods described herein are accepted in apparent good order and condition (except as noted) for carriage“ beweist nach zutreffender Ansicht des LG Frankfurt (TranspR 1987, 389 = VersR 1988, 352, ebenso auch BGH VersR 2005, 811) nicht, dass die Güter zum Zeitpunkt der Übergabe an den Luftfrachtführer in einwandfreien Zustand waren. Der Vermerk bezieht sich nämlich nach Auffassung des Gerichts nur auf den äußeren Zustand (Verpackung), nicht aber auf den inneren Zustand der Güter. Grundsätzlich unterliegt der Luftfrachtführer keiner Verpflichtung, die ihm angelieferten Güter auf ihren Zustand zu untersuchen (Mühlbauer, in Geigel, Der Haftpflichtprozeß, Kap.29, Rdnr. 63). Steht nicht fest, dass die Güter zu Zeitpunkt der Übergabe an den Luftfrachtführer einwandfrei waren, kann nicht angenommen werden, dass der Zustand der Güter nach ihrer Ankunft am Bestimmungsort für sich allein genommen für einen Verderb aufgrund von Ereignissen spräche, die während des Zeitraumes der Luftbeförderung, d.h. während des Zeitraumes der Haftung des Luftfrachtführers (s. dazu unten Ziffer 6.5) eingetreten sind. Steht indes fest, dass dem Luftfrachtführer einwandfreie Güter übergeben worden sind, kann unter Umständen geschlossen werden, die Güter müssen auf dem Lufttransport Schaden genommen haben, wenn sie in nicht einwandfreiem Zustand am Bestimmungsort eintreffen. Ansonsten muss nach BGH (VersR 2005, 811) und nach OLG Frankfurt (TranspR 1984, 20 = MDR 1984, 236) der Absender bzw. Empfänger den Beweis führen, dass der Schaden an den Gütern während der Luftbeförderung eingetreten sei Verderben Güter, die dem Luftfrachtführer in ordnungsgemäßem Zustand übergeben worden sind, im Verlauf einer Luftbeförderung, so soll nach OLG Frankfurt (TranspR 1983, 120 = ZLW 1983, 57) die Vermutung des Empfängers ausreichend sein, dass eine falsche Behandlung der Güter durch den Luftfrachtführer schadensursächlich gewesen sei. Es sei dann Sache des Luftfrachtführers, die Verschuldensvermutung zu entkräften. Ein Beweis der Schadensfreiheit der Güter zum Zeitpunkt ihrer Annahme durch den Luftfrachtführer legt auf Grund der zugleich begründeten Obhut des Luftfrachtführers an den Gütern diesem den Nachweis auf, dass die Güter gerade nicht während seiner Obhutsausübung zu Schaden gekommen seien (Ruhwedel, MünchKomm Bd VII HGB, MÜ Art. 18 Rdnr. 70). Gelingt dagegen dem Absender/Empfänger der Beweis der Übergabe an den Frachtführer in einwandfreiem Zustand nicht, muss er beweisen, dass der Schaden während der Luftbeförderung eingetreten sei. Besteht zwischen den Parteien des Luftfrachtvertrages Streit darüber, ob der beim Empfänger nicht angekommene Teil der Sendung überhaupt in die Obhut des Luftfrachtführers gelangt sei, so kann nicht auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises zurückgegriffen werden. Da die Parteien über den Grund der Haftung streiten, scheidet auch eine Anwendung des § 287 ZPO aus. Der Anspruchsteller hat daher 42 – in diesem Fall den vollen Beweis dafür zu erbringen, dass der nicht beim Empfänger angekommene Teil in die Obhut des Frachtführers gelangt sei (Ruhwedel, MünchKomm Bd. VII HGB, MÜ Art. 18 Rdnr. 66 unter Hinweis auf BGH TranspR 2007, 418 = NJW-RR 2008, 119). 6.5 Der Haftungszeitraum gemäß Art. 18 WA, WA/HP, MÜ 6.5.1 Bestimmung des Haftungszeitraumes nach dem Warschauer Abkommen Die Haftung des Luftfrachtführers ist im WA und im MÜ, gleichermaßen wie in den anderen Sparten des Frachtrechts, als Obhutshaftung ausgestaltet (OLG Köln TranspR 2003, 111 = ZLW 2003, 655). Der Luftfrachtführer verpflichtet sich nicht nur zur Beförderung des Frachtgutes, er nimmt es auch zugleich in seine Obhut, um es gegen Schäden zu schützen (s. zum Begriff „Obhut“ unten Ziffer 6.5.3). Für Schäden, die durch Zerstörung, Beschädigung oder Verlust des Frachtgutes während der Obhutsausübung entstehen, haftet der Luftfrachtführer, sofern das Ereignis, durch das der Schaden verursacht worden ist, während des Haftungszeitraumes eingetreten ist. Haftungszeitraum des Luftfrachtführers ist sowohl nach dem Warschauer Abkommen als auch nach dem Montrealer Übereinkommen der Zeitraum der „Luftbeförderung“ (OLG Düsseldorf, TranspR 2002, 33). Allerdings ist die Bestimmung dieses Zeitraumes sehr unterschiedlich. Bei Beförderungen, die dem Warschauer Abkommen in seiner Ursprungsfassung oder in jener des Haager Protokolls unterliegen, ist gemäß Art. 18 Abs. 2 WA, WA/HP unter dem Begriff „Luftbeförderung der Zeitraum zu verstehen, während dessen …die Güter sich auf einem Flughafen, an Bord eines Luftfahrzeuges oder bei Landung außerhalb eines Flughafens, an einem beliebigen Ort unter der Obhut des Luftfrachtführers befinden.“ Das Warschauer Abkommen hebt somit bei der Bestimmung des Haftungszeitraumes auf zwei Elemente ab: einmal auf die Örtlichkeit des Frachtgutes (an Bord, auf einem Flughafen, außerhalb eines Flughafens bei Außenlandung) und zum anderen auf die Obhut des Luftfrachtführers an diesem Frachtgut. Beide Elemente müssen gegeben sein, so dass der Luftfrachtführer, der z. B. Frachtgut in seinem Warenlager auf dem Flughafen einlagert, der Haftung nach dem Warschauer Abkommen unterliegt. Demgegenüber haftet der Luftfrachtführer, der Frachtgut in seinem Stadtbüro oder in seinem außerhalb des Flughafens gelegenen Warenlager eingelagert hat, nicht nach den Vorschriften des Warschauer Abkommens, weil er das Gut zwar in seiner Obhut gehabt hat, aber nicht an einer der genannten Örtlichkeiten. Im diesem Fall bemisst sich die Haftung nach dem ergänzend anwendbaren nationalen Recht. 43 – 6.5.2 Bestimmung des Haftungszeitraumes nach dem Montrealer Übereinkommen Anders als das Warschauer Abkommen fordert das Montrealer Übereinkommen nicht mehr, dass sich die Güter an bestimmten Örtlichkeiten befinden (Ruhwedel, TranspR 2001, 189 [197]). Vielmehr beschreibt Art. 18 Abs. 3 MÜ den für die Haftung maßgeblichen Zeitraum als denjenigen „Zeitraum, während dessen sich die Güter in der Obhut des Luftfrachtführers befinden“. Mithin ist der Haftungszeitraum – unabhängig von der Örtlichkeit der Güter - mit der Ausübung der Obhut des Luftfrachtführers über die Güter verbunden (OLG Köln, ZLW 2003, 655; Thor, in Müller-Rostin/Schmid (Hrsg.), Festgabe für E. Ruhwedel, S. 273 [276]). Mit dieser Ausweitung des Haftungszeitraums wird nunmehr, anders als nach dem Warschauer Abkommen, auch jener Zeitraum erfasst, während dessen die Güter in einem Lagerhaus außerhalb der Flughafengrenzen vom Luftfrachtführer eingelagert werden. Ein Zurückgreifen auf nationales Recht, welches dem Gedanken der Vereinheitlichung des Lufttransportrechts zuwiderlief, ist durch das Montrealer Übereinkommen nunmehr beseitigt. 6.5.3 Der Begriff der Obhut Obgleich der Begriff der Obhut ein für die Haftung bestimmender Begriff ist, wird er weder im Warschauer Abkommen noch im Montrealer Übereinkommen definiert. Doch geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Haftung des Luftfrachtführers sich auch auf jene Schadensfälle erstrecken solle, die nicht nur während der eigentlichen Luftbeförderung, sondern auch zu jenem Zeitpunkt eintreten, in dem sich die Güter derart im Einwirkungsbereich des Luftfrachtführers befinden, dass er dem Wesen der Obhutsausübung entsprechend in der Lage sei, sie gegen Zerstörung, Beschädigung oder Verlust zu schützen. Nicht erforderlich sei dazu eine körperliche Inbesitznahme der Güter durch den Luftfrachtführer, vielmehr könne auch eine Willenseinigung genügen, sofern der Luftfrachtführer durch den Absender oder Anlieferer in der Lage sei, die tatsächliche Gewalt über die Güter auszuüben und Schäden an ihnen zu verhindern (BGH VersR 1979, 83 = ZLW 1980, 61; BGHNJW-RR 201, 396 = TranspR 2001, 29). Da der BGH weder eine körperliche Inbesitznahme der Güter noch einen Ausschluss sämtlicher Einwirkungsmöglichkeiten des Absenders fordert, setzt sich die Obhutsausübung des Luftfrachtführers auch dann fort, wenn die Güter sich im Gewahrsam eines Dritten, z. B. eines Abfertigungsagenten, befinden mit der Folge, dass der Grad der erforderlichen Einwirkungsmöglichkeiten eingeschränkt ist. Ein geringerer Grad von Einwirkungsmöglichkeiten steht der Obhutsausübung durch den Luftfrachtführer jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Schaden in einem zum Kernbereich der Luftbeförderung gehörenden Teilabschnitt eingetreten ist. Denn der Absender darf darauf vertrauen, dass 44 – zumindest in den vertragstypischen Tätigkeitsfeldern der Luftbeförderung der Luftfrachtführer für eine sorgfältige Vertragserfüllung einstehen will. Übergibt mithin der Luftfrachtführer freiwillig die Güter in die Hand eines Dritten, so wird die Obhut des Luftfrachtführers zumindest im Kernbereich der Luftbeförderung im Regelfall bereits deshalb fortbestehen, weil der Dritte seinerseits in Erfüllung seiner dem Luftfrachtführer gegenüber bestehenden Vertragspflichten zum sorgsamen Umgang mit den Gütern verpflichtet ist (BGH NJW-RR 2001, 396 = TranspR 2001, 29; OLG München, ZLW 2000, 118 = VersR 2000, 1567). Da die Obhut des Luftfrachtführers auch dann fortbesteht, wenn sich die Frachtgüter im Gewahrsam eines Erfüllungsgehilfen („Leute“) des Luftfrachtführers befinden, haftet der Luftfrachtführer auch für Schäden, die während dieses Zeitraumes eintreten (BGH TranspR 2009, 317; OLG Karlsruhe, TranspR 2007, 203). Diese „Leute“Haftung steht allerdings unter der Voraussetzung, dass die „Leute“ gehandelt haben in Erfüllung einer Verbindlichkeit, die sie dem Luftfrachtführer geschuldet haben, und nicht nur bei Gelegenheit. Auch im Luftverkehrsrecht wird der Zeitraum der Ausübung der Obhut ebenso wie in den meisten anderen nationalen und internationalen Haftungsregelungen durch die Begriffe „Annahme“ (vgl. Art 7 WA, WA/HP, MÜ) bzw. gleichbedeutend „Übernahme“ (vgl. § 425 HGB) und „Ablieferung“ (vgl. Art. 13 WA, WA/HP, MÜ bzw. § 425 HGB) bestimmt. Unter „Annahme“ wird die Übergabe der Sendung durch den Absender an den Luftfrachtführer in dessen Besitz oder Gewahrsam zum Zwecke der Beförderung verstanden, wobei der Luftfrachtführer in die Lage zu versetzen ist, dass er die tatsächliche Gewalt über das Frachtgut auch ausüben und es vor Verlust oder Beschädigung schützen kann (BGH NJWRR 2001, 396 = TranspR 2001, 29; Fremuth, in Fremuth/Thume, Transportrecht, § 425 HGB, Rdnr. 17). Unter „Ablieferung“ wird derjenige Vorgang verstanden, durch den der Frachtführer den Gewahrsam an den Gütern mit ausdrücklicher oder stillschweigender Einwilligung des Empfängers wieder aufgibt und diesen in den Stand versetzt, die tatsächliche Gewalt, die Sachherrschaft über das Frachtgut auszuüben (BGH NJW 1979, 493 = VersR 1979, 83; HansOLG Bremen, TranspR 1993, 141 = ZLW 1994, 240; Koller, Transportrecht, § 425 HGB, Rdnr. 24, 25). Die Ablieferung beendet die Obhut des Frachtführers, doch muss dieser die Güter so bereitstellen, dass der Empfänger ohne weitere Hindernisse die unmittelbare Sachherrschaft erwerben kann (OLG Köln, VersR 1996, 523). Die bloße Übergabe des Frachtbriefes, des Ladescheins oder sonstiger Papiere verschaffen dem Empfänger noch nicht die unmittelbare Sachherrschaft an den Gütern, Ablieferung ist somit noch nicht erfolgt. Zu weiteren Einzelheiten der Obhutsausübung zwischen Annahme und Ablieferung s. Müller-Rostin, in Giemulla/Schmid, Kommentar zum MÜ, Art. 18, Rdnr. 44-57). 45 – 6.5.4 Der Haftungszeitraum bei der Verspätung gemäß Art. 19 Der Schaden auf Grund einer „Verspätung bei der Luftbeförderung“ wird nicht unmittelbar durch ein Ereignis verursacht, sondern ist vielmehr stets nur die mögliche Folge eines solchen und wirkt sich für den Absender von Frachtgut nicht während, sondern erst am Ende der Beförderung aus. Somit ist für Verspätungsschäden allein entscheidend, wann die Luftbeförderung endet. Man wird bei der Beförderung von Gütern und aufgegebenem Reisegepäck auf den in Art. 18 Abs. 2 WA, WA/HP, Art. 18 Abs. 3 MÜ abgegrenzten Zeitraum der Luftbeförderung und der damit einhergehenden Ausübung der Obhut über die Güter bzw. das Reisegepäck abzustellen haben. Der Haftungszeitraum beginnt, sobald der Luftfrachtführer die Güter zum Zwecke der Luftbeförderung auf einem Flughafen in seine Obhut nimmt, und er endet, sobald der Luftfrachtführer den Empfänger von der Ankunft der Güter benachrichtigt hat. Eine während dieses Zeitraums eingetretene Verspätung lässt den Luftfrachtführer haften, eine danach erfolgte verspätete Auslieferung der Güter, deren Gründe nicht beim Luftfrachtführer liegen, kann dagegen nicht als Verspätung iSd. Art. 19 angesehen werden. (Kronke, MünchKomm HGB, Bd VII, Art. 19 WA 1955, Rdnr. 9; MüllerRostin, Fremuth/Thume, Kommentar zum Transportrecht, Art. 19 WA, Rdnr. 3). 6.6 Der Haftungsausschluss 6.6.1 Haftungsausschluss wegen Mitverschuldens nach dem Warschauer Abkommen Die Haftung des Luftfrachtführers nach dem Warschauer Abkommen/Haager Protokoll für Sachsubstanzschäden ist eine Haftung für vermutetes Verschulden (Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast). Nach Art. 18 WA, WA/HP wird eine schuldhafte Herbeiführung des Schadens durch den Luftfrachtführer bzw. seine Leute vermutet. Die Haftung des Luftfrachtführers kann lediglich ganz oder teilweise entfallen durch die Führung des Entlastungsbeweises nach Art. 20 WA, WA/HP. Danach hat der Luftfrachtführer zu beweisen, dass er und seine Leute alle erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung des Schadens getroffen haben oder dass sie diese Maßnahmen nicht treffen konnten. Als Ausgleich für diesen in der Praxis nur unter Schwierigkeiten zu führenden Entlastungsbeweis ist die Haftung des Luftfrachtführers gemäß Art. 22 WA, WA/HP summenmäßig beschränkt, nämlich auf (umgerechnet) Euro 27,35 je Kilogramm zu Schaden gekommener Fracht. Diese Haftungsbeschränkung kann allerdings bei fehlender oder unvollständiger Dokumentation des Beförderungsvertrages oder bei schwerem Verschulden durchbrochen werden (s. dazu unten Kapitel 7.1). 46 – Zur Entlastung gereicht auch der erfolgreiche Nachweis mitwirkenden Verschuldens des Geschädigten gemäß Art. 21 WA, WA/HP. Der Luftfrachtführer kann sich nach den genannten Vorschriften soweit von seiner Haftung befreien, wie ihm der Nachweis gelingt, dass der Schaden durch den Anspruchsteller selbst bzw. durch seinen Rechtsvorgänger verursacht worden ist. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Mitverschulden ist in jüngster Zeit nahezu unüberschaubar geworden und soll an dieser Stelle wegen ihrer sachlichen Nähe zu § 425ff HGB nicht weiter behandelt werden. So ist der Mitverschuldenseinwand auch bei qualifiziertem Verschulden des Frachtführers iSv. § 435 HGB zu berücksichtigen (z.B. BGH TranspR 2007, 414), ebenso kann es für ein zu berücksichtigendes Mitverschulden ausreichen, wenn der Versender die Abgabe einer Wertdeklaration unterlässt, obwohl er die sorgfältigere Behandlung von Wertpaketen durch den Frachtführer hätte erkennen können (BGH TranspR 2006, 114; BGH TranspR 2008, 113) oder wenn der Hinweis seitens des Absenders auf den ungewöhnlich hohen Wert der Sendung unterbleibt (BGH TranspR 2006, 208; BGH NJW-RR 2008, 347) 6.6.2 Haftungsausschluss nach dem Montrealer Übereinkommen Das Montrealer Übereinkommens statuiert in Art. 18 eine verschuldensunabhängige Haftung des Luftfrachtführers für jedweden Schaden, der durch die Zerstörung, Beschädigung oder den Verlust des Frachtgutes entstanden ist. Das schadenursächliche Ereignis muss während der Luftbeförderung eingetreten sein. Damit wird die in Abs. 1 bestimmte Obhutshaftung zur Gefährdungshaftung. Diese strenge, vom Verschulden unabhängige Haftungsregelung findet indessen dann keine Anwendung, wenn dem Luftfrachtführer der Nachweis gelingt, dass mindestens einer der in Art. 18 Abs. 2 MÜ aufgezählten Haftungsausschlusstatbestände schadensursächlich oder zumindest schadensmitursächlich gewesen ist. Einen unmittelbaren Bezug zum Frachtgut haben die in der Absendersphäre liegenden Haftungsausschlussgründe nach Art. 18 Abs. 2a und 2b, während die Ausschlussgründe nach Art. 18 Abs. 2c und 2d weder in die Absender- noch in die Luftfrachtführersphäre fallen (Müller-Rostin, in Giemulla/Schmid, Kommentar zum MÜ, Art. 18, Rdnr. 58; Brinkmann, TranspR 2006, 147). Auf einen Haftungsausschluss nach Art 18 Abs. 2a kann sich der Luftfrachtführer dann berufen, wenn der Schaden durch die Eigenart der Güter oder einen ihnen innewohnenden Mangel verursacht worden ist. Schäden auf Grund der Eigenart der Güter sind solche, die durch die natürlichen Eigenschaften der Sache, wie z. B. Rostanfälligkeit, besonders zerbrechliche Güter, bedingt sind. Ein den Gütern innewohnender Mangel liegt dann vor, wenn die Güter von der normalen Beschaffenheit 47 – üblicher gleichartiger Güter abweichen und wenn diese Abweichung geeignet ist, Schäden an den Gütern während der Beförderung eintreten zu lassen. Dieser Ausschlusstatbestand unterscheidet sich von demjenigen der Eigenart der Güter insofern, als letzterer Schäden umfasst, die ihren Grund in der natürlichen und normalen Schadensanfälligkeit bestimmter Güter haben. Demgegenüber sind den Gütern innewohnende Mängel solche, die die Güter von der natürlichen und normalen Beschaffenheit gleichartiger Güter abweichen lassen, die die Güter mithin mangelhaft werden lassen. Sofern eine mangelhafte Verpackung der Güter durch eine andere Person als den Luftfrachtführer oder seine Leute vorgenommen worden und schadensursächlich geworden ist und der Luftfrachtführer in der Lage ist, entsprechenden Nachweis zu führen, haftet er entweder gar nicht oder zumindest eingeschränkt (Art. 18 Abs. 2b). Mangelhaft ist eine Verpackung dann, wenn sie nicht geeignet ist, den Gütern vor allen erwartbaren Einwirkungen der Luftbeförderung Schutz zu gewähren und die Güter gegen Beschädigung und gegen Verlust zu sichern (BGH VersR 1988, 716). Es kommt entscheidend darauf an, ob die gewählte Verpackung geeignet und ausreichend ist,, die Ware gegen die vorhersehbaren Gefahren und Einwirkungen während des konkreten Transportes zu schützen. Wenn z. B. mit einer mehrfachen Umladung des Gutes zu rechnen war, dann muss eine beförderungssichere Verpackung auch Schutz gegen Witterungseinflüsse – insbesondere gegen Regen – umfassen. (BGH NJW-RR 2004, 1482 = VersR 2005, 811) Nicht zu folgen ist dem BGH (aaO.) aber insoweit, als er die Auffassung vertritt, dass dem Luftfrachtführer die abschließende Kontrolle obliege, ob die vom Versender gewählte Verpackung für den konkreten Transport geeignet sei. Der Luftfrachtführer hat nämlich keine Kenntnis über den Inhalt der Sendung und ist daher nicht in der Lage, über die Geeignetheit ihrer Verpackung zu befinden. Das ist allein Sache des Absenders. Der Luftfrachtführer ist für die ordnungsgemäße Durchführung des Fluges, der Absender für die der Luftbeförderung und ihren Erschütterungen angepasste Verpackung verantwortlich. Schadensverursachung durch Krieg oder einen bewaffneten Konflikt vermag ebenfalls die Haftung des Luftfrachtführers auszuschließen.(Art. 18 Abs. 2c). Krieg ist eine mit Waffen ausgetragene Auseinandersetzung zwischen mindestens zwei Staaten (Ehlers, in Thume/de la Motte/Ehlers, Transportversicherung, A. DTV-Güter 2000/2008, Rdnr. 114), bewaffneter Konflikt ist als Auffangtatbestand zu verstehen für Sachverhalte, die (noch) nicht als Krieg zu werten sind, wie z. B. Blockaden, Repressalien. Hoheitliches Handeln als Haftungsausschlusstatbestand gemäß Art. 18 Abs. 2d MÜ umfasst Verfügungen von hoher Hand, d.h. Verfügungen von politischen Instanzen, wie z. B. 48 – Beschlagnahme, Pfändung, Blockaden, Embargos. Nach dieser Vorschrift haftet der Luftfrachtführer nicht, soweit der Schaden durch hoheitliches Handeln in Verbindung mit der Einfuhr, Ausfuhr oder Durchführ der Güter verursacht wurde. Derartige hoheitliche Maßnahmen können zunächst einmal Maßnahmen der Zollbehörden, Einfuhrverbote wegen eines Embargos oder Beschlagnahmen sein. Dieses sind mithin Maßnahmen, die sich auf das individuelle Gut beziehen, welches von einer hoheitlichen Maßnahme betroffen ist. Allerdings ist eine Bestimmung der Begriffe der Vorschrift des Art. 18 Abs. 2 MÜ in den Beratungen zum Montrealer Übereinkommen unterblieben. Die Vorschrift ist nahezu inhaltsgleich aus dem Montrealer Protokoll Nr. 4 (Montrealer Zusatzprotokoll Nr. 4 vom 25. September 1975, Abdruck u.a. bei Koller, S. 1449) in das Montrealer Übereinkommen überführt worden, doch auch bei den Beratungen zum Montrealer Protokoll Nr. 4 war diese Vorschrift bereits nicht erörtert worden. (ICAO Doc. 9131-LC/173, S. 117). In Zusammenhang mit der Sperrung des europäischen Luftraums wegen Vulkanasche im April 2010 erscheint eine extensive Auslegung von Art. 18 Abs. 2 d MÜ nicht ausgeschlossen. Die Beförderung von Gütern, mithin ihre Ausfuhr und Einfuhr, ist während der Luftraumsperrung unterblieben, Grund hierfür war die durch die nationalen Aufsichtsbehörden verfügte Sperrung des europäischen Luftraumes. Dem Sinn der Vorschrift, den Luftfrachtführer nicht für völlig außerhalb seines Risiko- und Verantwortungsbereiches liegende Schadensursachen haften zu lassen, würde eine derartige extensive Auslegung nicht widersprechen (Müller-Rostin, TranspR 2011, 129; zu den Haftungsausschlussgründen des Art. 18 Abs. 2 MÜ s. ausführlich Müller-Rostin, in Giemulla/Schmid, Kommentar zum MÜ, Art. 18, Rdnr. 58-81). Der Luftfrachtführer kann immerhin teilweise seine Haftung ausschließen, wenn neben den Haftungsausschlusstatbeständen noch andere, von ihm zu vertretende Ursachen für den eingetretenen Schaden verantwortlich waren (z.B. vom Absender nicht wasserfest verpacktes Gut wird vom Luftfrachtführer im Regen stehen gelassen) In einer textlichen Abweichung zur Fassung des Warschauer Abkommens i.d.F. des Montrealer Protokolls Nr. 4, die den Delegierten der Diplomatischen Konferenz 1999 in Montreal wahrscheinlich verborgen geblieben war – zumindest wurde die Textabweichung nicht im Plenum diskutiert – , ist für einen zumindest teilweisen Haftungsausschluss des Luftfrachtführers nämlich bereits ausreichend, dass einer der in Art. 18 Abs. 2 MÜ aufgezählten Ausschlussgründe mitursächlich („wenn und soweit“) gewesen ist. Entsprechend wird der Luftfrachtführer anteilig von seiner Haftung befreit. Nach dem Montrealer Protokoll Nr. 4 hingegen müssen die in Art. 18 Abs. 3 MP 4 enumerativ aufgezählten Ausschlussgründe allein schadensursächlich sein, um haftungsausschließend zu wirken. 49 – 6.7 Die Luftfrachtersatzbeförderung und Vor- und Nachtransporte Luftfrachtbeförderung ausschließlich in Luftfahrzeugen wird in der Praxis immer seltener. Häufig wird zwischen den Parteien des Luftfrachtbeförderungsvertrages vereinbart, dass ein Teil der vorgesehenen Beförderungsstrecke anstatt mit dem Luftfahrzeug mit einem anderen Transportmittel zurückgelegt werden soll. Auch behalten sich die meisten Luftfrachtführer in ihren Beförderungsbedingungen oder durch einen entsprechenden Hinweis in ihren Beförderungsdokumenten das Recht vor, anstelle des Luftfahrzeuges andere Beförderungsmittel einzusetzen. Auch die IATA Resolution 507B kann dem Luftfrachtführer, sofern sie dem Beförderungsvertrage zugrunde gelegt worden ist, eine Befugnis zum Einsatz eines anderen Beförderungsmittels, zumeist wird ein LKW, zuweilen aber auch der Eisenbahn, selten ein Schiff eingesetzt, geben. Als klares Indiz für die Vereinbarung einer Ersatzbeförderung ist die Eintragung einer besonderen „Flugnummer“ im Luftfrachtbrief anzusehen, die auf einen Ersatzverkehr hinweist. Zumeist verkehren diese Beförderungsmittel auf Strecken, auf denen auch regelmäßiger Flugverkehr stattfindet, bei diesen Verkehren wird das Luftfahrzeug durch ein anderes Beförderungsmittel ersetzt (Luftfrachtersatzverkehr). Bei einem Luftfrachtersatzverkehr wird in der Regel ein Luftfrachtbrief bzw. eine „andere Aufzeichnung“ gemäß Art. 4 Abs. 2 MÜ über die Gesamtstrecke ausgestellt, während für die Teilstrecke, die mit einem Land- oder gelegentlich Wassertransportmittel ausgeführt werden soll, ein gesonderter, transportmittelspezifischer Frachtbrief, z.B. CMR-Frachtbrief, ausgestellt wird. Abzugrenzen von der Luftfrachtersatzbeförderung sind Beförderungen mit Oberflächenbeförderungsmitteln, bei denen die Güter zum Zwecke der Ab-, Zu- oder Umladung bei Ausführung eines Luftbeförderungsvertrages befördert werden. Eine derartige Beförderung ist dann vom Luftfrachtführer geschuldet, wenn er sich z. B. verpflichtet hat, das Gut vom Flughafen dem Empfänger zuzurollen (weitere Einzelheiten s. Ziffer 6.7.4) 6.7.1 Vertragsgemäße Luftfrachtersatzbeförderung und bekannter Schadensort Für die Bestimmung des auf die Luftfrachtersatzbeförderung anwendbaren Rechts ist zunächst zu unterscheiden, ob die Beförderung mit anderen Beförderungsmitteln von den vertraglichen Vereinbarungen von Absender und Luftfrachtführer gedeckt war (vertragsgemäße oder vertragswidrige Luftfrachtersatzbeförderung) und ob der Schadensort bekannt oder unbekannt ist, mithin ob feststeht, auf welchem Streckenabschnitt der Schaden eingetreten ist. Das Warschauer Abkommen bzw. das Montrealer Übereinkommen sind bei diesen dort als „gemischte Beförderungen“ bezeichneten Beförderungen 50 – grundsätzlich nur insoweit anwendbar, als der Schaden sich nachweislich auf dem Lufttransport ereignete (Art. 31 WA, WA/HP und Art. 38 MÜ; s. auch BGH TranspR 2011, 220). Wenn sich der Schaden hingegen auf einem mit einem anderen Beförderungsmittel durchgeführten Streckenabschnitt ereignete, so findet bei vertragsgemäßer Ersatzbeförderung und bekanntem Schadensort, sofern der multimodale Beförderungsvertrag deutschem Vertragsstatut unterliegt, gemäß § 452a HGB das für das jeweilige Beförderungsmittel maßgebliche Recht (Recht der jeweiligen Strecke) Anwendung (BGH TranspR 2001, 372; BGH TranspR 2007, 425 mit Anm. Ramming = NJW 2008, 289 mit Anm Thume; OLG Köln, TranspR 2003, 116). Maßgeblich ist also dasjenige Teilstreckenrecht, das anwendbar wäre, wenn über die Beförderung auf der Teilstrecke zwischen dem Absender und dem Frachtführer ein gesonderter Vertrag abgeschlossen worden wäre (Koller, Transportrecht, § 452a HGB, Rdnr. 5). 6.7.2 Vertragsgemäße Luftfrachtersatzbeförderung und unbekannter Schadensort Ist dagegen unbekannt, auf welcher Teilstrecke sich der Schaden ereignete, kann (zwangsläufig) nicht das Recht der jeweiligen Strecke gelten. Bis zum Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 gelangte, sofern deutsches Recht ergänzend anwendbar war, nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen das für den Geschädigten günstigste Streckenrecht (BGHZ 101, 172 = TranspR 1987, 447; BGH TranspR 2001, 372; zustimmend OLG Köln TranspR 2001, 464 = VersR 2002, 1126) zur Anwendung. Dem Frachtführer oblag die Beweislast für die Anwendung eines für ihn günstigen Teilstreckenrechtes. Diesen Beweis vermochte er indes beim unbekannten Schadensort nicht zu führen mit der Folge, dass das für ihn schärfste und für den Geschädigten günstigste Teilstreckenrechts zur Anwendung gelangte. Nach dem Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes entfiel die Schwierigkeit der Ermittlung des für den Geschädigten günstigsten Teilstreckenrechts, da nämlich gemäß der spezialgesetzlichen Regelung des § 452 HGB das einheitlich ausgestaltete Frachtrecht des HGB zur Anwendung gelangte (Harms/Schuler-Harms, TranspR 2003, 368). Bei unbekanntem Schadensort ist nach dem Wortlaut des § 452 HGB der Zugang zum Teilstreckenrecht versperrt (BGH TranspR 2006, 466). Dies hat zur Folge, dass beim unbekannten Schadensort der Multimodalbeförderer nach § 425ff HGB haftet. Durch die in § 452 HGB verankerte Einheitslösung werden die Beurteilungsunsicherheiten hinsichtlich des schärfsten/günstigsten Teilstreckenrechts vermieden; zugleich wird für die Fälle des unbekannten Schadensortes eine verlässliche Haftungsgrundlage geboten (Fremuth, in Fremuth/Thume, Transportrecht, § 452, HGB, Rdnr. 4). Schadensanzeige und Verjährung bei multimodaler Beförderung sollen den Regelungen des § 452b HGB (BGH TranspR 51 – 2009, 262) unterliegen. Indessen erscheint es fraglich, ob die Verjährungsregelung des § 452b HGB tatsächlich der Regelung der Ausschlussfrist gemäß Art. 29 WA, WA/HP bzw. Art. 35 MÜ vorgehen kann (Zweifel äußernd Müller-Rostin, TranspR 2008, 241). 6.7.3 Vertragswidrige Luftfrachtersatzbeförderung Durch das Montrealer Übereinkommen ist in Art. 18 Abs. 4 Satz 3 eine Regelung der Haftung bei vertragswidriger Luftfrachtersatzbeförderung eingeführt worden. Eine Ersatzbeförderung ist nach dieser Vorschrift dann vertragswidrig, wenn sie ohne Zustimmung des Absenders durchgeführt wird. Diese Begriffsbestimmung wird man auch für das Warschauer Abkommen heranziehen können, wo eine Art. 18 Abs. 4 Satz 3 MÜ entsprechende Regelung fehlt. Die meisten der von den Luftverkehrsgesellschaften verwandten Luftfrachtbriefe enthalten auf der Vorderseite eine Klausel, wonach es dem Luftfrachtführer gestattet sei, auch andere Beförderungsmittel als das Luftfahrzeug einzusetzen, sofern nicht der Absender ausdrücklich widerspricht. Auch die IATA Resolution 507B, auf die auf der Rückseite des Luftfrachtbriefes verwiesen wird, gewährt dem Luftfrachtführer das Recht der Ersatzbeförderung. Mangels einer ausdrücklichen Regelung soll im Warschauer Abkommen nach einheitlicher Rechtsprechung unabhängig von der Frage, ob der Schadensort bekannt oder unbekannt ist, bei vertragswidriger Ersatzbeförderung vorrangig nach dem Recht gehaftet werden, das auf die vertraglich vereinbarte Form der Beförderung anwendbar ist (BGH VersR 1971, 755; TranspR 1994, 16; OLG Hamburg, TranspR 1987, 142), denn immerhin hat sich der Absender auf diese Beförderungsform eingerichtet, z. B. durch Abschluss entsprechender Versicherungsdeckung. Daneben kann aber auch, sofern für den Anspruchsteller günstiger, diejenige Rechtsordnung, die für den tatsächlich durchgeführten Transport Anwendung findet, maßgeblich sein, da der Frachtführer nicht besser stehen sollte, als wenn er vertragsgemäß befördert hätte (BGH VersR 1990, 331 = NJW 1990, 639; BGH NJW 1993, 3331; Koller, Transportrecht, § 407 HGB, Rdnr. 25). Diese Rechtsprechung ist für das Luftrecht jedoch, wie gesagt, mangels ausdrücklicher Haftungsregelung nur noch gültig für Fälle, die dem Warschauer Abkommen unterliegen. Hingegen für Fälle, die dem Montrealer Übereinkommen unterliegen, sieht das Übereinkommen eine ausdrückliche Haftungsregelung für die vertragswidrige Luftfrachtersatzbeförderung in Art. 18 Abs. 4 Satz 3 vor: danach gilt die vertragswidrige Ersatzbeförderung als Luftbeförderung und wird somit dem Haftungsregime des Art. 18 MÜ unterworfen. Dabei ist es unerheblich, mit welchem Beförderungsmittel tatsächlich befördert worden ist, ob es sich um eine nationale oder internationale Teilstreckenbeförderung handelte und ob der Schadensort bekannt ist. Dieses Ergebnis ist insofern überraschend, als die Erstreckung der 52 – Übereinkommensvorschriften auch auf Beförderungen mit LKW, Eisenbahn, Binnenschiffen oder sonstigen Oberflächenbeförderungsmitteln der Regelung des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 MÜ widerspricht. Diese Vorschrift beschränkt nämlich die Anwendung des Übereinkommens auf die Beförderung mit Luftfahrzeugen. Dieses Ergebnis ist aber auch insofern überraschend und mit Recht von Koller (Transportrecht, Art. 18 MÜ, Rdnr. 9) als fragwürdig bezeichnet worden, als der vertragsbrüchige Luftfrachtführer für sein Handeln keiner Sanktion unterworfen wird und in den Genuss der Haftungsbeschränkung nach Art. 22 Abs. 3 MÜ gelangt (s. dazu unten Kapitel 7.2). Damit steht der vertragswidrig handelnde Luftfrachtführer haftungsmäßig besser als der vertragsgemäß handelnde Luftfrachtführer (Harms/Schuler-Harms, TranspR 2003, 369 [373]; Ruhwedel, TranspR 2004, 137 [138]). Letzterer würde nämlich z.B. bei einer vorsätzlichen oder dem Vorsatz gleichstehenden Handlung anlässlich einer der CMR unterfallenden Beförderung der Höhe nach unbeschränkt haften, wohingegen der vertragswidrig handelnde Luftfrachtführer sich auf die Haftungsbeschränkungen des Art. 22 Abs. 3 MÜ berufen könnte (s. dazu ausführlich MüllerRostin, in Giemulla/Schmid, Kommentar zum MÜ, Art. 18 Rdnr. 113 ff). Gelegentlich wird in der Literatur (Harms/Schuler-Harms, TranspR 2003, 369; Koller, TranspR 2005, 177) argumentiert, dass dieses unbillige Ergebnis vermieden werden könne, wenn der Absender die vertragswidrige Ersatzbeförderung nachträglich durch Genehmigung zur vertragswidrigen Ersatzbeförderung mache. Dem Argument ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Genehmigung eine einseitige Rechtshandlung ist, ie zu keinem Vertragsschluss führen kann. Denn sonst müsste in einer vertragswidrigen Beförderung ein Antrag auf Abschluss eines Vertrages über eine vertragsgemäße Beförderung zu sehen sein, welcher sodann durch eine entsprechende Genehmigung angenommen werden würde. Ein solcher Erklärungswert kann aber der vertragswidrigen Ersatzbeförderung nicht zugemessen werden. Auch kann – entgegen Kirchhof, (TranspR 2007, 133 [139]) – nicht die Haftungsregelung in Art. 18 Abs. 4 Satz 3 MÜ als eine Mindesthaftung angesehen werden, wobei daneben noch die Haftung nach der Rechtsordnung für die tatsächlich durchgeführte Transportart maßgeblich sein solle. Die Haftungsregelung für die vertragswidrige Ersatzbeförderung ist neu ins Montrealer Übereinkommen eingeführt worden. Auch wenn sie unbefriedigend sein mag, so verbietet doch die Exklusivitätsregelung in Art. 29 MÜ, dass für einen Sachverhalt, der eine Regelung im MÜ gefunden hat, Vorschriften außerhalb des Übereinkommens herangezogen werden. Für den Anspruchsteller ist es folglich vorteilhaft, wenn ihm der Nachweis gelingt, dass die Luftfrachtersatzbeförderung a) vertragsgemäß war und dass b) der Schaden während der Beförderung mit Oberflächenbeförderungsmitteln verursacht worden war. Immerhin kann er 53 – sich dann ggfs. auf die unbeschränkte Haftung des Frachtführers berufen (s. dazu auch Kapitel 7.2 am Ende). 6.7.4 Vor- und Nachtransporte Von der Luftfrachtersatzbeförderung zu unterscheiden sind der eigentlichen Luftbeförderung vorgehende oder ihr nachfolgende Vor- bzw. Nachtransporte mit Oberflächenbeförderungsmitteln. An sich werden gemäß Art. 18 Abs. 3, Satz 1 WA, WA/HP bzw. Art. 18 Abs. 4, Satz 1 MÜ Beförderungen mit Oberflächenbeförderungsmitteln („Beförderungen zu Land, zur See oder auf Binnengewässern außerhalb eines Flughafens“) nicht vom Regelungsbereich des Abkommens/ Übereinkommens erfasst. Ein solcher Fall der Oberflächenbeförderung ist vorstellbar, wenn der Luftfrachtführer ein Frachtlager außerhalb des Flughafens betreibt und er dorthin Güter zur Einlagerung verbringt. Sobald die Oberflächenbeförderung abgeschlossen ist und er die Güter dort einlagert, unterliegt er wieder dem Haftungszeitraum „Obhut“ nach dem Montrealer Übereinkommen. Demgegenüber ist der Haftungszeitraum nach dem Warschauer Abkommen beschränkt auf die Örtlichkeit „Flughafen“ oder an „Bord eines Luftfahrzeuges“ mit der Konsequenz, dass eine Einlagerung außerhalb der Flughafengrenzen ebenso wie der Transport dorthin dem ergänzend anwendbaren nationalen Recht unterfällt. Lediglich in dem Ausnahmefall, dass eine solche Oberflächenbeförderung in engem Zusammenhang mit der Verladung, der Ablieferung oder der Umladung von Fracht erfolgt, kann das Montrealer Übereinkommen nach Art 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ bzw. das Warschauer Abkommen / Haager Protokoll nach Art. 18 Abs. 3 Satz 2 WA/HP doch auf derartige Beförderungen Anwendung finden. Erfolgt die Oberflächenbeförderung nämlich bei Ausführung des Luftbeförderungsvertrages, wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Schaden durch ein während der Luftbeförderung eingetretenes Ereignis entstanden sei (OLG Frankfurt, TranspR 2004, 471; OLG Frankfurt, TranspR 2006, 675; LG Bonn, TranspR 2003, 170). Bei derartigen Beförderungen mit Oberflächentransportmitteln i. S. d. Art. 18 Abs. 4 Satz 2 MÜ bzw. Art. 18 Abs. 3 Satz 2 WA/HP muss zunächst ein Luftbeförderungsvertrag abgeschlossen worden sein. Zusätzlich muss im Rahmen des Luftbeförderungsvertrages die Vereinbarung getroffen („bei Ausführung des Luftbeförderungsvertrages“; OLG Düsseldorf, TranspR 2010, 460; OLG München, TranspR 2011, 147) worden sein, dass mangels eines näher gelegenen, geeigneten Flughafens oder mangels einer geeigneten Flugverbindung auf dieser konkreten Teilstrecke die Beförderung mittels eines Oberflächenbeförderungsmittels ausgeführt wird (OLG Karlsruhe, TranspR 2007, 203; Kirchhof, TranspR 2007, 133). Bei 54 – diesen Beförderungen handelt es sich um Zubringerdienste, die lediglich reine Hilfsdienste zum Luftbeförderungsvertrag darstellen (OLG Düsseldorf, VersR 1984, 533; Koller, TranspR 2001, 69). Kann nicht nachgewiesen werden, dass der Schaden während dieser Zubringerdienste eingetreten ist, haftet der Luftfrachtführer nach dem Warschauer Abkommen bzw. dem Montrealer Übereinkommen. Hat dagegen der Luftfrachtführer oder ein Dritter den Transport mit Oberflächenbeförderungsmitteln durchgeführt und steht nachgewiesenermaßen fest, dass der Schaden während dieses Beförderungsabschnittes eingetreten ist, haften der Luftfrachtführer bzw. der Dritte nach dem Recht des eingesetzten Transportmittels. Der OGH (Beschl. vom 19. 1. 2011, 7 Ob 147/10h, TranspR 2011, 264 mit abl. Anm. MüllerRostin) und ebenso der BGH und das OLG Düsseldorf (TranspR 2011, 436; TranspR 2010, 456) vertreten hingegen zu Art. 18 Abs. 4 MÜ die Auffassung, dass auf Grund der Obhutshaftung des Luftfrachtführers, aber entgegen des Wortlauts von Art. 18 Abs. 4 S. 1 MÜ, der Luftfrachtführer auch für Schäden anlässlich dieses Straßentransports einzustehen habe. Dieser Auffassung kann m. E. nicht gefolgt werden, denn in Abs. 4 Satz 1 MÜ wird nämlich der bereits in Art. 1 MÜ („internationale Beförderung durch Luftfahrzeuge“) und in bzw. in Art. 38 MÜ („bei gemischter Beförderung ….gilt dieses Übereinkommen nur für die Luftbeförderung“) zum Ausdruck gebrachte Gedanke bestätigt, dass das Übereinkommen grundsätzlich Beförderungen mit anderen Fahrzeugen als Luftfahrzeuge von seinem Regelungsbereich ausschließt (s. dazu auch Müller-Rostin, demnächst in ZLW 2012). Bei Beförderungen, die dem Warschauer Abkommen unterliegen, kämen derartige Zweifel nicht auf, denn für diesen Straßentransport wäre nationales Recht anwendbar, da die Obhutshaftung des Luftfrachtführers beschränkt ist auf die Örtlichkeit des Gutes, nämlich entweder an Bord eines Luftfahrzeuges oder auf einem Flughafen. Beispiel 1: Beförderung einer Gütersendung durch den Luftfrachtführer vom Stadtbüro des Luftfrachtführers zum Flughafen bzw. in umgekehrter Richtung. Bei diesen Zubringerbeförderungen handelt es sich ihrem Wesen nach nicht um Luft-, sondern um Landtransporte. Deswegen sind zunächst einmal die für Landtransporte einschlägigen Regelungen des nationalen Rechts (z. B. HGB) anwendbar. Indes ist zu berücksichtigen, dass Schäden an Luftfrachtsendungen häufig erst dann festgestellt werden, wenn die Sendung dem Empfänger 55 – ausgeliefert worden ist. Der tatsächliche Schadensort – während der Luftbeförderung oder während der Zubringerbeförderung? – bleibt häufig unbekannt. Die daraus sich ergebenden Beweisschwierigkeiten löst Art. 18 Abs. 3 WA, WA/HP bzw. Art. 18 Abs. 4 MÜ dadurch, dass bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird, dass der eingetretene Schaden während der Luftbeförderung eingetreten ist (OLG Frankfurt, VersR 2006, 675). Beispiel 2: Beförderung einer Gütersendung durch den Luftfrachtspediteur vom Lager des Luftfrachtspediteurs zum Abgangsflughafen bzw. vom Bestimmungsflughafen zum Lager des Luftfrachtspediteurs. Bei dieser nicht vom Luftfrachtführer durchgeführten Beförderung liegt keine Zubringerbeförderung vor. Auch hat die Luftbeförderung noch nicht begonnen, bzw. ist sie bereits abgeschlossen. Vielmehr liegt eine Rollfuhrbeförderung vor, wobei der Spediteur hierbei entstandene Schäden zu vertreten hat. Entscheidend für die Haftungsregelung in diesem Falle ist, dass der Luftfrachtspediteur im Auftrag des Absenders oder Empfängers handelt. Sofern er dagegen ausnahmsweise im Auftrag des Luftfrachtführers handelt, liegt eine Zubringerbeförderung nach Beispiel 1 vor. 7 Die Haftungsgrenzen 7.1 Die Haftungsgrenzen des Warschauer Abkommens und ihre Durchbrechbarkeit Angesichts seiner Haftung (bereits) für vermutetes Verschulden unterliegt der Luftfrachtführer im Warschauer Abkommen einer im Regelfall beschränkten Haftung. Nach Art. 22 WA, WA/HP haftet der Luftfrachtführer für Güterschäden mit einem Haftungshöchstbetrag von 250 Goldfranken, umgerechnet Euro 27,35 je Kilogramm zerstörter, beschädigter, verlorener oder verspäteter Fracht. Der aus dem Gewicht des Frachtgutes einschließlich seiner Verpackung zu errechnende Haftungsbetrag ist ein Höchstbetrag, der nur bei konkret vom Anspruchsteller nachgewiesenem Schaden zu zahlen ist. Das Gewicht ist aus den Beförderungsdokumenten zu entnehmen. Die darin 56 – enthaltenen Angaben gelten gemäß Art. 11 Abs. 2 WA, WA/HP bis zum Beweis des Gegenteils als richtig. Das Haager Protokoll schafft in Art. 22 Abs. 2b eine zusätzliche Regelung, die noch in der Ursprungsfassung des Abkommens ungeklärt geblieben war: die Berechnung der Haftungsgrenzen für den Fall, dass bei einem Verlust oder einer Beschädigung eines Teils der zur Beförderung aufgegebenen Güter oder eines darin enthaltenen Gegenstandes nur ein Teilschaden entstanden ist. In der Fassung des Haager Protokolls ist diese Frage nunmehr insofern geklärt, als danach nur das Gesamtgewicht der jeweils betroffenen Stücke in Betracht kommt (LG Frankfurt, TranspR 1991, 241; Giemulla, in Giemulla/Schmid, Kommentar zum WA, Art. 22 Rdnr. 8). Diese Regelung für Teilschäden gilt gemäß Art. 22 Abs. 4 MÜ auch für Beförderungen, die dem MÜ unterfallen. Bei der Beschädigung nur eines Teils des Containerinhalts oder einer Paletteneinheit ist nicht das Gesamtgewicht des Containers oder der Palette zugrunde zu legen. Eine solche Berechnung würde den Absender von Gütern bei der Schadensberechnung dem Zufall eines vom Spediteur oder Luftfrachtführer etwa veranlassten Containertransportes ausliefern. Vielmehr ist hier das Gesamtgewicht der einzelnen beschädigten Stücke selbst zugrunde zu legen, soweit diese im Luftfrachtbrief selbständig ausgewiesen sind (LG Frankfurt, ZLW 1996, 447; Ruhwedel, Luftbeförderungsvertrag, Rdnr. 508). Wenngleich der Schaden bei Verspätung als Vermögensschaden zu qualifizieren ist, finden die Haftungsgrenzen des Art. 22 WA, WA/HP auch auf diese Art der Schäden Anwendung. Selbst wenn die verspätete Ablieferung einer Maschine beim Empfänger zu einem Produktionsausfall und infolgedessen zu entgangenem Gewinn führt, haftet der Luftfrachtführer gleichwohl nur in Höhe der auf der Grundlage des Gewichts der Sendung berechneten Haftungsgrenze, sofern nicht ausnahmsweise doch unbeschränkt gehaftet wird. Die grundsätzlich beschränkte Haftung des Luftfrachtführers für Güter- und Verspätungsschäden kann nämlich in Ausnahmefällen durchbrochen werden. Der Luftfrachtführer kann sich gemäß Art. 9 WA, WA/HP nicht auf die seine Haftung beschränkenden Vorschriften des Art. 22 WA, WA/HP berufen, wenn ein Luftfrachtbrief überhaupt nicht ausgestellt oder wenn ein Luftfrachtbrief ohne die in Art. 8 WA, WA/HP zwingend vorgeschriebenen Angaben ausgestellt worden ist. Die Haftungsbeschränkungen entfallen unabhängig davon, ob der Dokumentenmangel ursächlich für den eingetretenen Schaden war oder nicht (s. ausführlich Müller-Rostin, in Giemulla/Schmid, Kommentar zum WA, Art. 9, Rdnr. 2ff). 57 – Die Haftungsbeschränkungen entfallen weiterhin, wenn gemäß Art. 25 WA der Luftfrachtführer den Schaden vorsätzlich oder durch eine Fahrlässigkeit, die nach dem Recht des angerufenen Gerichts dem Vorsatz gleichsteht, herbeigeführt hat. Vorsatz ist Wissen und Wollen des Schadens, bedingter Vorsatz genügt (Koller, Transportrecht, Art. 25 WA 1929, Rdnr. 2). Die dem Vorsatz gleichstehende Fahrlässigkeit ist nach deutschem Recht die grobe Fahrlässigkeit (BGH NJW 1979, 2374). Sofern das Haager Protokoll auf eine Beförderung Anwendung findet, ist nach Art. 25 WA/HP zum Fortfall der Haftungsbeschränkungen erforderlich, dass der Schaden durch eine Handlung oder Unterlassung verursacht wurde, die entweder in der Absicht, Schaden herbeizuführen, oder leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen wurde, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Absichtliche Schadensherbeiführung bedeutet, dass der Schaden eine Folge der fraglichen Handlung oder Unterlassung ist, verbunden mit dem Wunsch oder dem Streben, die Folge herbeizuführen. Das Merkmal der „Leichtfertigkeit“ führt zu einer Schuldform der besonders schweren, dem bedingten Vorsatz nahe kommenden Fahrlässigkeit. Der Luftfrachtführer oder seine Leute müssen sich bewusst in besonders krasser Weise über die Sicherungsinteressen der ihm anvertrauten Güter hinweggesetzt haben (BGH NJW 1979, 2374; BGH TranspR 2004, 309; OLG Köln, ZLW 1996, 193). Daneben muss das subjektive Bewusstsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts als eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen, gegeben sein (BGH NJW-RR 2001, 396 = TranspR 2001, 29). Die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts muss für ihn größer gewesen sein als die Nichtwahrscheinlichkeit (allgem. Ansicht s. z.B. OLG Frankfurt, ZLW 1981, 85, Giemulla, in Giemulla/Schmid, Kommentar zum WA, Art. 25, Rdnr. 45 m.w.N.; Koller, Transportrecht, Art. 25 WA 1955, Rdnr. 6; Herber, TranspR 2003, 164 in Urteilsanmerkung zu LG Hamburg, TranspR 2003, 162 mit Bestätigung durch Hans OLG Hamburg, TranspR 2003, 164). Die Beweislast für das Vorliegen der Schuldformen des Art. 25 WA oder des Art. 25 WA/HP sowie für das Bewusstsein des Schädigers von der Wahrscheinlichkeit eines eintretenden Schadens obliegt dem Geschädigten (allgemeine Ansicht, s. zuletzt OLG Karlsruhe, TranspR 2007, 203). Da dieser Beweislast oftmals nicht ohne Schwierigkeiten nachzukommen ist, hat die Rechtsprechung in jüngster Zeit insbesondere bei Fällen des ungeklärten Verlustes, aber auch bei Fällen der Beschädigung oder Zerstörung des Frachtgutes, das Rechtsinstitut des so genannten groben Organisationsverschuldens herangezogen (BGH NJW-RR 2001, 396 = TranspR 2001, 29; BGH TranspR 2003, 467; BGH TranspR 2008, 117; OLG Frankfurt, TranspR 2006, 675; OLG Köln, NJW-RR 2002, 1682). Der Geschädigte hat im Regelfall keine oder nur sehr geringfügige Einsicht in den Transportablauf seiner Sendung, 58 – insbesondere dahingehend, welche Sicherungsmaßnahmen der Luftfrachtführer generell und auch speziell für die betroffene Sendung ergriffen hat. Um die Durchsetzbarkeit des Schadensersatzanspruches auf unlimitierte Haftung nicht unmöglich zu machen, muss der Luftfrachtführer im Rahmen einer so genannten sekundären Darlegungslast Auskunft über Art und Weise des Sendungsablaufes und die zur Verhütung des Schadens ergriffenen Sicherungsmaßnahmen erteilen. Der Luftfrachtführer ist zur Vermeidung prozessualer Nachteile gehalten, nicht nur allgemein zu seiner Lager- und Frachtbeförderungsorganisation vorzutragen. Vielmehr muss er zu seiner Organisation und zu den ergriffenen Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden und auch zum Ablauf des Schadenshergangs konkret und im Einzelnen vortragen. Vor allem Kontrollen beim Ein- und Ausgang in den jeweiligen Umschlagstellen werden gefordert (Schnittstellenkontrolle). Gelingt es dem Luftfrachtführer nicht, die Ursache des Schadens in räumlicher und zeitlicher Hinsicht einzugrenzen und aufzuklären, wie die Sendung gegen den eingetretenen Schaden gesichert wurde, wird von der Rechtsprechung unterstellt, dass die Organisation des Sendungsablaufes nicht geeignet ist, Schäden zu verhindern. Gegen den Luftfrachtführer wird bei Lücken in der Aufklärung der Vorwurf des leichtfertigen Verhaltens und des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts erhoben (BGH NJW-RR 2003, 751; BGH TranspR 2008, 117; BGH TranspR 2011, 220; OLG Karlsruhe, TranspR 2007, 203; OLG Frankfurt, TranspR 2006, 675; OLG Köln, TranspR 2003, 111 = ZLW 2003, 655; OLG Köln, ZLW 1997, 534 mit kritischer Anm. Giemulla; ders. in MüllerRostin/Schmid (Herausg.), Festschrift für Guldimann, S. 115. 7.2 Die Haftungsgrenzen des Montrealer Übereinkommens und ihre Undurchbrechbarkeit Im Montrealer Übereinkommen ist die Haftung des Luftfrachtführers für Sachsubstanzschäden verschuldensunabhängig ausgestaltet. Als Ausgleich für die Einführung der verschuldensunabhängigen Haftung des Luftfrachtführers ist seine Haftung grundsätzlich beschränkt: der Luftfrachtführer haftet nach dem Montrealer Übereinkommen mit einem Betrag von 19 SZR (ungefähr 22,00 Euro; für Beförderungsverträge, die bis zum 30.12.2009 abgeschlossen worden waren, betrug die Haftungsgrenze, wie auch nach dem Montrealer Protokoll Nr. 4, 17 SZR; zur Anhebung der Haftungsgrenzen gemäß Art. 24 MÜ s. Bollweg, RRa 2010, 201) je Kilogramm beschädigter, zerstörter oder verlustiger Fracht. Für die Berechnung von Teilschäden trifft Art. 22 Abs. 4 MÜ eine Regelung („Gesamtgewicht des betroffenen Stückes“), die Art. 22 Abs. 2b WA/HP entspricht. Obgleich die Haftung für Schäden durch Verspätung bei der Beförderung gemäß Art. 19 MÜ „nur“ eine Haftung für vermutetes Verschulden ist, kann sich auch bei diesen Schäden der 59 – Luftfrachtführer auf die beschränkte Haftung gemäß Art. 22 Abs. 3 MÜ berufen. Die Haftungsbeschränkung gilt bei Frachtschäden indessen nicht, wenn der Absender bei der Übergabe der Sendung an den Frachtführer sein Lieferinteresse besonders deklariert hat (Wertdeklaration gemäß Art. 22 Abs. 3 MÜ). Mit einer Haftungsgrenze von 19 SZR ist die Haftung des Luftfrachtführers erheblich niedriger als unter der Geltung des Warschauer Abkommens, denn für dessen Anwendungsbereich bestimmte die 4. Umrechnungsverordnung einen Haftungsbetrag von 53,50 DM (= 27,35 EUR) je Kilogramm zu Schaden gekommener Fracht. Gleichwohl ist die Haftungsgrenze mehr als doppelt so hoch wie unter der Geltung der CMR und geringfügig höher als die Haftungsgrenze für die Beförderung von Gütern im internationalen Eisenbahnverkehr gemäß Art. 30 § 2 CIM – Anhang B zum Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF). Die Haftungsbeschränkung von 19 SZR ist undurchbrechbar und gilt auch im Falle des schweren Verschuldens, d.h. im Falle leichtfertigen oder vorsätzlichen Handelns oder Unterlassens des Luftfrachtführers. Das Führen eines Rechtsstreits wegen des Vorwurfs groben Organisationsverschuldens gehört somit bei dem Montrealer Übereinkommen unterliegenden Beförderungen der Vergangenheit an. Die Undurchbrechbarkeit der Haftungsgrenzen auch in Fällen schweren Verschuldens (Leichtfertigkeit und Absicht) ist zwar nach deutschem Rechtsverständnis nicht unbedingt bedenkenfrei (Bedenken äußernd Gran, TranspR 2004, 72; Koller, TranspR 2004, 181 [197]; ders. TranspR 2005, 177 [179] „äußerst fragwürdig“), doch letztendlich hinnehmbar (Ruhwedel, TranspR 2004, 137; Harms/Schuler-Harms, TranspR 2003, 369). Zunächst bewirkt der Ausschluss der Durchbrechung der summenmäßigen Haftungsbeschränkung eine Beschleunigung der Schadensregulierung, denn langwierige Rechtsstreitigkeiten über den Grad des Verschuldens werden entbehrlich. Auch steht der Regelung nicht die Vorschrift des § 276 Abs. 2 BGB entgegen. Zwar kann sich danach der Schuldner nicht im Voraus für das eigene vorsätzliche Handeln freistellen lassen, doch gilt dieses nicht für vorsätzliches Handeln seiner Erfüllungsgehilfen. Für deren Handeln kann sich der Schuldner gemäß § 278 Satz 2 BGB demgegenüber durchaus freizeichnen. Erfüllungsgehilfen des Luftfrachtführers sind die im Warschauer Abkommen und im Montrealer Übereinkommen als „Leute“ bezeichneten Personen, derer sich der Luftfrachtführer zur Erfüllung seiner beförderungsvertraglichen Verpflichtungen bedient (zur „Leute“-Haftung s unten Kapitel 8). Auch aus einem weiteren Grunde erscheint die Undurchbrechbarkeit der Haftungsbeschränkungen nicht unausgewogen: Beide Parteien des Luftfrachtbeförderungsvertrages, Luftfrachtführer und Absender, sind im Regelfall Kaufleute und sind sich der Rechtslage, 60 – nämlich einerseits strikte, vom Verschulden unabhängige Haftung des Luftfrachtführers und andererseits finanzielle Beschränkung seiner Haftung, bewusst und somit in der Lage, sich darauf einzustellen. Absicherung kann der Ladungsinteressent durch Abschluss einer Transportversicherung oder durch Deklaration eines besonderen Interesses an der Lieferung der Sendung (Wertdeklaration gemäß Art. 22 Abs. 3 MÜ) erreichen (s. dazu im Einzelnen Müller-Rostin, in Gedächtnisschrift für Helm, 2001, S. 227), desgleichen kann er auch mit dem Luftfrachtführer gemäß Art. 25 MÜ einen höheren Haftungsbetrag (s. dazu BGH TranspR 2011, 220) oder eine gänzliche Ausschaltung der Haftungsbegrenzung vereinbaren. Entgegen Otte (Gedächtnisschrift für Lüderitz, 2000, S. 523) ist auch kein Verstoß gegen Normen des Grundgesetzes, insbesondere keine Verletzung der Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG, erkennbar (Koller, TranspR 2004, 181 [193]). Der Bundesgerichtshof (BGH TranspR 2003, 238; vgl. auch Kirsch, TranspR 2003, 295; Harms/Schuler-Harms, TranspR 2003, 369) hat die vergleichbare Norm des Art. 34 Nr. 4.1 WPV (Weltpostvertrag vom 14. September 1994) für grundgesetzlich unbedenklich gehalten: Er führt aus, dass durch die Begrenzung des Entschädigungsanspruchs von vorneherein auf einen im Gesetz angegebenen Betrag eine grundgesetzliche Eigentumsgarantie nicht entzogen werden könne, weil Art. 14 GG nur Rechtspositionen schütze, die einer Person bereits zustehen. Darüber hinaus bleibe das Eigentum des Geschädigten in seinem Bestand unberührt. Selbst im Falle einer Enteignung sei nicht stets ein voller Ausgleich vonnöten, vielmehr sei eine Entschädigung unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Die Gewährleistung der Eigentumsgarantie verpflichtet auch den Staat, durch einen Kernbestand von Normen die Existenz und Funktionsfähigkeit privaten Eigentums zu sichern und die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen (BVerfGE 95, 48). Somit hat eine abwägende Betrachtung der Haftungsregelungen einerseits die strenge, verschuldensunabhängige Haftung des Luftfrachtführers und andererseits die Haftungsbeschränkungen und die Undurchbrechbarkeit dieser Beschränkungen zu berücksichtigen. Vor der Gefahr einer den Schaden nicht ausgleichenden Ersatzleistung werden dem Ladungsinteressenten innerhalb und außerhalb des Übereinkommens Vorsorgemöglichkeiten geboten: durch Abgabe einer Wertdeklaration (Art. 22 Abs. 3, S. 2 MÜ) oder durch Vereinbarung über Haftungshöchstbeträge (Art. 25 MÜ) oder – außerhalb des Übereinkommens – durch Abschluss einer Transportversicherung (Dettling-Ott, ASDA/SVLR-Bulletin 2000, 25). Bei Abgabe einer Wertdeklaration erklärt der Absender sein finanzielles Interesse an der Ablieferung der Sendung am Bestimmungsort. Für dieses Interesse hat er einen Zuschlag zu zahlen, allerdings haftet der Luftfrachtführer bis zum 61 – deklarierten Wert bei Beförderungsunregelmäßigkeiten. Vereinbart der Absender mit dem Luftfrachtführer höhere Haftungsgrenzen als die in Art. 22 Abs. 3 MÜ vorgesehenen Haftungsgrenzen von 19 SZR – die Vereinbarung niedrigerer Haftungsgrenzen ist unwirksam wegen Art. 26 MÜ – so beschränken die vereinbarten Grenzen die Haftung des Luftfrachtführers. Da zudem noch dem Absender die Möglichkeit des Abschlusses einer Transportversicherung offen steht, wird sich der Absender also kaum darüber beklagen können, unzureichend entschädigt worden zu sein, denn er hat es selbst in der Hand, zu entscheiden, wie hoch die maximale Entschädigungsleistung des Luftfrachtführers bzw. des Transportversicherers im Schadensfall sein solle (Schiller, Schweizer Juristenzeitung 2000, 184). Eine weitere Möglichkeit eines vollständigen Ausgleiches eines Schadens kann sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH TranspR 2011, 80; BGH TranspR 2011, 220) für den Geschädigten dann ergeben, wenn ein Spediteur als Selbsteintritts-, Sammelladungs- oder Fixkostenspediteur gemäß §§ 458-460 HGB wie ein Luftfrachtführer haftet und wenn dieser Spediteur in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen hervorhebt, dass er seine Dienstleistungen allein auf der Grundlage der ADSp erbringe. Die ADSp enthalten in Ziffer 27.2 eine Erweiterung der Haftung für Fälle qualifizierten Verschuldens. Sofern der Spediteur/Luftfrachtführer Ziffer 27.2 ADSp nicht ausgeschlossen hat, verzichtet er damit auf die Begrenzung der Haftung gemäß Art. 22 Abs. 3 MÜ, die an sich auch in Fällen qualifizierten Verschuldens gilt. Eine solche Haftungsvereinbarung, in der der Spediteur/Luftfrachtführer sich einer höheren als der im Montrealer Übereinkommen vorgesehenen Haftung unterwirft, ist nach der Öffnungsklausel des Art. 25 MÜ statthaft, die Vereinbarung einer niedrigeren Haftung ist indes durch Art. 26 MÜ verwehrt. Für den Spediteur/Luftfrachtführer hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht unerhebliche Konsequenzen: Er haftet für Vorsatz und Leichtfertigkeit unbegrenzt, bei Regressnahme kann er aber in dem Falle, in dem der Schaden beim ausführenden Luftfrachtführer eingetreten ist, nur den Haftungsbetrag von 19 SZR geltend machen, sofern er mit diesem keine entsprechende Haftungserweiterung vereinbart. hat. Ein Spediteur sollte daher, wenn er diese Konsequenzen ausschließen will, bei vertragsbegründenden Schriftstücken eine Klausel aufnehmen, dass bei Beförderungen, die dem Montrealer Übereinkommen unterliegen, Ziffer 27.2 ADSp ausgeschlossen ist. Zusätzliche Möglichkeiten der Durchbrechung der Haftungsgrenzen eröffnen sich u.U. dann, wenn an Stelle des Luftfahrzeuges andere Transportmittel zum Einsatz gelangen (s. Kapitel 6.7). So findet z. B. bei vertragsgemäßer Ersatzbeförderung und bekanntem 62 – Schadensort das Recht der jeweiligen Strecke mit der Folge Anwendung, dass z.B. nach Art. 29 CMR vollumfänglich gehaftet wird, wenn der Schaden auf dem der CMR unterfallenden Streckenabschnitt vorsätzlich oder mit dem Vorsatz gleichstehenden Verschulden verursacht worden ist. Analog kann bei unbekanntem Schadensort – sofern deutsches Recht ergänzend anwendbar ist – über die Verweisungsvorschrift des § 452 HGB der Luftfrachtführer zur vollen Haftung nach § 435 HGB herangezogen werden. Da zudem nach Art. 18 Abs. 4 Satz 1 MÜ Beförderungen zu Land usw. vom luftfahrtrechtlichen Haftungszeitraum ausgeschlossen sind, ist beispielsweise bei einer Beförderung vom Flughafen zum außerhalb des Flughafens gelegenen Frachtlager des Luftfrachtführers einschließlich der dazu notwendigen Ein- und Ausladetätigkeiten nicht das Montrealer Übereinkommen, sondern das entsprechende Teilstreckenrecht anwendbar – auch hier wieder mit der Möglichkeit der Durchbrechung der Haftungsgrenzen (Koller, TranspR 2005, 177; a.A. OGH Beschluss vom 19. 1. 2011, 7 Ob 147/10h, TranspR 2011, 264 mit abl. Anm. Müller-Rostin). 7.3 Die Bemessung des Umfangs des Schadensersatzes Art. 18 WA, WA/HP, MÜ enthalten keine Regelungen zum Umfang des zu ersetzenden Schadens. Somit ist ergänzend nationales Recht heranzuziehen. Bei ergänzender Anwendung deutschen Rechts ist unter der Geltung des Warschauer Abkommens umstritten, ob bei Schäden an Frachtgütern der Umfang des Schadensersatzes nach § 249 ff. BGB oder entsprechend § 429 HGB zu bemessen sei. Die herrschende Meinung hat zur Bemessung des Umfangs des Schadensersatzes in Fällen des Art. 18 WA, WA/HP die §§ 249 BGB angewandt (BGH TranspR 2004, 369 = VersR 2005, 811; OLG Frankfurt, NJW 1978, 502 = TranspR 1979, 72; OLG Hamburg, ZLW 1988, 362 = TranspR 1988, 201; Ruhwedel, Rdnr. 471; a.A. Koller, Transportrecht, Art. 18 WA 1955, Rdnr. 22, der darauf hinweist, dass Lücken des Abkommens primär nach den Vorschriften der §§ 407 ff HGB zu schließen seien). Um für das Montrealer Übereinkommen derartige Zweifel über die Bemessung des zu ersetzenden Schadens auszuschließen, hat der deutsche Gesetzgeber in § 2 MontÜG klargestellt, dass für die Bemessung eines Schadens wegen Verlustes, Zerstörung oder Beschädigung eines Gutes bei ergänzender Anwendung deutschen Rechts die transportrechtlichen Sondervorschriften des HGB zur Anwendung gelangen. § 429 HGB ist somit einschlägig. Danach ist bei Verlust der Wert des Gutes am Ort und zur Zeit der Übernahme der Beförderung zu ersetzen (§ 429 Abs. 1 HGB). Bei Beschädigung ist der Unterschied zwischen dem Wert des Gutes in unbeschädigtem und jenem in beschädigtem Zustand zu ersetzen (§ 429 Abs. 2 HGB). Zur Wiederherstellung notwendige 63 – Reparaturkosten (§ 249 S. 2 BGB) sind im Rahmen des § 429 Abs. 2 HGB nicht erstattungsfähig. Neben der Ersetzung des Sachsubstanzschadens nach § 429 HGB hat der Luftfrachtführer die Kosten der Schadensfeststellung gemäß § 430 HGB zu ersetzen. § 431 HGB bestimmt, dass Wertersatz und Schadensfeststellungskosten dem Haftungshöchstbetrag unterliegen. Diese Vorschrift gilt entsprechend auch für den Haftungshöchstbetrag gemäß Art. 22 Abs. 2MÜ. 8 Die Haftung des Luftfrachtführers für seine „Leute“ Nach Art. 20 WA, WA/HP und Art. 30 MÜ haftet der Luftfrachtführer für das Handeln oder Unterlassen seiner „Leute“ wie für eigenes Handeln oder Unterlassen. Der Begriff der „Leute“ deckt sich weit gehend mit jenem des Erfüllungsgehilfen (BGH TranspR 2009, 262). „Leute“ im Sinne des Warschauer Abkommens bzw. des Montrealer Übereinkommens sind alle Personen, derer sich der Luftfrachtführer zur Ausführung seiner Beförderung bedient, gleichgültig, ob sie Angestellte oder Selbstständige sind. Allerdings wird der Begriff „Leute“ und die Zurechenbarkeit ihres Handelns oder Unterlassens zwar im Warschauer Abkommen auch für die Frachtbeförderung verwandt, im Montrealer Übereinkommen hingegen nur für die Beförderung von Personen und ihrem Gepäck und für die Haftung für Verspätungsschäden bei der Beförderung von Frachtsendungen. Entscheidend für die Zurechenbarkeit ihres Handelns oder Unterlassens ist, ist, ob die „Leute“ dem Luftfrachtführer gegenüber zum Schutz des Gutes und zur Herausgabe verpflichtet sind. Es reicht hierbei bereits ein geringer Grad von Einwirkungsmöglichkeit des Luftfrachtführers auf die „Leute“, wenn der Schaden in einem zu den Kernbereichen der Luftbeförderung gehörenden Teilabschnitt eingetreten ist (BGH NJW-RR 2001, 396 = TranspR 2001, 29; OLG Karlsruhe, TranspR 2007, 203). Das Handeln der „Leute“ kann jedoch nur dann dem Luftfrachtführer zugerechnet werden, wenn sie in Ausführung einer ihnen vom Luftfrachtführer übertragenen Verrichtung handeln (BGH NJW-RR 1989, 723 = TranspR 1989, 275; OLG Frankfurt, TranspR 1999, 24; Schmid, in: Giemulla/Schmid, Kommentar zum WA, Art. 20, Rdnr. 26; ders. in: Dissertation, Frankfurt a. M. 1983, ibidem). Handeln in Ausführung einer den Leuten vom Luftfrachtführer übertragenen Verrichtung setzt voraus, dass ein innerer sachlicher Zusammenhang zwischen der übertragenen Verrichtung nach ihrer Art und ihrem Zweck und der schädigenden Handlung besteht. Die Handlung muss noch zum allgemeinen Umkreis des zugewiesenen Aufgabenbereichs gehören und darf nicht nur „bei Gelegenheit“ begangen werden (BGH VersR 1985, 1060 zu Art. 3 CMR). Ein solch innerer Zusammenhang ist z. B. bei einem Diebstahl durch einen der „Leute“ regelmäßig zu bejahen, weil die „Leute“ des Luftfrachtführers erst durch ihre Aufgaben im Rahmen der Transportabwicklung die Möglichkeit zum Diebstahl erhalten. Eine Haftung des 64 – Luftfrachtführers für einen durch seine „Leute“ ausgeführten Diebstahl wird auch dann bejaht, wenn ein solcher Diebstahl von einem Bediensteten außerhalb seiner Arbeitszeit begangen wird, weil in einem solchen Fall ein innerer Zusammenhang besteht zwischen dem Diebstahl und den Kenntnissen von der Möglichkeit des Diebstahls, die der Bedienstete im Rahmen seiner Tätigkeit für den Luftfrachtführer gewonnen hat (BGH TranspR 2008, 412; BGH TranspR 2009, 262; OLG Karlsruhe, TranspR 2007, 203 [207]). Auffälligerweise taucht, wie gesagt, bei den frachtrechtlichen Haftungsregelungen des Montrealer Übereinkommens (ausgenommen Verspätungsschäden gemäß Art. 19) der Begriff der „Leute“ nicht mehr auf. Es bedarf dieses Begriffes nicht mehr, denn auf Grund der strengen Obhutshaftung des Luftfrachtführers haftet er nicht mehr für das Handeln oder Unterlassen bestimmter „Leute“ bei der Frachtbeförderung, sondern für alles, was sich während seiner Obhutsausübung über das Frachtgut negativ auf dieses auswirkt. Sofern der Luftfrachtführer das Frachtgut während der Luftbeförderung einem Dritten übergibt, z. B. einem Abfertigungsagenten, besteht die Obhutsausübung weiter, weil der Dritte seinerseits in Erfüllung seiner dem Luftfrachtführer gegenüber bestehenden Vertragsverpflichtungen zum sorgsamen Umgang mit dem Frachtgut verpflichtet ist (BGH NJW-RR 2001, 396 = TranspR 2001, 29; BGH TranspR 2009, 262). Aus dieser Rechtsprechung ist zu folgern, dass nicht nur die „Leute“ für den Luftfrachtführer Obhut ausüben, sondern jedweder Dritte zum Obhutsträger wird, der dem Luftfrachtführer gegenüber zum Schutze und zur Herausgabe des Gutes verpflichtet ist. Es bedeutet zugleich, dass der Luftfrachtführer gemäß § 278 Satz 2 BGB seine Haftung selbst für Fälle gravierenden Verschuldens undurchbrechbar beschränken kann, wenn ein Dritter für ihn Obhut ausgeübt hat. Zu den „Leuten“ hat die Rechtsprechung gezählt z. B. die eigenen Mitarbeiter des Luftfrachtführers, soweit sie Zutritt zum Lager hatten oder in anderer Weise mit der Organisation der Beförderung oder ihrer Durchführung befasst waren (OLG Karlsruhe, TranspR 2007, 203). Ferner zählen zu den „Leuten“ z. B. die die Abfertigung von Luftfracht betreibende örtliche Flughafengesellschaft (OLG Nürnberg, TranspR 1992, 276), Mitarbeiter von Reinigungsfirmen und Zollbedienstete, jedenfalls während des Zeitraums ihres Aufenthaltes im Umschlaglager des Luftfrachtführers (BGH TranspR 2009, 317) und selbst ein Monopolunternehmen, dessen sich der Luftfrachtführer arbeitsteilig zur Ausführung eines Beförderungsvertrages über Luftfracht hat bedienen müssen (BGH NJW-RR 2001, 396 = 65 – TranspR 2001, 29). Nicht zu den „Leuten“ zählen hingegen das hoheitlich handelnde Personal der Flugsicherungsbehörde oder des Flugwetterdienstes, der Hersteller des Luftfahrzeuges oder ein Reparatur- oder Wartungsbetrieb (Schmid, in Giemulla /Schmid, Kommentar zum Warschauer Abkommen, Art. 20, Rdnr. 26). . Die eigene Haftung der „Leute“ hat weder im Warschauer Abkommen noch im Montrealer Übereinkommen eine Regelung erfahren. Infolgedessen ist für eine eigene Haftung der „Leute“ auf das ergänzend anwendbare nationale Recht zurückzugreifen. Mangels einer vertraglichen Beziehung der „Leute“ zum ansprucherhebenden Absender oder Empfänger sind deliktische Anspruchsgrundlagen heranzuziehen. Bei einer ergänzenden Anwendung deutschen Rechts bemisst sich die Anspruchsgrundlage nach § 823ff BGB. Um nicht mit Hilfe der nach nationalem Recht unter Umständen bestehenden unbeschränkten Haftung der „Leute“ die zu Gunsten des Luftfrachtführers bestehenden Haftungsbeschränkungen zu unterlaufen, bestimmen Art. 25a WA/HP und Art. 30 MÜ, dass die „Leute“-Haftung tatbestandsmäßig und im Hinblick auf ihre Höhe der Haftung des Luftfrachtführers angepasst wird. Damit kann eine eigene Haftung der „Leute“ nur unter den Voraussetzungen des Abkommens bzw. Übereinkommens begründet werden und die „Leute“ haften gleichermaßen wie der Luftfrachtführer beschränkt und nicht strenger als jener selbst (OLG Karlsruhe, VersR 2005, 697). Lediglich bei einem durch die „Leute“ leichtfertig oder absichtlich herbeigeführtem Schaden haften diese unbeschränkt – allerdings nur nach dem Warschauer Abkommen bzw. dem Haager Protokoll gemäß Art. 25 WA; WA/HP. Bei einer dem Montrealer Übereinkommen unterliegenden Güterbeförderung gilt diese unbeschränkte Haftung nach Art. 30 Abs. 3 MÜ nicht, da hier der Luftfrachtführer selbst nur beschränkt in den Haftungsgrenzen des Art. 22 MÜ haftet. Voraussetzung ist stets, dass die „Leute“ in Erfüllung ihre Verrichtungen und nicht nur bei Gelegenheit gehandelt haben, Handeln bei Gelegenheit bemisst sich allein nach nationalem Recht. Durch diese Angleichung der Haftung kommen den „Leuten“ z. B. auch die Haftungsausschlussgründe nach Art. 18 Abs. 2 MÜ oder die Fristen für die Erhebung einer Schadensersatzklage zugute. 9 Von einem anderen als dem vertraglichen Luftfrachtführer ausgeführte Beförderung Kapitel V des Montrealer Übereinkommens regelt den Fall, dass die Beförderung von einem anderen Luftfrachtführer als dem vertraglichen Luftfrachtführer ausgeführt wird (Art. 39 ff MÜ). Die Regelungen dieses Kapitels entsprechen denjenigen des Zusatzabkommens von 66 – Guadalajara, welches noch für Beförderungen anwendbar ist, die dem Warschauer Abkommen in seiner Originalfassung oder in derjenigen des Haager Protokolls unterliegen. Art. 39 unterscheidet zwischen dem vertraglichen und dem ausführenden Luftfrachtführer. Das Verhältnis zwischen vertraglichem und ausführendem Luftfrachtführer kann beispielsweise dann zum Tragen kommen, wenn der Absender mit dem Spediteur die Beförderung einer großen Frachtsendung vereinbart hat. Der Spediteur erchartert dafür bei einem Dritten die Kapazität eines Flugzeuges und der Dritte führt die Beförderung sodann aus. Analoges gilt bei sogenannten code-share-Beförderungen, die zwar im Personenverkehr häufiger vorkommen, gleichwohl aber auch im Frachtverkehr denkbar sind. Hier gestattet der ausführende Luftfrachtführer dem vertraglichen Luftfrachtführer, seine Flugnummer dem Flug „beizugeben“, so dass der vertragliche Luftfrachtführer diesen Flug unter seiner Flugnummer verkaufen kann, ohne ihn jedoch selbst auszuführen. Zum vertraglichen Luftfrachtführer wird gemäß Art. 39 MÜ, wer als Luftfrachtführer einen Beförderungsvertrag eingeht, aber die Beförderung gänzlich oder teilweise durch einen anderen Luftfrachtführer durchführen lässt. Zum ausführenden Luftfrachtführer wird, wer die Beförderung im Auftrage des vertraglichen Luftfrachtführers ausführt (BGH NJW 2010, 1522; Ruhwedel, TranspR 2001, 189 [200]). Der ausführende Luftfrachtführer wird dabei nicht zur Partei des Beförderungsvertrages, von seiner Existenz erfährt der Absender als Vertragspartei des vertraglichen Luftfrachtführers häufig erst im Falle von Beförderungsunregelmäßigkeiten. Der ausführende Luftfrachtführer tritt in vertragliche Beziehungen lediglich zum vertraglichen Luftfrachtführer. Bedeutsam ist seine Abgrenzung zum nachfolgenden, sog. aufeinanderfolgenden Luftfrachtführer gemäß Art. 1 Abs. 3 WA, WA/HP, MÜ und Art. 30 WA, WA/HP bzw. Art. 36 MÜ. Dieser nachfolgende Luftfrachtführer befördert, weil dies von den Parteien des Beförderungsvertrages (vertraglicher Luftfrachtführer und Absender) als einheitliche Leistung vereinbart und die einzelnen Beförderungsleistungen als Teile einer Gesamtbeförderung in den Beförderungsdokumenten niedergelegt (OLG Hamburg, VersR 1983, 484) worden sind (z. B. weil der vertragliche Luftfrachtführer auf einem Streckenabschnitt keine Verkehrsrechte hat). Der nachfolgende Luftfrachtführer schuldet dem Absender die Beförderung auf seinem Streckenabschnitt und gilt insoweit als Vertragspartner des Absenders. Demgegenüber wird der ausführende Luftfrachtführer nur in haftungsrechtlicher Hinsicht zu einem Quasi-Vertragspartner des Absenders (Reuschle, Kommentar MÜ, Art. 39, Rdnr. 21). Entscheidend für die Abgrenzung zwischen ausführendem und nachfolgendem Luftfrachtführer ist die Frage, ob der Ladungsinteressent (bzw. der Reisende) es beeinflussen kann, wer die Beförderung über eine bestimmte Strecke ausführt und ob diese Wahl aus den Beförderungsdokumenten ersichtlich ist (dann nachfolgender Luftfrachtführer; Reuschle, aaO., Rdnr. 21). 67 – Bezüglich ihrer Haftung unterliegen vertraglicher und ausführender Luftfrachtführer folgenden Regelungen: - Der vertragliche Luftfrachtführer unterliegt während der Dauer der gesamten Beförderung den Regeln des Übereinkommens. Auch der ausführende Luftfrachtführer, obwohl er nicht Vertragspartei ist, unterliegt ihnen, aber nur insoweit, als er die Beförderung auch tatsächlich ausführt. - Die Handlungen und Unterlassungen des ausführenden Luftfrachtführers können auch dem vertraglichen Luftfrachtführer zugerechnet werden. Umgekehrt können auch die Handlungen und Unterlassungen des vertraglichen Luftfrachtführers dem ausführenden Luftfrachtführer zugerechnet werden; der ausführende Luftfrachtführer haftet aber nur für seinen Beförderungsabschnitt und nur im Rahmen der Haftungsgrenzen gemäß Art. 21-23 MÜ. - Beanstandungen oder Instruktionen können wahlweise an die Adresse eines der beiden Luftfrachtführer erfolgen. Einzig im Falle der Weisung gemäß Art. 12 MÜ ist diese an den vertraglichen Luftfrachtführer zu richten. - Schadensersatzansprüche gegen den ausführenden Luftfrachtführer können sowohl gegenüber diesem unmittelbar oder gegenüber dem vertraglichen Luftfrachtführer oder gegenüber beiden geltend gemacht werden. Ist eine Klage nur gegen einen der Luftfrachtführer gerichtet, so hat dieser das Recht, den anderen Luftfrachtführer aufzufordern, sich am Rechtsstreit zu beteiligen. Dadurch wird folgerichtig ein neuer Gerichtsstand eingeführt: Klage kann zusätzlich zu den Gerichtsständen des Art. 33 MÜ noch am Wohnsitz oder am Sitz der Hauptniederlassung des ausführenden Luftfrachtführers (Art. 46) eingelegt werden (Ryff, ASDA/SVLR-Bulletin 2000, 8 [20]; Ruhwedel, TranspR 2001, 189 [201]). 10 Die Gerichtsstände des Art. 28 WA, WA/HP bzw. Art. 33 MÜ Nach dem Warschauer Abkommen und dem Montrealer Übereinkommen stehen für Klagen gemäß Art. 18, 19 insgesamt vier Gerichtsstände zur Verfügung. Es handelt sich hierbei im einzelnen um die örtliche Zuständigkeit von Gerichten am Wohnsitz des Luftfrachtführers, an dessen Hauptniederlassung oder Geschäftsstelle, durch die der Vertrag geschlossen worden ist oder des Gerichts des Bestimmungsortes. Lediglich für Klagen wegen Personenschäden gemäß Art. 17 MÜ hat das Übereinkommen einen neuen Gerichtsstand am Heimatort des Reisenden geschaffen (s. dazu im einzelnen Ruhwedel, TranspR 2001, 189 [201]). Voraussetzung ist jeweils, dass das angerufene Gericht im Hoheitsgebiet eines 68 – der Vertragsstaaten des Abkommens bzw. Übereinkommens liegt. Zusätzlich kann noch nach Art. 33 MÜ entsprechend dem Zusatzabkommen von Guadalajara (ZAG) bei dem ausführenden Luftfrachtführer das an seinem Wohnsitz bzw. am Sitz seiner Hauptniederlassung gelegene Gericht angerufen werden. 11 Die Frist zur Schadensanzeige Kommen die Güter beschädigt oder verspätet am Bestimmungsort an, muss der Empfänger bei der Annahme einen Vorbehalt machen. Dies gilt selbst bei offensichtlicher Beschädigung. Vorbehalt ist eine Beanstandung, an deren Inhalt nur geringe Anforderungen zu stellen sind, die aber den Luftfrachtführer darüber ins Bild setzt, dass eine Unregelmäßigkeit eingetreten ist. Zum Zwecke des Nachweises sollte er in Schriftform erhoben werden Bei fehlendem Vorbehalt oder bei verdecktem Schaden dreht sich die Beweislast um: der Empfänger ist nunmehr gehalten, den Nachweis zu führen, dass der Schaden nicht erst nach der Annahme, sondern (bereits) in der Obhut des Luftfrachtführers eingetreten ist. Der Vorbehalt kann aber auch sogleich die Form einer Schadensanzeige gemäß Art. 26 Abs. 2 WA, WA/HP und Art. 31 Abs. 2 MÜ haben. Eine Schadensanzeige ist zu substantiieren und hat eine hinreichende Beschreibung der betroffenen Frachtsendung, die Art der Beschädigung und die Einzelheiten des Anspruches zu enthalten. Eine Schadensanzeige „nur ins Blaue hinein“ (OLG München, TranspR 2011, 199) ist unzulässig. Die Schadensanzeige ist bei Güterschäden innerhalb folgender Fristen zu erstellen: WA: unverzüglich, aber jedenfalls bei Beschädigung binnen 7 Tagen nach der Annahme, bei Verspätung unverzüglich, aber jedenfalls binnen 14 Tage nach Verfügungstellung des Gutes HP: unverzüglich, aber jedenfalls binnen 14/21 Tagen MÜ: wie HP Zur Frist bei Schadensanzeigen und insbesondere zum Begriff „unverzüglich“ s. OLG Stuttgart, NJW-RR 2007, 566; Pokrant, in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch Art. 31 MÜ, Rdnr. 13). Versäumung der Anzeigefrist führt zum Anspruchsverlust, es sei denn, der Luftfrachtführer hat arglistig den Anzeigenerstatter von der Anzeige abgehalten. Der Schaden laut Anzeige muss mit dem später geltend gemachten Schaden übereinstimmen (OLG Celle, TranspR 2003, 314). Wird z.B. zunächst nur Verspätung angezeigt, kommt die Sendung aber verspätet und beschädigt an, ist auch noch die Beschädigung anzuzeigen. 69 – Eine Anzeige ist nur dann verzichtbar, wenn der Luftfrachtführer oder der für ihn tätige Abfertigungsagent bereits auf anderem Wege von der Beschädigung oder der Verspätung Kenntnis erlangt hat (BGH VersR 1985, 686; OLG München, NJW-RR 1995, 672 = TranspR 1995, 118; OLG München, TranspR 2011, 199). Der Nachweis obliegt dem Anspruchsteller. Eine Anzeige wird auch dann nicht gefordert, wenn eine Zerstörung oder ein Verlust des Frachtgutes gegeben ist, da hier unterstellt wird, dass der Luftfrachtführer ohnedies bereits im Bilde sei und entsprechende Maßnahmen zur Schadensfeststellung bereits in die Wege habe leiten können. Anderslautende Bedingungen in Allgemeinen Beförderungsbedingungen sind wegen Verstoßes gegen Art. 23 WA, WA/HP bzw. Art. 26 MÜ unwirksam. Von einer Beschädigung – und nicht einem Verlust - ist entgegen OLG Frankfurt (VersR 2006, 675) dann auszugehen, wenn die Verpackung, wenngleich in leerem Zustand, abgeliefert wird. Dies muss zumindest dann gelten, wenn das verpackte Gut ein Gewicht von lediglich 0,5 Kilogramm hatte und sein Fehlen aus der Verpackung nicht bemerkt werden konnte. Bei Teilverlust ist eine Anzeige dann notwendig, wenn dieser sich als Beschädigung darstellt. Von einem Teilverlust im Sinne einer Beschädigung ist dann auszugehen, wenn nach dem Inhalt des Beförderungsvertrages mehrere Packstücke als eine gesamte Beförderungseinheit erscheinen (z. B. eine Palette mit 33 Packstücken) und eines oder mehrere dieser Packstücke nicht ausgeliefert werden können (OLG Hamburg, TranspR 1988, 201, 312). Die Schadensanzeige ist schriftlich und innerhalb der vorgenannten Fristen zu erstatten. Sie hat den Schaden detailliert zu beschreiben, so dass der Luftfrachtführer sich ein Bild über den eingetretenen Schaden machen und eine Ermittlung der Schadenursachen einleiten kann. Wird allein die Beschädigung der Verpackung angezeigt, so erstreckt sich diese Schadensanzeige nicht auch zugleich auf die Beschädigung des Inhalts der Verpackung (LG Hamburg, Urt. vom 7. November 2003, Az. 420 O 140/03, bislang unveröffentlicht). Wird eine Inhaltsbeschädigung nach Auslieferung entdeckt, wäre hierfür eine gesonderte Schadensanzeige erforderlich (AG Frankfurt, RRa 2011, 190 zu einem Gepäckschaden). 12 Die Ausschlussfrist Gemäß Art. 29 WA, WA/HP bzw. Art. 35 MÜ ist eine Klage auf Schadensersatz binnen einer Frist von 2 Jahren zu erheben. Die Frist beginnt an dem Tage, an dem das Luftfahrzeug am Bestimmungsort angekommen ist oder hätte ankommen sollen, bzw an dem die Beförderung abgebrochen worden ist. Die Vorschrift des Art. 29 WA, WA/HP bzw. Art. 35 MÜ verdrängt als lex specialis die nationalen Vorschriften des allgemeinen 70 – Frachtrechts über die Verjährung (BGH TranspR 2005, 317). Die Frist ist als Ausschlussfrist konzipiert, gleichwohl toleriert die Rechtsprechung in Deutschland vertragliche Verlängerungen der Frist (BGH NJW 1963, 1405 = VersR 1963, 640; OLG Köln, ZLW 1982, 167 [172]). Nach deutschem Recht unterliegt die Ausschlussfrist nicht der Hemmung und dem Neubeginn der Verjährung, die Frist kann nur durch rechtzeitige Klageerhebung gewahrt werden. Die lange Zeit strittige Frage, ob die Streitverkündung die Ausschlussfrist zu wahren vermag, ist nunmehr vom BGH verneinend entschieden worden (BGH NJW-RR 2006, 219 = TranspR 2006, 33; Pokrant, in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch Art. 35 MÜ, Rdnr. 11; Mühlbauer, in Geigel, Der Haftpflichtprozeß, Kap. 29, Rdnr. 98; a.A. Gran, TranspR 1996, 262 im Anschluß an LG Frankfurt, TranspR 1996, 117). Hat der Anspruchsteller die Frist des Art. 29 WA, WA/HP bzw. des Art. 35 MÜ nicht beachtet, bzw. ist auch eine vereinbarte Verlängerung der Frist abgelaufen, so kann sich der Luftfrachtführer allein durch Hinweis auf den inzwischen verstrichenen Zeitraum seiner Haftung entziehen (BGH TranspR 2001, 372). Zur Frage, ob die Sonderregelung des § 452b HGB hinsichtlich des auf die Verjährung anwendbaren Rechts bei Frachtverträgen über eine Beförderung mit verschiedenartigen Beförderungsmitteln auch auf den Lufttransport anwendbar ist, s. einerseits BGH TranspR 2009, 262; andererseits Müller-Rostin, TranspR 2008, 241. 13 Schiedsverfahren Nach Art. 32 WA, WA/HP bzw. Art. 34 MÜ können die Parteien eines Luftfrachtbeförderungsvertrages zur Beilegung von Streitigkeiten über die Haftung des Luftfrachtführers ein Schiedsverfahren anstrengen. Das Schiedsverfahren ist im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates durchzuführen. Aber auch im Schiedsverfahren sind die Vorschriften des Warschauer Abkommens bzw. des Montrealer Übereinkommens heranzuziehen, um zu vermeiden, dass andernfalls die Übereinkommensvorschriften abbedungen werden, was im Widerspruch zu Art. 32 Abs. 1 WA, WA/HP bzw. Art. 49 MÜ stünde (vertiefend Müller-Rostin, demnächst in TranspR 2012). 14 Die Umrechnung der abstrakten Haftungsbeträge Die Umrechnung des Sonderziehungsrechtes in die jeweilige nationale Währung erfolgt gemäß Art. 23 Abs. 2 MÜ im Fall eines gerichtlichen Verfahrens analog der Regelung in Art. 71 – 27 Abs. 7, S. 2 CMR zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (OLG München, TranspR 2011, 199). Der Fall der außergerichtlichen Regulierung ist in Art. 23 MÜ nicht geregelt. In Deutschland ist durch das „Gesetz zur Harmonisierung des Haftungsrechts im Luftverkehr“ in dessen Art. 1 das „Gesetz zur Durchführung des Übereinkommens vom 28. Mai 1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Montrealer-Übereinkommen-Durchführungsgesetz – MontÜG)“ in Kraft gesetzt. Nach § 3 MontÜG soll sich die Umrechnung der im Montrealer Übereinkommen in Sonderziehungsrechten ausgedrückten Haftungshöchstbeträge für Schäden wegen Personen- und Gepäckschäden nach § 49b LuftVG, wegen Zerstörung, Verlust, Beschädigung oder verspäteter Ablieferung von Frachtgütern nach § 431 Abs. 4 HGB bestimmen. § 49b S. 2 LuftVG bestimmt, dass die in Sonderziehungsrechten des Internationalen Währungsfonds ausgedrückten Beträge nach dem Wert des Euro gegenüber dem Sonderziehungsrecht zum Zeitpunkt der Zahlung umgerechnet werden müssen. Ist der Anspruch gerichtlich geltend gemacht worden, ist der Zeitpunkt der die Tatsacheninstanz abschließenden Entscheidung maßgeblich. Nach § 431 Abs. 4 HGB wird der Wert des Euro gegenüber dem Sonderziehungsrecht nach der Berechnungsmethode ermittelt, die der Internationale Währungsfonds (IWF) an dem Tag der Übernahme des Gutes zur Beförderung oder an einem von den Parteien vereinbarten Tag für seine Operationen und Transaktionen anwendet. Damit ist die genaue Bezifferung der Haftungssummen und -grenzen schwieriger geworden. Im Rahmen des Warschauer Abkommens wurden die Poincaré-Franken in einer Umrechnungsverordnung in feste Beträge umgerechnet. Da aber die Umrechnungskurse zwischen Sonderziehungsrecht und Euro laufend schwanken, ändern sich die Haftungsbeträge des Montrealer Übereinkommens nahezu täglich, wenngleich nur marginal. 15 Die Versicherungspflicht Art. 50 MÜ sieht eine Verpflichtung der Vertragsstaaten vor, eine Deckungsvorsorge durch Versicherung der in dem Übereinkommen festgeschriebenen Haftung des Luftfrachtführers für Güterschäden bei Beförderungen im internationalen Luftverkehr vorzuschreiben. In Ausführung dieser Vorschrift bestimmt § 4 Abs. 2 MontÜG, dass der Luftfrachtführer unbeschadet der Vorschriften der Verordnung (EG) 2407/92 (seit 1. November 2008 72 – aufgehoben durch die Verordnung (EG) 1008/2008, ABl. v. 31.10.2008, L 293,3) und der Verordnung (EG) 785/2004 (geändert durch Verordnung (EU) 285/2010, ABl. v.7.4.2010, L 87,19, welche die Mindestversicherungssummen an die angehobenen Haftungshöchstgrenzen des Montrealer Übereinkommens angepasst hat) verpflichtet ist, zur Deckung seiner Haftung nach dem Montrealer Übereinkommen für die Zerstörung, die Beschädigung, den Verlust und die verspätete Ablieferung von Gütern während der von ihm geschuldeten oder der von ihm für den vertraglichen Luftfrachtführer ausgeführten Beförderung eine Haftpflichtversicherung zu unterhalten. Versicherungspflicht besteht mithin für den vertraglichen und für den ausführenden Luftfrachtführer. Die Vorschrift gilt nur subsidiär, d.h. sie ordnet eine Versicherungspflicht nur an, soweit nicht durch andere Vorschriften Versicherungspflicht bereits angeordnet worden ist. Die vorgenannten EUVerordnungen haben indes für Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft, d.h. für solche Luftfahrtunternehmen, die u.a. gewerblich befördern und deren Hauptbetätigung Luftbeförderung ist (vgl. Art. 4 Verordnung (EG) 1008/2008) bereits eine Versicherungspflicht auch für Güterschäden weitgehend angeordnet. Danach ist der Luftfrachtführer verpflichtet, seine Haftung nach Art. 18 WA, WA/HP, MÜ mit einer Mindestversicherungssumme von 19 SZR pro Kilogramm zerstörter, verlustiger oder beschädigter Fracht zu versichern (s. Art. 1 Verordnung (EU) 285/2010). Da die Verordnung (EG) 785/2004 keine Versicherungspflicht für die verspätete Ablieferung von Gütern vorsieht, muss diese Lücke durch nationales Recht ebenso geschlossen werden wie die Lücke einer Versicherungspflicht für Luftfrachtführer, die nicht Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft sind. § 104 LuftVZO bestimmt, dass soweit nicht gemeinschaftsrechtliche Vorschriften vorrangig sind, der Luftfrachtführer eine Haftpflichtversicherung über mindestens 19 SZR pro Kilogramm abgeschlossen haben muss. Diese Versicherungspflicht bezieht sich aber, wie gesagt, nur auf Schäden auf Grund verspäteter Ablieferung (Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft und alle sonstigen Luftfrachtführer) und auf Schäden wegen Zerstörung, Verlust oder Beschädigung der Fracht – allerdings nur für solche Luftfrachtführer, die nicht Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft sind. Der Spediteur, der nicht zugleich als Luftfrachtführer im Sinne des Montrealer Übereinkommens anzusehen ist, sondern der lediglich auf Grund der Rechtsfolgenverweisung der §§ 458 – 460 HGB dem Luftfrachtführer haftungsrechtlich gleichgestellt ist, soll von der LuftVZO nicht erfasst werden und damit auch nicht versicherungspflichtig werden (vgl. 9. Verordnung zur Änderung der LuftverkehrsZulassungs-Ordnung vom 20.04.2005, BR-Drucksache 412/05 vom 27.5.2005, S. 22). Indessen soll der Luftfrachtführer, der ein Luftfahrzeug weder betreibt noch führt, 73 – versicherungspflichtig werden im Umfang des § 7a GüKG (s. zur Versicherungspflicht im gewerblichen Luftverkehr ausführlich Müller-Rostin, TranspR 2006, 49). 16 Nationales Lufttransportrecht der §§ 407–475h HGB 16.1. Besonderheiten des Lufttransports Bis zum Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes (TRG) am 1. Juli 1998 fanden sich die Vorschriften, die die Haftung des Luftfrachtführers für Güterschäden anlässlich einer innerstaatlichen Luftfrachtbeförderung bestimmten, im Luftverkehrsgesetz (LuftVG). Demgegenüber unterlag der Luftfrachtführer bei Güterschäden anlässlich einer internationalen Luftfrachtbeförderung den Haftungsvorschriften des Warschauer Abkommens; hinzugetreten sind nunmehr seit dem 4. November 2003 die Haftungsvorschriften des Montrealer Übereinkommens. Durch das Transportrechtsreformgesetz wurden jedoch die nationalen Vorschriften für das Frachtgeschäft mit Luftfahrzeugen aus dem Luftverkehrsgesetz herausgelöst und mit den Vorschriften über das Frachtgeschäft auf der Straße, mit der Eisenbahn und mit dem Binnenschiff in das Handelsgesetzbuch in den §§ 407–452d HGB übernommen. Damit ist zwar erreicht, dass das HGB die Vorschriften für den Abschluss von Frachtverträgen mit sämtlichen Beförderungsmitteln mit Ausnahme der Seeschiffe vereinheitlicht, allerdings ist die Überführung der luftfahrtrechtlichen Vorschriften aus dem Luftverkehrsgesetz in das Handelsgesetzbuch aus luftfahrtrechtlicher Sicht wenig befriedigend. Immerhin hatte während der Beratungen zum Transportrechtsreformgesetz stets die Vereinheitlichung des Landtransportrechts im Vordergrund gestanden und das Recht der Seeschifffahrt und das Recht der Luftfahrt sollten wegen ihrer vorwiegend internationalen Prägung und Bezüge nicht miteinbezogen werden (Herber, NJW 1998, 3297). Dies erschien insbesondere wegen der „Verwandtschaft“ der nationalen Luftrechtsvorschriften mit den internationalen Luftrechtsabkommen, seinerzeit vorrangig Warschauer Abkommen und Haager Protokoll, sinnvoll, während Inhalt und Aufbau der §§ 407–452d HGB an die Vorschriften der CMR angelehnt sind. Indes veranlasste eine Empfehlung des Rechtsausschusses den Bundestag, die Vorschriften über Schäden an Frachtgütern dem Luftverkehrsgesetz zu entziehen und auch das Luftrecht dem HGB zu unterstellen. Allerdings ist zu betonen, dass die wenig befriedigende Situation insofern erträglich ist, als das nationale Lufttransportrecht in der Praxis wenig Bedeutung hat. Luftfrachtbeförderung ist nicht zuletzt wegen der geringen räumlichen Ausdehnung Deutschlands ganz 74 – überwiegend grenzüberschreitend, so dass auf internationales Einheitsrecht (Warschauer Abkommen, Haager Protokoll, Montrealer Protokoll Nr. 4, Montrealer Übereinkommen) zurückzugreifen ist. Anwendung finden die §§ 407–452d HGB insbesondere dann, wenn doch eine rein innerstaatliche Luftbeförderung zu beurteilen ist oder aber wenn die internationalen Luftrechtsabkommen nicht anwendbar sind, weil die Beförderung nicht zwischen zwei Vertragsstaaten stattfindet und wenn nach den Grundsätzen des Internationalen Privatrechts auf deutsches Recht zurückgegriffen werden kann. Anwendung finden die Vorschriften auch dann, wenn Lücken der internationalen Abkommen zu schließen sind. Ausdrücklich weist z.B. § 2 des Gesetzes zur Durchführung des Übereinkommens vom 28. Mai 1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Montrealer-ÜbereinkommenDurchführungsgesetz [MontÜG] vom 6. April 2004, geändert durch Gesetz vom 19. April 2005, BGBl. I 1070) darauf hin, dass für die Bemessung eines Schadens gemäß Art. 18 MÜ wegen Verlustes, Zerstörung oder Beschädigung eines Gutes die transportrechtlichen Sondervorschriften des Handelsgesetzbuches, nämlich § 429 HGB, zur Anwendung gelangen. Nachfolgend sollen lediglich die wesentlichen Regelungen über den nationalen Lufttransport angesprochen werden. 16.2 Der Luftbeförderungsvertrag Bei einem Schaden an Frachtgütern, die mit Luftfahrzeugen befördert werden sollen (§ 407 Abs. 3 Nr. 1 HGB), unterliegt die Haftung des Frachtführers den Vorschriften der §§ 425 ff HGB. Der Begriff „Luftfahrzeug“ bestimmt sich nach § 1 LuftVG, er umfasst insbesondere auch die zur Beförderung von Fracht dienenden Flugzeuge, Luftschiffe (Cargolifter) und Drehflügler (u.a. Hubschrauber). . Der Luftfrachtbeförderung muss ein (Luft-)Frachtvertrag zugrunde liegen. Er ist ein auf die unversehrte Beförderung des Gutes an den Bestimmungsort gerichteter Werkvertrag; Formvorschriften für sein Zustandekommen bestehen nicht (formfreier Konsensualvertrag) (Kirsch, in Kölner Kompendium Luftrecht, Bd 3, Teil I A, Rdnr. 198). Es besteht insbesondere kein Frachtbriefzwang, jedoch kann der Absender die Ausstellung eines (Luft-)Frachtbriefes verlangen. Dies könnte dann vorteilhaft sein, wenn zB über den Abschluss und den Inhalt des Vertrages, über die Übernahme des Gutes durch den Luftfrachtführer oder über die äußerliche Unversehrtheit des Gutes gestritten wird, denn ein abgeschlossener und unterzeichneter Frachtbrief vermag über all diese 75 – Fragen Beweis zu erbringen. Fehler oder Unrichtigkeiten bei der Ausstellung des Frachtbriefes können haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen: Der Absender haftet nach § 414 Abs. 1 Ziff. 2 HGB gewichtsabhängig, beschränkt und, sofern er kein Verbraucher ist, unabhängig von Verschulden für Ersatz solcher Schäden und Aufwendungen, die verursacht worden sind durch gewisse von ihm unrichtig oder unvollständig in den Frachtbrief aufgenommene Angaben. Diese Haftungsregel gilt auch bei Fehlen, Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Begleitpapiere gemäß § 413 Abs. 1 HGB. Nimmt der Frachtführer Angaben unrichtig oder unvollständig im Luftfrachtbrief auf, so bestimmt sich seine Haftung nach § 433 HGB. Für Schäden aufgrund Verlustes, Beschädigung oder unrichtiger Verwendung der Begleitpapiere durch den Luftfrachtführer haftet dieser, sofern der Verlust, die Beschädigung oder unrichtige Verwendung nicht unvermeidbar waren, bis zur Grenze des Güterwertes (§ 413 Abs. 2 HGB). Die Haftung ist verschuldensunabhängig, sie hatte zuvor im Luftverkehrsgesetz für den Luftfrachtführer kein Vorbild. Nach § 407 Abs. 3 Nr. 2 HGB ist Voraussetzung für die Anwendung der §§ 407 ff HGB, dass die Beförderung zum Betrieb eines gewerblichen Unternehmens gehört. Mit dieser Formulierung wird an den Begriff des Gewerbebetriebs in §§ 1 und 2 HGB angeknüpft. Frachtführer kann aber nach § 407 Abs. 2 Satz 2 HGB auch ein Gewerbetreibender sein, der über keinen nach Art oder Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb verfügt. Damit dürfte auch ein Unternehmen des Bedarfsluftverkehrs, unabhängig davon, ob es einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, und ein Gelegenheitsfrachtführer, der außerhalb seines sonstigen Gewerbes ausnahmsweise eine Luftfrachtbeförderung vornimmt, von §§ 407 ff HGB erfasst sein. Durch die Anknüpfung an den Betrieb eines gewerblichen Unternehmens unterscheidet sich das Haftungssubjekt des HGB von demjenigen des LuftVG. Im LuftVG war Haftender der Luftfrachtführer, dh. diejenige Person, die vertraglich die Beförderung von Personen oder Sachen auf dem Luftwege als eigene Leistung verspricht, wobei unerheblich war, ob er den vereinbarten Lufttransport überhaupt mit eigenen Luftfahrzeugen auszuführen in der Lage war (BGHZ 80, 280/284 = NJW 1981, 1664; BGHZ 88, 70 = NJW 1983, 2445; OLG Karlsruhe, TranspR 2005, 367). Eine gewerbliche Qualifizierung seiner Tätigkeit war mithin nicht gefordert. Während Beförderungen, die privaten Charakter haben, durch die weite Bestimmung des Begriffes „Luftfrachtführer“ dem LuftVG unterlagen, findet auf solche Beförderungen nunmehr, soweit sie nicht die Beförderung von Personen zum Gegenstand haben, Werkvertragsrecht Anwendung bei entgeltlichen Beförderungen bzw. 76 – Auftragsrecht bei unentgeltlichen Beförderungen (Ruhwedel, MünchKomm HGB Ergänzungsband 7a, § 44 LuftVG Rdnr 7). 16.3 Die Haftung des Luftfrachtführers Während unter der Geltung des Luftverkehrsgesetzes der Luftfrachtführer einer Haftung für vermutetes Verschulden unterlag, haftet er unter der Geltung des Handelsgesetzbuches, angelehnt an die Haftungsregelung nach Art. 17 CMR, nach § 425 HGB unabhängig von seinem Verschulden für Güterschäden, die sich während seiner Obhutsausübung ereignen. Güterschaden ist der Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung1 des Gutes in der Zeit von der Übernahme der Beförderung bis zur Ablieferung entsteht. Hierbei handelt es sich, wie schon bei § 44 LuftVG a.F., um eine Obhutshaftung des Luftfrachtführers. Allerdings unterscheidet sich die Begrenzung des Haftungszeitraumes nach § 425 HGB, bestimmt durch die Zeitpunkte „Übernahme“ und „Ablieferung“ von dem Haftungszeitraum „während der Luftbeförderung“ gemäß § 44 LuftVG a.F. Nach § 44 Abs. 2 LuftVG a.F. war dieses der Zeitraum, während dessen die Güter sich auf einem Flughafen, an Bord eines Luftfahrzeuges oder – bei Landung außerhalb eines Flughafens – sonst in der Obhut des Luftfrachtführers befanden. Dieser Haftungszeitraum war demzufolge bestimmt durch die Örtlichkeit der Güter, wohingegen der Haftungszeitraum des § 425 HGB den gesamten Zeitraum der Obhutsausübung der Güter durch den Luftfrachtführer umfasst, unabhängig davon, an welchem Ort sich die Güter zwischen Übernahme und Ablieferung befinden. Neben der Haftung des Luftfrachtführers für Sachsubstanzschäden bestimmt § 425 Abs. 1 HGB auch eine Haftung für Schäden auf Grund einer Überschreitung der Lieferfrist. Lieferfrist ist entweder die fest vereinbarte oder die angemessene Lieferfrist (§ 423 HGB). Die Lieferfrist ist überschritten, wenn das Gut dem Empfänger erst nach Ablauf der Frist abgeliefert wird. Entsprechend der Haftung für Sachsubstanzschäden ist auch die Haftung für Lieferfristschäden verschuldensunabhängig. Eine Haftung des Luftfrachtführers für Lieferfristüberschreitung war im LuftVG nicht normiert, wohl aber im Warschauer Abkommen (Art. 19 WA) oder im Montrealer Übereinkommen (Art. 19 MÜ). Bei einer rein innerstaatlichen Beförderung war bis zum Inkrafttreten des TRG zur Bestimmung der Rechtsfolgen eines Verspätungsschadens auf die allgemeinen Vorschriften des BGB zurückzugreifen. 77 – Wie für eigenes Handeln oder Unterlassen haftet der Luftfrachtführer auch für Handeln oder Unterlassen seiner Leute (§ 428 Satz 1 HGB). Dem Kreis der “Leute“ zählt Koller (Koller, Transportrecht, § 428 HGB Rdnr. 4; so auch Fremuth, in Fremuth/Thume, § 428 HGB Rdnr. 10) nur die Betriebsangehörigen (Arbeitnehmer, Aushilfskräfte, Familienangehörige des Frachtführers) des Luftfrachtführers zu. Allein auf die Betriebszugehörigkeit kam es demgegenüber im Luftverkehrsgesetz und kommt es im Warschauer Abkommen oder im Montrealer Übereinkommen nicht an. Hier wurde/wird entscheidend darauf abgestellt, ob sich der Luftfrachtführer der Leute zur Ausführung der Beförderung bedient, gleichgültig, ob sie Angestellte oder Selbständige sind, sofern sie in Ausführung einer ihnen vom Luftfrachtführer übertragenen Verrichtung handeln (BGH NJW-RR 1989, 723 = VersR 1989, 522). Dementsprechend werden in § 428 Satz 2 HGB haftungsrechtlich erfasst auch „andere Personen“ (als diejenigen des Satz 1). Diese „anderen“ Personen sind mit einzelnen Beförderungs- und Hilfstätigkeiten betraut, ohne indes im Gewerbe des Luftfrachtführers angestellt zu sein (Lagerhausbetreiber, Abfertigungsunternehmen). Ihr Handeln oder Unterlassen wird dem Luftfrachtführer allerdings nur dann zugerechnet, wenn sie in Ausübung ihrer Verrichtungen gehandelt haben, dh der schadenskausale Pflichtenverstoß muss noch im allgemeinen Umkreis der zugewiesenen Aufgaben geschehen sein und darf nicht nur bei Gelegenheit begangen worden sein. Insgesamt dürfte der Begriff der „Leute“ in § 428 Satz 1 HGB und der Begriff „andere Personen“ in § 428 Satz 2 HGB vergleichbar sein mit dem Begriff „Leute“ in § 45 LuftVG a.F., in Art. 20 WA und in Art. 30 MÜ. 16.4 Haftungsausschlussgründe Vergleichbar Art. 17 Abs. 2 CMR kann sich der Luftfrachtführer durch den Nachweis eines unabwendbaren Ereignisses entlasten, mithin durch den Nachweis eines Umstandes, den der Luftfrachtführer bei Anwendung größter Sorgfalt nicht vermeiden und dessen Folgen er nicht abwenden konnte (§ 426 HGB). Ein besonders gewissenhafter Frachtführer muss auch bei Anwendung der äußersten ihm zumutbaren Sorgfalt außerstande gewesen sein, den Schaden zu vermeiden. Unvermeidbarkeit und Unabwendbarkeit des Schadens sind am Maßstab eines „idealen“ Frachtführers zu messen (BGHZ 113, 164; Koller, Transportrecht, § 426 HGB Rdnr. 4). Die Wahrnehmung allein der Sorgfalt eines „ordentlichen Kaufmanns“ iSd § 475 HGB ist insoweit nicht ausreichend. Damit stünde die Haftung bei Güterschäden unmittelbar an der Grenze einer verschuldensunabhängigen Erfolgshaftung, wenn nicht durch die Beschlussempfehlung des Bundestages (BTDrucksache 13/10014, S. 13, 58) in § 426 HGB noch die Worte „bei größter Sorgfalt“ eingefügt worden wären. Durch diese Einfügung konnte das im Luftrecht vorherrschende 78 – Prinzip der Haftung für vermutetes Verschulden aufrecht erhalten bleiben. Die Möglichkeit der Haftungsentlastung unter § 426 HGB ist erheblich restriktiver als die unter § 45 LuftVG a.F. anwendbare Entlastungsmöglichkeit durch den Nachweis, alle erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung des Schadens getroffen zu haben oder diese Maßnahmen nicht getroffen zu haben können. Analog § 45 LuftVG a.F. hat der Luftfrachtführer zunächst den Entlastungsbeweis für eigenes Verhalten und dasjenige seiner Leute zu führen. Darüber hinaus ist er jedoch noch für das Verhalten der „anderen Personen“ gemäß § 426 Satz 2 HGB, derer er sich zur Ausführung der Beförderung bedient, beweispflichtig. Der Luftfrachtführer kann sich ferner dann ganz oder teilweise von seiner Haftung befreien, wenn ihm der Nachweis des Vorliegens eines oder mehrerer der Haftungsausschlussgründe des § 427 HGB gelingt. Vorrangig zu denken ist hier an Schäden auf Grund ungenügender Verpackung des Gutes durch den Absender oder auf Grund der natürlichen Beschaffenheit des Gutes. Eine vergleichbare Regelung findet sich auch für internationale Luftbeförderungen im Montrealer Übereinkommen (Art. 18 Abs. 2; zum Inhalt dieser Haftungsausschlussgründe s. Müller-Rostin,.in Giemulla/Schmid MÜ Art. 18, Rdnr. 58 ff.), während Eigenarts- und Beschaffenheitsschäden in § 49 LuftVG a.F. nur dann haftungsausschließend wirkten, wenn eine besondere Vereinbarung zwischen Luftfrachtführer und Absender über die Haftungsvereinbarung getroffen worden war. Einer solchen Vereinbarung bedarf es nach § 427 HGB nicht mehr (Ruhwedel, MünchKomm HGB Ergänzungsband 7a, § 44 LuftVG Rdnr. 18). 16.5 Ersatz für Güterschäden Bei Güterschäden, die durch Verlust oder Beschädigung verursacht worden sind, bemisst sich die Ersatzleistung nach den Vorschriften der §§ 429–432 HGB. Nach dem Wertersatzprinzip in § 429 HGB ist abzustellen auf den Wert des Gutes am Ort und zum Zeitpunkt seiner Übernahme. Mittelbare Schäden, etwa Güterfolgeschäden, sind nach § 432 Satz 2 HGB nicht ersatzfähig Der Ausschluss mittelbarer Schäden umfasst allerdings nur Folgeschäden, die die vertragliche Obhutshaftung des Luftfrachtführers betreffen, nicht indes die außervertragliche Haftung für Schäden an Drittgütern (Abele, in Geigel, Der Haftpflichtprozess, Kap. 28, Rdnr. 192). Demgegenüber sind im Rahmen des Haftungshöchstbetrages gemäß § 430 HGB etwaige Kosten der Schadensfeststellung ersatzfähig. Die Haftung des Luftfrachtführers für Güterschäden ist auf die in § 431 HGB vorgesehenen Haftungshöchstbeträge begrenzt. Die Regelhaftung von 8,33 79 – Rechnungseinheiten (= Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds, vgl § 431 Abs. 4 HGB) je Kilogramm stellt eine erhebliche Verringerung im Vergleich zu § 46 LuftVG a.F. (53,50 DM = 27,35 EUR) und eine Halbierung im Vergleich zu Art. 22 MÜ (19 SZR) dar. Bei nicht-verbraucherbezogenen Luftfrachtverträgen kann im Rahmen des sog. Haftungskorridors gemäß § 449 Abs. 2 HGB durch vorformulierte Bedingungen die Haftung für Güterschäden zwischen 2 und 40 SZR festgelegt werden. Hier unterscheiden sich die Vorschriften des nationalen von denen des internationalen Rechts, da dort die Haftungssummen nicht zulasten des Vertragspartners des Luftfrachtführers verringert werden dürfen (Art. 23 WA/HP bzw. Art. 26 MÜ). In Fällen schweren Verschuldens, dh bei Vorsatz und bewusst leichtfertigem Handeln oder Unterlassen – auch seiner Leute – haftet der Luftfrachtführer unbeschränkt (§ 435 HGB). Diese Haftungsregel ist trotz der gewollten Anlehnung des TRG an die CMR Art. 25 WA/HP nachgebildet. Anders als bei innerstaatlichen Beförderungen oder als noch im Warschauer Abkommen und im Haager Protokoll entfällt bei internationalen Beförderungen, die dem Montrealer Übereinkommen unterliegen, die Möglichkeit der Haftungsdurchbrechung im Falle schweren Verschuldens, die Frachtführerhaftung ist dort selbst bei schwerem Verschulden unverbrüchlich. Die Haftung des Luftfrachtführers für Verspätungsschäden ist auf den dreifachen Betrag der Fracht begrenzt. Im Unterschied zur Regelung bei internationalen Beförderungen ist diese Haftungsbegrenzung mithin nicht abhängig vom Gewicht des Frachtgutes. Reine Vermögensschäden, also unabhängig von einem Güter- oder auch Verspätungsschaden entstandene Schäden aus Schlechtleistung im Sinne von § 280 BGB und anderen Pflichtverletzungen mit Transportbezug (z.B. falsche Auskunft, Nichteinhaltung von Absprachen) sind nach § 433 HGB bis zum Dreifachen der Entschädigung für Verlust des Gutes zu entschädigen.. Eine vergleichbare Regelung für internationale Beförderungen fehlt. Wie bereits unter Art. 28 CMR wird durch § 434 HGB eine Anspruchskonkurrenz mit außervertraglichen Ansprüchen ausgeschlossen. Auch für Ansprüche Dritter, dh nicht am Beförderungsvertrag beteiligter Parteien, z.B. Eigentümer des beförderten Gutes, gelten grundsätzlich die frachtvertraglichen Haftungsbegrenzungen, jedenfalls dann, wenn der Dritte der Luftbeförderung zugestimmt hat oder zumindest mit ihr gerechnet hat. Fehlen indes diese Voraussetzungen, so entfallen die Haftungsbeschränkungen nur dann, wenn der Luftfrachtführer die fehlende Befugnis des Absenders kannte oder fahrlässig nicht kannte, es sei denn, dem Absender ist das Gut vor der Beförderung abhanden gekommen (§ 434 Abs. 2 HGB). 80 – 16.6 Die Schadensanzeige Solange der Luftbeförderungsvertrag dem Luftverkehrsgesetz unterlegen hatte, galt hinsichtlich einer Schadensanzeige für den Ersatzberechtigten die in §§ 47 iVm 40 LuftVG a.F. normierte Verpflichtung, zur Wahrung seines Anspruches spätestens drei Monate, nachdem er von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hatte, diesem den Schaden anzuzeigen. Anders als nach internationalem Recht bestand eine Anzeigeverpflichtung nicht nur für Beschädigung, sondern auch für Zerstörung und Verlust. Im Handelsgesetzbuch erfolgt nunmehr die Regelung der Schadensanzeige für Verlust und Beschädigung analog Art. 30 CMR in § 438 HGB. Eine vorbehaltslose Annahme der Sendung bedeutet nicht Verlust des Anspruches, sondern lediglich Vermutung ihrer vertragsgemäßen Ablieferung (Beweislastumkehr analog Art. 26 WA/HP und Art. 31 MÜ, wobei einheitsrechtlich allerdings eine Anzeige nur für Fälle der Beschädigung gefordert wird). § 438 HGB fordert bei erkennbaren Schäden eine – formlose – Anzeige zum Zeitpunkt der Ablieferung, bei nicht erkennbaren Schäden eine solche binnen 7 Tagen nach Ablieferung. Demgegenüber fordern Art. 26 WA/HP und Art. 31 MÜ eine Erstattung der Schadensanzeige bei Beschädigung innerhalb von 14 Tagen nach Ablieferung, unterschiedslos, ob der Schaden erkennbar war oder nicht. Eine Lieferfristüberschreitung ist nach § 438 HGB zur Aufrechterhaltung des Anspruches binnen 21 Tagen nach Ablieferung anzuzeigen (entsprechende Regelung auch in Art. 26 WA/HP und Art. 31 MÜ). In der Schadensanzeige ist der Schaden „hinreichend deutlich zu kennzeichnen“, mithin sind allgemeine Angaben zur Schadensbeschreibung nicht ausreichend. 16.7 Verjährungsregelung Analog Art. 32 CMR ist in § 439 HGB die Regelung der Verjährung ausgestaltet. Die Frist beträgt ein Jahr, im Falle des Vorsatzes und der bewussten Leichtfertigkeit des Schädigers drei Jahre, jeweils beginnend mit dem Tage der Ablieferung. Einheitsrechtlich ist die Frist des Art. 28 WA/HP bzw Art. 35 MÜ dagegen als Ausschlussfrist bestimmt. Sie beträgt unabhängig vom Verschuldensgrad des Ersatzpflichtigen zwei Jahre. 16.8 Die Beförderungsdokumente Vergleichbar mit den einheitsrechtlichen Regelungen ist auch nach nationalem Recht der Luftbeförderungsvertrag Konsensualvertrag. Nach §§ 408, 409 HGB besteht kein Frachtbriefzwang (anders unter Warschauer Abkommen/Haager Protokoll: dort ist die Nichtausstellung sanktionsbewehrt [Art. 9 WA/HP]; demgegenüber Montrealer 81 – Übereinkommen: keine Sanktion [Art. 9 MÜ], jedoch kann der Luftfrachtführer die Ausstellung eines Frachtbriefes vom Absender verlangen, zudem ist seine Ausstellung üblich (Kirsch, in Kölner Kompendium Luftrecht, Bd 3, Teil I A, Rdnr. 200). Ein ausgestellter und unterschriebener Frachtbrief beweist den Abschluss und den Inhalt des Vertrages sowie die Übernahme des Gutes durch den Frachtführer; fehlt ein entsprechender Eintrag des Luftfrachtführers, wird der äußerlich gute Zustand des Gutes und die Übereinstimmung von Zahl und Bezeichnung mit den Angaben im Luftfrachtbrief vermutet. 17 Schlussbemerkung Das Inkrafttreten des Montrealer Übereinkommens schafft Transparenz im Hinblick auf das Regelwerk, dem der internationale Luftverkehr unterliegt. Die bisherige Vielzahl von völkerrechtlichen Abkommen und Protokollen, europarechtlichen Bestimmungen und privatrechtlichen Vereinbarungen werden – wenn hinreichend viele der großen Luftverkehr betreibenden Staaten das Übereinkommen ratifizieren – wieder zu einem einzigen Instrument zusammengeführt. Damit relativiert sich aber auch zugleich die Bedeutung der neuen Regelungen im Montrealer Übereinkommen. Denn die Haftungsregelungen für Passagierschäden, die zu einer gleichsam unbeschränkten Haftung des Luftfrachtführers führen, finden sich heute bereits in der Verordnung (EG) 2027/97 und im IATA Intercarrier Agreement. Die Haftungsregelungen für Frachtschäden, insbesondere auch die Regelung der Unverbrüchlichkeit der Haftungsgrenzen selbst in Fällen groben Verschuldens, ebenso wie die Einräumung der Möglichkeit, auf elektronische Dokumentation zurückzugreifen, sind bereits Bestandteil des seit Juni 1998 – wenngleich nicht in Deutschland – gültigen Montrealer Protokolls Nr. 4. Und auch die Regelungen über die Haftungsverteilung zwischen vertraglichem und ausführendem Luftfrachtführer beim Code-Sharing sind aus dem seit rund 40 Jahren bestehenden Zusatzabkommen von Guadalajara übernommen. Somit liegt die große Bedeutung des Montrealer Übereinkommens in der Vereinheitlichung all dieser Regelungen in einem einzigen Übereinkommen, wodurch für alle am Luftbeförderungsvertrag beteiligten Parteien Rechtsklarheit und Rechtssicherheit geschaffen wird. Die Vorschriften der §§ 407ff HGB finden vorrangig nur auf innerdeutsche Luftfrachttransporte Anwendung. Diese wiederum haben wegen der geringen Ausdehnung 82 – der Bundesrepublik Deutschland lediglich eingeschränkte Bedeutung. Dort, wo das Einheitsrecht Lücken lässt, können indes die §§ 407ff HGB herangezogen werden, sofern die Vorschriften des Internationalen Privatrechts auf die ergänzende Anwendung deutschen Rechts verweisen. 83 – Übersicht Prüfungsschema für den Schadensfall Bestimmung des anwendbaren Rechts: - WA in der Originalfassung von 1929 - WA in der Fassung des Haager Protokolls von 1955 - Montrealer Übereinkommen von 1999 - Nationales Recht, wenn internationale Übereinkommen nicht anwendbar, z. B. Deutschland-Thailand, da Thailand kein Ratifikationsstaat, jeweils abhängig von Abgangs- und Bestimmungsort Bestimmung der Person des Anspruchstellers: Absender stets als Vertragspartei des Luftfrachtführers Empfänger bei Verlust oder bei Verspätung nach Ankunft des Gutes am Bestimmungsort (Art. 13 Abs. 3 WA, WA/HP, MÜ) Empfänger bei Beschädigung als Begünstigter aus dem Beförderungsvertrag vorausgesetzt: - Empfänger hat Annahme des Frachtbriefes oder des Gutes nicht verweigert - Empfänger ist erreichbar - Empfänger hat nicht auf Ausübung seiner Rechte verzichtet - Zahlung der geforderten Beträge, - Erfüllung sonstiger Verpflichtungen aus dem Beförderungsvertrag - Luftfrachtführer hat den Verlust anerkannt oder - nach Ablauf des 7. Tages nach dem vorgesehenen Ankunftstermin Keine Anspruchsberechtigung sonstiger Dritter (Notify, Eigentümer der Sendung), sofern Ansprüche nicht abgetreten. Anspruch des Versicherers aus übergegangenem Recht nach § 67 VVG (alt) bzw. § 86 VVG (neu) Bestimmung der Person des Anspruchsgegners: Vertraglicher Luftfrachtführer Ausführender Luftfrachtführer, aber beschränkt auf seinen Beförderungsabschnitt Nachfolgender Luftfrachtführer bei Sukzessivbeförderung: - Absender gegen den 1. und den tatsächlich verantwortlichen L. - Empfänger gegen den letzten und den tatsächlich verantwortlichen L. Schadensanzeige: (Substantiierte) Schadensanzeige erforderlich (nur) bei Beschädigung einschl. Teilverlust und Verspätung Vorbehalt bei Annahme der Sendung? wenn nein – Umkehr der Beweislast Schadensanzeige bei Beschädigung einschl. Teilverlust unverzüglich, aber jedenfalls 84 – binnen 7 Tage WA 1929, 14 Tage WA/HP, MÜ nach Annahme des Gutes, bei Verspätung unverzüglich, aber jedenfalls binnen 14 Tage WA 1929, 21 Tage WA/HP, MÜ nach Verfügungstellung des Gutes Fehlende oder nicht rechtzeitige oder nicht substantiierte Schadensanzeig e – kein Anspruch wegen Beschädigung oder Verspätung! (es sei denn, Luftfrachtführer ist aus anderer Quelle, z.B. eigene Mitarbeiter, Zollpapiere, über Schaden informiert) Geltendmachung und Nachweis der Höhe des Schadens: Berechnung der Haftungsgrenzen: Gewicht der Sendung x 27,35€ (WA, WA/HP) bzw. x 19 SZR (MÜ) bei Teilschaden: Gesamtgewicht der jeweils betroffenen Stücke x 27,35€ bzw. 1 9 SZR Haftung nach WA, WA/HP wegen vermuteten Verschuldens des Luftfrachtführers oder seiner Leute, es sei denn, Entlastungsbeweis nach Art. 20 (Nachweis aller erforderlichen Maßnahmen….) oder Art. 21 (Mitverschulden des Geschädigten Durchbrechung der Haftungsgrenze: Grundsätzlich begrenzte Haftung, es sei denn, Dokumentenfehler gem. Art. 9 oder grobes Verschulden des Luftfrachtführers oder seiner Leute gem. Art. 25 WA (Vorsatz oder dem Vorsatz gleichstehendes Fahrlässigkeit) bzw. Art. 25 WA/HP (Absicht oder Leichtfertigkeit) Haftung nach MÜ verschuldensunabhängig für Beschädigung, Zerstörung oder Verlust, Haftung für Verspätung nur, wenn Luftfrachtführer nicht nachweisen kann, dass er und seine Leute alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des Schadens…, (Art. 19 MÜ) Haftungsausschlussgründe (vier) gemäß Art. 18 Abs. 2 MÜ bzw. mitwirkendes Verschulden des Absenders/Empfängers (Art. 20 MÜ) Haftung begrenzt auf 19 SZR, keine Durchbrechung möglich, Anhebung allenfalls durch Vereinbarung oder Wertdeklaration Gemischte Beförderung gem Art. 31 WA/HP bzw. Art. 38 MÜ Anspruch nach WA/HP bzw. MÜ nur, wenn Schaden nachweislich während Luftbeförderung verursacht Anspruch nach Recht des Oberflächenbeförderungsmittels nur, wenn Schaden nachweislich während Oberflächenbeförderung verursacht bei unbekanntem Schadensort: §§ 407, 425ff HGB bei Vor- und Nachtransporten Anspruch nach WA/HP bzw. MÜ, sofern Schaden nicht nachgewiesenermaßen auf Vor- bzw. Nachtransport verursacht Möglichkeit der Einleitung eines Schiedsverfahrens gem Art. 32 Satz 2 WA/HP bzw. Art. 34 MÜ Gerichtsstand Vier Gerichtsstände gemäß Art. 28 WA/HP bzw. Art. 33 MÜ zusätzlich bei MÜ Gerichtsstand am Ort des Wohnsitzes oder der Hauptniederlassung des ausführenden Luftfrachtführers nach Art. 46 MÜ 85 – Klagefrist Ausschlussfrist 2 Jahre beginnend am Tage, an dem das Luftfahrzeug angekommen ist bzw. hätte ankommen sollen bzw. die Beförderung abgebrochen worden ist (Art. 29 WA/HP bzw. Art. 33 MÜ) 86 – Literaturverzeichnis 1) Fremuth/Thume, Kommentar zum Transportrecht, 1. Aufl. 2000 2) Giemulla/Schmid, Frankfurter Kommentar zum Warschauer Abkommen, Loseblattsammlung 3) Giemulla/Schmid, Frankfurter Kommentar zum Montrealer Übereinkommen, Loseblattsammlung 4) Hobe/von Ruckteschell, Kölner Kompendium Luftrecht, Band 3, 2010 5) Koller, Transportrecht, 7. Aufl. 2010 6) Kronke, in Münchener Kommentar, Handelsgesetzbuch Band 7, Warschauer Abkommen, 1997 7) Mühlbauer, in Geigel, Haftpflichtprozeß, Kap. 29, 26. Aufl. 2010 8) Reuschle, Kommentar zum Montrealer Übereinkommen, 1. Aufl. 2005 9) Ruhwedel, in Münchener Kommentar, Handelsgesetzbuch Band 7, Montrealer Übereinkommen, 2010 10) Ruhwedel, in Münchener Kommentar, Handelsgesetzbuch Ergänzungsband 7a, Luftverkehrsgesetz, 1998 11) Ruhwedel, Der Luftbeförderungsvertrag, 3. Aufl., 1997 (zitiert Ruhwedel, Rdnr.) 12) Thonfeld, Fachkommentar Transportrecht 87 – Anhang (Dokumente) 1) Luftfrachtbrief Vorderseite 2) IATA Resolution 600b (=Rückseite des Luftfrachtbriefes) 3) Allgemeine Beförderungsbedingungen für Fracht der Lufthansa Cargo Aktiengesellschaft (Stand März 2011) Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Lufthansa Cargo AG 4) Gesetz zur Durchführung des Übereinkommens vom 28. Mai 1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr und zur Durchführung der Versicherungspflicht zur Deckung der Haftung für Güterschäden nach der Verordnung (EG) Nr. 785/2004 (MontÜG) 5) Neunte Verordnung zur Änderung der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung 88 – 89 – 90 – 91 – 92 –