Elektroenzephalografie Die Elektroenzephalografie ist eine Methode um elektrische Gehirnströme zu messen. Diese Gehirnströme werden durch physiologische Vorgänge innerhalb einzelner Gehirnzellen, die durch ihre elektrischen Zustandsänderungen zur Informationsverarbeitung des Gehirns beitragen, hervorgerufen und sind an der Kopfoberfläche abgreifbar. Die gemessenen elektrischen Spannungen werden dann mit einem geeigneten Gerät verstärkt und auf einem Monitor in Form von Hirnstromwellen angezeigt. Der Arzt kann dann anhand der Frequenzen und der Amplituden der Hirnstromwellen Aussagen über die Gehirnaktivität und den Bewusstseinszustand ableiten. Die grafische Darstellung der gemessenen Hirnströme heißt Elektroenzephalogramm. Damit Gehirnströme aufzeichnet werden können, werden dem Patienten ca. 30 Elektroden auf der Kopfhaut angebracht. Ein EEG dauert etwa 30 Minuten, aber es sind auch EEGMessungen bis zu 24 Stunden möglich. Dabei wird dem Patienten ein tragbares EEG-Gerät angelegt, dass die Hirnströme über festsitzende oder festgeklebte Elektroden aufnimmt und abspeichert. Sämtliche EEG-Untersuchungen sind ungefährlich, schmerzlos und beliebig oft wiederholbar. „Grundsätzlich gibt es zwei Arten der EEG-Technologie. Das konventionelle und das Computer-EEG. Unter einem konventionellen EEG werden EEG-Geräte verstanden, die mit direkt schreibenden Registriersystemen arbeiten und eine EEG-Buch erzeugen. Das EEGBuch besteht aus ca. 120 registrierten Papierseiten von EEG-Signalen über die Dauer von ca. 20 Minuten. Dagegen bezeichnet man Systeme, die ein EEG auf elektronische Datenträger wie Laserplatten („Optical disk“) abspeichern und die registrierten Signale auf einem PCMonitor zur Darstellung bringen als Computer-EEG. Um ein Elektroenzephalogramm aufzuzeichnen, werden Elektroden, ein Vorverstärker (Differenzverstärker) und ein EEGGerät mit Verstärker und Schreib- oder Speichersystemen benötigt.“1 Abb. E : modernes digitales EEG-System mit 32 Kanälen 1 Quelle: http://www.file-commander.de/projektarbeit.htm Die Entwicklung der Elektroenzephalografie nahm schon in der Antike mit der primitiven Hirnforschung ihren Anfang. Viele Gelehrte und Wissenschaftler (z.B. Hippokrates, Herophilos, Erasistratos und Claudius Galenus) experimentierten dort mit Leichen, um ihre anatomischen Kenntnisse, auch im Bereich des Gehirns, zu erweitern. Erst mit der Entdeckung der Nervenzellen um 1677 durch den Holländer Antoni van Leeuwenhoek, begann man die Komplexität des Gehirns zu erahnen, womit das Interesse der Wissenschaftler stetig anstieg. Etwa 250 Jahre später, um 1929, wurde dann das erste menschliche EEG aufgenommen. In den folgenden 60 Jahren gab es zahlreiche Verbesserungen und Weiterentwicklungen in der Technologie zur Ableitung, Verstärkung und Analyse des EEG. Weitreichende Fortschritte in der Aufklärung der elektrophysiologischen Vorgänge, die der Wellenform des EEG zugrunde liegen, ergaben sich in den letzen 20 Jahren. Meilensteine in der Entstehung der Elektroenzephalografie: 1840: - Du Bois-Reymond konnte nachweisen, dass die Aktivität peripherer Nerven zu Spannungsänderungen im Umfeld führen 1875: - der Liverpooler Arzt Richard Caton entdeckte erstmals diese elektrisch messbare Spannungen auf dem freiliegenden Kortex2 von Tieren (Affen und Kaninchen) - zur Messung dieser Schwingungen benutze er ein ThomsonSpiegelgalvanometer 1888: - der polnische Wissenschaftler Adolf Beck entdeckte regelmäßige elektrische Muster im zerebralen Kortex von Kaninchen und Hunden - Beck studierte unabhängig von Hans Bergers Arbeiten die elektrische Aktivität des Gehirn bei Tierversuchen und gelang größtenteils zu denselben Ergebnissen 1911: - in den Unterlagen des russischen Physiologen Pravdich-Neminski wurde zum ersten Mal eine illustrierte Aufzeichnung der elektrischen Hirnaktivität gefunden - das „Electrocerebrogram“, wie er es nannte, wurde mit Hilfe des Fadengalvanometers von Einthoven an Hunden vermessen 1929: - der Jenaer Psychiater Hans Berger publiziert die von ihm 1924 erstmals durchgeführte Elektroenzephalografie mit Silbernadelelektroden das erstes menschliches Elektroenzephalogramm entstand - dabei registrierte er mit Hilfe von Verstärkern und Messgeräten die Aktionsstromtätigkeit des Gehirns 2 Großhirnrinde, eine vor allem beim Menschen besonders groß entwickelte Struktur, die nochmals unterteilt werden kann in Bereiche mit unterschiedlicher Funktion, z.B. auditiver Kortex (Hörrinde), visueller Kortex (Sehrinde) etc. - bei seinen Messungen benutzte Berger sowohl Lippmanns Kapillargalvanometer als auch Einthovens Fadengalvanometer und entdeckte die Alpha3- und Beta4-Wellen - Bergers verwendete Elektroden waren jedoch so groß, dass detaillierte Aufnahmen der elektrischen Hirnaktivität, um beispielweise Tumore oder epileptische Zentren erkennen zu können, unmöglich waren Abb. A : Das erste von H. Berger aufgenommene Elektroenzephalogramm Abb. B : Bergers EEG-Aufnahmesystem um 1926 1932: - Jan Friedrich Tönnies baute das erste direkt schreibende Multikanal-EEGGerät (die gemessenen Hirnströme wurden direkt durch einen Messschreiber auf Endlospapier geschrieben) und erfand den Differenzverstärker - durch den Differenzverstärker war es nun möglich, die sehr kleinen Hirnströme, die über die Kopfhaut abgegriffen wurden, zu verstärken Verbesserung der Auswertung von Elektroenzephalogrammen 3 Als Alpha-Welle wird ein Signal im Frequenzbereich zwischen 8 und 12 Hat bezeichnet. Ein verstärkter Anteil von Alpha-Wellen wird mit leichter Entspannung assoziiert. 4 Beta-Wellen nehmen einen Frequenzbereich zwischen 14 und 30 Hz ein. Beta-Wellen treten nur unter der Einwirkung von Sinnesreizen oder bei geistiger Tätigkeit auf. Abb. D : direkt schreibendes Multikanal-EEG-Gerät 1934: - B.H.C. Matthew revolutionierte mit der Erfindung des Differentialverstärkers die Verstärkertechnik zur Gewinnung von bioelektrischen Signalen, einschließlich der Hirnströme 1935: - es gelang der Nachweis der Delta5-Wellen 1936: - das „Massachusetts General Hospital“ richtete das erste EEG-Labor ein - der britische Wissenschaftler William Gray Walter erkannte, dass mit einer größeren Anzahl von Elektroden, die zudem noch kleiner als Bergers waren, viel bessere Messergebnisse erzielt werden können Lokalisierung von Tumoren und anderen Krankheiten waren nun aufgrund der Erkennung von abnormalen Hirnströmen möglich 1943: - der William Gray Walter entdeckte die Theta6-Wellen 1946: - erster in Europa industriell hergestellter 4-Kanal-Elektroenzephalograph wird von der Firma Schwarzer ausgeliefert 1947: - Gründung der „American EEG Society“ 5 Als Delta-Wellen werden Hirnwellen mit niedrigen Frequenzen von 0,5 bis 4 Hz bezeichnet. DeltaWellen sind typisch für die traumlose Tiefschlafphase. 6 Theta-Wellen sind Signale im Frequenzbereich zwischen 3 und 8 Hz. Sie sind typisch für die Einschlafphase, Wachträumen, Hypnose, aber auch tiefe Entspannung und Meditation. 1957: - W. G. Walter entwickelte das Toposkop und die dazugehörige Technologie der Anwendung, die EEG -Topographie - dieses Gerät bestand aus 22 Kathodenstrahlröhren (CRT), woran wiederum je ein Elektrodenpaar befestigt war - sämtliche Elektroden wurden in einer bestimmten geometrischen Anordnung auf der Kopfhaut des Patienten angebracht, so das nun jede Kathodenstrahlröhren in der Lage war, die Intensität der elektrischen Hirnstromwellen einzelner Gehirnbereichen zu ermitteln und diese simultan als Elektroenzephalogramm auf einem speziellen Bildschirm darzustellen - dadurch erkannte Walter das sich die Hirnstromwellen in unterschiedlicher Weise, zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Teilen des Gehirns ändern aufgrund dieser Erkenntnis konnte er die Funktionen der Alpha und Beta-Wellen beschreiben - da Walters Toposkop jedoch sehr kompliziert und kostspielig war, konnte es sich trotz seiner enormen Vorteile zur Diagnostik nicht durchsetzen - erst in den 80iger mit der Einführung schnellerer und kompakter Computer kam es zur Wiedergeburt dieser Technologie und sie ist bis heute in ähnlicher Form noch weltweit im Einsatz 1988: - Entwicklung des weltweit ersten digital arbeitenden EEG-Gerätes mit thermosensitiver Aufzeichnung und Signalübertragung mittels Lichtwellenleiter 1998: - erster in Deutschlang gefertigter Elektroenzephalograph für den Einsatz im Kernspintomographen heute: - die Elektroenzephalografie wird heutzutage zu klinische Diagnosen von schweren Kopfverletzungen, Gehirntumoren, zerebralen Infektionen, Epilepsie und degenerativen Krankheiten des Nervensystems eingesetzt, findet aber Anwendung in der modernen Schlafmedizin - dabei kommt hauptsächlich die Technologie des Computer-EEGs zur Anwendung - kommerzielle EEG-Geräte haben bis zu 21 Kanäle; in der Regel genügen jedoch 8 oder 16 zur EEG-Messung - da die Erhöhung der Elektrodenanzahl bis zu einem bestimmten Punkt zu deutlichen Ergebnisverbesserungen führt, wird in vielen Laboren mit bis zu 60 Kanälen gearbeitet - die obere Grenze der Elektrodenanzahl liegt bei 256; ab dort entspricht der zu erwartende vergleichsweise geringe Informationsgewinn nicht mehr dem zusätzlichen methodischen und apparativen Aufwand - bei Langzeituntersuchungen können heute auch mobile Wireless-EEG-Systeme zum Einsatz kommen die gesamte Elektronik ist bspw. in einem Golfcap integriert Abb. C : modernes Computer-EEG Abb. F : Wireless-EEG Prognose: - Miniaturisierung des EEG- Instrumentarien, so dass sie unauffällig in die Kleidung integriert werden können Entwicklung von Schnittstellen zwischen Gehirn und Computer (Brain Computer Interface) für den alltäglichen Gebrauch - dabei nimmt ein Elektroenzephalogramm die Gehirnströme des Menschen auf und ein lernfähiges Computersystem analysiert diese Signale und generiert daraus Steuerungssignale für angeschlossene Systeme - EEG Brain Mapping