Praemedikation

Werbung
Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin
Medizinische Fakultät Mannheim der
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Scriptum Anästhesie 2011
Teil V
Vorbereitung des Patienten
auf Narkose und Operation
(Prämedikation)
Vs. 1.0 vom 2. 6. 2011
Vorwort
Nachfolgend erhalten Sie ein Scriptum über die Vorbereitung des Patienten für die Anästhesie(To
make the patient ready for anesthesia, oder wie man den Patienten für die Anästhesie fertig macht ein legendärer Buchtitel der frühen 80iger Jahre von einem Herrn Leroy D. Vandam, aus dem auch
hochkarätige Ordinarien der Anästhesie damals voller Ehrfurcht zitiert hatten(1)).
Lehrveranstaltungen dazu finden im 4. Studienjahr statt, da es nützlich ist, für die Beurteilung von
Vorerkrankungen internistische, und für die Beurteilung der Anforderung der Operation an den
Organismus, chirurgische Kenntnisse zu besitzen. Diese Lehrveranstaltungen sind aufgeteilt in
einen allgemeinen Teil, den sie im Modul Unfälle und degenerative Erkrankungen vorfinden und
einen speziellen Teil „Vorbereitung des kardialen Risikopatienten auf Operation und Narkose “ im
Modul Herz und Kreislauf. Dort finden Sie auch noch spezielles Material zur Vorbereitung und
Risikoabschätzung für diese Patientengruppe.
Problem bei der Erstellung dieses Scriptums war, dass sich momentan ein Wandel in der
präoperativen Vorbereitung vollzieht: Weg von apparativen und laborchemischen Untersuchungen;
hin zu gezielteren Anamnesen, deren Struktur vielfach auf den Ergebnissen klinischer Studien fußt.
Hilfreich sind dabei Fragebögen mit strukturierten Fragen, die die Patienten teilweise selber
ausfüllen oder mit der aufklärenden Person Schritt für Schritt durchgehen können mit dem Ziel, ein
Risikoprofil für die Prädisposition einzelner Erkrankungen zu erstellen, z. B. für Nachblutung bei
HNO-Eingriffen. Die HNO-Klinik im Haus hat dazu einen Gerinnungs-Fragebogen für Kinder
entwickelt, was eine Blutentnahme erspart, sehr zum Segen der Kinder, die da gepiekst werden
müssten und ebenfalls zum Segen der Piekser, wenn sie nicht regelmäßig Kinder pieksen müssen,
sowie zum Segen der Leute, die für die Narkose eine Nadel legen müssen und dabei nicht die
einzige zugängliche Vene verstochen vorfinden. Zusätzlich sind die meisten Gerinnungsstörungen
nicht mit den klassischen Routine-Labormethoden(Quick-Wert, PTT) erfassbar. Dazu mehr weiter
unten. Der Teil über Gerinnungsstörungen ist überwiegend übernommen aus einem Vortrag von Dr.
Michael Schöler, andere Teile aus dem Vortrag von Dr. Genzwürker zur präoperativen
Patientenvorbereitung (verfügbar auf Moodle).
-1-
Besonderer Hinweis:
Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben,
insbesondere zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissenstand zum
Zeitpunkt der Drucklegung dieses Scriptums entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen
Empfehlungen zur Therapie, der Auswahl und Dosierung von Medikamenten wurde die
größtmögliche Sorgfalt beachtet. Gleichzeitig werden die Benutzer aufgefordert, die Beipackzettel
und Fachinformationen der Hersteller zur Kontrolle heranzuziehen und im Zweifelsfall einen
Spezialisten zu konsultieren. Fragliche Unstimmigkeiten sollten im allgemeinen Interesse mir
mitgeteilt werden. Die individuelle klinische Situation mag andere Verhaltensweisen diktieren, als
wie in diesem Scriptum angegeben ist und sollte mit den jeweiligen Fachautoritäten der
medizinischen Einheit in der Sie tätig sind abgeklärt werden. Der Benutzer dieses Scriptums selbst
bleibt allein verantwortlich für jede diagnostische oder therapeutische Applikation, Medikation
und Dosierung. Etwas platter, aber konkret gesagt, wenn Sie medizinisch Mist bauen, sind Sie
selber schuld, aber nicht ich(CL).
Mit diesem Script ist auch begonnen worden, wenigstens in einigen wenigen Teilen ein ordentliches Zitatwesen
einzuführen. Wünschenswert wäre es natürlich, alle gemachten Aussagen durch Zitate aus wissenschaftlichen
Publikationen zu belegen, anstatt eigenes Literaturstudium, eigene Ausbildungsinhalte und persönliche Erfahrung
unreflektiert einfließen zu lassen. Dann wäre aber das Literaturverzeichnis wahrscheinlich länger als das Script und die
Scripten noch nicht fertig. Dieses Script erhebt keinerlei Anspruch auf Originalität sondern versucht nach bestem
Wissen und Gewissen Ihnen anästhesiologisches Wissen in kompakter und verständlicher Form nahe zubringen.
Kritisch müssen sie selber sein.
Wie die Skripten zu Allgemein- und Regionalanästhesie erhalten Sie auch dieses Scriptum im PDF-Format und in
editierbarer OpenOffice und MS Word-Form. In den editierbaren Formen können Sie selbst Ergänzungen oder
Streichungen vornehmen, bzw. sie so umgestalten, wie Sie am besten damit umgehen können. Sie können sie auch
weitergeben, falls sich Interessenten für diese Machwerke finden, eine kommerzielle Nutzung sollte aber unterbleiben.
Ein Hinweis auf den ursprünglichen Verfasser wäre nett.
Dieses spezielle Script ist etwas umfangreicher geworden, als die vorherigen, ohne das dies durch vermehrte Bilder
entschuldigt werden könnte. Es schien aber mir wichtig, eine Reihe von Informationen aufzunehmen, die für den
klinischen Alltag nützlich sind. Die Informationsdichte, was Prüfungsrelevanz angeht, ist dagegen lockerer. Auch sind
einige Abschnitte sehr ausgeufert, z. B. der über Psychopharmaka. Das war aber nötig um die sachlichen
Zusammenhänge hier einigermaßen verstehbar wiederzugeben(eigentlich fehlt immer noch einiges). Die
Prüfungsbezogenheit dieses Abschnitts wird sicher sehr, sehr zurückgehalten sein. Die wenigen kursiv gedruckten
Textabschnitte sind aber wieder auf jeden Fall nicht prüfungsrelevant. Aber die Informationen in diesem Scriptum
sollen Ihnen ja nicht nur helfen, dass Sie die Prüfungen bestehen, sondern sie sollen Sie auch auf Ihr zukünftiges
Wirken in Klinik und Praxis vorbereiten, was ja schließlich der eigentliche Sinn des Medizinstudiums ist.
Christian Lenz
Prämedikation als medikamentöse Vorbereitung der Anästhesie
Zuerst einmal zum wörtlichen Verständnis: Auf den Stationen werden Sie sehr oft auf den Begriff
"Prämedikation" treffen; oder „der Patient ist noch nicht prämediziert“ oder er ist „schon
prämediziert“. Dabei handelt es sich um die Vorbereitung des Patienten durch die Anästhesiologie
auf Operation und Narkose. Ursprünglich war es so, dass die Anästhesisten schon vor Beginn der
Narkose Medikamente angesetzt hatten, um bei der Narkose mit der präoperativen Gabe von
Schmerzmitteln(Opiaten) und Psychopharmaka eine bessere perioperative Schmerztherapie und
Hypnose während einer reinen Gasanästhesie zu erzielen(auch mit Erfolg).
Mittlerweile haben wir die Erfahrungen gemacht, dass eine reine Gasanästhesie ohne zusätzliche
Schmerzmittel wie Opiate oder Regionalanästhesie mittels Lokalanästhetika für die Patienten
scheußlich ist. Deshalb besteht das aktuelle Konzept darin, Schmerzmittel vor der Operation nur
dann zu geben, wenn akut Schmerzen bestehen, aber dann in richtiger Dosierung. Die
Schmerztherapie für den operativen Eingriff selbst erfolgt intraoperativ mit in der Regel höherer
Dosierung als präoperativ – konkret mit Opiaten die eine Atemdepression auslösen und maschinelle
Beatmung erfordern. Ansonsten werden heute auf der Normalstation präoperativ lediglich
angstlösende und leicht sedierende Medikamente verabreicht, die vorwiegend aus der Gruppe der
-2-
Benzodiazepine bestehen. Vgl. dazu folgende Tabelle mit einigen Beispielen:
Medikament
Vorabend*)
Midazolam
(DormicumTM)
nicht
3,75 - 7,5 mg p. os
gebräuchlich, da
nur kurz wirksam
(Eliminationshalbwertszeit
2-4 h)
50 mg p. os
Clorazepat
(TranxilliumTM Wirkung durch
Metabolite
)
(HWZ ca. 40 h)
OP-Tag auf
Abruf**)
Bemerkungen
Standardmedikament in Mannheim und den meisten
anderen Kliniken(75% d. befragten Klin., Tolksdorf
1999 ***)).
Gelegentlich anterograde Amnesie - von Patienten oft
gewünscht - "Von dem Moment an, von dem ich von
meinem Zimmer weggefahren worden bin bis zu dem
Moment, wo ich wieder auf mein Zimmer gekommen
bin, kann ich mich an nichts mehr erinnern."
20 mg p. os
Längere Wirkungsdauer, keine anterograde Amnesie;
deshalb besonders geeignet für Chefärzte, die sicher
stellen wollen, dass sich ihre Privatpatienten daran
erinnern, dass sie selbst die Narkose gemacht
haben(12% d. befragten Klin., Tolksdorf 1999 ***)).
Flunitrazepam
(RohypnolTM)
1-2 mg p. os bei
Patienten, die
stark wirksame
Sedativa
gewöhnt sind
1-2 mg p. os
Sehr gute Anxiolyse. Die Patienten sind bei der
Narkoseeinleitung sehr gesprächig und "gut drauf".
Wegen sehr langer Wirkungs- und langer Aufwachdauer
bei normalen Narkosen eher geeignet nur für OPs mit
Nachbeatmung(6,5% d. befragten Klin., Tolksdorf 1999
***)).
Diazepam
(ValiumTM)
5-10 mg p. Os
Wenn der Patient
ein Medikament
zum Schlafen
möchte, es kein
von ihm
bevorzugtes gibt
und der
Anästhesist
selbst kein
besseres weiß.
Zu lange
Wirkungsdauer für
unmittelbare Gabe
präoperativ
(Eliminationshalbwertszeit
1-1 1/2 Tage)
(2,9%d. befragten Klin., Tolksdorf 1999 ***))
0,5 mg(In Mannheim Gut angstlösend, aber kaum Sedierung - dann, wenn die
nur zeitweise in der
Patienten während der OP wach sind und mit dem
Augenklinik bei OPs Operateur kooperieren sollen(z. B. Cataract-Operationen
in Lokalanästhesie; lt. in Lokalanästhesie)
Hersteller auch höhere
Dosierungen möglich.
*) In vielen Kliniken standardmäßig verabreicht. Bei meinem Arbeitsantritt im Klinikum Mannheim 1991 wurde mir
bedeutet, dass der normale Mannheimer am Vorabend der OP kein Medikament zum Schlafen bräuchte; deshalb hier
nur auf Wunsch.
Lorazepam
(TavorTM)
-
**) Die Verordnung "Auf Abruf" ist leider nur ein Notbehelf. Optimal wäre ein Zeitraum etwa von 30-45 min bevor der
Patient tatsächlich zum OP gefahren wird. Da aber ein "prämedizierter" Patient überwacht werden sollte, da die
Ausprägung der sedierenden Wirkung schlecht vorausgesagt und im Extremfall sehr tief sein kann, andererseits es
durch unerwartet längere OP-Dauer des Vorpatienten zu Verzögerungen bei der Bestellung des Patienten in den OP
kommen kann, erfolgt die Gabe des Prämedikationsmedikaments dann, wenn sichergestellt ist, dass der Patient danach
auch zügig in den überwachten Bereich des Narkoseeinleitungsraums gelangt. Wenn dann aber ein Patient ausfällt und
der übernächste Patient bestellt wird ist dann leider oftmals die Anschlagszeit des Medikaments zu kurz bemessen. Als
Abhilfe kann man bei allen Patienten frühmorgens um 7.00 Uhr Chlorazepat oder Flunitrazepam verabreichen lassen.
Das wirkt dann, bis die Patienten in den OP gebracht werden. Davon habe ich(CL) aber abgesehen, als ich festgestellt
hatte, dass es durchaus üblich ist, dass Patienten am Operationstag noch allein, ohne Bewachung aber bereits mit
Prämedikation versehen, zu noch anstehenden Untersuchungen, wie EKG o. ä. geschickt werden.
***) Tolksdorf W, Schou J, Brenneisen A. Untersuchung zur Prämedikation in Deutschland 1998. Anästh Intensivmed
1999;40:72-6.(2)
-3-
Prämedikation als Anamnese und Aufklärungsgespräch
Heutzutage bezeichnet der Begriff "Prämedikation" im klinischen Gebrauch aber nicht nur
die Anordnungen der Anästhesiologie an die Station für die Medikation von Patienten
unmittelbar vor Narkose und Operation, sondern auch das Aufklärungsgespräch über die
Anästhesie, das wir mit dem Patienten führen, bevor wir Hand an ihn legen(Leider beinhaltet
dieses Gespräch auch manchmal mangelnde operative Aufklärung und gelegentlich zusätzlich
Amateurgesprächspsychotherapie.).
Konkret sagen wir dem Patienten in diesem Gespräch, was wir alles mit ihm anstellen werden
und welche Risiken damit verbunden sind.
Klar sollte damit sein: Auch wenn es manchmal so scheint, haben wir Anästhesisten es nicht nur
mit schlafenden Patienten zu tun. Vor der Narkose reden wir mit ihnen. Auch wir machen
"sprechende Medizin". Das Sprüchlein das wir da zu Anfang des Gesprächs aufsagen lautet etwa
so:
"Jetzt geht es darum, dass wir Ihnen sagen, wie die Betäubung für die Operation gemacht wird, die
ansteht, und dass wir wissen wollen, ob sie sonst noch irgendwelche Krankheiten haben, damit wir
wissen auf was wir besonders aufpassen müssen"(das ist auch die wirkliche Form, mit der ich
persönlich solche Patientengespräche beginne.)
Allgemeine Anamnese, Untersuchung, Risikoeinschätzung und Planung
der Anästhesie
Zusätzlich zur Aufklärung
- erheben wir eine Anamnese, die im Prinzip auf einer Anamnese schwerer wiegender
internistischer Krankheiten beruht. (Hausstaubmilbenallergie, Gicht und die Lungenentzündung
vor zehn Jahren interessieren uns dabei wenig). Herzinfarkte, Hypertonus, Gefäßstenosen, Asthma,
Diabetes, Gerinnungsstörungen aber umso mehr(genaueres zu einer solchen Anamneseerhebung
lernen Sie bitte bei den Internisten),
- werten wir bereits vorliegendes Informationsmaterial über den Patienten aus(Krankenakte,
Konsile, Arztbriefe). Dies sollte nach Möglichkeit geschehen, bevor man zum ersten mal dem
Patienten begegnet, nicht nur um das nachfolgende Gespräch zu erleichtern, sondern auch dem
Patienten zu demonstrieren, dass man sich Mühe um ihn gemacht hat und dessen Warten sich
gelohnt hat.
- versuchen die körperliche, insbesondere die kardiopulmonale Belastungsfähigkeit des Patienten
zu erfassen,
- erfassen den aktuellen Krankheitszustand des Patienten, der den chirurgischen Eingriff
überhaupt erst notwendig gemacht hat,
und stellen dies den perioperativen Anforderungen des spezifischen Eingriffs an die
Homoiostase des Körpers gegenüber, vor allem dessen zu erwartender kardiopulmonaler
Belastungen im Rahmen des Operationsstress'.
Daraus versuchen wir Wahrscheinlichkeit und Ausmaß perioperativer Risiken abzuschätzen und
davon ausgehend spezielle perioperative Überwachungsmaßnahmen und Therapien vorauszuplanen
um das Eintreten von Komplikationen zu vermeiden oder wenigstens rechtzeitig erkennen zu
können. Gleichzeitig wählen wir mit Hilfe dieser Informationen die Form der Anästhesie aus, die
wir dem Patienten vorschlagen(Zu den Indikationen für Regionalanästhesie versus
Allgemeinanästhesie vergleiche die Angaben im Scriptum Regionalanästhesie).
-4-
Konkreter Fall: 75 jähriger Patient mit hochgradiger Aortenstenose, Hypothyreose(mit Schilddrüsenhormon
behandelt), jetzt nach einer Bergwanderung im Odenwald akut Schmerzen im rechten Unterbauch mit Übelkeit und
Erbrechen, Verdacht auf akute Appendizitis, notfallmäßige Operation ist angesagt:
Erkenntnisse aus der Anamnese:
Die hochgradige Aortenstenose(dem Patienten und damit uns bekannt, da er in regelmäßiger kardiologischer
Behandlung ist) weist uns darauf hin, dass die erschwerte systolische Herzarbeit bei der Austreibung des Inhalts der
linken Herzkammer über die Stenose nicht auch noch gegen eine hohe Nachlast, sprich gegen einen hohen arteriellen
Blutdruck erfolgen sollte um den Sauerstoffverbrauch des Myokards nicht unnötig zu erhöhen. Allerdings sollte die
Nachlast auch nicht zu tief abfallen, da die Koronardurchblutung von einem ausreichenden Perfusionsdruck jenseits der
Stenose abhängig ist um Myokardischämien zu vermeiden. Wir werden uns deshalb vornehmen, den arteriellen
Blutdruck in engen Grenzen zu halten. Um auch kurzfristig auf Blutdruckschwankungen reagieren zu können, legen wir
dazu eventuell eine arterielle Kanüle um den Blutdruck mit jedem Pulsschlag messen zu können. Da eine langsame
Austreibung des linken Kammerinhalts weniger myokardiale Arbeit erfordert als eine schnelle, werden wir besonders
darauf achten, Tachykardien zu vermeiden("tiefe" Narkose zur Schmerzdämpfung - um einem zu starken
Blutdruckabfall durch die vasodilatierende Wirkung unserer Narkosemittel zu begegnen, planen wir für den Bedarfsfall
den Einsatz von blutdrucksteigernden Medikamenten ein). Die therapierte Hypothyreose ist dagegen vernachlässigbar,
wenn nicht durch eine zu hohe Hormonsubstitution klinische Zeichen einer Hyperthyreose mit therapierefraktären
Tachykardien erkennbar sind.
Einen Berg oder auch nur Treppen zu steigen ist ein gutes klinisches Maß für die kardiopulmonale
Belastungsfähigkeit, da hierzu der Aufwand an Energie und kardiopulmonaler Arbeit nötig ist um das gesamte
Körpergewicht höher zu bewegen(der Patient wiegt 80 kg). In der Regel ist das ein höherer Energieaufwand als nur
Hanteln zu stemmen(Gewicht z. B. 10 kg), auch wenn das vielleicht attraktiver aussieht und zu einem schöneren
Aufbau einzelner Muskeln führt.
Die Bewältigung der Bergwanderung im Odenwald gibt uns deswegen die Zuversicht, dass Herz und Lunge des
Patienten auch dem Operationsstress einer mittleren Operation gewachsen sein sollten.
Erkenntnisse aus dem akuten Zustand:
Die Diagnose "akutes Abdomen", zusätzlich bereits präoperativ Übelkeit und Erbrechen, weisen uns auf ein erhöhtes
Aspirationsrisiko bei Narkoseeinleitung ein. Wir führen deshalb eine Nicht-Nüchtern oder Ileuseinleitung
durch(Schnellstmögliche Sicherung der Atemwege durch Intubation ohne Zwischenbeatmung - Nebenbei: Wenn Sie
den Tubus nicht auf Anhieb rein kriegen und die Sauerstoffsättigung abfällt, was machen Sie dann? - Dann beatmen Sie
natürlich trotzdem mit der Maske, bevor Ihnen der Patient hypoxisch wird; aber das nur so nebenbei gesagt).
Erkenntnisse aus dem Wissen um den wahrscheinlichen Ablauf der Operation:
Eine normale Blinddarmoperation - falls es dabei bleibt - ist kein allzu großer Eingriff, sodass zu erwarten ist, dass der
Patient bei engmaschiger Überwachung der Kreislaufsituation gute Chancen hat, ihn ohne größere Komplikationen zu
überstehen. Eine postoperative Verlegung aus dem Aufwachraum auf eine Wachstation wäre aber wünschenswert.
Spezielle anästhesiologische Anamnese und körperliche Untersuchung
Weiter gibt es anamnestisch Einiges, das normalerweise nicht in einer internistischen
Anamnese beinhaltet ist, uns aber speziell für die Durchführung der Narkose interessiert.
- Sind möglicherweise Schwierigkeiten bei der Sicherung der Atemwege zu erwarten?
(z. B. Kleiner Mund, eingeschränkte Mundöffnung, vorstehende Schneidezähne,
Retrognathie[fliehender Kiefer], kurzer Hals, eingeschränkte Reklination des Kopfes im
Atlantooccipitalgelenk, eingeschränkte Einsehbarkeit des Rachens -> MallampatiKlassifikation I-IV: I: Uvula voll einsehbar, II: Uvula zum Teil von der Zunge verdeckt, III:
Nur Weichgaumen einsehbar, die Uvula nicht und IV Gaumen nicht einsehbar, die Zunge
verdeckt alles).
Hilfreich kann hier oft der Hinweis auf eine vorangegangene Intubationsnarkose sein, bei der
von keinen Narkoseproblemen berichtet worden ist. Wenn es narkoserelevante Probleme bei
einer Narkose gegeben hat, insbesondere Intubationsprobleme, teilen wir dies dem Patienten
mit und stellen einen "Anästhesiepass" aus, in dem für die nächste Person, die bei diesem
Patienten Narkose machen soll, haargenau beschrieben ist, welches die Probleme waren und
wie sie gelöst worden sind.
-5-
- Sind für die Anwendung regionaler Anästhesieverfahren anatomische Gegebenheiten
von Bedeutung, so eine Skoliose im Lumbalbereich bei geplanter Spinalanästhesie(in der
Regel kein größeres Problem) oder eine dorsale Verplattung im Bereich LWK L 1 - S
3(macht die Spinalanästhesie unmöglich)?
- Sind Allergien gegen Narkosemedikamente bekannt, z. B. Muskelrelaxantien oder spezielle,
wenn auch sehr seltene Erkrankungen, die zu abnormalen und ernsthaften Reaktionen
auf Narkosemittel führen können - Cholinesterasemangel oder atypische
Cholinesterase(Succinylcholin wird stark verzögert abgebaut -> Überhang der
Muskelrelaxierung), Porphyrie(Narkosemedikamente können akute Schübe auslösen,
insbesondere Barbiturate), Neigung zu maligner Hyperthermie(äußerst selten, meistens vorher
bekannt, dann kann man die Narkose danach ausrichten[einfach] oder es wird erst während
der laufenden Narkose entdeckt[ein einziger Horror], aber wir Anästhesisten sind darauf
gedrillt das zu erkennen. Wenn Sie genaueres dazu interessiert, lesen Sie es bitte in den
Büchern nach).
- Weitere Probleme bei Vornarkosen: Postoperative Übelkeit und postoperatives
Erbrechen(PONV[PostOperative Nausea and Vomiting] - > intraoperativ medikamentöse
Prophylaxe einplanen, vgl. Scriptum Aufwachraum), Überhang von Muskelrelaxantien(„Ich
habe beim Aufwachen schlecht Luft gekriegt und konnte mich nicht bewegen.“), AwarenessErlebnisse(vornehm dafür ausgedrückt, dass jemand bei der Narkose nicht "geschlafen",
sondern etwas mitgekriegt hat, was um ihn herum abläuft - zum Glück selten).
Erläuterung des Ablaufs und der Risiken der Anästhesie
Ablauf
Schließlich wird dem Patienten erläutert, wie das Narkoseverfahren abläuft, damit er sowohl
kognitiv als auch emotional weiß, was auf ihn zukommt und er in der fremden Umgebung des OPBereichs und der nachfolgenden Aufenthaltsorte nicht erschrickt. Die zeitliche Abfolge der
einzelnen Gesprächsteile – Allgemeine und anästhesiologische Anamnese sowie Aufklärung über
das Narkoseverfahren selbst kann natürlich variieren. Oft ist es sinnvoll, den Patienten nicht allzu
lange auf die Folter zu spannen und als Erstes zu sagen, was auf ihn zukommt und dann erst die
Anamnesen zu erheben(allgemein & anästhesiologisch). Andererseits legen die aus den Anamnesen
gewonnenen Erkenntnisse oft erst bestimme Arten der Anästhesie oder einzelne Vorgehensweisen
nahe(z. B. Regional- oder Allgemeinanästhesie, arterielle Kanüle zur blutigen Blutdruckmessung ja
oder nein). So kann es sinnvoller sein, zuerst diese Anamnesen zu erheben.
Beim Erläutern des Narkoseablaufs ist es in der Regel sinnvoll, eine chronologische Reihenfolge
einzuhalten. Allerdings kann es nötig sein, einige grundsätzliche Fragen im Vorab zu klären:
Regionalanästhesie oder Allgemeinanästhesie? Stationäre oder ambulante Operation?
Gegebenenfalls auch das genauere Operationsverfahren selbst, wenn es nicht aus den Unterlagen
hervorgeht. Denn diese Entscheidungen beeinflussen den Anästhesieablauf wesentlich.
Wenn sich der Patient akut nicht entscheiden kann, z. B. Zwischen Allgemein- und
Regionalanästhesie kann für beides aufgeklärt werden. Der Patient hat dann bis zum OP-Termin
Bedenkzeit, sich für eines zu entscheiden und kann sich dabei von anderen Leuten beraten
lassen(Operateure, Mitpatienten, Angehörige und Bekannte).
Weiter kann es nützlich sein, viele „evtl.“ oder „ggf.“ einzufügen, da sich oft erst unmittelbar präoder intraoperativ herausstellt, ob eine durchgeführte Maßnahme angebracht ist oder nicht(z. B.
Anlage von arteriellen und zentralen Venenkathetern, postoperative Verlegung auf eine Wach- oder
Intensivtherapiestation, Allgemeinanästhesie bei Ausweitung des OP-Felds oder unzureichender
-6-
Regionalanästhesie). Der Zweck dieser Formulierungen ist, dass der Patient nicht erschrecken soll,
wenn eine bestimmte Maßnahme durchgeführt worden ist, z. B. Ein ZVK rechts am Hals baumelt,
wenn er aufwacht, aber auch nicht erschrecken oder oder denken soll, dass man ihn vernachlässigt
hat, wenn die betreffende Maßnahme nicht durchgeführt worden ist.
Risikoaufklärung
Die Risikoaufklärung kann sehr komplex sein und wird von den einzelnen anästhesiologischen
Kolleginnen und Kollegen verschiedentlich gehandhabt. Spezielle Nachfragen des Patienten sollten
natürlich ausführlich beantwortet werden.
Zur Aufklärung über eine Allgemeinanästhesie wird im Wesentlichen gehören:
Übelkeit und Erbrechen, bei Intubationsnarkose Halsschmerzen, Heiserkeit, selten Beschädigung
von Zähnen. Die Aufklärung über eine mögliche Bluttransfusion dagegen ist primär Aufgabe des
Operateurs.
Bei Regionalanästhesien:
Bei nicht ausreichender Anästhesie Übergang zur Allgemeinanästhesie, schwere bleibende
Nervenschäden äußerst selten. Bei rückenmarksnahen Verfahren muss hier das Wort
„Querschnittslähmung“ fallen. Zum Glück ist diese Komplikation aber wirklich äußerst selten(Vgl.
dazu W. Gogarten: Rückenmarksnahe Regionalanästhesien und
Thromboembolieprohylaxe/antithrombotische Medikation(3)). Wenn die Patienten einen Vergleich
zwischen schweren Komplikationen von Spinal- und Periduralanästhesie gegenüber
Allgemeinanästhesie wünschen, erwähne ich in der Regel, dass die Mortalität bei beiden Verfahren
gleich hoch ist, aber schwere Komplikationen bei der Allgemeinanästhesie eher Verlegungen der
Atemwege betreffen, sodass man keine Luft bekommt; das aber mit dem Nachsatz, dass wir
Anästhesisten speziell dafür ausgebildet sind, solche Atemwegsprobleme zu verhindern. Weiter
sollte man bei Spinal- oder Regionalanästhesie noch hinweisen auf Rückenschmerzen(genauso
häufig wie bei Allgemeinanästhesie), selten Kopfschmerzen(therapierbar), selten
Blasenentleerungsstörungen(behebbar durch Einmalkatheterisierung).
Weitergehende Aufklärung bleibt natürlich dem Absicherungsbedürfnis des Einzelnen und leider
auch dem zur Verfügung stehenden Zeitrahmen überlassen(Gestern, bevor ich dies geschrieben
habe, habe ich 26 Patienten prämediziert). Oft wird eine allzu exakte Aufklärung von den Patienten
auch gar nicht gewünscht. Vielen ist klar, dass sie gezwungen sind, sich auf eine gefährliche Sache
einlassen zu müssen, ohne dass es bessere Alternativen gibt.
Prämedikationsgespräch als Aufbau eines Vertrauensverhältnisses
zwischen ärztlicher und Patientenseite
Gleichzeitig dient das Prämedikationsgespräch auch dazu, ein Vertrauensverhältnis zwischen
ärztlicher und Patientenseite aufzubauen.
Die oft von diffuser Angst geprägten Vorstellungen der Patienten gegenüber den Gefahren von
Narkose, Operation und deren Folgen sollten in in diesem Gespräch in ein realistisches Schema von
Ausgangsbedingungen und zu erwartenden Resultaten eingeordnet werden, so dass die Patienten
eine ebenso realistische Perspektive erhalten, was sie im Rahmen von Narkose und Operation mit
höchster Wahrscheinlichkeit erwartet. Bei aller Entscheidungsfreiheit die sie haben, erwarten die
meisten Patienten vielfach doch von ärztlicher Seite aus kompetenten Rat. Allerdings sollte
Kompetenz dabei nicht nur forsch demonstriert werden, sondern auch in der Realität Bestand
haben.
Dabei ist es nicht nötig, die Angst der Patienten vor Narkose und Operation ganz zu
unterdrücken("Wieso sollen wir den Patienten die Angst vor der Operation nehmen? - Eine
-7-
Operation ist eine gefährliche Sache. Da ist es richtig, Angst davor zu haben!"[Prof. Udilo
Finsterer, einer meiner verehrten klinischen Lehrmeister vor vielen Jahren]). Stattdessen kommt es
auf das richtige Ausmaß der Angst an. Die Angst vor Narkose und Operation sollte nicht überhand
nehmen, sondern der realen Perspektive des Eingriffs adäquat sein.
Formulierungen gegen Ende des Gesprächs im Rahmen eines abschließenden Urteils könnten hier
sein:
"Es ist ganz richtig, wenn Sie Angst haben. Man sollte sich nicht aus Spass narkotisieren oder operieren lassen. So eine
Narkose und Operation sind ernsthafte Sachen. Aber ich glaube, Sie müssen nicht allzu viel Angst haben.
Sie gehen mit ganz guten Voraussetzungen in diese Operation. Sie sind relativ gesund. Einen hohen Blutdruck haben
viele, aber Sie haben keinen Herzinfarkt, keine Lungen- oder Nierenkrankheit und sind nicht zuckerkrank. Außerdem
wird diese Operation in unserer Klinik oft gemacht. Also haben die Operateure Übung." oder:
"Es gibt ein paar Punkte, auf die wir gut aufpassen müssen, nämlich den hohen Blutdruck und die Zuckerkrankheit.
Aber das wissen wir jetzt. Das Herz funktioniert gut und die Lunge macht auch keine Probleme."(schon etwas
bedenklicher, aber immer noch sehr zuversichtlich).
Eine weitere Möglichkeit, wenn es schwieriger wird:
"Nun, Sie haben eine sehr eingeschränkte Herzleistung[dilatative Kardiomyopathie mit einer Ejectionsfraktion von
25%], auch auf die Nierenfunktion müssen wir besonders aufpassen.[Kreatinin 2.0], ebenso auf die Zuckerkrankheit.
Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass ihr Herzkreislaufsystem während der Operation nicht viel mehr belastet wird als
jetzt, wie Sie so vor mir sitzen. Dazu müssen wir eine Reihe von Röhren in Ihren Körper schieben um immer alle
Körperzustände messen zu können. Damit können wir sehr schnell Abweichungen erkennen und korrigieren, bevor sie
zu belastend für Ihr Herzkreislaufsystem werden könnten." Diese Formulierung ist schon bedenklicher, verbreitet aber
immer noch Zuversicht auf die Erfolgschancen eines für die Körperbelastung kritischen, aber sinnvollen Eingriffs.
Natürlich setzen solche vollmundigen Ratschläge voraus, dass Sie sich vorher wirklich selber
Gedanken gemacht haben über die Sinnhaftigkeit und Erfolgschancen des geplanten Eingriffs
gegenüber dem zu therapierenden Krankheitszustand und dabei guten Gewissens zu einem
positiven Urteil gelangt sind.
Präoperative Anweisungen für die Station
An die Station, auf der der Patient liegt und an den Patienten selber münden diese
Erwägungen in eine Reihe von Anweisungen für die präoperative Periode:
- Noch durchzuführende Untersuchungen
Laborchemische("Labor") und apparative Untersuchungen("EKG", "Röntgen-Thorax" u. a.) sollten
eigentlich abhängig gemacht werden von den Ergebnissen der Anamnese und der körperlichen
Untersuchung. In Erwartung, dass die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass die Ergebnisse solcher
Untersuchungen nicht die Operation an sich aufschieben, sondern ohne zeitliche oder
organisatorische Verzögerung, höchstenfalls das perioperative Vorgehen leicht verändern, oder dass
sie als Information über den vorbestehenden Zustand bei unerwarteten Komplikationen dienen,
wird dabei oft die Formulierung gewählt "... in den OP mitgeben". Ist in Abhängigkeit von den noch
ausstehenden Befunden möglicherweise eine wesentliche Änderung des perioperativen Vorgehens
zu erwarten und sei es nur, dass postoperativ die Verlegung auf eine Wachstation als nötig
angesehen wird, finden Sie aber gelegentlich die Anweisung "Wiedervorstellung" auf dem
Anästhesie-Vorbereitungsbogen mit dem Ziel, in Abhängigkeit vom Ergebnis der ausstehenden
Untersuchungen Alternativen zum ursprünglich geplanten perioperativen Vorgehen erwägen zu
können.
Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass falsch positive Befunde nicht nur vermehrt auftreten, je
mehr präoperative Untersuchungen durchgeführt werden, sondern diese auch eine adäquate
Behandlung verzögern oder im Extremfall mehr Schaden als Nutzen bringen können - auch
-8-
erweiterte diagnostische Eingriffe haben ihre Komplikationen, z. B. Herzkatheteruntersuchungen
oder Probepunktionen.
Uneigentlich werden oftmals von der operativen Seite in vorauseilendem Gehorsam Untersuchungen angesetzt um zu
verhindern, dass die Operation verzögert wird, weil "die Anästhesie" noch einen bestimmten Befund nachfordert, der
nicht erhoben worden war(Jeder Operateur wird Ihnen nicht zu Unrecht dieses Leid klagen. Deshalb dazu aus den
Leitlinien der DGAI zur anästhesiologischen Voruntersuchung: "Dort, wo ausreichende Kapazitäten zur Verfügung
stehen, kann ein Programm routinemäßiger Voruntersuchungen, insbesondere die Erhebung bestimmter Laborwerte in
automatisiertem Verfahren, den Ablauf der präoperativen anästhesiologischen Befunderhebung organisatorisch
erleichtern, die Verweildauer verkürzen und sich damit insgesamt auch dann als wirtschaftlich erweisen, wenn diese
Untersuchungen im Einzelfall teilweise medizinisch entbehrlich sind.").
Stellenwert laborchemischer Untersuchungen versus Anamnese
Die Zuverlässigkeit traditioneller laborchemischer Routineuntersuchungen die Vielfalt möglicher
pathologischer Zustände zu erkennen ohne eine Vielfalt weiterer detaillierterer laborchemischer
Untersuchungen zusätzlich in Anspruch zu nehmen, wird mittlerweile zunehmend in Frage gestellt.
Deshalb tritt der Wert einer differenzierteren Anamnese zunehmend in den Vordergrund. Diese
kann bei klinisch weitgehend gesunden Patienten sehr oft ohne Benötigung laborchemischer Daten
eine Reihe von pathophysiologischen Zuständen ausschließen, oder bei auffälligen anamnestischen
Befunden weitergehende laborchemische Untersuchungen nahelegen.
Beispiele für solche Überlegungen für einen jungen, gesund wirkenden Patienten
wären:
Er spuckt weder Blut(Obere gastrointestinale Blutung, seltener Hämoptisis), hat keine blutigen
Durchfälle oder Teerstühle(Untere gastrointestinale Blutung), hat auch kein akutes Trauma; bei
Frauen: Es bestehen keine vermehrten Monatsblutungen. Also dürfte der Hämoglobingehalt des
Blutes und der Hämatokrit normal sein.
Er erbricht nicht, hat auch keinen Durchfall. Also sollte die Elektrolytzusammensetzung des
Blutes einigermaßen normal sein.
Diabetes mellitus ist in der Regel bekannt, oder manifestiert sich in der Regel durch eine
auffallende Symptomatik, z. B. durch Polyurie.
Schwerwiegende Nierenfunktionsstörungen sind meistens ebenfalls bekannt, da sie schon einmal
aufgefallen sind durch entsprechende Symptomatik wie Wassereinlagerung, Oligo/Polyurie oder
Dialysepflichtigkeit. Auf leichtere Nierenfunktionsstörungen, die nephrologisch Ignoranten wie
wir Anästhesisten es sind, zuerst nicht auffallen, aber doch durch eine verminderte Clearance für
Narkosemittel zu deren verlängerter Wirkungsdauer führen können, werden wir möglicherweise
erst durch einen erhöhten Creatininwert aufmerksam gemacht. Mit dieser Formulierung ist auch
schon gesagt, dass nach meiner subjektiven Meinung(CL) dieser Wert vielleicht der
interessanteste ist, aber wie schon gesagt, als Anästhesist bin ich ja nephrologisch ziemlich
ignorant.
-9-
Blutgerinnung und Blutungsanamnese
Primär interessiert die Anamnese einer vermehrten Blutungsneigung natürlich den Operateur, der
schneidet. Bei rückenmarksnahen Regionalverfahren sind aber auch wir Anästhesisten stark daran
interessiert, da ein spinales Hämatom schwere Nervenschäden anrichten kann.
Die tradionell erhobenen Gerinnungswerte wie Quick, PTT und Thrombozytenzahl sind bei Weitem
nicht in der Lage, alle Gerinnungsstörungen zu diagnostizieren. Auch hier sind anamnestische
Angaben sicherer, die bei positiven Anzeichen für eine bestehende Blutgerinnungsstörung mit einer
differenzierteren laborchemischen Gerinnungsanalyse zu einer exakten Diagnostik führen
können(in Mannheim Gerinnungslabor der I. Med(Prof. Dempfle) Die klassischen RoutineGerinnungswerte Quick und PTT sind zwar in der Lage, eine Therapie mit
Cumarinderivaten(Quick) oder Heparin(PTT) zu überwachen, aber nicht, einen großen Teil
bestehender, vor allem thrombozytärer Gerinnungsstörungen aufzudecken. Zur Häufigkeit solcher
Erkrankungen vgl. dazu die folgende Tabelle:
Erkrankung
Häufigkeit in der
Bevölkerung
Thrombozytenfunktionsstörungen
(medikamenteninduziert,
organassoziiert, angeboren)
3 - 4%
Von WillebrandSyndrom(vWS)
1 - 2%
Hämophilie A
1 : 5000 männliche Geburten
Bemerkung
Die am häufigsten angeborene
Gerinnungsstörung
Hämophilie B
1 : 30 000 männliche Geburten
Tabelle: Häufigkeit von Gerinnungsstörungen in der deutschen Bevölkerung(Stark vereinfacht nach
Pfanner et al.(4), siehe dort auch die zu Grunde liegende Literatur.
Mit dieser im Einzelfall umfangreichen, aber exakteren Diagnostik können dann auch
Empfehlungen zur perioperativen Prophylaxe von vermehrten Blutungen oder Thrombosen als
Folge der diagnostizierten Gerinnungsstörungen gegeben werden: Z. B. prä- und perioperative
Gabe von Desmopressin(MinirinTM), Tranexamsäure(ZyklokapronTM), oder Fresh Frozen
Plasma(äußerst selten) bei von Willebrand-Syndrom. Die Erhebung dieser anamnestischen
Angaben erleichtern spezifische Fragebögen, die die Patienten ausfüllen und vom Anästhesisten
gegebenenfalls nach zusätzlicher Nachfrage, falls nötig, beurteilt werden. Eine solche strukturierte
Vorgehensweise bei der Gerinnungsanamnese inklusive deren Begründung durch Studien finden
Sie in einer österreichischen Empfehlung der österreichischen Gesellschaft für Anästhesie,
Rettungs- und Intensivmedizin(ÖGARI) 2007(4)(Diese Empfehlungen finden Sie auch auf
Moodle). Da unsere Klinik aber gerade erst begonnen hat, mit solchen Verfahren zu arbeiten, sind
wir zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht in der Lage, einen Fragebogen vorzustellen, den wir
weiter empfehlen können. Wir müssen hier noch selbst experimentieren(Die HNO-Klinik im Haus
hat einen entsprechenden Fragebogen, falls Sie sich dafür interessieren).
Zusammenfassend ist zu sagen, dass bei der Beurteilung der präoperativen Ausgangsbedingungen
mittlerweile der Trend von laborchemischen oder apparativen Untersuchungen weg geht, hin zur
Vertiefung der Anamnese. Weitergehende laborchemische Untersuchungen sind eher dann indiziert,
wenn keine Operation, sondern die zu erhebende Diagnose im Zentrum steht mit dem Ziel, eine
spezifische Therapie zu entwerfen, oder wenn genauere apparative, vor allem bildgebende
Untersuchungen nötig sind um einen operativen Eingriff exakt zu planen(Z. B. die Frage: Wie weit
ist der Tumor fortgeschritten? Erst soweit, dass wir einen kurativen Eingriff in Angriff nehmen
- 10 -
können - die wirkliche Situation ist dann oft erst intraoperativ erkennbar - oder ist das
Tumorwachstum schon soweit infiltrativ vorgedrungen, dass es besser ist, eine palliative
Maßnahme zu ergreifen?).
- Bestellung von Blutkonserven
Zu diesem etwas heiklen Thema folgende Übereinkunft der Fachgesellschaften für Anästhesie und
Chirurgie zur Bluttransfusion:
"Der Chirurg prüft im Rahmen der Planung und Vorbereitung der Operation, ob eine intraoperative Bluttransfusion
erforderlich werden kann, und lässt das dafür benötigte Blut bereitstellen. Der Anästhesist, der intraoperativ die
Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen trägt, prüft dies gleichfalls aus der Sicht seines
Fachgebietes. Können sich Chirurg und Anästhesist nicht darüber einigen, ob Blut bereitzustellen ist und wie viele
Bluteinheiten benötigt werden, so ist unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots im Interesse der
Patientensicherheit Blut -und gegebenenfalls die größere Anzahl der Bluteinheiten bereitzustellen. ...
Chirurg und Anästhesist informieren sich wechselseitig über von der Norm abweichende Blutverluste. Der
Anästhesist entscheidet über die Bluttransfusion und führt sie durch. Die Indikation zur Bluttransfusion ist streng zu
stellen. Der Anästhesist trägt die ärztliche und rechtliche Verantwortung für die Entscheidung, ob und zu welchem
Zeitpunkt eine intraoperative Bluttransfusion angezeigt ist. ...
Die (präoperative) Aufklärung des Patienten über die Notwendigkeit oder Wahrscheinlichkeit einer intraoperativen
Bluttransfusion gehört, soweit nicht wegen der Notwendigkeit und Dringlichkeit der Operation auf die Aufklärung
über diesen Nebeneingriff verzichtet werden kann, zu den Aufgaben des Chirurgen."
Kassel, den 3. April 1989 und Hamburg, den 22. März 1989
Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei der Bluttransfusion des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten und
des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen
(Da mir die Streitereien um die zu bestellenden Blutkonserven allmählich zu bunt geworden waren - "Was, 4 EKs
wollt ihr!! Bei mir blutet es nie!!!", war ich, glaube ich, der Erste, der eine Bestellung von Blutkonserven in der
heute üblichen Formulierung: "Nach Maßgabe des Operateurs" angeordnet hatte. Im Notfall ist Blut, sei es ohne das
Ergebnis der Austestung bei blutgruppengleichem Blut abzuwarten oder im Extremfall null-negatives Blut, doch
relativ rasch zu bekommen. Im Übrigen hat auch die langjährige Erfahrung gezeigt, dass die Formulierung der
Chirurgen "Bei mir blutet es nie!!!" zwar nicht immer exakt, aber öfters als wir Anästhesisten es denken, dank
sorgfältiger Operationstechnik heutzutage der Wahrheit entspricht oder ihr zumindest stark nahe kommt).
- Weitere organisatorische Anweisungen
- Reservierung von Betten auf der Wach- oder Intensivtherapiestation
- Nüchternheitsanweisungen(vgl. unten).
- Änderungen der aktuellen medikamentösen Therapie für den OP-Tag(vgl. unten).
- Spezielle Anweisungen, wie . z. B. Antibiotikaprophylaxe, und was sonst noch in den OP
mitgegeben werden soll(Asthma Sprays, Hydrocortison, alte Akten mit den alten
Narkoseprotokollen, Untersuchungsergebnisse, das Lieblingsstofftier bei Kindern – hier aber
Achtung, dass es nicht verloren geht!!!)...
- 11 -
Auf dem Weg in den Operationssaal
Wer bestimmt, wer, an was, wann, und mit welcher Betäubung operiert
werden soll?
Dazu haben die Fachgesellschaften für Anästhesie und Chirurgie wieder Übereinkünfte getroffen:
Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei der operativen Patientenversorgung des Berufsverbandes Deutscher
Anästhesisten und des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen Hamburg/Hannover/Nürnberg, den 28. August
1982
„Der Chirurg ist nach den Grundsätzen einer strikten Arbeitsteilung zuständig und verantwortlich für die Planung
und Durchführung des operativen Eingriffs, der Anästhesist für die Planung und Durchführung des
Betäubungsverfahrens sowie für die Überwachung und Aufrechterhaltung der vitalen Funktionen. ...
Der Chirurg entscheidet über die Indikation zum Eingriff sowie über Art und Zeitpunkt der Operation. ...
Der Anästhesist unterrichtet den Chirurgen umgehend, wenn aus der Sicht seines Fachgebietes Kontraindikationen
gegen den Eingriff oder seine Durchführung zu dem vorgesehenen Zeitpunkt erkennbar werden. Die Entscheidung,
ob der Eingriff dennoch durchgeführt werden muss oder aufgeschoben werden kann, obliegt dem Chirurgen. ...
Der Anästhesist entscheidet über die Art des Betäubungsverfahrens.“
Darf nun der Operateur gar keine Betäubung mehr durchführen?
- Nein -
„Bei Eingriffen, die - nach dem jeweiligen Stand der Medizin - üblicherweise in örtlicher Betäubung durch
Infiltration des Operationsgebietes oder in einer operationsfeldnahen Regionalanästhesie(z. B. Finger- oder
Zehenanästhesie nach Oberst) ausgeführt werden, bleibt die Wahl und Durchführung dieser Betäubungsverfahren
einschließlich der Überwachung der vitalen Funktionen dem Operateur überlassen.“
Sie müssen dann nur möglicherweise mit folgenden Problemen klar kommen:
- Intoxikationserscheinungen bei zu hoher intravasaler Konzentration des Lokalanästhetikums(selten)
- Nebenwirkungen etwaiger Zusätze, z. B. Adrenalin(wird von Patienten gelegentlich bei zahnärztlicher
Lokalanästhesie berichtet: Herzklopfen, Kollaps, Kaltschweißigkeit, Blässe).
- Unzureichende Betäubung durch Ihre Regionalanästhesie, die eine Allgemeinanästhesie nötig macht(häufiger).
- Unruhe des Patienten, der Sedierung oder Allgemeinanästhesie nötig macht(häufiger).
Eine Stellungnahme des Arbeitskreises Regionalanästhesie der DGAI 1997 zur Durchführung von
Regionalanästhesien durch Operateure stellt fest, dass bei diesen "Lokal- und Regionalanästhesien des Gebietes nur
solche Anästhesieformen gemeint sind, bei denen keine Auswirkungen auf vitale Funktionen oder gar
lebensgefährliche Komplikationen auftreten oder doch zumindest außerordentlich selten sind." ... "Auch proximale
Nervenblockaden(z. B. Plexusanästhesien) sind mit verfahrenstypischen potentiell vital bedrohlichen
Nebenwirkungen und Komplikationen behaftet, z. B. zerebrale Krampfanfälle, Atemlähmung und schwere
Herzrhythmusstörungen bei unbeabsichtigter intravasaler Injektion."
Konkret heißt das, dass Sie dem Patienten bei der Regionalanästhesie einen anästhesiologischen Facharztstandard
anbieten müssen, was bei einer Doppelverantwortung für den Eingriff selbst und die Regionalanästhesie schwierig sein
dürfte.
Nüchternheit vor Narkose und Operation – Warum?
Wenn wir uns, wie es landläufig heißt „verschlucken“, führt das zu ekelhaften Hustenanfällen.
Allerdings dient dieser Schutzreflex dazu, Aspirationen mit ihren möglichen Folgen –
Lungenschaden durch Magensäure, Pneumonie und im Extremfall Tod, zu vermeiden. Dieser
Schutzreflex ist unter Narkose, aber auch unter tiefer Sedierung nicht mehr gegeben. Deshalb ist es
vorteilhaft, während einer Narkose oder zumindest bei deren Einleitung nichts mehr im Magen zu
haben, das hochsteigen und in die Lunge laufen kann(z. B. Durch Aufblähen des Magens bei hohem
- 12 -
Beatmungsdruck unter Maskenbeatmung.
Der erste Todesfall durch Narkose, zwei Jahre nach der Erstbeschreibung einer modernen Narkose 1846, ist
möglicherweise mit Aspiration verbunden. Einem etwa 17jährigen Mädchen sollte unter Narkose ein vereiterter
Zehennagel entfernt werden. Das Mädchen hatte schreckliche Angst vor Narkose und Operation und war bei
Narkosebeginn äußerst aufgeregt, was auf einen erhöhten Katecholaminspiegel im Blut schließen lässt. Kurz nach
Narkoseeinleitung mit Äther kam es dann wohl zu einem nicht ganz geklärten Herzstillstand, der auch durch das
Einflößen von Brandy nicht mehr behoben werden konnte und das Mädchen verstarb.
Heute gibt es zwei Theorien über die Auslösung dieses tragischen Geschehens:
1.
Die früheren gasförmigen Anästhetika bis zum Halothan der 80iger Jahre haben die Eigenschaft, das
Reizleitungssystem im Herzen für Katecholamine zu sensibilisieren mit dem Ergebnis, dass
Herzrhythmusstörungen bis hin zum Kammerflimmern eintreten können. So etwas könnte der Fall gewesen
sein(bis in die 80iger Jahre hinein gab es deshalb strenge Vorschriften für die Dosierung von Adrenalin unter
Gasnarkose, z. B. In der HNO – die heute verwendeten Narkosegase sind dagegen relativ harmlos).
Die zweite in der Literatur verbreitete Spekulation ist, dass dieser Todesfall Folge einer Aspiration war, spätesten nach
dem Versuch der Brandy-Therapie mit eventueller Aspiration von Brandy.
Wann ist man „nicht nüchtern“
Natürlich klar, wenn Sie gerade einen Schweinebraten verzehrt haben. Ansonsten zusätzlich, wenn
die normale Darmbewegung gestört ist, also die Propulsion von oben nach unten, z. B. beim
mechanischen Ileus(Darmverschluss), oder beim funktionellen Ileus bei Peritonitis, aber auch
durchaus schon bei einer florierenden Appendizitis; weiter, wenn im Abdominalraum Tumoren
gegen den Magen drücken wie ein hochschwangerer Uterus(etwas Schönes) oder ein
gastrointestinaler Stromatumor(GIST) oder ein sonstiges Karzinom(das ist weniger schön).
Außerdem wird die Darmbewegung durch Schmerzen und psychischen Traumaschock nach
größeren Unfällen gehemmt.
Die Zeitdauer, nach der man einen Patienten als nüchtern betrachten kann, ist allerdings von
Institution zu Institution und von Lehrbuch zu Lehrbuch verschieden und hat sich mit der Zeit und
neueren physiologischen Erkenntnissen geändert.
Im Klinikum Mannheim gelten momentan die folgenden Nüchternheitsgrenzen in Einklang mit
einer Stellungnahme der DGAI 2008 zu dieser Frage(wenn nicht schon für die geplante Operation
frühere gelten):
Am Vortag der Operation ein normales Abendessen; ab 22.00 Uhr abends kein festes Essen und
keine trüben Flüssigkeiten mehr(z. B. Milch oder Orangensaft - laut DGAI ist noch bis zu 6 h vor
Narkosebeginn eine kleine Mahlzeit erlaubt, z. B. 1 Scheibe Weißbrot mit Marmelade), dagegen
aber klare Flüssigkeiten wie Tee oder Wasser bis 6.00 Uhr früh zum Operationstag(klare
Flüssigkeiten haben eine schnelle Magen-Darm-Passage). Wenn die Uhrzeit des Narkosebeginns
bekannt ist, klare Flüssigkeiten in geringen Mengen auch noch bis zu 2 h vor Narkosebeginn(Es ist
besser, wenn die Patienten die Operation nicht in allzu exsikiertem Zustand antreten).
Meines Erachtens empfiehlt es sich aber, die Patienten zusätzlich darauf aufmerksam zu machen,
dass wir in Notfallsituationen bei Nichtnüchternheit auch noch über andere Möglichkeiten der
Sicherung der Atemwege zur Verfügung haben, die aber etwas gröber, ruppiger o. ä. und
risikoreicher sind, sodass wir sie bei elektiven Eingriffen möglichst vermeiden wollen. Deshalb die
geforderte Nüchternheit. Dieser Hinweis dient dazu, prospektiv die Angst der Patienten zu
vermindern, falls sie irgendwann einmal notfallmäßig in die Situation kommen, dass eine Narkose
in nicht nüchternem Zustand eingeleitet werden muss.
- 13 -
Welche Medikamente sollten am OP-Tag abgesetzt, welche
weitergegeben werden?
Logischerweise sollte eine erfolgreiche Pharmakotherapie einer Begleitkrankheit nicht unterbrochen
werden. Änderungen sind aber nötig, wenn sich perioperativ die körperlich-physiologischen
Bedingungen ändern, auf denen diese Therapie beruht(z. B. Nüchternheit bei Diabetes mellitus,
erhöhter Corticosteroidbedarf unter Operationsstress), diese Pharmakotherapie mit den Zielen der
Operation(z. B. Blutstillung) oder den beabsichtigen Wirkungen der zur Narkose verwendeten
Medikamente(z. B. Konstanthaltung des Blutdrucks) interferriert.
Die zu manchen Therapeutika gegebenen Empfehlungen sind jedoch oft sehr volatil und wechseln
von Zeit zu Zeit. Deshalb bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als sich immer wieder selber kundig zu
machen, was gerade empfohlen wird. Zusätzlich ist es nicht ganz ohne Nutzen, selber zu denken
und im Lauf der Zeit Ihre eigenen klinischen Erfahrungen den aktuellen Empfehlungen der
Autoritäten gegenüber zu stellen und zu einem eigenen Urteil zu gelangen.
Wechselbad Antihypertonika
In früheren Jahrzehnten wurden Antihypertonika bei Operationen generell abgesetzt, da man starke
Blutdruckabfälle unter Narkose befürchtete. Nachdem sich aber gezeigt hatte, das der Blutdruck
unter Narkose durchaus kontrollierbar ist(SuprareninTM heilt alles) und prä- und postoperativ eher
ein erhöhter Blutdruck Probleme macht, wurde dazu übergegangen, eine Hypertonustherapie
perioperativ möglichst nicht zu unterbrechen. Neuerdings rät die Deutsche Gesellschaft für
Anästhesie und Intensivmedizin(DGAI) aber dazu, Angiotensin-Converting-EnzymeHemmer(ACE-Hemmer) und Angiotensin-II-Antagonisten präoperativ abzusetzen, da unter deren
Wirkung unter Narkose schwer zu therapierende Hypotonien aufgetreten seien.
(Persönlich bin ich da etwas ketzerischer Meinung, da ich in der Praxis nie solche Probleme hatte
– wie schon gesagt, SuprareninTM heilt im Zweifelsfall alles – und das Hauptproblem postoperativ,
was den Kreislauf angeht, eher die Hypertonie ist, die im Aufwachraum beobachtet und mit
Urapidil und Clonidin behandelt wird. In den USA wird auch ein uraltes Medikament eingesetzt,
Labetalol(TrandateTM), ein kombinierter Alpha- und Betablocker, meines Erachtens ein
phantastisches Medikament, das aber in Deutschland nur über internationale Apotheken zu
erhalten ist. CL.).
Betablocker – Fortsetzung ist ein Muss
Viele Studien haben dargelegt, dass die perioperative kardiovaskuläre Morbidität sinkt, wenn
Betablocker kontinuierlich weitergegeben werden. Unklar ist, ob es sinnvoll ist, kardiovaskulären
Risikopatienten perioperativ Betablocker zu geben, die bisher noch keine erhalten hatten, denn es
ergeben sich folgende Fragen: Welcher Betablocker und welche Dosis soll gegeben werden, wie
lange Zeit vorher und wie lange Zeit nachher soll die Therapie durchgeführt werden. Deshalb ist es
momentan nicht üblich, perioperativ standardmäßig eine neue Betablockertherapie anzusetzen, es
sei denn eine spezifische kardiale Symptomatik(z. B. Vorhofflimmern mit schneller Überleitung
und nachfolgender Tachykardie) würde sie rechtfertigen.
Trauerspiel Antidiabetika
Patienten, die perioperativ nüchtern sein sollen, sind unter Weiterführung antidiabetischer
Medikamente von Hypoglykämie bedroht. Deshalb muss die antidiabetische Medikation modifiziert
werden. Klassische Maßnahmen bestehen in einer Reduktion von Insulin und Anlegen einer
Glucose-5%-Infusion. Leider hat das nach meinen Erfahrungen in verschiedenen Kliniken
- 14 -
organisatorisch nie funktioniert. Deshalb benutzen wir hier eine etwas simple, sicher nicht optimale
Methode: Für die Zeit in der die Patienten nicht essen, gibt es keine antidiabetische Medikation. Sie
kann wieder starten, wenn die Patienten wieder essen. Zwischendurch(OP, AWR) wird Blutzucker
gemessen und bei Hyperglykämien Insulin intravenös verabreicht. In der Regel reicht das Absetzen
am Tag der Operation. Unter Metformin wurden bei Nüchternheit allerdings Azidosen beobachtet.
Da Metformin eine lange Wirkungsdauer hat, sollte es 2 Tage vor OP abgesetzt werden(ist oft
schon in den Formularen operativer Kliniken für die OP-Vorbereitung vermerkt).
Oft ist es so, dass gerade jüngere Diabetiker dank jahrelanger Beobachtung und Eigenmessungen
des Blutzuckers ihren Organismus besser kennen als wir Anästhesisten, wenn wir sie zum ersten
Mal gerade 10 Minuten lang gesehen haben. Es empfiehlt sich dann, etwa folgende Anweisung zu
geben: „Gehen Sie bei Ihrer Blutzuckereinstellung davon aus, dass sie morgen nicht frühstücken
dürfen.“
Antikoagulantien - Neuere Devise: Darfs ein bisschen mehr sein?
Während früher zur Vermeidung der Blutungsgefahr Antikoagulantien von den operativen Fächern
großzügig abgesetzt worden waren um perioperative Blutungen zu vermeiden, findet derzeit gerade
ein Umdenken statt. Um ernsthafte thrombembolische Komplikationen zu vermeiden wie
Myokardinfarkt oder Schlaganfall werden zunehmend häufiger auch perioperativ Antikoagulantien
weitergegeben und größere Blutverluste in Kauf genommen. Dies gilt insbesondere für Patienten,
die erst kürzlich eine vaskuläre Stenteinlage hinter sich haben(vgl, dazu „Vorbereitung des
kardialen Risikopatienten auf Narkose und Operation aus dem Modul Herz und Kreislauf).
Cumarine werden jedoch immer ersetzt durch Heparin. Ob Antikoagulantien perioperativ abgesetzt
oder weitergeführt werden, ist anästhesiologisch relevant bei der Durchführung rückenmarksnaher
Regionalverfahren(SPA, PDA), sowie peripherer Regionalverfahren, bei der eine mögliche Blutung
nicht durch Kompression unterbunden werden kann(Motto: Der Chirurg sieht, wo es blutet und
kann dann die Blutung stillen. Wenn wir dem Patienten ins Kreuz stechen und dann die Nadel
zurückziehen, sehen wir ein mögliches Hämatom nicht und wenn dieses Hämatom aufs
Rückenmark drückt, können wir auch keine neurologische Diagnostik erheben, da unser Eingriff
gezielt eine Plegie oder Parese bewirkt.). Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesie und
Intensivmedizin hat deshalb detaillierte Richtlinien für die Zeiten angegeben, die zwischen Gabe
eines Antikoagulans und Durchführung einer rückenmarksnahen Anästhesie verstrichen sein
sollten, bzw. wie lange gewartet werden sollte, nachdem eine Katheter gezogen worden ist(3).
Faktischer Hintergrund dieser Empfehlungen ist die Beobachtung, dass bei den Einzelfällen von
spinalen Hämatomen die nach rückenmarksnahen Regionalanästhesien beobachtet werden konnten
und mit bleibenden schweren Nervenschäden bis hin zur Querschnittslähmung endeten, sehr oft
eine antikoagulatorische Medikation in Zusammenhang stand, die über das in Deutschland normale
Ausmaß für die perioperative Thromboseprophylaxe hinausging(Wenn Sie dazu genaueres wissen
wollen, vgl. dazu die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und
Intensivmedizin: Rückenmarksnahe Regionalanästhesien und
Thromboembolieprohylaxe/antithrombotische Medikation, ausgearbeitet von Frau Wibke Gogarten,
mittlerweile Chefärztin für Anästhesie im Klinikum Harlaching der Stadt München(3)). Deshalb
wird es gelegentlich nötig sein, eine Allgemeinanästhesie durchzuführen, auch wenn auf Grund der
Vorerkrankungen oder des geplanten Eingriffs her bei dem betreffenden Patienten ein
Regionalverfahren wünschenswert wäre. Da bei niedrig dosierter Azetylsalizylsäure(100 mg/Tag)
bisher keine anästhesiologisch relevanten Blutungskomplikationen beobachtet werden konnten,
kann diese jedoch weiter gegeben werden.
- 15 -
Corticosteroide
Corticosteroide sollten weiter gegeben werden. Längere und höher dosierte Therapien können aber
immer mit einer Nebennierenrindensuppression einhergehen. Deshalb wurde befürchtet, dass die
Nebennierenrinde nicht in der Lage ist, auf den Operationsstress mit einer quantitativ gesteigerten
Sezernierung von Cortisol zu antworten, wodurch schwer zu behandelnde Hypotensionen ausgelöst
werden könnten. Metastudien und Tierexperimente haben aber gezeigt, dass dies nur dann gilt,
wenn die Patienten überhaupt nicht mehr substituiert werden(5). Auch unter Corticosteroidherapie
weist die Nebenniere noch eine Stressantwort auf. Eine über das normale Maß hinausgehende
Substitution wäre danach nicht nötig. Die adäquate Stressantwort addiert sich dann aus der
Substitutionsdosis plus der Restanwort der supprimierten Nebenschilddrüse(5,6). Konservativere
Ansichten versuchen, durch Erhöhung der Corticosteroidsubstitution die erwartete Stressantwort
auf jeden Fall vorwegzunehmen(7). Allerdings kommen alle zu der Ansicht, dass eine über die
normale Stressantwort hinausgehende und eine über mehr als drei Tage anhaltende Erhöhung der
perioperativen Substitution nicht notwendig ist. Der konservative Ansatz sieht für alle Patienten, die
in den letzten 3 Monaten mehr als 5 Tage lang eine Äquivalenzdosis von mehr als 10 mg
Prednisolon erhalten haben, die Fortführung der normalen Therapie vor, plus 25 mg Hydrocortison
bei Narkoseeinleitung; bei kleinen Eingriffen nichts weiteres mehr, bei mittleren am Operationstag
einmalig 100 mg/d und bei großen Eingriffen 100 mg/d auch noch die ersten 1-2 postoperativen
Tage lang(8-11). Da maximal 3 Tage zu kurz sind um die klassischen Nebenwirkungen der
Corticosteroide auszulösen(Wundheilungsstörung, Immunsuppression, Hyperglykämie), dürfte eine
solche Therapie, auch wenn sie möglicherweise gar nicht nötig gewesen wäre, nicht schaden. Eine
noch einfachere, vielfach(auch in Mannheim)ausgeübte, aber etwas unphysiologischere Methode
dieser Art ist es, 100 mg Hydrocortison zu Narkosebeginn als Kurzinfusion zu applizieren.
Bei primärer Schädigung der Hypophysen-Nebennieren-Achse(Hypopituitarismus, primäres
Versagen der Nebennieren) können die Nebennieren aber nicht mehr auf den Operationsstress
reagieren. Deshalb ist unter diesen Umständen auf jeden Falle eine Corticoid-Substitution in
Stressdosishöhe notwendig(5).
Psychopharmaka
Generell sollte eine Psychopharmakatherapie nicht unterbrochen werden um Entzugserscheinungen
oder ein Wiederaufflammen der behandelten Erkrankung zu verhindern. Dem stehen aber
möglicherweise gefährliche Wechselwirkungenn der verwendeten Psychopharmaka mit den
Anforderungen der Operation, dem akuten pathophysiologischen Zustand des Patienten und vor
allem der im Rahmen der Anästhesie verwendeten Pharmaka entgegen.
Anforderungen der Operation haben selten Einfluss auf die Psychopharmakotherapie, der akute
pathologische Zustand meistens nur so wie bei anderen Medikamenten auch(z. B. Nüchternheit,
veränderte Nierenausscheidung und Abbau in der Leber, Exsikkose, Hypovolämie). Zu
problematischen Wechselwirkungen kann es aber mit den perioperativ gegebenen Medikamenten,
inklusive der Anästhetika kommen. Dies gilt vor allem für Psychopharmaka, die in den
Stoffwechsel von Neurotransmittern eingreifen, die außerhalb ihres neuromodulatorischen Effekts
auch Wirkungen in der systemischen Zirkulation entfalten können, vor allem Katecholamine.
Die Risiken eines Absetzens(Entzug, Wiederaufflammen der Krankheit) müssen deshalb gegen die
möglichen Gefahren dieser Wechselwirkungen abgewogen werden(12).
Dazu im Einzelnen:
Antidepressiva erhöhen durch Hemmung von Abbau innerhalb der
Synapse(Monoaminooxidase[MAO]-Hemmer) oder Wiederaufnahme in die Synapse(Trizyklische
Antidepressiva, Serotoninwiederaufnahmehemmer) die Bereitstellung sympathikomimetischer
- 16 -
Neurotransmitter(Noradrenalin, Dopamin) oder von Serotonin innerhalb und außerhalb des
Synapsenspalts. Bei Depolarisation der Synapse durch OP-Stress oder Medikamente wird dann ein
Vielfaches der normalen Neurotransmitterkonzentration freigesetzt oder stößt im Synapsenspalt auf
eine bereits erhöhte Neurotransmitterkonzentration. Dies kann zu exzessiver sympathikoadrenergerr
Wirkung führen, konkret zu hypertensiven Krisen, im Fall der MAO-Hemmer auch mit tödlichem
Ausgang(z. B. durch Hirnblutungen); - die anderen Antidepressiva wirken dagegen weniger oder
gar nicht so dramatisch(eigene Beobachtung, CL).
Theoretisch stellen sich diese Effekte nicht ein, wenn Sie direkt an den postsynaptischen
Rezeptoren wirkende Sympathikomimetika in die Zirkulation injizieren, z. B. Noradrenalin,
Adrenalin oder Dopamin. Unter Therapie mit MAO-Hemmern kommt es dabei zwar dennoch zu
einer Wirkungssteigerung, aber nicht zu einer Freisetzung der prallvoll mit Noradrenalin gefüllten
Vesikel aus den Synapsen. Dies geschieht durch den OP-Stress selbst oder erst dann, wenn sie
sogenannte "indirekt wirkende Sympathikomimetika" injizieren. Diese Pharmaka wirken nicht
direkt auf die postsynaptischen Rezeptoren wie z. B. in den Kreislauf injiziertes Adrenalin oder
Noradrenalin, sondern lösen die Ausschüttung sympathikomimetischer Amine wie Noradrenalin
aus den Synapsen des autonomen Nervensystems aus(12-15).
Zum Glück verwenden wir heute nur noch wenige Medikamente, die indirekt
sympathikomimetische Effekte bewirken, gelegentlich begegnen wir ihnen aber klinisch. Zu diesen
Medikamenten gehören:
Blutdrucksteigernde Medikamente, deren Wirkung auf der Freisetzung von Katecholaminen aus
den Nervenendigungen beruht:
Ephedrin(in angelsächsischen Ländern in der Geburtshilfe benutzt, da es ebenfalls wie AkrinorTM
die Uterusdurchblutung nicht behindert - Da Ephedrin eines der Abbauprodukte von AkrinorTM ist,
gilt dies wahrscheinlich auch für AkrinorTM selbst; vgl. dazu die genaueren Literaturangaben in(16),
http://d-nb.info/994025955/3), Amphetamine, Ketamin(KetanestTM).
Aber auch die Opiate:
Pethidin(auch Meperidin - DolantinTM, eingesetzt bei postoperativem Schüttelfrost).
Pentazocin, FortralTM(obsolet), Tramadol(TramalTM),
Dextrometorphan(in der Anästhesie nicht gebraucht, aber in vielen Anti-Husten-Mitteln enthalten,
z. B. in Wick MediNaitTM).
Und das Antibiotikum Linezolid(ZyvoxidTM).
Deshalb sollten MAO-Hemmer, die die MAO irreversibel hemmen(Tranylcypromin, JatrosomTM),
3 Wochen vor OP auf das reversibel hemmende Moclobemid(MoclobemidTM, MoclobetaTM,
AurorixTM) umgesetzt werden. Dieses sollte 1 Tag vor der OP abgesetzt werden(12).
Zugleich sollten die oben erwähnten Medikamente mit indirekter sympathikomimetischer Wirkung
perioperativ nicht angewandt werden. Das Antiparkinsonmedikament Selegilin(zahlreiche TMs),
ebenfalls ein MAO-Hemmer(selektiv für MAO-B, aber irreversibel hemmend) aber wohl
harmloser, sollte genauso behandelt werden wie die anderen MAO-Hemmer(14).
Im Gegensatz zu einer erhöhten Konzentration von sympathikomimetischennnnnnnnnn
Neurotransmittern führt eine erhöhte Konzentration von Serotonin im Synapsenspalt zum
Serotoninsyndrom mit Sinustachykardie, Myocloni, Hyperreflexie, Agitation, Tremor und
Mydriasis als häufigsten klinischen Symptomen(17). Als Auslöser kann die Kombination von
Serotonin Wiederaufnahme hemmenden Psychopharmaka mit Medikamenten in Frage kommen, die
ebenfalls zu einer erhöhten Konzentration von Serotonin im Synapsenspalt führen, wie Ketamin,
Linezolid, Pethidin, Pentazocin, Tramadol, Metoclopramid, aber auch das Naturheilmittel
Johanniskraut(14).
Einen stark vereinfachten Überblick über momentane Empfehlungen zum Umgang mit
perioperativer Psychopharmakotherapie(12,18), sowie der Praxis in unserem Klinikum finden Sie in
der folgenden Tabelle(Die originalen Empfehlungen finden sie in(12)Huyse FJ et al: Psychotropic
- 17 -
drugs and the perioperative period: a proposal for a guideline in elective surgery, Psychosomatics
Vol. 47, 2006, S. 8-22(Full Text über PubMed frei downloadbar) und in(18): Präoperative
Evaluation erwachsener Patienten vor elektiven, nichtkardiochirurgischen Eingriffen : Gemeinsame
Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, der Deutschen
Gesellschaft für Chirurgie und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Der Anaesthesist
Vol 59, 2010, S. 1041-50
Substanzgruppe Problematik
Empfehlung Bemerkung
Psychiatrisches
Konsil
Lithium
Enges therapeutisches Fenster
Kardiotoxizität
Verringerung der Ausscheidung
durch Diuretika, ACE-Hemmer,
nicht steroidale
Antirheumatika(NSAIDs)
Absetzen, am
besten 2 Tage
vorher
Keine akuten
Entzugserscheinungen,
deshalb kurzfristiges
Absetzen ohne große
Probleme möglich
Monoaminooxidasehemmer(MAOs)
Hemmung des Abbaus von
Neurotransmittern führt bei
sympathikomimetischer
Stimulation zu erheblich
vermehrter Ausschüttung von
Noradrenalinertensive Krisen) und
Serotonin(serotoninerge Krisen)
Irreversibel
wirkende MAOHemmer
(Tranylcypromin)
2-3 Wochen vor
OP ab- und auf
reversibel
wirkende
(Moclobemid)
umsetzen; diese
am OP-Tag
pausieren
Tödlich verlaufende
Angeraten
hypertensive Verläufe
beschrieben.
Direkt wirkende
Sympathikomimetika
werden auch potenziert,
aber immer noch viel
weniger als indirekt
wirkende
Trizyklische
Antidepressiva
Kardiale Interaktionen,
hypertensive Krisen, Anhebung
der Krampfschwelle
Am OP-Tag
absetzen
Nach klinischer
Erfahrung weitgehend
unproblematisch
SerotoninWiederaufnahmeHemmer(SSRIs,
Selective Serotonin
Reuptake Inhibitors)
Serotoninerge
Am OP-Tag
Krise(Gastrointestinale Symptome belassen
und Blutungen, Kopfschmerzen,
Anorexie, Agitation,
Schlaflosigkeit
Risiko gastrointestinaler Empfohlen
Blutungen vergleichbar
mit ASS und NSAIDs beides nicht
kombinieren
Lange Wirkungsdauer
Andere
Antidepressiva:
Maprotilin,
Mianserin,
Mirtazapin,
Venlaflaxin
Teilweise ähnlich wie trizyklische Am OP-Tag
Antidepressiva
belassen
Keine wesentlichen
Komplikationen
beschrieben
Empfohlen
Neuroleptika
Extrapyramidale Symptome
Am OP-Tag
belassen
Beim Auftreten
extrapyramidaler
Symptome:
Adamantin, Biperiden
Empfohlen
Clozapin
Agranulozytose, Hyperthermie,
Kardiale Interaktionen,
Hypotension
Absetzen
- 18 -
Angeraten
Empfohlen
Angeraten
Weitergeben am OP-Tag(frei nach der Leitlinie unserer Klinik zur Prämedikation):
Calciumantagonisten, Alpha-2-Agonisten, Nitrate, Herzglykoside, Antiarrhythmika, Theophyllin,
Protonenpumpenhemmer, H2-Blocker, Thyreostatika, Antikonvulsiva, Parkinson-Medikamente,
Nitro- und Asthma-Sprays.
Pausieren dagegen:
Diuretika, ACE-Hemmer, AT2-Blocker, Thyroxinpräparate,
Medikamente, die in der Prämedikation zusätzlich angesetzt werden können:
Aspirationsprophylaxe
Reduktion der Magensaftsekretion
Cimetidin 400mg, Ranitidin 150-300 mg, Famotidin 2040 mg am Vorabend und am Morgen p. os
Beschleunigung der Magenentleerung
Metoclopramid 10 mg 15 min vorher i. v.
Anhebung des Magensaft-pHs
Natriumcitrat 20-30 ml hebt den pH auf mindestens
2,5(in der Regel gegeben unmittelbar vor Sectio Caesarea
für den Fall, dass doch eine Allgemeinanästhesie nötig
sein wird).
- 19 -
Literaturangaben
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
Vandam L. To make the patient ready for anesthesia - Medical care for the surgical patient.
Menlo Park California, Reading Massachusetts, London, Amsterdam, Don Mills Ontario,
Sidney: Addison-Wesley Publishing Company Inc., 1984:1-302.
Tolksdorf W, Schou J, Brenneisen A. Untersuchung zur Prämedikation in Deutschland
1998. Anästh Intensivmed 1999;40:72-6.
Gogarten W, Van Aken H, Büttner J et al. Rückenmarksnahe Regionalanästhesien und
Thromboembolieprophylaxe/antithrombotische Medikation - 2. überarbeitete Empfehlung
der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Anästh Intensivmed
2007;48:S109-S24.
Pfanner G, Koscielny J, Pernerstorfer T et al. Präoperative Blutungsanamnese.
Empfehlungen der Arbeitsgruppe perioperative Gerinnung der Österreichischen Gesellschaft
fur Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin. Anaesthesist 2007;56:604-11.
Marik PE, Varon J. Requirement of perioperative stress doses of corticosteroids: a
systematic review of the literature. Arch Surg 2008;143:1222-6.
Yong SL, Marik P, Esposito M, Coulthard P. Supplemental perioperative steroids for
surgical patients with adrenal insufficiency. Cochrane Database Syst Rev 2009:CD005367.
Jung C, Inder WJ. Management of adrenal insufficiency during the stress of medical illness
and surgery. Med J Aust 2008;188:409-13.
Kehlet H. A rational approach to dosage and preparation of parenteral glucocorticoid
substitution therapy during surgical procedures. A short review. Acta Anaesthesiol Scand
1975;19:260-4.
Milde AS, Böttiger BW, Morcos M. Nebennierenrinde und Steroide. Supplementäre
Therapie in der perioperativen Phase. Anaesthesist 2005;54:639-54.
Nicholson G, Burrin JM, Hall GM. Peri-operative steroid supplementation. Anaesthesia
1998;53:1091-104.
Salem M, Tainsh RE, Jr., Bromberg J et al. Perioperative glucocorticoid coverage. A
reassessment 42 years after emergence of a problem. Ann Surg 1994;219:416-25.
Huyse FJ, Touw DJ, van Schijndel RS et al. Psychotropic drugs and the perioperative
period: a proposal for a guideline in elective surgery. Psychosomatics 2006;47:8-22.
Byck R. Drugs and the Treatment of Psychiatric Disorders. In: Goodman L, Gilman, A ed.
The Pharmacological Basics of Therapeutics. New York, Toronto, London: Macmillan
Publishing Co., Inc., 1975:152-200.
Milde AS, Motsch J. Medikamenteninteraktionen für den Anästhesisten. Anaesthesist
2003;52:839-59.
Moss J, Cheryl, LR. The Autonomic Nervous System. In: Miller R ed. Anesthesia.
Philadelphia, London, Toronto, Montreal, Sidney, Tokyo, Edinburgh: Churchill
Livingstone, 2000.
Föllner S. Der Einfluss von AkrinorTM auf den Tonus von Koronararterien des Schweins in
vitro und der zugrunde liegende Mechanismus. Dissertation Medizinische Fakultät
Greifswald. Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald, 2008:1-78.
Graudins A, Dowsett RP, Liddle C. The toxicity of antidepressant poisoning: is it changing?
A comparative study of cyclic and newer serotonin-specific antidepressants. Emerg Med
(Fremantle) 2002;14:440-6.
Präoperative Evaluation erwachsener Patienten vor elektiven, nichtkardiochirurgischen
Eingriffen : Gemeinsame Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und
Intensivmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und der Deutschen Gesellschaft
für Innere Medizin. Anaesthesist 2010;59:1041-50.
- 20 -
Herunterladen