Pain in Europe VIII – 8. EFIC-Kongress, 9.–12. Oktober 2013, Florenz EFIC STARTET EUROPÄISCHES JAHR GEGEN OROFAZIALE SCHMERZEN: AUFMERKSAMKEIT FÜR EIN UNTERSCHÄTZTES GESUNDHEITSPROBLEM Im Rahmen des Kongresses der Europäischen Schmerzföderation EFIC fiel heute der Startschuss zum „Europäischen Jahr gegen orofaziale Schmerzen“, das die Aufmerksamkeit auf ein weitgehend unterschätztes Gesundheitsproblem lenkt. Von Oktober 2013 bis Oktober 2014 soll eine Informationskampagne über zahlreichen Schmerzformen aufklären, die im Mund-, Kiefer- oder Gesichtsbereich auftreten können. Florenz, 10. Oktober 2013 – „Obwohl akute Schmerzen häufig sehr gut behandelt werden, bleibt das Problem chronischer Schmerzen nach wie vor unterschätzt, oft unbehandelt und es hat hohe gesellschaftliche Kosten. In der EU sind chronische Schmerzen für mehr als 500 Krankenstandstage verantwortlich, das kostet die europäischen Volkswirtschaften mehr als 34 Milliarden Euro im Jahr.1 Und trotzdem werden nur zwei Prozent der Betroffenen von einem/-r Schmerzspezialisten/-in behandelt, 33 Prozent der chronischen Schmerzpatienten/innen werden überhaupt nicht behandelt“,2 sagte Dr. Chris Wells (Liverpool), President Elect der Europäischen Schmerzföderation EFIC. Im Rahmen des diesjährigen Kongresses der Organisation, Pain in Europe VIII, der in Florenz stattfindet, startete EFIC heute das Europäische Jahr gegen den Schmerz (European Year Against Pain, EYAP) 2013 bis 2014. „Mit dieser Kampagne, die mit der International Association for the Study of Pain IASP koordiniert ist, rücken wir jedes Jahr eine spezielle Schmerzform oder ein spezielles Problem in Verbindung mit Schmerzen in den Mittelpunkt“, so Dr. Wells. „Es geht darum, Schmerz in all seinen Facetten und mit seinen gesellschaftlichen Folgen zu zeigen, Schmerzpatienten/-innen zu unterstützen, und die breite Öffentlichkeit zu informieren. Aber wir wollen auch bei politischen Entscheidungsträgern/innen Bewusstsein dafür schaffen, welche Herausforderungen chronische Schmerzen für die Gesundheitssysteme bedeuten, und dass hier eine Priorität gesetzt werden muss.“ Unterschätztes Problem orofaziale Schmerzen In diesem Europäischen Jahr gegen orofaziale Schmerzen von Oktober 2013 bis Oktober 2014 wird die Aufmerksamkeit auf eine Form von Schmerzen gelenkt, die sehr viele Menschen in ihrer akuten Form kennen, die aber in der chronischen Form weitgehend unterschätzt werden. „Orofaziale Schmerzen beschreiben generell jede Form von Schmerzen im Mund-, Kieferoder Gesichtsbereich, die sehr unterschiedliche Ursachen haben und die sich in sehr unterschiedlichen Symptomen darstellen können“, erklärte Dr. Wells. „Das reicht von 1 2 European Pain Network: The EPN Manifesto Breivik et al, Survey of chronic pain in Europe. European Journal of Pain 2006 Zahnschmerzen, die fast jeder Mensch schon einmal erlebt hat, bis hin zu sehr belastenden Erkrankungen wie Kieferschmerzen, Zungenbrennen („burning mouth syndrome“), Trigeminusneuralgie oder Cluster-Kopfschmerz. Chronische orofaziale Schmerzen sind weltweit ein großes Gesundheitsproblem. Sieben Prozent der Bevölkerung leiden an einer Form von chronischem Gesichtsschmerz, der länger als drei Monate andauert.“ Ein großer Anteil akuter orofazialer Schmerzen ist durch Probleme mit den Zähnen verursacht. „Fast jeder Mensch hat irgendwann Zahnschmerzen“, sagte Dr. Wells. „Jede/-r Neunte hat Umfragen zufolge in den vorangegangenen vier Wochen irgendeine Form von Zahnschmerzen oder ähnlichen Beschwerden gehabt.“ Das mag auch der Grund dafür sein, dass orofaziale Schmerzen in manchen Ländern das Spezialgebiet von Zahnärzten/-innen sind, so Dr. Wells. „In jedem Fall müssen Spezialisten/-innen in der Diagnose abklären, ob es sich um herkömmliche Ursachen für Zahnschmerzen wie Karies, Infektionen oder Abszesse handelt, oder ob den Schmerzen im Gesichtsbereich seltenere, aber häufig chronische Ursachen zugrunde liegen.“ Die zweithäufigste Ursache für orofaziale Schmerzen nach Zahnschmerzen sind Kieferschmerzen (Kiefergelenks-Dysfunktion, TMD), mit einer geschätzten Prävalenz von fünf bis zehn Prozent. Allein in den USA verursacht TMD Kosten von vier Milliarden Dollar im Jahr.3 Ein anderes Beispiel für schwer behandelbaren chronischen Gesichtsschmerz ist das Zungenbrennen („burning mouth syndrome“, BMS), von dem etwa ein Prozent der Bevölkerung betroffen sind. „Früher hielt man dieses Syndrom für ein vorwiegend psychisches Problem, aber neueste Forschungsergebnisse zeigen, dass hier sehr unterschiedliche Faktoren zusammenwirken, unter anderem Nervenschädigungen, und dass komplexe medikamentöse Therapieansätze helfen können“, so Dr. Wells. „Zwei der schlimmsten Formen von Schmerz sind die Trigeminusneuralgie und der ClusterKopfschmerz“, so der Experte. „Beide sind so schwerwiegend, dass sie Betroffene in den Suizid treiben können.“ Die Trigeminusneuralgie ist eine schwer belastende Erkrankung, bei der schon die leichteste Berührung, ein Windhauch oder Kauen zu schweren einschießenden Schmerzen führen können. Anfälle dauern Sekunden oder Minuten, aber können bis zu 70 Mal am Tag auftreten. „Die Erkrankung tritt etwa bei einem von 300 Menschen auf, meist im höheren Alter", so Dr. Wells. „Sie spricht nur auf bestimmte Schmerzmittel an, die neuropathische Schmerzen lindern können, zum Beispiel Carbamazepin oder Pregabalin. Forschungsergebnisse zeigen, dass dieser Schmerz durch ein Blutgefäß im Gehirn verursacht wird, das auf einen Nerv drückt. Schmerztherapeutische oder neurochirurgische Ansätze wie ein Veröden oder Vereisen des Nervs oder Eingriffe am Gehirn können Erleichterung bringen.“ Cluster-Kopfschmerz tritt vorwiegend bei jüngeren Menschen auf, mehrheitlich bei Männern. Betroffene beschreiben den Schmerz wie einen glühenden Schürhaken im Gesicht. Die Nase läuft, die Augen sind gerötet, die Anfälle treten periodisch gehäuft auf und können bis 3 Gatchel et al, Journal of the American Dental Association 2006 (137) zu zwei Monate andauern. Dr. Wells: „Leider sprechen manche Patienten/-innen auf keinerlei Behandlung an.“ Chronische orofaziale Schmerzen stellen eine diagnostische und therapeutische Herausforderung dar, sagt Dr. Wells. „In manchen Fällen steht eine geeignete Therapie zur Verfügung, die in spezialisierten Zentren angeboten werden kann. In anderen Fällen gibt es keine spezifische Therapie, aber Unterstützung durch ein Zusammenwirken von Schmerztherapeuten/-innen, Zahnärzten/-innen oder Psychologen/-innen. Ein interdisziplinäres Betreuungskonzept muss alle Faktoren berücksichtigen, die zu orofazialen Schmerzen beitragen können, einschließlich Stress." Im Europäischen Jahr gegen orofaziale Schmerzen soll die Öffentlichkeit über diese verschiedenen Formen von Schmerzen aufgeklärt und über die Behandlungsmöglichkeiten informiert werden. „Wir wollen Betroffene dazu ermutigen, sich angemessene Hilfe zu suchen“, betonte Dr. Wells. „EFIC ist davon überzeugt, dass eine bessere Diagnose, Behandlung und Prävention von Mund- und Gesichtsschmerzen die Lebensqualität Betroffener verbessern und erhebliche sozioökonomische Konsequenzen haben können.“ Unter www.efic.org werden Faktensammlungen und Patienteninformationen zu den verschiedenen Formen von orofazialen Schmerzen zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus gibt es in den 36 Ländern, in denen EFIC-Chapter aktiv sind, zahlreiche Initiativen und Aktivitäten zum Thema. Thematisierung orofazialer Schmerzen auf dem EFIC-Kongress Auch auf dem EFIC-Kongress in Florenz sind eine Reihe wissenschaftlicher Sitzungen orofazialen Schmerzen gewidmet. Unter anderem werden verbesserte Diagnosemethoden bei orofazialen Schmerzen oder die molekularen Mechanismen diskutiert, die machen chronischen Gesichtsschmerzen zugrunde liegen. Auf dem Kongress präsentierte Studien unterstreichen unter anderem die Bedeutung psychologischer Faktoren wie Katastrophisieren oder Bewegungsangst (Kinesiophobie) in der Diagnose und Therapie orofazialer Schmerzen (EFIC Abstract Martinez et al). Eine britische Bevölkerungsstudie (EFIC Abstract Macfarlane et al) zeigt, dass Gesichtsschmerzen häufig mit psychischen Belastungen und Fibromyalgie assoziiert sind. Von EWAP zu EYAP 2001 rief EFIC im Europäischen Parlament die Europäische Schmerzwoche (European Week Against Pain, EWAP) ins Leben. Seither führten die regionalen und nationalen EFICChapter jedes Jahr im Oktober Aktivitäten durch, um Entscheidungsträger/-innen, Mediziner/-innen und die breite Öffentlichkeit für Schmerzthemen zu sensibilisieren. Schwerpunktthemen der Europäischen Schmerzwoche waren unter anderem Krebsschmerz, Fibromyalgie oder Rückenschmerzen. Seit 2012 wird die Kampagne in Abstimmung mit IASP durchgeführt und wurde auf ein ganzes Jahr (EYAP) ausgedehnt. Quellen: EFIC Abstract Martinez et al, Correlation among pain, disability and psychosocial factors in patients with chronic migraine, orofacial pain and craniomandibular disorders; EFIC Abstract Macfarlane et al, Self-reported facial pain in a national UK study EFIC Pressestelle: B&K - Bettschart&Kofler Kommunikationsberatung Dr. Birgit Kofler Mobil: +43-676-63 68 930 Tel. nach dem Kongress: +43-1-319 43 78-13 E-Mail: [email protected]