1 Methodendarstellung Chinesische Diagnostik und Arzneitherapie Prof. Dr. Gertrude Kubiena Traditionelle Chinesische Medizin, Akupunktur und chinesische Arzneitherapie Die Traditionelle Chinesische Medizin besteht aus verschiedenen Sparten: Aufgrund ihrer Komplexität sollten Akupunktur, Chinesische Diagnostik und Arzneitherapie (in China „Innere Medizin“) ausschließlich dem Arzt vorbehalten bleiben. Auch Chinesische Diätetik, Massage, und meditative Bewegungsübungen wie Taiji und Qigong gehören dazu. Puncto Diätetik und Massage soll der Arzt imstande sein, die Indikation zu stellen, die Durchführung aber entsprechend speziell ausgebildetem Personal überlassen, wie z.B. in der Physiotherapie. Taiji und Qigong werden bei uns vorwiegend als präventive Gesundheitsübungen angewendet. In China ist es möglich, an der Universität entweder Westliche oder Traditionelle Chinesische Medizin zu studieren (je 5 Jahre), wobei jeweils auch Aspekte der anderen Medizin einfließen – theoretisch ca 30%. Die Theoretische Basisausbildung im ersten Studienabschnitt ist für alle Sparten der Traditionellen Chinesischen Medizin gleich, erst dann trennen sich die Wege je nach Spezialisierung. Bei uns in Österreich ist die Akupunktur am bekanntesten, seit 1986 für Teilbereiche als medizinische Heilmethode offiziell anerkannt und seit 1991 gibt es ein ÖÄK-Akupunktur-Diplom. Chinesische Arzneitherapie wird im Mutterland der Traditionellen Chinesischen Medizin mindestens doppelt so oft angewendet wie Akupunktur und kommt in den letzten Jahren auch bei uns in Österreich vermehrt zum Einsatz, schätzungsweise von ca. 1000 Ärzten. Daß die chinesische Arzneitherapie bei uns bisher weniger bekannt ist als Akupunktur liegt daran, daß gute Literatur bei uns erst seit ca. 10 Jahren auf dem Markt ist und sich erst in den letzten Jahren ein von allen lehrenden Gesellschaften anerkanntes Lehrprogramm herauskristallisiert hat. Eine erstklassige chinesische Diagnostik und die Kenntnis von mindestens 300 Arzneidrogen und 100 Rezepten sind unabdingbare Voraussetzungen für die erfolgreiche Anwendung der Chinesischen Arzneitherapie, welche zwar ungleich schwerer als Akupunktur, aber mit den geeigneten Lehrmethoden durchaus erlernbar ist. Die Methode ist – bei entsprechender Ausbildung – im Routinebetrieb anwendbar, allerdings ist ein erheblicher Zeitaufwand einzukalkulieren. Weltweiter Status der Chinesischen Arzneitherapie Laut WHO ist Traditionelle Chinesische Medizin von allen sogenannten Traditionellen Medizinen weltweit am verbreitetsten und wird überall in der Welt ausgeübt 1. In Japan wenden 72% der westlichen Ärzte zusätzlich chinesische Arzneitherapie an 2. Der Verbrauch chinesischer Arzneimittel stieg dort zwischen 1974 und 1989 um das 15-Fache, der von modernen Medikamenten hingegen nur um das 2,6-Fache 3. In Europa gibt es staatliche Kliniken für Komplementärmedizin nur in England, Privatkliniken für TCM hingegen sind auch in den USA und in Europa zu finden, z.B. in der BRD und Holland. Universitäten für Traditionelle Chinesische Medizin gibt es natürlich in China aber auch in Amerika und Australien. Indikationen Chinesische Arzneitherapie kann durchaus mit westlicher Medizin kombiniert werden. Sie bewährt sich besonders in Gynäkologie, Rheumatologie, Dermatologie, Gastroenterologie, Neurologie, Traumatologie, Geriatrie, HNO, bei Infektanfälligkeit, Chronique Fatigue, Lernschwierigkeiten, Konzentrationsstörungen; postpartal und bei der Nachsorge nach Operationen (Blutungs- / Thrombose-Prophylaxe, Singultus, etc.); Bekämpfung der Nebenwirkungen der Chemo- und Strahlentherapie, etc.. Oft hilft Chinesische Arzneitherapie wenn unsere moderne Medizin nicht mehr weiter weiß oder zu nebenwirkungsreichen Maßnahmen greifen muß: Bei PCP und Psoriasis gelingt es beispielsweise oft, den Patienten Cortison zu ersparen, PCP-Patienten kommen weg vom Analgetica-Konsum. Ärztliche Vorgangsweise Zuerst wird – wie gewohnt – eine konventionelle Diagnose erstellt. Für einfache Indikationen – z.B. grippaler Infekt – kann das genügen. Meist ist aber ein differenzierteres Vorgehen notwendig und dann muß zusätzlich eine chinesische Diagnostik durchgeführt werden. Dazu gehören der optische Eindruck mit der speziellen Technik der Zungendiagnostik, akustische Phänomene wie Atmung, Stimme etc., die Palpation mit der Spezialtechnik der Pulsdiagnostik und eine ausführliche Anamnese. Aufgrund 1 WHO: Legal Status of Traditional Chinese Medicine: A Worldwide Review. 2001 2 WHO: Fact Sheet N 271, Juni 2000 3 WHO: Fact Sheet N 134, Sept. 1996 2 seiner chinesischen Diagnose stellt der Arzt eine passende Rezeptur aus, die entsprechend den individuellen Bedürfnissen des Patienten variiert wird. Bei weiteren Vorstellungen erfolgt die Überprüfung der Wirkung und eine allfällige Anpassung der Rezeptur. Arzneimittel Verwendet werden überwiegend pflanzliche Arzneidrogen, daneben auch mineralische und in ganz geringem Maße auch tierische, wobei der Artenschutz berücksichtigt wird. Prinzipiell gibt es zwei (drei) Möglichkeiten der Verschreibung: Magistraliter gemischte Nativdrogen, die als Dekokt oder Pulver verwendet werden, Granulate – gefriergetrocknete konzentrierte Dekokte, wobei ebenfalls die Granulate der Einzeldrogen magistraliter gemischt werden. Eine dritte – in China sehr beliebte Möglichkeit – ist aufgrund unserer Gesetzeslage nicht zulässig: Patentmedizinen, also fertige Mischungen. Verfügbarkeit und Sicherheit der Arzneimittel Die Arzneidrogen werden aus China oder Taiwan importiert. Generell wird aus der VR China die bessere Ware exportiert und die mindere zum Gebrauch vor Ort verwendet. Überprüft werden die Arzneidrogen vier mal: Vom Hersteller, bei der Einfuhr in die EU, vom Großhändler und letztlich vom abgebenden Apotheker. Die Überprüfung erfolgt auf Echtheit und Reinheit, d.h. Schadstoffe – Insektizide, Pestizide, Schwermetalle, Aflatoxin etc. Die Identitätsprüfung von Granulaten erfolgt mittels Dünnschichtchromatographie. In Österreich haben sich bereits zahlreiche Apotheken auf die Zubereitung und Abgabe chinesischer Arzneimittel spezialisiert. Literatur Eine Liste der üblichen Lehrmittel-Literatur kommt als Attachment ebenso wie eine moderne Literaturdokumentation aus der Website der Universität Sidney mit 2001 Einträgen auf 88 Seiten (TCMHerbalLiteraturAustralien.doc) http://www.library.usyd.edu.au/subjects/pharmacy/links/herbalmedicines.html gez. Frau Prof.Mag. Dr. Gertrude Kubiena Diplomverantwortliche ÖÄK-Diplom Komplementäre Medizin Chinesische Diagnostik und Arzneitherapie