Artikel über Varizellen Komplikationen Komplikationen sind bei immungesunden Kindern im Vorschulalter relativ selten. Eine in Deutschland durchgeführte epidemiologische Studie zeigte allerdings, dass 16,3 % der Fälle einen schweren Verlauf nehmen (Wutzler et al., 2002). Die Komplikationsrate ist bei immunkompetenten Patienten am höchsten im ersten und nach dem 16. Lebensjahr. Mit zunehmendem Lebensalter und unter immunschwächenden Bedingungen treten Komplikationen häufiger und schwerer in Erscheinung (Krugman et al. 1992). Als häufigste Komplikationen sind bakterielle Superinfektionen der Effloreszenzen und Schleimhautinfektionen zu beobachten (Choo 1995) . Diese führen auch am häufigsten zur Krankenauseinweisung (Jackson et al. 1992) . Gefürchtet sind auch heute noch - trotz Antimikrobiotika - Zellulitis (Phlegmone), nekrotisierende Fasziitis, Pyomyositis, Osteomyelitis, Sepsis, Toxin-Schock-Syndrom, weniger Otitis media und externa, Impetigo, Abszesse, Lymphadenitis und Bronchopneumonie (Handrick et al. 2001). Neurologische Komplikationen können alle Teile des Zentralnervensystems betreffen (Jemsek et al. 1983; Feigin et al. 1992). Die Varizellen-Enzephalitis und die zerebellare Ataxie Zerebellitis genannt - unterscheiden sich hinsichtlich Häufigkeit und Schwere deutlich. Die Enzephalitis tritt in einer Häufigkeit von 1 auf 40.000 Erkrankungen (Schuster et al. 2001) seltener auf, verläuft aber deutlich schwerer mit Krämpfen, Bewusstlosigkeit und Lähmungen und hinterlässt nicht selten bleibende Schäden, sofern der Patient sie überlebt. Eine Zerebellitis gehört mit ihrer Häufigkeit von 1 auf 5000 Erkrankungen zu den häufigeren ZNSKomplikationen und hat im Gegensatz zur Enzephalitis eine gute Prognose. Bei einer allgemeinen Blutungsneigung unterschiedlicher Genese können die Effloreszenzen hämorrhagisch werden. Besteht eine erhebliche Thrombozytopenie oder eine schwere Störung der Blutgerinnung, kann sich eine Purpura fulminans mit letalem Ausgang entwickeln. Lebensbedrohlich verlaufende hämorrhagische Windpocken sind aus den frühen 60erJahren bekannt, wenn eine Behandlung mit Kortikosteroiden plötzlich abgesetzt wurde, weil dadurch eine Nebenniereninsuffizienz entsteht, die schwerste Blutungen in der Haut und in inneren Organen zur Folge hat (Rai und Pouw 1964). Diese Gefahr droht vor allem bei Patienten, die unter einer systemischen Dauertherapie mit Kortison stehen (Starr et al. 1992) . Die primäre Varizellen-Pneumonie tritt in aller Regel bei Neugeborenen oder Erwachsenen auf und verläuft häufig schwer . Eine besondere Gefahr bedeutet die Varizelleninfektion für das Ungeborene in den ersten Schwangerschaftsmonaten (Embryofetopathie) und für das Neugeborene (angeborene Varizellen). Der Verlauf der Infektion ist beim Neugeborenen umso schwerer, je näher die mütterliche Infektion am Geburtszeitpunkt liegt. Beginnen die Varizellen bei der Mutter weniger als 5 Tage vor der Geburt, dann wirkt sich die fehlende Leihimmunität auf den Krankheitsverlauf des Neugeborenen besonders ungünstig aus. (Siehe hierzu auch Kapitel »Risiko Schwangerschaft«.) Neben den bisher beschriebenen Komplikationen gibt es noch andere Organmanifestationen, die unterschiedlich schwer verlaufen können. So verursachen Effloreszenzen am Auge nicht selten ein starkes Lidödem und eine Konjunktivitis und manchmal sogar eine Keratitis oder Iridozyklitis. Eine an der Kehlkopfschleimhaut sitzende Varizelleneffloreszenz vermag eine stenosierende Laryngitis, den Varizellen-Krupp, hervorzurufen. Seltener treten Myo- und Perikarditis sowie eine Hepatitis, Arthritis und Orchitis auf. 1