Unterzeichnung der Europäischen Charta für Herzgesundheit, 28. Mai 2008 Prof. Dr. med. Hugo Saner, President European Association for Cardiovascular Prevention and Rehabilitation Herz- und Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigste Todesursache bei Frauen und bei Männern in der Schweiz wie auch in der übrigen westlichen Welt. Zwar hat die altersbezogene Todesfallrate an Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den letzten 20 Jahren leicht abgenommen, dieser Trend hat sich vor allem bei Personen im Alter von unter 44 Jahren in den letzten Jahren deutlich abgeflacht. Altersbezogen nehmen die Erkrankungshäufigkeit und die Todesfallhäufigkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Schweiz bei Frauen im Alter von unter 50 Jahren und bei jungen Erwachsenen mit Übergewicht und Diabetes zu. Dies ist in erster Linie bedingt durch eine Verschlechterung unserer Lebensgewohnheiten mit Abnahme der körperlichen Aktivität, zunehmend ungesundem Essverhalten, Rauchen und psychosozialem Stress. Mangelnde Bewegung und Fehlernährung sind die Hauptursachen für eine erschreckende Zunahme des Übergewichts bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit der Folge eines immer früheren Auftretens von Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), welcher zu Gefässschädigungen vor allem im Bereich des Herzens, der Nieren, der Augen und der peripheren Arterien führt und somit enorme Folgekosten für das Gesundheitswesen mit sich bringt. Aber auch die Spitalaufenthalte für Patienten mit Herz-KreislaufErkrankungen nehmen in den letzten Jahren kontinuierlich zu, weil immer mehr Personen in das Alter kommen, in dem solche Erkrankungen auftreten können. Das Gesundheitswesen steht also vor einer echten Herausforderung. Verschiedene Berechnungsmodelle gehen davon aus, dass Herz-Kreislauf-Krankheiten in der Schweiz Kosten von 3.6 bis 5.6 Milliarden Franken pro Jahr verursachen. Dieser zunehmenden Belastung der Gesellschaft und des Gesundheitswesens steht die Tatsache entgegen, dass das Risiko des Auftretens einer Herz-Kreislauf-Erkrankung durch einen herzgesunden Lebensstil wesentlich reduziert werden kann. Dazu gehören vor allem die Förderung der körperlichen Aktivität und gesunder Ernährungsgewohnheiten sowie die Bekämpfung von Rauchen und Stress. Gleichzeitig müssen fundamentale Umorientierungen im Umfeld bezüglich Agrarpolitik, sozialer Desintegration, Klimaveränderungen und negativen Folgen der Industrialisierung und Urbanisation ins Auge gefasst werden. Diese Massnahmen werden mit dem Begriff Primärprävention umschrieben und sind die effizienteste Intervention zur Reduktion der Zahl der Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems. Daneben geht es um die Früherkennung von Hochrisiko-Patienten durch entsprechend ausgebildete Ärzte und die rechtzeitige Einleitung von therapeutischen Massnahmen zur Behandlung von Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen. Dies mit dem Ziel, das Risiko der Manifestation einer Erkrankung deutlich zu reduzieren. Wenn sich eine Herz-KreislaufErkrankung manifestiert (z. B. in Form von Herzrhythmusstörungen, eines Herzinfarkts, eines Hirnschlags oder einer peripheren Durchblutungsstörung) geht es darum, durch ein geeignetes Programm, enthaltend Lebensstilmassnahmen und optimierte medikamentöse oder falls nötig interventionelle Therapie, das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen, das Risiko von Komplikationen zu reduzieren und eine gute Lebensqualität zu erhalten. Diese letzteren Massnahmen werden mit dem Begriff Sekundärprävention umschrieben. 1 Angesichts der Verschlechterung des Lebensstils im westlichen Europa und des damit verbundenen Risikos einer dramatischen Zunahme von Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat die Europäische Gesellschaft für Kardiologie im Jahr 2002 beschlossen, eine gemeinsame Strategie für alle Mitgliedstaaten zu entwickeln mit dem Ziel, die kardiovaskulären Todesfälle in den nächsten 20 Jahren um 40 Prozent zu reduzieren. Zu diesem Zweck erfolgte eine intensive Zusammenarbeit mit der EU-Gesundheitskommission und der WHO Europa, die in der sogenannten Valentinstag-Deklaration von Luxemburg gipfelte, welche folgenden Wortlaut hat: Jedes Kind, das im neuen Jahrtausend geboren wird, hat das Recht auf ein Leben frei von vermeidbaren Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis zum Alter von mindestens 65 Jahren. Rund um diese Deklaration wurde das European Heart Health Charter als europäisches Manifest zur Verbesserung der Herzgesundheit in Europa formuliert. Was will die Europäische Charta für Herzgesundheit? die Belastung der Gesellschaft und der Gesundheitssysteme durch kardiovaskuläre Erkrankungen in Europa reduzieren die Zusammenarbeit zwischen Politik, Ökonomie und sozialen Systemen über die nationalen Grenzen hinaus mobilisieren als vereinigte Kraft gegen Europas grössten Killer Was ist die Europäische Charta für Herzgesundheit? Die Charta ist eine Vereinbarung zwischen verschiedenen Partnern, welche im Bereich der Herz-Kreislauf-Krankheiten aktiv sind zur Implementierung der Empfehlungen in der Charta zur verstärkten Bemühung um die Verbesserung einer kardiovaskulären Prävention auf europäischer und nationaler Ebene Die Charta deklariert die Zusammenarbeit von Kardiologen und dem europäischen Netzwerk von Herzstiftungen mit allen im Bereich der kardiovaskulären Medizin aktiven Berufsgruppen und der Politik, um dem Staat und den Gesundheitsbehörden effektive Mittel in die Hand zu geben. Sie will, dass präventive Massnahmen gefördert, die Früherkennung verbessert und die Behandlung (und dabei insbesondere die Sekundärprävention durch Lebensstilintervention) verbessert werden. 2 Das European Heart Health Charter wurde am 12. Juni 2007 im Europäischen Parlament unter der Schirmherrschaft der EU-Kommission für Gesundheit und der WHO Europa vom Europäischen Netzwerk der Herzstiftungen (European Heart Network EHN) und der Europäischen Gesellschaft für Kardologie (EHC) lanciert und ist heute in 21 Sprachen verfügbar. Es wurde von 14 wichtigen europäisch tätigen Gesundheitsorganisationen signiert. Im August 2007 hat das EU-Parlament mit einem noch nie dagewesenen Ja-Stimmenanteil von 98 Prozent dem European Heart Health Charter zugestimmt und die Lancierung in den EU-Ländern empfohlen. Seither ist die Charta in 28 europäischen Ländern unterzeichnet worden. Unterdessen haben sich auch mehrere Nicht EU-Länder zur Unterzeichnung entschlossen. Wir sind stolz darauf, dass dazu jetzt auch die Schweiz gehört. Prof. Dr. med. Hugo Saner Leitender Arzt Kardiovaskuläre Prävention und Rehabilitation Inselspital 3010 Bern Telefon: 031 632 89 68 E-Mail: [email protected] 3