38 § 7 Auflösung und Abwicklung, Gesellschafterwechsel, fehlerhafte Gesellschaft bei der OHG I. Lernziel Besonderheiten der OHG gegenüber BGBG bei Auflösung und Abwicklung (Erleichterung des Fortbestandes) Einblick in wichtige Fragen der Kautelarpraxis, vor allem zur Vererbung der Gesellschafterstellung Normative Kraft des Faktischen im Gesellschaftsrecht vor dem Hintergrund allgemeiner Rechtsprinzipien. II. Eingangsfragen Welche Bedeutung hat die Liquidation für die OHG? Warum kommt der Kautelarpraxis für die OHG große Bedeutung zu? Warum ist die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung bei nichtigem Gesellschaftervertrag problematisch? 39 III. Auflösung und Abwicklung 1. Auflösung Gründe: a. §§ 131 I HGB: Zeitablauf, Beschluss, Insolvenz der OHG, Gerichtsentscheidung nach § 133 HGB; eventuell Kündigung nach 132 HGB (vgl. § 723 III BGB!); eventuell Kündigung durch Privatgläubiger nach § 135 HGB; weitere Gründe laut Gesellschaftsvertrag, Insolvenz eines Gesellschafters (vgl. § 728 BGB) b. § 131 III HGB als Sonderregelung für Ausscheiden eines Gesellschafters statt der Auflösung (im Zweifel Fortbestand!) c. § 131 II HGB als Sonderregelung für OHG und Co.; 2. Abwicklung §§ 143, 145—158 HGB (weitgehende Vertragsfreiheit, § 158) – aber Bedeutung des HReg! §§ 143, 148 ff., 157 HGB 3. InsO als lex specialis 4. Eventuelle Fortsetzung nach Insolvenz § 144 HGB 40 5. eventuell Übernahme durch einen Gesellschafter durch einstimmigen Beschluss: alle bis auf einen Gesellschafter scheiden aus; damit erübrigt sich Liquidation; statt dessen Abfindung (BGH NJW 1993, 1918 –juris Rn. 24) 6. Haftungsfragen: Schluss der Liquidation lässt Haftung der Gesellschafter unberührt; aber Sonderverjährung nach § 159 IV. Gesellschafterwechsel unter Lebenden (Grundlagengeschäft) 1. Ausscheiden eines Gesellschafters bei Fortbestand der Gesellschaft a. § 131 III HGB: Abfindung nach § 738 BGB (Problem! S. u.), Haftung bleibt bestehen, aber § 161 HGB; HReg! b. Ausschließung eines Gesellschafters § 140 HGB durch Gestaltungsklage der übrigen Gesellschafter; sonst wie zu a. c. Vertragsfreiheit! Grenze bei § 138 BGB (hierzu BGHZ 105, 213 – juris Rn. 12); sonst wie zu a. 2. Eintritt eines Gesellschafters durch Gesellschaftsvertrag Haftung nach § 130 HGB 41 3. Übertragung der Mitgliedschaft (an sich wäre Ausscheiden plus Neueintritt ohnehin möglich) durch Gesellschaftsvertrag zulässig (so BGHZ 44, 229 – juris Rn. 12 ff.) – Möglichkeit unter bestimmten Voraussetzungen kann sogar vorab vereinbart werden! Anteil geht unmittelbar über; sonstige Folgen wie zu (1) und (2). 4. Denkbar ist auch eine Eintrittsklausel, wonach ein Dritter unter bestimmten Umständen seinen Beitritt erklären kann (Annahme durch alle Gesellschafter insoweit antizipiert) V. Gesellschafterwechsel im Erbfall 1. Grundsätzliches: OHG soll durch Tod nicht aufgelöst sein, sondern fortbestehen: die Rechtsnachfolge richtet sich nach § 1922 BGB und tritt ipso iure ein was vererbt wird, bestimmt Gesellschaftsrecht bzw. der Gesellschaftsvertrag 2. Eintrittsklausel: a .gesellschaftsrechtliche Klausel, wonach im Todesfall des Gesellschafters der Erbe das Recht hat, durch einseitige Erklärung seinen Beitritt zur OHG zu vollziehen. b. Beitragspflicht liegt in dem Belassen des mit dem Nachlass erworbenen Erblassers Abfindungsanspruchs des ausgeschiedenen 42 3. Nachfolgeklausel: a. Gesellschaftsvertrag lässt Übertragung an Erben zu und b. der Betreffende wird kraft Gesetzes oder kraft Testaments Erbe c. Folge: Übergang der Mitgliedschaft kraft Gesetzes ipso iure, wobei der Erbe besonders geschützt wird: er kann, um nicht zu haften, nicht nur Erbe ausschlagen (§§ 1942 ff. BGB), sondern nach § 139 HGB vorgehen: Kommanditist werden oder ausscheiden. d. Problem: mehrere Berechtigte und Erben! Erbengemeinschaft als Gesamthand kann nicht Gesellschafter sein! BGH löst Konflikt i.S. des Vorrangs des Gesellschaftsrechts, so dass alle Erben unmittelbar Gesellschafter werden (vgl. BGHZ 22, 186 – juris Rn. 16) . 4. qualifizierte Nachfolgeklausel: Wie (3), wobei aber nur einer oder einzelne Erben Gesellschafter werden können. Folge nach h.M. und BGHZ 68, 225 – juris Rn. 27) : Unmittelbarer Erwerb der gesamten Erblassers seitens derer, die berufen sind (Vorrang Gesellschafterstellung des gesellschaftsrechtlich dazu des Gesellschaftsrechts mit Sondererbfolge); zugleich Ausgleichspflicht entsprechend Erbquote: übrige Erben müssen abgefunden werden. Praktisches Problem: Abfindungspflicht kann OHG gefährden! Stand 2. 6. 2010 43 VI. Problematik von Abfindungsklauseln 1. Abfindung des Ausgeschiedenen an sich nach § 738 I 2 BGB i.V. mit § 105 II HGB. a. Feststellung ist aufwendig; daher wird häufig auf Buchwert abgestellt. b. Interessenkonflikt! Ausgeschiedener hat Interesse an hoher, OHG an niedriger Abfindung! c. bei niedriger Abfindung Erschwerung der Kündigung durch Gesellschafter; Disziplinierung! d. Vertragsfreiheit 2. Abfindungsklauseln an sich zulässig, aber Grenzen nach § 138 BGB; praktisch schwierige Frage!. V. „Fehlerhafte Gesellschaft“ (nicht nur zur OHG!) Z.B. A, B und C schließen Gesellschaftsvertrag zum Betrieb einer Konservenfabrik; nach fünf Jahren gehen die Geschäfte schlecht, und es stellt sich heraus, dass ein versteckter Einigungsmangel vorlag (betreffend Kündigung und Liquidation). A möchte aus der OHG heraus; B und C widersprechen: eine Kündigung sei nicht möglich (vgl. BGH Z 3, 285) 44 1. Gewohnheitsrechtlicher Satz: Mängel der Wirksamkeit eines Gesellschaftsvertrages führen nicht zur Nichtigkeit, wenn die Gesellschaft „in Vollzug gesetzt“ wurde; statt dessen a. o. Kündigung bzw. Auflösungsklage mit Wirkung für die Zukunft; Voraussetzung ist zumindest vermeintlicher Vertragsschluss; fehlt dieser, dann eventuell Haftung für Rechtsschein. 2. Voraussetzungen und Grenzen: a. In Vollzug gesetzt: OHG hat mit der Aufnahme der Geschäfte begonnen; Dritte sind betroffen. Gesellschafter, die der Aufnahme der Tätigkeit nicht zugestimmt haben, haften aber nur beschränkt! b. mögliche Mängel: Dissens, Anfechtbarkeit (auch wegen Täuschung!), Nichtigkeit (auch nach § 138 BGB), fehlende Geschäftsfähigkeit eines Gesellschafters (dieser wird aber von Haftung ausgenommen!) c. Grenzen: sittenwidriger Gesellschaftszweck, Schutz nicht voll Geschäftsfähiger. d. Anwendungsbereich: Abschluss des Gesellschaftsvertrages, seine Änderung, Eintritt oder Ausscheiden eines Gesellschafters 3. Praktische Bedeutung: hoch aktuell bei der Anfechtung eines Anteilserwerbs an sog. geschlossenen Fonds: Erwerber trägt Verluste, die vor der Anfechtung entstanden sind. V. Zur Nachbereitung Worin liegt die Problematik der Abfindungsansprüche? Was ist eine „Hinauskündigungsklausel“, und ist sie zulässig? Was versteht man unter einer „Übernahme“? Erklären sie die Begriffe: Fortsetzungsklausel, Nachfolgeklausel und qualifizierte Nachfolgeklausel Eintrittklausel, Kann ein Minderjähriger Mitglied einer fehlerhaften Gesellschaft sein? Ist der Gesellschaftsbeitritt anfechtbar, wenn man arglistisch getäuscht wurde?