Anleitung zur GDA-Leitlinie Gefährdungsbeurteilung, Erläuterung zur BGI 810: 2013 1. Wann ist eine Gefährdungsbeurteilung angemessen durchgeführt? • Gefährdungsbeurteilung muss "im Wesentlichen durchgeführt und zutreffend" sein wesentliche Gefährdungen sind ermittelt und zutreffend bewertet wesentliche Arbeitsplätze/Tätigkeiten sind beurteilt besondere Personengruppen sind berücksichtigt worden (z.B. Beschäftigte ohne ausreichende Deutschkenntnisse, Leiharbeitnehmer, Berufsanfänger, ...) • Arbeitsschutzmaßnahmen sind geeignet und ausreichend • Wirksamkeitskontrollen werden durchgeführt • Gefährdungsbeurteilung ist aktuell • Dokumentation liegt nach Form und Inhalt angemessen vor 1.1 Wesentliche Gefährdungen Hierzu können Kataloge herangezogen werden: BGI 809, BGI 8700, Dokumente des VPLT AK Rental, eine Synthese daraus soll in BGI 810 und BGI 810-5 einfließen (BGI 810 und 810-5 werden zurzeit überarbeitet). 1.2 Wesentliche Arbeitsplätze/Tätigkeiten Für Unternehmen der Produktions- und Veranstaltungstechnik muss eine Gefährdungsbeurteilung sowohl für die Arbeitsplätze/Tätigkeiten • auf dem eigenen Betriebsgelände als auch für Arbeitsplätze/Tätigkeiten • bei Produktionen und Veranstaltungen am Produktions- und Veranstaltungsort Zu letzteren gehören auch Teams, die in Außeneinsätzen tätig werden, z.B. EB-Teams beim Fernsehen. Auch für diese Teams sind die wesentlichen Gefährdungen zu ermitteln. Es ist dabei allerdings nicht möglich und wird deshalb auch nicht erwartet, alle Gefährdungen vorherzusehen, die vor Ort konkret auftreten können. Diese Tatsache erfordert – wie bei anderen Tätigkeiten in der Veranstaltungswirtschaft auch – ausreichend für die Tätigkeiten qualifiziertes Personal. 1.3 Mindestinhalt der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung • Beurteilung der Gefährdungen effektive Durchführung muss erkennbar sein (Systematik) Angaben zum Ergebnis der Beurteilung müssen enthalten sein (Risiko) • Festlegung von konkreten Arbeitsschutzmaßnahmen einschließlich Terminen und Verantwortlichen DOK 617-9 | 68622237.doc 1/7 • Durchführung der Maßnahmen und Überprüfung der Wirksamkeit (s. auch Abschnitt 4.) • Datum der Erstellung/Aktualisierung • Spezielle Anforderungen in Arbeitsschutzvorschriften sind zu beachten: z. B. BetriebssicherheitsV, Lärm- und Vibrations- ArbeitsschutzV ... 2. Systematische Risikobewertung Vorgehensweise nach einem standardisierten Verfahren, Mit der Tabelle 1 können Sie das Risiko ermitteln. Beurteilen Sie 1. die Wahrscheinlichkeit (Tabelle 2): zum Beispiel, dass das Auftreten eines Schadens wahrscheinlicher ist als sein Ausbleiben, ergibt W = 4 2. die Gefährlichkeit/Schadensausmaß (Tabelle 3): zum Beispiel, dass leichtere Verletzungen auftreten können, ergibt G = 2 Durch Multiplikation erhalten Sie die Risikomaßzahl R (im Beispiel: R = W x G = 8). Sie zeigt das Risiko an. 3. Das Risiko wird in drei Kategorien eingeteilt (Tabelle 1 grüne, gelbe und rote Bereiche und Tabelle 4). Daraus ergibt sich, ob Schutzmaßnahmen erforderlich sind und ob der Vorgang mit vertretbarem Restrisiko durchgeführt werden kann. Tabelle 1 - Risikomatrix Risikomaßzahl R = W x G Gefährlichkeit/ Schadensausmaß G Wahrscheinlichkeit W 1 2 3 4 5 keine erheblichen Verletzung leichte Verletzungen mittelschwere Verletzungen schwere Verletzungen katastrophale/ tödliche Verletzungen sehr wahrscheinlich 5 5 10 15 20 25 wahrscheinlich 4 4 8 12 16 20 unwahrscheinlich 3 3 6 9 12 15 2 2 4 6 8 10 1 1 2 3 4 5 sehr unwahrscheinlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen DOK 617-9 | 68622237.doc 2/7 Tabelle 2 - Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts W 5 - sehr wahrscheinlich 4 - wahrscheinlich 3 - unwahrscheinlich 2 – sehr unwahrscheinlich 1 - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen Beschreibung Ohne (weitere) Schutzmaßnahmen ist mit dem Schadenseintritt zu rechnen. Der Eintritt des Schadenereignisses ist wahrscheinlicher als sein ausbleiben. Das Ausbleiben des Schadenereignisses ist wahrscheinlicher als sein Eintritt. Das Ausbleiben des Schadenereignisses ist deutlich wahrscheinlicher als sein Eintritt. Mit dem Schadenseintritt ist nicht zu rechnen. Tabelle 3 - Gefährlichkeit (Schadensausmaß) G Beschreibung 5 – katastrophale/ tödliche Verletzungen Tod, lebensgefährliche Verletzungen (z.B. Rückenmarksverletzungen, Amputation von Gliedmaßen, Schädelbruch mit Gehirnblutung, Polytrauma) 4 – schwere Verletzung Verletzungen, die stationär versorgt werden müssen (z.B. komplizierte Knochenbrüche, stumpfe Bauchverletzung) sowie Verletzungen, die irreversibel sind bzw. nicht ausheilen (z.B. Gelenkversteifung, Gehörschaden) 3 – mittelschwere Verletzung Verletzungen, die ambulant versorgt werden müssen (z.B. Schnittverletzung, die genäht werden muss, Verstauchung) 2 – leichte Verletzungen Bagatell-Verletzungen, die nicht ärztlich versorgt werden müssen 1 – keine erheblichen Verletzungen Keine oder nur minimale Verletzungen. DOK 617-9 | 68622237.doc 3/7 Tabelle 4 – Risiko R hohes Risiko R = 12 … 25 mittleres Risiko R = 6 … 10 geringes Risiko R=1…5 DOK 617-9 | 68622237.doc Beschreibung Risiko ist zwingend durch Schutzmaßnahmen zu minimieren. Ist das Risiko durch Anwendung von Schutzmaßnahmen nicht weiter minimierbar, kann der Vorgang so nicht durchgeführt werden. Risiko ist durch Schutzmaßnahmen zu minimieren. Ist das Risiko durch Anwendung von Schutzmaßnahmen nicht weiter minimierbar, kann der Vorgang nur bei Beachtung besonderer Sorgfalt durchgeführt werden. Risiko ist tolerabel. Zusätzliche Schutzmaßnahmen sind nicht zwingend erforderlich. 4/7 2.1 Beispiel für Vorgehensweise bei der Risikobewertung DOK 617-9 | 68622237.doc 5/7 Risikobewertung wird in zwei Schritten durchgeführt: 1. ohne Berücksichtigung von Arbeitsschutzmaßnahmen 2. mit Berücksichtigung von zur Risikominimierung erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen 3. Arbeitsschutzmaßnahmen (z.B. Änderung der Arbeitsorganisation, freie Bühne bei Rig-Fahrten, erforderliche Qualifikation) 4. Persönliche Schutzausrüstungen (PSA) verwenden PSA werden zur Verringerung der Verletzungs- und Erkrankungsrisiken eingesetzt. (z. B. PSAgA, Helm, Sicherheitsschuhe, Gehörschutz) 5. Verhaltensbezogene Sicherheitsmaßnahmen Die Wirkung von Gefahrenquellen wird durch ein sicherheitsgerechtes Verhalten der Beschäftigten, einschließlich des Fremdfirmenpersonals, verringert. Voraussetzung ist die durchgeführte Gefährdungsbeurteilung. Diese ist Grundlage der Unterweisungen (vor Aufnahme der Tätigkeit, danach regelmäßig) schwierig T Schwierigkeit der Realisation Auswahl von Schutzmaßnahmen 1. Gefahrenquelle vermeiden/beseitigen Durch Arbeitsgestaltung, Auswahl geeigneter Technik und Einsatz geeigneter Arbeitsmittel und Arbeitsstoffe wird das Entstehen von Gefahrenquellen vermieden. (z.B. Hubarbeitsbühne einsetzen) 2. Sicherheitstechnische Maßnahmen Es werden Maßnahmen ergriffen, damit Gefahrenquellen nicht wirksam werden. Durch sicherheitstechnische Maßnahmen werden vorhandene oder zu erwartende Gefährdungen beherrscht. (z. B. Absturzsicherung wie Geländer oder Fallschutznetz) 3. Organisatorische Sicherheitsmaßnahmen Durch organisatorische Maßnahmen wird verhindert, dass die Person einer Gefahrenquelle ausgesetzt wird (zeitliche oder räumliche Trennung von Gefahrenquelle und Person). O P einfach wenig weitreichend Reichweite der Maßnahmen weitreichend Prioritäten von Schutzmaßnahmen nach dem TOP-Modell. Aus der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung sollen Verantwortliche und Termine für die Arbeitsschutzmaßnahmen hervorgehen. Für die Veranstaltungen bietet sich hierzu die Definition von Phasen an: z.B. Aufbau, Veranstaltung, Abbau DOK 617-9 | 68622237.doc 6/7 4. Wirksamkeitskontrolle 1. Prospektiv: im Vorfeld auf Grund der Erfahrungen des Erstellers Anhand des vorstehenden Schemas wird die erwartete Wirkung der dort bereits geplanten Schutzmaßnahmen überprüft. Hierbei ist zwingend erforderlich, ein geringes Risiko zu erzielen. In besonderen Ausnahmefällen und unter Anwendung besonderer Sorgfalt bei der Durchführung kann ein mittleres Risiko akzeptiert werden. 2. Laufend durch die verantwortliche Person Die verantwortliche Person muss mit direkter Weisungsbefugnis ausgestattet sein, um die geforderten Maßnahmen unmittelbar durchführen zu lassen. Dies ist zu dokumentieren, die Gefährdungsbeurteilung ist ggf. anzupassen. 3. Retrospektiv: nach Ereignissen, aufgrund neuer Erfahrungen und Erkenntnisse Eine Gefährdungsbeurteilung muss dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess im Betrieb unterliegen. Das heißt, dass Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem laufenden Betrieb ständig in die Gefährdungsbeurteilung einfließen müssen. Auslöser können z.B. sein: Unfälle oder Beinahe-Unfälle, neue technische Arbeitsmittel, veränderte Abläufe und Prozesse, geänderte oder neue Betriebsstätten oder Produktionsorte, neue oder geänderte Normen und Vorschriften. 5. Spezielle Anforderungen in Arbeitsschutzvorschriften Ziel einer Handlungshilfe/eines Werkzeuges nach BGI 810: 2013 für die Gefährdungsbeurteilung sollte es sein, zusätzlich zum Arbeitschutzgesetz/BGV A1 die speziellen Anforderungen aus verschiedenen weiteren Vorschriften mit abzudecken. Zum Teil sind hierfür auch schon Arbeitshilfen ermittelt worden, z.B. nach BGI 813 und BGG 912 zur Ermittlung von Prüfristen oder nach BGI 810-6 zur Ermittlung von erforderlichen Brandschutzmaßnahmen. 6. Fazit Ziel – vor dem Hintergrund der anstehenden BGI 810-Überarbeitung – soll eine einheitliche Vorlage für die Gefährdungsbeurteilung für Produktions- und Veranstaltungsunternehmen sein. Andere Lösungen sollen dadurch nicht ausgeschlossen werden, z.B. können für einfache Anwendungen auch weiterhin Checklisten reichen, die als Bewertung die Auswahl „Maßnahmen erforderlich ja/nein“ enthalten. Erstellt von Jörg Braeutigam, VBG 10.6.2013 DOK 617-9 | 68622237.doc 7/7