STATEMENT Univ.-Prof. Dr. Hermann Toplak Medizinische Universität Graz, Universitätsklinik für Innere Medizin, Ambulanz für Lipidstoffwechsel und Präsident der ÖDG Diabetes in Österreich in Zahlen Diabetes ist auch in Österreich eines der bedeutendsten Gesundheitsprobleme unseres Jahrhunderts. Zurzeit gibt es in Österreich 600.000 Menschen, die an Diabetes mellitus erkrankt sind. Im Jahr 2030 werden es – vorsichtig geschätzt – mehr als 800.000 Betroffene sein. 85–90 % aller Diabetiker sind Typ-2-Diabetiker. Übergewicht und Fettleibigkeit sowie Bewegungsmangel fördern die Entstehung des Typ-2-Diabetes. 50–60 % aller Österreicherinnen und Österreicher sind zumindest übergewichtig. Dieser Anteil steigt jährlich. 30.000 Menschen in Österreich leiden an einem Typ-1-Diabetes, davon etwa 3.000 Kinder und Jugendliche. Diabetesschicksale in Österreich Alle 50 Minuten stirbt in Österreich ein Mensch an den Folgen des Diabetes. Das sind 10.000 Menschen im Jahr. Die meisten dieser Todesfälle sind auf Herzinfarkt und Schlaganfall zurückzuführen. Jedes Jahr werden in Österreich 2.500 Amputationen an Patienten mit Diabetes mellitus vorgenommen. Das sind 62 % aller Amputationen. Jedes Jahr werden 300 Menschen mit Diabetes wegen Nierenversagen dialysepflichtig. Das sind 26 % aller Patienten mit neuer Dialysepflichtigkeit. Jedes Jahr erblinden in Österreich 200 Menschen als Folge des Diabetes mellitus. Auch wenn menschliches Leid nie quantifizierbar ist, machen diese Zahlen betroffen. Wenn wir bedenken, dass auch in Österreich ca. jeder 11. an Diabetes erkrankt ist, hat wohl fast jede Familie und jeder Freundeskreis und somit ganz Österreich mit Diabetes zu kämpfen. Medizinisch auf gutem Weg – ABER Die medizinische Forschung hat große Verbesserungen für die Betroffenen gebracht. Wir können Menschen mit Diabetes heute ein längeres Leben mit weniger Folgeerkrankungen und besserer Lebensqualität bieten als je zuvor. Gleichzeitig wird aber der Druck durch Neuerkrankungen und durch die vielen Menschen, die gefährdet sind, immer größer und Diabetes zu einer Herausforderung nicht nur für die Sozialversicherung sondern auch für die Gesamtgesellschaft. Die direkten Kosten des Diabetes und seiner Folgekrankheiten werden in Österreich auf 4,8 Mrd. Euro pro Jahr geschätzt. Für 2030 lassen sich auf Basis aktueller Zahlen und Trends Kosten von mehr als 8 Mrd. Euro prognostizieren. 1 ÖDG: Helfen, Heilen, Forschen Die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG) ist die ärztlich-wissenschaftliche Fachgesellschaft der österreichischen Diabetes-Experten. Ihr Motto: „Helfen, Heilen, Forschen“ zeigt, dass das Engagement weit über den klassischen Forschungsauftrag hinausgeht. Die ÖDG sieht es als ihre Aufgabe, die Gesundheit und Lebensqualität von Menschen mit Diabetes mellitus zu verbessern. Sie setzt sich daher für die Anliegen der Betroffenen ein. Sie fordert und fördert die stetige Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Diabetes mellitus. Sie verbreitet wissenschaftliche Erkenntnisse sowohl zur Verbesserung der medizinischen Betreuung als auch zur bestmöglichen Vorbeugung von Neuerkrankungen. Diabetes-Politik: Experten zeigen Engagement Einen bedeutenden Schritt in der gesellschaftspolitischen Diabetes-Arbeit der ÖDG stellt das Jahr 2011 dar: In diesem Jahr wurde die Österreichische Diabetes Charta verfasst. In ihren Inhalten betont die Charta die Bedeutung von Lebensstilmaßnahmen – beginnend bei der Ernährung und Bewegung von Kindern und Erwachsenen. Sie benennt die wichtigsten Handlungsfelder im Bereich Diabetes und macht ganz konkrete Vorschläge zur Prävention, Betreuung und medikamentösen Versorgung sowie zur Verbesserung der strukturellen Betreuung von Kindern. Weiters weist sie auf die Notwendigkeit einer österreichweiten Patientenerfassung hin und stellt ein klares Bekenntnis zur verstärkten Forschungsförderung im Bereich Diabetes auf. Unterstützt wurde die Charta vom damaligen Bundesminister für Gesundheit, Alois Stöger. Unter den Unterzeichnern finden sich der damalige Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Rudolf Hundstorfer, sowie LandesrätInnen für Gesundheit der Bundesländer, die österreichische Ärztekammer sowie Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen. Anlässlich des Weltgesundheitstages wurden alle unterzeichnenden Gebietskörperschaften und Institutionen um ein Follow Up gebeten, in dem sie beschreiben konnten, was sie in ihrem Bereich entwickelt und erarbeitet haben, um die Diabetesversorgung zu verbessern und den Vorsorgegedanken in den Köpfen der Menschen zu verankern. Viele Bundesländer wie Kärnten, Vorarlberg, Burgenland und Tirol präsentierten ihre Gesundheitsförderungsprojekte, Schulungsmaßnahmen und Aufklärungsinitiativen. Fast alle Bundesländer sind zum Beispiel bereits dem Disease Management Programm „Therapie aktiv – Diabetes im Griff“ der österreichischen Sozialversicherungsträger beigetreten, um die Primärversorgung der Diabetespatienten in allen Regionen auf ein gemeinsames Level mit regelmäßigen Kontrollen und zusätzlichen Services für Patienten zu bringen. Das Bundesland Salzburg zeichnete sich dadurch aus, dass der Vorsorgegedanke vom Kindergarten über alle Schulstufen bis hinein ins Erwachsenenalter und für Senioren besonders umfassend umgesetzt und an die Bedürfnisse der einzelnen Gemeinden angepasst wurde. 2 Visionen einer adäquaten Vorbeugung Es ist gut, dass in Österreich viel Engagement für die Prävention und Versorgung gezeigt wird. Es ist aber Zeit für Strategien auf der Makro-Ebene, die die gesamte Gesellschaft mit einbezieht. Denn kleine Pilotprojekte reichen nicht mehr aus, um diese Epidemie zu bekämpfen. Wir brauchen einen Diabetesschwerpunkt der sich als Querschnittsmaterie durch alle Lebenswelten zieht und auch so große Themen wie Stadtplanung, Lebensmittelkostengerechtigkeit und generelle Gesundheitsbildungsarbeit miteinbezieht. Visionen einer adäquaten Versorgung Auf eine gute Individualbetreuung darf trotzdem nicht vergessen werden. Die ÖDG hat bei einer Enquete anlässlich des Weltdiabetestages 2015 mit Entscheidungsträgern aus Politik und Sozialversicherung über die Weiterentwicklungsmöglichkeiten der Patientenversorgung diskutiert. Forderungen der ÖDG waren: Die Erweiterung des Disease Management Programms um eine zweite Ebene, die zwischen der Primärversorgung in den allgemeinmedizinischen Ordinationen und den Schwerpunkt-Diabetes-Zentren liegen soll. Dies würde eine Ausbildung bzw. Schulung zu einer Art „Diabetologe ÖDG“ erfordern. Als Beispiel wurde bei dieser Veranstaltung eine entsprechende Ausbildung und Praxis der Deutschen Diabetes Gesellschaft vorgestellt. Engagement für die österreichische Diabetesstrategie Die Expertinnen und Experten der ÖDG arbeiten gerade auch sehr intensiv an der vom Gesundheitsministerium initiierten Diabetesstrategie mit, um Österreich auch für die Zukunft das entsprechende Rüstzeug für die bedrohlich rollende Diabeteswelle zu liefern. 3