1 Überfall löscht ein ganzes Dorf aus

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PS Geschichtspsychologie
Präsentation
Baumgartner, Eva
Simon, Sandra
Handout
0102932
0105691
20.01.2003
Psychologische Aspekte
des Massakers von Schletz
1 Überfall löscht ein ganzes Dorf aus
1.1 Was war geschehen?
Skelette, wild über- und untereinander liegend, fast alles Männer
und alle sind sie eines gewaltsamen Todes gestorben. Wurde bereits
vor 7000 Jahren in einem Krieg versucht, ein ganzes Dorf
auszurotten?
Dieser Frage geht Dr. Helmut Windl im nach. Seit 1983 wird in
Asparn/Schletz , 20 Kilometer außerhalb Wiens, eine
bandkeramische Siedlung ausgegraben. Die Funde aus der Zeit um
5000 vor Christus geben den Wissenschaftlern bis heute Rätsel auf.
Denn bei den Ausgrabungsarbeiten wurden an die 300 menschliche
Skelette gefunden, die ungeordnet, teils zerlegt und übereinander,
lagen: zertrümmerte Schädel, Skelette, bei denen die Extremitäten fehlten, zerstückelte Knochen,
Fraßspuren an Extremitäten, dazwischen Tierknochen. "Diese Menschen fanden alle einen
unnatürlichen Tod. Die Skelette wiesen Verletzungen meist am Schädel auf, die durch
Gewalteinwirkung hervorgerufen wurden. Es konnte auch festgestellt werden, dass die Toten längere
Zeit unbestattet liegen blieben", so Dr. Windl. Auffallend auch, so der Hofrat, dass nur wenige
Skelette von Mädchen und jungen Frauen gefunden wurden.
Bis zu jenem verhängnisvollen Tag sei die Siedlung offenbar ein blühendes Gemeinwesen gewesen.
"Wir entdeckten Langbauten, Abfallgräben, Reste von Wandpfosten und Backgruben," erklärte Dr.
Windl. Der Plan der Anlage zeigt, dass auf dem Areal drei Gräben angelegt waren, teilweise
übereinander. "In diesem Gebiet standen die Langhäuser zwischen kleinen Feldern, die gartenartig
angelegt waren. Die Beete waren umzäunt. Wir nehmen an, dass sich das Vieh frei im
Siedlungsbereich bewegen konnte". Außerdem wurden Kultur- und Wildpflanzen wie das Einkorn,
Emmer, Erbse, Linse und Mohn nachgewiesen. Entdeckt wurden auch ein acht Meter tiefer Schacht,
der als Brunnen benutzt wurde, Bandkeramik, ein seltenes Gesichtsgefäß, Gefäßtaschen in Form von
Tierköpfen, Knochengeräte und Schmuck. Kurz: Alles, was die Menschen der Bandkeramikkultur
zum Leben brauchten - bis die Katastrophe über sie herein brach.
1.2 Die Datierung des Massakers
Im Kreisgraben von Schletz bei Asparn an der Zaya wurden Teile von an die 50 menschlichen
Skeletten gefunden. Dr. Teschler hat festgestellt, dass beim Großteil traumatische Verletzungen
vorliegen, die zum Tode geführt haben. Manche wurden mit bis zu 5 tödlichen Hieben niedergestreckt.
D.h. auch am Boden liegend wurde auf die Opfer noch mit den sog. Schuhleistenkeilen eingeschlagen.
Universität Wien, Institut f. Psychologie, FB Allgemeine Psychologie, Dr. Ali Al-Roubaie
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Die Altersverteilung zeigt eine komplette Population mit Kindern und Erwachsenen, lediglich junge
Frauen fehlen.
Nach dem Mord wurden die Toten in den die Siedlung umschließenden Graben geworfen und waren
über einige Monate dem Tierfraß (Hunde oder Wölfe nach Zahnabdrücken zu schließen) ausgeliefert.
Anscheinend erst das langsame Einsickern von Humus in den Graben hat die Skelette zugedeckt und
in dieser Position konserviert.
Die einem Massaker zum Opfer gefallenen Frauen, Männer und Kinder, die in einem rund 7000 Jahre
alten, jungsteinzeitlichen Grabenwerk bei Schletz/Asparn a.d.Zaya entdeckt worden sind, geben
Anlass sich über die Fragen nach der Entstehung von Kriegen zu stellen. Es bleibt festzuhalten, dass
sowohl Krieg, wie Frieden, Aggression wie Konfliktbewältigung, allgemein menschliche Fähigkeiten
sind - zumindest seit der Mensch vom "Baum der Erkenntnis von Gut und Böse" genascht hat.
1.3 Was versteht man unter „Bandkeramische Kultur“
Bandkeramische Kultur, die älteste Kultur der Jungsteinzeit zwischen 6000/5000 und 4800/4700 v.
Chr., benannt nach der charakteristischen Verzierung der Keramikgefäße mit Linien in Band-, Spiralund Mäanderform.
Das Verbreitungsgebiet in Österreich umfasst das oberösterreichische und niederösterreichische
Alpenvorland und das Burgenland, der Siedlungsschwerpunkt ist aber das Lößgebiet des Weinviertels.
1.4 Warum wurde diese Siedlung ausgerottet?
Ein erstes Anzeichen für unruhige Zeiten ist der doppelte, ovale Graben. Dieser war mit Sicherheit
eine Wehranlage. Besonders aufschlussreich ist der Fund eines rund 7,5 m tiefen, mit Holz
ausgeschachteten Brunnens innerhalb der „Burg“. Wozu sich diese Arbeit antun, wenn sich in
unmittelbarer Nähe ohnedies eine Quelle befindet, wenn nicht deshalb um bei Belagerungen die
Versorgung mit Lebens notwendigem Wasser sicherzustellen? Ein weiteres Anzeichen sind
Mangelerscheinungen (Missernten?), die durch Knochenuntersuchungen zu Tage kamen. Waren
Nahrungsmittelvorräte der Grund für den Angriff? Oder ging es um den Raub junger Frauen? Die
genaue Untersuchung der Skelette ergab, dass unter den Toten zwar viele Männer, einige Kinder und
ältere Frauen waren aber keine einzige junge Frau. Was ist damals mit ihnen geschehen? Wurden sie
geraubt?
2 Aggressionsaspekte
- Bushman
2.1 Zweiteilung der Aggression
Feindliche
hot blooded
Zornig, impulsiv
Ziel:
Zielorientierte
Töten, Schaden anrichten
cold blooded
Kalkuliert, geplant
Ziel:
Geld erhalten, Ruf verteidigen, recht bekommen
2.2 Kognitionspsychologisch-empirisches Modell
von Sheldon Levy
Zwei Probleme treten auf bei der Untersuchung von Intergruppenkonflikten. Zum einen, ob unser
Verhalten von mehr beeinflusst wird, als von der Umwelt und gewissen mitgebrachten Anlagen, also
inwieweit sind psychische Prozesse bedeutend. Und auch das Problem, dass die Psychologie sich mit
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dem Individuum beschäftigt, kann also dadurch das Verhalten von sozialen Gruppen erklärt und
verstanden werden? Gibt es vorhersagbares menschliches Handeln unter bestimmten Bedingungen?
Und wie sehr beeinflusst die Gruppe dieses durch Konformität und Abhängigkeit in und von ihr?
Verschiedene Experimente haben bewiesen, dass besondere äußere Umstände die Wahrscheinlichkeit
von Aggression erhöhen. Aber kann man auch empirisch nachweisen, wie sich ein Konflikt entwickelt
und endet.
2.3 Softwareprogramm
von Charlotte Hemelrijk
2.3.1
Ziel der Untersuchung
Ziel dieser Untersuchung ist es, Wirkung der dominanten Wechselbeziehungen aus die Raumaufteilung und die Sozialstruktur einer Gruppe zu erforschen, ausgeführt und beobachtet in einer computersimulierten Umwelt.
Hemerijk unterscheidet drei verschiedene (aggressive) Verhaltensmuster, die die Individuen einer
Gruppe bei Rangkämpfen aufweisen und die Grundlage ihres Experiments sind:
1. The ambiguity reducing attack strategy (ARAS) : Die Rangkämpfe unter den Individuen hören
auf sobald sie gegenseitig ihren Rang anerkennen
2. Risk sensitive attack strategy (RSAS) : Die Wahrscheinlichkeit einer Aggression hängt von
dem hohen oder niedrigen Risiko für den Angreifer ab.
3. Obligate attack strategy (OAS) : Individuen attackieren jedes andere Individuum auf das sie
treffen.
Jedes dieser Verhaltensmuster führt zur Entwicklung einer Hierarchie. Je mehr und je öfter
Rangkämpfe durchgeführt werden, desto genauer ist die Differenzierung der einzelnen Ränge, was
wiederum Auswirkungen auf die Raumaufteilung und Stabilität der Gruppe hat (z.B. befinden sich bei
der RSAS die dominanten Individuen im Zentrum der Gruppe).
Da die Erforschung dieser Verhaltensmuster in der Realität schwierig ist (so kann beispielsweise bei
der Beobachtung einer Primatengruppe nicht immer nur eine Variable verändert werden), schafft
Hemelrijk eine künstliche Welt, in der simulierte Individuen (Agenten) Rangkämpfe miteinander
austragen.
3 Denkbare Belief – Systeme
Wir konzentrieren uns vorerst auf die Frage, welche Belief-System für die gegenständliche Gesellschaft denkbar sind. Zur Illustration greifen wir aus den möglichen mentalen Modellen zwei heraus (es
gibt mehr!): ein kulturell-religiöses und ein ökonomisch-machtorigentiertes. Damit sind auch schon
die kognitiven Strategien angesprochen, welche letztendlich zur Fundsituation geführt haben könnten.
Modell
Kultur Religion
Entscheidung A
Phase 1 Ethnische Säuberung
Phase 2 Andersdenkender
Entscheidung B
Demütigung des
Nachbarstammes
Nachbarstamm ausrotten
Nachbarstamm
Ende
Phase 3 Ausrottung dieser
Rivalitätskampf
Glaubensgruppe
Phase 4 Die Überlebenden kommen
zurück und deponieren die
Toten in den Gräben
Pro: kulturelle oder religiöse
Die Sieger deponieren die
Toten in den Gräben.
Pro: kulturelle oder religiöse
Motive (?), um das
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Modell
Macht Ökonomie
Ende
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Phase 4
Motive (?), um das Siedlungsgelände zu räumen.
Kontra: Im Fall von kulturell /
religiösen Motiven wären die
Leichen bestattet worden. Sie
wurden jedoch lediglich
verlagert.
Siedlungsgelände zu räumen.
Kontra: Die Sieger hatten
kein Interesse an den
Ressourcen der Siedlung.
Möglicherweise verweisen die
Skelettteile im Brunnen auf
absichtliche Kontaminierung.
Entscheidung A
Entscheidung B
Naturkatastrophe
Lebensraum zu eng
Missernten
Nachbarsiedlung übernehmen
Nahrungsmittelknappheit
Nachbarsiedlung ausrotten
Ein Großteil der Kämpfe findet
in den Gräben statt. Die
Gefallenen werden dort
belassen. Allfällig anderswo
Getötete werden zum gros der
Leichen hinzu gelegt
Pro: Ein 2-Fronten-Angriff?
Gibt es gehäufte
Leichenfunde in der Nähe
zumindest eines der Tore?
Kontra: das Aufsuchen der
Gräben durch die attackierte
Bevölkerung ist
möglicherweise taktisch
sinnlos
Es gibt keinen Kampf. Die
Leichen sind das Resultat
einer Massenexekution, die im
Graben stattfindet
Pro: Es wurden keine Waffen
gefunden. Allfällige Waffen
kamen nicht zum Einsatz und
wurden als Beutegut von den
Siegern mitgenommen.
Anthropologische Befunde der
Traumata? (ev. stereotype
Verletzungen)
Kontra: die angegriffene
Population würde sich
wehren. Wer ein Dorf
fortifiziert, besitzt auch Waffen
und benützt sie.
4 Literatur
Bushman, B. J. & Anderson, C. A. (2001): Is It Time to Pull the Plug on Hostile Versus Instrumental
Aggression Dichotomy? Psychological Review 2001, Vol 108, 273-279
Gingrich, A. (2001): Fremder Friede? In: F. Daim & Th. Kühtreiber (Hrsg.), Sein und Sinn. Burg und
Mensch. Katalog des NÖ Landesmuseums, St. Pölten: 2001 (S. 161-167)
Hemelrijk, C. K. (1998): Risk Sensitive and Ambiguity Reducing Dominance Interactions in a Virtual
Laboratory. Proceedings of the fourth international conference on simulation of adaptive behavior.
From Animals to animats 5,1
Orschiedt, J. (2001): Krieg im Neolithikum. In: F. Daim & Th. Kühtreiber (Hrsg.), Sein und Sinn.
Burg und Mensch. Katalog des NÖ Landesmuseums, St. Pölten: 2001 (S. 155-160)
Petrasch, J. (2001): Krieg in der Steinzeit? In: F. Daim & Th. Kühtreiber (Hrsg.), Sein und Sinn. Burg
und Mensch. Katalog des NÖ Landesmuseums, St. Pölten: 2001 (S. 152-154)
Sheldon, G. L. (2001): Psychology and the study of inter-group conflict. Peace Economics, Peace
Science and Public Policy (PEPS), Cornell University, Vol. 7. No. 2. Spring 2001
Windl, H. (2001): Krieg und Frieden. In: F. Daim & Th. Kühtreiber (Hrsg.), Sein und Sinn. Burg und
Mensch. Katalog des NÖ Landesmuseums, St. Pölten: 2001 (S. 149-151)
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