Word-Datei - beim Niederösterreichischen Landtag

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Landtag von NÖ, VIII. Gesetzgebungsperiode
V. Session
6. Sitzung am 11. Dezember 1968
INHALT:
1. Eröffnung durch Präsident Weiss (Seite 143).
2. Abwesenheitsanzeigen (Seite 143).
3. Mitteilung des Einlaufes (Seite 143).
4. Verhandlung:
Spezialdebatte zur Gruppe 2, Schulwesen, ordentlicher und außerordentlicher Voranschlag;
Fortsetzung.
Redner: Abg. Kosler (Seite 143), Abg. Karl Schneider (Seite 147), Frau Abg. Körner (Seite 152), Abg. Graf
(Seite 154), Abg. Laferl (Seite 156), Abg. Thomschitz (Seife 157), Abg. Schoiber (Seite 162), Frau Abg.
Körner (Seite 164), Landesrat Kuntner (Seite 165), Abg. Grünzweig (Seite 169); Abstimmung (Seite 169).
Spezialdebatte zur Gruppe 3, Kulturwesen, ordentlicher und außerordentlicher Voranschlag.
Berichterstatter Abg. Anzenberger (Seite 169) ; Redner: Abg. Grünzweig (Seite 170), Abg. Schoiber (Seite
174), Abg. Stangl (Seite 175), Abg. Rohrböck (Seite 178), Abg. Laferl (Seite 179), Abg. Ing. Scheidl (Seite
181), Abg. Diettrich (Seite 182), Abg. Stangler (Seite 184), Landesrat Kuntner (Seite 189); Abstimmung
(Seite 191).
Spezialdebatte zur Gruppe 4, Fürsorgewesen und Jugendhilfe, ordentlicher und außerordentlicher
Voranschlag. Berichterstatter Abg. Anzenberger (Seite 191); Redner: Frau Abg. Körner (Seite 192), Abg.
Ungersböck (Seite 194), Abg. Fraissl (Seite 195), Abg. Stangl (Seite 197), Abg. Dipl. Ing. Robl (Seite 198),
Landesrat Kuntner (Seite 201), Landesrat Rösch (Seite 203), Landeshauptmann Maurer (Seite 207);
Abstimmung (Seite 209).
Spezialdebatte zur Gruppe 5, Gesundheitswesen und körperliche Ertüchtigung, ordentlicher und
außerordentlicher Voranschlag. Berichterstatter Abg. Anzenberger (Seite 209); Redner: Abg. Czidlik
(Seite 210), Präsident Reiter (Seite 213), Abg. Binder (Seite 217), Abg. Rabl (Seite 220), Frau Abg.
Körner (Seite 222).
PRÄSIDENT WEISS (um 9.02 Uhr): Ich eröffne die Sitzung. Das Protokoll der letzten Sitzung ist
geschäftsordnungsmäßig aufgelegen; es ist unbeanstandet geblieben, demnach als genehmigt zu
betrachten.
Von der heutigen Sitzung haben sich die Herren Abgeordneten Hubinger, Jirovetz, Schlegl, Wiesmayr und
Wüger entschuldigt. Ich ersuche um Verlesung des Einlaufes.
SCHRIFTFÜHRER (liest): Vorlage der Landesregierung, betreffend den Gesetzentwurf, mit dem das
Gesetz vom 9. März 1959, LGBl.Nr. 334, für die Schaffung eines Ehrenzeichens für Verdienste um das
Bundesland Niederösterreich abgeändert wird.
PRÄSIDENT WEISS (nach Zuweisung des Einlaufes an den zuständigen Ausschuß) : Wir gelangen zur
Beratung der Tagesordnung. Wir setzen die Verhandlungen zum Voranschlag des Landes
Niederösterreich für das Jahr 1969 mit der Gruppe 2 fort.
Zum Wort kommt der Herr Abg. Kosler.
Abg. KOSLER: Herr Präsident! Hoher Landtag! Meine Damen und Herren! Ich darf vorerst zu einem
Antrag, den gestern der Herr Präsident des Landesschulrates, der Abg. Schoiber, eingebracht hat und der
sich mit der Angleichung der Unterrichtszeit bezüglich der allgemeinbildenden und der berufsbildenden
Pflichtschulen Niederösterreichs im nö. Schulzeitgesetz beschäftigt, namens meiner Fraktion die
Erklärung abgeben, daß wir diesem Antrag unsere Zustimmung erteilen werden, muß aber gleichzeitig
feststellen und vor allem den Herrn Präsidenten erinnern, dass der ursprüngliche Entwurf des
Schulreferates in dieser Beziehung eine Gleichheit enthalten hat und die Ungleichheit erst infolge der
Abänderungsanträge der ÖVP-Fraktion entstanden ist. Unsere Fraktion hat damals vor den
Abänderungen des ursprünglichen Entwurfes ausdrücklich gewarnt, so daß wir es mit einer gewissen
Genugtuung betrachten können, dass man nun die Absicht hat, zu dem ursprünglichen Entwurf
zurückzukehren.
Hohes Haus! Nachdem gestern die beiden Präsidenten des Landesschulrates, die Herren Abgeordneten
Schoiber und Grünzweig, in zwei wohlgesetzten Reden die großen Probleme des österreichischen
Schulwesens besonders in Beziehung auf die niederösterreichische Schule beleuchtet haben, bleibt es
uns heute in Fortsetzung der Behandlung des Kapitels 2 vorbehalten, über die einzelnen Zweige des
niederösterreichischen Schulwesens zu sprechen. Ich darf wie in den Vorjahren auch heuer wieder zur
Entwicklung im gewerblichen Berufsschulwesen Stellung nehmen und gleich eingangs feststellen, daß
auch das Schuljahr 1967/68 das gewerbliche Berufsschulwesen in Niederösterreich sowohl in
schulorganisatorischer Hinsicht als auch in baulicher Beziehung weiter vorwärts gebracht hat und sich die
Berufsschulen weiter entwickeln konnten. Diese Tatsache wurde durch den Umstand erleichtert, daß es
im laufenden Schuljahr letztmalig der Fall ist, dass man es in den gewerblichen Berufsschulen mit einer
verminderten Schülerzahl zu tun hat. Bekanntlich ist es durch die Einführung des 9. Schuljahres, dem
Polytechnischen Lehrgang, dazu gekommen, daß an den gewerblichen Berufsschulen im Schuljahr
1966/67 die ersten Jahrgänge, im Schuljahr 1967168 die zweiten Jahrgänge und im laufenden Schuljahr
die dritten Jahrgänge fehlen. Das nächste Schuljahr 1969/70 wird an den einzelnen gewerblichen
Berufsschulen wieder den Vollbelag bringen und, wie man annehmen darf, zumindest an einigen Schulen
einen Überbelag erzeugen. Auf jeden Fall wird dies in manchen zu den Landesberufsschulen gehörenden
Internaten der Fall sein. Wie schon gestern festgestellt werden konnte, besuchen jetzt in Niederösterreich
alle Lehrlinge mit Ausnahme von verhältnismäßig kleinen Lehrlingsgruppen, die einigen Splitterberufen
angehören, Fachklassen, und zwar entweder in den noch bestehenden 17 Gebietsberufsschulen - 5
wurden im laufenden Schuljahr aufgelassen - oder in den 15 bestehenden Landesberufsschulen. Die Zahl
15 bezieht sich, wie sich der Landesschulrat ausdrückt, auf den Standort dieser Schulen. Nach der
Ausdrucksweise des Gewerblichen Berufsschulrates, der die Berufsschulen nach Wirtschaftszweigen
einteilt, waren es 34 Landesberufsschulen, die im Schuliahr 1967/68 rund 20.000 Lehrlinge und Schüler. Vor Einführung des Polytechnischen Lehrganges waren es noch ungefähr 26.000 Lehrlinge - ausbildeten.
Im laufenden Schuljahr besuchen 86 Prozent der Lehrlinge Landesberufsschulen und 14 Prozent
Gebietsberufsschulen, während das Verhältnis im Vorjahr 84 Prozent zu 16 Prozent war.
Bei diesem prozentuellen Verhältnis zeigt sich wieder, daß sich im vergangenen Jahr die Entwicklung zur
Landesberufsschule weiter fortgesetzt hat. 170 niederösterreichische Lehrlinge besuchen verschiedene
Berufsschulen in anderen Bundesländern, umgekehrt kommen 780 Lehrlinge aus anderen Bundesländern
zu uns nach Niederösterreich, um hier Landesberufsschulen zu besuchen. In Niederösterreich ist es
möglich, in diesen Schulen Fachklassen zu führen.
Eine Erleichterung, wie die Tatsache der geringeren Schülerzahlen, kann unter Umständen auch auf
einem anderen Gebiet zu Schwierigkeiten führen; dies zeigt die in den letzten Jahren eingetretene
Entwicklung. Eine Gegenüberstellung soll das besonders erläutern. Im Schuljahr 1968/69 wurden in den
niederösterreichischen Berufsschulen 666 Klassen geführt. Vor der Einführung des Polytechnischen
Lehrganges im Schuljahr 1965/66 waren es noch 890 Klassen, das heißt, die 666 sind gegenüber den
890 Klassen eine Verminderung um 25 Prozent. Auch die Zahl der Berufsschullehrer hat sich vermindert.
Von 645 Berufsschullehrern im Schuljahr 1965'66 sind durch natürlichen Abgang 519 Berufsschullehrer,
die jetzt in Dienst stehen, übriggeblieben. Es hat sich also hier eine Verminderung um 20 Prozent gezeigt.
Diese unterschiedliche Verminderung der Klassenzahl um 25 Prozent, der Berufsschullehrerschaft um 20
Prozent, hat die Gefahr in sich geschlossen, daß es in einzelnen Berufsschulen zumindestens dazu hätte
kommen können, dass die Berufsschullehrer dort nicht zu einer Vollbeschäftigung gekommen wären.
Diese Entwicklung ist in erster Linie dadurch überwunden worden, daß durch die Bestimmungen der 3.
Novelle des Landeslehrerdienstrechtsüberleitungsgesetzes, wonach der Erzieherdienst an den Internaten
der Landesberufsschulen im Einvernehmen mit den betroffenen Lehrern in die Lehrverpflichtung
eingerechnet werden kann, der Überhang in der Zahl der Berufsschullehrer aufgefangen wurde. Heute ist
feststellbar, daß kein niederösterreichischer Berufsschullehrer unter seiner Lehrverpflichtung verwendet
werden muß. In schulorganisatorischer Hinsicht traten im Bereich der berufsbildenden Pflichtschulen im
abgelaufenen Schuljahr wieder einige sehr bedeutsame und wichtige Veränderungen ein. So wurden die
Dachdeckerlehrlinge und Berufsschüler von Baden, wo sie mit den Lehrlingen des Müller-Gewerbes und
Zuckerbäckergewerbes beisammen waren, nach Langenlois in die Landesberufsschule der Maurer
überstellt. Ich glaube, daß war eine richtige Maßnahme, denn dort passen die Dachdecker besser hin.
Die Mechaniker haben St. Pölten verlassen und sind nach Amstetten übersiedelt, so daß in St. Pölten
Platz wurde und man an die Errichtung einer Landesberufsschule für Friseure und die Errichtung einer
Landesberufsschule für den Buch- und Papierhandel schreiten konnte. In Hollabrunn kam man zur
Errichtung einer Landesberufsschule für die Fleischer, wenn diese auch aus räumlich bedingten Gründen
zur Zeit noch in Laa a. d. Th. untergebracht werden muß. Die Errichtung einer Landesberufsschule für das
Bekleidungsgewerbe konnte in Krems erfolgen. Gleichzeitig konnte dort die Landesberufsschule der
Tischler aufgelassen werden und die Umschulung der Lehrlinge in die Landesberufsschule Pöchlarn
durchgeführt werden, wo nun die Landesberufsschule für das gesamte Holzgewerbe errichtet werden soll.
Schließlich erfolgte auch noch in der abgelaufenen Berichtszeit die Umbenennung der
Landesberufsschule für den Schuhhandel in Schrems in eine Landesberufsschule für kaufmännische
Lehrlinge, so daß dort nun auch die Bürolehrlinge eingeschult werden konnten und damit eine Entlastung
für die Landesberufsschule in Theresienfeld gegeben ist.
Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Nach dieser kurzen Einleitung in Form eines Berichtes über den
derzeitigen Stand des niederösterreichischen Berufsschulwesens darf ich mich nun einigen besonderen
Angelegenheiten und Problemen zuwenden. Schon gestern wurde in der Debatte ausgeführt, dass das
Echo, welches die Pressekonferenz des Herrn Landeshauptmannes am 13. November d. J. in der Presse
gefunden hat, zum Teil irreführend erscheint. Insbesondere muß ich auch für das gewerbliche
Berufsschulwesen feststellen, daß es auf dem Gebiete dieses Schulwesens wie überhaupt auf dem
Gebiete der Schulen offensichtlich im Landesbudget zu keiner ausgesprochenen Schwerpunktbildung
gekommen ist, denn wenn man sich die Zahlen aus dem Budget zusammensucht, dann findet man, daß
die Zuschüsse zum Ausbau und zur Errichtung von Landesberufsschulen - heuer mit 4 Millionen Schilling
im ordentlichen Haushalt eingesetzt - genauso hoch sind wie im Vorjahr. Man findet, daß der Zuschuß des
Landes an den Berufsschulbaufonds mit 500.000 Schilling nur die Hälfte des Ansatzes des Vorjahres ist.
Auch im außerordentlichen Haushalt finden wir für die Schaffung von Schul- und Internatsräumen und
auch von Lehrwerkstätten in den Voranschlagsansätzen 231 1-90 und 231 1-94 eine Summe von 14,5
Millionen Schilling, der im Vorjahr eine Summe von 13,5 Millionen Schilling gegenüberstand. Wenn man
ordentlichen und außerordentlichen Haushalt zusammenzählt, beträgt der Saldo nur 500.000 Schilling
mehr für die Weiterentwickluiig in diesem Jahr bzw. im Jahr 1969, und es ist wohl nicht leicht möglich, bei
500.000 Schilling Mehrkosten von einem Schwerpunkt sprechen zu können. Der
Bauzeitenfinanzierungsplan, wie er vom Stand 1968, beschlossen durch den Gewerblichen
Berufsschulrat, vorliegt und als Grundlage für den Voranschlag 1969 hätte gelten sollen, verlangt ja auch
in der Dringlichkeitsstufe 1, das sind die genehmigten und in Arbeit befindlichen Bauten, 17,5 Millionen
Schilling und in der Dringlichkeitsstufe 2, das wären die noch nicht gänzlich vorbereiteten, aber
notwendigen Bauten, 5,5 Millionen Schilling, also zusammen 23 Millionen Schilling. Es ist auch hier
erkenntlich, daß die Wirklichkeit des Voranschlages dieser theoretischen Finanzierung bzw. diesem Plan
nicht gerecht werden konnte.
Erstmalig in einem Landesbudget scheint im Voranschlagsansatz 2319-731 eine Ausgabenpost von 2,5
Millionen Schilling auf. Diese Ausgabenpost dient zur Refundierung von Bezügen der Berufsschullehrer,
die an Internaten der Landesberufsschulen als Erzieher wirken. Diese Ersätze des Landes stehen, dem
Bund nunmehr gemäß den Bestimmungen des Artikels 11 der 3. Novelle zum LA-DUG. 1962 - die Novelle
stammt aus dem Jahre 1966 - ab dem 1. Jänner 1968 zu.
Dieser neuen Ausgabenpost steht eine Einnahmenpost von 2 Millionen Schilling im Voranschlagsansatz
2319-51 gegenüber. Das heißt: Der Herr Finanzreferent beziehungsweise das Finanzreferat werden sich
bemühen müssen, diese 2 Millionen Schilling vom privaten Schülerheimerhalter zurückzubekommen - das
ist in Niederösterreich vorwiegend die Handelskammer. In dieser Frage wird es sicherlich zu einer
Auseinandersetzung kommen.
Damit wird aber auch die Frage der Internate für die Landesberufsschulen, die Frage, wie sie geführt
werden sollen, wer sie bereitzustellen hat oder bereitstellen soll, aufgerollt. In diesem Zusammenhang
wird aber auch eine Frage aufgerollt werden müssen, die schon vor geraumer Zeit in diesem Hause von
den Sprechern beider Fraktionen kritisiert wurde, nämlich die Frage der vielfacheren Verquickung, die in
Niederösterreich auf dem Gebiet des gewerblichen Berufsschulwesens hinsichtlich der Besitzverhältnisse
vor allem zwischen Land und Kammer, manchmal aber auch zwischen Land und einer Gemeinde
bestehen. Ich glaube, daß es wirklich notwendig ist, hier zu einem Konzept, zu einer Entflechtung zu
kommen. Es wäre eigentlich schon auf Grund der hier geübten Kritik richtig gewesen, wenn man in dieser
Beziehung einige Schritte vorwärts getan hätte.
Wir, die Mitglieder des Finanzkontrollausschusses, haben erst vor ganz kurzer Zeit wieder einen Fall
kennengelernt, der uns zu denken gegeben hat iind der die Situation so richtig beleuchtet. In einer
niederösterreichischen Stadt ist vor einigen Jahren aus einer Gebietsberufsschule eine
Landesberufsschule entstanden. Man benützte dazu ein Schulgebäude der Gemeinde. Das heißt, man
wird also in einer späteren Zeit dort ein Schulgebäude zu errichten haben. Es wurde aber dort schon ein
Internat errichtet, und zwar von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft, Im Zusammenhang mit diesem
Internatsbau hat man sich entschlossen, auf demselben Grundstück auch gleich auf Kosten des Landes
eine Lehrwerkstätte zu errichten, die gebraucht wird. Die Lehrwerkstätte ist fertig; sie kostet 4 Millionen
Schilling, das ist schließlich kein ganz geringer Betrag.
Und nun muß man feststellen, wenn man die Sache überprüft, daß die Errichtung eines Gebäudes durch
das Land auf dem Kammergrund eigentlich nur durch eine persönliche Vereinbarung der beteiligten
Personen von der Kammer, vom Land und vom gewerblichen Berufsschulrat gesichert ist. Ich glaube, daß
eine solche Vorgangsweise nicht richtig ist, daß sie absolut kritisiert werden muß. Es gibt keine
Sicherstellung, kein Adifikat, keinen grundbücherlichen Vermerk. Da es ja bekannt ist, daß man selbst
unter treuesten Freunden solche Übereinkommen nicht als genügend ansieht, dürfte bei aller
Freundschaft zwischen Land Niederösterreich und Kammer der gewerblichen Wirtschaft eine solche
Sache nicht passieren. Andererseits hätte man sich ja auch überlegen können, ob man nicht von Seiten
des Landes den Grund der Kammer der gewerblichen Wirtschaft abkauft, um ein eigenes Landesgebäude
auf Landesgrund errichten zu können und nicht, wie es im Volksmund heißt, eine Luftkeusche auf
fremdem Grund. Ich darf die berechtigte Annahme aussprechen, daß die Besitzverhältnisse, die jetzt
schon so kompliziert sind, mit jedem Jahr noch komplizierter werden und daß eine gediegene Lösung
immer schwieriger werden wird.
Eine Voraussetzung für eine echte Bereinigung wäre meines Erachtens die echte Bereitschaft zu einer
gemeinsamen Beratung und ein echter Wille zu einer notwendigen Koordination, und da muß ich
vermerken, daß es im Bereiche des gewerblichen Berufsschulwesens leider in Niederösterreich etwas zu
wenig Koordination gibt. Besonders beim Bau der Landesberufsschulen, beim Bau der Internate und der
Lehrwerkstätten zeigen sich immer wieder Koordinationsschwierigkeiten, vor allem zwischen dem
gewerblichen Berufsschulrat auf der einen Seite und dem zuständigen Referat der Niederösterreichischen
Landesregierung auf der anderen Seite. Es kommt dann noch dazu, daß für diese Bauten einige
Baubeiräte eingesetzt werden müssen, Da und dort sind die Schulleitungen sehr aktiv und versuchen, in
diesen Dingen mitzudenken, mitzureden und auch manchmal mitzuentscheiden.
Die Folgen des Mangels an Koordination sind Unklarheiten, zum Teil Leerläufe und leider auch
persönliche Verärgerungen, die gar nicht notwendig wären. Der Finanzkontrollausschuß konnte in letzter
Zeit feststellen, daß sogar in einem besonderen Fall mehrfach dieselben Geldmittel, nämlich 2 Millionen
S, vergeben wurden. Daß es nicht zur Realisierung dieser Vergabe gekommen ist, ist nur dem Umstand
zu danken, daß die Kreditüberwachung aufmerksam geworden ist und daß der Kredit nicht zur Verfügung
stand, sondern erst in diesem Budgei enthalten ist.
Unzweckmäßig ist auch, wie wir im Finanzkontrollausschuß festgestellt haben, der sehr hohe Betrag, der
zeitweise dem Verlag beim Gewerblichen Berufsschulrat zur Verfügung steht, ebenso in diesem
Zusammenhang das Übergehen des Landeszahlamtes auch bei der Behandlung und Erledigung größerer
Rechnungen, was sich gegen alle sehr dürftigen Inhaltsbestimmungen dieses Landes wendet.
Hoher Landtag! Meine Damen und Herren! Nun abschließend einige Feststellungen: Wenn Österreich im
Wettbewerb der modernen Wirtschaft -- und da natürlich auch Niederösterreich in der Zukunft bestehen
soll, dann braucht es vielseitig ausgebildete und anpassungsfähige Arbeitskräfte, d. h., neben einer guten
Berufsschule, von der wir glauben, daß wir sie erreicht haben - es fehlt allerdings noch die Einführung
einer allgemeinen Berufsschulpflicht --, sollte der berufstätigen Jugend auch eine moderne, vor allen
Dingen der Zeit entsprechende rationalisierte Lehrlingsausbildung zur Verfügung stehen.
Die gesetzlichen Bestimmungen über diese Lehrlingsausbildung in der Gewerbeordnung - das ist bekannt
- sind veraltet und zum Teil unbrauchbar geworden. Ein Entwurf für ein sogenanntes
Berufsausbildungsgesetz - ich weiß nicht, ist es momentan der 13. oder 14. Entwurf - liegt im Parlament.
Seine Verabschiedung, so darf ich sagen, wäre auch im Interesse Niederösterreichs dringend notwendig,
denn erst ein solches Berufsausbildungsgesetz mit modernen Ausbildungsrichtlinien, mit einem
Ausbildungsplan, mit neuen modernen Prüfungsvorschriften Für kommissionelle Prüfungen, mit einem
zeitgemäßen Katalog der Lehrberufe und einer klaren Limitierung der Lehrzeit würde andeuten, wie die
Berufsschule der Zukunft tatsächlich aussehen sollte. Die Berufsschule darf nicht Selbstzweck sein. Sie
ist natürlich auch nicht nur ein Mittel zum Zweck. Ihre Gestaltung, ob sie besser sein wird, ob sie ein
bißchen schlechter sein wird, wird vor allen Dingen davon abhängen, ob die Niederösterreicher in Zukunft
in einer größeren Anzahl als bisher dem erlernten Beruf treu bleiben oder abwandern werden, zuerst aus
dem Beruf, dann aus ihrer engeren Heimat, dem Heimatort, und schließlich auch aus dem Bundesland.
Das ist eine Erscheinung, die wir in Niederösterreich sehr bedauern müssen, weil sie uns zum Rückschritt
zwingt. Ich glaube sagen zu dürfen, daß eine gute Berufsausbildung mit einer entsprechend organisierten
Berufsschule, wie ein neues Gesetz sie bringen könnte, eine Sache wäre, für die man als
Niederösterreicher immer und überall eintreten sollte. (Beifall bei der SPÖ.)
PRÄSIDENT WEISS: Als nächster Redner kommt Herr Abg. Schneider Karl zum Wort.
Abg. SCHNEIDER Karl: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein geschätzter Herr
Vorredner hat bereits die gestrige Budgetdebatte erwähnt und hinzugefügt, daß nunmehr die
Spezialbereiche innerhalb des Schulwesens zur Sprache kommen sollen. Er hat sich sehr ausgiebig mit
dem Problem der gewerblichen Berufsschule befaßt -- so wie auch im .Vorjahr -, und ich darf mir ebenso
erlauben, dazu noch einige Äußerungen zu machen.
Was in schulorganisatorischer Hinsicht zu sagen ist, wurde bereits im wesentlichen ausgeführt, also alle
jene Veränderungen, die auch im abgelaufenen Jahr einen weiteren Fortschritt ergeben haben. Der Herr
Abg. Kosler hat damit auch eingeräumt, daß nunmehr zu 86 Prozent in dieser Problemstellung Vollzug
gemeldet werden könnte und nur mehr 14 Prozent an Gebietsberufsschulen bestehen, die auch eines
Tages in den Landesberufsschulen ihren Aufsog finden werden. Ich darf vielleicht wieder einmal in
Erinnerung rufen, daß es schon von einer sehr wesentlichen Bedeutung ist, ob Lehrlinge, die ja zur
Meisterlehre den schulischen Zusatz sehr notwendig brauchen, in Gebietsberufsschulen versorgt werden
oder ob sie in qualifizierteren turnusmäßig geführten Schulen einmal im Jahr komprimiert und auch noch
fachlich ausgerichtet das gelehrt bekommen, was man in der Meisterlehre nicht bieten kann, weil dort ja
nur die praktischen Berufsausbildungszusammenhänge gelehrt werden. Historisch gesehen ist die Sache
so, daß die Berufsstände selbst vor langer Zeit dieses Problem richtig erkannt haben. Man hat damit
begonnen, in Sonntags- und Wochenendkursen diese notwendige schulische Ergänzung innerhalb der
Lehrzeit zu geben. Der Verfachlichungsprozeß hat sich bis zum heutigen Status in der meiner Meinung
nach hochqualifizierten Landesberufsschule fortgesetzt.
Nun, meine verehrten Damen und Herren, wollen wir doch auch in die jüngere Vergangenheit
zurückblenden, nämlich an eine Zeit denken, wo es weder einen Gesetzesauftrag noch irgendwelche
Möglichkeiten finanzieller Natur des Landes Niederösterreich gegeben hatte, diesen
Verfachlichungsprozeß einzuleiten, wenngleich außer Frage steht, dass die Fachleute, nämlich die der
Theorie, sicherlich rechtzeitig diese Notwendigkeit erkannt haben. Es gibt nämlich zweierlei Fachleute,
und zwar jene, die aus der Praxis kommen, und dann die Fachleute der Theorie. Wenn sich beide über
ein Problem zusammensetzen, kommt manchmal die beste und vernünftigste Auffassung heraus.
Schlecht ist es nur, wenn die einen oder die anderen glauben, alles allein sehr genau zu wissen, Meist
stellt sich in der späteren Folge heraus, daß das nicht ganz das Richtige ist. Mit dem Wissen um diese
Notwendigkeit war es allein nicht getan. Weil eben die finanziellen Schwierigkeiten gegeben waren, hat
sich damals die von Kollegen Kosler heute bereits mehrfach erwähnte Handelskammer als die
Berufsvertretung der gewerblichen Berufsstände ohne jeden gesetzlichen Auftrag - ich betone es
nochmals - als Helfer zur Verfügung gestellt und an dieser Aufgabenstellung des gewerblichen
Berufsschulrates sehr entscheidend mitgewirkt, hat sehr wesentliche Mittel zur Verfügung gestellt, und
eine Unmenge von Funktionären, Berufsschuldirektoren und anderen Persönlichkeiten haben Nervenkraft,
Arbeitskraft und Zeit dafür gegeben, um diesen Entwicklungsprozeß einzuleiten. Nun kann man doch
heute sicher sagen, daß durch diese Gegebenheiten in den abgelaufenen Jahren ein Zustand erreicht ist,
über den man sehr froh sein sollte und dem man auch die Anerkennung nicht versagen darf.
Wenn hier über manch offenes Problem gesprochen wurde, so möchte ich mich auch ein wenig damit
befassen und bin sehr froh, Herr Kollege Kosler, daß Sie heute einmal doch deutlicher zum Ausdruck
gebracht haben, was von diesen offenen Fragen zur Erledigung heransteht.
Denn bisher war es immer nur so, daß wohl angedeutet, aber gar nicht deutlicher ausgeführt wurde,
worum es dabei geht. Die Entwicklung der Landesberufsschulen und der für sie errichteten
Lehrlingsheime ist ja ebenso bekannt wie die Tatsache, daß sich der lehrgangsmäßige Schultyp als die
sicher beste Ergänzung zur Meisterlehre bewährt hat. Es drohen nur die finanziellen Aufwendungen der
Handelskammer allmählich in Vergessenheit zu geraten. Sie haben erwähnt - und es ist allgemein nicht
so bekannt -, daß die Verflechtung zwischen den Gemeinden, der Kammer und den Kolpingheimen sehr
stark ist und daß es zum Beispiel Schulen gibt, die in Kammergebäuden untergebracht sind - das ist in
Zistersdorf, Theresienfeld und Pöchlarn der Fall. Es werden aber zum Beispiel auch zwei Heime von der
Kammer verwaltet, obwohl eines davon dem Land gehört, wie im Fall Stockerau; oder der Gewerbliche
Berufsschulrat beansprucht das Eigentum an der Kücheneinrichtung - auch das gibt es - in einem Haus,
das zu drei Viertel den Müllern und zu einem Viertel den Zuckerbäckern gehört. In Krems verwaltet die
Kammer ein Lehrlingsheim, das auf Grund eines kündbaren Ressortübereinkommens zwischen zwei
Ministerien benützt werden darf, wobei eine vertragliche Regelung in den allerwenigsten Fällen vorliegt.
Ich schließe mich, vollkommen Ihrer Auffassung an, daß diese ungeklärte Rechtslage in Ordnung zu
bringen ist, schon deshalb, weil man dann erst über das zweite Problem in die Beratungen eintreten kann,
wer nun in der weiteren Folge für die Führung dieser Internate zuständig sein soll. Es wurde angeführt,
daß das Land eine Abgrenzung wünscht. Ich darf sagen, daß der Gewerbliche Berufsschulrat auf dieses
Begehren sehr prompt reagiert und Beratungen angeboten hat. Ich weiß aus mehreren Sitzungen, daß
darüber diskutiert wurde und immer wieder die Bereitschaft zur Gesprächsführung vorlag, daß es aber
aus irgendwelchen Gründen gar nicht dazu kam. Ich unterstelle nicht, daß irgend jemand kein Interesse
daran hat diese Gespräche zu führen, im Gegenteil, ich glaube nur, daß sehr wahrscheinlich diese sehr
komplizierten Rechtsverhältnisse mit eine Ursache sind, warum es bis jetzt nicht dazu kam. Ab 1. Jänner
1969 werden durch das LADUG. dem Land für den Erzieherdienst stärkere Kosten zufallen, weil der Bund
die 50prozentige Refundierung nicht mehr übernimmt. Das ist ein Grund für das Land, sich die Frage zu
stellen, ob es die Kosten übernehmen oder an den Internatserhalter weitergeben kann. Es ist nur rechtlich
eine Situation gegeben, weil Sie wohl an die öffentlichen, nicht aber an die privatrechtlichen gedacht
haben, für die es eine solche Gesetzesbestimmung nicht gibt. Der zweite Grund, warum man über diese
Dinge sprechen will, liegt darin, daß durch die Errichtung des ,“nur” - Landesheimes Lilienfeld, das am 1.
September 1968 in Betrieb genommen und ausschließlich vom Land erbaut wurde, die Frage der Führung
dieses Landesheimes offen ist. Das Land hat die Kammer wohl befragt, ob sie bereit ist, mit dem
vorhandenen Apparat die Führung zu übernehmen; nach einer positiven Antwort der Kammer hat das
Land aber schließlich verfügt, eine provisorische Führung zwecks Sammlung entsprechender Erfahrungen
selbst durchzuführen. Eine Regelung ist aber zweifellos zu begrüßen. Sie wird wegen der Schwierigkeit
der Materie erhebliche Zeit in Anspruch nehmen und die Rechtsbereinigung, das Ausfertigen von
entsprechenden Verträgen usw. notwendig machen, In meiner Brust wohnen zwei Seelen: Land und
Kammer. Ich gehöre dem Hohen Landtag an und weiß wohl die Interessen des Landes Niederösterreich
zu wahren, habe aber auch von seiten der Kammer eine starke Bindung für meine berufsständische
Vertretungspflicht. Ich glaube sagen zu dürfen, daß sowohl das Land als auch die Kammer an einer
lehrgangsmäßigen Führung dieser Berufsschulen mit aufsteigenden Klassen gleiches lnteresse hat.
Die Landesberufsschulen samt Werkstätten wurden vom Land errichtet und werden von diesem erhalten;
ich spreche also von den Schulen und Werkstätten. Soweit sie sich in Kammergebäuden befinden, wäre
die vom Land geleistete Entschädigung zu überprufen und erforderlichenfalis vertraglich festzulegen. Ich
sage das nicht mit einer Betonung da oder dorthin. Sie dürfen mir glauben, daß ich bereit bin, hier einen
korrekten und vernünftigen Weg vorzuschlagen. Allerdings werden die Werkstätten zum Teil auch zur
Abhaltung von Lehrerabschlußprüfungen und Meisterprüfungen benützt auch eine Komplikation mehr, die
man aber rechnerisch auswerten und mit in diese gesamte Bewegung einbauen kann. Die Heime
hingegen, wo die Schüler wohnen, wurden weitgehend von der Kammer errichtet und werden von der
Kammer geführt. Dies bedeutet - das möchte ich unterstreichen - eine vollkommen freiwillige Leistung, um
das Prinzip der Landesberufsschule möglichst rasch durchzusetzen. Das war der Grund, warum man
jeden Partner gerne aufgenommen hat, der mithilft, eine rasche Durchsetzung der Landesberufsschule zu
ermöglichen. Dadurch kam es ja dazu, dass Kolping, Gemeinde und verschiedene andere Stellen als sich
anbietende Hilfsgruppe in diesen gesamten Kreis einbezogen wurden und wir jetzt eine komplizierte
Situation haben. Ich glaube, daß bei Anerkennung dieser Situation das Land für die Errichtung – nicht für
die Erhaltung - immer Subventionen in der durchschnittlichen Höhe der halben Baukosten gegeben hat;
das muß man ohne Zweifel anerkennen. Ich glaube kaum, daß dieser Umstand allein ein Grund dafür ist,
der Kammer zu ihren freiwilligen Leistungen jetzt noch zusätzliche Kosten aufzubürden, so wie es aus den
Ausführungen des Herrn Abgeordneten Kosler durchgeklungen ist. Ich weiß nicht, ob er diese Frage von
dieser Seite her durchdacht hat, denn das bedeutet für die Kammer zusätzliche Kosten, die ihr einmal
mehr zu den freiwilligen Leistungen aufgebürdet würden.
Meine Damen und Herren! Wenn die Kammer eine entsprechende Finanzkraft hätte, glaube ich, würde es
kaum jemand geben, der nicht sofort in dieser Sache ein leichter Verhandlungspartner wäre, was damit
bewiesen wurde, daß man sich zu jenen Zeiten, als es in finanzieller Hinsicht für die Kammer noch etwas
leichter war, ungeheuer stark für die gewerblichen Berufsschulen exponierte. Es gehört wohl nicht zum
Thema, ich darf aber sagen, daß die Handelskammer zur Zeit ein Bauvorhaben in einer Größenordnung
von mindestens 150 Millionen durchzuführen hat, und zwar handelt es sich um das
Wirtschaftsförderungsinstitut in St. Pölten, welches auch für die Weiterbildung innerhalb der gewerblichen
Wirtschaft eine besondere Bedeutung hat.
Wenn wir uns in diesem Hohen Hause insbesonders innerhalb der Budgetdebatte für 1969 so intensiv mit
Gesichtspunkten moderner Raumordnung, mit den Zusammenhängen der wirtschaftspolitischen Aspekte
befassen, so darf nicht außer acht gelassen werden, dass der heranwachsende Mensch, der für die
Qualifikation in seiner Aufgabe herangezogen und gebildet werden muß, das Allerwesentlichste ist.
Und so glaube ich, daß die Handelskammer im Berufsschulwesen jetzt beim
Wirtschaftsförderungsinstitutes, in späterer Folge vielleicht mit neuen Einrichtungen, die eine immer
komplizierter werdende Welt fordert, einen richtigen Weg geht.
Vielleicht werden wir einmal, wie man das heute schon in Amerika und in Deutschland macht,
Einrichtungen schaffen müssen, die ein modernes Management vermitteln, weil diese Begriffe der
Wirtschaftsführung in der großen Welt auch bei uns zulande eine Notwendigkeit werden, wenn wir jene
Menschen erfolgreich heranbilden wollen, die im unteren, mittleren und oberen Führungsbereich der
Unternehmungen eingesetzt werden sollen.
Freilich können wir durch ein Raumordnungsgesetz, durch eine verbesserte Infrastruktur und durch
andere gezielte Maßnahmen vorsorgen. Aber immer noch muß dann der Mensch, der unternehmerische
Geist jenes Mannes oder jener Frau, die mit einer entsprechenden Intuition ausgestattet sind, das Risiko
auf sich nehmen und alles erst zum Leben erwecken. Ich möchte das nur deshalb mit eingeflochten
wissen, weil sich daraus ergibt, daß die Handelskammer im Moment finanziell überfordert ist und sich
daher nicht mehr, als das schon bisher geschehen ist, dieser Aufgabe widmen kann, umso mehr, als in
der späteren Folge wahrscheinlich wieder neue derartige Aufgaben an sie herantreten werden.
Bezüglich der Lehrlingsheime ist es wohl so, daß dem Land die Pflicht zur Errichtung dieser Heime
obliegt; das haben wir bereits festgestellt. Obwohl die Schülerheime eine Angelegenheit des Bundes bzw.
der Bundesgesetzgebung sind und bisher kein diesbezügliches Gesetz besteht, muß man doch eines
festhalten: Das niederösterreichische Berufsschulerhaltungsgesetz aus dem . Jahre 1957 sagt im § 4 Abs.
2: „Gesetzlicher Schulerhalter der Landesberufsschulen ist das Land.”
§ 2 Abs. 1 stellt in seinem letzten Satz fest: „Bei der Sprengelbildung oder -änderung ist auf einen den
Schülern zumutbaren Schulweg Bedacht zu nehmen.”
Wenn auch dieser zumutbare Schulweg nicht einheitlich und bezüglich der Berufsschulen überhaupt noch
nicht authentisch interpretiert ist, so ist es doch nicht schwer festzustellen, daß eine durch acht Wochen
täglich zurückzulegende Fahrt von einer Landesecke in die andere, etwa von Neunkirchen nach Pöchlarn,
von Schrems nach Theresienfeld oder von Horn nach St. Pölten, nicht zumutbar ist. Andererseits
erscheint aber eine tägliche Fahrt beispielsweise für die Schüler an der Südbahnstrecke in die
Landesberufsschule der Kaufmannschaft nach Theresienfeld zumutbar. Vielleicht kann man die
Zumutbarkeit so interpretieren, daß alles, was in einer Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht
werden kann, zumutbar ist, während längere Wegzeiten jedenfalls nicht zumutbar sind.
Das Land kann daher, glaube ich, kaum die Forderung aufstellen, daß die Kammer die gesamten
Erzieherkosten oder einen Teil dieser Kosten in den Lehrlingsheimen übernehmen müßte. Im Gegenteil
müßte die Kammer das Land verpflichten, eine Mindestanzahl an Erziehern beizustellen, die der Aufsicht
des Heimleiters unterstehen, wobei wahrscheinlich ein entsprechend qualifizierter Heimleiter angestellt
werden müßte.
Zu bedenken ist noch - das wurde auch schon sehr deutlich ausgeführt -, daß die Zahl der Lehrlinge, weil
das Polytechnische Jahr bereits eingeführt ist, ab Ende des Schuljahres 1968/69 zunehmen wird. Wie
man in Vorschauen annimmt, wird die Zahl der Lehrlinge durch etwa 7 bis 8 Jahren eine steigende
Tendenz aufweisen. Trotz der großen Propaganda zum Besuch der mittleren und höheren Schulen, die
wir restlos unterstützen, könnte es daher eintreten, daß wir zu einem Zustand kommen, den wir schon
einmal hatten: dass es mehr Lehrstellenbewerber als Lehrstellen gibt und daß diese Heime damit völlig
überlastet werden.
Meine Damen und Herren! Eines wurde noch nicht erwähnt, ich möchte es daher hinzufügen: Wenn
schon eine Gesamtregelung in dieser Problemstellung getroffen werden soll, dann müßte auch über die
Einhebung der Lehrmittelbeiträge gesprochen werden. Diese werden derzeit in einer Höhe von 60 bis 62
Schilling eingehoben und an den Gewerblichen Berufsschulrat abgeführt. Es wäre einerseits wohl ein
Ersuchen des Gewerblichen Berufsschulrates um Einhebung dieses Betrages notwendig, dessen Höhe
eindeutig - ich betone: eindeutig - klargestellt werden müßte.
Es müßten aber auch alle jene Fälle geregelt werden, in denen die Kammer weder den Heimbetrag nach
den Lehrmittelbeitrag einzieht und daher auch nicht an den Gewerblichen Berufsschulrat überweisen
kann; auch das bedarf einer Regelung.
Ich hatte ursprünglich nicht vor, zu dieser Angelegenheit zu sprechen, ich hätte sonst noch genauere
Unterlagen zur Hand. Aber die groben Schätzungen, die ich zum Teil in Erinnerung habe, veranlassen
mich zu folgender Feststellung: Wenn man eine möglich saubere Regelung durchdenkt, bei der man
tatsächlich den Versuch machen müßte, den vernünftigsten Weg zu finden, so könnte ich mir vorstellen,
daI3 das Land seines gesetzlichen Pflicht nachkommt und einfach sämtliche Lehrlingsheime aufkauft,
wobei eine grobe Schätzung eine Summe von zirka 200 Millionen Schilling ergeben würde, wovon man
natürlich die Subventionen abzuziehen hätte. Vielleicht könnte man auch darüber sprechen, daß die
Kammer die Verwaltung sämtlicher Heime übernimmt, wie ebenso das Land die Verwaltung sämtlicher
Heime übernehmen könnte, wobei man auch kammereigene Gebäude mieten kann. Die Übernahme der
Heime durch das Land würde allerdings sicher bedeuten, daß die komplizierten Vorschriften zu höheren
Kosten führen müßten, daß man vielleicht 200 Dienstposten mehr brauchen und sich dadurch eine neue
Aufgabe einkaufen würde, die erst in späterer Folge ganz überblickbar wäre. Dadurch würde aber das
Budget dieses Hauses, das den freien Pfad für die Förderungsmaßnahmen infolge der gebundenen
Ausgaben heute schon immer enger macht, eine weitere negative Belastung erfahren. Ich kann mir nicht
gut vorstellen, daß wir einen solchen Weg beschreiten dürfen, noch dazu, wo wir immer davon reden,
dass wir für Entwicklungsmöglichkeiten große Mittel brauchen. Wir werden in einem späteren Kapitel noch
darauf zurückkommen und uns zweifellos beim Kapitel 7 noch mit den Summen beschäftigen, die Ihren
und unseren Vorstellungen nach bzw. in gemeinsamer Sicht für die in den nächsten Jahren und
Jahrzehnten zu bewältigenden Aufgaben notwendig sind. Ich meine daher, es wäre die umgekehrte
Gangart sehr viel zielführender: jene Möglichkeiten auszuforschen, jene Verbreiterung der Finanzbasis zu
suchen, die wir für diese anderen Aufgaben brauchen.
Ich möchte mir noch erlauben hinzuzufügen, daß mir die Führung von Heimen teils durch das Land, teils
durch die Städte, teils durch die Kammer von rationellen Gesichtspunkten aus nicht ratsam erscheint.
Kollege Kosler hat das Wort .Koordinierung" gebraucht. Sicherlich, man kann wohl koordinieren, aber eine
wirklich rationelle Führung bringt man, glaube ich, in einer dreigeteilten Sicht nicht zustande. Wenn die
Heime in der Verwaltung der Kammer verbleiben, was nicht sein muß, so müßte sicherlich auch in der
Kammer diese Verwaltung vereinheitlicht werden. Ich sage Ihnen auch, warum: um Gelder unserer
eigenen Mitglieder zu sparen, denn die jährlichen Zuschüsse sind sehr beträchtlich. Ich habe dafür einige
Ziffern, die ich mir dann ganz kurz anzuführen erlauben werde.
In dem Bestreben, die kostbare Zeit der Budgetdebatte durch meine Ausführungen nicht allzusehr zu
beanspruchen, will ich mich zu dem angeschnittenen Problem möglichst kurz fassen.
Meine Damen und Herren! Ich habe bezügich der Anstellung von Erziehern durch die Kammer eine
überschlagsmäßige Berechnung angestellt und möchte Ihnen hiezu folgendes mitteilen: Der
Erzieherdienst, der nunmehr in die Lehrverpflichtung einbezogen ist und dadurch die Vollbeschäftigung
der Lehrer im gewerblichen Schulbereich dokumentiert, muß nicht während der Schulstunden
durchgeführt werden, das heißt, er fällt meist in die Zeit zwischen den Mittagsstunden, also von 12 bis 14
Uhr, und am Abend ab 17 Uhr bis zum nächsten Morgen um 8 Uhr früh, und ist praktisch, ohne daß ich
damit die Qualifikation des Erzieherdienstes schmälern will, teilweise nur ein Anwesenheitsdienst. Es ist
unbestritten, Herr Kollege Kosler, daß die einzigen dafür in Frage kommenden die Fachlehrer der
Berufsschulen sind. Diese beschweren sich derzeit, und ich möchte fast sagen gar nicht zu Unrecht, über
eine zu geringe Entlohnung. Soweit mir bekannt ist, erhalten sie im Durchschnitt 18 bis 20 Schilling, an
Samstagen und Sonntagen 25 Schilling, wobei die Nachtstunden inbegriffen sind, was natürlich keine
entsprechende Entlohnung für diese Aufgabe ist.
Andererseits stellt der Erzieherdienst – das ist Ihnen sicherlich so wie mir bekannt – eine willkommene
Ergänzung zur Lehrtätigkeit dar, was durch die Klagen außer Dienst gestellter Erzieher bestätigt wird.
Überdies liegt im Parlament über den Erzieherdienst eine Regierungsvorlage vom 14. Mai 1968 vor - ich
habe gestern auf Seite 865 der Beilage zu den Stenographischen Protokollen nachgelesen -, wonach
tatsächlich nur Fachlehrer als Erzieher in Frage kommen. Kostenberechnungen können sich nur in groben
Schätzungen erschöpfen und hängen stark davon ab, ob die Lehrlinge nur beaufsichtigt werden oder
auch erzogen werden sollen, wobei man im ersteren Fall für 80 Lehrlinge einen Erzieher braucht, während
man für den Fall, daß ein Erziehermoment dazukommt, mit einem Erzieher für 40 Lehrlinge rechnen muß.
Wichtig scheint mir auch, ob an den Wochenenden Heimaturlaub gegeben wird oder ob die Lehrlinge im
Heim bleiben müssen. Das sind Fragen, die da und dort auftauchen, und natürlich können einzelne Fälle
individuell behandelt werden. Das sind Dinge, die auch in diese Berechnung einbezogen werden müssen.
Nun darf ich meine Berechnung zu Ende führen: Wenn die 80 Schüler durch ca. 17 Stunden pro Tag von
einem Erzieher beaufsichtigt werden, ergibt das pro Jahr rund 225.000 Erzieherstunden, also eine knappe
Viertelmillion. Multipliziert man diese mit dem Satz von 20 Schilling, den ich vorhin als Durchschnittsziffer
angegeben habe, dann kommen wir auf rund 4 ½ Millionen Schilling, wovon schon mehrfach gesprochen
wurde. Die Kosten für eine Beaufsichtigung mit Erziehertätigkeit, für die ich plädiere und bei der ein
Erzieher auf je 40 Lehrlinge kommt, würden, wenn man die steigende Tendenz der nächsten Jahre
miteinbezieht, ungefähr das Doppelte, also mindestens 9 bis 10 Millionen Schilling, betragen. In der
Steiermark wird nach einer Methode vorgegangen, wo, wie bisher bei uns, die Hälfte der Erzieherkosten
das Land trägt und die andere Hälfte durch einen etwa 200 Schilling je Schüler betragenden Heimbeitrag
hereingebracht wird. Das ist eine Variante, mit der man sich auch auseinandersetzen kann. Die
Deklarierung der Lehrlingsheime der Kammer als öffentliche Schülerheime ist derzeit auf Grund der
Gesetzeslage gar nicht möglich. Ich glaube, dass dies auch nicht erstrebenswert ist, weil dann
voraussichtlich - ich habe es bereits vorhin erwähnt - die Wirtschaftsführung dieser Heime nach den
Vorschriften der Öffentlichen Hand komplizierter und teurer als bisher werden würde. Das soll nicht
heißen, daß jene Menschen, die im Dienste des Landes stehen, schlechter sind, weniger können oder
eine geringere Leistung vollbringen, sondern dass ihnen auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen so
manche Schwierigkeiten auferlegt sind und sich dadurch bedauerlicherweise eine schwerfälligere
Verwaltung ergibt. Die Lehrlingsheime der Kammer, und damit möchte ich in diesem Punkt zum Schluß
kommen, fallen derzeit zweifelsfrei unter den § 10 des Privatschulgesetzes. Dieser lautet: „1. Die
Errichtung privater Heime, in die Schüler öffentlicher oder privater Schulen zum Zwecke des
Schulbesuches oder zur Überwachung ihrer Lerntätigkeit aufgenommen werden (Schülerheime), bedarf
keiner Anzeige. 2. Die zuständige Schulbehörde hat die Führung eines Schülerheimes zu untersagen,
wenn trotz Aufforderung zur Abstellung von Mängeln innerhalb einer angemessenen Frist weiterhin
Umstände vorliegen, durch die für die Gesundheit, Sittlichkeit oder die staatsbürgerliche Gesinnung der
Schüler Gefahr besteht. Diese Untersagung gilt für die Dauer des Vorliegens der festgestellten Mängel.’’
Damit habe ich mich zunächst einmal ein wenig oberflächlich und sozusagen ad hoc mit diesem Problem
beschäftigt und erlaube mir wie mein Vorredner die Bitte, daß die geeigneten Stellen die Möglichkeit
geben, entsprechende Beratungen einzuleiten, damit das Problem sachlich und unter Respektierung der
gegenseitigen Auffassungen zu einem der ganzen Angelegenheit dienlichen Ende geführt werden kann,
das dem Zweck den besten Effekt verschafft, dem Land die geringsten Kosten verursacht und die
bestehende Partnerschaft nicht ganz außer acht läßt.
Ich habe hier eine Aufstellung, möchte Sie aber mit den Angaben nicht langweilen, welche
Rechtsverhältnisse in den einzelnen Schulen vorliegen, wer als Besitzer aufscheint, welche Berufszweige
vertreten sind, wann die Eröffnung stattgefunden hat, wieviele Lehrlinge untergebracht sind, welche
Zuschüsse durch die Fachgruppen oder Kammer geleistet wurden, wie die grundbücherliche Situation ist
und welche Belagskapazität vorhanden ist. Ich möchte vielmehr die Zusammenfassung dieser
Einzelheiten in wenigen Ziffern bekanntgeben.
Meine verehrten Damen und Herren! An Aufwendungen . für die Bauherstellung und Ersteinrichtung liegt
ein Betrag von 131 Millionen Schilling und etliches -- ich möchte die Beträge nur in runden Ziffern
angeben -- vor. Davon leistete die Handelskammer samt ihren Fachgruppen 55,4 Prozent und das Land
Niederösterreich 44,6 Prozent. Es mag sein, dass im Hinblick auf ein 3,6-Milliarden-Budget 131 Millionen
Schilling keine bedeutende Rolle spielen. Wenn Sie es aber richtig überlegen, wurde hier trotzdem eine
enorme finanzielle Leistung vollbracht. Die laufenden Zuschüsse der Fachgruppen, also auch der
Kammer, betrugen bisher 11,8 Millionen Schilling und ergeben jährlich einen Aufwand, der zwischen 1,5
und 1,9 Millionen Schilling liegt. Die Gesamtaufwendungen aller errichteten Landesberufsschulen und
aller jener Einrichtungen, über die wir hier gesprochen haben, betragen daher 143,350.000 Schilling.
Davon leistete das Land Niederösterreich 40,9 Prozent und die Kammer 59,1 Prozent.
Zu den Ausführungen des Herrn Abg. Kosler über eine irreführende Pressekonferenz möchte ich
bemerken, daß dort meines Erachtens keine irreführenden Angaben gemacht wurden. Es kommt
bedauerlicherweise immer wieder vor, daß Angaben über die Gesamtausgaben im Schulwesen auf den
reinen Schulbau bezogen werden, so daß in diesem Fall zum Beispiel der Eindruck entstanden ist, .daß
die genannten 300 Millionen Schilling nur für Schulbauten verwendet wurden. Ich bedaure es auch, daß,
wie Sie gesagt haben, im ordentlichen Voranschlag insgesamt nur 4,5 Millionen Schilling und im
außerordentlichen 143 Millionen Schilling enthalten sind, so daß wir daher nur eine geringe Steigerung im
Budget für 1969 vorfinden.
Sie haben aber wörtlich erklärt, daß mit „mehr" nicht gerechnet werden konnte. Damit sagen Sie, daß auf
Grund der Budgetgröße leider unsere Wünsche, die Sie mit 23 Millionen Schilling beziffert haben, und
zwar in der Dringlichkeitsstufe 1 mit 17,5 Millionen Schilling und in der Dringlichkeitsstufe 2 mit 5,5
Millionen Schilling - dies wurde ebenfalls schon zum Ausdruck gebracht -, keine volle Erfüllung finden
konnten.
Zum Schluß - und ich überspringe da sehr vieles, weil die Zeit voranschreitet und andere Redner auch
noch zum Wort kommen wollen - möchte ich mich ganz kurz mit dem Berufsausbildungsgesetz befassen.
Es liegt auf der Ebene beider Gruppen; also auch die Kammerorganisation ist sehr daran interessiert, daß
sehr bald ein modernes Berufsausbildungsgesetz verwirklicht wird. Es stimmt, daß im Parlament bereits
ein Dutzend solcher Entwürfe vorgelegen ist und nunmehr der 14. derartige Entwurf zur Beratung
zugemittelt wurde. Ich glaube hier sagen zu dürfen, dass die noch nicht erledigte Gewerberechtsreform,
die eine Ausgangsbasis für ein Berufsausbildungsgesetz sein muß, da sie intensive Zusammenhänge hat,
mit ein Grund dafür ist, warum man bei beiden politischen Gruppen sehr vorsichtig ist - zur Zeit noch in
bezug auf das Berufsausbildungsgesetz; Man hat eher ein wenig zugewartet, als hier etwas zu tun, was
nachher in gewerberechtlichen Belangen eine zu starke Bindung fürgestellt hätte. Auch das Gewerberecht
ist alt, es ist von den Fachleuten Maria Theresias vor mehr als 210 Jahren gemacht worden und bedarf
einer zeitgemäßen Änderung, hängt aber intensiv mit der Berufsausbildungsgesetzesbestimmung
zusammen.
Abschließend möchte ich Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, recht herzlich danken, daß Sie mir so
lange Ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben. Ich möchte der Hoffnung Ausdruck geben, daß dieser
Prozeß, den vernünftig und sinnvoll zu gestalten wir uns mitbemühen, dem Lande nützt, den jungen
Menschen nützt, die hier in die Verantwortung eintreten und daß wir, wenn wir das tun, was gestern. so oft
gesagt wurde – nämlich uns gegenseitig respektieren und über manche verschiedene Meinungen einen
Gesamtgesichtspunkt stellen -, einen, glaube ich, vernünftigen Weg gehen. Das bezieht sich auf alles,
auch auf das Schulwesen. Wir tun es pflichtgemäß im Interesse unserer Heimat, aber auch aus einer
inneren Empfindung heraus, weil es ja zweifellos neben der Erfüllung von manchen Tagespflichten nichts
Schöneres gibt, als sich in besonderer Weise der Jugend zu widmen, für die wir uns dieser Mühe gerne
unterziehen. (Beifall bei der ÖVP).
PRÄSIDENT WEISS: Als nächstem Redner erteile ich Frau Abg .Körner das Wort.
Frau Abg. KÖRNER: Hohes Haus! Bevor ich mich dem Thema zuwende, zu dem ich mich gemeldet habe,
möchte ich eine Bemerkung zu einer anderen Frage machen. Gestern abends haben wir die Leute des
Schulwesens sprechen gehört, Herrn Präsident Schoiber und Herrn Vizepräsident Grünzweig. Ich möchte
nun die Aufmerksamkeit beider Herren auf ein Problem lenken, das sicherlich alle Eltern berührt, und zwar
die Frage der Schulbücher.
Wer sich mit diesem Problem beschäftigt, wer selbst Kinder hat, der wird mir bestätigen, daß die Kosten
der Schulbücher nicht gering sind. Wenn dann der Wechsel der Schulbücher sehr oft erfolgt, belastet das
den Haushalt besonders. Wenn dann in einer Familie noch mehrere Kinder sind es müssen gar nicht 5
oder 6 sein, wenn es nur 3 oder 4 Kinder sind. oder auch nur 2, und die Eltern müssen dann zu
Schulbeginn die Kosten für die Bücher tragen und man stellt dann fest, daß zum Beispiel das Buch, das
vom älteren Bruder oder von der Schwester noch vorhanden ist, die gleichen Beispiele enthält, nur die
Worte haben ein wenig gewechselt, dann muß man sich schon fragen, welchen Zweck das haben soll, Ich
möchte daher bitten, daß man sich auch mit dieser Frage beschäftigt und dass man Wege findet - ich
weiß, daß man sich auch auf Bundesebene damit beschäftigt -, um den Eltern meiner Meinung nach
unnütze Kosten zu ersparen.
In der Gruppe 2 finden wir auch den Voranschlagsansatz für die Kindergärten und Horte. Ich stimme dem
Herrn Finanzreferenten zu, wenn er sagt, daß Mittel, die wir für die Jugend ausgeben, eine gute
Kapitalsanlage sind. Ich unterstreiche das, denn alle Mittel, die wir für unsere Kinder ausgeben sind gut
angelegte Investitionen. Sind Investitionen, die sich bezahlt machen. Dies trifft natürlich auch für unsere
Kindergärten zu. Es steht außer Zweifel, daß den Kindergärten heute eine weit größere Bedeutung
zukommt als in der Vergangenheit. In einer sich ständig wandelnden Welt, in der auch die Wirtschaft und
die Familie sich gewandelt, sich geändert haben, kommt den Kindergärten eine besondere Bedeutung zu.
War es früher ausschließlich die Mutter, der die Erziehung und die Aufsicht über das Kleinkind anvertraut
war, so hat sich auch das wesentlich geändert. Die Zahl der berufstätigen Frauen steigt ständig. Auch die
Belastung der Frau in der Landwirtschaft wird immer größer. Alle berufstätigen Mütter aber, ganz gleich
ob in der Fabrik, im Büro oder auf dem Bauernhof, haben eine gemeinsame Sorge und einen
gemeinsamen Wunsch, nämlich während ihrer Arbeit die Kinder gut behütet zu wissen. Dazu brauchen
wir die Kindergärten und auch Kinderkrippen für die Kleinsten und selbstverständlich auch Horte für die
Schulpflichtigen. Es ist gleich, ob wir mit der Berufstätigkeit der Frau einverstanden sind oder nicht,
Tatsache ist, daß die weiblichen Arbeitskräfte von der Wirtschaft gebraucht werden und dass viele
Familien auch auf das Einkommen der Frau angewiesen sind. Es muß daher auch dafür gesorgt werden,
daß zur beruflichen Belastung der Frau nicht auch noch die Sorge um ihr Kind kommt. Wir wissen, daß
auch die Kinder von heute die Wärme und Liebe der Mutter brauchen, daß sie die Geborgenheit bei der
Mutter brauchen, so wie die Kinder in den vergangenen Zeiten, weil dies zur natürlichen gesunden
Entwicklung des Kindes notwendig ist.
Der Karenzurlaub ist wohl das schönste Geschenk für die berufstätige Mutter, weil er ihr die Möglichkeit
gibt, zumindest im ersten Lebensjahr bei ihrem Kind zu bleiben und weil dadurch die natürliche MutterKind-Bindung nicht gestört wird. Nach einem Jahr muß sie aber wieder ihrer beruflichen Tätigkeit
nachgehen, und dann beginnen die Sorgen und die Schwierigkeiten für die berufstätige Frau, wenn es
nicht innerhalb der Familie eine Großmutter oder eine Tante gibt oder vielleicht eine Nachbarin, die bereit
wäre, das Kind zu beaufsichtigen.
Für die Bäuerin gilt dasselbe, auch für die Frau des Gewerbetreibenden, die im Betrieb mitarbeiten muß.
Alle diese Frauen sind froh, wenn sie die Möglichkeit haben, ihre Kinder in einen Kindergarten zu
schicken. Bei der Volkszählung im Jahre 1961 wurden in Niederösterreich 258.227 weibliche Berufstätige
festgestellt; davon hatten 78.409 Kinder, aber nur 7.323 berufstätige Mütter hatten ein oder mehrere
Kinder in einem Kindergarten. Derzeit gibt es in Niederösterreich 423 ganzjährige Kindergärten und 41
Erntekindergärten mit 706 Kindergartengruppen. In den ganzjährigen Kindergarten des Landes
Niederösterreich wurden im Jahre 1968 rund 22.500 Kinder betreut, in den Erntekindergärten rund 1.400.
Der Bedarf an Landeskindergärten ist durch die zunehmende Berufstätigkeit der Frauen und die ständig
größer werdende Beanspruchung der Frau in der Landwirtschaft stark steigend. Nicht nur auf Grund der
bekannten Zahlen, sondern auch aus der Praxis wissen wir, daß viele Kinder nicht die Möglichkeit haben,
einen Kindergarten zu besuchen. Es wird auch nicht möglich sein, überall einen solchen zu errichten. Ich
denke da zum Beispiel an viele kleinere Gemeinden, an Streusiedlungen. In manchen Gemeinden, deren
einklassige Volksschulen aufgelassen wurden, denkt man daran, das Gebäude für einen Kindergarten zu
verwenden. Aber nicht alle Gebäude sind für einen modernen zweckentsprechenden Kindergarten
geeignet. Es ist daher notwendig, einmal festzustellen, wie viele Kinder nicht die Möglichkeit haben, einen
Kindergarten zu besuchen und wo – unter Berücksichtigung der bestehenden Kindergärten - auf Grund
der gegebenen Notwendigkeiten ein Kindergarten errichtet werden soll.
Ich erlaube mir daher, folgenden Resolutionsantrag zu stellen (liest):
„Die Landesregierung wird aufgefordert, die Zahl jener kindergartenfähigen Kinder zu erheben, die derzeit
infolge Fehlens eines in zumutbarer Entfernung gelegenen Kindergarten nicht betreut werden können,
und unter Berücksichtigung der bereits bestehenden Kindergärten eine Standortplanung vorzunehmen."
Hohes Haus! Wir brauchen aber nicht nur den Raum für die Kinder, sondern auch die gut ausgebildete
Kindergärtnerin. Niederosterreich hat jetzt 5 Inspektorinnen. Jedes Viertel hat eine Inspektorin
zugewiesen, und die fünfte arbeitet als Springerin. Das heißt, daß alle Teile Niederösterreichs beraten und
kontrolliert werden können, wobei die Beratung und nicht die Kontrolle in den Vordergrund gestellt wird.
Die ständige Beratung des Kindergärtnerinnen ist für die fachliche Fortbildung der Kindergärtnerinnen von
großer Bedeutung, denn sie müssen die Kinder ja nicht nur für heute, sondern für morgen erziehen und
dieses Wissen den Kindern übermitteln. Das bedarf natürlich immer wieder neuer Methoden und der
Anwendung neuer Erkenntnisse.
Das beste Beispiel dafür ist das Problem der Verkehrserziehung der Kinder. Bei dieser Gelegenheit
möchte ich darauf verweisen, daß auf Grund der derzeitigen gesetzlichen Bestimmungen die Norm für
eine Gruppe 40 Kinder sind. Es ist ja bekannt, dass meist einige Kinder fehlen, so daß die Zahl 40 in der
Gruppe nicht immer erreicht ist.
Aber wir sollen doch bedenken, daß es diese Norm schon im Jahre 1872 gegeben hat. Es wäre sicherlich
ein Idealzustand, wenn die Bodenfläche pro Kind 2 Quadratmeter und nicht 1,5 Quadratmeter betragen
würde.
Wir haben in Niederösterreich derzeit nur drei private Bildungsanstalten für Kindergärtnerinnen:
Amstetten, Preßbaum und Laxenburg. Der Hohe Landtag hat sich bereits im Jahre 1964 mit dieser Frage
beschäftigt und einen diesbezüglichen Antrag beschlossen, der vom Bund die Errichtung einer staatlichen
Bundesbildungsanstalt für Kindergärtnerinnen forderte. Das Bundesministerium für Unterricht hat auf
Grund dieses Antrages angeregt, die Bildungsanstalt für Kindergärtnerinnen bei der zu errichtenden
Pädagogischen Akademie unterzubringen.
Wir haben ja bereits gestern hier im Hause die Ausführungen zu diesem Problem gehört. Ich glaube, daß
wir neuerlich an den Bund die Forderung nach Errichtung einer Bildungsanstalt für Kindergärtnerinnen
stellen müssen.
Die Kindergärten dienen der Ergänzung und Unterstützung der Familienerziehung, sie haben
erzieherische Aufgaben zu erfüllen und die Kinder in die Gemeinschaft einzuführen. Um den berufstätigen
Müttern zu helfen, ist nicht nur die Schaffung von Raum notwendig, sondern auch die Heranbildung von
Kindergärtnerinnen.
Ich erlaube mir daher, folgenden Resolutionsantrag zu stellen (liest) :
„Die Landesregierung wird aufgefordert, bei der Bundesregierung, insbesondere beim Bundesministerium
für Unterricht vorstellig zu werden und dahin zu wirken, daß ehebaldigst in Niederösterreich eine
Öffentliche Kindergärtnerinnenbildungsanstalt geschaffen wird, um dadurch einerseits dem durch
Ausscheiden aus dem Berufsleben und durch Abwanderung bedingten Abgang von Kindergärtnerinnen
entgegenzuwirken sowie für den durch die Schaffung neuer Kindergärten bedingten Mehraufwand an
Kindergärtnerinnen vorzusorgen. ''
Hohes Haus! Ich möchte noch auf ein Problem verweisen, das den berufstätigen Müttern auch viele
Sorgen bereitet: Das sind die Kinderkrippen, die ich eingangs schon erwähnt habe. Wenn die Mutter nach
dem einjährigen Karenzurlaub wieder ihren Dienst, ihre Arbeit antreten muß und das Kind erst ab dem 3.
Lebensjahr im Kindergarten aufgenommen wird, dann klafft hier eine Lücke. Wir alle wissen, daß gerade
das Kind bis zum 3. Lebensjahr der besonderen Hilfe, Fürsorge, Liebe und vor allem Aufsicht bedarf.
Daher ist die Forderung nach Kinderkrippen nicht nur im Interesse der Mütter, sondern im Interesse der
Kleinstkinder wirklich berechtigt Aber nicht nur diese Frage ist es, die den berufstätigen Müttern Sorgen
macht. Wenn das Kind die Möglichkeit hat, einen Landeskindergarten zu besuchen, dann ist die Frage
nach einer warmen Mahlzeit zu Mittag noch immer offen, Daher, glaube ich, wird es auch notwendig sein,
in dieser Frage nach Lösungen zu suchen und Abhilfe zu schaffen, denn die Kinder brauchen den Schutz
und die Hilfe such der Gemeinschaft und nicht nur die Liebe und Fürsorge der Mutter.
Ich darf das Hohe Haus um Annahme meiner Resolutionsanträge bitten. (Beifall im ganzen Hause.)
PRÄSIDENT WEISS: Als nächster Redner kommt Herr Abg. Graf zum Wort.
Abg. GRAF: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Niederösterreich hat
zweifellos durch seine Schulbauten allgemeine Anerkennung gefunden. Zur Verwirklichung dieser
Schulbauten sind zwei Gesetze geschaffen worden, das Schulbaufondsgesetz vom 6. Juli 1949 und als
Folgegesetz das Nö. Schul- und Kindergartenfondsgesetz vom 13. Dezember 1967. Wie fruchtbringend
sich diese Gesetze ausgewirkt haben, zeigt schon ein Vergleich: Es wurden in den Zeitabständen von
1918 bis 1938 20 Schulbauten in Niederösterreich errichtet, von 1949 bis 1967 380 Bauten für Schulen
und Kindergärten, und bereits im Jahre 1968 konnten wieder im Sinne des neuen Gesetzes 35 Bauten
errichtet werden. Selbstverständlich ist in diesen Zahlen die große Zahl der Instandsetzungsfälle nicht
enthalten. Die Beseitigung der Kriegsschäden an Schulgebäuden, die Überalterungen und die Folge von
schulorganisatorischen Maßnahmen haben im .Jahre 1949 zur Schaffung des Schulbaufondsgesetzes
geführt. Es wurden immerhin, wie ich bereits erwähnte, 380 Bauten errichtet, die sich aufteilen auf 120
Kindergärten, 130 Volksschulneubauten, 40 Hauptschulneubauten und 83 Volks- und
Hauptschulzubauten. In Geld umgesetzt heißt das, daß aus dem Schulbaufonds insgesamt 573 Millionen
Schilling den Gemeinden als Beiträge und Darlehen zugeflossen sind und daß das letzten Endes eine
Gesamtbausumme von ca. 1,5 Milliarden Schilling bedeutet. Seit 13. Dezember 1967 ist nunmehr das
NO. Schul- und Kindergartenfondsgesetz in Kraft. Aufgabe dieses Gesetzes wird es sein, die Pläne der
Schulreorganisation von 1965 zu verwirklichen und vor allem die raumordnerischen Gesichtspunkte zu
fördern. (Dritter Präsident Reiter übernimmt den Vorsitz.) Die Finanzierungsquellen im Schul- und
Kindergartenfondsgesetz sind die gleichen. Es handelt sich wieder um Mitteln der Gemeinden - das sind
die Schulklassenbeiträge und der Anteil aus den Bedarfszuweisungen -, um Mitteln des Landes und seit
1967 um Mitteln des Bundes.
Neu hinzu kommt die Möglichkeit der Aufnahme von Darlehen, nachdem der Fonds nunmehr eine eigene
Rechtspersönlichkeit ist und damit die Möglichkeit geschaffen wurde, Darlehen aufzunehmen. Von dieser
Möglichkeit wurde auch in der letzten Kuratoriumssitzung Gebrauch gemacht.
Der Schulbau kann auch im abgeflossenen Jahr wieder als äußerst rege bezeichnet werden, waren doch
insgesamt 337 Vorhaben in Bau, die mit einer Kostensumme von 347 Millionen Schilling zu beziffern sind.
lm Jahre 1968 wurden insgesamt 35 Bauten fertiggestellt, davon 11 Landeskindergärten, 14
Volksschulen, 4 Hauptschulen und 6 Volks- und Hauptschulzu- und -umbauten. Das im Sinne dieses
Fondsgesetzes geschaffene Kuratorium hat in drei Sitzungen die Mittel vergeben, die sich wie folgt
aufteilen: Für die Errichtung von Hauptschulen, Volksschulen und Kindergärten, Neu-, Zu- und Umbauten,
insgesamt 112 Millionen Schilling, wovon sich 53 Millionen Schilling auf Darlehen verteilen und 59
Millionen Schilling auf Beihilfen. Besonders gefördert wurde die Aktion zum Ankauf von
Schülerautobussen, die ja durch die Auflassung der einklassigen Volksschulen notwendig wurde. Es
wurden für den Ankauf von Schülerautobussen 688.000 Schilling vergeben.
Wenn man annimmt, daß im Durchschnitt 50 Prozent der Autobusse subventioniert sind, so heißt das,
daß in Niederösterreich ungefähr 1,5 Millionen Schilling für den Ankauf von Schülerautobussen verwendet
wurden. Weiters wurden wieder für die künstlerische Ausgestaltung Beträge vergeben, und zwar 183.000
Schilling, für Bildankäufe 27.000 Schilling, und für verschiedene Zinsen- und Tilgungsdienste wurden
46.000 Schilling ausgegeben. Das ergibt insgesamt den Betrag von 113 Millionen Schilling. Die
Einnahmen für den Schulbaufonds ergeben sich wieder aus Mitteln der Gemeinden, des Landes und des
Bundes. Das Land Niederösterreich hatte im ordentlichen Voranschlag 43 Millionen Schilling, im
Nachtragsbudget 10 Millionen SchilIing, zusammen also 53 Millionen Schilling veranschlagt, die
Gemeinden gaben in Form des Anteils der Bedarfszuweisungen 28 Millionen Schilling und dazu die
Schulklassenbeiträge von rund 3,5 Millionen Schilling, insgesamt also die Summe von rund 32 Millionen
Schilling, vom Bund kamen 10 Millionen Schilling, die Rückflüsse an Darlehen betrugen 7,5 Millionen
Schilling, und dazu kam eine Kreditaufnahme von 10 Millionen Schilling - sie erwies sich als unbedingte
Notwendigkeit - so wurde die notwendige Summe von 113 Millionen Schilling aufgebracht.
Das Kuratorium muß sich aber auch noch mit einer anderen Sache beschäftigen, und zwar mit der
Umwandlung von Darlehen in Beihilfen. Das betrifft vor allem jene Gemeinden, die eine einklassige
Schule besaßen, die aufgelassen bzw. stillgelegt wurde. Da die Darlehensrückzahlungen
bekanntermaßen in den ordentlichen Sachaufwand des Schulerhalters fallen würden, diese Schulerhalter
aber nicht mehr bestehen, wurden die Darlehen in Beihilfen umgewandelt. Von dieser Möglichkeit haben
insgesamt 14 Gemeinden Gebrauch gemacht. Die Fälle wurden in den Kuratoriumssitzungen behandelt
und selbstverständlich positiv erledigt.
Man müßte allerdings in Zukunft solche Maßnahmen verhindern, das heißt, es sollen nur mehr dort
Schulbauten errichtet werden, wo auch ein gesicherter Bestand für die Zukunft gegeben ist, wo dem
Reorganisationsplan entsprochen wird und vor allem auch dem raumordnerischen Gesichtspunkt
nachgekommen werden kann; Ziel ist also die vierklassige Volksschule und die achtklassige Hauptschule.
Es soll nicht vorkommen, dass aus Konkurrenzgründen oder weil am Schulort gerade ein Mandatar sitzt
sogenannte „Zwerghauptschulen" errichtet werden – das sind Schulen, die nicht die Achtklassigkeit
erreichen können und bei denen es von vornherein fraglich ist, wie lange sie bestehen bleiben können.
Mit Hilfe beider Fondsgesetze wurden in der Zeit von 1949 bis 1968 insgesamt 415 Schulbauten errichtet,
davon 132 Landeskindergärten, 144 Volksschulneubauten.
51 Hauptschulneubauten und 89 Volks- und Hauptschulzubauten. Daraus ist zu entnehmen, daß aus dem
Fonds für diese Zwecke 676 Millionen Schilling zugeflossen sind. In der Annahme, daß durchschnittlich
ein Prozentsatz von 40 aufscheint, ergibt dies einen Betrag von 1,7 Milliarden Schilling. Hiebei muß
festgestellt werden, daß bereits auf 1969 und 1970 Vorgriffe gemacht werden mußten. Die Vorgriffe für
1969 sind beachtlich, sie betragen immerhin 71 Millionen Schilling, das sind mehr als zwei Drittel des
Aufwandes, wenn man in Betracht zieht, daß für das Jahr 1969 ein Betrag von 114 Millionen Schilling in
Frage kommt. Auch für das Jahr 1970 wurden derartige Vorgriffe in beachtlichem Maße durchgeführt. Wie
schaut es nun mit den Schulbauten im Jahre 1969 aus? In Bau sind mit Jahresende 1968 - die Bauten
gehen in das Jahr 1969 hinein - 187 Vorhaben mit einer Kostensumme von 275 Millionen Schilling. In das
Jahr 1969 fällt aber, weil nicht alle Bauten fertiggestellt werden können, die Baurate in der Höhe von 187
Millionen Schilling. Dazu kommen weitere Vorhaben; es sind insgesamt 126 vorgesehen, mit denen sich
das Kuratorium in der nächsten Sitzung befassen wird und die für das Jahr 1969 mit einer Summe von
117 Millionen Schilling beziffert werden können, so daß die gesamten Baukosten im Jahre 1969 einen
Betrag von 303 Millionen Schilling ausmachen. Diese genannten 126 Bauvorhaben verteilen sich auf 65
Instandsetzungsfälle und 61 Neu-, Zu- und Umbauten; beachtlich ist hier, daß viele neue Kindergärten
errichtet werden. Für das Jahr 1969 ist vorgesehen, 20 Kindergärten neu zu errichten, für einen
Kindergarten ist ein Zubau geplant. Auf dem Volksschulsektor sind 12 Neubauten vorgesehen und 10 Zuund Umbauten, das ergibt eine Zahl von 22, bei den Hauptschulen ist an 9 Neubauten und 9 Zu- und
Umbauten gedacht, insgesamt also 18 Hauptschulbauten; das ergibt eine Gesamtzahl von 61
Schulbauten. Die Mittel für diese Bauten werden wie folgt aufgebracht: Das Land hat zunächst einen
Betrag von 43 Millionen Schilling vorgesehen, der Bund von 15 Millionen Schilling, der Anteil aus den
Ertragsanteilen beträgt 28 Millionen Schilling, aus den Schulklassenbeiträgen sind 3 Millionen Schilling
zugefallen, Darlehensrückzahlungen sind in der Höhe von 8 Millionen Schilling zu verzeichnen; das ergibt
eine Summe von 97 Millionen Schilling. Die Ausgaben beziffern sich jedoch auf 113 Millionen Schilling
und werden wie folgt aufgegliedert: Zunächst scheint die sogenannte Liste 1 auf, das sind die bereits
gemachten Zusicherungen für 1969 mit einem Betrag von 71 Millionen Schilling. In der Liste 2 sind
Vorhaben, die in den kommenden Kuratoriumssitzungen zur Beratung gelangen werden - mit einem
Betrag von 35 Millionen Schilling. Die sogenannte Liste 3 beinhaltet die Instandsetzungsfälle mit einem
Betrag von rund 7 Millionen Schilling.
Es ist daher eine Differenz von ca. 16 Millionen Schilling zu decken, wobei gerechnet wird, daß
mindestens 6 Millionen aus einem Nachtragsvoranschlag kommen. Wahrscheinlich wird sich das
Kuratorium auch im Jahre 1969 mit einer weiteren Darlehensaufnahme von 10 Millionen Schilling
befassen müssen, es sei denn, der Herr Finanzreferent hat eine recht freizügige Hand und sieht im
Nachtragsvoranschlag diese 16 Millionen Schilling vor. Ich habe bereits erwähnt, daß sich das Kuratorium
gebildet hat und daß es die Geschäfte des Fonds besorgt. Das Kuratorium hat in seiner letzten Sitzung
eine eigene Geschäftsordnung beschlossen, die eine nähere Ausführung der Bestimmungen des
Gesetzes enthält. Wichtig ist aber eine weitere Beschlußfassung über die Richtlinien für die Gewährung
von Darlehen. In diesen Richtlinien scheint - und das ist besonders bedeutsam - zum ersten Mal auf, daß
zum 1. Oktober des jeweiligen Jahres die Hochbauabteilung die voraussichtlichen Kosten für eine
Klasseneinheit, für einen Turnsaal und für eine Kindergartengruppeneinheit festzustellen hat. Diese
Vorgangsweise ist deshalb besonders wichtig, weil sie für die Gemeinden eine wesentliche Unterstützung
bei der Kostenschätzung bedeutet. In den Richtlinien ist auch zu beachten, daß nunmehr in
Prozentsätzen festgehalten wird, in we1c:her Form die Vergebung erfolgt, und zwar in einem Verhältnis
zur Finanzkraft der jeweiligen Gemeinden. In den Richtlinien ist des weiteren vorgesehen, daß auch
kommende Ansuchen -- wieder betrifft das die einklassige Volksschule - für Darlehen in Beihilfen
umgewandelt werden können, ebenso daß Beihilfen für Einrichtungsgegenstände gegeben werden
können; die Richtlinien sehen auch die Subventionierung von Schülerautobussen vor. Zusammenfassend
kann man also feststellen, daß das Bauprogramm im Land Niederösterreich erfolgreich fortgesetzt wurde.
Zum Schluß möchte ich noch einige Worte dem Bau des Bundesgymnasiums in Gänserndorf widmen. Es
liegt schon sehr weit, viele Jahre zurück, daß der Bau des Bundesgymnasiums immer wieder urgiert
werden mußte. Herr Bautenminister Dr. Kotzina hat beim ersten Spatenstich am 4. Oktober in
Gänserndorf bemerkt, er hoffe, daß nunmehr der Gymnasiumsbau in Gänserndorf aus der Budgetdebatte
des niederösterreichischen Landtages verschwinden wird. Ich kann ihm das versprechen, denn ich darf
feststellen, daß mit dem Bau begonnen wurde und daß beabsichtigt ist, die Bauarbeiten über den Winter
fortzusetzen. Von dieser Stelle aus möchte ich allen danken, die sich um den Bau bemüht haben. (Beifall
bei der SPÖ.)
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Zum Wort gelangt der Abg. Laferl.
Abg. LAFERL: Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren des Landtages! Heute, in der Zeit des
Wohlstandes, hat jeder einzelne in der Vorweihnachtszeit viele Wünsche, von denen er hofft, sie mögen
ihm in Erfüllung gehen. Wenn aber die Wünsche nicht in Erfüllung gehen, so sind die Menschen oft
ungehalten und hadern mit dem Schicksal. Wenn jemand aber krank ist oder sonstige körperliche
Gebrechen hat, dann hat er nur einen einzigen Wunsch, und dieser einzige Wunsch heißt: gesund werden
oder zumindest eine Besserung der Krankheit zu erreichen.
Ich will mich nur kurz mit dem Voranschlagsansatz 2121, mit der Waldschule Wiener Neustadt, befassen.
Ich will jetzt keine Zahlen herunterlesen, sondern nur feststellen, daß im Jahre 1968/69 dort 149 Kinder
untergebracht sind. Ich glaube nicht, daß es im Hohen Hause noch einen Abgeordneten gibt, der die
Schule bis heute nicht gesehen hat.
Wenn aber jemand unter uns Kollegen hier sein sollte, der noch nicht dort war, dann geht meine Bitte
dahin, diese Schule zu besuchen und die Kinder dort zu sehen. Wenn jemand Kinder hat, die sich
körperlicher und geistiger Gesundheit erfreuen, so greift ihm dieser Anblick dort doppelt ans Herz:
querschnittgelähmte, mißgebildete, unfallgeschädigte knochen- und Tbc-kranke Kinder aus fünf
Bundesländern, die dort untergebracht sind. Früher waren es Kinder aus sechs Bundesländern, aber ein
Bundesland ist später ausgesprungen, weil es selbst eine solche Anstalt errichtet hat. Natürlich sind
teilweise auch geistige Behinderungen festzustellen, aber dieser Prozentsatz ist nicht groß. Die meisten
Kinder sind geistig völlig normal, und das ist nur noch bedauerlicher, weil sie ja um ihr Leiden wissen.
Es war richtig, dieses Heim zu errichten, und es gereicht Niederösterreich zur besonderen Ehre, in dieser
Arbeitsgemeinschaft von fünf Bundesländern federführend zum Wohle dieser armen Kinder wirken zu
können.
Auch die letzten Ausgaben für das Internat, für die Küche und Kir das Verwalterwohnhaus haben gezeigt,
daß diese Gelder dort fruchtbringend angelegt wurden. Sie hätten bei der Eröffnung dabei sein müssen
und die leuchtenden Augen der Kinder sehen sollen als sie in die neuen Räume einziehen konnten, man
mußte sich an der Freude dieser Kinder, in die schönen, herrlichen Räume zu kommen, einfach mitfreuen.
Selbstverständlich gibt es noch sehr viele Wünsche, und nach Maßgabe der finanziellen Möglichkeiten
des Landes wird man diese Wünsche im Laufe der Zeit erfüllen müssen. Wenn es irgendwie möglich ist,
wird man auch darangehen, zum Beispiel auch den Sportplatz weiter auszubauen. (Präsident Weiss
übernimmt wieder den Vorsitz.) Selbstverständlich wäre auch ein Hallenbad erforderlich, ebenso Bäder für
die Unterwassertherapie zur Rehabilitierung dieser Kinder. Aber das alles verursacht natürlich ungeheure
Kosten und ist nur, wie ich schon erwähnt habe, nach Maßgabe der vorhandenen Mittel zu verwirklichen.
Diese Schule weiter auszubauen, um den Kindern dort das Leben leichter zu machen, ist eine Pflicht aller.
Selbstverständlich sind wir aber auch an die Zustimmung der anderen Bundesländer gebunden. Wir
können natürlich nicht einfach über die anderen Bundesländer verfügen, denn auch sie können sich nur
entsprechend ihren Mitteln beteiligen.
Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich meine eingangs ausgesprochene Bitte wiederholen:
Wer noch nicht Gelegenheit gehabt hat, diese Sonderschule zu besuchen, der möge das nachholen. Mit
zufriedenem Herzen wird er nach Hause fahren und Gott danken, wenn er selbst gesunde Kinder hat.
(Allgemeiner Beifall.)
PRÄSIDENT WEISS: Als nächster Redner kommt der Herr Abg. Thomschitz zum Wort.
Abg. THOMSCHITZ: Herr Präsident Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! „Die schulische
Ausbildung ist nicht nur entscheidend für die soziale Stellung und für die persönliche Entwicklung des
einzelnen” – ich glaube, das ist wohl unbestritten -, „sondern sie gewinnt auch vom Standpunkt der
Gesamtwirtschaft aus immer mehr an Bedeutung.
Mängel des Schulwesens führen zu einer Vergeudung geistigen Kapitals, die volkswirtschaftlich nicht zu
verantworten ist.” Das sind die Einleitungssätze zum Kapitel „Das Schulwesen“ im Abschnitt „Bildung und
Kultur” des Niederösterreich-Planes der Niederösterreichischen Raumplanungskonferenz.
Die rasche Anpassung des Unterrichtswesens und in diesem speziellen Fall des Unterrichtswesens an
Allgemeinbildenden öffentlichen Pflichtschulen mit allem, was dazu gehört, an die Erfordernisse der
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts muß eine unserer vornehmsten und dringlichsten Aufgabe sein. Man
erwartet ja doch von den Politikern, daß sie in der Lage sind, Methoden zu finden, die zu einer
Verbesserung der Lebensbedingungen für jeden einzelnen führen.
Die Verwirklichung des Reorganisationsplans für das Pflichtschulwesen in Niederösterreich wird Schritt für
Schritt vorwärtsgetrieben. Ich bin sicher, jedes der hier anwesenden Mitglieder des Hohen Hauses hat
bestimmt schon in irgendeiner Form damit zu tun gehabt und kann ein Lied von den Schwierigkeiten
singen, die sich besonders dann ergeben, wenn manche Ortsgrößen oder solche, die sich dafür halten,
glauben, die Welt stürze ein, wenn die einklassige Schule in der Klein- oder Kleinstgemeinde stillgelegt
und in der Folge aufgelassen wird.
Manche Menschen sind wirklich nur schwer davon zu überzeugen, daß die bessere Schulorganisation und damit der bessere Bildungsweg - dem kürzeren Schulweg vorzuziehen ist. Die Gegenwart zeigt aber
eine Entwicklung, die in rasendem Tempo fortschreitet. Die Gesellschaft, die Wirtschaft, das Leben an
und für sich stellen Anforderungen, die ein Auf-der-Stelle-Treten unter keinen Umständen vertragen
können. Ein Stehenbleiben oder nur ein Verzögern wären unweigerlich gleichbedeutend mit dem
Zusammenbruch. Diese Erkenntnis ist sicherlich nicht bequem. Sie stellt besonders an uns, meine Damen
und Herren, Anforderungen: Diese Erkenntnis verlangt ein Umdenken; sie erfordert die Anpassung an die
gegebenen Umstände; sie erfordert die Bereitschaft zur Neugestaltung; mit einem Wort: Sie erfordert von
jedem einzelnen von uns Aktivität. Auf die Schule transponiert heißt das, daß unsere Schule immer von
diesem Gesichtspunkt der gegenwärtigen Entwicklung und den daraus resultierenden Erfordernissen zu
betrachten ist, doch nicht nur die Schule selbst, sondern alles, was darüber hinaus mit ihr mittelbar oder
unmittelbar zusammenhängt. Ich gebe zu, es gehört schon ein wenig Mut und Verantwortungsbewußtsein
dazu, diesen sogenannten Stier bei den Hörnern zu packen. Ich glaube mich aber mit Ihnen, meine
Damen und Herren, eines Sinnes, wenn ich sage, daß wir wohl den Mut dazu haben, die
Schulreorganisation konsequent durchzuführen und letzten Endes zu einem für ganz Niederösterreich
nutzbringenden Abschluß zu führen. Je intensiver man sich jedoch mit dem Problem der
Schulreorganisation befaßt, umso mehr kommt man darauf, daß der Probleme immer mehr werden. Zur
Reorganisation gehören nämlich nicht nur die erforderlichen Neubauten, Umbauten, die Adaptierungen,
die Errichtung von Turnsälen usw., nein, es gehört dazu genauso die Herstellung der Straßen, der
Verkehrswege, überhaupt die Bereitstellung der Verkehrsmittel, die Koordinierung der Fahrpläne mit den
Unterrichtszeiten an den Schulen, vor allem aber die Lösung des Problems, das mit den auflaufenden
Fahrtkosten zusammenhängt. Ich bin überzeugt, Hohes Haus, keiner wird sich drücken, denn keiner kann
um den schweren Brocken, den dieses Problem darstellt, herumkommen, denn niemand von uns kann die
Verantwortung übernehmen, daß unsere Kinder, Ihre Kinder und auch meine Kinder sowie die Kinder
vieler zehntausender niederösterreichischer Familien oft auf als Schulweg schier unmöglichen Straßen
und Wegen in die Schule gehen müssen. Niemand aber kann sich vorstellen oder auch nur mit dem
Gedanken abfinden, daß sein eigenes Kind Opfer irgendeines Unfalles oder gar Verbrechens geworden
ist. Gibt es in dieser Richtung leider nicht allzu viele Beispiele, die uns anspornen müßten, jedwede
Gefahr, der unsere Kinder ausgesetzt sein könnten, zu beseitigen? In Niederösterreich gibt es derzeit ca.
178.000 Schüler, die die allgemeinbildenden öffentlichen Pflichtschulen besuchen. Davon sind rund
43.000 Fahrschüler, also Kinder zwischen dem 6. und 15. Lebensjahr, die mittels irgendeines Fahrzeuges
oder Verkehrsmittels den Weg zur Schule zurückzulegen haben. Ein großer Teil dieser 178.000
Pflichtschüler muß jedoch mangels eines Verkehrsmittels den Schulweg zu Fuß zurücklegen. Daß sich
dieser Schulweg nicht immer mit dem sogenannten zumutbaren Schulweg deckt, wird wohl unbestritten
sein. Es führen ja leider nicht in alle kleinen Orte oder Weiler unseres Bundeslandes Eisenbahn- oder
Autobuslinien.
Wenn ich vorhin erwähnt habe, daß rund 43.000 Pflichtschüler Fahrschüler sind, dann heißt das also mit
anderen Worten: Jedes 4. Schulkind, das eine allgemeinbildende öffentliche Pflichtschule besucht - also
eine Volksschule, eine Hauptschule, eine Sonderschule oder einen Polytechnischen Lehrgang -, hat
schon vor dem Unterricht einen mehr oder weniger langen, einen mehr oder weniger komplizierten und
besonders im Winter einen schon rein witterungsbedingten beschwerlichen und oft auch gefährlichen
Schulweg zurückzulegen. Wie der Landesschulrat für Niederösterreich erhoben hat, sind rund 25 Prozent
aller Pflichtschüler Fahrschüler. Weshalb hat er das wohl festgestellt?
Meine Ansicht neigt dazu, daß auch dem Landesschulrat klar geworden ist, daß die Notwendigkeit
besteht, sich mit diesem ernsten und wichtigen Problem auseinanderzusetzen.
Es scheint mir jedoch etwas zu wenig, was der Landesschulrat für Niederösterreich wissen wollte. Außer
mit der Eisenbahn und mit den Bussen fahren manche Schüler mit dem Fahrrad, andere wieder werden in
kleinen Gruppen zusammengefaßt und in Form der Nachbarschaftshilfe mittels PKW, Kleinbus oder
anderen zur Verfügung stehenden Fahrzeugen in die Schule gebracht. Daß dies meist auch mit enormen
Schwierigkeiten für die Eltern verbunden ist, liegt klar auf der Hand. Es werden aber auch das Milchauto,
der Bäcker- und Fleischerwagen gerne von den zu Fuß gehenden Kindern in Anspruch genommen, von
den Autostoppern gar nicht zu reden. Daß dies unhaltbare Zustände sind. wird wohl jeder bestätigen
können, und daß dieses Problem der Fahrschüler dringendst einer Lösung zugeführt werden muß, wird
wohl auch jeder einsehen. Ich muß nochmals betonen, daß man auf die unwahrscheinlichsten Dinge
kommt, wenn man sich mit dem Problem der Fahrtmöglichkeit und Fahrtkosten beschäftigt. Machen Sie
sich einmal die Mühe, meine Damen und Herren, und stellen Sie selbst in Ihrem eigenen Bezirk fest, auf
wieviele verschiedene Arten die Schulkinder in die Schule kommen, Sie werden gewiß so manche
Überraschung erleben und mir recht geben, wenn ich feststelle, daß wirklich umfassende Maßnahmen
ergriffen werden müssen, um eine weitere Gefährdung der Schulkinder, insbesondere der Fahrschüler,
auszuschließen. Neben der Art der benützten Verkehrsmittel hätte also der Landesschulrat für
Niederösterreich auch erheben müssen, wie hoch die Fahrtkosten sind und wer diese trägt. Das
interessiert uns doch mindestens ebenso, und auch hier hätte man staunenswerte Feststellungen machen
können. (Abg. Schoiber: Richtig!) Es gibt nämlich in unserem Bundesland viele, viele Familien, die für die
Fahrtkosten ihrer Kinder mehr ausgeben, als ihrem kargen Einkommen gut tut. Dadurch wird das
Einkommen dieser Familien schwerstem belastet. Wenn auch der Landesschulrat für extreme Fälle einen
Betrag zur Verfügung hat, mit dem er solche Fälle zu lindern versucht, so kann man doch von dem
berühmten Tropfen auf dem heißen Stein sprechen.
Darf ich hiezu nur ein paar Beispiele bringen: Da gibt es im Bezirk Zwettl, dem flächenmäßig größten
Bezirk Niederösterreichs, Familien, die für Kinder, die eine Hauptschule besuchen - z. B. die Hauptschule
in Ottenschlag oder in Zwettl -, Fahrtkosten von monatlich 200 bis 250 Schilling aufzubringen haben. Das
ist für diese Leute besonders schwer, weil es sich hier zum Großteil um Saisonarbeiterfamilien - das sind
Straßenarbeiter, Zimmerleute und Bauarbeiter -, handelt, die meist während der Wintermonate arbeitslos
sind. Ein zweites Beispiel: Da gab es bis vor kurzem in der Gemeinde Kottes eine Familie mit drei
Kindern, die monatlich pro Kind 196 Schilling an Fahrtkosten aufzubringen hatte, das sind insgesamt fast
600 Schilling monatlich für das Fahren allein. Wie sehr sich aber auch manche Gemeinden anstrengen,
den Kindern den Besuch einer Hauptschule zu ermöglichen, zeigt das Beispiel Arbesbach im Waldviertel.
Wie die Kollegen aus diesem Viertel wissen werden, ist die Gemeinde Arbesbach sicherlich nicht zu den
finanziell gutgestellten Gemeinden zu zählen, und doch sieht sie sich veranlaßt, monatlich 26.000
Schilling an Fahrtkosten aufzubringen. Sie Iäßt damit 302 Hauptschulkinder in die Schule fahren. Sie
sehen also, meine Damen und Herren - Gründe genug, umfassende Erhebungen anzustellen.
Wir alle, meine Damen und Herren, sprechen immer von dem größten Schatz, den wir haben, von
unseren Kindern, von der Jugend. Wir reden auch davon, daß wir alles tun sollen und auch tun werden,
um ihnen eine gesicherte Zukunft schaffen zu können. Aber tun wir auch wirklich immer alles? Es soll sich
doch niemand auf den im Gesetz definierien „zumutbaren Schulweg" ausreden oder berufen. Damit
kommen wir auch nicht um das Fahrtkostenproblem herum, Was hat der Lehrer davon, was hat das Kind
davon, wenn es schon in der Frühe müde und abgekämpft in die Schule kommt, wenn es manchmal
schon einen stundenlangen Schulweg hinter sich hat - und das bei fast jeder Witterung.
Die Kinder die den langen Schulweg zu Fuß zurücklegen müssen, können sich ja das Wetter nicht
aussuchen. Sie kommen oft in nassen Kleidern in die Schule, in nassen Schuhen, und nun soll das Kind
dem Unterricht folgen, soll arbeiten, soll aufmerksam sein; und doch hängt die ganze Unterrichtszeit wie
ein Damoklesschwert der Rückweg, der Heimweg über dem Kind und bedeutet somit eine immense
Belastung für das Schulkind. Sind das nicht echte Gründe, die uns anregen können, uns mit dem Problem
des umfassenden Schülertransportes und der auflaufenden Kosten hiefür zu befassen?
Es ist mir schon klar, daß diese Frage nicht in kurzer Zeit und auch nicht so unter der Hand gelöst werden
kann. Je mehr man sich aber in die Probleme hineinarbeitet, desto mehr und besser erkennt man die
Schwierigkeiten, die sich entgegenstellen. Sind Schwierigkeiten aber nicht da, um überwunden zu
werden? Machen wir daher einen Anfang, zeigen wir, daß es uns Ernst ist, diese Aufgabe einer Lösung
zuzuführen.
Die Planungsarbeiten für ein neues Niederösterreich, für ein Niederösterreich der Jungen, müssen
koordiniert werden, sie müssen zueinander und aufeinander abgestimmt werden, damit auch tatsächlich
ein Rädchen in das andere paßt. Es ist unnötig und auch zu wenig, bunte Plakate um teures Geld
bestellen zu lassen und dem Volk einzutrichtern, was die Hohe Landesregierung alles für das Land
Niederösterreich zu tun beabsichtigt. Es nützt auch gar nichts, meine Damen und Herren, wenn teure
Inserate in bestimmten Zeitungen eingeschaltet werden, die aufzeigen sollen, was alles in
Niederösterreich auf Grund des niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes in die Wege geleitet
werden soll, wenn dabei nichts anderes herauskommt als hohe Kosten für die Inserate selbst. Geben Sie
diese Beträge lieber kleinen, finanzschwachen Gemeinden, die sie besser verwerten können, die zum
Beispiel Schulbusse benötigen, diese aber aus Mangel an finanziellen Mitteln nicht kaufen können. Ich bin
der Meinung, damit wäre das Geld besser verwendet als für diese „Eintagsinserate", die nichts bringen,
sondern nur teures Geld kosten.
Lassen Sie also dem Raumordnungsgesetz lieber Taten folgen, nicht Plakate und Inserate! „An ihren
Früchten werdet Ihr sie erkennen", das steht doch schon in der Bibel. Also bitte, weniger Plakate und
weniger Inserate, denn das Papier ist, das wissen Sie alle, geduldig. Außerdem kommt man bestimmt
nicht in den Verdacht, diese Inserate nur in gewissen Zeitungen eingeschaltet zu haben und vielleicht
weniger am Inserat selbst, als an der Finanzierung der Zeitung interessiert zu sein. Wir haben in dieser
Hinsicht schlechte Erfahrungen gemacht, wir sind gerade in den vergangenen Jahren verdammt hellhörig
geworden. Vermeiden Sie also in Zukunft bitte alles, was nur den geringsten Zweifel an der guten Absicht
aufkommen lassen könnte.
Im Tätigkeitsbericht der Abteilungen VIII/1 und VIII/6 wird im Abschnitt C, Pkt. III, zum Voranschlag 1969
vermerkt, daß die Zuschüsse zu den täglichen Fahrtkosten von Schulkindern im Zusammenhang mit der
Verbesserung der Schulorganisation - VAA. 219-64 - erhöht wurden, Eigentlich eine Sache, worüber man
sich freuen könnte. Sehen wir uns aber den Betrag an, um den es sich handelt, dann wird die Freude
schon ein wenig gedämpft. Die 500.000 Schilling für das Jahr 1968 wurden für 1969 um 250.000 Schilling
auf 750.000 Schilling erhöht. Was wollen Sie denn, könnten jetzt einige Verfechter dieses Voranschlages
sagen, das sind doch 50 Prozent Erhöhung!? Um die Hälfte mehr als im Vorjahr! Diese 50 Prozent sind
doch bemerkenswert! Sicherlich! Sie wissen aber, meine Damen und Herren, im Leben ist alles relativ.
50 Prozent können viel und wenig sein. Meine Parteifreunde und ich sind der Meinung, daß diese
Erhöhung von 500.000 Schilling auf 750.000 Schilling kaum der Rede wert ist, besonders dann, wenn
diese Erhöhung gemessen wird an der Größe und Wichtigkeit dieses Problems, das sich im
Zusammenhang mit den Fahrtkosten ergibt.
Ich kann mich auch nicht mit den Erläuterungen zum Bundesfinanzgesetz 1969, welche bei den
Förderungsausgaben unter anderem davon sprechen, daß Schülerunterstützungen für Fahrtkosten
erforderlich sind, voll zufrieden geben. Das ist doch viel zuwenig.
Wir müssen das Problem bei der Wurzel packen, im Kern erfassen. Wir sind doch der Auffassung, daß
Bildung nicht allein Sache der Familie und der Gemeinde sein kann, vielmehr vertreten wir die Ansicht,
daß daran unweigerlich auch das Land und der Bund interessiert sein müssen.
Die Niederösterreichische Raumplanungskonferenz oder, wenn Sie wollen, der von der SPÖ erstellte
„Niederösterreich-Plan'' befassen sich ebenfalls mit diesem Fahrtkostenproblem und kommen zu dem
Schluß, dass die Fahrtkosten für den Schulweg der Pflichtschüler bei öffentlichen und privaten
Verkehrslinien das Land zu übernehmen hat. Gemeint ist hier also nicht eine Unterstützung der Eltern
oder Schüler, sondern gemeint ist hier die echte Übernahme der Fahrtkosten im vollen Ausmaß.
Wie richtig die Forderung des Niederösterreich-Planes auf Übernahme der Fahrtkosten durch die
öffentliche Hand ist, beweist der Beschluß des Nationalrates in der vergangenen Woche. Alle drei im
Parlament vertretenen Parteien fordern in dem Beschluß die Bundesregierung auf, das Problem der
Fahrschüler, insbesondere -- und hier doppelt unterstrichen -- die Frage der finanziellen Belastung zu
prüfen, auf Grund dieser Prüfung geeignete Maßnahmen für eine Gleichstellung aller Fahrschüler
einzuleiten und dem Nationalrat hierüber zu berichten.
Nun könnte wieder jemand einwenden: „Aber das ist doch unmöglich, das kann das Land ja gar nicht
leisten!'' Meinen Sie? Wissen Sie überhaupt, wie hoch der hiezu erforderliche Betrag ist? Können Sie sich
nicht vorstellen, daß alle Fahrschüler den Fahrausweis ohne Bezahlung bekommen und das
Verkehrsunternehmen dann im Anschluß bei der öffentlichen Hand kassiert? Freilich können
Einwendungen vorgebracht werden: Zum Beispiel könnte damit Schindluder getrieben werden.
Es könnten Schüler-Fahrausweise auch an Schüler gelangen, die nicht berechtigt sind, zu fahren. Wir
haben im Gesetz doch die Bestimmung über den zumutbaren Schulweg. Es kann also ohne weiteres die
Schulleitung oder eine örtliche Kommission für jeden einzelnen Schüler feststellen, ob er zur
Entgegennahme eines Fahrausweises berechtigt ist nicht.
Sie sprechen vielleicht von der Verantwortung, die die Schulleitung damit übernimmt, von der Möglichkeit
von aufkommenden Unstimmigkeiten zwischen Eltern und Schule. Ja, das stimmt, kann sein. Ist dies aber
die einzige Verantwortung, die die Schule zu übernehmen hat? Haben wir nicht alle ein gewisses Maß an
Verantwortung zu tragen?
Ich glaube daher, daß sich der technischen Durchführung keine unüberwindlichen Hindernisse
entgegenstellen werden. Die Schulleitungen stellen die Fahrausweise aus - wobei die Ausweise selbst
eine streng verrechenbare Drucksache darstellen müssen – und teilen die Anzahl und alle erforderlichen
Daten den Verkehrsbetrieben mit, und diese verrechnen wieder mit der öffentlichen Hand.
Selbstverständlich wird man sehr bald dahinterkommen, daß manche Verkehrslinien, dass die
Verkehrsmöglichkeiten überhaupt auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft werden müßten, daß da und dort
eine neue Linie errichtet werden muß, daß da und dort der Fahrplan entsprechend abgeändert oder sogar
neu erstellt werden muß. Das ist nur natürlich, und das darf uns keinesfalls aus dem Konzept bringen.
Sind es nicht gerade die oft unmöglichen Verkehrsverhältnisse, die sich der Schulreorganisation
entgegenstellen? Sind es nicht gerade der zu weite Schulweg und das Fehlen jeglicher
Verkehrsmöglichkeiten, die sich der Bildung der Idealform der Volksschule, nämlich der vierklassigen
Mittelpunktschule, entgegenstellen?
In dieser Zwangslage griffen und greifen viele Gemeinden in Erkenntnis ihres Verantwortungsbewußtseins
zur Selbsthille. So gibt es zum Beispiel im Bezirk Gänserndorf eine diesbezügliche Einrichtung, die als
Übergang durchaus zweckentsprechena und zum Teil auch nachahmenswert ist. In diesem Bezirk haben
verschiedene Gemeinden mit der UMV Jahresverträge - leider nur Jahresverträge - abgeschlossen, die
den Transport der Schüler in die Hauptschule des Bezirkes oder in das Bundesgymnasium nach
Gänserndorf durchführt. 375 Kinder werden mit UMV-Autobussen transportiert. Die Gesamtkosten
belaufen sich auf zirka 42.400 Schilling. Sie werden zum Teil von den Gemeinden selbst nach der
Kopfzahl der Schüler getragen, bzw. in einzelnen Gemeinden werden die Kosten zwischen der Gemeinde
und den Eltern geteilt. Die Gemeinde Gänserndorf selbst zahlt zum Beispiel allein für die Verstärkung der
Linien ein Jahrespauschale von rund 50.000 Schilling.
Es hat wohl der Landesschulrat eine Fahrschülererhebung 1967168 durchgeführt. Er hat die Schülerzahl
der öffentlichen allgemeinbildenden Pflichtschulen erhoben, er hat auch festgestellt, welche
Verkehrsmittel die Fahrschüler benützen, So fahren 24.000 Kinder mit Linienbussen, Schulbusse stehen
5.600 Schülern zur Verfügung, 9.200 Kinder fahren mit der Eisenbahn und 4.200 Schüler und
Schülerinnen werden mittels Privatfahrzeugen in die Schule gebracht.
Was aber in dieser Erhebung fehlt, ist - wenn ich das noch einmal unterstreichen darf - die Angabe der
Kosten für die Benützung mal dieser Verkehrsmittel und auch die Mitteilung darüber, wer diese Kosten
trägt. Ich glaube, dies müßte sehr bald nachgeholt werden, um ein richtiges Bild über dieses
Fahrschülerproblem und der damit zusammenhängenden Kosten zu bekommen. Nur so kann das Land
richtig planen und ist nicht genötigt, einen unqualifizierten Betrag in den Voranschlagsansatz 219-64
einzusetzen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte in diesem Zusammenhang einen Resolutionsantrag stellen, und ich
ersuche das Hohe Haus, ihm die Zustimmung zu geben. Er lautet (liest):
„Die Landesregierung wird aufgefordert,
1. bei der Bundesregierung vorstellig zu werden und dahin zu wirken, daß dem Entschließungsantrag des
Nationalrates vom 28. 11. 1968, betreffend Fahrtkosten für die Schüler der allgemeinbildenden Schulen,
die öffentliche Verkehrsmittel benutzen, ehebaldigst entsprochen wird;
2. falls nicht bis zum Beginn des Schuljahres 1969/70 eine Lösung dieses Problems gefunden wird, eine
Lösung auf Landesebene anzustreben."
Meine Damen und Herren! Weil ich schon am Wort bin, erlauben Sie auch mir, so wie es mein Kollege
Laferl getan hat, noch einige Worte zur Waldschule, zur Sonderschule für körperbehinderte Kinder in
Wiener Neustadt zu sagen. Der Ausbau der Sonderschule ist im wesentlichen abgeschlossen. Das
Internat wurde am 29. April 1967 eröffnet, und ich glaube - und da stimmen wir wohl alle überein -, all
denen, die dabei waren, wird diese Feier eine bleibende Erinnerung sein. In der Folgezeit wurde dann
auch der Übergang vom Schulgebäude zum Internat geschaffen. Dadurch ist es den Kindern möglich,
auch bei schlechtem Wetter und vor allem im Winter in die Schule zu gehen, ohne ins Freie treten zu
müssen. Der Übergang bedeutet nämlich gerade für diese Kinder - wer gesehen hat, wie sich manche
dieser Kinder fortbewegen müssen, weiß das - eine große Erleichterung.
Direkt im Anschluß an das Internat konnte auch die neue Küche gebaut werden. Im Hauptgebäude selbst
wurde der frühere Speisesaal umgebaut, er dient heute als Vortragssaal.
Was mir aber nicht weniger Freude macht als diese Zubauten und Umbauten ist die Tatsache, daß die
Zufahrtsstraße zur Waldschule instandgesetzt und mit einer Heißmischdecke versehen wurde. Als ich mir
nämlich im Vorjahr hier von dieser Stelle aus erlaubte, zur Instandsetzung dieser Straße vom Land einen
Beitrag zu erbitten, wurde ich prompt darüber „aufgeklärt” oder ,,belehrt”, daß es sich bei dieser
Verbindungsstraße um eine Gemeindestraße der Stadtgemeinde Wiener Neustadt handelt. Deshalb freut
es mich ganz besonders daß dieses Straßenstück nun doch in gemeinsames Arbeit saniert worden ist.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, es ist doch nicht ausschlaggebend, wem die Straße gehört, wenn
um Hilfe beim Land angesucht wird. Wichtig ist doch nur allein die Tatsache, daß Wiener Neustadt dieses
Vorhaben allein nicht verkraften konnte und. deshalb Hilfe brauchte.
Die Straße ist nun im gegenseitigen Einvernehmen - und es wurde im Verlauf dieser Budgetdebatte so
viel von Zusammenarbeit und von gegenseitigem Einvernehmen gesprochen - zwischen der Stadt Wiener
Neustadt und dem Land Niederösterreich hergestellt worden, und sie erfüllt heut6 ihren Zweck.
Das allein ist wichtig! Gemeinsam müssen wie immer und immer wieder an die Lösung der Aufgaben
herangehen. Es fragen ja auch die Gemeinden nicht immer, wem diese oder jene Straße gehört, wenn sie
bei Landes- oder Landeshauptstraßen zur Staubfreimachung, zu Instandsetzungsarbeiten oder zu
sonstigen Arbeiten Baukostenzuschüsse in ganz beachtlicher Höhe leisten. Die Gemeinden haben die
Notwendigkeit der Gemeinsamkeit längst erkannt. Sie tun stets ihr Möglichstes. Doch darüber wird wohl
noch in der Gruppe 6 zu sprechen sein.
Lassen Sie mich zum Schluß noch einmal auf die Notwendigkeit der Errichtung eines
Personalwohnhauses in der Waldschule hinweisen. Auch wäre den körperbehinderten Kindern sehr durch
ein Schwimmbad geholfen. Ich bin überzeugt, daß bei gemeinsamer Anstrengung auch diese Vorhaben
zu einem positiven Abschluß gebracht werden können.
Natürlich muß es aber immer heißen: Miteinander, nie mehr gegeneinander! Ich danke. (Beifall im ganzen
Haus.)
PRÄSIDENT WEISS: Zum Wort kommt Herr Abg. Präsident Schoiber.
Abg. SCHOIBER: Herr Präsident! Hohes Haus! Darf ich zunächst auf einige Bemerkungen meiner
geschätzten Vorredner zurückkommen.
Das Schulbücherproblem, das die Frau Abg. Körner angeschnitten hat, ist .wahrlich ein sehr aktuelles
Problem, mit dem sich nicht nur die Eltern, sondern auch die Elternvereine sehr eingehend befassen. Nur
ist dieses Problem etwas komplex und nicht ganz einfach im Sinne der Wünsche der Eltern zu lösen.
Auf der einen Seite leben wir in einem demokratischen Staat, so daß jeder, der sich dazu berufen fühlt,
ein Buch schreiben kann, das, sofern es die Approbation des Bundesministeriums für Unterricht erhält, für
die Verwendung in der Schule zugelassen ist.
Auf der anderen Seite haben wir noch immer in der Schule den Grundsatz der Methodenfreiheit. Damit
hängt irgendwie auch die Auswahl des Buches zusammen, was eine strenge Reglementierung verhindert
im Wege steht. Trotzdem wird aber seitens der Schulaufsicht sehr streng darauf geachtet, daß ein
Bücherwechsel nur im unumgänglichsten Fall durchgeführt wird.
Zur Errichtung einer Bildungsanstalt für Kindergärtnerinnen darf ich nur erwähnen, daß dieses Problem
schon lange im Landesschulrat erörtert wird, nicht nur das, es wurde schon längst mit dem
Bundesministerium für Unterricht die Verbindung aufgenommen. Nunmehr steht zur Debatte, wo denn
diese Bildungsanstalt untergebracht werden soll – ob in Baden im Rahmen der Akademie oder vielleicht in
Angliederung an die erst vor einigen Jahren errichtete Bildungsanstalt für Arbeitslehrerinnen in St. Pölten.
Das ist lediglich eine Unterbringungsfrage. Die Vorarbeiten sind bis zu jenem Stadium gediehen. wo wir
nur mehr diese Frage erörtern müssen. - Wenn Frau Abg. Körner davon gesprochen hat, daß es
notwendig sein wird, Kindergärten in Niederösterreich zu schaffen, so stimme ich mit ihr darin überein. Ich
mochte aber trotzdem als Vergleich auch die Verhältnisse in den anderen Bundesländern kurz zur
Kenntnis bringen. In Niederösterreich gibt es insgesamt 459 Kindergärten; darunter sind sowohl die
öffentlichen als auch die privaten Kindergärten verstanden, mit dieser Zahl marschiert Niederösterreich
wieder einmal an der Spitze aller Bundesländer. Die nächsthöhere Zahl erreicht Wien mit 449
Kindergärten. Es ist aber etwas interessant. Eine Aufgliederung nach den öffentlichen und privaten
Kindergärten zeigt, daß in Niederösterreich von den 459 Kindergärten 398, also fast 400, öffentliche
Kindergärten sind, d. h. also, dort haben die Eltern gar keinen Beitrag für den Besuch ihrer Kinder im
Kindergarten zu bezahlen. Das ist wahrlich eine sehr große Leistung. Wenn ich dazu nur die Verhältnisse
in Wien erwähnen darf, wo von 449 Kindergärten nur 207 öffentliche Kindergärten sind: Dort hat man sich
mehr auf den privaten Kindergarten verlassen, was naturgemäß den Eltern erhebliche Kosten verursacht.
Ich unterstreiche den Wunsch der Frau Abg. Körner auf Vermehrung der Kindergärten, muß aber sagen,
dass wir hier schon sehr gute, sehr konsequente Arbeit geleistet haben und daß es nur darum geht,
vielleicht in einzelnen Gegenden das Netz der Kindergärten noch zu erweitern. Damit bin ich aber bei
jenem Thema angelangt, das der Herr Abg. Thomschitz sehr eingehend behandelt hat. Übereinstimmend
kann ich feststellen, daß über die Frage der Schulreorganisation keine Debatte besteht, keine
gegensätzliche Meinung vorhanden ist, daß es aber möglicherweise über manche
Durchführungsmöglichkeiten und Modalitäten verschiedene Ansichten geben konnte.
Das Problem der Fahrtkostenzuschüsse spielte ja schon im vergangenen Jahr im Budget eine Rolle.
Mittlerweile haben sich die Elternvereine und Familienverbände mit diesem Problem eingehend befaßt,
und schließlich wurde vor einigen Tagen im Nationalrat der Antrag angenommen, der, glaube ich, nicht
vollständig verlesen wurde, darum möchte ich das nachholen. Der Antrag hat folgenden Wortlaut: „Die
Bundesregierung wird aufgefordert, das Problem der Fahrtkosten für die Schüler an den
allgemeinbildenden Schulen, die öffentliche Verkehrsmittel benützen, insbesondere die Frage der
finanziellen Belastung zu prüfen, auf Grund dieser Prüfung geeignete Maßnahmen für eine Gleichstellung
alle Schulpflichtigen einzuleiten und dem Nationalrat hierüber zu berichten.” Mit der einstimmigen
Annahme dieses Antrages scheint also die Hoffnung zu bestehen, daß vom Bund her eine gesetzliche
Regelung zu erwarten ist. Bis zur Realisierung dieser Hoffnung bleiben jene Maßnahmen des Landes und
des Bundesministeriums für Unterricht auf freiwilliger Grundlage bestehen, die schon in den vergangenen
Jahren wirksam waren. Das Land gibt also an den gesetzlichen Schulerhalter Zuschüsse, um ihn in die
Lage zu versetzen, die Fahrtkosten für die Kinder zu erniedrigen. Die Höhe der Summe, die dafür im
Voranschlag steht, ist für das Jahr 1969 mit 750.000 Schilling begrenzt. Der Landesschulrat für
Niederösterreich gibt im Auftrage des Bundesministeriums für Unterricht im Rahmen einer
Subjektförderung an Einzelbewerber entsprechende Zuschüsse. In diesem Schuljahr stehen dafür
414.000 Schilling zur Verfügung.
Insgesamt sind es also 1,164.000 Schilling, die als Fahrtkostenzuschüsse in irgendeiner Form gegeben
werden können. Beim Landesschulrat sind rund 2.800 Ansuchen eingelangt. Von diesen wurden 2.200
positiv erledigt. Die Beträge, die gegeben worden sind, sind nicht sehr hoch, sie schwanken zwischen 100
und 500 Schilling. Es wurde aber den Bezirksschulräten die Möglichkeit zu Korrekturen gegeben, falls sich
im Rahmen des Gesamtumfanges, der ihnen zugeteilt worden ist, besondere Härten ergeben. Wie stellt
sich nun dieses Problem im besonderen in Niederösterreich dar? In Niederösterreich hat es schon immer
Fahrschüler gegeben, die zum Zwecke des Schulbesuches öffentliche Verkehrsmittel benützt haben. Die
Zahl wurde durch die Reorganisationsmaßnahmen des Landes Niederösterreich und durch das
Schulgesetz 1962 - ich denke nur an den Polytechnischen Lehrgang oder an die Zuführung der
Oberstufenschüler an die Hauptschule - noch erheblich vergrößert, so dass zur Zeit in ganz
Niederösterreich - nach einer Erhebung des Landesschulrates - rund 43.000 Schüler irgendein
Verkehrsmittel benützen.
Nun hat der Herr Abg. Thomschitz gemeint, wir haben es uns zu leicht gemacht. Nein, Herr Abgeordneter,
wir haben es uns gar nicht leicht gemacht, im Gegenteil, wir haben sehr gründlich weitergeforscht, und
dabei sind wir auf die Zahlen gekommen, die das ganze Problem in seiner Schwere so richtig
demonstrieren. Wir sind nämlich daraufgekommen, daß der vollständige Ersatz aller Fahrtkosten
monatlich etwa 1,8 Millionen Schilling betragen würde. Nun glaube ich aber . . . (Abg. Thomschitz: Warum
nicht?) Dann müssen Sie uns sagen, wie, dann sind wir auch zufrieden.
Jährlich rund 18 Millionen Schilling scheinen mir doch eine Summe zu sein, die man nicht so aus dem
Ärmel schütteln wird können. Man wird doch nicht mit Berechtigung sagen können, daß alle auflaufenden
Fahrtkosten ersetzt werden müssen. Ich kann Ihnen sagen, daß unter jenen Ansuchen, die vom
Landesschulrat abgelehnt wurden, solche waren, wo der Schulweg 2 und 2,5 Kilometer betragen hat. Nun
glaube ich doch, daß die Bewältigung eines bestimmten noch festzusetzenden zumutbaren Fußweges auf
jeden Fall verlangt werden müßte, schon der Gerechtigkeit wegen; Sie haben das angedeutet. Es gibt in
unseren Voralpengebieten sehr viele Kinder, bei denen ein Fußweg von 4 und 5 Kilometern zu den
Selbstverständlichkeiten gehört – es sind dies der Scheibbser Raum, das Gaminger Gebiet usw. Ich will
das gewiß nicht gutheissen, aber es geht nicht anders, und man kann auch gar keine Änderung
herbeiführen. (Zwischenruf bei der SPÖ: Auch im Waldviertel!)
Was würden diese Eltern sagen, wenn im geschlossenen Siedlungsgebiet Fußwege bis zu 2 und 2,5
Kilometern vom Land aus subventioniert werden? Hier müßte eine Norm gefunden werden. Auch in den
Städten gibt es unter Umständen Fußwege in diesem Ausmaß; ich denke hier nur an jene Kinder, die am
Kanal, an der Bahnlinie gegen Schwechat zu wohnen und die Volksschule in der Braunhubergasse
besuchen; sie haben auf jeden Fall auch einen Fußweg von 3 Kilometern zurückzulegen. Hier müßte also
eine Grenze einbezogen werden. Ich bin überzeugt, daß dann die Zahl von 43.000 schon erheblich sinken
würde.
Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung: Wir sind selbstverständlich auch der Ansicht, daß die
Ausgangsposition für alle Bildungsbemühungen an der Pflichtschule für alle Kinder gleich sein muß.
Irgendwie müßte man aber doch auch die finanziellen Leistungsmöglichkeiten der Eltern einkalkulieren,
Warum sollte das in Niederösterreich nicht möglich sein, was es in Wien seit Jahren - ich sage dazu
vernünftigerweise - auf dem Gebiete des Kindergartenwesens gibt? Ich denke daran, daß die
Stadtgemeinde Wien für den Besuch der Kinder - im Gegensatz zu Niederösterreich, wo der Besuch
unentgeltlich ist eine Gebühr einhebt und diese nach sozialen Gesichtspunkten dem Einkommen der
Eltern entsprechend staffelt, ja sogar sehr stark staffelt. Nach einer mir zugekommenen Aufstellung ist der
Höchstbetrag rund 160 Schilling monatlich, die Aufteilung gliedert sich in 12 Stufen. Was in Wien in
Richtung der Leistung der Eltern an das Land möglich ist, müsste doch in Niederösterreich auch in der
umgekehrten Richtung, nämlich der Leistung des Landes an die Eltern, irgendwie möglich sein, und es
müßte eine Parallele gefunden werden können.
Bei der Budgetdebatte des vergangenen Jahres wurden schon jene Länder angeführt, die den Versuch
einer Regelung dieser sehr schwierigen Frage unternommen haben; es wurde in diesem Zusammenhang
auch das Land Oberösterreich genannt. Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn hier erwähnt wurde, daß
in Oberösterreich eine Drittellösung Wirklichkeit geworden ist, nämlich ein Drittel Eltern, ein Drittel
Gemeinde und ein Drittel Land, wobei das Land gewisse Rückersätze gibt. (Zwischenrufe: In Tirol ist das
so!) Nein, in Oberösterreich. Bestärkt werde ich in der Annahme dadurch, daß im Landesbudget für
Oberösterreich ein Gesamtbetrag für diesen Zweck in der Höhe von 600.000 Schilling zu finden ist, ein
Betrag, der hinsichtlich der Relation der angenommenen Fahrschüler - wenn ich den gleichen Schlüssel
anlegen wollte wie in Niederösterreich, hätten die Oberösterreicher also rund 41.000 Fahrschüler - der
Annahme entspricht.
Ich kann nicht glauben, daß man es mit 600.000 Schilling allein bewenden lassen kann, es wird dort
schon diese Drittellösung möglich sein. Man muß in der derzeitigen Situation überlegen, wieweit das Land
auf freiwilliger Grundlage neue Verpflichtungen eingehen kann, ohne dadurch unumgängliche Aufgaben
vernachlässigen zu müssen, wobei der Akzent vor allem auf die Höhe der einzugehenden Verpflichtungen
zu richten ist.
Man kann dem Land Niederösterreich nicht vorwerfen, daß es schul- oder bildungsfeindlich wäre. Wir
haben in den letzten Jahren bewiesen, daß auf allen Gebieten der Bildung zusätzlich freiwillig
übernommene Leistungen seitens des Landes erbracht worden sind. Ich denke an die Führung höherer
Schulen, wobei eine dem Bund übergeben werden konnte; ich denke an die erheblichen Mittel, die für den
Ausbau des kaufmännischen und gewerblichen Berufsschulwesens angewendet wurden, und ich denke
an die großen Leistungen des Schulbaufonds, der auch eine notwendige, aber freiwillige Leistung des
Lande ist. Ich glaube daher, daß dieses Problem, wenn es überhaupt zu lösen ist, nur dann gelöst werden
kann, wenn mehr Kostenträger eingeschaltet werden. Ich erlaube mir daher, auch einen Antrag zu stellen,
der dem Referat die Möglichkeit gibt, diese Frage eingehend nach allen Richtungen zu studieren, denn
der Landesschulrat ist ja an und für sich nicht diese Stelle, die zunächst hinsichtlich der Kostentragung die
entsprechenden Vorarbeiten zu leisten hat; das ist schließlich und endlich Sache des Referats der
Landesregierung. Um diese Möglichkeiten zu schaffen, gestatte ich mir, zur Gruppe 2 des Voranschlages
des Landes Niederösterreich für das Jahr 1969 folgenden Antrag zu stellen und bitte um dessen
Annahme (liest):
„Die durch die Neuregelung des allgemeinbildenden Pflichtschulwesens bedingten Änderungen der
Schulsprengel der allgemeinbildenden Pflichtschulen bewirken vielfach eine sozial zumutbare finanzielle
Belastung der Unterhaltspflichtigen jener Schüler, die auf Grund dieser Tatsache nunmehr eine Schule
außerhalb ihres Wohnortes besuchen und deshalb ein öffentliches Verkehrsmittel benützen müssen. Die
Landesregierung wird daher aufgefordert, die Frage der finanziellen Belastung der Unterhaltspflichtigen
jener Schüler, die auf Grund der Neuordnung des allgemeinbildenden Pflichtschulwesens zur
Ermöglichung des Schulbesuches öffentliche Verkehrsmittel benützen müssen, insbesondere im Hinblick
auf die soziale Zumutbarkeit und auf den Grundsatz, daß der Besuch der Pflichtschule unentgeltlich ist,
einer eingehenden Prüfung zu unterziehen." (Beifall im ganzen Hause.)
PRÄSIDENT WEISS: Die Frau Abgeordnete Körner hat nunmehr das Wort.
Abg. KÖRNER: Hohes Haus! Nach einer Rücksprache mit der Fraktion der Österreichischen Volkspartei
erlaube ich mir, meinen Resolutionsantrag in folgender abgeänderter Form zu stellen (liest):
„Die Landesregierung wird aufgefordert, die Zahl jener kindergartenfähigen Kinder zu ereben, die derzeit
infolge Fehlens eines in zumutbarer Entfernung gelegenen Kindergartens nicht betreut werden können.
Notwendige Standorte für neue Kindergärten sind durch ein Raumordnungsprogramm auf Grund des Nö.
Raumordnungsgesetzes zu bestimmen."
PRÄSIDENT WEISS: Das Wort hat Herr Landesrat Kuntner.
Landesrat KUNTNER: Hoher Landtag! Als zuständiger Referent für das Schulwesen darf ich zunächst
allen Rednern danken, die sich in durchaus positiver Weise zu den Belangen der Schule gestellt haben.
Ich möchte die Gelegenheit benützen, auch den Beamten zu danken, die in treuer Pflichterfüllung an der
Arbeit des Referats mitgewirkt haben. Als Referent werden Sie mir sicherlich das Recht zubilligen, zu
einigen Punkten Stellung zu nehmen.
Zunächst zur Budgetsumme als Ganzes. Bereits von meinem Parteifreund Grünzweig wurde darauf
hingewiesen, daß die Mehrausgaben für das Schulwesen im Voranschlag 1969 fast ausschließlich
Durchläufer sind. Die Darstellung auf Seite X des Voranschlages, in der die Mehrausgaben von 49
Millionen Schilling in 44,5 Millionen für den Sachaufwand und in 4,5 Millionen für den Personalaufwand
aufgeschlüsselt werden, täuscht in mehrfacher Hinsicht.
Erstens wurde nämlich in der Übersicht unter die Kosten für den Sachaufwand der 10-prozentige Ersatz
des Landes an den Bund zu den Aktivitätsbezügen an den allgemeinbildenden öffentlichen Pflichtschulen
aufgenommen. Das steht im Gegensatz zu der üblichen Auffassung, daß Aufwendungen für das Personal
eben Personallasten sind. Ebenso hat man den 50prozentigen Beitrag des Landes an den Bund zu den
Aktivitätsbezügen der Lehrer an den Berufsschulen hineingenommen und schließlich die Refundierung
von Bezügen der an dem Internat der Landesberufsschule als Erzieher verwendeten Berufsschullehrer;
das macht zusammen 31,9 Millionen Schilling aus.
Wenn man aber Ausgaben für das Personal wirklich als Personalausgaben auffaßt, dann stellt sich
heraus, daß der Sachaufwand nicht 44 Millionen Schilling ausmacht, sondern dass das umgekehrt die
Personalausgaben sind, während sich der Sachaufwand tatsächlich lediglich auf einen kleineren Betrag,
nämlich auf ungefähr 4 Millionen Schilling, beschränkt.
Diese Mehrausgaben täuschen aber auch in einer anderen Hinsicht, denn sie belasten zwar das
Schulbudget, aber die Einnahmen, die als Äquivalent dafür gegeben wurden, stehen nicht im Kapitel 2,
sondern sie werden vom Finanzreferenten im Kapitel 9 kassiert, wie zum Beispiel die 15,4 Millionen
Schilling Zweckzuschuß des Bundes zum Bauaufwand allgemeinbildender Schulen an die Gemeinden
und Gemeindeverbande. Der 10prozentige Beitrag des Landes an den Bund zu den Aktivitätsbezügen der
Lehrer an den allgemeinbildenden Pflichtschulen scheint in der Ausgabe mit einer Summe von 105
Millionen Schilling auf. Sie wird aber im Finanzausgleich auf Grund des letzten Finanzausgleichsgesetzes
durch einen 3prozentigen Anteil an der Umsatzsteuer rückvergütet. Im Jahre 1967 hat das Land laut
Rechnungsabschluß für diesen Zweck 57 Millionen Schilling ausgegeben.
Hiefür standen aber dem Land auf Grund des Finanzausgleiches laut Mitteilung des Finanzreferats 59,6
Millionen Schilling zur Verfügung. Der Bund weist dafür 62,5 Millionen Schilling aus. Das bedeutet, wie
immer man das rechnet, daß das Land 2 oder 5 Millionen Schilling bei diesem Geschäft verdient hat.
Wenn im Budget nun 105 Millionen Schilling Belastung aufscheinen, so ist entsprechend demselben
Gesetz zu erwarten, daß auch hiefür wieder durch die Umsatzsteuer die Vergütung im vollen Ausmaß,
wenn nicht sogar darüber, erfolgt. Man darf daher nicht einfach behaupten, daß die Leistungen des
Landes hiefür größer geworden sind.
Die Zahlen des Schulbudgets täuschen auch nach einer dritten Richtung: Die Gesamtausgaben des
Kapitels 2 im ordentlichen und außerordentlichen Voranschlagsansatz machen 50,1 Millionen Schilling
aus. Dem stehen erstens Mehreinnahmen von 3,9 Millionen Schilling gegenüber, ferner Mehrvergütungen
des Bundes aus diesem Anteil für die Aktivitätsbezüge der Pflichtschullehrer im Betrag von 31,9 Millionen
sowie für den Zweckzuschuß zum Schulbauaufwand an Gemeinden und Gemeindeverbände 5,1
Millionen. Insgesamt macht das 50,9 Millionen Schilling aus, womit die Mehrausgaben um 815.000
Schilling überschritten werden. Das Schulreferat bekommt also eigentlich praktisch um 815.000 Schilling
weniger. So sieht die Ausweitung des Schulbudgets in Wahrheit aus.
Und nun zu einigen Debatterednern. Die Frau Kollegin Körner hat in dankenswerter Weise auf die
Bedeutung der Kindergärten und auf die Notwendigkeit ihres Ausbaues hingewiesen. Obwohl
Niederösterreich in dieser Hinsicht an der Spitze aller Bundesländer steht, muß doch gesagt werden, daß
hier noch ein großer Fedarf besteht und daß es zweckmäßig sein wird, sich darüber ein Bild zu machen,
weil dadurch sowohl Belastungen für die Gemeinden als auch für das Land entstehen. Die Gemeinden
müssen ja den Sachaufwand, das Gebäude und die Wohnung sowie ein Drittel der Kosten der
Kinderwärterin bezahlen, wogegen das Land für die Kindergärtnerin und für zwei Drittel der Kosten der
Kinderwärterin aufkommt, wozu noch der entsprechende Zuschuß aus den Mitteln des Schulbaufonds
kommt. Auch die Krippen und Horte sind Angelegenheit der Gemeinde. Die Ausspeisung zu Mittag kann
durch die Schülerausspeisung unterstützt werden, geht aber ausschließlich zu Lasten der Gemeinde.
Die Sonderschule Wiener Neustadt wurde von zwei Rednern in dankenswerter Weise besonders
hervorgehoben. Der Ausbau, so wünschenswert und notwendig er ist, hängt natürlich von der
Zustimmung des Kuratoriums ab, an dem die Länder beteiligt sind.
Wir dürfen unsere Wünsche nicht überspannen, damit es nicht zu einem Ausscheiden anderer
Bundesländer aus dem Kuratorium kommt.
Um der geschichtlichen Wahrheit die Ehre zu geben, wie Ihr Fraktionsobmann (zur ÖVP gewendet)
gesagt hat, darf ich doch bescheiden darauf hinweisen, daß der Schulbaufonds nicht erst jüngsten
Datums ist, sondern auf eine sozialistische Initiative zurückgeht. Es war der Aufforderungsantrag der Abg.
Vesely, Wondrak, Niemetz, Dr. Steingötter, Reif, Kren und Genossen aus dem Jahre 1948, auf Grund
dessen die Erhebungen vorgenommen wurden, und es war schließlich der Antrag meines Vorgängers,
des Landeshauptmannstellvertreters Popp, der die Grundzüge und damit das Wesentliche des
Schulbaufonds geschaffen hat. Nun zum Schulbaufonds selbst. Für das Jahr 1969 sind Ausgaben im
Betrag von 114 Millionen Schilling ,vorgesehen; auch das wurde bereits gesagt. Es ist erfreulich, daß von
Rednern beider Fraktionen darauf hingewiesen wurde, daß es notwendig ist, zusätzliche Mittel des
Landes beizustellen.
Ich darf hier mitteilen, daß der Herr Finanzreferent in der Vorbesprechung zum Budget eine
entsprechende Aufstockung im Nachtragsbudget zugesagt hat, was ich hier im Hohen Haus ausdrücklich
vermerke. Ich muß allerdings feststellen, daß auch die im Vorjahr zur Verfügung gestandenen Mittel,
obwohl der Beitrag des Landes fast die Hälfte des Schulbudgets erreicht hat - eine erfreuliche
Feststellung, die ich auch hier dankbar erwähne -, nicht ausgereicht haben und das Kuratorium
gezwungen war, ein Darlehen von 10 Millionen Schilling aufzunehmen. Auch heuer ergibt sich ein
Minderbetrag von 15 Millionen Schilling, der wahrscheinlich ebenfalls durch einen Kredit gedeckt werden
muß, soferne wir vom Land nicht entsprechende Mittel bekommen, was natürlich wünschenswert wäre, da
wir die Verzinsung des Kredites immerhin aus den Mitteln des Fonds tragen müßten. Im
Berufsschulwesen ist ein Trend zum Typus der Landesberufsschule festgestellt worden, der sowohl von
der Kammer als auch vom Land begrüßt wird. Weiters ist vom Finanzkontrollausscliuß auch die Frage der
Besitzverhältnisse usw. aufgeworfen worden, was jedoch keinen Grund zur Besorgnis darstellt, da die
Räumlichkeiten mit einer Schulwidmung belegt sind und daher nicht anderweitig verwendet werden
können. Es ist aber sicherlich empfehlenswert, Klarheit zu schaffen. Ich stelle anerkennend fest, daß die
Kammer für Handel und Gewerbe hier erfreulicherweise initiativ gewesen ist und mit außerordentlich
großen Mitteln zur Schaffung der Landesberufsschulen beige tragen hat. Wie bereits vom
Kammervertreter betont wurde, hat die Kammer in der letzten Zeit ihre Mittel für andere Zwecke
verwenden müssen, so daß die Landesberufsschule in Wr. Neustadt und jene in Lilienfeld ausschließlich
mit Mitteln des Landes gebaut wurden. Daraus hat sich ergeben, daß das Internat in Lilienfeld, das vom
Land allein finanziert wurde, nunmehr probeweise vom Land verwaltet wird. Die darauf entstehenden
Erfahrungen werden schließlich zu entsprechenden Regelungen führen. Diesbezügliche Verhandlungen
haben bereits mit dem Vertreter der Kammer, Herrn Kommerzialrat Hummel, stattgefunden und in
Anwesenheit des Herrn Landeshauptmannes Maurer wurden weitere Verhandlungen in Aussicht gestellt,
so daß eine baldige Bereinigung zu erwarten ist. Eine zusätzliche Belastung an Dienstposten würde sich
mit einer Übernahme durch das Land nicht ergeben, da das Erzieherpersonal bereits vom Land
vollständig entlohnt wird und eine Vermehrung nicht notwendig ist.
Nun zum Antrag über die Schulzeitregelung, der von Herrn Präsident Schoiber eingebracht wurde. Darin
wird verlangt, daß die Schulzeit in den gewerblichen und kaufmännischen Berufsschulen in der gleichen
Weise gesetzlich geregelt wird wie in den allgemeinbildenden Pflichtschulen. Daher solle in diesem Sinne
eine Anderung des Landesgesetzes vorgenommen werden. Ich darf mit Genugtuung feststellen, daß der
von meinem Referat vorgelegte und dann geänderte Entwurf ursprünglich gelautet hat: „Für die
gewerblichen und kaufmännischen Berufsschulen gelten mit Ausnahme der Bestimmungen der §§ 5 und
7 grundsätzlich dieselben Bestimmungen wie für die allgemeinbildenden Pflichtschulen.”
Ihr jetziger Antrag beinhaltet also nichts anderes als das, was ursprünglich im Referatsentwurf enthalten
war. Meine Fraktion wird daher selbstverständlich Ihrem Antrag die Zustimmung geben. Ich darf darauf
hinweisen, daß darüber hinaus noch Sonderregelungen bestehen, und zwar solcher Art, daß gewisse
Kategorien der Berufsschulen, nämlich jene für kaufmännische Lehrlinge, für Steinmetze, für das
graphische Gewerbe, für das Friseurgewerbe, für die Drogisten und für das Fleischergewerbe, zwei
Wochen vor dem 24. Dezember schulfrei haben, wodurch länger schulfrei ist als an den
allgemeinbildenden Schulen. Diese Sonderregelung kann selbstverständlich bleiben, weil sie im
Schulzeitgesetz ohnehin vorgesehen ist. (Abg. Schoiber: Diese wurde seinerzeit deswegen
vorgenommen, weil man noch keine Erfahrungen hatte!) Sie ist aber mittlerweile fixiert. Ich betone nur,
daß dies über die im Antrag gewünschte Schulzeitregelung sogar hinausgeht.
Die erfreuliche Entwicklung der Organisation des Pflichtschulwesens, die durch die Schulreorganisation,
vor allem durch die Stilllegung von 266 einklassigen Volksschulen veranlaßt wurde, wurde mehrfach
hervorgehoben. Ich darf jedoch auch hier wieder vermerken. daß bereits vor der Schulenquete 1965 32
einklassige Schulen stillgelegt wurden und es also durchaus im Interesse und auf Betreiben des
Landesschulrates und des Schulreferates hier Maßnahmen gegeben hat, die auf dieser Linie gelegen
sind. Ich verweise auch darauf, daß die Schulenquete von vornherein in allen ihren Konsequenzen unsere
volle Zustimmung gehabt hat und dass mein Parteifreund Grünzweig und ich befriedigt nach dieser
Sitzung weggegangen sind und uns gesagt haben, daß wir unter den derzeitigen gesetzlichen
Voraussetzungen aus dem Schulgesetz nicht mehr hätten herausholen können.
Nun zu dem damit zusammenhängenden Problem der Fahrtkosten. Wenn man auf dem Standpunkt steht,
daß der Besuch der Pflichtschulen unentgeltlich sein soll - ich bin der Meinung, daß er unentgeltlich sein
muß -, dann muß man von vornherein die Gleichstellung aller Schüler ohne Rücksicht auf die sozialen
Verhältnisse verlangen. Daß der sozial weniger Bedürftige mehr Steuern zahlen soll, damit die Mittel
hiefür aufgebracht werden können, ist klar und selbstverständlich.
Es ist sicher, daß der Betrag von 18 Millionen Schilling zu hoch gegriffen ist, weil er auf der
Voraussetzung beruht, daß alle derzeitigen Fahrschüler subventioniert bzw. die Fahrspesen zur Gänze
übernommen werden.
Der Betrag wird geringer: sein, weil ein zumutbarer Schulweg einfach keine Kosten verursachen dürfte,
wenn er eben zu Fuß zurückgelegt werden kann. Darüber hinaus bin ich der Meinung, daß die Tragung
der Fahrtkosten Bundessache ist. Wir haben auch Beispiele in Deutschland, wo die Schulhoheit
Kompetenz der Länder ist - Deutschland ist ja ein Bundesstaat - und es in manchen Ländern bereits so
gehandhabt wird, daß die Pflichtschüler Freifahrt haben und die Verrechnung auf der Bundesebene mit
den entsprechenden Verkehrsbetrieben erfolgt. Die erfreuliche Entwicklung des Pflichtschulwesens zeigt
sich vor allem darin, dass wir im heurigen Jahr die einklassigen Schulen um 27 vermindern konnten, die
zweiklassigen um 2, die vierklassigen mit 8 Schulstufen um 2, daß durch die Abschaffung der Oberstufe
auch die fünf- und mehrklassigen um 26 verringert werden konnten und dass dagegen die Hauptschulen
um 3 vermehrt wurden. Das ist ein bedeutender Fortschritt, der uns mit Ausnahme von Wien über alle
Bundesländer hervorhebt. Diesen fortgesetzten und erfolgreichen Bemühungen, Zwergvolksschulen
stillzulegen, steht aber die Gefahr gegenüber, daß man auf dem Gebiete der Hauptschulerrichiung in das
Gegenteil verfallen könnte. Es stehen beide Parteien auf dem Standpunkt, daß die Hauptschulen
grundsätzlich achtklassig zweizügig zu führen sind und nur in unabwendbaren Ausnahmefällen als
vierklassige Zwerghauptschulen differenziert geführt werden sollen. Ich bin da besorgt - nicht aus
persönlichen oder lokalpatriotischen Gründen - und möchte mahnen, daß man auch bei der Errichtung
von Hauptschulen rigoros -- entsprechend den Grundsätzen der Schulenquete, gemäß dem
Pflichtschulorganisationsgesetz und entsprechend weiteren neuen und unseren alten Schulprogrammen vorgehen sollte. Wir wollen nicht von engstirnigen, lokalpatriotischen Ansichten geleitet werden oder
vielleicht sogar von persönlichen Interessen, denn ich betone ausdrücklich, daß es selbstverständlich
notwendig ist, daß man manchesmal auch vierklassige Hauptschulen belassen oder errichten muß, aber
eben nur dort, wo es unumgänglich notwendig ist.
Niederösterreich kann sich auch auf dem Schulsektor keine Fehlberatungen leisten, schon aus
personaltechnischen Gründen nicht, denn trotz der oft sehr schmerzlichen Stillegung der einklassigen
Volksschulen und der Einstellung von immer mehr Lehrpersonen - das ist erfreulich, und das ist keine
Sparmaßnahme, wenn man eine Einschränkung vornehmen würde, wie Herr Landeshauptmann gesagt
haben - ist es nicht gelungen, den wirklichen Bedarf an Lehrkräften zu decken. Trotz der Überschreitung
der Klassenschülerhöchstzahlen sind 20 Klassen ohne Lehrer. 20 Klassen mußten laut Bericht des
Landesschulrates ohne Regierungsbeschluß zusätzlich zeitweise stillgelegt werden. Das steht im Bericht.
(Abg. Schoiber: Stillgelegt eigentlich nicht.) Der Personalmangel wird also auf dem Sektor des
Pflichtschulwesens in Niederösterreich auch weiterhin akut bleiben, und schon aus diesem Grunde
müssen schulorganisatorische Maßnahmen sehr planvoll vorgenommen werden. Wir werden also noch
lange an dem Mangel an Lehrkräften leiden. Die Schulreorganisation - ich glaube, das ist auch schon
gesagt worden - ist seinerzeit nur durch den Mangel an Lehrkräften erzwungen worden. (Abg. Schoiber:
Herr Landesrat, bitte mein Referat zu lesen.) Wir sind erfreut gewesen, daß diese pädagogische Wende
erfolgte. Sie ist einige Jahre vorher noch von sehr prominenten Vertretern in diesem Hause nicht geteilt
worden. Es hat noch einige sehr prominente Personen gegeben, die darauf stolz gewesen sind, daß sie
mit einer einklassigen Schulbildung Landeshauptmann geworden sind. (Abg. Stangler: Wenn einer tüchtig
ist, braucht er sich nicht zu genieren!) Ich habe interpretiert, trotz des Besuches einer einklassigen
Volksschule. Das war auch sicher die richtige Formulierung. Ich darf darauf hinweisen, daß wir schon
wesentlich früher immer wieder auf die katastrophalen Verhältnisse in der Schulorganisation in
Niederösterreich hingewiesen haben.
Es freut uns -- um wieder ein Wort Ihres Fraktionsobmannes zu gebrauchen -, dass eine Idee doch zu
einer gemeinsamen Durchführung gekommen ist, einer Durchführung, die sich, wie sich jetzt zeigt, zum
Wohle des Landes auswirkt.
Vom Herrn Präsidenten Schoiber wurde auch ein Antrag eingebracht, nämlich einen Plan mit Rücksicht
auf das Landesgesetz hinsichtlich der Schulbauten zu erstellen. Ich darf dazu feststellen, daß jährlich vom
Kuratorium ein solcher Plan erstellt wird, daß dieses den Plan überprüft und daß ein langfristiger Plan auf
Errichtung von Hauptschulen besteht. Übrigens ist über meine Anregung eine solche Konferenz erfolgt,
bei der der Hauptschulplan festgelegt wurde. Dabei wurde bestimmt, daß jährlich - Herr Kollege Stangler,
wenn das nicht stimmen sollte (Abg. Stangler: Zuviel der Ehre!), dann würde ich sagen, sich doch genau
zu erkundigen, Du würdest draufkommen, daß es stimmt – dass jährlich neben den Instandsetzungen 2
neue Hauptschulen planmäßig errichtet werden und daß dazu mehr Mittel notwendig sind, als wir bisher
zur Verfügung hatten. Wenn wir das Geld vom Land nicht bekommen, dann werden wir wieder zu
Kreditaufnahmen schreiten müssen.
Herr Präsident Schoiber hat betont, daß es nicht nur das Problem des 9. und 13. Schuljahres gibt,
sondern daß damit das Problem der höheren Schulen überhaupt zur Debatte steht - insbesondere die
Schulbildung der zehn- bis vierzehnjährigen Schüler. Die Lösung dieser Frage sollte kein
weltanschauliches oder politisches Problem sein, und vor allem dürfte auch keine vorgefaßte Meinung
herrschen. Es ist wohl klar, daß diese Probleme Bundesangelegenheit sind; daß sie uns nur am Rande
beschäftigen, kann ich nicht ganz unterstreichen. In den internationalen Auseinandersetzungen, in denen
wir jetzt stehen und in denen unsere Wirtschaft in Zukunft stehen wird, muß unsere Wirtschaft
leistungsfähig und stabil gemacht werden, Wir müssen unsere Produktion immer mehr rationalisieren.
Dazu braucht man aber nicht nur Geld und Maschinen, dazu braucht man vor allem die Menschen, die
damit umgehen können. Es ist nun eine praktische Tatsache, dass die Begabungsreserven bei den
Kindern von Freiberuflichen weit über das Maß und von öffentlichen Bediensteten voll ausgeschöpft sind,
daß aber gerade Begabungsreserven bei den Bauernkindern und Arbeiterkindern und bei Kindern der
Privatangestellten vorhanden sind, die bis heute nicht ausgeschöpft sind.
So muß man sagen, daß auch unsere jetzige Schulorganisation trotz der Schulreform 1962 mit ihren
vielen Erfolgen, die damit verbunden sind, noch immer nicht die zweckmäßigste und idealste
Schulorganisation ist - solange nicht, bis es gelingt, alle Bildungsreserven voll auszuschöpfen.
Das müssen wir schließlich tun, um nicht zu Handlangern der anderen Völker zu werden. Das
Kernproblem wird dabei die Lösung der Schulbildung der Zehn- bis Vierzehnjährigen sein, und diese
Frage der Unterstufe der höheren Schule hängt eng mit der Hauptschule zusammen.
So gesehen sind wir also nicht nur am Rande berührt. Wir werden hier moderne Lösungsmöglichkeiten
suchen müssen. Solche gibt es, solche Modelle gibt es bereits mehrfach in der Welt.
Aber eines steht fest: Die Zukunft eines Volkes wird von seiner Schule abhängen.
Und unserer Jugend die beste Schule zu schaffen, das muß den Einsatz aller möglichen Mittel und aller
unserer Kräfte wert sein. (Beifall im ganzen Haus.)
PRÄSIDENT WElSS: Das Wort zu einer kurzen Erklärung zu dieser Gruppe bekommt noch Herr Abg.
Grünzweig.
Abg. GRÜNZWEIG: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es war trotz aller Bemühungen nicht
möglich, die beiden Anträge von Thomschitz und Schoiber auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen,
weil hier ein grundsätzlicher Auffassungsunterschied besteht. Die Österreichische Volkspartei sieht die
Frage der Übernahme der Fahrschülerkosten in erster Linie im Zusammenhang mit der Reorganisation
des Pflichtschulwesens, während meine Fraktion das Gesamtproblem einer Lösung unterziehen möchte.
Meine Fraktion kann daher aus diesen Erwägungen heraus dem Antrag Schoibers nicht die Zustimmung
geben.
PRÄSIDENT WEISS: Damit ist die Rednerliste erschöpft. Der Herr Berichterstatter hat das Schlußwort.
Berichterstatter Abg. ANZENBERGER: Ich verzichte.
PRÄSIDENT WEISS: Ich bitte den Herrn Berichterstatter, nunmehr seinen Antrag zur Gruppe 2,
Schulwesen, ordentlicher und ausserordentlicher Voranschlag, zu stellen.
Berichterstatter Abg. ANZENBERGER: Hohes Haus! Ich stelle den Antrag, die Gruppe 2, Schulwesen, mit
Einnahmen im ordentlichen Voranschlag von 25,906.000 Schilling und Ausgaben von 297,756.000
Schilling sowie mit Ausgaben im außerordentlichen Voranschlag von 14,620.000 Schilling zu genehmigen.
Ich ersuche den Herrn Präsidenten, die Abstimmung zur Gruppe 2 durchzuführen.
PRÄSIDENT WEISS (nach Abstimmung über Gruppe 2, Schulwesen, ordentlicher und außerordentlicher
Voranschlag in Erfordernis und Bedeckung): Angenommen.
Ich bitte den Herrn Berichterstatter nunmehr um die Verlesung des Resolutionsantrages des Herrn Abg.
Schoiber. (Geschieht.)
(Nach Abstimmung über den Resolutionsantrag des Herrn Abg. Schoiber, betreffend gesetzgeberische
Maßnahmen zur Regelung der Klassenschülerhöchstzahl) : Angenommen.
(Nach Abstimmung über den zweiten Resolutionsantrag des Herrn Abg. Schoiber, betreffend Erstellung
eines Schulbauprogrammes): Angenommen.
(Nach Abstimmung über den dritten Resolutionsantrag des Herrn Abg. Schoiber, betreffend die Prüfung
der Angleichungsmöglichkeit des Begriffes „Schuljahr" und der Regelung der schulfreien Tage):
Angenommen.
Ich bitte um Verlesung des Resolutioiisantrages der Frau Abg. Körner in der abgeänderten Form.
(Geschieht.)
(Nach Abstimmung über den Antrag der Frau Abg. Körner, betreffend Erhebung der Zahl jener
kindergartenfähigen Kinder, die derzeit nicht betreut werden können, und Bestimmung der notwendigen
Standorte für neue Kindergärten): Angenommen.
Ich ersuche um Verlesung des weiteren Resolutionsantrages der Frau Abg. Körner. (Geschieht.)
(Nach Abstimmung über den Resolutionsantrag der Frau Abg. Körner, betreffend Schaffung einer
öffentlichen Kindergärtnerinnenbildungsanstalt in Niederösterreich): Angenommen.
Ich bitte um die Verlesung des Resolutionsantrages des Herrn Abg. Thomschitz. (Geschieht.)
(Nach Abstimmung über den Resolutionsantrag des Herrn Abg. Thomschitz, betreffend Fahrtkosten für
die Schüler der allgemeinbildenden Schulen, die öffentliche Verkehrsmittel benützen): Abgelehnt.
Ich ersuche um Verlesung des Resolutionsantrages des Herrn Abg. Schoiber. (Geschieht)
(Nach Abstimmung über den vierten Resolutionsantrag des Herrn Abg. Schoiber, betreffend die
eingehende Prüfung der Frage der finanziellen Belastung der Unterhaltspflichtigen für jene Schüler, die
auf Grund der Neuordnung des allgemeinbildenden Pflichtschulwesens zur Ermöglichung des
Schulbesuches öffentliche Verkehrsmittel benützen müssen): Angenommen.
Ich unterbreche die Beratungen über den Voranschlag des Landes Niederösterreich. Die Beratungen des
Landtages über den Voranschlag werden um 14 Uhr fortgesetzt. Die Sitzung ist unterbrochen.
(Unterbrechung der Sitzung um 12 Uhr 31 Minuten.)
DRITTER PRÄSIDENT REITER (um 14.01 Uhr) : Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf. Wir
setzen die Beratungen über den Voranschlag in der Gruppe 3 fort. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter
Abg. Anzenberger, zur Gruppe 3, Kulturwesen, ordentlicher Voranschlag und außerordentlicher
Voranschlag, zu berichten.
Berichterstatter Abg. ANZENBERGER: Hohes Haus! Ich berichte zur Gruppe 3: Die ordentlichen
Ausgaben der Gruppe 3, Kulturwesen, beinhalten die Aufwendungen für Wissenschaftspflege,
Kunstpflege, Volksbildung, Heimatpflege, Archive und sonstige in diesen Rahmen fallende Gebarungen
Sie betragen S 50,490.000,-. Ihnen stehen Einnahmen von S 270.000,- gegenüber. Das Nettoerfordernis
bei dieser Gruppe beträgt daher S 50,220.000,-. Die Ausgaben dieser Gruppe umfassen 1,51 Prozent des
Gesamtaufwandes, während sie im Vorjahr 1,50 Prozent betrugen. In dieser Gruppe zeigt sich bei den
Ausgaben eine Erhöhung um rund 5,4 Millionen Schilling, während die Einnahmen sich um 100.000
Schilling erhöhen.
Die Erhöhung der Ausgaben betrifft den Sachaufwand mit rund 4 3 Millionen Schilling, während der
Personalaufwand eine Steigerung um rund 900.000 Schilling erfährt. Neu in den Voranschlag
aufgenommen wurden die Voranschlagsansätze betreffend das Landesmuseum für Urgeschichte in
Asparn a. d. Zaya mit einem Gesamtkredit von 594.000 Schilling, Voranschlagsansatz 31 19-66,
Errichtung der niederösterreichischen Gemäldegalerie in Schloß Friedau mit einem Betrag voll 200.000
Schilling, Voranschlagsansatz 3129-63, Landesbeitrag für das Institut für Realienkunde der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Krems mit 150.000 S, Landesausstellurigen mit
200.000 Schilling sowie Aufwendungen aus den Ertragsanteilen an Kunstförderungsbeitrag mit 2,5
Millionen Schilling. Eine größere Krediterhöhung erfolgte bei Voranschlagsansatz 326-62 - Zuschuß an
das Nö. Tonkünstlerorchester – mit 1,3 Millionen Schilling und bei 39-61 - Aufwendungen aus dem
Fernsehschilling – mit 1 Million Schilling.
Die außerordentlichen Ausgaben der Gruppe 3 sind mit 800.000 Schilling veranschlagt.
Ich ersuche den Herrn Präsidenten, die Verhandlungen zur Gruppe 3 einzuleiten.
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Zum Wort gelangt Herr Abg. Grünzweig.
Abg. GRÜNZWEIG: Hohes Haus! Wenn man den Tätigkeitsbericht der Abt. III/2, also des Kulturreferates
der Nö. Landesregierung, für das Jahr 1968 ansieht, so ist man von der Fülle der Leistungen, die hier zum
Ausdruck kommen, beeindruckt. Diesen Eindruck hat man aber auch, wen man das ganze Jahr über die
intensive Tätigkeit, die in der Öffentlichkeit sichtbar wird, verfolgt, und man wundert sich oft, mit welch
geringen Mitteln diese Leistungen erzielt werden. Es ist daher Gepflogenheit, aus diesem Anlaß immer
wieder die geringe Dotierung des Kulturbudgets zu beklagen, die so wie im Vorjahr auch heuer wieder mit
13 Prozent des ordentlichen Voranschlages aufscheint. Beim jeweiligen Rechnungsabschluß ist der
Prozentsatz noch geringer. Der Herr Landesrat Ludwig hat in der Finanzausschußdebatte die Feststellung
gemacht, daß es sich in dieser Gruppe nicht um Pflichtausgaben des Landes, die auf Grund von
gesetzlichen Bindungen dem Land auferlegt sind, handelt, sondern lediglich um Förderungsausgaben. Er
hat aber hinzugefügt, daß das Land dieses Problem deswegen nicht weniger ernst nehmen darf und
gerade die Anliegen der Kultur und ihrer Förderung dem Land sehr viel zu bedeuten haben. Diese
Feststellung hat sicher sehr wohltuend geklungen, steht aber im Widerspruch zu den tatsächlichen
Zahlen, die für die Gruppe 3 vorgesehen sind. Wir brauchen nämlich nicht hoffen, dass sich an diesen
1,51 Prozent Wesentliches ändert. Zirka 800.000 Schilling sind auch im außerordentlichen Voranschlag
veranschlagt.
Es ist nicht üblich, daß wesentliche Erhöhungen etwa in einem Nachtragsbudget erfolgen, so daß es
wahrscheinlich bei der Erhöhung von 45 auf 50,5 Millionen Schilling bleiben wird; das sind insgesamt 0,15
Prozent in der Relation zum Gesamtbudget. Wenn Sie sich auf diesem Gebiet zurückerinnern, ist zu
erkennen, daß die Zahlenverhältnisse im wesentlichen versteinert sind. Wir müssen mit aller Deutlichkeit
feststellen, daß es bei dieser Versteinerung des Kulturbudgets auf die Dauer nicht bleiben kann, noch
dazu, wenn man die Relationen zu den anderen Bundesländern betrachtet. So hat z. B. die Steiermark in
ihrem Budget derzeit 85 Millionen Schilling für kulturelle Zwecke vorgesehen. Wir können die geringe
Dotierung des kulturellen Lebens in Niederösterreich auf Sicht gesehen nicht in dieser Form hinnehmen.
Dies gilt vor allem für zwei Bereiche, mit denen ich mich beschäftigen will und an denen ich sehr sinnfällig
diese Behauptung erläutern möchte. Es handelt sich um die Frage des Theaters und der Volksbildung.
Wenn man die Tätigkeit der beiden Stadttheater Baden und St. Pölten im laufenden Jahr betrachtet, so
stellt man im ersteren Fall eine beträchtliche Aktivität fest. Die Tätigkeit des Badner Stadttheaters umfaßte
in der Winterspielzeit 1967/68 20 Premieren und 111 Wiederholungen, bei denen 42.500 Besucher
verzeichnet werden konnten. Diese Tätigkeit wurde durch die wegen Umbau erfolgte Stillegung des St.
Pöltner Stadttheaters in eine Gastspielstätte für St. Pölten ausgedehnt und intensiviert. Das Badner
Stadttheater besitzt derzeit ein Operettenensemble und ein Schauspielensemble. Für Opernaufführungen
hat die Direktion das Opernstudio der Wiener Volksoper verpflichtet. Darüber hinaus finden im Sommer im
Baden bekanntlich Operettenaufführungen in der Sommerarena statt, die sich eines regen Zuspruches
erfreuen. Im heurigen Sommer wurden insgesamt 62 Operetten aufgeführt, bei denen 36.000 Personen
gezählt werden konnten. Das entspricht einer durchschnittlichen Besucherfrequenz von 88 Prozent, was
heutzutage für ein Theater sehr beträchtlich erscheint. Das Land hat dem Stadttheater Baden einen
Betrag von 2,5 Millionen Schilling als Subvention zur Verfügung gestellt, mit dem es aber nicht auskommt,
so daß darüber hinaus infolge der Verpflichtung von Solisten sowie der Erhöhung der Löhne für Chor und
Orchester eine zusatzliche Subvention von 500.000 Schilling notwendig war. Auch im kommenden Jahr
wird man mit diesen Beträgen, was heute schon feststeht, nicht das Auslangen finden können.
In St. Pölten liegen die Dinge so, daß das Theater derzeit gesperrt ist, weil es sich in Umbau befindet. Die
Bühne, der Zuschauerraum, aber auch die Probe- und Depoträume werden von Grund auf restauriert.
Hiefür ist ein Kostenvoranschlag von 20 Millionen erstellt worden. Niederösterreich soll dafür in
Jahresraten insgesamt 6,J Millionen Schilling vorsehen. Im ablaufenden Jahr wurde der Betrag von 1,5
Millionen Schilling gegeben. Die Vorarbeiten für die Inbetriebnahme des St. Pöltner Stadttheaters sind
bereits im Gange.
In diesem Zusammenhang möchte ich gleichzeitig einige Bemerkungen zur Konstruktion der Theater in
Niederösterreich machen. Es besteht eine alte Forderung nach einer niederösterreichischen
Landesbühne, und gerade jetzt wäre die Gelegenheit gekommen, diese Forderung im Zusammenhang mit
der Inbetriebnahme des Theaters in St. Pölten zu realisieren.
Niederösterreich weist unter allen Bundesländern die niedrigsten Beträge für die Förderung des
Theaterwesens auf. Wir geben 4 Millionen Schilling pro Jahr aus, die Steiermark 23,5 Millionen Schilling.
Ich habe mir im Zusammenhang mit dem Abgang der Bundestheater im kommenden Jahr bzw. in den
Vorjahren nur eine einzelne Zahl herausgenommen. In den Bundestheatern soll es im kommenden Jahr
480 Millionen Schilling Ausgaben und 128 Millionen Schilling Einnahmen geben; das ergibt einen
Gesamtabgang von 352 Millionen Schilling. Im Jahre 1968 waren es 314 Millionen Schilling, und im
Rechnungsabschluß für das Jahr 1967 sind es 329 Millionen Schilling. Es geht mir jetzt nicht darum, die
Frage aufzuwerfen, ob die Relation hier stimmt, ob man es verantworten kann, für das Theaterwesen
diese Summen auszugeben im Verhältnis zu den übrigen Kulturbelangen und zum Bildungswesen. Das
ist nicht meine Aufgabe. Es geht mir nur darum, Ihnen nachzuweisen, um welche Summen es sich bei der
Förderung des Theaterwesens handelt und wo Niederösterreich mit seinen 4 Millionen Schilling steht. Es
muß daher zwangsläufig angenommen werden, das das, was in Niederösterreich geschieht, auf Kosten
der Qualität geht. Mit derart niedrigen Beträgen kann einfach ein Theater mit der Konkurrenz, mit den von
mir zitierten Bühnen, nicht bestehen. Der Sog von Wien, der Sog der Bundestheater ist sehr stark; und die
Theater in St. Pölten und in Baden liegen im Einzugsbereich und haben sich gegen diese Konkurrenz
durchzusetzen. Es besteht die eminente Gefahr, daß das Theaterwesen in Niederösterreich in den
Provinzialismus versinkt, und man kann sagen, daß dieser mit der Zeit auch zum „Fördern" zu schade ist.
Ich sage das mit aller Klarheit und Deutlichkeit, weil wir eines Tages auf dem Gebiete des Theaterwesens
einen Punkt erreichen werden, wo man sich überlegen wird müssen, ob man in dieser Form
weitermachen kann.
Seit 1961 werden über die Theater Verhandlungen geführt. Nun hat sich im Zusammenhang mit der
Fertigstellung des St. Pöltner Stadttheaters die Situation ergeben, Verhandlungen über den
Zusammenschluß, über die Schaffung eines gemeinsamen Landestheaters zu führen. In der Zwischenzeit
wurde allerdings veranlaßt, daß der Betrieb in St. Pölten im kommenden Herbst aufgenommen werden
kann, Es wurde ein Direktor bestellt, und es werden bereits wieder die Kräfte aufgenommen mit dem
Schwerpunkt zum Operetten- und zum Sprechensemble. Damit sind leider aber auch die Verhandlungen,
die auf diesem Gebiete eingeleitet wurden, zunächst zum Scheitern verurteilt. Die ideale Lösung, die auf
der Hand liegt, wäre wohl die Schaffung eines gemeinsamen Landestheaters unter Führung eines
Kuratoriums mit einem gemeinsamen Intendanten, welches aus 2 Ensembles bestünde, einem
Sprechensemble und einem Musiktheater. Wie gesagt, ein Intendant wäre für diesen Betrieb dann
verantwortlich. Diese Lösung ist aber praktisch an dem Problem des Standortes dieser Theatergattungen
gescheitert.
Auch die Frage der Gründung einer Arbeitsgemeinschaft für beide Stadttheater mit dem Ziele, eine
Arbeitsteilung und Spielplanänderung herbeizuführen, konnte nicht gelöst werden, da es auch hiebei
notwendig wäre, an einem Standort die Sprechbühne und an einem anderen Standort das Musiktheater
zu situieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Tonkünstlerorchester ist sicherlich nicht billig. Wir geben
dafür heuer 10 Millionen Schilling aus, Hier wird aber eine Spitzenleistung geboten, und deshalb sind die
Ausgaben gerechtfertigt. Für ein gemeinsames Landestheater, welches man auf diese Ebene stellen
könnte, müßte ein vielfaches der jetzigen Subventionen aufgewendet werden. Bei geschickter Führung
glaube ich, daß man den Mehraufwand für dieses gemeinsame Landestheater vertreten könnte. Dieses
gemeinsame Ensemble, über dessen Führung, dessen Bezahlung und finanzielle Fundierung man reden
müßte, könnte auch den Grundstock für die Schauspieler abgeben, die den niederösterreichischen
Festspielsommer mitgestalten sollten.
Damit könnte man diese Schauspieler, um sie voll auszulasten, als Grundstock – ergänzt durch die
verschiedensten Solisten aus den verschiedenen Bereichen - den festspielveranstaltenden Gemeinden
zur Verfügung stellen, etwa als lebende Subvention. Man könnte hier aber auch eine andere Lösung
finden.
Ich möchte in diesem Zusammenhang einige Worte über den Festspielsommer sagen. Auch da ist so
manches problematisch, das man aber ruhig aussprechen sollte. An der Spitze – ich habe es schon
erwähnt - steht durchaus Baden mit seiner aktiven Festspielsaison. Die Melker Festspiele dauerten im
vergangenen Jahr vom 6. Juli bis 11. August, und sie hatten ein Stück von Ferdinand Raimund mit 12
Vorstellungen auf dem Programm. 11 Vorstellungen wurden durchgeführt, die 12, fiel dem Schlechtwetter
zum Opfer. Es wurden 5.500 Besucher gezählt, und das ergibt eine Auslastung von 54,4 Prozent. Sie
sehen hier ein wesentliches Absinken der Frequenz. Die Festspiele in Stockerau dauerten vom 2. bis 31.
August. Es wurde „Was Ihr wollt" in 14 Vorstellungen gespielt, von denen 2 wegen Schlechtwetters
abgesagt werden mußten. Es ergab sich eine Gesamtbesucherzahl von fast 3.000, das sind 46,2 Prozent.
Bei den Sommerspielen in Carnuntum wurde „Plautus" aufgeführt. Von 14 geplanten Vorstellungen
wurden 13 absolviert, mit 1.510 Besuchern und einer Frequenz von 46,4 Prozent. Schließlich wurde bei
den Schloßhofspielen in Waidhofen/Ybbs ein Nestroy-Stück aufgeführt. Die Veranstaltung dauerte vom
26. Juli bis 14. August. Es waren 12 Veranstaltungen vorgesehen. 5 Veranstaltungen mußten wegen
Schlechtwetters abgesagt werden. Es ergab sich eine Gesamtbesucherzahl von 1.036, was einem
durchschnittlichen Besuch von 31,8 Prozent entspricht.
Wir haben uns im Finanzausschuß über die Frage der Veranstaltung von Sommerspielen, von
Festspielen, wie man sie manchmal nennt, unterhalten. Auch hier müßte man, glaube ich, ein offenes
Wort sagen, denn das Wort ,,Festspiele" müßte den besonderen Klang behalten, den es im Wortgebrauch
hat. Ich denke, dass es gut wäre, wenn sich auch die Vertreter der Gemeinden mit dieser Frage befassen
würden und in ihrem Kreis abklärten, was als Festspiele zu bezeichnen wäre und was man
Sommerspiele, etwa als Laienspielaufführungen und dergleichen, benennen sollte. Dies sollte geschehen,
damit die kulturelle Potenz, die Niederösterreich zu bieten hat, doch repräsentativer zum Ausdruck
kommt, als das vielleicht da und dort der Fall ist. Ich möchte keiner einzigen Veranstaltung ihre
Berechtigung absprechen und möchte vor allem ihre Bedeutung für den Fremdenverkehr ganz besonders
unterstreichen, doch sollte man Versuche, die nicht auf dieser Linie sind, zwar nicht unterbinden, aber
daraufhin überprüfen, ob nicht eine zu breit gestreute Subventionierung aller dieser Bestrebungen die
Qualität beeinträchtigt, damit Niederösterreich mit seinen kulturellen Bemühungen doch einigermaßen
repräsentativ neben den anderen Bundesländern stehen kann.
Das zweite Problem, das ich angedeutet habe und von dem ich der Auffassung bin, daß es ebenfalls
stiefmütterlich behandelt wird - und nicht im Landesbudget allein -, ist die Volksbildung. Ich möchte heute
keinen Rechenschaftsbericht einer Volksbildungsorganisation geben, sondern auch hier nur ein paar
grundsätzliche Bemerkungen machen.
Im Zusammenhang mit den schon im Vorjahr erfolgten Kürzungen beim Kapitel „Erwachsenenbildung"
des Unterrichtsbudgets wurde ein Resolutionsantrag gestellt, der vom Haus angenommen wurde. Er hatte
zum Inhalt, daß die Bundesregierung Vorsorge treffen soll, die Volksbildung gesetzlich zu fördern und die
Finanzierung entsprechend zu sichern.
Der Antrag - ich habe es schon gesagt - fand die Zustimmung des Hauses, aber damit scheint die Sache
erledigt zu sein. Bisher ist auf dem Gebiet nichts geschehen. Ich hoffe - ich nehme es an -, daß der Antrag
wenigstens den Weg vom Minoritenplatz zum Ballhausplatz gefunden hat. Es ist aber mir persönlich
nichts von irgendeiner Reaktion der Hohen Bundesregierung bekannt, und es existiert auch meines
Wissens nach keine Vorlage, die diese materielle Sicherung der Volksbildung zum Ziele hat.
Ich stelle das heute mit so großem Bedauern fest, weil in dem Bundesbudget, das jetzt zur Debatte steht,
wieder eine 20prozentige Kürzung der Beträge für die Volksbildung vorgesehen ist. Während im Vorjahr
durch ein Eventualbudget des Bundes gewisse Ergänzungen in Form von Sachleistungen vorgenommen
werden konnten, die der Bund der Erwachsenenbildung zur Verfügung gestellt hat - die einzelnen
Verbände konnten für ihre Zwecke Apparate österreichischer Erzeugung kaufen -, ist diese Möglichkeit
heuer nicht vorgesehen, so daß sich diese 20prozentige Kürzung echt auswirkt. Da diese 20prozentige
Kürzung zweimal vorgesehen ist und die Budgets eine jährliche Steigerung von 8 bis 10 Prozent
aufweisen, bedeutet das, dass die Volksbildung, aber nebenbei gesagt auch die Sportförderung, um 40
Prozent hinter den übrigen Ausgaben, hinter den übrigen Aufwendungen zurückgeblieben sind. Daß man
unter solchen Umständen nicht einen gleichbleibenden Leistungsstand auf diesem Gebiet halten kann,
das werden Sie verstehen.
Ich sehe mich daher veranlaßt, den im Vorjahr gestellten Antrag heute zu wiederholen, in der Erwartung,
daß es ein kleines Steinchen ist, das dazu beitragen soll, der Volksbildung wieder eine bessere
Fundamentierung in materieller Hinsicht zu geben Der Antrag lautet (liest):
„Die Landesregierung wird neuerlich aufgefordert, bei der Bundesregierung, insbesondere beim
Bundesministerium für Unterricht, vorstellig zu werden und dahin zu wirken, daß bis zur
kompetenzmäßigen Regelung des Volksbildungswesens dem Nationalrat ehestens der Entwurf eines
Volksbildungsfinanzierungsgesetzes zur Beratung und Beschlußfassung vorgelegt wird, durch welches
die Finanzierung des Volksbildungswesens auf eine legale Grundlage gestellt werden soll, wobei die für
das Volksbildungswesen vorgesehenen Mittel mindestens in der bisherigen Höhe weitergewährt werden
sollen".
Ein paar Sätze zur rechtlichen Situation auf diesem Gebiet. Es gibt seit dem Jahre 1947 verschiedene
Entwürfe über die Regelung dieser Materie. Im Artikel 14 der Bundesverfassung wurde bekanntlich jener
Teil verwirklicht, der die Schulgesetzgebung betrifft, und die Volksbildung wurde ausdrücklich
ausgeklammert. Das Leben ist aber in der Zwischenzeit seit Erlassung der Bundesverfassung
weitergegangen. Es hat eine Volksbildung gegeben, obwohl sie nicht gesetzlich geregelt war, und es gibt
sie heute. und es gibt sogar beachtenswerte Aktivitäten auf diesem Gebiet.
Das ist dank der Initiative und auch der Aufgeschlossenheit der einzelnen Gebietskörperschaften, der
Gemeinden, aber auch der Länder, möglich gewesen. Auch der Bund hat einen Teil an Förderungsmitteln
beigesteuert.
Es ist klar, daß vor allem die Länder von einer solchen gesetzlichen, kompetenzmäßigen Regelung, die
also durch die Verfassung erfolgen müßte, in erster Linie befürchten, dass ihnen all das, was sie auf dem
Gebiete der Volksbildung an Investitionen getätigt haben - ich verschweige nicht, daß auf diesem Gebiet
besonders Wien sehr hohe Beträge investiert hat .-, unter Umständen genommen werden könnte. Die
Schwierigkeit ist, dass hier erst kompetenzmäßige Regelungen gefunden werden müssen, die die
Interessen der Länder mit jenen des Bundes in Einklang bringen.
Daher glaubt man, daß es leichter wäre zunächst ein sogenanntes Volksbildungsfinanzierungsgesetz zu
schaffen, als eine Gesamtregelung dieser Materie auf Bundesebene, etwa in Form eines
Volksbildungsorganisationsgesetzes oder eines Volksbildungsgesetzes, vorzunehmen. Letzteres hätte,
wie schon gesagt, zunächst eine Kompetenzverteilungsregelung zur Voraussetzung.
Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich noch ein paar Sätze über die Notwendigkeit der
Erwachsenenbildung sagen, weil ich glaube, daß wir dieses Problem oft nicht mit der notwendigen
Deutlichkeit sehen, mit der es sich uns stellt.
Bildung ist ein immerwährender Prozeß, in dem es keine Lücke, kein Vakuum geben darf. Zwar stellt die
Schule in diesem Bildungsprozeß einen ausgesprochenen Schwerpunkt dar, aber es muß auch eine
nachschulische geistige Betreuung erfolgen. Dieser Aufgabe hat sich in erster Linie eben der Staat, die
öffentliche Hand zu unterziehen.
Ich glaube, daß es verfehlt wäre, wenn wir aus Faszination etwa vor den Massenmedien, die heute in
weiten Bereichen des Bildungswesens dominieren, diese wichtige Bildungsfunktion, die den
Organisationen und Institutionen der Erwachsenenbildung obliegt, heute nicht erkennen wollten. Es geht
dabei nicht nur - so wichtig sie ist - um die Berufsweiterbildung. Auf diesem Gebiet gibt es eine ganze
Reihe von Institutionen, die mithelfen.
Ein Redner hat das am Vormittag schon ausgeführt. Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, das
Wirtschaftsförderungsinstitut, das Berufsförderungsinstitut, die Arbeiterkammern, die Gewerkschaften, alle
nehmen sich in einer Zeit der sich ständig ändernden Berufswelt der Berufsweiterbildung, der
Berufsumschulung an.
Die Erwachsenenbildung hat in erster Linie eine Ergänzungsfunktion. Sie hat dort mitzuhelfen, wo etwa
die Dinge nicht so geschehen, wie es sein sollte, Im Zentrum der Bemühungen der Erwachsenenbildung
steht die Hebung der Allgemeinbildung und, wenn Sie wollen, die Hinführung des Menschen zu jenen
Dingen, die für den Menschen notwendig sind, damit er Mensch sein kann: zum Schönen, zum
Ästhetischen, aber auch zum sozialen, zum gesellschaftlichen Leben.
Es ist also vor allen Dingen auch die mitbürgerliche Information, die Diskussion eine legitime Aufgabe der
Volksbildung. Dadurch wird die heutige Erwachsenenbildung zur neutralen Stätte der Diskussion, in der
sich Menschen verschiedener weltanschaulicher, parteipolitischer Richtungen finden und miteinander
sprechen können. Die ungesicherte Situation der Erwachsenenbildung ist auch noch aus einem zweiten
Grund bedenklich, meine Damen und Herren. Die Herabsetzung der täglichen und wöchentIichen
Arbeitszeit sowie die Herabsetzung des Pensionsalters im Zusammenhang mit der höheren
Lebenserwartung der Menschen macht in unserer modernen ldustriegesellschaft die Frage der Freizeit
zum Problem Nr. 1. Wir hören jetzt wieder von den Bemühungen um die Einführung der 40-StundenWoche. Ich glaube, daß diese Bemühungen korrespondieren müssen mit vielfältigen und größeren
Aktivitäten für eine sinnvolle Gestaltung dieser vermehrten Freizeit. Es kann das Freizeitverhalten des
einzelnen Menschen der Gemeinschaft nicht gleichgültig sein, weil sich ja der Mißbrauch der Freizeit eben
für diese Gemeinschaft so schädlich auswirkt. Ob das nun im Alkohol begründet ist, ob das die
Bandenbildung bei Jugendlichen betrifft - alle diese Fragen sind für die Gemeinschaft von eminenter
Bedeutung. Bildung ist daher nicht nur für die Arbeitswelt wesentlich, sondern in vermehrtem Ausmaß für
die Freizeit. Der Bildungswert der Freizeit wird mit zunehmender Automation, mit zunehmendem
Überflüssigwerden der manuellen Arbeit eines Tages jenen der Arbeitszeit wesentlich überschreiten. Ich
glaube, daß wir nicht von einer Verpädagogisierung dieser Freizeitgestaltung nicht von irgendeinem
Zwang zu diesen Freizeittätigkeiten reden sollen, sondern es wird entscheidend sein, mit einem möglichst
attraktiven Angebot von Freizeitmöglichkeiten in Konkurrenz zum Freizeitkommerz zu treten. Diese
Konkurrenz darf die Erwachsenenbildung nicht scheuen, wenngleich – hier komme ich gleich wieder auf
den Boden, wenn man das so sagen darf - die Frage nicht nur die Erwachsenenbildung betrifft, sondern
weit darüber hinausreicht in viele andere gesellschaftliche Bereiche unserer Zeit. Daß man aber nun der
Erwachsenenbildung, die eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hat, von dem wenigen, das sie bisher gehabt
hat, noch etwas streicht, das scheint mir geradezu unverantwortlich zu sein. Es zeigt auch, daß man sich
an höchster Stelle über diese Problematik nicht ganz im klaren ist. Ich darf hier die Ausführungen des
Herrn Bundesministers für Unterricht auf einer Tagung in Krems zitieren, der sich dort allen
Bildungsfragen gegenüber durchaus aufgeschlossen geäußert hat, aber doch erklärte, daß die Frage der
Erwachsenenbildung gegenüber der Heranbildung der Jugend zurückstehen müßte. Hiezu muß ich aber
sagen, daß in meinem Herzen durchaus zwei Seelen wohnen. Ich bin sowohl auf dem Gebiete der
Erwachsenenbildung als auch der Jugendbildung tätig. Ich meine aber, daß man hier keine Wertigkeit
anstellen könnte etwa in dem Sinn, daß man die dringenden Aufgaben, die es auf diesem Gebiete gibt,
zugunsten anderer ebenso wichtiger zurückstellen kann.
Ich darf Ihnen also noch einmal diesen Resolutionsantrag, den ich in der Mitte meiner Ausführungen
gebracht habe, ans Herz legen und Sie ersuchen, ihn nur als ganz bescheidenen Versuch aufzufassen.
Ich bin überzeugt, daß damit erst ein kleiner Teil zur Lösung dieser Problematik, die Dinge auf diesem
Gebiet etwas voranzutreiben, geleistet wurde. (Beifall bei der SPÖ.)
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Zum Wort gelangt Herr Abg. Präsident Schoiber.
Abg. SCHOIBER: Herr Präsident! Hohes Haus! Der Landesvoranschlag für das Jahr 1969 sieht, so wie in
den vergangenen Jahren, zur Unterstützung der besonderen Anliegen der Volksbildung einen
Förderungsbetrag von 1 Million Schilling vor - ein Betrag, der im Hinblick auf die Aufgabenstellung
zweifellos relativ gering ist, denn der Volksbildung, der Erwachsenenbildung kommt in unserer Zeit ja eine
ganz große Bedeutung zu. Immer mehr werden sich alle verantwortlichen Faktoren der freien Welt und
alle wirklich fortschrittlichen Kreise der Wichtigkeit der Erwachsenenbildung auch für das Funktionieren
eines demokratischen Gemeinwesens bewußt. Die Erwachsenenbildung ist ein Teil des Bildungssystems
in jedem Staate. Diese Feststellung der UNESCO muß und soll auch für Österreich in vollem Ausmaß
gelten. Darum schließe ich mich vollinhaltlich den Ausführungen meines Vorredners an, der die
gesetzliche Regelung dieser Erwachsenenbildung wieder urgiert hat. Die Schule hat neben der
selbstverständlichen Aufgabe der Vorbereitung unserer Jugend in Richtung auf die Erfordernisse des
künftigen Lebens auch die Grundlagen für die lebendige Weiterbildung zu legen. Die Erwachsenenbildung
soll auf diesen Grundlagen weiter aufbauen. Zwei Aufgaben sind es im wesentlichen, die die Volksbildung
zu erfüllen hat. Sie soll die lebendige Bildung sichern, die über die Schule hinausführt, das ganze Leben
hindurch wirksam bleiben soll und so ein dauerndes geistiges Wachsen des Menschen ermöglicht. Sie
soll aber auch den jeweiligen Notwendigkeiten des wechselnden geistigen, kulturellen und wirtschaftlichen
Lebens entsprechen, also das geben, was die Schulbildung für die Zukunft nicht vorbereiten konnte.
Diese Aufgabe leistet eine Reihe von Volksbildungseinrichtungen. Die Volkshochschulen bieten Jahr für
Jahr ein mehr .der städtischen Bevölkerung und der in größeren Orten siedelnden Bevölkerung
angemessenes Fortbildungsprogramm in reicher Auswahl, Wenn wir uns den Tätigkeitsbericht ansehen,
können wir erkennen, daß sowohl die Zahl der Veranstaltungen als auch die Zahl der Einzelvorträge, der
Exkursionen, der Reisen ständig im Steigen begriffen ist. Das Bildungs- und Heimatwerk Niederösterreich
erfüllt die gleiche Aufgabe für die im ländlichen Raum siedelnde Bevölkerung durch ein äußerst vielseitig
aufgestelltes Bildungsprogramm. In den Bildungsheimen wird eine rege Kurstätigkeit entfaltet, und die
Volksbüchereien bergen in ihren Büchern Schätze, die sowohl für die persönliche Erbauung und Bildung
als auch für die Wissensbereicherung dienlich sind. Es ist sehr erfreulich, daß alle diese Einrichtungen in
unserem Bundesland eine sehr rege Tätigkeit entfalten, jährlich mit erlesenen, gut überdachten und
ausgewogenen Programmen vor die Öffentlichkeit treten und so unserer Bevölkerung ein relativ
vielgestaltiges Programm und Angebot zur Auswahl anbieten.
Eine besondere Rolle in diesem Gesamtangebot an Bildungsmöglichkeiten spielen die Volksbüchereien.
Die Bildung, die aus dem Buch zu gewinnen ist, ist deshalb so wirksam, weil sie sich nicht aufdrängt,
sondern Ergebnis der freien Auswahl durch den Leser ist. Der Leser nimmt sich, was ihm entspricht und
was er will - und das im Gefühl freiwilliger Selbsttätigkeit. Deshalb sind auch Bücher so bestimmend für
die spätere Entwicklung des Menschen. Es ist daher doppelt begrüßenswert, daß gerade auf diesem
Sektor neben der Subventionierung der Volkshochschulen und Heimatwerke dem Büchereiwesen eine
besondere Beachtung geschenkt wird.
Wenn daher in diesem Jahr wieder eine Reihe von neuen Büchereien eingerichtet werden konnte, wie in
Horn, Lichtenwörth und Gerasdorf, wenn Subventionen zum Ankauf von Büchern für bestehende
Büchereien und zu deren Modernisierung gegeben werden konnten, ist dies äußerst begrüßenswert.
Büchereien wurden erweitert und modernisiert in Waidhofen/Ybbs, Puchenstuben, Hollabrunn und
Perchtoldsdorf; ich glaube, die Reihe ist aber nicht vollständig. Ganz besonders wertvoll ist auch die
Unterstützung durch die Wanderbüchereien des Bundesstaatlichen Volksbildungsreferenten für
Niederösterreich. Dadurch wird es auch den kleinen Orten möglich gemacht, eine moderne, gut
ausgestattete Bücherei der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen, wodurch wieder das Interesse am
Lesen und am guten Buch gefördert wird. In diesen zahlreichen Einrichtungen, die Volksbildungszwecken
dienen, sind viele Frauen und Männer verdienstvoll tätig. Sie opfern ihre Zeit und geben ihre Arbeitskraft
für ein äußerst wichtiges und für die Allgemeinheit bedeutsames Anliegen: Sie sind als Organisatoren, als
Lehrer, als Büchereiwarte und in vielen anderen Stellungen tätig und erfüllen so eine freiwillige Aufgabe
von allergrößter Bedeutug. Es ist daher nicht nur eine Selbstverständlichkeit, daß seitens des Landes
Niederösterreich die volksbildnerischen Bestrebungen finanziell unterstützt werden, es soll auch den
Mitarbeitern herzlicher Dank gesagt werden, oll jenen, die erst diese Einrichtungen mit Leben erfüllen,
zeitgemäß gestalten und somit das Interesse weiter Kreise erwecken. Es muß daher unser gemeinsamer
Wunsch sein, daß allen Einrichtungen der Volksbildung eine recht gute weitere Entwicklung beschieden
sei, damit sie mithelfen, ein Menschenbild zu formen und zu schaffen, das durch Freiheit, Würde und
echte Humanität gekennzeichnet ist.
Ich darf an diesen Wunsch die Hoffnung knüpfen, daß baldmöglichst durch Erhöhung der Ansatzposten
des Budgets die Bedeutung der Volksbildung unterstrichen wird und die Wirkungsmöglichkeit wesentlich
verstärkt werden kann. (Beifall im ganzen Hause.)
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Zum Worte gelangt Herr Abg. Stangl.
Abg. STANGL: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wenn meine beiden Vorredner
sich mit grundsätzlichen Fragen des Gesamtkomplexes der Erwachsenenbildung bzw. der kulturellen
Einrichtung unseres Heimatlandes beschäftigt haben, lassen Sie mich doch in einige Detailgebiete
eingehen und über deren Schwierigkeiten, Notwendigkeiten, aber auch Möglichkeiten und Erfolge einige
Bemerkungen machen. Wir finden, im Voranschlag des Landes Niederösterreich für das Jahr 1969 als
neu aufgenommene Ansatzpost die Nummer 31-18 unter dem Titel „Frühgeschichtliches Museum in
Asparn an der Zaya.” Dieser Voranschlagsansatz sagt uns rein rechnerisch und in den Erläuterungen,
daß es nun endlich so weit ist, daß die Errichtung, die Adaptierung bzw. die innere Ausgestaltung der
Schauräume im Jahre 1969 abgeschlossen werden kann. Damit, glaube ich, geht ein lang gehegter
Wunsch, vor allem nicht nur der sich um die Kultur und das Museumswesen in Niederösterreich
bemühenden Personen, sondern auch derjenigen, die sich mit Frühgeschichte in privater oder auch
beruflicher Hinsicht beschäftigen, in Erfüllung; ein Wunsch vor allem aber auch der Bevölkerung dieses
Bezirkes. Ich hatte im Vorjahr die Ehre, über die Problematik, aber auch über die Forderungen in diesen
Belangen zu sprechen. Ich habe damals deshalb Kritik geübt, weil die Baulichkeiten schon vor einem Jahr
fertiggestellt worden sind und ich es damals für unverständlich gefunden habe, dass man den hiezu
notwendigen Betrag für die Einrichtung und Ausgestaltung der Schauräume nicht vorgesehen hatte. Ich
habe aber auch Kritik geübt - und diese wäre heute wieder berechtigt - an der langen Zeit, die dieses
Projekt benötigt hat, nämlich fast sieben Jahre. Ich darf heute mit Freude feststellen, dass der Verein für
1969 die finanziellen Bedingungen erreicht hat, so daß die Arbeiten insgesamt abgeschlossen werden
können; der Eröffnung dieser bedeutenden Stätte in diesem Jahr werden keine größeren Schwierigkeiten
mehr entgegenstehen. Ich habe absichtlich den Ausdruck „bedeutende Stätte“ keine weitere Beifügung
vorgesetzt. Es ist für uns Niederösterreicher meiner Meinung nach doch eine Befriedigung, wenn wir
feststellen können, daß mit dem Freilichtmuseum in Asparn an der Zaya ein Unikat im mitteleuropäischen
Raum geschaffen werden konnte. Die Schauräume sollen in drei große Abteilungen geteilt werden, die
wieder etwa die Themen „Unsere Welt vor der Menschheitsgeschichte”, „Menschen bis zur heutigen
vielrassigen Gliederung’‘ und „Zeitepochen bis zu den Römern” behandeln. Dadurch ist nicht nur eine
kulturhistorische, sondern auch eine pädagogische Bedeutung gegeben. Ich darf erwähnen, dass dem
Gesamtkomplex auch eine Forschungsstätte, also ein Institut über den Zeitraum der Frühgeschichte,
angehören wird. Damit wird auf einem Boden, der nachweisbar seit der Jungsteinzeit ununterbrochen
besiedelt ist, eine historisch wertvolle und bedeutende Stätte geschaffen. Neben diesen Aspekten müssen
wir hier zur Kenntnis nehmen, dass diese Stätte in einem Gebiet liegt, das wahrlich nicht zu den
wirtschaftlich günstigsten unseres Bundeslandes gehört. Ich glaube, dass durch dieses Museum auch
Impulse auf den Fremdenverkehr und damit auf die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse von Asparn
und Umgebung zu verzeichnen sein werden.
Darüber hinaus möchte ich ganz offen feststellen - ich tat das bereits im Vorjahr -, daß dadurch Initiativen
von anderen Gemeinschaften und Gruppen ausgegangen sind, die ein weiteres förderndes Bestreben in
fremdenverkehrsmäßiger Hinsicht haben. Es hat nicht nur die Landesfinanzen allein belastet, daß dieses
Gebäude dort instandgesetzt und das Freilichtmuseum geschaffen wurde, sondern es hat auch die
sogenannte Sitzgemeinde Asparn a. d. Zaya ihr finanzielles Scherflein dazu beigetragen. Ich habe erst
vor kurzem vom Herrn Bürgermeister gehört, daß sich die Gemeinde Asparn mit zirka 120.000 Schilling
allein am Aufwand zur Adaptierung verpflichtet gefühlt hat.
Zum zweiten gibt es eine große Menschengruppe, die kulturell interessiert ist und in der unmittelbaren
Nähe dieses frühgeschichtlichen Museums eine Freilichtbühne schaffen will.
Und zum dritten: Die Herren Kollegen Rohrböck und Hubinger, die heute nicht da sind, gehören ebenso
wie meine Wenigkeit einem Verein an, der sich am 28. Oktober gebildet hat und sich mit der weiteren
Ausstattung, aber auch mit gewissen Initiativen für dieses Museum befassen wird. Ich glaube daher, daß
wir in dieser Angelegenheit die im Voranschlag 1969 präliminierten Vorsorgen mit Befriedigung zur
Kenntnis nehmen können.
Mit ebensolcher Befriedigung können wir auch einige Entwicklungen erkennen, die allerdings nach meiner
Meinung im Voranschlag nicht die nötige Berücksichtigung gefunden haben. Hier sind es vor allem zwei
Erscheinungen, die mich besonders bewegen und die beide im Rahmen des Musikwesens zu finden sind.
Wenn wir die statistischen Erhebungen des Jahres 1968 bezüglich der Blasmusikkapellen unserer Heimat
betrachten, dann können wir aus dem nüchternen Zahlenmaterial feststellen, daß sich die Anzahl dieser
Kapellen um 15 erhöht hat und daß wir derzeit 300 Kapellen im Bund der niederösterreichischen
Blasmusikkapellen verzeichnen können. Es gibt darüber hinaus aber noch eine Menge von Kapellen mit
entsprechender Konstruktion, entsprechenden Aufbau und der dazugehörigen Leistung, die nicht im Bund
niederösterreichischer Blasmusikkapellen erfaßt sind, sondern mit irgendwelchen Unterstützungen von
Gemeinden ihr etwas separatistisches Dasein führen, obwohl sie ihrer Struktur nach und in der
erzieherischen Tätigkeit dieselben Ziele verfolgen. Als Lehrer freut es mich besonders, daß unter den
8.000 Musikern sehr, sehr viele junge Menschen sind, Nur von den im Bund der niederösterreichischen
Blasmusikkapellen erfaßten Kapellen sind es laut Statistik zirka 2.800 Blasmusiker oder rund 35 Prozent,
die jünger als 20 Jahre alt sind, junge Menschen, die sich dem Spiel und natürlich auch dieser
Gemeinschaftsarbeit widmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Herren Vorredner haben gesagt, dass ein besonderes
Problem in unserem Zeitalter die Freizeitgestaltung ist. Ich glaube, daß bei der Musikausübung doch ein
großes Verdienst der Funktionäre sowohl in organisatorischer als auch in rein fachlicher Hinsicht zu
verzeichnen ist, weil sie junge Menschen zur Gemeinschaft führen, in der Gemeinschaft Erlebnisse und
Lerngut vermitteln und so für die Gemeinschaft wichtige Leistungen vollbringen. Dafür gebührt diesen
Funktionären ein herzliches „Danke schön!”
Ein besonderes Problem in diesem Zusammenhang ist wohl das Zurverfügungstellen von geeigneten
Übungs- und Proberäumen.
Ich darf auch diesbezüglich etwas auf die Statistik zurückkommen, die aussagt, daß 25 Musikerheime
existieren und außerdem noch den Kapellen 20 Proberäume zur Verfügung stehen. Wenn man dies in ein
Verhältnis zu den 300 Kapellen bringt, erkennt man, daß rund 15 Prozent von ihnen eigene Proberäume
haben, über die sie unabhängig davon verfügen können, ob etwa der Besitzer eines Raumes an dem
betreffenden Tag einen anderen Verwendungszweck, vielleicht eine Hochzeit oder eine Ballveranstaltung,
angesetzt hat. Ich glaube, hier wird sich in Zukunft für uns eine sehr große Aufgabe ergeben. Die Arbeit
der Funktionäre, aber auch der ausübenden Musiker hätte es wohl verdient, daß man im Budget 1969
diesem Umstand etwas mehr Rechnung getragen hätte.
Am Aufbau der Blasmusikkapellen, aber auch am Bestehen vieler Instrumental- und Singgruppen sowie
Chorvereinigungen haben die Musikschulen in Niederösterreich besonderen Anteil. Wenn wir die
Menschen unserer heutigen Gesellschaftsform im Arbeitsprozeß betrachten, dann erkennen wir, wie
notwendig jede musische Betätigung des einzelnen ist. Wir dürfen nicht vergessen, daß die
Musikschulerhalter - das sind vor allem wieder die Gemeinden - auch dafür sehr große Opfer zu bringen
haben, Erfreulicherweise ist die Schüleranzahl in unseren Musikschulen gestiegen. Es sind ungefähr
12.900 junge, aber auch ältere Menschen, die an unseren Musikschulen ein Instrument erlernen. Es
wurde wohl ein Mehraufwand gegenüber dem Jahr 1967 an Subventionen von Seiten des Landes in der
Höhe von 500.000 Schilling eingesetzt, dies steht aber in keinem prozentuellen Verhältnis zu den
Zuschüssen der Gemeinden, da diese Zuschüsse wesentlich höher geworden sind.
Ich weiß schon, daß die Gemeinden und vor allem die Musikschulen selbst sehr initiativ werden, daß sie
dem Gemeinschaftsmusizieren besonderen Wert beimessen und daß die Gemeinden die Musikschulen
bzw. ihre Instrumentalgruppen zu Veranstaltungen, Ehrungen usw. heranziehen, wodurch diesen Schulen
eine indirekte Unterstützung zukommt. Wir müssen aber über diese Gesamtentwicklung der Dinge auch
im Detail betrachten, die Notwendigkeiten erkennen und die Belastungen aller Kostenträger prüfen.
Ich habe im vergangenen Jahr versucht, aus meiner eigenen Heimatgemeinde einen kleinen Auszug aus
dem Rechnungsabschluß 1966 zu geben. Es war für mich verlockend, auch die Jahresrechnung 1969 in
puncto Musikschule einer besonderen Betrachtung zu unterziehen. Ich möchte dabei nur die Rohzahlen
heranziehen und nicht auf den Groschen genaue Beträge nennen; wen es interessiert, der kann das bei
mir genau ansehen. Es ergibt sich dabei, daß die Beiträge der Gemeinden immens gestiegen sind, damit
sie diese Musikschulen erhalten können.
Die Gemeinde Mistelbach hatte im Jahre 1966 ein Ausgabevolumen von 362.000 Schilling. Dieses
Ausgabevolumen ist innerhalb der Musikschule auf mehr als 442.000 Schilling gestiegen. Aber auch die
Einnahmen sind gestiegen, was ich offen zugebe. Der Gemeindebeitrag zur Deckung der verschiedenen
Abgänge hat im Jahre 1966 118.000 Schilling betragen, im Jahre 1967 betrug er 148.000 Schilling, das ist
also eine Steigerung um 30 Prozent. Zur Ehre des zuständigen Referates der Landesregierung sei
gesagt, daß auch die gewährten Subventionen gestiegen sind. Das Land Niederösterreich sah sich
verpflichtet, anstatt der im Jahre 1966 gewährten 50.000 Schilling im Jahre 1967 62.000 Schilling an
Subventionen zu geben. Der Bund hat leider nicht so reagiert. Er hat wohl auch etwas mehr gegeben. Im
Jahre 1966 waren es 7440 Schilling und im Jahre 1967 8000 Schilling. Er gab also, wie Sie sehen, um ca.
500 Schilling mehr.
Nun aber zur Kernfrage dieses Problems. Während der Bund im Jahre 1966 von der Musikschule
Mistelbach, also von der Stadtgemeinde, 9.446,70 Schilling an Umsatzsteuer kassierte, hat er im Jahre
1967 bereits 11.735 Schilling eingenommen, also viel mehr, als er an Subventionen geleistet hat.
Während der Bund im Jahre 1966 an der Musikschule Mistelbach nur 2000 Schilling verdiente, verdiente
er an ihr im Jahre 1967 bereits 3700 Schilling.
Meine Damen und Herren! Wenn diese Entwicklung weiterhin anhält, so glaube ich, dass es in Zukunft
den Gemeinden sehr schwer möglich sein wird, ihre Musikschulen zu erhalten. Andererseits besteht für
unser Land die Notwendigkeit, das Musikschulnetz in weiteren Gemeinden, die sich aus den Erfahrungen
anderer Gemeinden zu diesem Schritt in irgendeiner Form entschließen, auszubauen.
Ich glaube daher, meinen Resolutionsantrag vom Vorjahr wiederholen zu müssen und erlaube mir, diesen
neuerlich zu stellen (liest):
„Die Landesregierung wird neuerlich aufgefordert, bei der Bundesregierung, insbesondere beim
Bundesministerium für Finanzen, vorstellig zu werden und dahin zu wirken, dass bei einer künftigen
Novellierung des Umsatzsteuergesetzes 1959 auch die Umsätze der von den Gemeinden geführten
Musikschulen, die das Öffentlichkeitsrecht nicht besitzen, als steuerfrei erklärt werden, wenn die
Einnahmen aus dem Schulgeld vorwiegend zur Deckung der Unkosten verwendet werden."
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben diesen Resolutionsantrag im vergangenen Jahr hier
im Hause einstimmig beschlossen. Durch die Novellierung des Umsatzsteuergesetzes 1959 hätte das
Bundesministerium für Finanzen im Jahre 1968 die Möglichkeit gehabt, auf diesem Gebiet den
Gemeinden entgegenzukommen. Gerade in diesem Zeitabschnitt, wo wir vom Hohen Haus am Ring
durch Redner der Mehrheitspartei, durch Erklärungen des zuständigen Ministers und durch den
Propagandadienst der Regierung unter Bedachtnahme auf die Bedürfnisse des Menschen und der
Notwendigkeit des Ausbaues und der Erhaltung der bildenden und kulturellen Werte berieselt werden,
glaube ich, daß dieses Beispiel zeigt, wie weit Wort und Tat voneinander entfernt sind. Wir Sozialisten
empfinden es als ungerecht, wenn der Bund von Kultur- und Bildungsstätten mehr einnimmt, als er für sie
ausgibt.
Ich bitte Sie daher, diesem Antrag sowohl im Interesse der Schüler als auch der Eltern und der
musikerhaltenden Gemeinden zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Zum Wort gelangt der Herr Abg. Rohrböck.
Abg. ROHRBÖCK: Her Präsident! Hohes Haus! Im Budget für das kommende Jahr soll ein Betrag von
nicht ganz 6 3/4 Millionen Schilling, genau sind es 6,732.000 Schilling, für die Museen beschlossen
werden. Ungefähr zwei Drittel der genannten Summe sind notwendig, um den Betrieb des
Landesmuseums hier in Wien aufrechterhalten zu können. Etwa eine Viertelmillion davon ist für den
Ankauf von musealen Objekten bestimmt, der Rest von etwas mehr als 2 Millionen Schilling ist für die
Erhaltung und den weiteren Ausbau von Außenstellen veranschlagt. Wenn wir uns nun die Frage
vorlegen, ob es richtig war, museale Gegenstände vom Landesmuseum in Wien nach Niederösterreich zu
verlegen, dann geben uns die Besucherzahlen die Antwort. Unsere Museen wurden im Jahre 1968 von
etwa 125.000 Menschen besucht. Davon entfielen auf das Landesmuseum in Wien ungefähr 23.000
Besucher, während die Außenstellen insgesamt von etwa 102.000 Personen besucht wurden. Es ist
interessant fsstzustellen, daß z. B. das Jagdmuseum in Marchegg im Jahre 1968 ca. 22.000 Besucher
aufweist, also nur um rund 1000 weniger als das Landesmuseum in Wien. Das Haydnhaus in Rohrau und
das Museum Carnuntum hatten je 19.000 Besucher und das Donaumuseum 15.000.
Ich könnte noch weiter aufzählen, will es mir aber ersparen. Alle diese Zahlen sind ein Beispiel dafür, daß
es richtig war, Außenstellen in Niederösterreich zu errichten und museale Bestände hinauszuverlegen. Im
laufenden Jahr wurde auch eine Reihe von Sonderausstellungen veranstaltet, deren Besucheranzahl
24.000 Personen betrug. Es ist gegenüber dem Vorjahr eine steigende Tendenz festzustellen. Es war
auch heuer wieder möglich, die kulturhistorische und kunsthistorische und auch die Volkskundeabteilung
weiterhin auszubauen.
Die ur- und frühgeschichtliche Abteilung sah ihre Hauptaufgabe im laufenden Jahr in der Fertigstellung
des Museums in Asparn a. d. Zaya, von dem auch der Kollege Stangl gesprochen hat. In diesem
Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, daß eine sehr wertvolle kulturgeschichtliche
Privatsammlung erworben werden konnte. In der Ansatzpost 3118 ist für Asparn a. d. Zaya eine
Gesamtsumme von 594.000 Schilling vorgesehen. Mit diesem Betrag wird es also nunmehr möglich sein,
das Museum fertigzustellen und im nächsten Jahr zu eröffnen. Das Museum in Asparn wird ein sehr
bedeutungsvolles wissenschaftliches Institut werden, und ich möchte hierüber nicht zu viel sagen, da sich
bereits mein Vorredner damit beschäftigt hat. Ich glaube aber, eines noch hinzufügen zu müssen: Es ist in
seiner Art in Mitteleuropa einzigartig und wird sicherlich viele Besucher anziehen.
Ich bin überzeugt, daß sich viele Schulen nicht nur aus Niederösterreich, sondern auch aus Wien nicht die
Gelegenheit entgehen lassen werden, um das Leben der Menschen aus dem Zeitraum von 6000 v. Chr.
bis zum Beginn unserer Zeitrechnung an Bauten und Gegenständen praktisch zu studieren.
Das urgeschichtliche Museum in Asparn wird zweifelsohne ein kultureller Mittelpunkt werden. Eines
allerdings betrübt mich sehr, dass nämlich der Mietvertrag nur auf 30 Jahre lautet. Ich konnte erfahren,
daß der Mietvertrag bereits im Jahre 1993 abläuft. Wir werden also nächstes Jahr das Museum in Asparn
eröffnen, und es ist durchaus möglich, daß das Land Niederösterreich mit seiner urgeschichtlichen
Abteilung in 24 Jahren dort ausziehen muß. Das ist sehr bedauerlich. Es ist durchaus möglich, daß viele
von uns - es ist schade, daß Kollege Stangl nicht hier ist, er ist jünger als ich - es erleben, daß wir dort
weicher, müssen. Ich erachte es für unbedingt notwendig, daß sich, wenn man solch hohe Beträge in ein
Mietobjekt investiert, die Betriebsdauer über mehrere Generationen erstreckt. Ich glaube, man kann
grundsätzlich die Forderung stellen, daß die Vertragsdauer nach dem Ausmaß der Investitionsmittel zu
richten ist. Bei sehr hohen Investitionen, die etwa in die Millionen Schilling gehen, sollte man trachten,
mindestens eine Vertragsdauer - so wie das üblich ist - von 99 Jahren zu erreichen.
Hohes Haus! Das urgeschichtliche Museum in Asparn wird zweifellos – mein Vorredner hat schon darauf
hingewiesen - eine Belebung im Raume Asparn bringen. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich die
reizvolle Landschaft der Leiser Berge. Es sind nun Bestrebungen im Gange, diese herrliche Landschaft
als Erholungsgebiet zu erschließen. Es wird noch in dieser Woche ein Verein gegründet werden,
sämtliche Vorarbeiten sind bereits durchgeführt. Die Interessen dieses Vereines sind sehr weit gesteckt,
denn sie gehen weit über die Leiser Berge hinaus. Der Verein will eine Reihe von verborgenen Schätzen
im Weinviertel erschließen, er will sie aufzeigen und die Wochenendfahrer durch entsprechende Werbung
zum Besuch einladen. Die Erfahrungen, die in Niederösterreich mit den Naturparken gemacht wurden,
sind so gut, daß sie uns zur Erschließung eines derartigen Gesundbrunnens auch im Weinviertel ermutigt
haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie auch mir, daß ich einiges zur Musik sage. Ich
möchte aber keineswegs Dinge, die mein Kollege Stangl bereits ausgesprochen hat, wiederholen. Wir
haben vor kurzem gehört, daß in der Bundesrepubllk Deutschland eine Blasmusikkapelle ausgepfiffen
wurde. Bei der Enthüllung eines Ehrenmales kam es zu Protesten und zu Tumulten. Die Ursache war,
daß die Musiker in einer Art Militäruniform marschierten und von einem Teil der Bevölkerung abgelehnt
wurden. Ich glaube, es ist sehr sinnvoll, wenn eine Blasmusikkapelle mithilft, daß eine Landschaft zur
Heimat wird, wenn sie dazu beiträgt, daß zwischen Musik, Trachten, Lied, Mundart und Tanz jene
Harmonie geschaffen wird, die in die Landschaft paßt. Die Blasmusiker, aber auch die Gesangsvereine
werden, so glaube ich, in Niederösterreich dieser Aufgabe vollkommen gerecht.
Nun ein anderer Gedanke. In Kanada, Ungarn und der Tschechoslowakei wurden Untersuchungen
angestellt, wie sich die zusätzliche außerschulische Musikausübung in Form von Singen, rhythmischen
Spielen und Musizieren auf Blasinstrumenten auswirkt. Die Ergebnisse waren sehr sehr interessant. Die
durch die Musikausübung notwendige und geforderte akustische Aufmerksamkeit fördert die
Konzentration dieser Schüler im Ausmaß bis zu 30 Prozent gegenüber gleichaltrigen ohne zusätzliche
Musikausübung. Dies beweist, daß die Musikausübung bei Jugendlichen die Lernfähigkeit und somit die
Lernerfolge und einen beachtlichen Prozentsatz hebt. Die bei der Musikausübung geforderte akustische
und visuelle Aufmerksamkeit fördert die Entwicklung des Gedächtnisses und trägt so zur Entwicklung
intellektueller Fähigkeiten bei. Die Auswirkungen des eigenen Musizierens auf die körperliche Gesundheit
wurden ebenfalls in den genannten Ländern einer Testreihe unterzogen. Auch diese Ergebnisse sind
interessant, und sie beweisen, daß Gesang und Instrumentalspiel sowie rhythmische Spiele die
Entwicklung des Brustkorbes und der Atmungsorgane in die Breite von 20 bis 30 Prozent gegenüber
Kindern ohne Musikausübung fördern.
Hohes Haus! Dies ist für die Jugendlichen von heute von besonderer Bedeutung, weil sie auf diese Weise
zu gesunden erwachsenen Menschen herangebildet werden. Ich glaube, von dieser Warte aus betrachtet
ist die Jugendmusikerziehung, die Musikschule, der Gesangsverein und die Blasmusikkapelle ein nicht zu
unterschätzender Faktor zur Hebung der Intelligenz und Gesundheit unserer Jugend, und daß es Musik,
Gesang, Musiker oder Sänger immer geben wird, braucht nicht besonders erwähnt zu werden.
Gestatten Sie nun auch mir, daß ich allen jenen Idealisten, die sich unentwegt um unsere Jugend
bemühen -- sei es auf dem Gebiete der Blasmusik, des Gesanges oder sonst immer auf welchem
kulturellen Gebiet -, Dank sage. Gedankt soll ihnen sein, denn sie sind es, die jene Basis schaffen, daß
unser Volk - um mit Wildgans zu reden - wieder ein Volk der Geiger und Tänzer geworden ist.
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Zum Wort gelangt Herr Abg. Laferl.
Abg. LAFERL: Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Landtages! Erwarten Sie von
mir nicht eine Brandrede gegen die abstrakte Kunst und den Surrealismus. Ich werde in das Horn des
Kollegen Stangl blasen, der die Leistungen der Musikschulen besonders hervorgehoben hat. Wir müssen
bedenken, daß die Gemeinden in erster Linie diejenigen sind, welche die Hauptlast für die Musikschulen
tragen. Wenn wir bedenken, welche Summen für die Musikschulen zum Wohle unserer Kinder und des
Nachwuchses ausgegeben werden, dann ist es eine Betrachtung wert, denn es sind große Summen. Es
ist bedauerlich, daß die Unterstützung der Gemeinden nicht so geschieht, wie man das von allen Seiten
erwartet - in einer Zeit des Wohlstandes, wo man glaubt, nichts mehr erlernen zu müssen, wo es
hauptsächlich nur mehr konservierte Musik gibt. Wenn ich im Stenographischen Protokoll nachlese, wie
vor 10 Jahren der Zweite Präsident des Hohen Hauses, Herr Präsident Wondrak, über die konservierte
Musik gesprochen hat, dann muß ich sagen, das ist Musik für mein Ohr, denn er hat in jeder Weise
hunderprozeniig recht gehabt.
Das niederösterreichische Musikschulwesen hat auch in diesem Jahr einen beachtlichen Aufschwung
genommen. Betrug die Gesamtschülerzahl im Jahre 1967 11.400, so hat sie sich im Schuljahr 1967/68
auf 12.845 erhöht, was einer Steigerung um rund 13 Prozent gleichkommt. Diese Schüler werden von
insgesamt 560 Musikschullehrern einschließlich der Leiter unterrichtet, die zum größeren Teil
nebenamtlich tätig sind. Das soll besonders hervorgehoben werden. Hauptamtlich sind derzeit 82
Lehrkräfte eingesetzt.
Die Zahl der Musikschulen erfuhr heuer eine Erhöhung durch drei Neugründungen, was ebenfalls
erwähnenswert ist, und zwar in Hainfeld, in Obergrafendorf und in Sollenau, so daß derzeit in unserem
Lande 70 Musikschulen und 18 Filialschulen betrieben werden. Ein Großteil dieser Schulen, und zwar 51,
steht unter der Obhut von Gemeinden, die übrigen Schulen werden von Vereinen erhalten. Es ist natürlich
klar, daß sich große Gemeinden, Gemeinden mit Budgets von mehr als 100 Millionen Schilling, leichter
tun, eine Musikschule zu unterhalten als kleine Gemeinden. Bei diesen drei Neugründungen kann man
darauf hinweisen, daß weder Hainfeld noch Obergrafendorf oder Sollenau reiche Gemeinden sind.
Die Arbeitsgemeinschaft der niederösterreichischen Musikschulen veranstaltet alljährlich zur
musikpädagogischen Weiterbildung und zur Vorbereitung für die Lehrbefähigungsprüfung der Lehrkräfte
Wochenendkurse und ein sechs Tage währendes Hauptseminar, das sich eines großen Zuspruches
erfreut. Die diesjährigen Seminare wurden insgesamt von 340 Lehrkräften besucht. Sie ersehen daraus
das rege Interesse nicht nur der Schüler, sondern auch der, Lehrkräfte an unseren Musikschulen in
unserem schönen Land Niederösterreich.
Die niederösterreichischen Musikschiilen legen großen Wert auf ein intensives Gemeinschaftsmusizieren.
Dadurch werden die Schüler häufig zu repräsentativen Gemeindeveranstaltungen herangezogen. Heuer
im Frühjahr gab es eine Feier im großen Sparkassensaal in Wiener Neustadt. Es war erbauend und
erhebend, dort diese Musikschüler spielen zu hören und zu sehen, mit welcher Begeisterung diese jungen
Menschen mitmachten. Seit Gründung des Studio Niederösterreich im Österreichischen Rundfunk besteht
eine eigene Sendereihe unter dem Titel „Die niederösterreichischen Musikschulen stellen sich vor”, in der
die Schüler unserer Musikschulen ihr Können unter Beweis stellen. Auch beim Österreichischen
Jugendsingen 1968 war eine Anzahl von Chören der Musikschulen beteiligt, und sie haben gut
bestanden.
Das Land Niederösterreich ist bemüht, zur Förderung seiner Musikschulen und zur Weiterbildung der
Lehrkräfte Landesbeiträge zur Verfügung zu stellen. Im Jahre 1968 wurden Subventionen in der Höhe von
2,8 Millionen Schilling gewährt, was einer Steigerung gegenüber 1967 um 300,000 Schilling entspricht.
Trotzdem sind die Mittel, die bisher vom Land für unsere niederösterreichischen Musikschulen zur
Vergabe gelangten, nicht zu reichlich, da das aktive Musizieren für die Jugend nicht hoch genug
eingeschätzt werden kann, soll doch die Jugend, die heute in unseren Musikschulen besten
Instrumentalunterricht genießt, einst selbst Musiklehrer in unseren Musikschulen stellen und als
Nachwuchs für unsere Blasmusikkapellen, die hier ebenfalls heute schon erwähnt wurden, sowie für
unsere zahlreichen Musik- und Gesangsvereine herangezogen werden. Ein auserlesener, besonders
talentierter Kreis unserer musizierenden Jugend wird aber auch den großen symphonischen Orchestern
unseres Landes eingegliedert werden, die derzeit schon Mangel an guten Instrumentalisten haben.
Hohes Haus! Von diesem Gesichtspunkt aus gesehen kann man diese Musikschulen nicht hoch genug
einschätzen. Im Hinblick darauf, daß unsere Musikschulen eine äußerst befruchtende Wirkung auf die
Musikkultur unseres Landes ausstrahlen, und auf Grund der Tatsache, daß die Anzahl der Schulen und
der Schüler ständig im Steigen begriffen ist, wäre es im Interesse eines weiteren Ausbaues dieser für
unsere Jugend so wichtigen Institution zu überlegen, wie eine noch wirksamere Förderung durch das
Land erfolgen könnte. Es wäre zum Beispiel denkbar, die Höhe künftiger Förderungen nicht nur von der
Schülerzahl der einzelnen Schulen, sondern neben der fachlichen Qualifikation auch von den
Eigenleistungen der zuständigen Gemeinden abhängig zu machen.
Unbestritten ist die Tatsache, daß der Bestand an Musikschulen, besonders größerer, davon abhängt, ob
ihnen qualifizierte Lehrkräfte nach Wien, in die Steiermark und in das Burgenland abwandern, weil ihnen
dort bessere Möglichkeiten geboten werden. Ein Überhang an nebenamtlichen Lehrkräften ist immer ein
Unsicherheitsfaktor, weil nicht garantiert werden kann, ob diese für eine längere Zeit an einer Musikschule
tätig sein können.
Ein Weg zur Verbesserung der Situation bestünde darin, qualifizierte, hauptamtliche, vollbeschäftigte
Musiklehrer in ein Dienstverhältnis zum Schulerhalter zu bringen. Dies hätte jedoch zur Voraussetzung,
daß den Schulerhaltern die daraus entstehenden Kosten wenigstens zum Teil vergütet werden. Da die
Musikerziehung unserer Jugend von eminenter Bedeutung ist, wäre es dringendst notwendig, daß auch
seitens des Bundes mehr Mittel für diesen Zweck bereitgestellt werden, um unsere Musikschulen auch für
die Zukunft erhalten zu können. Wir haben bereits einige Gemeinden -- ich will sie nicht nennen -, die
ernstlich erwägen, hier Abstriche durchzuführen, weil es sich bei ihnen nicht mehr ausgeht, im Budget
dafür größere Summen zur Verfügung zu stellen.
Herr Kollege Stangl hat die Schule in Mistelbach angeführt Sie hat immerhin 296 Schüler. Die größte
Musikschule - das kann ich mit Stolz und Freude hier sagen – hat Wiener Neustadt mit 1.251 Schülern.
Es ist angebracht, alle diese Musikschulen zu unterstützen. Es heißt doch so schön: Wo man singt und
spielt, dort laß dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder. (Beifall im ganzen Haus.)
Dritter PRÄSIDENT REITER: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Scheidl.
Abg. Ing. SCHEIDL: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Vom
Obmann des Musikvereines Langenzersdorf erhielt ich gestern abend einen Brief. Daß mich dieser Brief
gestern abend erreichte, ist ein origineller Zufall, denn sein lnhalt bezieht sich auf ein Thema, von dem ich
mir heute erlauben möchte, zu Ihnen zu sprechen.
Der erwähnte Langenzersdorfer Musikverein hat sich neben einer beachtlichen Reihe von
heimatkundlichen Bestrebungen eine sehr dankenswerte Aufgabe gestellt, und zwar die Schaffung eines
Anton-Hanak-Museums. Inspirationen für diese Idee, der die Funktionäre des genannten Vereines mit viel
Idealismus dienen und für die sich auch die Marktgemeinde Langenzersdorf bis zur Grenze ihrer
finanziellen Leistungsfähigkeit engagiert hat, kamen, wie mir bekannt ist, von Professor Feuchtmüller, von
Professor Clemens Holzmeister, von Professor Mach und von anderen. Auch das niederösterreichische
Landesbauamt war bereits in dieser Angelegenheit beschäftigt,
Es geht darum, den künstlerisch außerordentlich wertvollen Nachlaß Anton Hanaks, der derzeit
dichtgedrängt in sehr ungünstigen Raumverhältnissen in einem Wiener Prater Pavillon untergebracht ist,
in einer würdigen Präsentation der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dazu ist es notwendig, ein von
der Gemeinde Langenzersdorf bereits zur Verfügung gestelltes Gebäude und ein dazugehöriges
Gartengrundstück zu adaptieren sowie einen wesentlichen Teil der Hanak-Plastiken, die eben in diesem
Praterpavillon liegen, anzukaufen. Der Rest soll leihweise zur Verfügung gestellt werden. Der Kampf um
dieses Ziel dauert bisher ca. fünf Jahre. Die Initiatoren haben es vermocht, auch Persönlichkeiten des
öffentlichen Lebens damit zu bemühen. Trotzdem waren sie manchmal während dieser Jahre in einer
Sisyphus-Situation, wovon ein umfangreicher Akt, der im Hause vorhanden ist, zeugt. Zur Zeit ist das
Projekt allerdings in ein Stadium getreten, das Einen etwas freundlicheren Aspekt gewahrt. Mit Hilfe von
Landes- und Gemeindemitteln und Mitteln des erwähnten Museumsvereines konnte bereits die erste
Etappe der vorgesehenen Sanierung des erwähnten Objektes in Angriff genommen werden. Die
Unterbringungsmöglichkeit für die Exponate wird in kurzer Zeit gegeben sein. Dem Museumsverein ist es
außerdem gelungen, einen Vertrag abzuschließen, der zunächst eine leihweise Überlassung des
Nachlasses sichert. Der Voranschlag für die Gesamtadaptierung des Gebäudes und des Gartens weist
einen Geldbedarf von etwas weniger als 1 Million Schilling aus. Aus Verhandlungen mit den Erben des
Künstlers, vor allem mit seinem Sohn, ergibt sich für die Erwerbung der Kunstwerke ein Bedarf von ca. 1,5
Millionen Schilling, von denen 20 Prozent bei Abschluß des Vertrages und der Rest in 10 etwa gleichen
Jahresraten flüssiggemacht werden sollen. Wenn der Herr Landesfinanzreferent, der leider im Augenblick
nicht da ist - er kann es aber dann lesen -, Besorgnisse wegen der Publikumswirksamkeit eines AntonHanak-Museums geäußert hat, dann möchte ich mir erlauben, ihm zu sagen, daß es sich angesichts der
relativ geringfügigen Aufwandserfordernisse lohnen müßte, hier die Probe aufs Exempel zu machen.
Außerdem, so glaube ich, dürfen für diesen Bereich nicht ausschließlich materielle Erwägungen
maßgeblich sein. Es scheinen übrigens auch, wenn meine Informationen stimmen, die Gemeinde Wien,
vielleicht auch das Bundesministerium für Unterricht geneigt, das Projekt finanziell zu unterstützen. Es
wäre meines Erachtens, eine Sünde wider den Geist, wenn die Beteiligung Wiens aus engstirnigen
Erwägungen nicht angestrebt werden sollte oder wenn man sich sogar mit einer Lösung zufrieden geben
wollte, die darin bestünde, daß man sich sagt, man könnte zwar selbst nichts Ausreichendes tun,
zumindest aber verhindern, daß andere etwas tun. Sämtliche Musen mögen davor sein, daß sich in den
Köpfen der zuständigen Korperschaften der Gedanke festsetzt, es könne nur dann etwas gegeben
werden, wenn die anderen mit gutem Beispiel vorangingen. Wenn dieser Teufelskreis sich schließt, dann
legt er sich, so glaube ich, wie ein eisernes Band um jede ersprießliche Lösung in dieser Angelegenheit.
Anton Hanak hat mit seiner Familie 22 oder 23 Jahre in Langenzersdorf gelebt. Deshalb auch das
Interesse dieser Gemeinde an der Wahrung seines Angedenkens. Er hat aber vorwiegend in Wien
gewirkt, daher hat diese Stadt, die eine hohe kulturelle Tradition zu wahren hat, zweifellos in dieser
Angelegenheit Verpflichtungen, und man soll ihr Gelegenheit geben, diese zu erfüllen. Es besteht ein
Kontaktkomitee für gemeinsame Angelegenheiten Niederösterreichs und Wiens. Für dieses gäbe es hier,
glaube ich, eine lohnenswerte Aufgabe. Für Kunstauffassungen, meine sehr geehrten Damen und Herren,
kann kein Dogma vorgeschrieben werden. Diese Methoden wandten und wenden autoritäre Staaten an.
So versuchte der Kulturscharlatan des Dritten Reiches - gemeinsam mit seinem Meister -, die deutsche
Kunst in den Dienst seiner Machtpolitik zu stellen. Der Gipfel der darstellenden Kunst war Thorak, und in
der Musik sank das Niveau von Bach oder Richard Wagner oder, wenn Sie es von der damaligen
Perspektive sehen wollen, von den Wahl- bzw. echten Ostmärkern Beethoven bzw. Mozart, Schubert oder
auch Johann Strauß auf das Niveau eines Herms Nils ab. Die markantesten musikalischen Äußerungen
des deutschen Volkes waren damals das Westerwaldlied, das Engellandlied und die Erika. Leider Gottes,
muß ich sagen, scheint es auch unter uns Österreichern manchen Ostmärker zu geben, der es sich zur
Aufgabe gestellt hat, diese Kunstkategorien weiter zu pflegen. Man kann sich manchmal bei geselligen
Zusammenkünften, wo es musikalische Produktionen gibt, davon überzeugen. Und wer den
monumentalen Gipskitsch kennt, der in den kommunistischen Staaten gezeigt wird, weiß, daß man dort in
weiten Bereichen auf den gleichen Pfaden wandelt. Kunst kann, dafür gibt es tragische Beispiele, in der
Not bestehen. Echte Kunst kann sich aber ausschließlich nur in Freiheit entwickeln. Es steht also
jedermann frei, die Kunstrichtung Anton Hanaks abzulehnen oder aber sich enthusiastisch zu ihr zu
bekennen.
Wer aber den heroischen Kampf Anton Hanaks mit der Materie richtig beurteilt, wer das Wort des HanakBiographen Prof. Dr. Eisler kennt - es heißt: „Niemals hatte Österreich einen echteren, eigeneren und
größeren Bildhauer gehabt, und auch das Ausland kann ihm gegenwärtig nichts Gleichwertiges, nichts
Seinesgleichen entgegensetzen" -, wer also Kenntnis erhält von der epochalen internationalen Bedeutung
des Meisters, fühlt eine Verpflichtung in sich aufkeimen. Es ist noch Zeit, meine Damen und Herren, zu
verhindern, dass der Schatz, den uns Anton Hanak in seinem Nachlaß hiergelassen hat, von
ausländischen Kunstprotzen außer Landes gebracht wird. Anton Hanak hat in der Gemeinde
Langenzersdorf das Heimatrecht besessen. Sorgen wir dafür, daß sein Werk in dieser Gemeinde auch
das Heimatrecht erhält. (Beifall im ganzen Hause.)
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Diettrich.
Abg. DIETTRICH: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Rahmen der
heurigen Budgetdebatte gestatte ich mir, im Zusammenhang mit der Kunstpflege auch auf das Theater im
besonderen und vor allem auf das Laienspiel zu sprechen zu kommen.
Meine Damen und Herren! Ärzte und Psychologen sagen immer wieder, daß die technische Welt der
Gegenwart eine sehr starke Gefahr für die menschliche Entwicklung, für die Entwicklung des Geistes und
der Seele darstellt und daß gerade diese technische Welt sehr oft als Ursache für unerfreuliche Dinge
erkannt wird. Es gibt nun Gott sei Dank sehr viele Möglichkeiten, die eigene Persönlichkeit, die musische
Entfaltung, alle Probleme, die mit dem Innenleben der Menschen in irgendeinem Zusammenhang stehen,
zu entwickeln; und dazu, meine Damen und Herren, gehört meiner Meinung nach das darstellende Spiel
in ganz besonderer Weise. Wenn wir überlegen und diesen großen Bogen einer Betrachtung unterziehen
- denken Sie an die griechische Tragödie, denken Sie an das Laien- und Mysterienspiel des Mittelalters,
an die jüngere Vergangenheit, an das moderne Theater der Gegenwart -, so kann man immer wieder die
erstaunliche Feststellung treffen, daß gerade die darstellende Kunst den Menschen am meisten bewegt.
Wir haben in dieser Richtung in der Entwicklung des Theaterwesens sehr erstaunliche Marksteine.
Schauen Sie, die Meininger waren es, die im Theaterleben die historische Echtheit das erstemal prägten denken Sie an Antoine, der dem Schauspieler neue Gesetze auferlegte, der dem Schauspieler eine neue
Begriffswelt erschloß, denken Sie an Stanislawskij und denken Sie auch an den Österreicher Max
Reinhardt, der anerkannterweise der Erfinder der dreidimensionalen Bühne ist. Die Art des
naturalistischen Theaters ist noch nicht sehr alt; wir können hier diezweite Hälfte des 19. Jahrhunderts
feststellen.
Erst zu diesem Zeitpunkt war es möglich, durch die Verwendung der Gasbeleuchtung, durch eine mehr
oder weniger komplizierte Bühnenmaschinerie dieses naturalistische Theater zu verwirklichen. Aber zu
allen Zeiten der Menschheitsgeschichte hat das Laienspiel immer die größte Bedeutung gehabt. Es ist
eine merkwürdige Erscheinung, daß der Mensch so gerne in einen Verfremdungseffekt, in eine andere
Rolle treten will. Vielleicht erfüllt sich durch die Darstellung einer anderen Person, durch die Darstellung
einer vollkommen fremden Zeit so manches Wunschbild und so manche Illusion, die zeitlebens aus den
verschiedensten Ursachen nicht erreichbar ist oder nicht erreichbar war. Schiller sagte einmal:
„Der Mensch ist erst dann ein richtiger Mensch wenn er Theater spielt." Und sehen Sie, gerade das
Laienspiel hat sich interessanterweise mit der Passion des Herrn immer wieder beschäftigt. Es mag sein,
daß die Ursache, sich mit dieser Leidensgeschichte zu beschäftigen, in dem Umstand begründet ist, daß
in manchen Zeitläufen das Schreiben und Lesen nicht jedermanns Sache war. Es ist auch interessant,
daß dieses Laienspiel der Passion beinahe ausschließlich in den Ländern Österreich, Deutschland und
der Schweiz festzustellen ist, und es mag nun diese Darstellung vielleicht eine Ausdrucksform des
deutschen Sprachraums sein.
Meine Damen und Herren! Wir haben in Niederösterreich eine sehr bedeutende Einrichtung einer solchen
Laienspielgruppe. Diese Passionsspielgruppe befindet sich im südlichen Niederösterreich, und zwar
handelt es sich um die Marktgemeinde Kirchschlag in der Buckligen Welt. Wenn Sie die Entwicklung
dieser Spielgruppe einer näheren Betrachtung unterziehen, werden Sie zu den erstaunlichsten
Feststellungen kommen.
Im Jahre 1932 wurden die Passionsspiele von Kirchschlag gegründet, in einer Zeit, wo wirtschaftliche Not,
Existenzschwierigkeiten aller Art herrschten, die zu Spielen und Unterhaltung nicht besonders geeignet
gewesen ist. Aber gerade die Zeit der Not hat in Kirchschlag die Idee entstehen lassen, diese
Laienspielgruppe zu gründen, obwohl sicherlich die Intentionen damals wie heute von der Pfarrgemeinde
ausgegangen sind. Es waren damals schon sehr beachtliche Besucherzahlen festzustellen; es wurde in
den Jahren 1932, 1933 und 1935 gespielt, und es waren damals schon rund 35.000 Besucher zu zählen;
eine bedeutende Zahl, wenn Sie überlegen, daß die Verkehrsverhältnisse andere waren, daß es nicht
leicht war, Kirchschlag, das immerhin im Südosten unseres Heimatlandes liegt, zu erreichen, weder für
die Bewohner der Bundeshauptstadt noch für die Bewohner der weiteren Umgebung.
Sie sehen schon: Damals hat das Sehen und das Erleben dieser Passion, der Leidensgeschichte des
Herrn, dargestellt durch Laienspieler, ein beachtliches Interesse erweckt. Ich möchte Ihnen nun die
jüngere Geschichte dieser Passionsspielgemeinde kurz skizzieren. Beginnend mit dem Jahre 1950 hat ein
erstaunlicher Aufschwung stattgefunden. Sehr interessant ist, daß trotz des Umstandes, daß sich gerade
in den letzten Jahren manche unserer Bürger religiösen Dingen nicht mehr so verbunden fühlen wie
früher, ein Aufschwung bei den Besucherzahlen eingetreten ist, was auch in soziologischer Hinsicht nicht
ohne Bedeutung ist.
Es ist nicht jedermanns Sache, an einem Passionsspiel teilzunehmen und diese tiefe Ergriffenheit zu
erleben, der sich Tausende nicht entziehen können. Im Jahre 1950 waren es 18.000 Besucher, 1955
19.000, 1959 45.000, 1960 44.000, 1962 31.000, 1965 ebenfalls 31.000, und heuer, 1968, 32.000
Besucher. Sicher waren unter diesen tausenden Besuchern nicht alle Christen in unserem Sinn, und
trotzdem haben sie sich das Passionsspiel der Laienspieler in Kirchschlag angesehen.
Es wird unter diesen Besuchern Tausende geben, die mit dem Theaterleben in jeder Form sehr intensiv
verbunden sind. Es wird unter diesen tausenden Besuchern auch Leute geben, die dem modernen
Theater, allen diesen Erscheinungsformen und neuen Wegen in der Theatergeschichte, sehr zugetan
sind. Aber auch diese werden sich dem eigenartigen Zauber, dieser Schlichtheit der Empfindungen nicht
entziehen haben können.
Es ist erstaunlich, daß gerade die Laienspieler des Passionsspiels, das auch vom schauspielerischen
Standpunkt her eines der kompliziertesten Stücke darstellt, in so wundervoller Form ein derartiges
Beispiel setzen. Ich glaube, Berufsschauspieler hätten nicht oder nur in einem sehr bedingten szenischen
oder künstlerischen Bereich diese Schlichtheit in der Darstellung und im Ausdruck. Gerade diese Passion
bringt auch für den Darsteller die unglaublichsten Schwierigkeiten. Es ist nicht möglich, daß man sich als
Laienspieler oder als Schauspieler schlechthin mit der Rolle identifiziert; das würde zweifellos zu enormen
inneren Konflikten führen. Denken Sie nur an die Darstellung der Person Christi, an die Darstellung
Marias oder all der anderen Hauptpersonen. Die Laienspieler müssen in einer Art persönlicher
Verfremdung den Zuschauern ein Beispiel geben, wie es gewesen sein könnte. Daß gerade Laienspieler
dies so hervorragend zustande bringen, ist ein erstaunlicher Beweis der immerwährenden Lebendigkeit
des Laienspielertums. Wenn wir noch einen kurzen Rückblick auf die Entwicklung des Laienspielerwesens
in Niederösterreich tun, dann haben wir eine sehr erfreuliche Feststellung zu treffen. Das Laienspiel in
seinen Verschiedensten Formen hat auch in Niederösterreich seit alters her immer seine Pflege gefunden.
Ich erinnere an die Jugendbewegungen der Jahrhundertwende mit dem Anschluß an diese Laien- und
Mysterienspiele, von denen ich heute schon gesprochen habe, und an die Entwicklung dieses
Bekenntnisspiels. Hier wird der Spieler unter Verzicht auf äußere Mittel, auf Bühne, Ausstattung,
Schminke und Perücke, zum Bekenner einer Idee und - ich glaube, das dürfte eines der wesentlichsten
Momente, einer der wesentlichsten Aspekte sein - zum Sprecher einer Gemeinschaft. Die
Niederösterreicher Resl Mayer, Maria Hofer, Rudolf Lenz und viele andere haben mit ihren Spieltexten
wertvolle literarische Beiträge für diese Gattung des Spiels geleistet. Das Laienspiel, das eine geformte
Gemeinschaft voraussetzt, lebt heute noch überall dort, wo es eine echte Gemeinschaft gibt.
Meine Damen und Herren! Kehren wir nun kurz in unserer Betrachtung wieder nach Kirchschlag zurück.
In einer Gemeinde mit rund 2.000 Einwohnern, in einer Pfarrgemeinde mit vielleicht 2.900 Seelen, finden
sich 400 fanatische Anhänger des Laienspiels, 400 Menschen, die genauso, wie wir alle von einer
hektischen Zeit in eine innere und äußere Betriebsamkeit getrieben sind, aber trotzdem Sonntag für
Sonntag die Passion des Herrn spielen.
Der Geist, der diese Menschen, diese Frau- en, Mädchen und Männer, bewegt, ist ein bedeutsames
Beispiel dafür, daß es auch heute noch in einer Massengesellschaft unter dem Einfluß verschiedenster
Einrichtungen der passiven Kunstübermittlung immer wieder Menschen gibt, die sich zu einem Geist
durchringen, der diese Spielgemeinschaft und diese Ausdrucksform so eindrucksvoll manifestiert.
Ich glaube, wir können sehr glücklich sein, daß es auch im Bundesland Niederösterreich, in unserer
Heimat, ein so bedeutendes Beispiel des immer neu erlebten Laienspiels gibt, und wir können in dieser
Beziehung mit Befriedigung und mit einigem Stolz auf diese Marktgemeinde Kirchschlag blicken.
Abschließend glaube ich, daß in der Betrachtung des darstellenden Spieles in den verschiedensten
Formen eine hohe kulturelle und auch volksbildnerische Leistung liegt. Wir alle haben als Träger der
öffentlichen Hand diese kulturellen und volksbildnerischen Leistungen mit allen unseren Kräften zu
unterstützen. Es ist ein sehr wichtiges Gebiet der Kulturpflege und musischen Bildung und stellt eine
besonders wichtige Aufgabe des Landes dar. Wenn wir im Geiste der Kirchschlager Passionsspieler an
die Lösung aller anderen schwierigen kulturellen Anliegen unseres Heimatlandes herangehen und den
gleichen Fanatismus und die gleiche innere Kraft aufbringen, so glaube ich, werden wir in den kulturellen
Bereichen des Landes Niederösterreich zu erstaunlichen Leistungen gelangen. (Beifall im ganzen Hause.)
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Das Wort hat der Herr Abg. Stangler.
Abg. STANGLER: Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich
zum Thema ,,Kulturpolitik" im Rahmen des Kapitels 3 auch einige Überlegungen zu Fragen, die noch
nicht behandelt worden sind, anstelle. Ich bin mir darüber im klaren, daß es gar nicht möglich ist, in einer
Budgetdebatte in wenigen Punkten den großen Bogen der Kulturpolitik hinreichend zu behandeln.
Kulturpolitik soll nicht nur die Aufgabe eines Nachmittages sein, sondern sie sollte eigentlich ein
Lebensziel unseres Landes bilden. Ich habe schon in meiner Rede zur Generaldebatte darauf
hingewiesen, daß es uns durch die Leistung von Sonderabgaben, die unsere Mitbürger in
Niederösterreich erbringen, möglich ist, Förderungen zu gewähren, die heute im ganzen Land sehr freudig
aufgenommen werden. Verschiedene Kollegen haben bereits vor mir die diversen kulturellen Institutionen
genannt, sie beleuchtet und behandelt, und ich glaube, wir können uns darüber freuen, daß wir für unsere
Musikschulen, Gesangs- und Musikvereine, unsere Blasmusikkapellen und nicht zuletzt für das
Tonkünstlerorchester nunmehr doch insbesondere aus dem Fernsehschilling genügend Förderungsmittel
haben. Alle diese Leistungen könnten nicht erbracht werden, wenn nicht auch die materiellen Mittel dazu
bereitstünden. Ich glaube, daß es in unserem technischen Zeitalter, in einer Zeit der großen Konkurrenz
der technischen Mittel, der Massenmedien - wie das Fernsehen, das Radio, die Musikautomaten, die
modernen Tonträger, Schallplatten und Magnetophon - vornehmlich doch darauf ankommt, daß sich
genügend Menschen Zeit nehmen und die Liebe und Freude dazu aufbringen, sich selbst dem Musischen
hinzugeben, nachzueifern und vor allem aber auch selbst musikalisch tätig zu sein. Wenn wir unsere
Gesangsvereine mit allen ihren Veranstaltungen - ich erinnere an die große festliche Veranstaltung in St.
Pölten oder an die verschiedenen Wettbewerbe unserer Blasmusikkapellen - betrachten, dann dürfen wir
mit Befriedigung feststellen, daß in Niederösterreich auch in den Kreisen der Jugend ein Wille dazu
vorhanden ist und der Ruf zur Musikausübung freudig aufgenommen wurde. Ich glaube, daß man heute
trotz Fernsehen, Radio und Musikautomaten feststellen kann, daß in unserem Land vielleicht noch nie so
viel musiziert wurde wie jetzt und daß sich noch nie so viele junge Menschen der Musikpflege hingegeben
haben.
Das ist ein durchaus positiver Aspekt unserer Zeit. Man kritisiert vielleicht oft in der Öffentlichkeit und sieht
nur die Lautstarken, die von sich reden machen, obwohl sie nur kleine geistige Minderheiten sind und das
eigentliche Kulturschaffen durch ihre Lautstärke übertönen. Von der Warte des Landtages, der das
Budget beschließt, und der Regierung, die die Mittel zur Verfügung stellt und verteilt, wollen wir, wie es
meine Kollegen vorher schon getan haben, anerkennend von den Menschen sprechen, die auf dem
Gebiete der Volksbildung, dieses weit umspannenden Kulturbogens, meist in ehrenamtlicher leitender
Funktion stehen. Das Land leistet auf diesem Gebiet erfolgreiche Förderungsarbeit. Wir begrüßen das
und freuen uns immer wieder, wenn es in unserem Bundesland, wenn wir hinauskommen, klingt und
singt.
Auch auf dem Gebiete des Museal- und Ausstellungswesens hat das Land große Erfolge erzielt, und es
konnte auch im heurigen Jahr wieder eine beachtliche Sammlung zur Schau gestellt werden. Diesmal hat
sich ein privater Kunstmäzen aus der Bundesrepublik Deutschland bereit erklärt, seine großen
Kunstschätze für eine Ausstellung in Niederösterreich zur Verfügung zu stellen. Es mag für die
Veranstalter, die Laxenburger Betriebsges.m.b.H., und auch für das Kulturreferat vielleicht etwas
enttäuschend sein, dass der Besuch der Ausstellung hinter den erwarteten Zahlen zurückblieb, weil wir
diesbezüglich schon sehr verwöhnt sind. Ich erinnere an die Ausstellung in Altenburg, an die beiden
Ausstellungen in Krems, jene in Melk und an die Ausstellung in Gutenstein. Wir sollten aus der etwas
geringeren Besucherzahl in Laxenburg die Lehre ziehen. Im Zeitalter einer so umfassenden Motorisierung
wie gerade heute muß man auch dem kunstinteressierten Publikum, das über Fahrzeuge verfügt,
weitergesteckte Ziele setzen. Es hat sich immer wieder gezeigt, daß die Auswahl einer schönen
Landschaft mitbestimmend war, den Besucherstrom bewußt in bestimmte Gebiete zu lenken. Es wird
künftighin bei der Platzwahl auf diese Tatsache besonderes Augenmerk gelegt werden müssen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf unser Theater- und Bühnenwesen, so betitelt sich diese
Ansatzpost, zu sprechen kommen. Ich glaube, in einer Budgetrede schon einmal darauf hingewiesen zu
haben, daß das Land ohne Landeshauptstadt auch ein repräsentatives Landestheater braucht, denn die
großen Bühnen der Bundeshauptstadt, wie sie heute in Wien anzutreffen sind, waren bis 1921 die
tragenden Anziehungspunkte für das Theaterwesen in Niederösterreich und sind es auch heute noch.
Aus der historischen Entwicklung haben wir aber in Niederösterreich zwei Theaterstädte mit einer
verdienstvollen Theatertradition, nämlich Baden und St. Pölten. Ich nenne sie in alphabetischer
Reihenfolge, wenn Sie wollen, in der Reihenfolge ihrer Entwicklung und Zeitdauer. Nun sind die Mittel
nicht sehr groß, die wir geben können, auch ein Mittel der beiden Städte selbst nicht. Beide Städte können
sich nicht mit der Einwohnerzahl der Landeshauptstädte Linz, Graz, Innsbruck oder Salzburg vergleichen;
daher ist auch die Finanzkraft dieser Gemeinden in keinen Vergleich zu stellen. Auch das Land
Niederösterreich selbst kann aus den Entwicklungen, auf die ich gestern zu sprechen kam, nicht jene
Mittel zur Verfügung stellen, die notwendig wären. Ich glaube, wir sollten aber trotzdem die Bemühungen
nicht aufgeben, um zu einer modernen Lösung vorzustoßen.
Seit vielen Jahren laufen die Bemühungen zu einer Aufgabenteilung dieser beiden Theaterstädte. Diese
führten aber bedauerlicherweise zu keinem Erfolg. Ich glaube aber, wir waren dem Erfolg näher als je
zuvor. Ich kann mich des Eindruckes nicht erwehren, daß, wenn man die Verhandlungen mit etwas mehr
Konsequenz geführt hätte, wir zu einem Ziel vorgestoßen wären, so daß diese beiden Bühnen zu einer
Aufgabentrennung gekommen wären: eine Bühne vor allem für die Operette und eine Bühne für das
Schauspiel, wobei sich beide Bühnen und beide Städte hätten ergänzen können in der Bespielung der
jeweiligen Stadtbühnen, aber auch in der Bespielung verschiedener anderer Städte, so wie es auch in der
Vergangenheit gemacht wurde.
Es war also das egoistische Denken noch nicht zu überwinden, ich gebe aber Kollegen Grünzweig recht,
es besteht die große Gefahr, dass man eben die größeren Ziele anstrebt und dabei übersieht, daß bei
ungenügenden finanziellen Mitteln der Wert dieser Aufführungen soweit absinken kann, daß man unter
Umständen in einen Provinzialismus verfällt. Da käme wirklich der Tag, wo man sagen müßte: Ist der
Einsatz von Mitteln überhaupt gerechtfertigt? Wir sollten nicht vergessen, daß eine neue Konkurrenz
auftritt. Ich habe bereits gesagt, daß im kommenden Jahr das Farbfernsehen kommt, und damit wird für
die traditionsreiche Operette ein neuer Konkurrent entstehen. Ich fürchte, der Tag der Wahrheit ist so
nahe, daß man es vielleicht bedauern wird, daß man sich nicht früher dazu entschlossen hat, zu einer
echten Partnerschaft auf dem Gebiete des Theaterspieles in Niederösterreich zu kommen. Ich möchte
nun einen sehr ernsten Appell an das Kulturreferat richten, und zwar, nicht zuzuwarten, bis jener Tag
kommt, von dem gesprochen worden ist, wo man die Verhandlungen wieder aufnehmen will. Ich halte
diesen Termin schon wieder für viel zu spät. Es sollte im kommenden Jahr versucht werden, die Kräfte zu
einer Lösung bereitzumachen, die modernen Verhältnissen und auch den Erwartungen des
niederösterreichischen Theaterpublikums entspricht.
Darf ich in diesem Zusammenhang auf den großen Erfolg bei den verschiedenen
Sommerspielveranstaltungen hinweisen. Wir haben zur Zeit 3 Hauptspielplätze in Niederösterreich, die
weit über den Landesbereich hinaus bekannt geworden sind: Melk, Baden und Stockerau. Ich weiß nun,
daß Baden eine Sonderstellung genießt. Die Stadt hat in der Sommerarena eine Aufführungsstätte, die
wetterunabhängig ist. Jeder, der mit Freilichtspielen und Veranstaltungen nur einmal zu tun hatte, weiß,
daß jeder Veranstalter am Morgen, ab Mittag oder ab Nachmittag sorgenvoll zum Himmel blickt, um zu
sehen, ob nicht vielleicht Gewitterwolken aufsteigen und die Veranstaltung in Frage stellen.
Solche Freilichtaufführungen haben ihren Reiz und finden besonderen Zuspruch, sie stehen aber unter
höherer Gewalt der Wetterverhältnisse, und da kann es ab und zu vorkommen, daß eine Aufführung zum
Leidwesen der Veranstalter selbst und auch der Besucher ausfallen muß. Ich darf sagen, daß die
Besucher in Melk dann noch einmal gekommen sind, um sich dieses Erlebnis nicht entgehen zu lassen.
Trotz verhältnismäßig geringer Mittel - ich darf das sagen, weilt ich aus der Betreuung dieser Sparte sehr
viel Erfahrung sammeln konnte - können wir auf eine wirklich erfolgreiche Leistung und auf einen
ausgezeichneten Besuch hinweisen. Es werden immer mehr Besucher gezählt, die uns überraschen. Und
noch eines: Trotz der verhältnismäßig geringen finanziellen Mittel haben wir, wenn man den Aufwand
anderer Festspielveranstaltungen oder Sommerspielveranstaltungen kennt, auch die beste Kritik von den
zuständigen Fachkräften bekommen.
Ich glaube, wir müssen uns eines vor Augen halten - und das darf ich in Richtung Kulturreferat sagen: Wir
sollten uns eine weise, Beschränkung auferlegen. Den Kulturwert einer Verwaltung sollte man nicht in der
Anzahl der Aktivitäten sehen, sondern in seinem wahren und wirklichen Wert. Ich möchte hier kein
Bestreben diskreditieren, ich glaube aber, daß es langsam Mode wird, dass jeder Ort sich berufen fühlt,
Festspiele zu veranstalten. Ich glaube, man sollte nunmehr von anderen Bundesländern lernen, die sich
eine weise Beschränkung auferlegen und ihre Mittel konzentriert eingesetzt haben. Der Größe unseres
Bundeslandes entsprechend können wir ruhig bei 3 Orten bleiben. Die Mittel sollten raumorientiert
eingesetzt werden aus der Überlegung heraus, daß man Vollwertiges nicht gleich auf X-beliebigen
Spielplätzen leisten kann. Ich möchte sagen, wenn wir mit einer Reihe anderer Bundesländer Schritt
halten wollen, dann sind noch verstärkte Mittel des Landes notwendig, vor allem aber mehr
Förderungsbeiträge von Seiten des Bundes, der uns auf diesem Gebiete bisher noch nicht in
befriedigendem Ausmaß gefördert und unterstützt hat. Es ist etwas anderes, wenn ich den großzügigen
Entschluß hinsichtlich Mitfinanzierung zur Wiederherstellung der Schallaburg sehe. Hier hat der Bund
einen beachtlichen Beitrag zugesagt, aber auf dem Gebiete der Sommerspielveranstaltungen, auch auf
dem Gebiete der Förderung des Theaterwesens dürfen wird den Appell richten, daß die
Landesverwaltung alles daran setzt, damit wir von den Bundesstellen mehr als bisher unterstützt werden.
Ich möchte mir daher erlauben, dem Hohen Haus einen Resolutionsantrag vorzulegen (liest):
„Die niederösterreichischen Theater und Sommerspiele, so insbesondere in Melk, Baden und Stockerau,
haben sich, trotz der Schwierigkeiten vor allem finanzieller Natur, zu einem bedeutenden Faktor des
kulturellen Lebens in Niederösterreich entwickelt. Im Interesse einer fruchtbaren Weiterentwicklung wird
die Landesregierung aufgefordert, bei der Bundesregierung, vornehmlich beim Bundesministerium für
Unterricht, vorstellig zu werden und zu erwirken, daß für die Unterstützung der genannten kulturellen
Einrichtungen mehr Mittel als bisher zur Verfügung gestellt werden.”
Ich habe nicht vor, mich zu den einzelnen Fragen noch intensiver auszusprechen und vielleicht alle diese
Probleme bis ins letzte Detail zu untersuchen. Dazu fehlt es an der Zeit, und es würde vielleicht auch
ermüdend wirken.
Ich glaube aber, daß wir auch heute einen Grund haben, eine sehr zufriedene Feststellung zu treffen. Ich
habe in den letzten Tagen die neuadaptierten Räume der Landesbibliothek in der Teinfaltstraße
besichtigt. Es ist gelungen, für die Landesbibliothek eine ausgezeichnete Lösung zu finden. Wer die alte,
die historischen, die traditionsreichen Räume gekannt hat, der weiß, wie unzulänglich die
Landesbibliothek trotz ihres reichhaltigen Bestandes - auch vom Stadtpunkt der Wissenschaft aus
reichhaltig - untergebracht war.
Heute ist die Landesbibliothek in einer Art ausgestaltet, daß wir sagen können: Damit hat das Land ein
gutes Beispiel moderner Kulturförderung gegeben. Das ist eine gute Visitenkarte Niederösterreichs und
ein großer Vorteil auch für die Wissenschaft und vor allem für die Studenten der nahen Universität. Die
niederösterreichische Landesbibliothek birgt so viele Schätze, daß viele Studenten der Universität immer
wieder im Zuge ihres Studiums zu diesen Quellen pilgern.
Ich glaube, es ist auch für den in Pension gehenden Leiter der Landesbibliothek, für Herrn Hofrat König,
eine Genugtuung, dass im letzten Jahr seiner verdienstvollen Tätigkeit ein langjährig gehegter Wunsch
von ihm in Erfüllung gegangen ist.
Einem wertvollen Faktor des Landes Niederösterreich sind nun adäquate Räume zur Verfügung gestellt
worden. Ich lade alle Kollegen des Hohen Hauses ein, sich Zeit zu nehmen und den Bibliothekaren die
Freude zu machen, sie bei ihrer Arbeit in diesen neuen, schönen Räumen zu besuchen.
Es bleibt dazu ein Wunsch bestehen. Ich habe darüber schon öfters gesprochen. Ich könnte schon auf
verschiedene Debatten in der Vergangenheit hinweisen. Bei dem Wunsche handelt es sich darum, daß
nunmehr auch das Landesarchiv eine moderne Unterbringung erfahren möge. Es ist ein erstrebenswertes
Ziel, daß die erforderlichen Mittel tatsächlich zur Verfügung gestellt werden. Ich möchte nun zu einer
Sache sprechen, die mit diesem Kapitel nicht direkt zu tun hat. Ich bitte um Entschuldigung, ich weiß das.
Der Voranschlagsansatz findet sich eigentlich bei der Gruppe 0. Aber dem Inhalte nach muß man darüber
doch, glaube ich, bei der Kulturdebatte sprechen. Und zwar möchte ich den Redakteuren der
„Niederösterreichischen Kulturberichte” ein anerkennendes Wort sagen. Diese Niederösterreichischen
Kulturberichte” machen von sich reden. Sie sind weit mehr als nur eine Berichtesammlung über
niederösterreichische Kulturveranstaltungen und Kulturaktivitäten.
Diese ,,Niederösterreichischen Kulturberichte“ haben sich zu einer sehr zielbewußten wissenschaftlichen
Dokumentation der geistigen und kulturellen Probleme unseres Landes entwickelt. In ihnen werden auch
soziologische und Wirtschaftsfragen behandelt, wird Kultur im weitesten Sinne gesehen. Auch die
Themen der Sozialwissenschaft finden in den „Niederösterreichischen Kulturberichten“ Eingang.
Ich möchte nicht versäumen, auch auf die sehr interessante soziologische Untersuchung über den
niederösterreichischen Landtag hinzuweisen. Diese wissenschaftliche Arbeit gibt auch den politischen
Kräften dieses Landes einen sehr guten Einblick und sehr viel Stoff zu Überlegungen für die Zukunft.
Ich möchte mich also bei den Redakteuren der „Niederösterreichischen Kulturberichte” für diese
ausgezeichnete Arbeit sehr herzlich bedanken. Es wird hier ein wertvoller Beitrag zum
niederösterreichischen Kulturgeschehen geleistet, vor allem für die Fachwelt, die unsere Kulturarbeit nach
solchen Erscheinungen beurteilt.
Ich habe in einem anderen Zusammenhang darauf hingewiesen, daß wir das Land ohne Hauptstadt und
auch ohne zentrales Landestheater sind. Wir sind darüber hinaus auch ein Land ohne Universität, ohne
Hochschule. Wien ist auch für uns unbestrittenermaßen die Universitätsstadt. Wir haben hier nicht nach
kleinlichen Verfassungs- oder Verwaltungsgrenzen zu urteilen, sondern wir haben die historische
Entwicklung und haben den größeren Raum, die größere Region zu sehen. Wir haben keine geistige
Kirchturmpolitik zu betreiben, sondern wir haben den historischen Entwicklungen Rechnung zu tragen.
Unsere Hochschulen, unsere Universitäten sind nun einmal in Wien, und wir sollten nicht in den falschen
Ehrgeiz verfallen, auch noch den Ruf nach einer eigenen niederösterreichischen Universität zu erheben,
weil dadurch die Bundesstellen zweifellos überfordert wären. Ich glaube sogar, daß gar keine
Notwendigkeit gegeben ist.
Gestern hat Kollege Reischer auf den Beitrag verwiesen, den Niederösterreich für die leichtere
Unterbringung der Studenten auf Wiener Boden in den verschiedenen Studentenheimen leistet. Das ist,
glaube ich, die richtige Förderungspolitik. Aber eine Forderung sollten wir erheben, und diese Forderung
sollten wir auch an die Bundesstellen herantragen: Trotz allem könnten verschiedene Hochschulinstitute
auf niederösterreichischem Boden ihren Platz und ihre Heimat finden. Gewisse Einrichtungen sind ja
schon auf diesem Gebiete vorhanden.
Ich darf darauf verweisen, daß die Hochschule für Bodenkultur in Großenzersdorf eine Versuchswirtschaft
unterhält, daß die Tierärztliche Hochschule Versuchswirtschaften in Kremesberg, in Mettau, in Haidlhof
und in Rehgras unterhält, daß die Universität Wien nunmehr in die Lage versetzt wird, eine der
modernsten Sternwarten Europas zu beziehen, die Leopold-Figl-Sternwarte auf dem Mitterschöpfl, die wir
gebäudemäßig, ohne Einrichtung natürlich, der jubilierenden Wiener Universität zum 600. Geburtstag als
Geburtstagsgeschenk gewidmet haben. Das ist die erste echte Außenstelle der Universität, und sie
entspricht einem modernen Institut auf niederösterreichischem Boden. Auch die Akademie der
Wissenschaften unterhält in Lunz am See ein Institut, und sie ist im Begriffe, in Krems ein ähnliches
Institut einzurichten. Das Land Niederösterreich führt Verhandlungen mit den Bundesstellen, damit die
Sportstätten in der Südstadt zu einer Bundessportschule oder zu einer Bundessportakademie ausgebaut
werden. Hier sind der sportlichen Entwicklung große Chancen gegeben. Wir sollten uns aber damit noch
nicht begnügen.
Ich habe deshalb davon gesprochen, weil es sich, Herr Landesrat, um Institute oder um Einrichtungen der
Hohen Schulen handelt. Ich weiß schon, daß die Sportförderung rein kapitelmäßig in die Gruppe 5 fällt.
Aber wenn man von Hochschulinstituten spricht, muss man zweifellos auch diese Einrichtungen
erwähnen.
Ich halte es also für zweckmäßig, die Landesregierung aufzufordern, daß das Land um Wien - aber nicht
nur die engere Umgebung von Wien, sondern auch gewisse Zentralorte, regionale Mittelpunkte untersucht wird, ob es sich nicht für die Errichtung von Instituten der Hohen Schulen eignet. Im Hinblick
auf die großen Anstrengungen, die andere Bundesländer und Landeshauptstädte unternehmen, möchte
ich folgenden Resolutionsantrag stellen (liest):
„Die Landesregierung wird aufgefordert, bei der Bundesregierung, insbesondere beim Bundesministerium
für Unterricht, vorstellig zu werden und dahin zu wirken, daß bei der Wahl von Standorten für Universitätsund Hochschulinstitute auf Niederösterreich besonders Bedacht genommen wird, wobei auch seitens des
Landes die im Gegenstand möglichen Förderungen zu erwägen sind."
Ich darf bitten, daß das Hohe Haus diesem Antrag die Zustimmung gibt.
Ich möchte nicht auf die Ausführungen Von Kollegen über das Kapitel Kultur und Volksbildung replizieren,
jedoch möchte ich feststellen, daß ich mit den Ausführungen des Kollegen Stangl auf weiten Teilen einer
Meinung bin. Es ist sicherlich widersinnig, wenn Gebietskörperschaften, ob das nun Bund, Land oder
Gemeinden sind! irgendwelche Kulturinstitutionen durch Subventionen fördern, und dann kommt das
Finanzamt und hebt einen Teil dieser Subvention jn Form von Steuern ein. Ich glaube auch, daß hier
Härten im Umsatzsteuergesetz aufscheinen, die überprüft gehören, weil es widersinnig ist, auf der einen
Seite zu fördern und auf der anderen zu nehmen. Vor allem ist das aber einseitig, weil sich das nur der
Bund leisten kann. Wir dürfen nur fördern, desgleichen die Gemeinden.
Es gehört also diese Frage ernst und sachlich geprüft. Ich glaube, es war überflüssig, so nebenbei einen
oppositionellen Seitenhieb auf die monocolore Bundesregierung auszuteilen. Ich darf sagen, bleiben wir
auch hier sachlich. Wenn Sie die Summen des Kulturbudgets für 1969 ansehen, dann müssen Sie
feststellen, daß es in Osterreich noch nie ein so hohes Kultur- und Unterrichtsbudget gegeben hat wie für
1969. Daß es nicht für alle Wünsche genügt, darüber gibt es keinen Streit. Ich würde mich glücklich
schätzen, wenn wir einmal feststellen könnten, daß wir auf diesem Gebiete wunschlos glücklich sind. Aber
auch hier muß man mit dem Möglichen rechnen. Zur Kulturarbeit und zur Förderung der schönen Künste
gehört Geld. Man wäre fast versucht, nach Mdntecuccoli zu sagen: Geld, Geld und wiederum Geld. Ich
bin überzeugt, dass vor derselben Aufgabe auch jene kunstbegeisterten Mäzene gestanden sind, die
einmal diesen herrlichen Landtagssaal schaffen ließen.
Darf ich zum Abschluß noch eine grundsätzliche Bemerkung anschließen. In einer an materiellen Gütern
nicht armen Zeit, in einer Wohlstandsgesellschaft, die in weiten Bereichen keinen Mangel leidet - ich weiß
schon, daß es trotzdem immer noch Bedürftige gibt, aber der Wohlstand hat heute einen so weiten Kreis
unserer Gesellschaft erfaßt, dass man doch von einer Wohlstandsgesellschaft sprechen kann, es ist
gestern in irgendeiner Rede darauf hingewiesen worden, ich glaube, es war Herr
Landeshauptmannstellvertreter Dr. Tschadek -, melden sich immer wieder kritische Kräfte, die mit dieser
Entwicklung unzufrieden sind; es meldet sich vor allem die Jugend, die gegen die Sattheit, gegen den
Wohlstand rebelliert, die gegen das Ethablisment ankämpft, um bei einem zeitgemäßen Wort zu bleiben.
Es gibt vor allem in der studierenden Jugend Revolten. Meine sehr geehrten Herren der Linken, Sie sind
als erste Zeugen geworden, als sich diese neue Linke gerade bei den Veranstaltungen am 1. Mai am
Rathausplatz besonders lautstark zu Wort gemeldet hat. Es ist richtig, meine Herren:
Daß auch diese Entwicklung bei uns in Österreich so wohltemperiert verlaufen ist, ist eben wieder einmal
österreichisch. In Österreich sind die Extreme nie so extrem wie anderswo, und wir dürfen uns daher
glücklich schätzen. Selbst Revolutionen sind in Österreich meist humaner verlaufen - ich hoffe, Sie
verstehen mich jetzt nicht schlecht – als anderswo. Es liegt in der österreichischen Mentalität, nicht immer
im Extrem zu leben.
Aber trotzdem, glaube ich, beweist diese Entwicklung, daß es hier geistige Krisen gibt und daß vor allem ich möchte nicht auf Fachliteratur hinweisen, auf Zeitschriften, die auch in Osterreich erscheinen - auch
der Bereich der Gesellschaft der Linken von dieser Unzufriedenheit erfaßt ist. Wir sollten daraus auch
einiges für unsere Kulturpolitik ableiten.
Wem wir die Jugend als kritischen Faktor sehen und als kritischen Faktor beurteilen, so zeigt sich, daß
das Materielle allein der Menschen nicht befriedigt. Ich glaube, es ist das Gute an dieser Entwicklung, daß
der Mensch nach mehr verlangt als nur nach materiellen Vorteilen und nach materiellen Gütern. Der
menschliche Geist erhebt sich weit darüber hinaus. Wir sollten versuchen, immer wieder auch Aktivitäten
zu suchen und zu finden, die vor allem die jungen Kräfte dieses Landes ansprechen und sie mitaktivieren,
denn dann erst, meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses, glaube ich, ist unsere
Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik, ist auch unsere Kulturpolitik als Förderungsaufgabe auf dem richtigen
Weg, wie es diesem Land auch entsprechend ist. (Beifall bei der ÖVP.)
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Zum Wort kommt Herr Landesrat Kuntner.
LANDESRAT KUNTNER: Hohes Haus! Als Kulturreferent des Landes steht mir natürlich auch die
Ehrenpflicht zu, für die Wohlmeinung, die aus all den Reden der geschätzten Vorredner herausgeklungen
ist, herzlichst zu danken und die Vorschläge, 'die Sie gemacht haben, auch zu würdigen. Gestatten Sie
mir daher, zu einigen Dingen auch das Wort zu ergreifen.
Die Mietverträge mit unseren Außenstellen der Sammlungen sind natürlich beschränkt abgeschlossen
worden, tragen in sich aber doch immer die Möglichkeit der Verlängerung, weil die Verwertung dieser
Objekte auch für den Besitzer nur beschränkt ist und weil die Objekte wieder nur für museale Zwecke
geeignet sind. Ich bin besonders dem Abg. Stangl für den Antrag dankbar, die Musikschulen endlich auch
von der Umsatzsteuer zu befreien, um so den Widersinn, daß der Bund auf der einen Seite mehr
wegnimmt, als er gibt, zu beseitigen. Ich darf besonders auch dem Abg. Scheidl für seinen Vorstoß
hinsichtlich des Hanak-Museums danken. Wir vom Kulturreferat beschränken uns in unserer
Sammeltätigkeit selbstverständlich nur auf niederösterr. Dinge, d. h., das Kulturreferat will in dieser
Hinsicht weder dem Bund noch anderen Bundesländern Konkurrenz machen; aber die Bindung Hanak's
zu Niederösterreich ist so groß, daß es tunlich erscheint, seine Schöpfungen für das Land
Niederösterreich zu sichern. Die Verhandlungen sind seit Jahren im Gange, eine provisorische
Unterbringung der Objekte ist bereits durch die Marktgemeinde Langenzersdorf eingeleitet. Es werden
auch weiter die Verhandlungen geführt - sie sind bereits sehr weit gediehen -, daß wir in den Besitz dieser
Kunstgegenstände kommen, für, die die Gefahr besteht, daß sie in die Hände von Ausländern kommen
und dadurch abwandern. Ich danke auch für die Unterstreichung, dass wir vor allem für die Volksbildung
zu wenig Geld bekommen haben und daß hier mehr Mittel, als im Voranschlag aufscheinen, gebraucht
werden, besonders deshalb – bitte mißverstehen Sie mich nicht, das ist nur eine objektive Feststellung -,
weil wir vom Bund leider zu wenig dafür bekommen. Das betrifft sowohl die Tonkünstler als auch die
Volksbildungseinrichtungen selbst. Ich begrüße daher den Antrag des Herrn Abgeordneten Stangler, an
den Bund heranzutreten und mehr Mittel für unsere kulturellen Maßnahmen zu fordern.
Er hat damit bestätigt, was such mein Freund Grünzweig hinsichtlich der Mittel für die Volksbildung gesagt
hat.
Nun noch ein Wort zum Landestheater. Als ich das Kulturreferat übernahm, gingen meine Bemühungen
dahin, ein Landestheater zu schaffen, das heißt mit anderen Worten, die beiden bestehenden Bühnen
Baden und St. Pölten in ihrer Tätigkeit zu koordinieren. Es sollten in einem Theater die Proben für den
musikalischen Teil, vor allem für die Operette, in dem anderen für die Sprechstücke vorgenommen
werden. Es sollte gegenseitig nicht nur eine Bespielung, es sollte auch ein Austausch der Premieren
erfolgen, so daß keiner der Orte zu kurz käme. Wir haben damals gemeint, daß wir auch die übrigen
Städte zu einer Art Zyklus gewinnen können, aber jede der Städte hat geglaubt, ein besseres Theater
bekommen zu müssen, und das noch dazu billiger; das ist natürlich ein Widerspruch in sich, und daran
sind die ersten Verhandlungen gescheitert. Es wurde bereits erwähnt, daß die Renovierung des
Stadttheaters St. Pölten ein willkommener Anlaß war, nun neuerlich diese Verhandlungen aufzunehmen,
die dann unter dem Vorsitz des Herrn Landeshauptmannes fortgeführt wurden. Die wiederholten
Besprechungen haben aber doch nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt. Es wurde vereinbart, daß
man nun versuchsweise doch noch einmal die Erfahrungen vor allem hinsichtlich des neuen Betriebes in
St. Pölten sammelt und daß man sich dann zusammensetzt, um neu zu verhandeln. Ich werde wieder an
die interessierten Kräfte appellieren, damit es doch gelingt, eine solche Theatergemeinschaft zu
erreichen.
Zu dem Appell, hinsichtlich der Festspiele eine weise Beschränkung vorzunehmen, darf ich bemerken,
daß wir uns bei den Fest- oder Sommerspielen auf Baden, Melk und Stockerau beschränkt haben. Dies
aus der Überlegung heraus, daß gewisse Gebiete versorgt werden müssen; Baden kommt für das
südliche Gebiet, also das Viertel unter dem Wienerwald, Melk für das westliche und Stockerau für das
nördliche Gebiet in Frage. Die Besucherzahlen haben bestätigt, daß diese Ortswahl günstig war. In Baden
war die beste Gelegenheit durch die Sommerarena gegeben, in Melk durch den herrlichen Gartenpavillon
und in Stockerau durch den Platz vor der Kirche, der geradezu meisterhaft eine Kulisse ersetzt. Darüber
hinaus sind zwei kleine Künstlergruppen tätig gewesen, die - das wurde bereits erwähnt - mit einem
geringen Beitrag unterstützt wurden, weil es sich hier uni Darbietungen gehandelt hat, die von einem
solchen Niveau waren, daß sie auch unterstützungswürdig erschienen. Die Spiele in Laxenburg sind
mittlerweile wegen Durchführung von Ausstellungen nicht möglich gewesen. Daß darüber hinaus trotzdem
solche Sommerspiele, oder wie sie auch genannt werden - es gibt hier ja keinen Titelschutz -, unterstützt
werden müssen, ist klar. Ich denke nur an die Laienspiele in Waidhofen/Ybbs, an die Passionsspiele von
Kirchschlag und an die Spiele in Zwettl, die jetzt zeitweise aussetzen. Es bedarf keiner besonderen
Aufforderung; unsere Meinung liegt hier immer auf der Selektion, das ist auch bei Museen so. Wir fördern
nicht jedes x-beliebige Heimatmuseum, sondern nur Zweckmuseen, wenn es geht lokale Museen von
besonderer Bedeutung, und ansonsten die kleinste Form, das Bezirksmuseum. Ich danke auch dafür,
dass man auch auf das Archiv nicht vergessen hat.
Daß die Bibliothek nun eine schöne und zweckmäßige Unterkunft -- allerdings mit einigen Schwierigkeiten
- erhalten hat, sei dankbar und anerkennend festgestellt. Wir sind auch bestrebt, für das Archiv Sorge zu
tragen, nur werden uns vorläufig für dieses Beginnen die Mittel noch verwehrt. Selbstverständlich ist das
Land bereit - die Landesregierung hat das wiederholt bewiesen -, Institute von Hochschulen in
Niederösterreich zu lokalisieren, um neben dem einzigen hochschulmäßigen Institut, das wir schon immer
hatten, der Militärakademie, nun doch auch hochschulmäßige Institute in das Land zu bekommen, die
natürlich nicht von so übermäßiger Bedeutung sein können.
Ebenso anerkennend wurde festgestellt - ich darf das nur unterstreichen -, daß die „Kulturberichte" in der
neuen Form eine willkommene und wertvolle Ergänzung der Arbeit des Kulturreferates darstellen und vor
allem als Sprachrohr des Kulturreferates sehr wertvolle Dienste leisten; dafür danke ich ganz besonders.
Der Herr Abgeordnete Stangler hat mit seinen Anträgen, daß mehr Bundesmittel zur Verfügung gestellt
werden müssen, doch seinen eigenen Worten widersprochen, indem er zuerst gesagt hat, es sind
genügend Mittel vorhanden. Es ist eben nicht so; die Mittel sind bescheiden. Wir werden nie wunschlos
sein, das ist klar. Wenn Sie aber überlegen, dass die Steigerung der Mittel, die dem Kulturreferat zur
Verfügung stehen, 0,01 Prozent aus- macht, muß festgestellt werden, daß Niederösterreich noch immer
am relativ wenigsten von allen Bundesländern für Kulturzwecke verwendet. Trotzdem darf man mit
Befriedigung und Stolz feststellen, daß die kulturellen Leistungen Niederösterreichs wie keine andere
Sparte unserem Lande zu Ansehen verholfen haben. Ich weiß, daß diese Leistungen natürlich nicht allein
möglich gewesen wären, daß eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem Fremdenverkehrsreferat besteht wofür ich Herrn Landeshauptmannstellvertreter Hirsch immer wieder dankbar bin -, daß auch das
Straßenreferat unter Umständen mittun müßte.
Wenn Sie sich nochmals an die großen Erfolge unserer Ausstellungen erinnern, so werden Sie erkennen,
daß auch die Ausstellung in Laxenburg in ihrer Art immerhin ein beachtlicher Erfolg ist. Es gab keinen
geeigneteren Ort für die Abhaltung der Ausstellung, als Laxenburg, denn das Thema hieß „Romantik und
Realismus", und es gibt keinen romantischeren Ort in Niederösterreich als Laxenburg - denken Sie an die
Franzensburg oder etwa an den Park. Es ist ja eines der Geheimnisse des Erfolges unserer großen
Ausstellungen, daß wir sie immer in jener Umgebung eingerichtet haben, die Bedeutung und Sinn der
Ausstellung in besonderer Weise unterstrichen haben. So ist auch der Erfolg in Laxenburg entsprechend
dem Thema gut gewesen. Wir hatten aber auch mit den kleineren Ausstellungen – ich erinnere zum
Beispiel an die Insektenausstellung - sensationelle Erfolge etwa in Graz und selbst in Dornbirn. Wir sind
auch mit unserem Naturpark und den sonstigen Kulturmaßnahmen tatsächlich an der Spitze, und es ist
uns gelungen, das Musikwesen in Niederösterreich auf eine Höhe zu bringen, die durch lange Zeit nicht
zu verzeichnen war. Ich möchte nicht sagen, daß es keine Zeit gegeben hat, in der soviel Musik gemacht
wurde, denn ich erinnere mich, daß früher in jedem oder fast jedem Haus eine Geige, ein Klavier oder ein
sonstiges Instrument zu finden waren. (Abg. Stangler: Die gibt es dort vielleicht auch heute noch, aber
spielen kann niemand mehr!)
Das ist eine andere Sache. Ich darf aber sagen, daß trotz der bescheidenen Mittel, die dem Kulturreferat
zur Verfügung stehen, Außerordentliches geleistet wurde. Wir haben wesentlich dazu beigetragen, die
Visitenkarte des Landes Niederösterreich besonders attraktiv zu gestalten. Das war nur möglich, weil wir
hervorragende Fachkräfte zur Verfügung haben, die auch internationale Anerkennung gefunden haben
und als Professoren an verschiedenen Universitäten tätig sind. Darüber hinaus haben wir eine große Zahl
ehrenamtlich in der Kultur tätiger Menschen, denen - ich glaube, es ist notwendig, das zu sagen - von
dieser Stelle aus öffentlich für ihre selbstlose und aufopfernde Hingabe an die hohen Ziele unserer
Kulturarbeit gedankt werden muß. (Allgemeiner Beifall.)
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Die Rednerliste ist erschöpft, der Berichterstatter hat das Schlußwort.
Berichterstatter Abg. ANZENBERGER: Ich verzichte.
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Zur Abstimmung liegen vor die Gruppe 3, Kulturwesen, und die
Resolutionsanträge der Herren Abg. Grünzweig, Stangl und Stangler. Ich bitte den Herrn Berichterstatter,
seinen Antrag zur Gruppe 3, Kulturwesen, ordentlicher und außerordentlicher Voranschlag, zu stellen.
Berichterstatter Abg. ANZENBERGER: Hohes Haus! Ich stelle den Antrag, die Gruppe 3, Kulturwesen, mit
Einnahmen im ordentlichen Voranschlag von 270.000 Schilling und Ausgaben von 50,490.000 Schilling
sowie Ausgaben im außerordentlichen Voranschlag in Höhe von 800.000 Schilling zu genehmigen.
Ich ersuche den Herrn Präsidenten, die Abstimmung zur Gruppe 3 durchzuführen.
DRITTER PRÄSIDENT REITER (nach Abstimmung über Gruppe 3, Kulturwesen, des ordentlichen und
außerordentlichen Voranschlages in Erfordernis und Bedeckung): Angenommen.
Ich bitte nun um Verlesung der Resolutionsanträge.
(Nach Abstimmung über den Resolutionsantrag des Abg. Grünzweig, betreffend eheste Vorlage des
Entwurfes eines Volksbildungsfinanzierungsgesetzes im Nationalrat und Weitergewährung der für das
Volksbildungswesen vorgesehenen Mittel mindestens in der bisherigen Höhe): Angenommen.
(Nach Abstimmung über den Resolutionsantrag des Abg. Stangl, betreffend Umsatzsteuerbefreiung für
von Gemeinden geführte Musikschulen, die das Öffentlichkeitsrecht nicht besitzen): Angenommen.
(Nach Abstimmung über den Resolutionsantrag des Abg. Stangler, betreffend die Bereitstellung von mehr
Bundesmitteln für die niederösterreichischen Theater und Sommerspiele, insbesondere in Melk, Baden
und Stockerau): Angenommen.
(Nach Abstimmung über den Resolutionsantrag des Abg. Stangler, betreffend besondere Bedachtnahme
auf Niederösterreich bei der Wahl von Standorten für Universitäts- und Hochschulinstitute): Angenommen.
DRITTER PRÄSIDENT REITER: Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, Abg. Anzenberger, zur Gruppe
4, Fürsorgewesen und Jugendhilfe. ordentlicher und außerordentlicher Voranschlag, zu berichten.
Berichterstatter Abg. ANZENBERGER: Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die
Gruppe 4, Fürsorgewesen und Jugendhilfe, sieht ordentliche .Ausgaben in Höhe von 287,699.000
Schilling vor. Die entsprechenden Einnahmen hiezu betragen 188,822.000 Schilling. Das sich hieraus
ergebende Nettoerfordernis beträgt 98,877.000 Schilling. In dieser Gruppe sind Ausgaben und
Einnahmen für die offene Fürsorge, für die geschlossene Fürsorge, für sonstige Wohlfahrts- und
Fürsorgemaßnahmen, Einrichtungen des Fürsorgedaseins Jugendhilfe und Einrichtungen der Jugendhilfe
und der Fürsorgeerziehung vorgesehen.
(Zweiter Präsident Sigmund übernimmt den Vorsitz.)
Die Summe der Ausgaben stellt 8,57 Prozent des Gesamtaufwandes dar, während sie im Vorjahr 8,89
Prozent betrug. Die Gruppe zeigt Mehrausgaben von rund 19,3 Millionen Schilling. Hievon betreffen den
Personalaufwand rund 7,3 Millionen Schilling und den Sachaufwand rund 12 Millionen Schilling.
Neu in den Voranschlag wurden aufgenommen die Voranschlagsansätze 447-68, Subventionierung von
Behindertenhilfeorganisationen mit 80.000 Schilling, und 447-69, Investitionsbeihilfen an private
Behindertenhilfe - Einrichtungen mit einem Erfordernis von 1 Million Schilling. Weitere bedeutende
Erhöhungen des Sachaufwandes waren notwendig bei der Eingliederungshilfe in der Höhe von 1,9
Millionen Schilling, beim Pflegegeld mit 2,8 Millionen Schilling, bei den Verpflegskosten in den LandesFürsorgeheimen mit 2 Millionen Schilling und bei den Kosten für die Unterbringung von Kindern und
Jugendlichen in Heimen mit ?,2 Millionen Schilling. Die Kosten für die Anstaltsunterbringung von
Geisteskranken, Geistesschwachen und Epileptikern zeigen eine Senkung um 2 Millionen Schilling.
Die Einnahmen weisen eine Steigerung rund 23,5 Millionen Schilling auf. Sie ist auch die Erhöhung der
Verpflegskosten und Verpflegskostenersätze zurückzuführen.
Die Gruppe 4 hat drei zweckgebundene Einnahmenvoranschlagsansatze. Die Erfahrung hat gezeigt, daß
sich bei der Veranschlagung der Kosten der Landesanstalten dadurch Schwierigkeiten ergeben, daß die
der Veranschlagung zugrunde gelegten Belagsziffern meist niedriger sind als die tatsächlichen. Es
erscheint daher notwendig, das Ausgabevolumen der Anstalten den Eingängen an Verpflegskosten
anzupassen und die Bewilligung zu erteilen, daß die Ausgabenvoranschlagsziffern der Landesanstalten
insoweit überschritten werden dürfen, als sich Mehreinnahmen bei den Verpflegskosten ergeben.
Aus gebarungstechnischen Gründen wären in dieser Gruppe einige Voranschlagsansätze als gegenseitig
deckungsfähig zu erklären. Die außerordentlichen Ausgaben der Gruppe 4 betragen 2,800.000 Schilling.
Ich ersuche den Herrn Präsidenten, die Verhandlungen zur Gruppe 4 einzuleiten.
ZWEITER PRÄSIDENT SIGMUND: Zum Wort gelangt die Frau Abg. Körner.
Frau Abg. KÖRNER: Hohes Haus! Wenn sich der Hohe Landtag in der vorhergehenden Gruppe mit
Museen und Archiven beschäftigt hat, so müssen wir uns in der Gruppe 4 mit den Menschen, den jungen
und alten hilfsbedürftigen Menschen, beschäftigen. Es gibt auch im heutigen sogenannten
Wohlfahrtsstaat noch immer eine Reihe von Menschen, die ohne ihr Verschulden im Schatten des
Wohlstandes stehen und der Hilfe der öffentlichen Fürsorge bedürfen. Das Jugendwohlfahrtsgesetz hat
die Aufgabe, Minderjährigen die notwendige Fürsorge zur körperlichen, geistigen, seelischen und auch
sittlichen Entwicklung zu gewähren.
Insbesondere sieht es Maßnahmen zur Behütung, zum Schutze des Lebens, zur Bewahrung vor
körperlicher und seelischer Mißhandlung, zur Erhaltung der Gesundheit sowie zur Beschaffung des
notwendigen Unterhaltes vor. Ich möchte noch besonders auf die Schulkinderfürsorge und
Jugenderholungsfürsorge verweisen. Ferner sind in diesem Gesetz Erziehungsmaßnahmen wie
Pflegeaufsicht, Erziehungshilfe und Erziehungsaufsicht vorgesehen.
In den Erziehungsberatungsstellen des Landes Niederösterreich versuchen Psychologen und
Fürsorgerinnen mit Rat und Tat, die Schwierigkeiten, die aus Entwicklungsstörungen der Kinder
entstehen, zu beseitigen. Eigentumsdelikte und sexuelle Verhaltungsauffälligkeiten sind die Gründe und
Ursachen, weshalb die Erziehungsberatungsstellen aufgesucht werden, Im Jahre 1968 wurden 5500 Fälle
von den Jugendämtern erfaßt. Dahinter steckt, eine Fülle von verantwortungsvoller Arbeit. Diese Arbeit
wird von einem Kinderfacharzt, drei Psychologinnen und zwei Fürsorgerinnen gemeinsam geleistet. In
den meisten Fällen scheint eine Beratung und Aufklärung der Eltern auszureichen, um die
Schwierigkeiten bei der Erziehung der Kinder zu beheben, In Fallen, wo die Entwicklungsstörung der
Kinder schon zu weit fortgeschritten ist, werden Maßnahmen wie Heimunterbringung,
Spezialbehandlungen und schließlich auch die Fürsorgeerziehung empfohlen. Die Statistik der
Erziehungsberatung weist für das Jahr 1968 die Zahl 88 aus. In 88 Fällen wurde also eine tiefgreifende
Maßnahme empfohlen, in 88 Fällen wurde den Eltern die Fürsorgeerziehung geraten.. Ich glaube, daß wir
uns die Frage stellen müssen, ob das wirklich der beste Rat gewesen ist und ob es nicht vielleicht möglich
gewesen wäre, durch andere Maßnahmen die Einweisung in ein Heim zu vermeiden. Aus der Praxis geht
hervor, daß die Eltern nicht immer genau Bescheid wissen und oftmals der Meinung sind, ihr Kind nach
ihrem Gutdünken aus dem Heim wieder herausnehmen zu können. Ich frage nun, werden die Eltern von
den Beamten der Jugendämter immer richtig informiert oder erfolgt die Einweisung in die
Fürsorgeerziehung und die Beantragung beim Pflegschaftsgericht nicht manchmal etwas zu rigoros? Ich
glaube, daß ein schlechter Schulfortschritt allein kein Einweisungsgrund in ein Heim sein soll, noch dazu,
wo wir ja wissen, daß die Heimplätze sehr knapp sind. Die Zahl der in die Fürsorgeerziehung
eingewiesenen Kinder und Jugendlichen steigt von Jahr zu Jahr an. Die Ursachen dieser Entwicklung
sind, glaube ich, uns allen bekannt. Wir wissen von den sogenannten Schlüsselkindern, die es nicht nur in
der Stadt, sondern auch auf dem Lande gibt, wir wissen, daß viele Kinder den ganzen Tag sich allein
überlassen sind, da sie oftmals von den Eltern vernachlässigt werden oder aber auch körperlichen und
seelischen Mißhandlungen ausgesetzt sind. Wir alle kennen diese Probleme, die zur seelischen oder
sittlichen Verwahrlosung der Kinder führen können, und ich glaube daher, daß die Beratungsdienste
immer mehr an Bedeutung gewinnen werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf die kürzlich in Perchtoldsdorf stattgefundene
gesundheitspolitische Konferenz der SPÖ verweisen, Bei dieser Humankonferenz hat Herr Univ. Prof. Dr.
Hans Schäler vom Psychologischen Institut der Universität Heidelberg auch über das Thema „Krankheit
und Gesellschaft" einen Vortrag gehalten. Unter anderem hat er als besonders wichtige Quelle für die
Entstehung von Krankheiten gesellschaftlicher Natur die Einflüsse auf den Menschen in den ersten
Lebensjahren bezeichnet. Herr Prof. Schäfer führte aus, daß in den ersten Lebensjahren die Vorbringung
des Menschen erfolgt, die das Verhalten zu seiner Umwelt lebenslang und nahezu unwiderruflich
bestimmt. Kriminalität, Leistungsschwäche, Neurose, insbesondere aber Schwierigkeiten in den
zwischenmenschlichen Beziehungen sind auf das engste mit den Prägungsfaktoren durch die Familie
verknüpft.
Ich bin der Meinung, daß dem Erziehungssystem und auch der öffentlichen Jugendwohlfahrtspflege
besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist und. daß diese überall dort eingreifen soll und muß, wo der
einzelne nicht mehr imstande ist, sich selbst zu helfen. Die Gruppe 4 umfaßt eine Fülle von Aufgaben in
der öffentlichen Jugendwohlfahrtspflege. Ich habe mit Absicht die Tätigkeit der Beratungsdienste
herausgegriffen, weil ich der Ansicht bin, daß man diese verantwortungsvolle Arbeit nicht genug beachten
kann und darauf hinweisen muß, daß man aber umgekehrt auch jenen, die diese Arbeit zu leisten haben,
immer wieder sagen muß, daß bei allen durchzuführenden Maßnahmen der Mensch im Mittelpunkt zu
stehen hat und bei allen Betrachtungen die Menschlichkeit nicht außer acht gelassen werden darf. So
möchte ich auch auf die Heimfürsorgerin verweisen, die nicht nur die minderjährigen Kinder in die Heime
zu überstellen hat, sondern sich auch um deren Weiterentwicklung kümmern muß. Sie hat die Kontakte
zwischen Heim und Schule einerseits und Heim und Eltern andererseits herzustellen und in
Zusammenarbeit mit den Arbeitsämtern dann auch für eine geordnete Berufsausbildung zu sorgen.
Die Polizeifürsorgerin - auch eine solche kennen wir in Niederösterreich - hat für den Verbindungsdienst
zwischen den Polizeidienststellen in Wien und den niederösterreichischen Jugendämtern und für die
Unterbringung der aufgegriffenen Jugendlichen zu sorgen. In den Heimen des Landes und von privaten
Gesellschaften, meistens mit Ordensschwestern, werden die untergebrachten Kinder und Jugendlichen
vom Schulungsalter bis zur Berufsergreifung gut betreut. Es waren dies rund 100 Säuglinge und 1.300
Kinder und Jugendliche. Nicht vergessen darf aber auch die Tätigkeit der Amtsvormünder und die von den
Juristen des Landesjugendamtes geleistete Rechtshilfe werden. 26.474 Amtsvormundschaften und 2.933
bestellte Amtskuratelen sind anhängig. Durch die Jugendämter werden jährlich rund 60 Millionen Schilling
an Alimenten eingebracht. Alles in allem eine Fülle von Arbeit, und ich glaube, wir müssen die Frage
stellen, ob für all die verantwortungsvollen Aufgaben auch das entsprechende Personal vorhanden ist.
Die Hilfe des Landes gilt aber nicht nur den Kindern und Jugendlichen, sondern auch den hilfsbedürftigen
alten Menschen. Dafür stehen in Niederösterreich 30 Bezirksaltersheime, 1 Bezirksrentnerheim und 4
Stiftungsheime zur Verfügung. In den Bezirksaltersheimen und im Bezirksrentnerheim in Tulln waren am
30. September 1968 1.057 Männer und 2.168 Frauen untergebracht, in den 4 Stiftungsalterheimen 237
Pfleglinge. Die Betreuung der alten Menschen ist in der letzten Zeit besonders aktuell geworden. Nicht
zuletzt ist die Ursache dafür der Fortschritt in der Medizin. Auch auf dem Gebiete der Betreuung alter
Menschen hat es die Veränderung der sozialen Verhältnisse mit sich gebracht, daß nicht mehr die
Familie, sondern die öffentliche Hand für den betagten Menschen sorgen muß, weil man in der Familie oft
nicht nur nicht die Zeit, sondern auch nicht den Raum und die Möglichkeit hat, um ihn zu pflegen. Ich
glaube, man muß aber sagen, das Ziel bei der Betreuung der alten Menschen muß sein, ihn zu befähigen,
solange als möglich selbständig zu leben, solange als möglich in der eigenen Wohnung zu bleiben, weil
wir alle wissen, daß die älteren Menschen besonders dann unter dem Milieuwechsel leiden, wenn sie ihr
langjähriges Heim verlassen und zum Beispiel in ein Altersheim übersiedeln müssen. Um den alten
Menschen aber die Führung des eigenen Haushaltes zu ermöglichen, wird es notwendig sein, zum
Beispiel spezielle Altenwohnungen zu bauen, Haushalthilfen einzusetzen oder dafür zu sorgen, daß
Mahlzeiten zugestellt werden. Das Problem der alten Menschen erstreckt sich aber nicht nur auf den
enizelnen in seinem Heim und in der Familie. Wir wissen, daß auch das Problem des erkrankten alten
Menschen uns besonders in den Krankenanstalten Sorge macht, denn der alte Mensch, der bis zu seiner
Gesundung viel mehr Zeit beansprucht, nimmt dem akut Erkrankten praktisch das Bett weg. Ich glaube,
für diese Fälle sollte man rechtzeitig Vorsorge treffen, und zwar sollte man im Anschluß an eine
bestehende Krankenanstalt oder an ein bestehendes Fürsorge- oder Altersheim sogenannte
Pflegeanstalten schaffen. Hiezu ist eine Erhebung der Nö. Landesregierung in der letzten Zeit sehr
interessant. In den niederösterreichischen Krankenanstalten gab es – ich glaube, das ist sogar noch Ende
November oder anfangs Dezember gewesen - 673 chronische Erkrankungen. Wenn wir überleger, daß
diese 673 Betten für die akut Erkrankten in den Krankenanstalten praktisch blockiert waren und dann
noch feststellen, daß der durchschnittliche Verpflegstag in einem Krankenhaus 211.50 Schilling kostet und
im Fürsorgeheim nur 67 Schilling, dann ist das damit ein Beweis dafür, daß es notwendig ist, solche
Pflegestationen für alte Menschen zu errichten.
Für alle diese Aufgaben müssen Mittel bereitgestellt werden, denn es ist Pflicht der Gesellschaft, für den
hilfsbedürftigen Menschen, für den jungen und alten hilfsbedürftigen Menschen, zu sorgen. Entscheidend
bei all diesen Maßnahmen ist aber, daß wir den Menschen sehen und den Menschen in den Mittelpunkt
all dieser Maßnahmen setzen. (Beifall im ganzen Hause.)
ZWEITER PRÄSIDENT SIGMUND: Zum Worte gelangt Herr Abg. Ungersböck.
Abg. UNGERSBÖCK: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses!
Gestatten Sie mir, daß ich zur Gruppe 4, Voranschlagsansatz 447-61 bis 69, zur Zielsetzung des
Niederösterreichischen Behindertengesetzes, folgendes feststelle: Das eigentliche Anliegen des am 1. 10.
1967 in Kraft getretenen Gesetzes über die Hilfe für Behinderte ist die berufliche, soziale Eingliederung
aller Behinderten, die rehabilitationsbedürftig und rehabilitationswillig sind. Sie sollen in die Lage versetzt
werden, ihren Lebensbedarf ganz oder größtenteils aus eigener Kraft zu erwerben, um jene Befriedigung
zu erhalten, welche die Arbeit und das Bewußtsein hervorrufen, sich selbst zu erhalten oder wesentlich
zum Lebensunterhalt beitragen zu können. Das Niederösterreichische Behindertengesetz sieht demnach
als Maßnahme der Behindertenfürsorge die Eingliederungshilfe vor, deren Ziel es ist, für Behinderte durch
Medizin und berufliche Rehabilitationsmaßnahmen, Heilbehandlung, orthopädische Versorgung und
Schulbildung, Hilfe zu erzielen, ihnen bei der beruflichen Eingliederung und zum Lebensunterhalt zu
helfen und sie zu befähigen, in die Gesellschaft und in das Gewerbsleben einzutreten oder ihre Stellung
zu erleichtern und zu festigen. Zur Zeit werden ca. 300 Behinderte in den verschiedensten
Rehabilitationseinrichtungen im gesamten Bundesgebiet Rehabilitationsmaßnahmen zugeführt.
Die Kosten hiefür haben in der Zeit vom 1. Oktober 1967 bis zum 30. September 1968 zirka 5 Millionen
Schilling betragen. In jenen Fällen, in denen eine vollständige berufliche Eingliederung nicht erreicht
werden kann, soll Behinderten die Möglichkeit gegeben werden, unter wettbewerbsgeschützten
Bedingungen in das Erwerbsleben eingegliedert zu werden. Sie sollen im Rahmen der Hilfeleistung durch
geschützte Arbeit eine ihren vorhandenen Fähigkeiten entsprechende produktive Arbeit leisten, ohne
Gefahr zu laufen, auf dem freien Arbeitsmarkt von Nichtbehinderten konkurrenziert zu werden.
Die Hilfeleistung kann darin bestehen, dass mit Hilfe eines Landeszuschusses ein Arbeitsplatz - es kann
auch ein Heimarbeitsplatz sein - mit besonderen Arbeitsgeräten eingerichtet wird oder daß für einen
Arbeitsplatz besondere Arbeitsbedingungen geschaffen werden, durch die die Behinderten in die Lage
versetzt werden, eine ausreichende Arbeitsleistung zu erbringen. Die Hilfe kann aber auch darin
bestehen, daß dem Eigentümer einer Werkstätte mit vorwiegend Behinderten die Möglichkeit geboten
wird, mit Hilfe eines Landeszuschusses bestimmte Gruppen von Behinderten, so unter anderem geistig
Behinderte, produktiv einzusetzen.
Sind bei einem Behinderten die Voraussetzungen von Eingliederungshilfe oder für die Hilfe durch
geschützte Arbeit nicht oder nicht mehr gegeben, so kann eine Betätigung durch Beistellung von Mitteln
oder Einrichtungen zur Erhaltung und Weiterentwicklung der vorhandenen Fähigkeiten sowie zur
Eingliederung in die Gesellschaft ermöglicht werden. Diese als soziale Rehabilitation gedachte
Beschäftigungstherapie soll vorwiegend eine Hilfeleistung zur psychischen Überwindung der Behinderten
darstellen und bezwecken, durch chronische Leiden behinderte Menschen nicht auf die Dauer
ruhigzustellen, sondern sie im Ausmaß der verbliebenen Möglichkeiten zu einer Beschäftigung
anzuregen, in ihrer Selbsthilfemöglichkeit zu fördern und sie in irgendeiner Art in der Gemeinschaft
mittätig werden zu lassen.
Darüber hinaus programmiert das Behindertengesetz als weitere Behindertenmaßnahme die persönliche
Hilfe. Sie soll die psychischen und sozialen Schwierigkeiten bei der Eingliederung der Behinderten
beseitigen oder erleichtern helfen und kann individuell während und nach Durchführung von
Hilfsmaßnahmen durch Beratung des Behinderten in seiner Umwelt über die zweckmäßige Gestaltung
seiner Lebensverhältnisse erfolgen.
Die zuletzt genannten drei Arten von Rehabilitationsmaßnahmen - Hilfe durch geschützte Arbeit,
Beschäftigungstherapie und persönliche Hilfe - konnten seit dem 1. Oktober 1967 nur in zum Teil
bescheidenem Rahmen gewährt werden, da die entsprechenden Maßnahmen wegen der fehlenden
Einrichtungen oder infolge des Fehlens geeigneten Personals nicht erfolgen konnte.
Von diesen Hilfsmaßnahmen für die Behinderten abgesehen, wurde im Niederösterreichischen
Behindertengesetz für jene Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, dauernd vorwiegend
bettlägrig sind und zur Fortbewegung außerhalb der Wohnung einer persönlichen Hilfe oder für
lebenswichtige, wiederkehrende Verrichtungen der ständigen Wartung und Pflege durch dritte Personen
bedürfen, ein Pflegegeld .vorgesehen. Zur Zeit beziehen etwa 380 Personen ein solches Pflegegeld,
wofür in der Zeit vom 1. Oktober 1967 bis zum 30. September 1968 zirka 1,800.000 Schilling aufgewendet
wurden. Hinsichtlich des Pflegegeldes sei festgestellt, daß die Anspruchsvoraussetzungen des
vollendeten 18. Lebensjahres für die betroffenen jungen Menschen gewisse Härten mit sich bringen und
daß bei geistig schwer Behinderten eine objektive und klare Abgrenzung zwischen Pflegebedürftigkeit und
Aufsichtsbedürftigkeit nicht ohne weiteres möglich ist.
Von diesen Problemen abgesehen, hat sich jedoch auch infolge der bescheidmäßigen Widersprüche zu
den materiell-rechtlichen Bestimmungen des Behindertengesetzes im Zusammenhang mit der Gewährung
von Pflegegeldern die Notwendigkeit erwiesen, in nahezu 70 Fällen die Bescheide für nichtig zu erklären.
Auf Grund der gemachten Erfahrungen würden für das Jahr 1969 folgende Aufgaben bestehen:
1. Schaffung von geschützten Werkstätten für geistig schwer Behinderte und schwer Körperbehinderte.
2. Schaffung eines Rehabilitationsheimes für vorschulpflichtige zerebral Geschädigte und Spastiker.
3. Schaffung eines Rehabilitationsheimes für Geisteskranke, Schizophrene und Psychosefälle.
4. Schaffung von Berufsvorbereitungseinrichtungen für geistig schwer Behinderte.
5. Beruflich-soziale, Wiedereingliederung Trunksüchtiger.
Die Vorsorge durch die Behindertenhilfeeinrichtungen stellt die Voraussetzung dar, um eine Eingliederung
Behinderter überhaupt durchführen zu können. Ohne entsprechende Heime, Anstalten, Werkstätten etc.
ist nämlich eine echte berufliche und soziale Integration Behinderter nicht möglich.
Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß das Land Niederösterreich durch die Adaptierung des im Eigentum
der Caritas stehenden Heimes in Wien 4, Rilkeplatz, im Jahre 1968 mit einem Aufwand von 500.000
Schilling für 35 niederösterreichische Kinder die Möglichkeit geschaffen hat, die Sonderschule für
hörgestörte Kinder in Wien 4, Waltergasse 16, zu besuchen.
Die Nichtermöglichung der Schaffung von Eingliederungshilfe-Einrichtungen hätte zur Folge, daß das
nötige Behindertengesetz in vielen Belangen und Bereichen nur programmatische Bedeutung erlangen
könnte. Dies aber würde der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers unzweifelhaft widersprechen.
Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als sehr erfreulich ist in diesem Zusammenhang
zu berichten, daß am 12. Juni dieses Jahres in Schreibersdorf im Burgenland das erste europäische
Behindertenerholungsheim eröffnet und seiner Bestimmung übergeben wurde. Die Gesamtkosten dieses
Behindertenerholungsheimes betrugen insgesamt 11 Millionen Schilling. Niederösterreich hat hiezu durch
acht Jahre hindurch jährlich 25.000 Schilling und zusätzlich durch zwei Landessammlungen 500.000
Schilling aufgebracht.
Selbstverständlich sind noch Schulden vorhanden, und die betroffenen behinderten Menschen wären sehr
dankbar, wenn noch zusätzliche Mittel von Niederösterreich kommen würden. Derzeit stehen 74 Betten
zur Verfügung. Es ist interessant, daß dort ein Diättagessatz - Essen und Nächtigung - nur 60 Schilling
ausmacht Sportanlagen und Schwimmbäder stehen auch zur Verfügung. Es wurde dort ein sehr schönes
Erholungsheim geschaffen, damit sich auch diese behinderten Menschen von der großen Gemeinschaft
nicht ausgeschlossen fühlen. (Beifall im ganzen Hause.)
ZWEITER PRÄSIDENT SIGMUND: Zum Wort gelangt Herr Abg. Fraissl.
Abg. FRAISSL: Herr Präsident! Hohes Haus! In der Gruppe 4 des Voranschlages für 1969 ist eine
Ansatzpost „Kinderausspeisung", und dazu möchte ich einiges sagen. Als nach dem Zweiten Weltkrieg
unser Heimatland größten Mangel am Notwendigsten hatte, war die Einführung der Kinderausspeisung
eine soziale Großtat, deren Wert nur der erkennen kann, der diese Zeit erlebt hat. Mittlerweile haben sich
die Verhältnisse grundlegend geändert, was aber nicht heißen soll, dass die Kinderausspeisung
überflüssig geworden ist. Noch immer gibt es trotz des erreichten bescheidenen Wohlstandes Menschen,
die von diesem Wohlstand nichts oder nur wenig verspüren. In bezug auf die Kinderausspeisung will ich
die grundlegende Änderung der Verhältnisse dahin verstanden wissen, daß es heute nicht mehr
erforderlich ist, die zur Durchführung der Aktion notwendigen Lebensmittel zentral zu beschaffen und den
Ausspeisungsstellen, wie Kindergärten und Kinderheime, Konvikte und Schülerheime und dergleichen,
zuzuteilen. Es sind nämlich die örtlichen Gewerbebetriebe durchaus in der Lage, die Ausspeisungsstellen,
deren es in Niederösterreich noch immer 73 gibt, zu versorgen. Es ist von dieser Stelle aus bereits die
Forderung erhoben worden, das System der Kinderausspeisung auf eine neue Grundlage zu stellen, weil
wir der Meinung sind, daß die hiefür vorgesehenen Mittel weit wirksamer eingesetzt werden könnten. Zur
Illustration darf ich kurz darauf hinweisen, wie derzeit die Aktion „Kinderausspeisung" organisiert ist.
1. Das Bundesministerium für soziale Verwaltung kauft zentral für ganz Österreich die Lebensmittel ein
und verteilt diese auf die einzelnen Länder je nach Bedarf.
2. Die Länder verteilen die ihnen zugewiesenen Lebensmittel auf die einzelnen Ausspeisungsstellen, das
sind für Niederösterreich, wie ich bereits erwähnt habe, 73.
In jedem Fall ist es notwendig, die Lebensmittel zu lagern und für die Transportkosten aufzukommen. Man
könnte nun einwenden, daß durch einen zentralen Einkauf Preisminderungen erzielt werden, die bei
einem Einkauf durch die einzelne Ausspeisungsstelle nicht erzielt werden könnten. Dem ist jedoch
entgegenzuhalten, daß bei Wegfall des zentralen Einkaufes nicht nur die beträchtlichen Transport- und
Lagerkosten wegfallen würden. Sondern auch die damit verbundenen Verwaltungskosten. Wir glauben
daher nach wie vor, daß es richtig wäre, die Aktion „Kinderausspeisung" dergestalt neu zu organisieren,
dass den einzelnen Ausspeisungsstellen Bargeldbeträge zur Verfügung gestellt werden, um diese in die
Lage zu versetzen, den Bedarf an Lebensmitteln bei den Örtlichen Betrieben zu decken.
Wie ich bereits erwähnt habe, wurde von dieser Stelle aus die Forderung nach einer Änderung des
derzeitigen Systems erhoben. Anläßlich der Behandlung des Voranschlages für das Jahr 1967 hat der
Hohe Landtag einen Resolutionsantrag beschlossen, den mein Kollege Schlegl stellte, wonach die
Landesregierung aufgefordert wurde, die von mir skizzierte Umorganisation zu überprüfen. Es wurde
daraufhin versucht, im Wege der Verbindungsstelle mit den anderen Bundesländern eine gemeinsame
Regelung herbeizuführen. Dieses Bemühen blieb erfolglos, weil sich die anderen Bundesländer an der
Abhaltung einer Expertenkonferenz, die dieses Problem zu erörtern gehabt hätte, nicht interessiert
zeigten, wie aus einem Bericht der Abteilung VIII/1 hervorgeht.
Diese Länder erachteten die bisherige Regelung- des Bundesministeriums für soziale Verwaltung eher als
zweckmäßig, daß nämlich die Waren, die vom Bund an die Bundesländer zur Ausgabe gelangen, wie
bisher transportiert und gelagert werden. In gleicher Weise blieb ein Versuch, beim Bundesministerium für
soziale Verwaltung zu erreichen, daß die vom Bund zu verteilenden Waren in Geld abgelöst werden
sollten, erfolglos. Lediglich hinsichtlich der vom Land beigestellten Lebensmittel konnte ein Fortschritt
insofern erzielt werden, als deren Zustellung, bis auf die Zustellung von Mehl, kostenlos erfolgt.
Wie richtig meine Ausführungen sind, beweist die Tatsache, daß im heurigen Jahr für die Zustellung der
Lebensmittel des Bundes bereits mehr als 50.000,- Schilling an Transportkosten angefallen sind. Die
Auslieferung des Mehles erforderte r m d 12.000,- Schilling; dazu kommen noch die Kosten für die Miete
des Lagerraumes und für die Versicherung von rund 26.000,- Schilling, das heißt, es sind über 90.000,Schilling an vermeidbaren Kosten angefallen. Für das Jahr 1969 sind im Budget für Lagerungs- und
Transportspesen 200.000,- Schilling vorgesehen. Inwieweit dieser vorgesehene Betrag für die vom Land
beizustellenden Lebensmittel wird verwendet werden können, wird weitgehendst davon abhängen, ob die
Kosten im Transportwesen eine Steigerung erfahren werden. Jedenfalls wird die Höhe der Kosten nach
wie vor ein nicht gerechtfertigtes Ausmaß erreichen. Es muß daher neuerlich und mit allem Nachdruck
verlangt werden, daß die Kinderausspeisung neu organisiert wird und daß die Bemühungen, diese
Neuorganisation beim Bundesministerium für soziale Verwaltung durchzusetzen, mit dem nötigen
Nachdruck betrieben werden. Ich erlaube mir daher, folgenden Resolutionsantrag zu stellen:
„Die Landesregierung wird aufgefordert, beim Bundesministerium für soziale Verwaltung vorstellig zu
werden, um zu erreichen, daß die Kinderausspeisung im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und
Einsparung von Lagerungs- und Transportspesen organisatorisch neu geregelt wird."
Ich ersuche die Mitglieder des Hohen Hauses, diesem Antrag, der keine zusätzlichen Mittel verlangt,
sondern nur Vorhandenes zweckmäßiger verwenden will, die Zustimmung zu geben. (Beifall bei der
ÖVP.)
ZWEITER PRÄSIDENT SIGMUND: Zum Wort gelangt Herr Abg. Stangl.
Abg. STANGL: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Vorjahr war es
mir gestattet, bei der Budgetdebatte in der Gruppe 4 zu versuchen, auf Bedeutung, Aufgabe,
Notwendigkeit und Schwierigkeit auf dem Gebiet des Jugendschutzes im allgemeinen und in Hinsicht
einer legislativen Regelung in Form einer Novellierung des Jugendschutzgesetzes im besonderen
aufmerksam zu machen und hinzuweisen. Damals konnten wir feststellen, daß ein Gesetzentwurf in
Vorbereitung wäre. Im Frühjahr 1968 haben dann gewisse Kommentare und Zeitungsberichte zum
ausgesandten Entwurf sowohl positive als auch negative Stellungnahmen gebracht. Wenn ich die
Mitteilungen der Handelskammer für Niederösterreich vom 20. April zitieren darf, und zwar in zwei
Absätzen, dann geht daraus zu einem großen Teil die Problematik dieser Gesetzesnovelle hervor.
Erstens einmal ist es interessant festzustellen, daß die Mitteilungen der Handelskammer Niederösterreich
am 20. April 1968 schrieben: „Vor Jahresfrist wurde der Entwurf eines neuen Nö. Jugendschutzgesetzes
zur Begutachtung vorgelegt, der einen Sturm der Entrüstung auslöste“ usw.
Wir haben in der vorjdhrigen Budgetdebatte erfahren, daß ein derartiges Gesetz in Vorbereitung ist; daß
der Gesetzesentwurf schon in Aussendung ist, wurde uns damals nicht mitgeteilt. Ich darf mich einem
Absatz dieser Mitteilung besonders zuwenden. Dieser Proteststurm gegen dieses Entmündigungsgesetz
mit den vielen handfesten und überzeugenden Gegenargumenten hat vor einem Jahr dazu geführt, daß
dieser Gesetzentwurf in einer Schublade der Landesregierung verschwand.
Nunmehr wissen die niederösterreichischen Zeitungen zu berichten, daß dieses Jugendschutzgesetz
doch dem Niederösterreichischen Landtag vorgelegt werden soll Ich will ehrlich sagen, daß ich trotz
dieser Mitteilung im April 1968 fest daran glaubte, daß dieser Entwurf des Jugendschutzgesetzes der
zuständigen Behandlung zugeführt würde, um aus einer sachlichen Diskussion doch die besten
Möglichkeiten zum Schutz unserer Jugend herauszuholen. Ich habe mich sehr getäuscht. Ich nahm auch
an, daß die im Jahre 1965 eingeleiteten Besprechungen in Graz, an welchen das Bundesministerium für
soziale Verwaltung, das Bundesministerium für Inneres, die Vertreter der Bundesländer Kärnten,
Steiermark, Oberösterreich, Wien und Niederösterreich teilgenommen haben, fortgesetzt wurden und
nahm weiters an, daß diese einen Abschluß im Sinne einer Bundesvereinheitlichung der Bestimmungen
finden. Mir ist klar, daß der Bundesgesetzgeber hier nur beratend wirken kann, daß er Erfahrungen
austauscht und dass Jugendschutz Ländersache ist. Auch der Rundfunkkommentar vom 20. Mai 1968
von Herrn Chefredakteur Ströbitzer bestärkte mich in dieser Annahme; er stellte fest, daß dieses Gesetz
trotzdem zur Behandlung kommen soll. Bis heute ist diese Vorlage nicht eingebracht.
Hohes Haus! Ich bin mir der Schwierigkeiten wohl bewußt, die diese Materie beinhaltet. Ich habe im
vergangenen Jahr an einigen praktischen Beispielen aufzuzeigen versucht, welchen Schwierigkeiten sich
die Jugend, die Exekutive bzw. die Eltern und Erziehungsberechtigten durch verschiedene abweichende
landesgesetzgeberische Stellen gegenübersehen. In der heutigen Zeit ist auch die immer stärkere
Entwicklung des Tourismus und des Fremdenverkehrs zu berücksichtigen. Ich weiß, daß hier die
Vereinheitlichung notwendig wäre; ich bin mir auch bewußt, daß verschiedene Schwierigkeiten auftreten,
vor allem für Reisende - von der Einnahme der Mahlzeiten bis zur Konsumation der Erfrischungen. Aber
auch der Aufenthalt auf Campingplätzen müßte in dem Gesetz verankert und gelöst werden.
Eine Schwierigkeit gerade hinsichtlich der Jugendlichen wird auch die Abgrenzung des Termines sein, ab
welchem sich der Jugendliche nur in Begleitung von erziehungsberechtigten Personen in der
Öffentlichkeit aufhalten darf. Wir wissen genau, daß durch die Umschichtungen im Arbeitsprozeß, aber
auch durch das Anbieten von Jugendveranstaltungen hier besonders abgewogen werden muß.
Zum Begriff ,,erziehungsberechtigte Person“ darf ich hier eine Bemerkung machen, auf die ich schon im
vergangenen Jahr hingewiesen habe: Ich möchte diese Auslegungsmöglichkeit, die im
Niederösterreichischen Jugendschutzgesetz steht, doch etwas mehr geklärt haben.
Ich habe schon im Vorjahr die Frage aufgeworfen: Wo beginnt die „erziehungsberechtigte Person” und
wer ist die letzte ,,erziehungsberechtigte Person“, oft im Einverständnis mit den Eltern?
Ein besonders Kapitel - das zeigen natürlich auch gewisse Argumente von irgendwelchen
berufsvertretenden Zeitungen – nimmt der Alkoholgenuß ein. Hier liegen die Schwierigkeiten der
Verländerung, die für manche Jugendliche auch eine zwiespältige Haltung bringt. Wenn das Lebensalter
für den Alkohol- und Nikotingenuß in verschiedenen Ländern verschieden festgesetzt ist, wäre es leicht
möglich, daß ein Jugendlicher über eine Landesgrenze geht, dort in der Öffentlichkeit Alkohol genießt und
beim Rückweg von den Exekutivorganen dafür bestraft wird. Das gilt genauso für die Grenze- WienNiederösterreich wie für die Grenzen Niederösterreich-Oberösterreich, Steiermark-Niederösterreich oder
Burgenland-Niederösterreich. Hier müßten die zuständigen Fachleute versuchen, eine Vereinheitlichung
durchzusetzen.
Wir sind auch mit einem neuen Problem, gerade. in letzter Zeit, vertraut geworden, und hier wäre mit dem
Bund eine sehr konkrete und zielführende Aussprache zu führen. Es handelt sich um den Mißbrauch von
verschiedenen Rauschgiften. Wenn wir erst in der letzten Zeit Meldungen erhalten haben, so zum Beispiel
aus dem Krankenhaus Linz, daß 200 Jugendliche behandelt werden mußten, wovon bereits ein Fünftel
süchtig ist, so glaube ich, daß man diesem Problem ein besonderes Augenmerk zuwenden müßte, noch
dazu wenn man erfährt, daß darunter auch Kinder, also Menschen im schulpflichtigen Alter, zu finden
sind.
Daß nicht nur die gesetzmäßige Fassung Schwierigkeiten bereitet, sondern darüber hinaus auch die
praktische Durchführung, ist mir vollkommen klar. Eine Problematik liegt auch darin, daß das
Exekutivorgan schwer das Alter eines Jugendlichen feststellen kann. Die Oberösterreicher haben
versucht, sämtliche Ausweise, ganz gleich ob es sich um Personalausweise von
Bezirkshauptmannschaften oder Schülerausweise etc. handelt, anzuerkennen. Aber wir haben keine
Ausweispflicht, also kann der Jugendliche nicht verhalten werden, diese Ausweise ständig bei sich zu
haben.
Wenn man dann zur Feststellung des Alters den Jugendlichen auf die Wachstube bringt und dort in
langwierigen Erhebungen sein Alter erfährt, wäre wohl unter diesen Umständen zu überlegen, in welcher
Form man dieses Problem einer Lösung zuführen kann. Mit gesetzlichen Vorschriften allein kann der
wirksame Jugendschutz nicht durchgeführt werden.
Wesentlich und wichtig wäre eine gewisse Einflußnahme auf die Eltern und die Erziehungsorganisationen.
Wenn in dieser Hinsicht der neue Ansatz im Budget in der Höhe von 2 Millionen Schilling für
Informationen vorgesehen ist, dann kann ich diese Ansatzpost nur begrüßen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß, daß neben den sachlichen Überlegungen doch eine
Reihe von Einwendungen von seiten der Berufsvertretungen kommt, die rein kommerzieller Natur sind.
Meiner Meinung nach sollte man aber diese kommerziellen Interessen zur Lösung dieses ProbIems
zurückstellen. Ich würde davor warnen, Vergleiche mit anderen Staaten anzustellen, deren Menschen
andere Lebensgewohnheiten als die Usterreicher haben. Parallelen zu suchen zwischen der
Gesetzgebung in Italien oder einem Jugendschutzgesetz in Frankreich führt nur zu einer Verwirrung
dieser Probleme, nicht aber zu einer Lösung.
Lassen Sie mich zusammenfassend feststellen: Ich glaube, daß es unbedingt notwendig ist, das
Niederösterreichische Jugendschutzgesetz den heutigen Gegebenheiten unseres Lebens anzupassen.
Eine genaue Betrachtung und ein genaues Erkennen aller bestimmenden und beeinflussenden Faktoren
ist Voraussetzung zu einem solchen Gesetzeswerk, das im Mittelpunkt den heranwachsenden Menschen,
den zukünftigen Gestalter unserer Gesellschaft und unseres Staates hat. Wenn hinter den Geboten und
Verboten, wenn hinter den Sanktionen nicht die Erkenntnis der Jugend und der Erziehungsberechtigten
steht, daß dieses Gesetz den Heranwachsenden, den Jugendlichen vor negativen Umwelteinflussen
schützen will, daß solche Gesetze dazu da sind, sowohl die sittliche wie auch die seelische sowie die
geistige und körperliche Entwicklung positiv zu beeinflussen, dann haben Bestimmungen in einem
derartigen Gesetz nur einen minimalen Wert. Neben der Prüfung der Umwelteinflüsse obliegt uns als
Erwachsenen - ganz gleich, wo wir stehen - die Verpflichtung, private und kommerzielle Interessen
hintanzuhalten, um Gesetz und Ausführung zum Wohle unserer Jugend gestalten zu können.
(Allgemeiner Beifall.)
ZWEITER PRÄSIDENT SIGMUND: Zum Wort gelangt Herr Abg. Dipl.-Ing. Robl.
Abg. Dipl.-Ing. ROBL: Herr Präsident! Hoher Landtag! Mein Parteifreund Ungersböck hat sich mit dem
Behindertengesetz befaßt. Gestatten Sie mir, daß ich dazu noch einige ergänzende Bemerkungen mache.
Als dieses Behindertengesetz vom Hohen Landtag beschlossen wurde, konnten wir noch nicht
abschätzen, in welchem Ausmaß dem Land nach diesem Gesetz Verpflichtungen erwachsen werden.
Wenn wir für das Jahr 1969 Ausgaben von etwa 14,5 Millionen Schilling beschließen, so wissen wir auch
nicht, ob die Landesregierung mit diesem Betrag das Auslangen finden wird. Wenn wir die Ausgaben der
beiden Hauptposten, des Pflegegeldes einerseits und der Eingliederungshilfe andererseits, einander
gegenüberstellen, so merken wir, daß die Beträge beim Pflegegeld im Jahre 1969 in einem weitaus
höheren Maß steigen, als dies bei der Eingliederungshilfe der Fall ist, Bereits Herr Abg. Ungersböck hat
darauf hingewiesen, daß durch das Behindertengesetz in Niederösterreich Hunderte von Personen und
damit Hunderte von Familien eine finanzielle Unterstützung erfahren und, was noch viel höher gewertet
werden muß, daß damit zahlreiche Behinderte eine gediegene, vollwertige Ausbildung erhalten und damit
vollwertige Bürger unseres Landes und unserer Heimat werden. Wir müssen also feststellen, daß die
Ausgaben, die wir nach dem Behindertengesetz alljährlich zu tätigen haben, bestens angelegt sind.
Die Höhe der Eingliederungshilfe oder auch des Pflegegeldes wird den Unterhaltspflichtigen je nach dem
Einkommen der Eltern zugeteilt. Der Einkommensteuerbescheid bei den Gewerbetreibenden und die
Lohnsteuerbestätigung bei den Arbeitnehmern bilden die Grundlage für die Bemessung des Pflegegeldes
oder die Höhe der Eingliederungshilfe. Bei den landwirtschaftlichen Einkommen ist die Situation leider
anders. Hier wird nicht der Einkommensteuerbescheid als Grundlage herangezogen, sondern die
zuständige Abteilung hat Richtlinien ausgearbeitet, die auf dem Einheitswert fußen. Ich weiß nicht, warum
man gerade bei landwirtschaftlichen Betrieben sich nicht nach dem steuerpflichtigen Einkommen hält, das
auch im Steuerbescheid festgelegt ist, und dieses steuerpflichtige Einkommen der Landwirtschaft
genauso wie die Einkommen anderer Berufsschichten für die Bemessung des Pflegegeldes oder der
Eingliederungshilfe heranzieht. Man ist wohl beim Kriegsopferversorgungsgesetz teilweise von
Einkommensteuerbescheid abgegangen, weil es sich bei der Elternteilrente oder bei der Elternpaarrente
größtenteils um Ausnehmer handelt und weil auch die Empfänger der Witwenrente unbemittelt sind, daß
sie zur Einkommensteuer nicht veranlagt werden. Daher sollte man sich gerade beim Behindertengesetz
in einem Land wie Niederösterreich, in- dem die Landwirtschaft eine so bedeutende Rolle spielt und der
landwirtschftliche Bevölkerungsanteil so hoch ist, nach den Einkommensteuerrichtlinien halten, die für die
Landwirtschaft gelten. Wenn es Antragsteller gibt, die nicht nach der Einkommensteuer veranlagt werden,
läßt sich nichts leichter errechnen als das landwirtschaftliche Einkommen: Alljährlich finden die
Pauschalierungsverhandlungen statt, und im Bundesgesetzblatt werden immer wieder die Prozentsätze
nach dem Einheitswert verlautbart; hier besteht also gar keine große Schwierigkeit.
Man macht sich aber die Sache beim Behindertengesetz, was die Landwirtschaft anbelangt, in manchen
Fällen sehr schwer. Wenn zum Beispiel ein unterhaltspflichtiger Landwirt, der für ein Kind um
Eingliederungshilfe ansucht, seine Grundstücke nicht in einer Gemeinde hat, was sehr häufig vorkommt,
sondern auch in einer anderen Gemeinde Grund besitzt, dann sind die Erhebungen von 6 bis 7 Monaten
gar keine Seltenheit, und die armen Antragsteller müssen immer wieder lange warten, ob ihr Antrag
genehmigt oder abgelehnt wird.
Ich glaube daher wirklich, daß man die Landwirtschaft genauso behandeln könnte wie alle anderen
Berufsschichten, daß man also als Nachweis den Einkommensteuerbescheid heranziehen kann wie bei
den Gewerbetreibenden oder wie bei den unselbständig Erwerbstätigen den Lohnzettel oder die
Lohnbestätigung. Ich möchte keinen Antrag stellen, aber trotzdem die Landesregierung bitten, sich sehr
eingehend mit dieser Frage zu befassen und von sich aus Überlegungen anzustellen, wie die Richtlinien
geändert werden können, damit auch die Landwirte, die nach dem Behindertengesetz um eine Beihilfe
oder um Eingliederungshilfe ansuchen, nach einem gerechten Einkommensschlüssel, wie es der
Einkommensteuerbescheid ist, behandelt werden.
Ich habe mich im Dezember 1966 auch mit Fürsorgefragen befaßt und damals aufgezeigt, daß für das
Jahr 1967 gegenüber 1966 die Ausgaben für das Fürsorgewesen in Niederösterreich um 19 Prozent
angestiegen sind. Wenn wir heute einen Vergleich mit dem Rechnungsabschluß des Jahres 1967 ziehen der Rechnungsabschluß 1968 liegt ja noch nicht vor -, dann können wir feststellen, daß die Ausgaben des
ordentlichen Voranschlages von 218 Millionen Schilling im Jahre 1967 auf 287 Millionen Schilling für das
Fürsorgewesen gestiegen sind. Das heißt, die Fürsorgeausgaben haben sich innerhalb von zwei Jahren
um 31 Prozent erhöht; nur die Ausgaben für das Schulwesen sind im gleichen Zeitraum geringfügig höher
angestiegen. Ansonsten haben wir keine Budgetgruppen in unserem Landesvoranschlag, wo wir eine
solche Erhöhung der Ausgaben feststellen müssen, Wenn wir dann die Frage näher untersuchen, welche
Gruppen es sind, die dem Lande erhöhte Ausgaben bringen, so ist es vor allen Dingen die geschlossene
Fürsorge mit 93,5 Millionen Schilling und der Beitrag des Landes hiezu. Ziehe ich die Einnahmen des
Landes ab, so verbleiben immerhin 30 Millionen, Schilling gegenüber dem Rechnungsabschluß 1967, wo
dieser Betrag noch mit 20 Millionen Schilling ausgewiesen ist. Das Land hat also gegenüber dem Jahre
1967 für die geschlossene Fürsorge um 50 Prozent mehr zu leisten. Die Kostenersätze der Parteien, der
Sozialversicherungsträger sowie der Fürsorgeverbände für die Anstaltsunterbringung reichen bei weitem
nicht aus, um die Gebarung aller dieser Anstalten auszugleichen; wir haben hier ein ähnliches Verhältnis,
wie es bei unseren Krankenanstalten in Niederösterreich oder in ganz 'Osterreich festzustellen ist. Ähnlich
verhält es sich aber auch mit den Kostenersätzen für die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in
Heimen. Auch für diese Maßnahme hat das Land jährlich immer höhere Beiträge zu leisten. Im Budget für
das Jahr 1969 sind unter dieser Ansatzpost 53 Millionen Schilling veranschlagt, denen im
Rechnungsabschluß 1967 ein Betrag von 34 Millionen Schilling gegenübersteht. Wir müssen also
feststellen, daß diese Ausgaben ebenfalls sehr erheblich gestiegen sind. Der Beitrag des Landes für diese
Maßnahmen ist von 18 Millionen im Jahre 1967 auf 25 Millionen für das Jahr 1969 gestiegen. Ich habe
schon im Finanzausschuß diese Frage behandelt und dabei an den zuständigen Landesrat die Frage
gerichtet, weshalb die Ausgaben und Einnahmen der Landesjugendheime, der Kinderheime und
Erziehungsanstalten, wie sie im Voranschlag benannt werden, unter zwei Voranschlagsansätzen
aufscheinen, Während der Voranschlagsansatz für Kinderheime und Erziehungsanstalten fast
ausgeglichen ist, weil sich Einnahmen und Ausgaben die Waage halten, ergibt sich bei den
Fürsorgemaßnahmen für Jugendliche, und zwar für Kostenersätze für die Unterbringung von Kindern in
Heimen, ein großer Abgang. Wenn die Gebarung dieser Heime ausgeglichen sein soll, müssen die
Verpflegskosten in entsprechender Höhe eingehoben werden. Dies ist der Fall.
Vor Jahren mußten wir bemängeln, daß das in unserem Land nicht so gewesen ist und die
Verpflegskosten immer nachträglich, wenn sie schon längst wieder höher waren, neu festgesetzt wurden.
Jetzt ist sowohl bei den Fürsorgeheimen als auch Kinder- und Jugendheimen die Bilanz ausgeglichen,
während aber andererseits in der von mir genannten Ansatzpost ein großer Abgang zu verzeichnen ist.
Da die Verpflegskosten jedoch kostendeckend eingehoben werden, ergibt sich, daß der Anteil des Landes
für die nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz vorgeschriebene Kostentragung für die Fürsorgeerziehung von
Jahr zu Jahr steigt und mit der Erhöhung der Personalkosten in diesen Anstalten weiterhin ansteigen wird.
Die Kosten könnten nur dann gleichbleiben oder, was sehr wünschenswert wäre, sogar zurückgehen,
wenn weniger Jugendliche einer Fürsorgeerziehung bedürften, was, wie ich glaube, unser Wunsch und
auch unser Ziel sein müßte, weil wir dann weniger Sorge mit der Jugenderziehung hätten und mehr
öffentliche Mittel für andere Wünsche und Anliegen unserer Landesbürger frei wären.
Hoher Landtag! Nun wende ich mich in diesem Zusammenhang einem anderen Kapitel zu, nämlich den
gesetzlichen Bestimmungen, die wir auf diesem Gebiet heute noch immer anwenden müssen. Das derzeit
geltende Fürsorgerecht ist nicht nur veraltet, sondern enthält noch immer reichsdeutsche. Bestimmungen.,
und das vom Bundesgesetzgeber nach dem Rechtsüberleitungsgesetz zuletzt bis 21. Oktober 1948 in
Geltung gewesene Recht ist derzeit durch Vorschriften des Landes weiterhin in Kraft.
Dem Bundesgesetzgeber kommt laut unserer Bundesverfassung die Grundsatzgesetzgebung zu,
während das Land, wenn das erwünschte Bundesgrundsatzgesetz erlassen sein wird, hiezu das
Ausführungsgesetz zu erlassen hat.
Es ist daher wirklich dringend notwendig, dass diese reichsrechtlichen Vorschriften endgültig außer Kraft
treten und den Ländern eine geeignete Grundlage zur Erlassung moderner ausführungsgesetzlicher
Regelungen auf dem Gebiete der allgemeinen Fürsorge geboten wird. Abgesehen von der
Unübersichtlichkeit der Rechtsmaterie möchte ich darauf hinweisen, daß viele Gemeinden nicht mehr
imstande sind, ihren 50prozentigen Pflichtanteil zu den Fürsorgekosten zu tragen, da sie nicht nur andere
wichtige Vorhaben zurückstellen müssen, sondern oft nicht einmal mehr imstande sind, wegen dieser
hohen Fürsorgeleistungen den ordentlichen Voranschlag auszugleichen.
Der zuletzt im Jahre 1967 zur Begutachtung versendete Entwurf eines Bundesgesetzes über die
Regelung der öffentlichen Fürsorge hat, wie mit Befriedigung festgestellt werden konnte, bereits geeignete
Ansätze für einen Riskenausgleich der Gemeinden und Fürsorgeverbände untereinander gezeitigt. Dieser
soll allerdings nicht so weit gehen, daß Gemeinden, die heute mit einem 50prozentigen Anteil verpflichtet
sind, künftighin ganz befreit werden sollen; denn würde das eintreten, dann würden sich die Gemeinden
sicherlich nicht so sehr anstrengen, um einen Teil der Kosten hereinzubringen. Diese Initiative würde
gewiß entfallen. Es soll daher angeregt werden, daß die Gemeinden nicht wie bisher mit 50 Prozent,
sondern zu einem kleineren Prozentsatz am Kostenersatz beteiligt werden.
Eine sehr große Schwierigkeit bereitet die Bestimmung des Trägers der Fürsorge, ich glaube, daß der
erwähnte letzte Entwurf deswegen nicht zur Realisierung gekommen ist, weil darin zum Beispiel unter
anderem das Land als Träger der Fürsorge bezeichnet wurde und damit die Gefahr einer über das
bisherige Ausmaß hinausgehenden finanziellen Belastung des Landes nahegelegen war. Ich könnte mir
aber vorstellen, daß, um die gewünschten Effekte zu erreichen, die Organisation der Fürsorge
dahingehend abgeändert wird, daß ein das ganze Bundesland Niederösterreich umfassender und dem
Artikel 116, Abs. 4, des Bundesverfassungsgesetzes entsprechender Gemeindeverband die bisherigen
den Bezirksfürsorgeverbänden und Gemeinden obliegenden Aufgaben übernimmt und in Anbetracht der
vielen zu sehr belasteten Gemeinden der allgemein gewünschte Riskenausgleich unter Berücksichtigung
der Finanzkraft der Gemeinden im Wege einer Umlage erreicht wird.
Ich darf daher die Nö. Landesregierung jetzt in ihrer Gesamtheit bitten, sich zu bemühen, daß wir endlich
wieder einen neuen Entwurf zum Fürsorgegrundsatzgesetz erhalten, der nach Möglichkeit recht bald
verabschiedet wird, damit wir in der Lage sind, das entsprechende Ausführungsgesetz zu beschließen.
Zum Schluß noch ein Wort zur Baudurchführung. Ich nehme jetzt ein Beispiel aus dem Kapitel 4, und
zwar den Kanalbau der Landeserziehungsanstalt Korneuburg - jetzt heißt sie Landes-Jugendheim. Das
soll aber nicht nur für die Gruppe 4 allein, sondern auch für viele andere Bauvorhaben gelten, für die der
Landtag Mittel bewilligt. Im Landes-Jugendheim Korneuburg war die Sanierung des Kanalnetzes
unbedingt erforderlich. Wenn wir die Ziffern des außerordentlichen Voranschlages für das Jahr 1969
ansehen, so finden wir jetzt bereits die 8. Rate dafür, und wenn wir die vorgesehenen Ausgaben mit den
bereits bewilligten Ausgaben betrachten, dann müssen wir annehmen, daß es noch eine 9. und 10. Rate
für diesen Kanalbau geben wird. Wenn ich das jetzt so deutlich sage, dann möchte ich nicht die beiden
jetzt zuständigen Regierungsmitglieder, den Herrn Finanzreferenten und den Referenten für das
Fürsorgewesen, besonders dafür verantwortlich machen, denn wenn es bereits eine 8. Rate gibt, dann
waren ja schon ein paar Vorgänger am Werk, die diese Mittel nicht auf einmal oder zweimal bewilligt
haben.
Warum sage ich das so deutlich, Hoher Landtag? Überlegen wir, was das kostet, wenn eine Firma bereits
8 Jahre dort eine Baustelleneinrichtung halten muß. Versetzen wir uns in die Lage der Leitung des
Landes-Jugendheimes und der dort Beschäftigten, die immer wieder dort eine Baustelle haben. Wie wird
das auf den ganzen Betrieb wirken? Diese jahrelange Arbeit der zuständigen Abteilung, der zuständigen
Baubehörde, die die Aufsicht durchführt und den Bau beaufsichtigt, wird sich auf den ganzen
Betriebsablauf nur nachteilig auswirken. Wenn wir all das in der Gesamtheit betrachten, so müssen wir
sagen: entschließen wir uns doch einmal, mit der Verzettelung der Mittel - damit da, dort und noch einmal
dort etwas geschieht - aufzuhören. Sagen wir doch, jawohl, der Anstaltskanal - zum Beispiel im LandesJugendheim Korneuburg - neu errichtet werden, die Kosten werden so und so hoch sein, innerhalb von 2
oder 3 Jahren muß dieser Anstaltskanal fertiggestellt sein. Und wenn das der Fall ist, dann können wir
uns neuen, anderen Aufgaben in der Landesverwaltung widmen. (Beifall bei der ÖVP.)
ZWEITER PRÄSIDENT SIGMUND: Zum Wort gelangt Herr Landesrat Kuntner.
Landesrat KUNTNER: Hohes Haus! Die Ausführungen des Herrn Abg. Fraissl veranlassen mich nun, über
die Schülerausspeisung doch etwas zu sprechen. Der Landtag von Niederösterreich hat am 20.
Dezember 1966 einen Resolutionsantrag zur Gruppe 4 des Voranschlages für das Jahr 1967 gestellt,
wonach die Landesregierung aufgefordert wurde, zu überprüfen, ob durch eine entsprechende
Umorganisation der Kinderausspeisungsaktion die unverhältnismäßig hohen Lagerungs- und
Transportkosten auf ein wirtschftliches Maß herabgesetzt werden könnten. Die Abteilung hat sich
daraufhin mit dem Sozialministerium ins Einvernehmen gesetzt, andererseits auch mit den Ländern
Fühlung aufgenommen, und sie zu einer Besprechung eingeladen, damit, nachdem das
Bundesministerium nicht geneigt war, mit einem einzelnen Bundesland ein Sonderabkommen zu treffen,
hier eine gemeinsame Linie gefunden werde. Die Bundesländer sind der Meinung gewesen, daß die
bisherige Übung der Versorgung zweckentsprechend und genügend sei und haben daher jede
gemeinsame Aktion mit dem Land Niederösterreich in dieser Hinsicht abgelehnt. Das Bundesministerium
für soziale Verwaltung hält sich bei dieser Durchführung an Richtlinien, die als Norm den Ländern zur
Verfügung stehen und wonach die Hauptaufgabe der Schülerausspeisung ernährungsmässig die
gesundheitliche Betreuung der Schuljugend, aber auch die Einbeziehung von Internaten, Heimen und
Kindergärten, die auf nicht gewinnbringender Basis geführt werden, ist. Die Aktion beschränkt sich –
ausdrücklich dem Worte nach - auf den Kauf von Lebensmitteln aus den Budgetmitteln der Ämter der
Landesregierung, ausdrücklich auf die Übernahme, Lagerung und Verteilung der vom Bundesministerium
für soziale Verwaltung zugewiesenen Mittel und die Kontrolle der Kochstellen bezüglich des
Lebensmittelverbrauches, der Lebensmittelabrechnung, Geldabrechnung und Einhaltung der
gesundheitlichen Vorschriften. In diesen allgemeinen Richtlinien ist ausdrücklich enthalten, daß aus den
Budgetmitteln des Ministeriums für soziale Verwaltung die Lebensmittel angekauft und pro Portion
beigestellt werden.
Und zweitens: Auch aus den Budgetmitteln der Ämter der Landesregierung sind die Lebensmittel
anzukaufen und pro Portion zuzustellen. Auf diese strenge Weisung hat sich nun das Sozialministerium
berufen. Es sind einige Dinge enthalten, die interessant sind, festgehalten zu werden: daß zum Beispiel
der Bezug von Milch vom Produzenten direkt nicht statthaft ist, daß die Milch in plombierten Kannen
geliefert werden muß und daß diese Zustellung durch die Molkereien kostenlos erfolgt. Der Versuch einer
Ablöse gegen Geld ist gescheitert.
Hinsichtlich der beigestellten Lebensmittel, die wir vom Lande kaufen, konnten wir eine solche Regelung
treffen, daß bis auf Mehl alles andere auch kostenlos zugestellt wird. Die Weisung des Sozialministeriums
muß natürlich auch für uns gelten. Das Land hat derzeit 73 Kochstellen, die 7.990 Teilnehmer, also
Jugendliche und Kinder, versorgen, darunter 22 niederösterreichische Landeskindergärten, 13 private
Kindergärten, 17 Schulen, 20 Konvikte und 9 Institute und Internate. Es ist nun der Antrag gestellt worden,
einen neuerlichen Versuch in dieser Richtung zu machen, daß die Transportkosten verbilligt werden, die
sich vor allem auf die Lieferung von Mehl, auf die Miete des Lagerraumes und die Versicherung
beschränken. Wenn es möglich wäre, dies auszuschalten, wäre das ein zweifellos erstrebenswertes Ziel.
Es kann natürlich nicht schon jetzt gesagt werden, ob diese neuerlichen Bemühungen von Erfolg sein
werden, weil sich das Bundesministerium offensichtlich von dem Gedanken der leichteren Kontrolle und
wahrscheinlich auch vom Gedanken des Großeinkaufes lenken läßt. Ich möchte aber ersuchen, daß man
diesen Antrag annimmt. Ich habe auch die einzelnen Fraktionen gebeten, das zu tun. Als der
verantwortliche Leiter muß ich sagen, ich bin zufrieden, daß heute über die Notwendigkeit einer solchen
Maßnahme nicht mehr diskutiert wird, sondern daß das Hohe Haus bereits eingesehen hat, daß es eine
notwendige und für die Jugend äußerst wohltätige Angelegenheit ist. (Beifall bei den Sozialisten.)
ZWEITER PRÄSIDENT SIGMUND: Zum Wort gelangt Herr Landesrat Rösch.
Landesrat RÖSCH: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte
zunächst allen jenen, die sich zur Gruppe 4 zu Wort gemeldet haben, recht herzlich dafür bedanken. Aus
der Tatsache, daß es nur so wenige gewesen sind und dass sie so kurz gesprochen haben, darf ich
ableiten, daß man mit der Verwaltung des Ressorts im großen und ganzen einverstanden ist, wobei ich
jetzt nicht unbescheidenerweise mich meine, sondern die vielen Beamten, die in diesem Ressort arbeiten.
Wenn ich das so auffassen darf, dann werde ich das als Anerkennung und als Dank an die Bediensteten
dieses Ressorts weitergeben.
Darf ich nun, so wie das üblich ist, chronologisch zu den aufgeworfenen Fragen Stellung nehmen.
Zuerst beschäftigte sich die Frau Abg. Körner mit der Frage der Einweisung von Jugendlichen in die
Fürsorgeerziehung, und zwar, wenn ich sie richtig verstanden habe, weniger mit den Einweisungen, die
auf Grund eines Gerichtsbeschlusses erfolgen, als viel mehr mit den Einweisungen, die auf Grund eines
Antrages der Eltern durchgeführt werden, nachdem sie vorher von den Fürsorgerinnen beraten wurden,
einen solchen Antrag zu stellen.
Die Frau Abg. Körner stellte die Frage: War es immer notwendig, daß man den Eltern diesen Rat gegeben
hat? War es nicht eine sehr harte Maßnahmen, die man den Eltern sozuagen empfohlen hat?
Nun, meine Damen und Herren, ich bin nicht in der Lage, in jedem Einzelfall jetzt zu überprüfen, ob das
wirklich notwendig gewesen ist. Das muß man natürlich den damit befaßten Fürsorgerinnen und
Fürsorgern überlassen.
Ich kann nur eines sagen: Wir veranstalten für diese Fürsorgerinnen und Fürsorger lautend
Fortbildungskurse in Raach. Jedes Jahr findet so ein Fortbildungskurs statt. Es wird dort den
Fürsorgerinnen und Fürsorgern eindringlich nahegelegt, nicht leichtfertig solche Ratschläge zu geben. Sie
sollen bedenken, dass natürlich nach wie vor die Familie der beste Erziehungsort ist. Nur dann, wenn in
einer Familie solche Verhältnisse herrschen, daß sie sich unter Umständen auf die weitere Erziehung des
Kindes schlecht auswirken können, soll eine Empfehlung für eine Fürsorgeeinweisung gegeben werden.
Ich habe selbst bei dem letzten Fortbildungskurs in Raach die Gelegenheit wahrgenommen und habe die
dort anwesenden Damen und Herren sehr eindringlich gebeten, immer die Problematik vor Augen zu
haben. Es ist ja noch ein weiteres Problem damit verbunden: Außer der Kostenfrage, die Herr Abg. Robl
hier angeschnitten hat, ist natürlich auch die Platzfrage sehr entscheidend. Wir verfügen nur über eine
begrenzte Anzahl von Plätzen, Leider Gottes bringt halt die heutige Wohlstandsgesellschaft eine Reihe
von Wohlstandsverwahrlosungen mit sich. Die Gerichte weisen uns soundso viele Buben und Mädeln zur
Fürsorgeerziehung zu. Es passiert dann hin und wieder, daß midi ein Gerichtspräsident anruft und fragt,
wann denn das Land endlich gewillt ist, den Beschluß des Gerichtes vom Soundsovielten durchzuführen.
Ich muß ihm sagen: In dem Moment, wo wir einen Platz freihaben, machen wir es sofort. Wir haben aber
immer einige Fälle offen, die wir nicht versorgen können. Deswegen hat sich ja auch der Hohe Landtag
vor einem Jahr dazu entschlossen, wie sich die Damen und Herren erinnern werden, dem Generalausbau
plan für die Jugendheime zuzustimmen.
Wenn diese Aktion abgeschlossen ist – wir sind jetzt im ersten Viertel -, in drei Jahren also, werden wir
hoffentlich über so viele Plätze verfügen, dafi wir die auf uns zukommenden Aufgaben erfüllen können.
Nur am Rande möchte ich dazu bemerken, daß die Erfolge dieser Heimerziehung , gar nicht so schlecht
sind, als man allgemein in der Bevölkerung annimmt. Wir haben versucht, der Sache nachzugehen und
haben folgende Untersuchungen angestellt: Wie sieht es mit den Buben und Mädeln, die aus den Heimen
herauskommen, aus? Sind sie anfällig, kommen sie wieder, zwar nicht mehr zu uns, sondern
meinetwegen nach Kaiserebersdorf, oder kommen sie sonstwie mit dem Gesetz in Konflikt? Wir können
feststellen, dass im Schnitt 75 Prozent dieser Buben und Mädeln ein ordentliches Leben führen und sich
behaupten, daß sie Familien gründen und auf ihrem Arbeitsplatz brave Leute sind. Also gar so schlecht
sind die Ergebnisse nicht. Natürlich, 100 prozentige Erfolge kann man nicht erwarten, 25 Prozent der Fälle
gehen doch noch immer daneben. Bitte, das ist natürlich eine Durchschnittszahl. Es können also in einem
Jahr und in einem Heim einmal etwas mehr und einmal etwas weniger sein. Aber die Ergebnisse sind
nicht schlecht.
In diesem Zusammenhang hat die Frau Abg. Körner gefragt, ob denn auch das nötige Personal
vorhanden ist, um alle diese Aufgaben bewältigen zu können. Wenn ich nach dem Dienstpostenplan
gehe, den wir im Zuge der Budgetdebatte beschließen werden, sind nahezu alle Dienstposten besetzt.
Natürlich ist das nicht bei allen Dienstposten der Fall, die von Frauen eingenommen werden. Ein gewisser
Prozentsatz der weiblichen Beschäftigten ist immer entweder auf Mutterschaftsurlaub oder auf
Karenzurlaub. Bei den Bezirkshauptmannschaften haben wir einen kleinen Fehlbestand.
Bei den Fürsorgerinnen wäre das Soll 125, tatsächlich besetzt haben wir 114 Dienstposten, 10
Bedienstete sind jetzt auf Mutterschutzurlaub und Karenzurlaub. Bei den Statutarstädten ist es
ausgeglichen: 12 Soll, 12 Ist, das ist also in Ordnung.
Aber, meine Damen und Herren, diese Zahlen trügen: Der Dienstpostenplan ist sehr vorsichtig erstellt; er
ist vor allem unter Berücksichtigung der Möglichkeiten und des vorhandenen Personals erstellt. Diese
Erscheinung ist in ganz Osterreich anzutreffen: Wir haben zum Unterschied von anderen Ländern zu
wenig Sozialarbeiter, wie der Fachausdruck dafür heißt. In Holland zum Beispiel gibt es genügend
Sozialarbeiter. In Deutschland bessert sich die Situation schon. Es gibt verschiedene Gründe dafür. Ich
möchte nicht näher darauf eingehen, weil ich die kurze Diskussionszeit nicht durch ein langes Schlußwort
in ihrer Wirkung illusorisch machen möchte.
Ich möchte nur auf eines hinweisen: Das Ford-Institut führt in Österreich eine Untersuchung darüber
durch, aus welchen Gründen wir zu wenig Sozialarbeiter haben. Denn jede Antwort, die heute gegeben
wird, ist aus dem Erlebnisbereich des Beantwortenden subjektiv gefärbt. Der eine sagt, daß wir zu wenig
Sozialarbeiter haben, weil zu wenig Geld vorhanden ist, der andere sagt, der Beruf sei zu wenig attraktiv,
das Sozialprestige sei zu gering, die Arbeit sei zu mühevoll, es gebe lukrativere Berufe usw. Diese
Antworten sind sehr individuell gefärbt. Man braucht einmal eine breite Untersuchung. In der deutschen
Bundesrepublik wurde das gemacht, und diese Untersuchung hat immerhin zu dem Erfolg geführt, daß es
nunmehr zu einem Ansteigen der Zahl der Sozialarbeiter kommt. Vielleicht gelingt es, daß sich die
österreichischen Bundesländer auf diese Aktion einigen. Es kostet nicht allzuviel. Die Auslagen, für
Niederösterreich würden sich auf ungefähr 25.000 Schilling belaufen. Wir werden uns, wenn es dazu
kommt, daran beteiligen und dann auf Grund dieser Unterlagen versuchen, mehr Personal für die
Sozialarbeit zu bekommen.
Die Frau Abg. Körner hat dann am Schluß ihrer Ausführungen noch auf die Problematik der
Pflegestationen und der Altersheime hingewiesen. Meine Damen und Herren! Es ist ja kein Geheimnis,
und ich erzähle da nichts Neues, wenn ich sage, daß wir in manchen Gebieten Niederösterreichs einer
gewissen Überalterung entgegengehen, In den Jahren 1951 bis 1961 hat es einen großen
Änderungsverlust gegeben. Diese Tatsache wurde schon wiederholt in diesem Hause aufgezeigt, so von
Herrn Landeshauptmann Hartmann, und auch Herr Landeshauptmann Maurer hat gesagt, daß die
Abwanderung noch immer nicht ganz gestoppt ist, daß sie noch weitergeht.
Die jungen Menschen wandern ab, und die alten bleiben natürlich zurück. Es ist selbstverständlich, daß
nicht ein Pensionist seine Wohnung und das Land verläßt, sondern eben die jüngeren Leute. Wir wissen
aus der Statistik der Jahre 1951--1961, daß es ein Viertel der 25- bis 35jährigen war, die abgewandert
sind. Ich verrate auch wieder kein Geheimnis, wenn ich sage, daß es in zwei Bezirken, nämlich in
Mistelbach und Hollabrunn - das geht auch aus dieser Statistik hervor -, die Hälfte aller 25- bis 35jährigen
war, die aus diesen Gebieten weggewandert sind. Diese kolossale Überalterungswelle muß natürlich dazu
führen, daß es mit diesen alten Menschen zu neuen Problemen kommt, nämlich zum Problem der
Versorgung, wenn sie hilflos werden. Der Familienverband existiert nicht mehr, die Kinder oder die Enkel
sind nicht mehr da, die die Eltern oder Großeltern betreuen könnten, denn sie sind nach Wien, nach
Vorarlberg, in die Steiermark und weiß Gott wohin abgewandert, und nun muß mit den Menschen etwas
geschehen. Wir haben unsere Altersheime, wir haben unsere Fürsorgeheime für chronisch unheilbare
Menschen, und nun waren wir der Meinung, es muß ein Zwischenglied geschaffen werden, ein
Zwischenteil zwischen dem allgemeinen Krankenhaus, dem Altersheim und dem Fürsorgeheim in der
Form dieser schon angeführten Pflegestationen. Wie Sie wissen, hat der Bezirksfürsorgeverband Mödling
hier den ersten Schritt getan, es wurde vor einem halben Jahr der Grundstein für eine solche
Pflegestation gelegt. Der Bezirksfürsorgeverband Mödling deswegen, weil er einen ganz konkreten Anlaß
dazu hatte. Er hat nämlich noch vor einigen Jahren fürs Altersheim rund 25 Spitalbetten beansprucht
gehabt. Mit dem Ausbau des Krankenhauses Mödling und der nunmehr bevorstehenden Übersiedlung
von Speising nach Mödling werden diese Betten gebraucht, der Fürsorgeverband mußte mit seinen alten
Leuten diese Betten räumen und stand daher vor der Notwendigkeit, etwas Neues zu schaffen. Das
waren also jetzt diese Pflegestationen. Damit wir aber wissen, wie das vor sich sehen wird, und um
Erfahrungen zu sammeln, haben wir ein Experiment eingeleitet. Ich habe schon voriges Jahr berichtet,
daß wir das Experiment vorhaben; ich kann jetzt sagen, daß wir es durchführen, und zwar in Hollabrunn
mit dem Altersheim Retz. Es hat sich, ich möchte das in anerkennenswerter Weise feststellen, die
Niederösterreichische Gebietskrankenkasse bereiterklärt, für dieses, Experiment die Kosten zu
übernehmen. Wir transferieren also Menschen, die auf Grund ihres Alters eine längere Rehabilitationszeit
brauchen, vom Krankenhaus Hollabrunn in die Dependance Retz. Wir haben im Altersheim zwei Zimmer
dafür adaptiert. Diese beiden Zimmer gehören aber an sich hinsichtlich der Betreuung noch immer zum
Krankenhaus Hollabrunn.
Die Ärzte, Primari, fahren hin, betreuen die Leute weiter, und wir kommen dadurch zu einer sehr
wesentlichen Kostensenkung. Ein Pflegetag im Krankenhaus Hollabrunn kostet 168 Schilling, ein
Pflegetag in Retz 70 Schilling. Das ist weit weniger als die Hälfte. Sollte dieses Experiment gelingen, dann
wäre es sozusagen das Modell für weitere solche Maßnahmen. Vielleicht kämen wir auf diesem Weg
auch zu einer geringfügigen Senkung der Kosten, denn irgendetwas muß, wie gesagt, geschehen. Wir
müßten entweder mehr Altersheime, mehr Spitalsbetten oder mehr Fürsorgeheime bauen; aber alle diese
Sachen sind noch immer teurer als diese Pflegestationen. Sie wären das billigste, was wir finden könnten.
Der Herr Abg. Ungersböck hat sich dann mit dem Behindertengesetz beschäftigt und gesagt, daß die
Maßnahmen für geschützte Arbeit usw. nur sehr bescheiden durchgeführt wurden. Ich muß das
bestätigen, und zwar bescheiden durchgeführt aus zweierlei Gründen, meine Damen und Herren. Erstens
natürlich auch aus finanziellen Überlegungen, zweitens aber gibt es noch keine Patentlösungen für diese
Maßnahmen. Die Idee der geschützten Werkstätte, der geschützten Arbeit, ist voll durchdacht, aber in der
Praxis fehlt's halt noch ein bißchen an der Anwendung. Für eine Bevölkerungsgruppe gibt es diese schon,
ich glaube seit 40, 50 Jahren, und zwar in den sogenannten Blindenwerkstätten. Sie kennen sie, der
Kriegsopferverband hat sie errichtet.
Das ist also eine echte geschützte Werkstätte, wo der Blinde unter seinesgleichen arbeitet und produktive
Arbeit leistet. Dann haben wir in den einzelnen Bundesländern verschiedene Einrichtungen, die sich zum
Teil bewähren, zum Teil nicht bewähren. Es ist aber so, dass man ein Patentmodell noch nicht hat, und
wir experimentieren auch noch herum. Sie haben schon, Herr Abgeordneter, auf zwei Einrichtungen der
Caritas in Wien hingewiesen. Wir werden im kommenden Jahr eine neue Einrichtung der Caritas in
Lanzendorf durch eine Investitionsbeihilfe sozusagen für uns sichern, d.h., wir sichern uns die Plätze - den
Betrieb wird weiter die Caritas führen -, wo wir versuchen, zerebral gestörte Kinder zu rehabilitieren. Ich
bin kein Fachmann auf diesem Gebiet, aber laut Mitteilungen unserer Ärzte ist es doch erstaunlich, was
man dort tut. Es handelt sich um ein holländisches Ärzteteam, das dort mit einer unerhörten Praxis und
großen Erfahrungen arbeitet. Wir haben einige solche Jugendliche aus Mauer-Öhling herausgenommen
und probeweise dorthin gegeben, und innerhalb von sechs Wochen wurden sie in Lanzendorf voll
rehabilitiert und eingegliedert. Natürlich haben sie sich nicht die schwersten Fälle genommen, daß muß
man auch dazu sagen; es sind nur solche Fälle gewesen, die rehabilitationsfähig waren. Aber selbst das
ist ein großer Erfolg. Es bestand die Gefahr, daß die Caritas dieses Heim zusperrt und dieses
holländische Ärzteteam von Österreich weggeht. Durch die Maßnahmen des Landes - der Hohe Landtag
wird ja bei dieser Gruppe eine entsprechende Budgetpost beschließen - werden wir uns die Betten
sichern. Ich glaube, das wird ein weiterer Schritt neben dem Ausbau des Clara-Fey Kinderheimes sein,
das wir ja mit 2/2 Millionen Schilling unterstützt haben,. Ich möchte nur ganz schüchtern anmelden - ich
habe das auch schon dem Herrn Finanzreferenten unter vier Augen gesagt -, daß es damit noch nicht
ganz aus sein wird, nicht nächstes und auch nicht übernächstes Jahr; aber ein bißchen etwas müssen wir
wahrscheinlich noch tun, denn ich sage noch einmal, meine Damen und Herren, was ich voriges Jahr
schon betont habe: Machen wir es selbst, kommt es uns erstens einmal teurer und zweitens finden wir
nicht das Personal dazu. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, es ist das die günstigste Lösung, und das
Land kommt hier am billigsten davon.
Der Herr Abg. Ungersböck hat dann noch auf die Schwierigkeiten beim Pflegegeld hingewiesen. Meine
Damen und Herren, ich darf vielleicht dasselbe noch einmal wiederholen, was ich schon im
Finanzausschuß sagte. Diese Schwierigkeiten ziehen sich durch alle Beratungen der Fürsorgereferenten
Österreichs. Es ist schon die Idee aufgetaucht, man möge die Gewährung des Pflegegeldes in den
Bedingungen teilen, sozusagen in ein Pflegegeld erster Stufe und in ein solches zweiter Stufe. Ich
gestehe ganz offen, daß ich nicht zu den Befürwortern dieser Regelung gehöre, denn je mehr
Einteilungen man macht, umso mehr Kriterien fallen an, und je mehr Kriterien der Beurteilung da sind,
umso mehr Schwierigkeiten gibt es. Man soll sich ja nicht täuschen. Habe ich jetzt ein Kriterium für das
Pflegegeld und schaffe ich dann zwei Stufen, habe ich zwei Kriterien und habe zweimal Grenzfälle und
zweimal Schwierigkeiten. Ich glaube, wir kommen nicht heraus, und im Endergebnis wird es uns
wahrscheinlich nichts helfen. Man muß versuchen, die gesetzlichen Bestimmungen so zweckmäßig zu
gestalten, daß wir damit durchkommen. Das wird noch einige Schwierigkeiten geben. Ein kleiner Trost
mag es sein, dass die Schwierigkeiten nicht nur bei uns sind, die gibt es in anderen Ländern auch; aber
wir versuchen gemeinsam, durch die Praxis diese Schwierigkeiten zu überwinden. Damit nur kein falscher
Eindruck entsteht und der Herr Landesfinanzreferent unter Umständen den Eindruck bekommt, ich hätte
ihn bei den Verhandlungen getäuscht, muß ich sagen: Die durch acht Jahre hindurch zu gewährenden
25.000 Schilling für das Heim in Schreibersdorf, das der Abg. Ungersböck genannt hat, gibt nicht das
Land Niederösterreich, wie er sagte, sondern der Verband aller Körperbehinderten hat sich dazu
verpflichtet. Nicht daß zum Schluß der Verdacht entsteht, ich hätte einen geheimen Polster versteckt, um
das damit zu bezahlen. Das haben wir nicht getan. Es handelt sich um einen Verein, der durch acht Jahre
die Auszahlung vornimmt und außerdem durch eine Landessammlung noch einen zusätzlichen Betrag
aufbringt.
Abg. Stangl hat sich mit dem Jugendschutzgesetz beschäftigt. Ich kann nur sagen, ich wäre sehr dankbar,
wenn wir es hätten. Die Damen und Herren wissen, ich bin nicht der zuständige Referent, das ist eine
Angelegenheit, die dem Herrn Landeshauptmann untersteht.
Und nun zum Schluß noch zu Herrn Abg. Dipl. Ing. Robl, der vier Grundsatzfragen aufgeworfen hat. Ich
hoffe, sie rasch beantworten zu können.
Die erste Frage war die Behandlung der landwirtschaftlichen Bevölkerung nach
einkommensteuergesetzlichen Kriterien oder nach dem Einheitswert. Ich mache es kurz. Bei dieser Frage
handelt es sich um eine bundeseinheitliche Regelung, auf die sich alle Fürsorgereferenten seinerzeit
geeinigt haben. Ich bin bereit, diese Frage aufzurollen und neuerlich zu überprüfen, ob wir sie anders
lösen können, eventuell allein oder mit den anderen zusammen. Ich glaube, wir sind nur alle einer
Meinung: Es soll, wenn es geht, bundeseinheitlich bleiben. Es ist nicht gesagt, daß es auf dieser Basis
bleiben soll, verstehen Sie mich nicht falsch, aber es soll einheitlich sein. Und wissen Sie warum? Wenn
ich die Protokolle ansehe, so ist durch zwei Jahre in diesem Hause gesagt worden, das
Behindertengesetz könne solange nicht verabschiedet werden, solange man sich nicht einheitlich auf
dieselben Grundsätze festgelegt hat. Es kamen Anträge, man soll die Blindenbeihilfe möglichst
vereinheitlichen, die Einkommensgrenzen, Wertgrenzen usw. sollen fallen. Ich glaube, wir sollten bei der
Einheitlichkeit bleiben. Selbstverständlich soll überprüft werden, ob man hier nicht nach anderen Kriterien
vorgehen soll als nach denen, die Dipl.Ing. Robl angeführt hat. Er hat zwar keinen Antrag gestellt, ich
fasse das aber zumindest mit der Zustimmung des ganzen Hauses als eine so eindringliche Aufforderung
auf, dass ich mich in dieser Richtung bewegen werde.
Bei den Verpflegskosten der Jugend- und Fürsorgeheime hat Abg. Dipl. Ing. Robl die Betrachtungen mit
den Worten abgeschlossen, es wäre zu hoffen, daß ein Rückgang der Steuern eintreten könnte; ich
glaube, das ist der Wunsch aller. Damit kein Irrtum entsteht: Ich glaube nicht daran, daß es zu einer
Senkung der Kosten kommen kann, und zwar wegen des zweiten Fragenkomplexes nicht, den der Herr
Abg. Robl angeschnitten hat. Er sagte, auf Grund der geltenden fürsorgerechtlichen Bestimmungen ist es
so, daß viele Gemeinden schon nicht mehr in der Lage sind, den fünfzigprozentigen Anteil der offenen
Fürsorge zu tragen, bei der geschlossenen Fürsorge übrigens dann auch nicht. Sie sind nicht in der Lage,
jetzt diese Beiträge zu leisten man soll eine andere Aufteilung finden. Eines muß uns klar sein: Jede
andere Aufteilung führt dazu, dass man einen anderen Kostenträger suchen muß, und der Kostenträger
kann nur, wenn es die Gemeinde nicht ist, das Land oder der Bund sein, Der Bund wird nein sagen. Wer
soll die Kosten aber tragen? Natürlich, der Verpflichtete. Aber wir wissen, der ist meistens dazu nicht in
der Lage. Wer also soll die Kosten tragen? Es sind die Gemeinden, das Land und der Bund; wenn ich
eine Verschiebung von der einen auf die andere Seite vornehme, muß die andere mehr bezahlen, das ist
ganz klar. Damit kein Irrtum entsteht, dieser letzte Entwurf des Fürsorgegesetzes ist von den Ländern
nicht deshalb abgelehnt worden, weil die Belastung größer geworden wäre, sondern aus anderen
Überlegungen. Wir glauben, und da sind alle Länder einheitlich derselben Auffassung, daß die Regelung
der Fürsorge in Fürsorgeverbänden mit den Gemeinden volksnäher ist, als wenn es ein ganzer
Landesverband ist. Wenn dann zum Schluß die Gemeinde zwar die Arbeit macht, der Bürgermeister nach
wie vor die Erhebungen pflegen muß, die Entscheidung aber weiterhin beim Bezirk oder beim Land liegt,
dann hat der Landesverband nicht viel Sinn bekommen, weil wir sagen, die Fürsorge geht nicht nach
Berechnungsgrundlagen -- so wie zum Beispiel eine Pension -, es handelt sich um Hilfsmaßnahmen nach
dem jeweiligen Notstand des Betroffenen; es sind nicht immer fixe Fürsorgerentensätze, einmal ist es eine
Kohlen-, einmal eine Bekleidungsbeihilfe. Man versucht ohnehin, möglichst einzusparen, und die
sogenannten Abhörbogen der Bürgermeister sind sehr detailliert und versuchen, alles zu machen, damit
sie am billigsten darauskommen. In dem Augenblick, wo beim Land zentralisiert würde, wäre diese Nähe
weg, und es müßte wieder delegiert werden. Nun hat sowohl der Gemeindebund als auch der Städtebund
gesagt: Wenn wir die Arbeiten machen müssen, wollen wir auch mitreden können; wenn wir außerdem
noch zahlen müssen so wie bisher - so stand es im Entwurf -, sind wir überhaupt dagegen, daß man uns
alles wegnimmt; Arbeit haben, zahlen müssen und nichts mitzureden haben - dazu könnt Ihr uns nicht
gewinnen. Das war die Antwort der beiden Gemeindebünde, und ich glaube, sie war auch irgendwo
berechtigt. Trotzdem sind wir der Auffassung, daß es höchste Zeit wäre, wenn wir ein neues
Fürsorgegrundsatzgesetz bekommen könnten.
Ich habe schon einmal über die Schwierigkeit gesprochen, sowohl verfassungsrechtlicher als auch
gesetzestechnischer Natur. Ich erinnere mich, daß einmal anläßlich einer Rede – ich war damals noch
nicht Landesrat – Kollege Stangler, als ich über diese Frage gesprochen habe, den Zwischenruf machte:
„Dazu können Sie uns haben, daß wir darüber reden!" Wir haben auf allen möglichen Ebenen
gesprochen, aber es ist unerhört schwierig. Wie demokratisiert man eine Behörde, die aus einem Mann
besteht, nämlich dem Bezirkshauptmann in seiner Behördeneigenschaft? Wenn man ihn wählt - und das
kann man - und er gleichzeitig ein weisungsgebundener Beamter ist? Ein gewählter, weisungsgebundener
Beamter? Das wird nicht ganz zusammenstimmen, dann ist die Wahl sinnlos gewesen, dann wird er wohl
gewählt, aber er muß das tun, was die Oberbehörde anordnet. Es müßte in irgendeiner Form ein eigener
Wirkungsbereich geschaffen werden. Der wäre beim Fürsorgerecht vorhanden. Es sind also die
Schwierigkeiten verfassungsrechtlicher Art verhältnismäßig groß. Ich habe selbst Gelegenheit gehabt,
einige Jahre bei der rechtlichen Klärung dieser Fragen mitzuarbeiten, und es ist nichts besonderes
herausgekommen, nicht etwas. Das man allgemein hätte anerkennen können.
Und nun die letzte Frage, und zwar der Kanalbau von Korneuburg. Ich. darf sagen, Herr Abg. Robl . . .
(Zwischenruf des Abg. Dipl. Ing Robl: Ich habe von einem Landesverband der Gemeinden gesprochen
und davon, ob nicht alle Gemeinden zu einem Riskenausgleich zusammenzufassen sind. Der Bund soll
mehr zahlen, das Land soll mehr zahlen, weil die Schwierigkeiten für manche Gemeinden bestehen.)
Diese Idee des interkommunalen Ausgleichs soll man endlich fallen lassen, er bringt doch nichts!
Meine Damen und Herren! Es sind immer die Gemeinden. Das ist eine alte Idee gewesen, Herr Kollege
Laferl wird mir das bestätigen. Es war vor dem vorletzten Finanzausgleich hochaktuell, einen
interkommunalen Finanzausgleich zu machen, bis man festgestellt hat, daß das überhaupt nichts bringt.
Darf ich ein Beispiel anführen, das wir in Niederösterreich haben, Hier gibt es einen Gemeindeverband,
den NÖKAS. Was es über die Aufteilung der Lasten innerhalb des NÖKAS zu sagen gibt, soll Ihnen
Kollege Laferl wiederholen, er hat es uns bei der letzten Sitzung des NOKAS sehr deutlich dargestellt.
Das ist ein Gemeindeverband aller Gemeinden ganz Niederösterreichs. Es hilft nichts, meine Damen und
Herren: Wenn ich einen Betrag x habe und ihn auf die Gemeinden aufteile, so kann ich es machen, wie
ich will - es wird immer Unzufriedene geben. Zufriedenheit gibt es nur dann, wenn ich einen Dritten finde,
der mir einen Teil der Lasten abnimmt.
Dann ist der, dem ich die Lasten abnehme, zufrieden, und der, der sie übernommen hat, ist unzufrieden.
Das ist das Endergebnis dabei. Ich glaube also, man soll sich mit solchen Konstruktionen gar nicht
belasten, weil sie im Endeffekt zu nichts führen, Dem einen oder anderen, jedenfalls ganz wenigen, wird
dadurch vielleicht eine Entlastung gebracht, aber die Masse wird dabei nicht glücklich werden.
Nun noch zum Kanalbau Korneuburg. Herr Kollege Robl hat die Befürchtung ausgesprochen, daß es
dafür noch eine 9. oder 10. Rate geben wird. Ich glaube, im Einvernehmen mit dem Herrn
Landesfinanzreferenten sagen zu dürfen: Es wird eine 8lJzte Rate geben. (Abg. Dipl. Ing. Robl: Nachtrag!)
Wir haben uns nämlich darauf geeinigt, daß wir im Nachtragsbudget, wenn es irgendwie möglich ist, den
Rest des Geldes aufzubringen versuchen, um das zu vollenden. (Abg. Stangler: Jetzt wird es interessant:
9 oder 8 1/2?) Ich habe festgestellt und wiederhole es: Es wird nur mehr eine 8 1/2te Rate geben.
Sie werden gesehen haben, daß im außerordentlichen Voranschlag für das Jugendheim Korneuburg mit
Ausnahme des Kanals nichts mehr enthalten ist. Ich glaube also, die Schwerpunktbildung, die vom
Finanzkontrollausschuß vorgeschlagen wurde, haben wir durchgeführt. Wir haben alles andere
weggelassen und gesagt: Jetzt machen wir einmal den Kanal fertig. Dieser Kanal in Korneuburg erinnert
mich an ein Bauvorhaben, das in der Landesregierung immer wieder auftaucht - das ist der Korneuburger
Url. Ich glaube, der Url-Wasserverband hat seit ungefähr 25 Jahren bereits die 86. oder 150. Rate, und
diese Url wird immer weiter durch das Land „wurln". Dieser Kanal soll aber zu keiner zweiten „Landesurl"
werden. Wir werden dieses Vorhaben also vollenden.
Meine Damen und Herren, nur ein Wort im Interesse der Gerechtigkeit unseren Vorgängern gegenüber.
Kollege Robl hat gesagt, dass man den Kollegen Ludwig und mich für die 8. Rate nicht unbedingt
verantwortlich machen kann. Den Kollegen Ludwig kann man höchstens für die 8. Rate verantwortlich
machen, mich noch für die 6. und 7., denn da war ich schon zuständig; für die anderen 5 war ich es noch
nicht.
Dieses Bauvorhaben war auch deswegen einigermaßen schwierig, weil die Stadtgemeinde Korneuburg,
wie Sie als Abgeordneter dieses Bezirkes wissen, mit ihrem Kanalsystem Schwierigkeiten hatte. Der
Anstaltskanal konnte erst dann weitergebaut werden, als klar war, wo an den Stadtkanal angeschlossen
und eingebunden wird. Dazu kam noch - der Finanzkontrollausschuß und der Herr Abg. Laferl haben das
besichtigt -, daß man auf einmal vor einer Wildwasserverbauung stand, denn als man da
hinuntergegraben hat, sind richtige Wildbäche herausgeflossen. Es hat so eine Reihe von Schwierigkeiten
gegeben. Es war auch nie genügend Geld da. Der Wiederaufbau Korneuburgs wird wahrscheinlich auch
noch eine ganze Menge Geld kosten, bis er vollendet ist. Wir haben aber bei diesem JugendheimAusbauplan versucht, zu einer abschließenden Größe zu kommen, so daß wir nach menschlichem
Ermessen jetzt in drei Jahren fertig sein müßten und dann dieses Heim, das von den Russen total
devastiert wurde, praktisch wieder instandgesetzt ist.
Ich habe nun nicht ganz so lang - um fünf Minuten weniger als die Debattenredner - gebraucht, um das zu
beantworten. (Abg. Stangler: Das ist eine Leistung!) Ich bitte um Entschuldigung, daß es doch so lange
gedauert hat. Ich möchte noch allen Damen und Herren für die Anregungen danken, die sie gegeben
haben, Abschließend darf ich Ihnen versichern, daß die Verwaltung des Fürsorgeressorts den Grundsatz
einzuhalten versuchen wird, der heute hier bereits einige Male ausgesprochen wurde: Daß im Mittelpunkt
der Bemühungen der Mensch steht und stehen muß. Dieser Grundsatz wird für die Verwaltung
Richtschnur sein, soweit es im Rahmen einer Verwaltung überhaupt möglich ist. (Allgemeiner Beifall.)
ZWEITER PRÄSIDENT SIGMUND: Zum Wort gelangt Herr Landeshauptmann Maurer.
Landeshauptmann MAURER: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen
Hauses! Herr Abg. Stangl hat sich mit dem Jugendschutzgesetz befaßt und, wie ich glaube, mit Recht
betont, daß es notwendig wäre, ein entsprechendes Jugendschutzgesetz nicht allein von der Seite
Niederösterreichs aus zu sehen, sondern es mit den umliegenden anderen Bundesländern abzustimmen.
Ich darf daran erinnern, daß bereits vor längerer Zeit in Wien eine Enquete abgehalten wurde, zu der ein
Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, nämlich das Jugendamt, eingeladen hatte. Ich war
damals bei dieser Enquete und auch die Vermieter der Gemeinde Wien, der Jugendverbände und an
dieser Materie interessierter Kreise waren dabei und nahmen an einer mehrstündigen Aussprache teil. Die
Aussprache hat allerdings bereits gezeigt, wie weit die Vorstellungen Niederösterreichs und der
Bundeshauptstadt Wien auf diesem Gebiet auseinandergehen.
In weiterer Folge wurde auch die Verbindungsstelle eingeschaltet, und die Bundesländer wurden befragt,
und diese bekundeten natürlich einhellig: Jawohl, auch wir sind dafür, daß möglichst einheitliche
Jugendschutzgesetze in den Bundesländern gelten sollen. Allerdings hat sich auch bei dieser Gelegenheit
gezeigt, wie weit die Vorstellungen in einzelnen Bundesländern auseinandergehen.
Ich habe auf Grund der Erkenntnisse in dieser Enquete sowie der Stellungnahmen der Bundesländer, der
vorgelegten Entwürfe und der derzeit bestehenden Gesetze, aber auch unter Bedachtnahme auf die
Vorstellungen aller daran Interessierten ein Gesetzeswerk ausarbeiten lassen. Dieses Gesetzeswerk
wurde bereits ausgesendet, und auch die Stellungnahmen dazu sind bereits eingetroffen. An sich hätte
noch in der jetzigen Gesetzgebungsperiode dieses Gesetz vorgelegt werden können.
Da aber, wie Sie sich sicherlich denken können, von Seite der gewerblichen Wirtschaft Einsprüche
ergangen sind, möchte ich den Entwurf doch nochmals überprüfen lassen, um alle Stellungnahmen
gegeneinander abzuwägen, um dann, wie ich denke, Anfang des nächsten Jahres dem Hohen Haus
einen Gesetzentwurf vorzulegen, der zur Beratung stehen wird. Sie werden dann erkennen, wie schwierig
auf Grund der einzelnen Stellungnahmen ein einhelliges Vorgehen aller Bundesländer tatsächlich ist,
zumal sich etwa die Problematik in der Bundeshauptstadt Wien doch wesentlich von jener des Landes
Niederösterreich oder des Burgenlandes, der Steiermark und auch Oberösterreichs unterscheidet. Wir
haben uns jedenfalls bemüht, einen Entwurf zu erstellen, der den modernen Anforderungen, aber auch
den Erkenntnissen dieser Bundesländer, den Ergebnissen der Enquete und der dabei geführten
Gespräche Rechnung trägt.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir aber auch noch einige Worte dazu. Ich glaube, daß uns
selbst mit einem solchen Gesetz, das naturlich notwendig ist, das nach den derzeitigen Gegebenheiten
verbessert werden soll und den modernen Erkenntnissen Rechnung trägt, die moderne Zeit doch
irgendwie davongelaufen ist. Immer wieder kann man in den Zeitungen von dem sogenannten LSD lesen,
das ich eigentlich als noch verheerender bezeichnen möchte als den Alkohol, vor dem wir die Jugend in
Jugendschutzgesetzen sichern wollen. Gewiß ist der Alkohol für die Jugend, besonders wenn er in
großem Ausmaß genossen wird, schädlich. Es scheint mir aber, daß etwa das LSD und andere derartige
Mittel noch weit schädlicher sind. Dazu kommt noch, daß solche Mittel nicht öffentlich zu bekommen sind,
sondern privat gehandelt werden, wie man auch aus Zeitungsberichten ersehen kann. Ich glaube, daß es
kaum eine sehr wirksame Form gibt, solche Missbräuche gesetzlich wirklich erfassen zu können. Das ist
eine andere sehr wichtige Seite des Problems.
Denken Sie aber auch an das Nikotin, das für Jugendliche eminent schädlich sein kann, wenn es allzu
früh genossen wird. Auch dieser Nikotinmißbrauch erfolgt nicht frei und öffentlich, sondern hinter
verschlossenen Türen.
Hier schichtet sich in der modernen Zeit bereits einiges auf die Verantwortlichkeit der Familien um. An die
Familien und an die Erziehungsberechtigten müßte in unserer Zeit verstärkt appelliert werden, um ihnen
vor Augen zu führen, wie gefährlich alle jene Mittel sind, die nicht öffentlich konsumiert, sondern im Kreise
der Familie oder hinter verschlossenen Türen in geschlossener Gesellschaften verabreicht werden.
Dazu kommt noch das - das möchte ich auch hier sehr offen aussprechen -, was heute mit dem modernen
Fernsehapparat jede Familie ins Haus geliefert bekommt. Die Eltern und Erziehungsberechtigten werden
immer wieder darauf aufmerksam gemacht, daß dieser oder jener Film ein „Jugendverbot" habe, und
ersucht, dafür zu sorgen, daß die Jugendlichen nicht vor dem Fernsehschirm sitzen.
Was lehrt uns aber die Praxis? Aus Gesprächen mit unseren Lehrern in den Volks- und Hauptschulen,
aber auch in den höheren Schulen hören wir immer häufiger und auf breiter Basis, daß die Kinder immer
wieder in der Schule erzählen, sie hätten diesen oder jenen Film gesehen. Vielleicht besteht hier eine
Möglichkeit, wirksame Appelle an die Eltern und Erziehungsberechtigten so durchzuführen, daß sie auch
wirklich durchschlagskräftig sind. Wir können alles regeln. Wir können einen Film mit einem
„Jugendverbot" belegen und diese Verbote in der Öffentlichkeit kontrollieren. Wir sind überzeugt, daß
diese Dinge nur zum Teil durchbrochen werden. Für alles andere, was durch das Fernsehen ins Haus
geliefert wird, werden die von mir genannten Maßnahmen nur wenig erfolgversprechend sein.
Ich habe mir gestattet, darüber zu sprechen, weil Sie, wenn Sie die Zeitungen lesen, selbstverständlich
auch von der Richtigkeit der Ausführungen überzeugt sind. Wir lesen immer wieder von solchen
Vorkommnissen auf breiter Basis, obwohl in den Zeitungen nur die krassen Fälle geschildert werden, und
alle anderen, die sich vorerst nicht schädlich auswirken, werden ja nicht öffentlich dargestellt, sind aber
trotzdem vorhanden.
Meine Damen und Herren! Ich wollte der Gesetzeswerdung nicht vorauseilen. Sie werden sicherlich in
kurzer Zeit die Möglichkeit haben, zu dem Gesetzeswerk Stellung zu nehmen. Ich wollte Ihnen nur
berichten, wie weit diese Gesetzesvorlage gediehen ist. (Beifall bei der ÖVP.)
ZWEITER PRÄSIDENT SIGMUND: Die Rednerliste ist erschöpft, der Herr Berichterstatter hat das
Schlußwort.
Berichterstatter Abg. ANZENBERGER: Ich verzichte auf das Schlußwort.
ZWEITER PRÄSIDENT SIGMUND: Zur Abstimmung liegt vor die Gruppe 4, Fürsorgewesen und
Jugendhilfe, sowie der Resolutionsantrag des Herrn Abg. Fraissl. Ich lasse zunächst über die Gruppe
selbst und zum Schluß über den vorliegenden Resolutionsantrag abstimmen.
Ich bitte den Herrn Berichterstatter, zur Gruppe 4, ordentlicher Voranschlag und ausserordentlicher
Voranschlag, seinen Antrag zu stellen.
Berichterstatter Abg. ANZENBERGER: Hohes Haus! Die Gruppe 4, Fürsorgewesen und Jugendhilfe, sieht
im ordentlichen Voranschlag Einnahmen von 188,822.000 Schilling vor, denen Ausgaben von
287,699.000 Schilling gegenüberstehen. Im außerordentlichen Voranschlag sieht die Gruppe 4 Ausgaben
in der Höhe von 2,800.000 Schilling vor. Ich ersuche den Herrn Präsidenten, die Abstimmung über die
Gruppe 4 durchzuführen.
(Nach Abstimmung über Gruppe 4, Fürsorgewesen und Jugendhilfe, ordentlicher Voranschlag und
außerordentlicher Voranschlag, in Erfordernis und Bedeckung): Angenommen.
(Nach Abstimmung über den Resolutionsantrag des Abg. Fraissl, betreffend die organisatorische
Neuregelung der Kinderausspeisung im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und Einsparung von
Lagerungs- und Transportspesen): Angenommen.
Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Abg. Anzenberger, zur Gruppe 5, Gesundheitswesen und
körperliche Ertüchtigung, ordentlicher Voranschlag und außerordentlicher Voranschlag, zu berichten.
Berichterstatter Abg. ANZENBERGER: Hohes Haus! Ich habe über die Gruppe 5 zu berichten: Die
Gruppe 5, Gesundheitswesen und körperliche Ertüchtigung, deren Ausgaben vorgesehen sind,
verzeichnet Einnahmen in der Höhe von S 163,098,000,- so daß das Nettoerfordernis S 120,780,000,beträgt.
In dieser Gruppe werden die Gebarungsvorgänge für Gesundheitspflege, Einrichtungen des
Gesundheitswesens, körperliche Ertüchtigung und Jugendförderung verrechnet. Der Vergleich mit dem
Gesamtaufwand des ordentlichen Voranschlages ergibt, daß die Ausgaben dieser Gruppe 8,46 Prozent
darstellen, während sie im Vorjahr 8,04 Prozent betragen haben.
Die Mehrausgaben von rund 41,2 Millionen Schilling betreffend mit rund 13,7 Millionen Schilling den
Personalaufwand und mit 27,1 Millionen Schilling den Sachaufwand. In. dieser Gruppe wurden neu
aufgenommen die Voranschlagsansätze betreffend Zuschuß zur Errichtung von Abteilungen für
Unfallchirurgie an allgemeinen öffentlichen Krankenanstalten in Niederösterreich mit einem Betrag von
21,5 Millionen Schilling und Zuschuß zum Aufwand der Krankenpflegeschulen am allgemeinen
öffentlichen Krankenhaus in Amstetten und in Horn mit je 70.000 Schilling. Zufolge einer Neueinteilung
des Kredites des Abschnittes 54, körperliche Ertüchtigung, wurde eine Erhöhung desselben in der Höhe
von 700.000 Schilling vorgesehen. Der Landesbeitrag zum Pensionsfonds der Gemeindeärzte in
Niederösterreich wurde um rund 2,1 Millionen Schilling erhöht.
Die Mehreinnahmen dieser Gruppe betragen rund 18,4 Millionen Schilling. Sie sind mit rund 2,3 Millionen
Schilling auf höhere Beitragsleistungen des Bundes und des aö. Krankenanstaltensprengels zu den
Betriebsabgängen der Landes-Krankenanstalten und mit rund 16,1 Millionen Schilling auf die höheren
Einnahmen der Landes-Krankenanstalten zurückzuführen. Ebenso wie in der Gruppe 4 müssen auch bei
den in der Gruppe 5 veranschlagten Landesanstalten Verpflegskostenmehreingänge zur Überschreitung
der Ausgabenvoranschlagsziffern freigegeben werden.
Einige Voranschlagsansätze wären gegenseitig deckungsfähig zu erklären. Die außerordentlichen
Ausgaben der Gruppe 5 sind mit Schilling 14,850.000 veranschlagt.
Ich bitte den Herrn Präsidenten, die Debatte einzuleiten.
ZWEITER PRÄSIDENT SIGMUND: Zum Wort gelangt der Herr Abg. Czidlik.
Abg. CZIDLIK: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! In der Sozialvorsorge ist der
Gesundheitsdienst in allen seinen Sparten oder Spielarten ein wichtiger Faktor. Vorbeugungsmaßnahmen
erfordern die Tätigkeit aller medizinischen Institutionen - ob es sich nun um praktische oder Fachärzte
handelt, um ambulante Behandlung oder Hausbesuche -- sowie die Spitalsbehandlung in den
niederösterreichischen Krankenhäusern. All das ist bei dem hohen Entwicklungsstand der Medizin und
den gut ausgebildeten Arzten und dem Pflegepersonal sicherlich wichtig. Es handelt sich aber nicht nur
um die humanitäre Bedeutung dieser Ausgaben, sondern auch darum, daß die Wirtschaft eines Landes
durch einen gut funktionierenden Gesundheitsdienst in den verschiedensten Richtungen beeinflußt wird.
So haben z. B. im Jahre 1968 1755 Ärzte in Niederösterreich ihre Tätigkeit ausgeübt und darüber hinaus
2726 Menschen ihre Arbeit im Pflegedienst versehen, so daß durch den Gesundheitsdienst praktisch zirka
4500 Menschen in Niederösterreich ihre Existenz bzw. ihren Arbeitsplatz gesichert hatten. Aber nicht nur
der Umstand, daß die niederösterreichischen Krankenanstalten im Jahre 1968 einen Umsatz von zirka
500 Millionen Schilling erreichen werden, ist bemerkenswert; bei Hinzuzählung der Honorare für
praktizierende Arzte aller Sparten, der Ausgaben für Medikamente, Heilbehelfe, Kuraufenthalte und aller
anderen Krankenkassenleistungen wird ein Milliardenbetrag erreicht, der jährlich in die
niederösterreichische Wirtschaft hineingepumpt wird. Es geht also vom Gesundheitsdienst für
Niederösterreichs Wirtschaft ein starker Impuls aus. Ein hervorragender Gesundheitsdienst beeinflußt
aber die Wirtschaft eines Landes auch noch auf eine andere Art. Die Summe der Arbeitsleistungen aller
Werktätigen oder Schaffenden kann durch langen Krankenstand, durch langen Aufenthalt in
Krankenhäusern oder Anstalten, durch frühe Invalidität oder frühes Siechtum sehr negativ beeinflußt
werden. Ein entsprechend hervorragender Gesundheitsdienst kann aber andererseits durch Verkürzung
der Krankenstandsdauer, durch die Aufenthaltskürzung in Spitälern und Krankenanstalten, durch
Verhinderung von früher Invalidität oder frühem Siechtum die Summe der Arbeitsleistungen sehr positiv
beeinflussen. Es sind daher von diesem Gesichtspunkt aus die Ausgaben für diesen Gesundheitsdienst und hier insbesondere wieder für die Gemeindespitäler - in dementsprechender Weise nach vernünftigen
Grundsätzen zu regeln.
In den vergangenen Jahren habe ich mich bemüht, die sehr sprunghaft steigenden Ausgaben und
Belastungen der spitalserhaltenden Gemeinden, die durch ihre Spitäler verursacht wurden, aufzuzeigen.
Inzwischen sind einzelne Gemeinden, die das Unglück haben, ein Krankenhaus zu erhalten,. in eine sehr
kritische Situation gekommen - haben sie doch ihre Zweckrücklagen, die vielfach Kassenreserven für die
notwendigen Ausgaben zur Aufrechterhaltung des Verwaltungsaufwandes darstellten, aufgebraucht. Es
ist daher wirklich höchste Zeit, daß endlich in dieser Richtung etwas geschieht. 1969 würde es nach dem
Voranschlag sämtlicher 23 Gemeindekrankenhäuser einen Betriebsabgang von ungefähr 200 Millionen
Schilling geben. Er wäre nach folgender Aufstellung zu leisten: Der Bund hätte 37,5 Millionen Schilling,
das Land Niederösterreich 58 Millionen Schilling, der NÖKAS 42 Millionen Schilling, und die 23
Gemeinden hätten 62,5 Millionen Schilling zu leisten. Wenn Sie sich diese Zahlen ansehen, so muß eine
kühle und nüchterne Überlegung jedem einzelnen sagen, daß hier 23 Gemeinden etwas zugemutet wird,
was geradezu unmoralisch ist; man könnte einen viel härteren Ausdruck dafür gebrauchen. - In
Wirklichkeit ist es doch so, daß beispielsweise das Haus in Mistelbach, das kein Gemeindekrankenhaus
war, unter bestimmten Voraussetzungen und Verhältnissen nach dem Kriege einen Erhalterverband
bekommen hat, der unter den gegebenen Verhältnissen nicht gezwungen werden konnte, das
Krankenhaus weiterzuführen. Dieser Erhalterverband, nur aus wenigen Gemeinden bestehend, hat sich
nach wenigen Jahren nicht mehr bereit erklärt, dieses Krankenhaus weiterzuführen, und seit dieser Zeit ist
nun - wenn auch hinter den Kulissen - das Land Niederösterreich, um die Verhältnisse nicht zu einem
Stunk unglaublichen Ausmaßes werden zu lassen, verpflichtet, alle diese Kosten auf den Buckel zu
nehmen. Daraus allein sind, auf den Trägeranteil berechnet, in den letzten Jahren -. seit dieser
Erhalterverband seine Arbeit aufgegeben und seine Verantwortung zurückgelegt hat – dem Lande
zusätzlich 12 Millionen Schilling an Lasten auferlegt worden. Ich gebe ohne weiteres zu, daß das Land
durch die Führung der Landeskrankenhäuser Mödling und Tulln weitere Lasten auf sich nimmt, denn
diese beiden Krankenanstalten haben ebenfalls im Voranschlag für das Jahr 1969 einen Betriebsabgang
von 30,8 Millionen Schilling; aber hier holt sich das Land selbstverständlich von den Gemeinden, die keine
Krankenhäuser zu erhalten haben, vom sogenannten NÖKAS - er wurde heute schon erwähnt -, und vom
Bund zusammen 12,3 Millionen Schilling, so daß für das Land selbst von diesen beiden Krankenhäuser
nur 18,5 Millionen Schilling an Betriebsabgangslasten anfallen. Zur Objektivität ist noch festzustellen, daß
für die Neuerrichtungen das Land ebenfalls im Durchschnitt 18 bis 20 Millionen Schilling im
außerordentlichen Voranschlag einsetzt und ausgibt. Dafür müssen aber die 23 Gemeinden, die bereits
erwähnt wurden, ebenfalls wieder 40 Prozent von der Gesamtsumme, das sind 12 bis 13 Millionen
Schilling, jährlich entrichten.
Es wird nun wieder gesagt, auf Bundesebene sei für das Jahr 1969 eine Änderung dieser schrecklichen
Verhältnisse bei den Gemeindekrankenhäusern zu erwarten. Von der jetzigen Abgangsdeckung soll also
abgegangen werden, und dafür soll vom amtlich festgesetzten Verpflegskostensatz ein Prozentsatz zu
leisten sein, also vom kostendeckenden Tagessatz pro Patient. Hier sollte nun, wie es vorausgesagt
wurde, der Bund 10 Prozent übernehmen, das Land und die Gemeinden, die keine Spitalserhalter sind,
zusammen 25 Prozent. Die Sozialversicherungen sind vorerst freibleibend, sie leisten derzeit 60 Prozent.
Für die Gemeinden, die Krankenhäuser erhalten, würden unter diesen Voraussetzungen 5 Prozent
verbleiben. Für jeden, der das nur oberflächlich überblickt und die Verhältnisse kennt und der weiß, daß
diese Gemeinden bisher 31,25 Prozent vom Gesamtabgang zu leisten hatten, müßte der Eindruck
entstehen, daß das jetzt für diese Gemeinden eine verschwindende Angelegenheit sei und vielleicht eine
zu geringe Belastung. In Wirklichkeit kommt aber dabei heraus, daß in Zukunft auf dieser Basis die
krankenhauserhaltenden Gemeinden noch immerhin ungefähr die Hälfte des jetzigen Anteiles vom
Abgang zu leisten hätten - unter der Voraussetzung dieser 5 Prozent. Das sind also - um nur ein
Krankenhaus zu nennen - bei Neunkirchen für 1969 4,3 Millionen Schilling; ungefähr die Hälfte, ca. 2
Millionen Schilling, müßte diese Gemeinde noch immer tragen. Unter der Voraussetzung, daß man
selbstverständlich die wirtschaftlichen Auswirkungen, von denen ich gesprochen habe, auch für die
krankenhauserhaltenden Gemeinden bis zu einem bestimmten Grad in Anrechnung zu bringen hat, wäre
diese Belastung meinem Gefühle nach tragbar und gerechtfertigt. Nun soll also, wie man hört, bei der
Neuerrichtung in Zukunft die Gemeinde, die das Krankenhaus zu führen und zu erhalten hat, milder
behandelt werden als bisher, denn, wie gesagt, diese Gemeinden mußten zu allen Neueinrichtungen 40
Prozent des gesamten offenen Betrages leisten.
Falls diese Neuregelung aber 1969 nicht kommen sollte, dann müßte man mehr als dringlichst - ich
bedaure es, daß außer dem zuständigen Referenten keines der Regierungsmitglieder anwesend ist - an
die Gesamtregierung des Landes Niederösterreich einen, wie gesagt, äußerst dringlichen Appell richten,
daß hier dann, bis eine Gesamtregelung seitens des Bundes kommt, eine zumindestens vorübergehende
Entlastung Platz greift, denn sonst würde für manche Gemeinde eine sehr schlechte Situation eintreten.
Über dieses brennende Problem hinaus gäbe es natürlich über die ersprießliche Tätigkeit des
Gesundheitsreferates sehr vieles zu berichten. In meinen Ausführungen möchte ich mich nur auf wenige
Punkte beschränken, die meiner Meinung nach wirklich wesentlich und erwähnenswert sind,
beispielsweise auf die vom Referat durchgeführte Impfung zur Eindämmung oder Verhinderung der
Kinderlähmung oder Poliomyelitis. Sie wissen, daß 9 Jahre hindurch Massenimpfungen durchgeführt
wurden, die einen durchschlagenden Erfolg brachten. So wie es bei allen Dingen ist, werden die
Menschen auch hier gedankenlos, sie haben vergessen, wie gefährlich die Krankheit ist. Zum Glück sorgt
die Natur dafür, daß die Impfungen wieder in Erinnerung gerufen werden. Im Jahre 1968 ist ein 48jähriger
Mann an Poliomyelitis erkrankt und, da er nicht geimpft war, leider verstorben. Es wird daher gut sein, sich
dieser Dinge zu erinnern und dafür zu sorgen, daß alle jene Niederösterreicher, die gegen diese
fürchterliche Krankheit noch nicht geimpft sind, einer solchen Impfung zugeführt werden können.
Die Tuberkulose hat wohl nicht mehr diesen schrecklichen Umfang und diese Bedeutung, die sie noch im
Jahre 1948, also vor 20 Jahren, gehabt hat. Damals waren zirka 20.000 Niederösterreicher an
Lungentuberkulose erkrankt, während es 1967 nur noch 13.800 waren. Aber leider sind in 20 Jahren die
Neuerkrankungen von Tuberkulose nur auf 57 Prozent zurückgedrängt worden. 1948 waren es 1.120
Personen, die an Tbc gestorben sind, im Jahre 1967 sind 217 Personen an dieser heimtückischen
Krankheit gestorben. Es ist daher nach wie vor notwendig, diese Krankheit ganz energisch
weiterzubekämpfen. Derzeit sind Versuche im Gange, gegen eine sehr gefährliche Infektionskrankheit mit
Massenschutzimpfungen vorzugehen und zwar handelt es sich um die Tetanusimpfung. Es sind hier dem
Lande nicht unbeträchtliche Kosten erwachsen, weil man unterschätzt hat, in welchem Ausmaß die
niederösterreichische Bevölkerung weiß, worum es sich dabei handelt. Man hat mit zirka 100.000
Niederösterreichern gerechnet, die freiwillig auf Kosten des Landes diese Impfung über sich ergehen
lassen würden. Sie ist ja nicht immer schmerzfrei, Ich habe das selber gespürt, wie das sein kann. Aber
tatsächlich haben sich 212.000 Menschen impfen lassen, und dadurch sind natürlich entsprechende
Kosten erwachsen.
Zur Früherkennung der Diabetes sind unter Einschaltung von Gemeinden Aktionen im Gange. Hier hat
wohl die Gemeinde Pöchlarbis jetzt den durchschlagendsten Erfolg erzielt, denn es konnten dort nicht
weniger als 97 Prozent der Gesamtbevölkerung erfaßt werden. Es wurde dabei festgestellt, daß es in
dieser Gemeinde sechs Diabeteskranke gibt, die von ihrer Krankheit bis zu diesem Zeitpunkt nichts
gewußt haben. Sie konnten der frühzeitigen Behandlung dieser Krankheit zugeführt werden.
Wir haben in der letzten Zeit, insbesondere auch gestern, viel über raumplanerisches Denken gehört. Der
Gesundheitsreferent, Herr Landesrat Rösch, hat zusammen mit seinen Beamten bereits im Frühjahr 1967
begonnen, einen Ausbauplan einschließlich eines Finanzplanes für alle niederösterreichischen
Jugendheime zu erstellen, und dieser wurde inzwischen auch im Landtag beschlossen. Hier wurde also
bewußt eine Schwerpunktbildung in den bestehenden Heimen unter Zurückstellung eines
Riesenprojektes, das für Mödling vorgesehen war, betrieben. Es wurde mit bedeutend weniger Mitteln, als
für dieses große Projekt notwendig gewesen wären, Zweifellos recht Ersprießliches und Zweckmäßiges
erreicht.
Dazu kommt nun, daß von demselben Referat und von demselben Referenten ein Regionalplan für den
Ausbau der niederösterreichischen Spitäler in Angriff genommen wurde. 1967 wurde dieser Regionalplan
in Auftrag gegeben, 1968 wurde er ausgesendet, und jetzt ist dieser Regionalplan zum Ausbau der
niederösterreichischen Spitäler auf Grund der eingegangenen Stellungnahmen, die in der überwiegenden
Mehrheit positiv waren, in Überarbeitung. Dieser Regionalplan zum Ausbau der niederösterreichischen
Spitäler wird im Frühjahr 1969 dem Raumordnungs- oder Raumplanungsbeirat, wie Sie ihn nennen
wollen, vorgelegt. Merkmale dieses Regionalplanes sind: ein Schwerpunktspital in jedem Landesviertel,
Ergänzungen in den Fachabteilungen der übrigen Spitäler, Erhöhung der Bettenanzahl - nach Möglichkeit
6 Betten pro 1.000 Einwohner und Erneuerung des Altbestandes.
Vor kurzem war dem Fernsehen und dem Radio zu entnehmen, daß der Landeshauptmann der
Steiermark eine Schwesternschule mit einem Fassungsvermögen für 500 Schülerinnen eröffnet hat.
Vergleichsweise kann festgestellt werden, daß Niederösterreich 9 Schwesternschulen besitzt, die
zusammen dasselbe Fassungsvermögen aufweisen. Bei gründlicher Überlegung muß man aber zu dem
Schluß kommen, daß die Art, wie Niederösterreich seine Schwesternschulen führt - nämlich gebietsweise
in Verbindung mit entsprechend großen Krankenhäusern -, ökonomisch wesentlich besser ist, weil ja die
Schwestern neben der theoretischen Ausbildung bereits nach einem Jahr unmittelbar in den betreffenden
Krankenhäusern beim Dienst an den Betten eingesetzt werden können, was bei einer zentralen Schule
mii 500 Schwesternschülerinnen zweifellos weniger leicht möglich ist.
Ich habe also von dem Regionalplan für den Ausbau der niederösterreichischen Spitäler gesprochen.
Damit läßt sich natürlich das Problem der Erhaltung der Gemeindekrankenhäuser nicht lösen, doch dürfte
zweifellos zutreffen, daß durch die zukünftige Vermeidung von Fehlinvestitionen durch diesen Plan die
betreffenden Gemeinden oder zumindest einige von ihnen eine wesentliche Milderung ihrer Probleme
erfahren werden. Denn es ist für mich gar keine Frage, daß in der Vergangenheit auf diesem Gebiet
beträchtliche Millionen dadurch fehlgeleitet wurden, daß die einzelnen Bürgermeister oder die zuständigen
Stadträte für dieses Ressort, auf sich allein gestellt, Gelder nach ihren Fähigkeiten und nach ihrer
Meinung eingesetzt haben und auch durchsetzten, daß das Land Niederösterreich dazu den
entsprechenden Beitrag leisten mußte. Manches hätte sich wahrscheinlich anders gestalten lassen, wenn
bereits ein entsprechend umfassender Plan erstellt worden wäre. Allein schon aus diesem Grund bin ich
sehr froh, dass gerade auf diesem dringenden Gebiet dem Raumordnungs- und Planungsgedanken und
den notwendigen Strukturänderungen in Niederösterreich Rechnung getragen wurde. Das ist deutlich zu
belegen.
Herr Abg. Brezovszky hat bei der Gruppe 0 über die Reditsbereinigung gesprochen. Dazu gehört auch ein
Kapital beim Gesundheitswesen, und zwar die Leichenbestattung. Die gesetzlichen Bestimmungen für
das Leichenbestattungswesen stammen zum Teil noch aus Maria Theresias Zeiten. Ein entsprechender
Gesetzentwurf, der moderner gestaltet ist und verschiedene Dinge ausmerzen soll, ist bereits ausgesandt
und soll im Jahre 1969 im Landtag eingebracht werden.
Das Gesundheitsreferat wird jedoch immer intensiver mit den sanitären Belangen der Wasserwirtschaft
konfrontiert. Ob es die Wasserversorgung ist, die Abwasserbeseitigung, der Gewässerschutz, die
Müllbeseitigung, die Luftverunreinigung oder die unerträgliche Lärmentwicklung - auf allen diesen
Gebieten müßte es ebenfalls zu einer Rechtsbereinigung kommen, wenn das Gesundheitsreferat hier
wirksam werden soll.
Der Gesundheitsdienst ist teuer, aber aus den von mir bereits dargestellten Gründen in bester Form
notwendig. Die finanziellen Lasten daraus müßten nur gerecht verteilt werden. Lassen Sie daher nicht
einige Gemeinden daran zugrunde gehen. Ich appelliere daher an die gesamte Landesregierung, im
Sinne der raumplanerischen Gedanken und Entwicklungen, die sich allerseits im Lande bemerkbar
machen, und im Sinne der notwendigen Strukturänderungen alles daranzusetzen, daß erstens der Bund
auf diesem Sektor seine Verpflichtung erfüllt und maßgeblich mehr zum Gesundheitsdienst beiträgt - denn
es ist ja auch für ihn daraus eine entsprechende Auswirkung auf die österreichische Wirtschaft abzuleiten
- und dass zweitens das Land mehr tut als bisher. Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der
SPÖ.)
Zweiter PRÄSIDENT SIGMUND: Zum Wort gelangt Herr Abg. Präsident Reiter.
Abg. Präsident REITER: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Redner der
Österreichischen Volkspartei bei der Generaldebatte, Kollege Stangler, hat schon auf den unhaltbaren
Zustand der spitalerhaltenden Gemeinden hingewiesen. In diesem Hause wurde bei jeder Budgetdebatte
darüber Beschwerde geführt, und auch mein Vorredner hat neuerlich auf diese unhaltbare Situation
hingewiesen. In der Vergangenheit wurde sehr viel darüber gesprochen; das Land warf dem Bund vor,
daß er zu wenig tut, die Gemeinden haben das Gefühl, die Länder würden zu wenig tun, und manchmal
haben alle zusammen das Gefühl, die Krankenkassen würden zu wenig tun. Ich glaube, wir können diese
Frage nur lösen, wenn sich alle Betroffenen an einen gemeinsamen Tisch setzen, gemeinsam sprechen
und gemeinsam handeln. Diese Forderung wurde in diesem Hause wiederholt aufgestellt. Es ist daher
positiv anzuerkennen, da die Frau Bundesminister für soziale Verwaltung im Oktober des Jahres 1967
eine Enquete einberufen hat, wo im großen Rahmen erstmalig über diese Frage gesprochen wurde. Es
waren sich alle, die an dieser Enquete teilgenommen haben, klar, daß dort die Frage nicht gelöst wird,
aber es war schon ein Fortschritt, daß man einen Arbeitsausschuß gegründet hat, dem der Bund, die
Länder, die Gemeindebünde und auch die Sozialversicherungsträger angehören. Es wird nun einmal über
diese Frage gesprochen. Wir haben auch hier im Hause wiederholt gesagt, daß sich das Land selbst
Gedanken machen müßte, ob es nicht von sich aus irgendwelche positive Vorschläge machen könnte. Ich
darf Sie erinnern, daß meine Fraktion durch mich schon im Jahre 1966 einen Resolutionsantrag gestellt
hat, in dem die Landesregierung aufgefordert wurde, zu prüfen, ob man nicht durch die Bildung eines
Gemeindeverbandes eine wesentliche Verbesserung der Krankenanstaltenmisere in Niederösterreich
erreichen könnte. Wir haben uns bei diesem Antrag vorgestellt, daß die Aufgaben dieses Verbandes in
der Führung und im Betrieb der von den Gemeinden geführten Krankenanstalten bestehen könnten. Wir
sind dabei von dem Gedanken ausgegangen, daß dies ja ein Vorteil sein müßte - auch in
raumplanerischer Hinsicht -,weil ein solcher Gemeindeverband auch bei der Planung wesentlich
zielstrebiger wirken könnte, als es jede einzelne Gemeinde tut.
Wir waren darüber hinaus der Meinung, dass es ein gewisser Vorteil wäre, wenn bei den Verhandlungen
ein einziger Verhandlungspartner für alle spitalerhaltenden Gemeinden den anderen Vertragspartnern
gegenüberstehen würde, und wir waren weiterhin der Meinung, daß durch einen solchen Verband unter
Umständen die einzelnen Krankenanstalten wesentlich rationeller und wirtschaftlicher geführt werden
könnten. Wir sind dabei von dem Gedanken ausgegangen, daß die spitalerhaltenden Gemeinden in einer
Situation sind, die auch von .einem anderen Standpunkt aus betrachtet werden müßte. Diese Gemeinden
sind auf Grund der ungeheuer großen Abgänge, die die Spitäler haben, heute ja nicht mehr in der Lage,
ihre wichtigen kommunalen Aufgaben zu erfüllen, und wir können feststellen, daß sie, obwohl sie eine
wesentlich höhere Finanzkraft besitzen, in ihren kommunalen Leistungen gegenüber finanzschwächeren
Gemeinden vielfach oft weit zurück sind. Diese Tatsache allein müßte schon Alarmzeichen sein, denn die
Gemeinden, die heute Spitäler besitzen, bilden schon eine Art regionalen Mittelpunkt. Wir sprechen heute
sehr viel von Regionalpolitik, von Strukturpolitik. Ich glaube daher, daß jene Gemeinden, in denen sich
eine Krankenanstalt befindet, eben einen regionalen Mittelpunkt darstellen. Aber diese Gemeinden haben
nicht nur die Aufgabe, das Spital zu erhalten, sondern darüber hinaus - weil sie eben ein regionaler
Mittelpunkt sind - viele Aufgaben auf dem Sektor der Wirtschaft, der Kultur, aber auch des übrigen
sozialen Lebens zu erfüllen. Diese Aufgaben können aber heute nur mehr zu einem geringen Teil erfüllt
werden, d. h., eine wirksame Führung dieser Funktionen ist für die Zukunft echt in Frage gestellt. Wir
glauben daher, dass durch die Sanierung der Krankenanstalten auch eine echte Sanierung dieser
Gemeinden erfolgen muß, damit sie ihre regionale Aufgabe entsprechend erfüllen konnen. Wir könnten
uns daher vorstellen, daß gemäß diesem Antrag, der von uns im Jahre 1966 gestellt wurde, im Zuge des
Raumordnungsgesetze, das am 1. Jänner 1969 in Kraft tritt, die Landesregierung hinsichtlich der
Krankenanstalten zur Erreichung des Zieles der Gesunderhaltung der Bevölkerung unter anderem eben
den von uns angeregten Gemeindeverband als behördliche Maßnahme bezeichnet. Es war uns schon
seinerzeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, klar -- das will ich extra herausstreichen -, daß sich
von der finanziellen Seite des Problems nur eine Verschiebung zwischen den spitalerhaltenden und den
nichtspitalerhaltenden Gemeinden ergibt. Wir haben daher diesen Resolutionsantrag und einen in der
Folgezeit gestellten Aufforderungsantrag nicht weiter betrieben, weil wir der Meinung waren, daß man die
auf Grund der Enquete, die ich bereits genannt habe, eingeleiteten Verhandlungen des
Arbeitsausschusses zur Sanierung der Krankenanstalten abwarten bzw. nicht beeinflussen oder gar
stören sollte. Ich weiß nicht, wieweit der zuständige Referent, Herr Landesrat Rösch, die Sache geprüft
hat. Wir haben nur gehört, daß ein entsprechendes Gesetz vorbereitet wäre und in der Tischlade liegen
würde. Wir haben - das stelle ich fest - damals einvernehmlich im Ausschuß festgelegt, daß das zunächst
zurückgestellt werden sollte. Ich habe einleitend auch von dem Arbeitsausschuß gesprochen, und mein
Vorredner hat darauf hingewiesen, daß dieser Arbeitsausschuß bei seiner nächsten Sitzung keine
besonderen Ergebnisse erzielt hat, vor allem keine realisierbaren, daß aber bereits in der Mitte des Jahres
1967 echte Vorschläge gemacht wurden, die in das Konkrete gegangen sind und die nach unserer
Auffassung durchgeführt werden können. Da war erstens einmal die Wiederherstellung der
Selbstträgerschaft im Familienbeihilfenrecht für die gemeinnützigen Krankenanstalten. Ich kann mir meine
Ausführungen ersparen, wir wissen alle, um was es sich in dieser Frage handelt.
Zweitens sollte das bisherige Abdeckungssystem durch ein Zweckzuschußsystem ersetzt werden,
nämlich 10 Prozent Bund, 25 Prozent Länder und Gemeinden - und zwar von der festgesetzten
Pflegegebühr der niedrigsten Gebührenklasse pro Verpflegstag. Diese 25 Prozent der Länder und
Gemeinden sollten durch ein Landesgesetz geregelt werden, Eine weitere Voraussetzung, um diese
Vorschläge zu realisieren - wobei die Gemeindevertretung, die Länder und der Bund Einigkeit erzielt
hätten -, war, daß auch die Sozialversicherungsträger mittun, und es war notwendig, den
Sozialversicherungsträgern auch die Möglichkeit zu geben, diese von ihnen geforderten Mehrleistungen
zu erbringen. Es wurde darüber diskutiert, daß die erforderlichen Mittel durch die Höchstbeitragsgrundlage
für die Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge allenfalls in einer Anlehnung an den
Dynamisierungsfaktor in der Pensionsversicherung gegeben werden sollten. Die
Sozialversicherungsträger sollten mit dem Lohnwachstum konform steigender Einnahmen gesichert
werden, Ich glaube, es ist bekannt, daß durch die 21. ASVG-Novelle bereits zum 1. Jänner 1968 die
Höchstbemessungsgrundlage auf 3.600.- Schilling erhöht wurde und mit 1. Jänner 1969 auf 4.050.Schilling festgesetzt ist bzw. in Kraft treten wird. Dieser Arbeitsausschuß hat vorgeschlagen, daß schon
jetzt 25 Prozent dieser Mehreinnahmen zu Mehrleistungen seitens der Sozialversicherungsträger für die
Krankenanstalten herangezogen werden. Auf Grund dieses Vorschlages kam es zu verschiedenen
Diskussionen. Die Krankenversicherungsträger haben erklärt, daß sie diesen Vorschlag nicht annehmen
könnten; sie waren bei der letzten Sitzung am 7. November 1968 auch nicht mehr anwesend. In einem
Brief haben sie ihre Begründung mitgeteilt und haben sich vor allem gegen den Vorschlag der 25 Prozent
gewendet. Ich darf feststellen, daß wir die Situation der einzelnen Partner auf alle Fälle überlegen und vor
allem auch den Standpunkt der Sozialversicherungsträger überdenken müssen, denn die Kosten der
Anstaltspflege sind in den letzten Jahren um 10-12 Prozent gestiegen, während die Krankenkassen, wenn
die Mitteilung der Kassen stimmt, und ich zweifle nicht daran, faktisch nur eine Einnahmensteigerung von
5 Prozent erzielt haben.
Der Grund dieser geringen Einnahmen ist natürlich in der Höchstbemessungsgrundlage zu suchen und
wird auch späterhin dort zu suchen sein, solange wir nicht zu der geforderten Dynamisierung übergehen.
Ich glaube, wir sollten hier auch festhalten, daß wir auf alle, die Funktionen in diesen
Sozialversicherungsanstalten innehaben, einwirken müssen, daß sich auch die Sozialversicherungsträger
wieder zum Verhandlungstisch setzen. Ich glaube allerdings, daß ihre Forderung, bei solchen
Verhandlungen auch die Interessenvertreter, nämlich die Dienstnehmer und die Dienstgeber, teilnehmen
zu lassen, berechtigt ist, weil sie letzten Endes die Zustimmung geben müssen, wenn es zu einer
Dynamisierung kommen sollte. Ich bin überzeugt, daß bei einer vernünftigen Verhandlungsführung auch
heute die Sozialversicherungsträger, die Arbeitnehmer und -geber, einsehen werden, daß dieses Problem
nur gemeinsam zu lösen ist, und ich glaube - vielleicht bin ich ein zu großer Optimist -, daß es möglich
sein müßte, hier diese letzte Hürde, die zur Behandlung dieser Frage noch besteht, zu nehmen. Über die
Dringlichkeit dieses Problems sind wir uns alle einig. Wenn wir die Haushaltspläne dieser Gemeinden
betrachten - mein Vorredner, Kollege Czidlik, hat schon darauf hingewiesen -, könnten wir sagen, daß
vom kommunalwirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen diese Gemeinden faktisch alle bereits bankrott
sind. Darf ich das auch an Hand einiger Beispiele, so wie es Kollege Czidlik .getan hat, aufzeigen. So
kommt zum Beispiel für die Spitalserhaltung pro Kopf der Bevölkerung in der Gemeinde Melk ein Betrag
von 438.- Schilling, in der Gemeinde Neunkirchen ein Betrag von 428.- Schilling und in der Gemeinde
Scheibbs ein solcher von 498.- Schilling. Hingegen ist die Belastung der nicht spitalerhaltenden
Gemeinden pro Kopf der Bevölkerung nur 45,18 Schilling. Das Defizit ist neuerlich gestiegen. Der Herr
Abg. Czidlik hat eine Zahl genannt; er hat wahrscheinlich nur die Gemeinden gemeint, denn ich darf
feststellen, daß das Defizit der Krankenanstalten einschließlich der Landeskrankenhäuser heuer, wenn
nichts geschieht, einen Betriebsabgang von rund 250 Millionen Schilling ergeben wird. Ich glaube, daß
daher getrachtet werden muß, daß die mit Erfolg begonnenen Verhandlungen fortgesetzt und im
laufenden Jahr doch zu einem Abschluß gebracht werden.
Gestatten Sie mir daher, in dieser Richtung einen Resolutionsantrag einzubringen, der lautet (liest):
„Die Rechtsträger der a. ö. Krankenanstalten, insbesondere die spitalerhaltenden Gemeinden, sind nun
nicht mehr in der Lage, aus eigenen Kräften die auf sie entfallenden Betriebsabgänge abzudecken und
die Vorfinanzierung des Betriebes der Anstalt zu tragen. Der Herr Landeshauptmann wird daher ersucht;
namens des Landes zur Gewährleistung der Erhaltung der Volksgesundheit bei der Bundesregierung und
bei den Bundesministerien für soziale Verwaltung und für Finanzen vorstellig zu werden und zu fordern,
daß die derzeit laufenden Verhandlungen zur Sanierung der a. ö. Krankenanstalten raschest
abgeschlossen und geeignete Lösungen, wie sie sich in ihren Grundzügen bereits abzeichnen,
ehebaldigst gefunden werden. Darüber hinaus wird die Landesregierung aufgefordert, alle sich sonst noch
bietenden Möglichkeiten zur Lösung dieser Probleme auszuschöpfen.”
Ich glaube meine Damen und Herren, dass man die Frage der Sanierung der Krankenanstalten nicht nur
allein von der finanziellen Seite sehen darf, sondern daß wir in Zukunft auch eine gewisse Koordinierung
des Spitalswesens in Niederösterreich brauchen, um eine den medizinischen Grundsätzen entsprechende
Spitalspflege der Bevölkerung zu gewährleisten. Mein Herr Vorredner hat bereits darauf hingewiesen, daß
solche Bestrebungen im Gange sind, und es ist daher auch von uns aus zu begrüßen, daß die
Landesregierung sich mit diesem Problemkreis beschäftigt und die Abteilung, die dem Herr Landesrat
Rösch untersteht, einen solchen Regionalplan vorgelegt hat. Wir haben uns im niederösterreichischen
Gemeindevertreterverband mit diesem Regionalplan befaßt und den Standpunkt vertreten, daß wir diese
Idee vom raumplanerischen Gesichtspunkt aus auf alle Fälle begrüßen. Nur glauben wir, daß diese Frage
auf Grund des neuen Raumordnungsgesetzes im Raumordnungsbeirat endgültig besprochen werden
müßte und daß hier ein echtes Raumordnungsprogramm auf Grund des Raumordnungsgesetzes erstellt
werden sollte; dann soll man die weiteren Gespräche führen.
Auch Herr Landessanitätsdirektor Dr. Grubmüller hat sich mit diesem Problem von der medizinischen
Seite her beschäftigt. Ein entsprechender Artikel ist Ihnen sicherlich allen aus den „Kulturberichten”
bekannt. Die Meinung des Herrn Landessanitätsdirektors, die auch durch europäische Erfahrungen
begründet ist, geht dahin, daß den einzelnen Spitälern eine bestimmte Funktion zuzuweisen ist, die weit
über das bis heute bestehende Einzugsgebiet hinausgeht. Das trifft vor allem für die Spitäler nördlich der
Donau zu. Die medizinische Funktion dieser Krankenanstalten müßte sich gegenseitig ergänzen.
Es ist interessant, in diesem Zusammenhang festzustellen, daß auch die medizinische Entwicklung eine
Verwaltungsgemeinschaft notwendig macht und daß Bestrebungen der Verwaltung oder Wünsche aus
der Sicht der finanziell Verantwortlichen nicht ausreichen Ich glaube, daß auch von diesem Gesichtspunkt
aus der von uns geforderte Gemeindeverband nicht unzweckmäßig sein könnte.
Es gibt auch, wie der Herr Landessanitätsdirektor ausführte, Zentralkrankenhäuser. Wir haben bis jetzt
dazu Schwerpunkt- oder Hauptkrankenhäuser gesagt, Krankenhäuser, die durch ihre geographische Lage
und vielfach auch durch ihre lokale medizinische Tradition eine dominierende Stellung einnehmen. Ich bin
der Meinung, daß gerade die Spitäler in St. Pölten und in Wiener Neustadt solche Zentren auf
medizinischem Gebiet darstellen. Alle übrigen Spitäler in Niederösterreich haben vielleicht nicht jene
Hauptfunktion wie gerade diese beiden zentralen Krankenanstalten.
Mein Vorredner hat schon ausgeführt und auch Frau Abg. Körner hat in einem anderen Zusammenhang
bereits darauf hingewiesen, daß man sich bezüglich der Funktion der Krankenhäuser auch neue
Gedanken machen müßte. So könnten etwa kleinere Krankenhäuser in chronisch-somatische Anstalten
umgewandelt werden. In den „Niederösterreichischen Nachrichten", die auch heute, ich glaube von der
Frau Abg. Körner, zitiert wurden, haben wir gelesen, daß 637 Patienten in solchen Anstalten ärztlich und
pflegerisch betreut werden, daß aber diese Patienten faktisch Betten belegen, die für echte
Krankheitsfälle dringend notwendig wären, Man könnte sagen, daß der Bedarf an Pflegebetten tatsächlich
höher ist als jener an Fachbetten. Ich glaube daher, daß man auch in dieser Frage neue Wege gehen
müßte. In den letzten Jahren wurde immer wieder davon gesprochen, daß ein Bezirk kein bezirkseigenes
Krankenhaus hat, nämlich mein eigener Bezirk, der Bezirk Gänserndorf. Ich bin der Auffassung, daß
seitens der Landesregierung im Zuge dieses Raumordnungsprogrammes auch diesbezüglich
Überlegungen angestellt werden müßten. Ob es nun – wir haben im Ausschuß schon darüber gesprochen
- zu einem eigenen Bezirkskrankenhaus kommt oder ob eine Verbindung mit dem Gesundheitszentrum
Nord der Gemeinde Wien hergestellt werden kann, ist eine Frage der Prüfung und der eingehenden
Beratung seitens der Landesregierung.
Ich darf in diesem Zusammenhang auch einen Resolutionsantrag einbringen, der auf ein entsprechendes
Raumprogramm in dieser Angelegenheit Bezug nimmt:
„Die Landesregierung befaßt sich mit einer Planung, die für den weiteren Ausbau der a.ö.
Krankenanstalten in Niederösterreich richtungweisend sein soll. Es wird demnach festzustellen sein,
welche Spitäler als Schwerpunkt- oder Hauptkrankenanstalten auszubauen und entsprechend
auszustatten und welche als Akutkrankenanstalten zu bezeichnen sein werden. Auch auf die Tatsache,
daß in allen Krankenanstalten zahlreiche Betten durch chronisch-somatische Patienten belegt sind, die
mindestens ebenso gut - aus psychologischen Gründen vielleicht sogar günstiger - in einer Anstalt dieser
Art befreit werden könnten, ist entsprechend Rucksicht zu nehmen. Die Landesregierung wird daher
aufgefordert, die in dieser Richtung unternommenen Bestrebungen fortzusetzen und entsprechend der
durch das NÖ. Raumordnungsgesetz geänderten Rechtslage im Wege eines Raumordnungsprogrammes
die erforderlichen Maßnahmen sowohl hinsichtlich der Krankenanstalten als auch der Anstalten für
chronischsomatische Patienten zu normieren und darüber hinaus dafür Sorge zu tragen, daß die
öffentliche Krankenpflege in allen Gebieten Niederösterreichs sichergestellt ist."
Abschließend auch noch ein Wort zu Mistelbach, das mein Vorredner in einem anderen Zusammenhang
angeführt hat. Seit Jahren ist in diesem Haus darüber gesprochen worden, und wir wissen es alle, daß
das Krankenhaus Mistelbach als einziges keinen Rechtsträger hat. Erwarten Sie jetzt nicht von mir, daß
ich einen konkreten Lösungsvorschlag mache. Ich möchte nur bitten, da8 man sich auch seitens der
Landesregierung ernstlich mit dieser Frage beschäftigt und sie auch tatsächlich löst.
Der jetzige Zustand ist keine solche Lösung. So sehr es nämlich zu begrüßen ist, daß die Gemeinden des
Verwaltungsbezirkes Mistelbach zusätzliche Kosten übernommen haben, glaube ich doch, daß es auf die
Dauer nicht tragbar ist, daß ein Teil der niederösterreichischen Bevölkerung für die gleiche Aufgabe mehr
zu leisten hat als die übrigen Bevölkerungsteile unseres Bundeslandes. Ich kann mir das nur als
Übergangslösung vorstellen und bitte vor allem den zuständigen Sozialreferenten und den
Finanzreferenten, ernstlich bemüht zu sein, dieses Problem einer endgültigen Lösung zuzuführen.
Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, daß wir mit erheblichen Mitteln die Unfallabteilungen in
einer Reihe von Krankenanstalten Niederösterreichs ausbauen. Allerdings ist das gesamte Weinviertel bis
jetzt in diese Planung nicht mit eingeschlossen; es gibt also im Weinviertel bei Unfällen keine Sicherheit
einer echten medizinischen Betreuung. Ich bitte daher den zuständigen Referenten, Überlegungen
anzustellen, in welcher Form auch im Krankenhaus Mistelbach, das als ein Hauptkrankenhaus dieses
Gebietes zu bezeichnen ist und diese Funktion auch weiterhin haben wird, eine Unfallstation eingerichtet
werden kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß gerade die Anliegen der Spitäler Anliegen sind,
die die gesamte Bevölkerung unseres Landes unabhängig von Partei, Beruf und Stand betreffen. Wir
müssen daher alle zusammen bemüht sein, diese wirklich akute Frage zu lösen. Ich bitte darum, dass die
Vorschläge, die von unserer Fraktion seit längerem erstattet wurden, nun ernstlich geprüft werden, weil
vielleicht auch durch diese Vorschläge und durch manche Anregungen, die auch heute wieder gemacht
wurden, in dieser Hinsicht wieder ein weiterer Schritt nach vorne getan werden kann. (Beifall bei der ÖVP
und SPÖ.)
Zweiter PRÄSIDENT SIGMUND: Zum Wort gelangt der Herr Abg. Binder.
Abg. BINDER: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Der Herr Präsident Reiter hat in
seinen Ausführungen davon gesprochen, daß es in Niederösterreich keinen Bezirk gibt, der noch kein
Krankenhaus hat. Das stimmt zwar verwaltungsbezirksmäßig, aber nicht in Beziehung auf die
Gerichtsbezirke. Entschuldigen Sie, daß ich Sie mit dieser Frage beschäftige. Es betrifft den Bezirk
Schwechat. Es besteht der Verwaltungsbezirk Wien-Umgebung, und dieser hat ein Krankenhaus in
Klosterneuburg. Man kann aber von keinem Menschen erwarten, daß er, wenn er in Schwechat wohnt, im
Krankheitsfall das Krankenhaus in Klosterneuburg aufsucht. Daher möchte ich mich der Meinung des
Herrn Präsident Reiter anschließen, daß Vorsorge getroffen werden soll, in krankenpflegerischer Hinsicht
auch für dieses Gebiet, also den Raum Schwechat, Abhilfe zu schaffen.
Der Grund, weshalb ich mich zum Wort gemeldet habe, ist jedoch ein anderer: In der Gruppe S des
Haushaltsplanes scheint unter der Ansatzpost 51 1-61 ein Landesbeitrag zum Pensionsfonds der
Gemeindeärzte Niederösterreichs für 1969 in der Höhe von 4,970.000 Schilling auf. Diese Summe ist
wesentlich höher als in den Jahren 1968 und 1967. 1968 waren es nämlich 2,504.000 Schilling und 1967
1,947.000 Schilling. Der Mehrbetrag gegenüber 1968 in der Höhe von 2,466.000 Schilling ist sicherlich
darauf zurückzuführen, daß man bei der Erstellung des Voranschlages 1969 auf dir zu erwartende
Neufassung des Gemeindeärztegesetzes Rücksicht genommen hat. Diese Neufassung des
Gemeindeärztegesetzes, die im Entwurf vorliegt und sich im Begutachtungsstadium befindet, ist auf einen
Resolutionsantrag zurückzuführen, den ich die Ehre hatte, anläßlich der letzten Budgetdebatte in diesem
Hause einzubringen. Es würde aber zu weit führen, auf den Inhalt dieses Gesetzes in allen Details
einzugehen, da im zuständigen Ausschuß bzw. im Hohen Hause bei der Beschlußfassung Gelegenheit
ist, darüber zu sprechen. Man darf hoffen, daß mit diesem Gesetz die Voraussetzung geschaffen wird,
dass sich künftighin mehr Arzte als bisher um eine Gemeindearztstelle bewerben. Bisher war es fast
unmöglich, für eine Gemeindearztstelle einen Jungarzt zu finden, weil die Voraussetzungen keinen Anreiz
boten. Es darf nicht verwundern, wenn von 429 Gemeindearztstellen derzeit 48 frei sind und mit 1. Jänner
1969 zwei weitere hinzukommen. Es gibt also in Niederösterreich 50 freie Gemeindearztstellen, das ist ein
Achtel der gesamten Stellen. Man muß sagen, das ist ein Alarmzeichen dafür, daß in absehbarer Zeit eine
Wendung zum Besseren herbeigeführt werden muß. Von den derzeit 48 freien Gemeindearztstellen
werden vorläufig 23 von Gemeindearztpensionisten, wenn ich sie so bezeichnen darf, weiter betreut. Das
heißt, daß der jeweilige Gemeindearzt wohl in Pension gegangen ist, aber die weitere Betreuung dieser
Gemeindearztstelle provisorisch übernommen hat. Das bedeutet weiters, daß die betroffene Gemeinde
zweimal zahlen muß, und zwar einmal an den Pensionsfonds der Gemeindeärzte und das zweite Mal für
die zusätzliche Tätigkeit des pensionierten Gemeindearztes. Die Zahlung der Gemeinde an den
Pensionsfonds muß meines Wissens 1% Jahre lang erfolgen, damit für den nachfolgenden Gemeindearzt
die Pension gesichert ist. 13 von den 48 freien Gemeindearztstellen werden von benachbarten
Gemeindeärzten betreut. Als Bürgermeister einer solchen Gemeinde bin ich auch davon betroffen und
kann sagen, daß das ein äußerst schwieriges Unterfangen ist. Der betreffende Gemeindearzt hat nämlich
mit seiner eigenen Gemeinde genug zu tun und kann in die fremde Gemeinde nur in äußerst dringenden
Fällen kommen. Dadurch gibt es immer wieder Reibereien, die sich sowohl auf die Gemeinde als auch auf
die Patienten unangenehm auswirken. Fünf von den freien Gemeindearztstellen werden von praktischen
Ärzten versorgt und 7 werden derzeit überhaupt nicht betreut. Es handelt sich hiebei meistens um kleinere
Gemeindearztstellen, die 1945 und später mit Ärzten besetzt wurden, die inzwischen in Pension
gegangen sind. 1945 und 1946 galten diese Stellen noch als Existenzgrundlage für den Aufbau einer
Praxis, heute jedoch findet sich niemand mehr bereit, diese kleinen Gemeindearztstellen zu besetzen.
Alarmierend ist auch das Alter der Gemeindeärzte. Das Durchschnittsalter bewegt sich in Niederösterreich
um 50 Jahre und liegt sogar noch etwas höher. Wir wissen alle selbst aus unseren eigenen Bezirken und
Gemeinden, daß es Ärzte gibt, die weit über 70 Jahre alt sind. Es ist daher zu erwarten, daß die Anzahl
der Gemeindearztstellen, die nicht besetzt werden können, weiterhin ansteigen wird und zu einer
Katastrophe führen kann, wenn kein Wandel zum Besseren eintritt.
Wenn ich also das Durchschnittsalter der Gemeindeärzte mit 50 Jahren annehme und es mit dem
Durchschnittsalter von Fachärzten vergleiche, so muß ich feststellen, daß dieses zwischen 40 und 50 liegt
und daher dort die Situation weit günstiger ist. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß meiner Ansicht
nach die freigewordenen unbesetzten Gemeindearztstellen zum Teil zu klein sind und dass man in
Anlehnung an die Raumplanungskonzepte und vielleicht auch im Zusammenhang mit den
Gemeindezusammenlegungen daran denken müßte, die freien oder frei werdender
Gemeindearztsprengel zu vergrößern. Ich glaube, daß dies ein äußerst wichtiger Umstand ist, der dazu
beitragen könnte, die Misere der Gemeindeärzte hintanzuhalten. Meiner Ansicht nach würde sich eher ein
Arzt finden, einen Gemeindearztposten anzutreten, wenn dieser in einer größeren Gemeinde liegen
würde.
Eine Wandlung zum Besseren, glaube ich, dürfte in weiterer Hinsicht in dem zu erwartenden
Gemeindeärztegesetz liegen, und zwar dadurch, daß die Dienstbezüge anders geregelt werden und eine
weitgehende Besserstellung mit sich bringen. Auch die Regelung der Ruhegenüsse bringt höhere
Pensionen. All das müßte für einen Arzt, der bestrebt ist, eine Gemeindearztstelle zu erlangen, einen
Anreiz bieten. In diesem Gesetz werden auch noch verschiedene andere Punkte enthalten sein, die eine
Gemeindearztstelle attraktiver gestalten. Früher war ein Gemeindearzt nicht einmal krankenversichert,
was auch wesentlich zu dem Mangel an Gemeindeärzten beitrug. Wenn ich auf die Erhöhung der
Pensionen hingewiesen habe, so wird die Pension - vorausgesetzt, daß die zur Begutachtung
ausgesendete Vorlage diesbezüglich unverändert bleibt -- nach zehn Jahren 1848 Schilling betragen. Sie
betrug bisher 1.510 Schilling. Sie wird künftighin, bei 10 Dienstjahren, um 338 Schilling höher sein. Wenn
es so sein wird, wie aus der Vorlage ersichtlich, dann gibt es ab 1. September 1969 noch einmal eine
Erhöhung, und zwar auf 1.890 Schilling. Bisher waren es 1.544 Schilling - also haben wir ein Mehr von
346 Schilling. Nach 35 Dienstjahren - und hier ist meiner Ansicht nach der große Wandel und der
besondere Anreiz für die Gemeindeärzte - bekommt der Gemeindearzt, wenn er in Pension geht, 3.951
Schilling, bisher unter den gleichen Voraussetzungen 2.638 Schilling, also um 1.313 Schilling mehr. Ab 1.
9. 1969 - wieder unter der Voraussetzung, daß das Gesetz, so wie im Entwurf vorgesehen, Wirklichkeit
wird - bekäme ein Gemeindearzt 4.040 Schilling. Bisher war die Möglichkeit für 2.698 Schilling gegeben,
künftig also um 1.342 Schilling mehr, das heißt um fast 50 Prozent. Meiner Ansicht nach wäre es
überhaupt notwendig - und das wäre auch vorgesehen gewesen -, daß das Gesetz ab 1. 1. 1969 wirksam
werde. Nun höre ich, daß das Bundeskanzleramt anläßlich der Begutachtung des Gesetzes die
Empfehlung gegeben habe, dass das Ergebnis einer Arbeitstagung der Arbeitsgruppe 4 bezüglich einer
bezugseinheitlichen Regelung, welche am 21. November in lnnsbruck stattgefunden habe,
Berücksichtigung finden solle und daß man dieses Ergebnis abzuwarten habe. Mir ist das Ergebnis leider
nicht bekannt. Es wurde nur hinzugefügt, dass inzwischen, bevor das Ergebnis im Gesetz mitverarbeitet
werden kann, eine vorläufige Regelung in der Hinsicht geschehen kann, dass die besoldungsrechtlichen
Angelegenheiten in einer sogenannten kleinen Novelle Berücksichtigung finden könnten und daß man
erst nachher, wenn das Ergebnis von Innsbruck und die Gutachten zu diesem Entwurf eingelangt sind,
diese mit einbauen und verwirklichen sollte.
Ich frage nun den Herrn Finanzreferenten, wann nun die Vorlage im Hohen Hause erwartet werden kann
und wann das Gemeindeärztegesetz Wirklichkeit wird, Obwohl neben dem Land künftighin auch die
Gemeinden - das ist im Gesetz so ersichtlich – finanziell und materiell mehr zu leisten haben werden,
nämlich das Land 35 Prozent des Aufwandes, die Gemeinden 35 Prozent und die Gemeindeärzte selbst
30 Prozent, muß man, obwohl die Gemeinden mehr zu leisten haben werden, das Gesetz trotzdem im
Interesse der Bevölkerung urgieren, und ich tue das bei dieser Gelegenheit.
Neben dem Problem der Gemeindeärzte gibt es aber noch ein zweites Problem, und zwar das der
praktischen Ärzte. Ich darf sagen, dass es laut Statistik mit Stand vom 31. 12. 1966 in Niederösterreich
963 praktische Arzte gibt.
Wenn wir nun 1.281 Gemeinden haben, dann käme von diesen 963 praktischen Ärzten je 1 Arzt auf den
Großteil der Gemeinden. Nun ist das aber nicht so, wie Sie selbst wissen werden, weil in größeren
Gemeinden oder in Gemeinden mit 3000, 4000 und 5000 Einwohnern sich die Zahl der praktischen Ärzte
konzentriert, die in den ländlichen Gebieten dann eben abgehen. Die Situation ist so, daß in den
Iändlichen Gebieten, hauptsächlich an der nördlichen und nordöstlichen Grenze unseres Landes wo die
wirtschaftlich schwierigen Gebiete liegen, auch die praktischen Ärzte abwandern. Es wurde heute
wiederholt im Hohen Hause gesagt, daß auch in der Richtung der Trend liegt, daß die Arzte mit der
Bevölkerung, die dieses Land verläßt, auch abwandern; und wenn sie in Pension gehen, findet sich kein
neuer junger Arzt, der bereit wäre, eine solch Praxis zu übernehmen. So wie bei den Gemeindeärzten die
Dinge alarmierend sind, so ist die Situation auch bei den praktischen Ärzten. Es gibt derzeit 71 freie
Kassenstellen, und von diesen wären zumindestens 35 dringendst zu besetzen. Aber es findet sich kein
Arzt, der bereit wäre, eine solche Praxis zu übernehmen, Damit ist in gewissen Teilen unseres Landes die
ärztliche Versorgung der Bevölkerung zumindest - wenn ich mich vorsichtig ausdrücke - gefährdet. Wir
wissen selbst, wie schwer es ist - und da spreche ich auch von meiner Gemeinde --, einen Arzt zu einem
Patienten zu bekommen, wenn er in einer anderen Gemeinde ansässig ist, dort seine Praxis hat und dann
in die Gemeinde gerufen wird, wo früher ein anderer Arzt ansässig war. Ich glaube, es gibt viele Ursachen
dafür, warum so viele Mediziner den praktischen Arztberuf nicht ausüben wollen. Erstens einmal ist es die
ungeregelte Arbeitszeit: Ein praktischer Arzt am Lande draußen muß praktisch von 0 Uhr bis wieder 24
Uhr seinen Dienst versehen. Wenn er gerufen wird, muß er da sein. In diesem Zusammenhang muß man
sagen, daß es zumindestens in den ländlichen Gebieten nicht immer möglich ist, einen Ärztedienst
einzuführen. Dies vielleicht an einem Sonntag, aber nicht wochentags und nachts. Die Hilfe des Arztes
kann Tag und Nacht in Anspruch genommen werden. Das ist eine weitere Ursache, warum man so wenig
jüngere Arzte findet, die bereit wären, eine Praxis am Lande zu übernehmen.
Weiters ist es sehr schwierig, für einen Arzt am Lande, wenn er seinen Urlaub antreten will oder wenn er
selbst krank wird, eine Vertretung zu finden. Dies wird immer schwieriger, weil kein Spitalsarzt bereit ist,
auf das Land zu gehen, um den praktischen Arzt zu vertreten. Obwohl man sagen kann, daß der
Verdienst, den ein Arzt heute am Lande hat, nicht der schlechteste ist, findet sich niemand, der bereit
wäre, eine freigewordene Praxis am Lande zu übernehmen. Nicht zuletzt darf man aber auch sagen, daß,
wenn einmal ein junger Arzt bereit wäre, eine neue Praxis zu errichten, er dann dazu auch wieder nicht
imstande ist, denn der Aufwand für die Einrichtung ist so groß, daß er es in anderen Sparten, etwa in
Spitälern oder als Facharzt, weitaus leichter hat. Trotzdem aber sage ich, daß etwas geschehen muß,
denn so, wie es bei den Gemeindeärzten ist, ist es auch bei den praktischen Ärzten.
Herr Landesrat Rösch hat in seinen Ausführungen zur Gruppe 4 davon gesprochen, daß bezüglich der
Sozialarbeiter eine Untersuchung stattfinden solle. Vielleicht könnte man in diesem Zusammenhang mit
den zu besetzenden Stellen der praktischen Ärzte und der Gemeindeärzte eine solche Untersuchung
anstellen, um wenigstens zu wissen, welche Möglichkeiten es gibt, junge Ärzte zu finden, die bereit
wären, auf das Land zu gehen.
Meiner Ansicht nach wäre aber noch ein Umstand, der Berücksichtigung finden müßte, wichtig, und zwar
der - ich werde später einige Stellen sagen -, daß man zumindestens mit der Gemeinde Wien einen Weg
findet, der in dieser Richtung eine Besserung in Niederösterreich herbeiführt. Man sollte auch mit der
Ärztekammer einen regeren Kontakt pflegen, um zu erreichen, daß sich auch diese besonders
einschaltet. Ich weiß, daß das bisher zum Teil geschehen ist, daß sogar von zuständiger Stelle die
betreffenden Arzte, die unter Umständen für eine Praxis am Lande oder eine Gemeindearztstelle in Frage
kämen, persönlich angeschrieben wurden oder man mit ihnen persönlich in Verbindung getreten ist.
Leider hatte dies bisher wenig Erfolg. Vielleicht könnte man aber trotzdem einen Weg finden, um das
künftighin erfolgreicher zu gestalten. Ich habe davon gesprochen, daß die Gemeinden bisher sehr bemüht
waren und auch derzeit sehr bemüht sind, die freigewordene Praxis eines praktischen Arztes oder eines
Gemeindearztes besetzen zu können. Hier muß ich leider feststellen, daß gerade deshalb, weil es wenig
Arzte gibt, die bereit sind, sich für eine Landpraxis zu bewerben, nun eine regelrechte Abwerbung der
Gemeinden untereinander stattfindet. es ist ein Lizitieren, möchte ich fast sagen, in der Richtung
eingetreten, daß Gemeinden praktischen Ärzten und Gemeindeärzten, die sie haben wollen, Häuser
bauen und Ordinationen einrichten, um nur einen Arzt zu bekommen. Mir ist ein Fall bekannt, wo eine
Gemeinde ein Haus mit einem Kostenaufwand von mehr als einer Million Schilling gebaut hat und lange
warten mußte, bis wirklich ein Arzt bereit war, in diese Gemeinde zu ziehen. Mir ist ein zweiter Fall
bekannt, und das könnte man beliebig fortsetzen, wo eine Gemeinde eine Villa angekauft und einen Arzt
aus einer Nachbargemeinde abgeworben hat, um ihn in ihre Gemeinde zu bekommen. Ich glaube, daß es
nicht der Sinn und der Zweck sein kann, diese Praxis fortzuführen, weil sie zu Verärgerungen führt und
unter Umständen dazu beiträgt, den gesundheitlichen Dienst für die Bevölkerung in jenen Gemeinden zu
gefährden, wo der Arzt weggezogen ist.
Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Im Zusammenhang mit diesem Problem ist es interessant,
daß es am 31. Dezember 1966 in Niederösterreich 169 Arzte in Ausbildung gegeben hat. Das ist, von
gesamtösterreichischer Sicht aus gesehen, kein guter Durchschnitt. In Wien waren 558 in Ausbildung, im
Burgenland 7. Das Burgenland hat ja immer, soweit es die Wirtschaft und solche Belange betrifft, noch
schlechtere Voraussetzungen gehabt als Niederösterreich. Aber in Wien waren 558 Arzte in Ausbildung,
und das ist der Grund, warum man mit Wien in Verbindung treten sollte, um vielleicht doch den einen oder
anderen Arzt zu bekommen. In Oberösterreich waren 149 Ärzte in Ausbildung, in Salzburg 81, in der
Steiermark 223 -- darum sage ich ja, daß es in Niederösterreich relativ wenig waren -, in Kärnten 68, in
Tirol 144 und in Vorarlberg 23.
Vielleicht gibt es einen anderen Weg. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß man so ähnlich wie bei
den Sozialarbeitern vielleicht den Gesundheitsausschuß des Hauses oder irgendein anderes Gremium
damit befassen könnte, das sich intensiv mit dieser Frage beschäftigt, damit die Abwanderungen oder das
Verlassen der Praxisstellen verhindert werden.
Interessant ist in dem Zusammenhang noch eine andere Aufstellung, die ebenfalls zeigt, daß wir nicht
günstig liegen. In Niederösterreich kommen auf 100.000 Einwohner 70,1 praktische Ärzte. Im
Bundesdurchschnitt sind es 79,8 Arzte. Nur das Burgenland mit 53,4 praktischen Ärzten auf 100.000
Einwohner: Oberösterreich mit 69, Kärnten mit 62,8 und Vorarlberg mit 52,8 liegen schlechter als
Niederösterreich.
Bei den Fachärzten ist der Durchschnitt ebenfalls schlecht, obwohl es immer heißt, daß immer mehr
Ärzte, wenn sie aus dem Studium herauskommen, zum Facharzt oder zum Spitalarzt tendieren und nicht
in die Praxis gehen. In Niederösterreich scheint das jedenfalls nicht so wie in anderen Bundesländern der
Fall zu sein. Es gibt in Niederösterreich derzeit 391 Fachärzte, 14 Facharztstellen sind derzeit nicht
besetzt. Das kann man fast nicht glauben, aber es ist so. Es werden auch dringendst drei Kinderfachärzte
gesucht. In Niederösterreich kommen auf 100.000 Einwohner 28,5 Fachärzte, in Wien 131,9. Die Ursache
dafür, daß es in Niederösterreich so wenig sind, liegt vielleicht auch darin, dass viele Leute, die am Rande
von Wien wohnen, aber auch solche, die weiter weg wohnen, einen Facharzt in Wien aufsuchen. In
Niederösterreich kommen also 28,5 Fachärzte auf 100.000 Einwohner, im Burgenland 17,1, in
Oberösterreich 33,3, in Salzburg 57,8, in der Steiermark 50, in Kärnten 39,4, in Tirol 59,8 und in
Vorarlberg 41,4. Also auch hier liegen wir nach dem Burgenland am schlechtesten. Dieser Vergleich ist
deshalb sehr interessant, weil - wie ich schon gesagt habe - immer die Meinung vorherrscht, daß der
Trend zu den Fachärzten geht und wir deshalb keine praktischen Arzte bekommen. Wien hat nach diesem
Schlüssel von 131,9 Fachärzten auf 100.000 Einwohner insgesamt 2.158 Fachärzte.
Was hinsichtlich der praktischen Ärzte und Fachärzte für Niederösterreich gilt, trifft auch auf die Zahnärzte
und Dentisten zu. Das zieht sich durch wie ein roter Faden. Es gibt derzeit in Niederösterreich 147
Zahnärzte und 393 Dentisten, die ihre Praxis ausüben. Wieder auf je 100.000 Einwohner bezogen,
kommen in Niederösterreich 39,3 Zahnärzte und Dentisten auf diese Zahl. Wenn man eine
Aufschlüsselung zwischen Zahnärzten und Dentisten macht, stellt sich heraus, daß wir in Niederösterreich
hinsichtlich der Zahnärzte noch schlechter abschneiden. In Niederösterreich kommen 10 Zahnärzte auf
100.000 Einwohner. Im Bundesdurchschnitt sind es 20. In Niederösterreich. kommen also 39,3 Zahnärzte
und Dentisten auf 100.000 Einwohner, in Wien 42.2, im Burgenland 26,3 in Oberösterreich 32,8, in
Salzburg 54,6, in der Steiermark 40,8, in Kärnten 41,6, in Tirol 49 und in Vorarlberg 40,2. Wir liegen hier
also besser als das Burgenland und Oberösterreich, aber trotzdem noch weit unten, in der Statistik.
Ich möchte zum Schluß kommen und sagen: Was für Niederösterreich in wirtschaftlicher Hinsicht zutrifft,
nämlich daß es mit Ausnahme des Burgenlandes gegenüber den anderen Bundesländern gewaltig
nachhinkt und einen Nachholbedarf hat, gilt auch hinsichtlich der ärztlichen Vorsorgung der Bevölkerung.
Ich habe schon einmal darauf hingewiesen, dass das Problem mit den Wanderungsverlusten in
Zusammenhang gebracht werden muß, dass man hier ebenfalls eine Abhilfe schaffen muß und daß wir
auf dem Gesundheitssektor ebenso wie in Wirtschaftlicher Hinsicht alles unternehmen müssen, um eine
Besserstellung zu erreichen. (Beifall im ganzen Haus.)
ZWEITER PRÄSIDENT SIGMUND: Zum Wort gelangt Herr Abg. Rabl.
Abg. RABL: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich
mich bei der Gruppe 5 ebenfalls mit dem Voranschlagsansatz 51 1-61, der den Beitrag des Landes zum
Pensionsfonds der Gemeindeärzte in Niederösterreich beinhaltet, beschäftige - zwar nicht, wie mein sehr
geschätzter Vorredner, Herr Kollege Binder, mit den Gemeindeärzten und mit den praktischen Ärzten,
aber ganz besonders mit dem derzeit in Geltung stehenden Gemeindeärztegesetz bezüglich der
Abgrenzung der Kompetenzen und des Wirkungsbereiches.
Dieses Gemeindeärztegesetz verpflichtet die Gemeinden, entweder für sich allein oder im Verband mit
anderen Gemeinden in den sogenannten Sanitätsgruppengemeinden, die ja auch den
Gesundheitsausschuß für ihren Wirkungsbereich, für ihren Verwaltungsbereich stellen, sich zur fachlichen
Besorgung der örtlichen Gesundheitspolizei und der ihnen sonst nach Maßgabe bundes- und
landesgesetzlicher Vorschriften im eigenen, aber auch im übertragenen Wirkungsbereich zukommenden
Aufgaben auf dem Gebiete der örtlichen Gesundheitspolizei eines Arztes oder mehrerer Ärzte zu
bedienen.
Dieses Gesetz bedarf einer Anpassung an die Bundesverfassungsnovelle 1962. Nach Art. 118 Abs. 3 Z. 2
B.-VG. fällt die Bestellung der Gemeindebediensteten und die Ausübung der Diensthoheit über sie -unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Disziplinar-, Qualifikations- und Prüfungskommissionen - in
den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden. Eine analoge Bestimmung findet sich im § 32 Abs. 2 Z. 2
der Nö. Gemeindeordnung. Aus dieser verfassungsrechtlichen Situation resultiert, daß eine Mitwirkung an
der Bestellung oder bei Ausübung der Diensthoheit durch ändere als Gemeindeorgane unzulässig ist.
Das Gemeindeärztegesetz 1960 sieht nämlich Mitwirkungsrechte der Landesregierung vor. Wenn solche
in Hinkunft beabsichtigt seirn sollten, dann können sie sich nur im Rahmen des Aufsichtsrechtes über die
Gemeinde im Sinne des Art. 119 a B-VG. bewegen.
Die Vertreter der Gemeindeärzte in der Ärztekammer für Niederösterreich haben in letzter Zeit wiederholt
die Forderung erhoben, das Gemeindeärztegesetz insbesondere zum Zwecke ihrer dienst- und
besoldungsrechtlichen Besserstellung abzuändern. In einem vor geraumer Zeit versendeten
Gesetzentwurf, betreffend die Gemeindeärzte, wurde den Wünschen der Gemeindeärzte weitgehendst
Rechnung getragen. Im einzelnen sehen diese Wünsche vor, daß z. B. der Landesregierung weiterhin
hinsichtlich der Bestellung und Ausübung der Diensthoheit ein Mitwirkungsrecht zukommt, was aber,
bereits erwähnt, aus verfassungsrechtlichen Gründen derzeit nicht möglich sein kann; des weiteren ist die
Herabsetzung des Anteiles der Gemeindeärzte zum Beitrag für das Erfordernis des Pensionsfonds
vorgesehen - bekanntlich haben die Gemeindeärzte derzeit selbst 48 Prozent zu tragen, während auf das
Land und die Gemeinden je 26 Prozent entfallen; es wurde vorgeschlagen, das Verhältnis dergestalt zu
verändern, daß die Gemeindeärzte nunmehr nur 30 Prozent, die Gemeinden und das Land je 35 Prozent
beizutragen haben; unter anderem wurde auch noch die Anhebung der Dienstbezüge und Ruhegenüsse
anläßlich der Zugrundelegung einer einheitlichen Berechnungsgrundlage vorgeschlagen.
Die Besserstellung der Gemeindeärzte dient dem Ziel, dem Landärztemangel abzuhelfen. Es gibt nämlich,
wie wir bereits von meinem Vorredner, Herrn Kollegen Binder, gehört haben, in Niederösterreich 48
Gemeindearztstellen, die nicht aktiv besetzt werden, weil eben von den 429 Gemeindearztstellen nur 380
von Gemeindeärzten des Aktivstandes besetzt sind und der Rest, auf Grund des Ärztemangels, durch
Gemeindeärzte des Ruhestandes oder von Ärzten aus den Nachbarsprengeln betreut wird. Die Gründe
für den Ärztemangel liegen u. a .darin, daß die Spitalsärzte, die eine freie Kassenstelle anstreben, sich
freiwillig in der Angestelltenversicherung weiter versichern lassen. Es fehlt somit der Anreiz, die
Gemeindearztstelle anzunehmen, um in den Genuß eines Pensionsanspruches zu kommen, bzw. für das
Alter auch vorzusorgen. Die Beiträge der freiwilligen Weiterversicherung sind im übrigen wesentlich
niedriger als jene, die an den Pensionsfonds der Gemeindeärzte gezahlt werden müssen. Es ist aber
auch so, daß die in den letzten Jahren immer wieder verbesserte finanzielle Situation der Spitalsärzte ihr
längeres Verbleiben im Spitalsdienst bewirkt, was wiederum den Ärztemangel auf dem flachen Land
erhöht.
Bei manchen schwer zu besetzenden Gemeindearztstellen liegt der Grund darin, daß die Kassenstellen aus welchen Gründen auch immer, beispielsweise weil der nun schon in Ruhestand getretene
Gemeindearzt nicht bereit ist, aus eigenem die Kassenstelle aufzugeben - nicht zur Verfügung steht, ohne
diese aber keine Existenz begründet werden kann, Man erkennt daraus, daß die Gründe des Mangels
verschiedenster Natur sind. Man muß sich darüber im klaren sein, daß diese Schwierigkeiten im
wirksamen Ausmaß keineswegs nur dadurch behoben werden können, daß das Gehalt wesentlich erhöht
wird oder eine sonstige finanzielle Besserstellung erfolgt.
Vielleicht ein paar Worte zu der sicherlich nicht ganz unberechtigten Meinung meines geschätzten
Vorredners, des Kollegen Binder, der glaubt, auf Grund der Raumordnung gerade in solchen Gebieten,
wo Gemeindearztstellen derzeit nicht besetzt sind, größere Sanitätssprengel zu schaffen. Ich kann mir
vorstellen, daß dies vor allem die Gebiete des nordwestlichen Waldviertels und des nördlichen
Weinviertels betreffen würde und dass gerade durch die Situation in diesen Gebieten öffentliche
Funktionsstellen abgezogen werden würden, weil doch durch größere Sanitätssprengel weniger
Gemeindeärzteposten geschaffen würden. Ich glaube, daß man sich seitens der öffentlichen Hand,
seitens der Landesregierung Gedanken machen sollte, doch auch in den Gebieten des Wald- und
Weinviertels, vor allem in den Gebieten hart an der Grenze, die Sanitätssprengel in ihrem bisherigen
Bestehen zu erhalten. Als besonderer Mangel wird von den Gemeinden, aber auch von den
Gemeindeärzten empfunden, daß in den derzeit geltenden gesetzlichen Vorschriften die Verpflichtungen
des Gemeindearztes einerseits und damit die den Gemeinden zukommenden Rechte andererseits nicht
klar und erschöpfend dargestellt sind. Gerade die Anpassung an die Verfassungsnovelle 1962 zwingt
dazu, zu überprüfen, auf Grund welcher Vorschriften bundes- oder landesgesetzlicher Art der örtlichen
Gesundheitspolizei im Sinne des Art. 118 Abc. 3 Z. 7 B.-VG. den Gemeinden zur Besorgung im eigenen
Wirkungsbereich übertragen sind. Wie notwendig die Erstellung eines Aufgabenkatalogs - wenn auch nur
zum Teil mit deklaratorischer Wirkung ausgestattet - ist, ergibt sich aus der Tatsache, daß vielfach auch
selbst die Gemeindeärzte schon wegen der komplizierten Rechtslage nicht in der Lage sind, ihren
Wirkungskreis zu umschreiben. Wir sind daher der Meinung, daß ehestens im Interesse der den
Gemeinden obliegenden Gesundheitspolizei durch Landesgesetz eine entsprechende Regelung erfolgt,
die es auch dann ermöglicht, über die besonderen Wünsche der Gemeindeärzte zu sprechen.
Aus diesem Grunde, Hohes Haus, erlaube ich mir, Ihnen folgenden Resolutionsantrag vorzulegen (liest):
„Die Landesregierung wird aufgefordert, in einem Gesetzentwurf aus Anlaß der Anpassung des Nö.
Gemeindeärztegesetzes 1960 an die B.-VG.-Novelle 1962 die den Gemeinden zur Besorgung im eigenen
Wirkungsbereich obliegenden Aufgaben der örtlichen Gesundheitspolizei (Art. 118 Abs. 3 Z. 2 B.-VG.) zu
bezeichnen und zu bestimmen, inwieweit hiefür ein Gemeindearzt zu bestellen ist. Gleichzeitig waren die
sich daraus für die Gemeinden und Gemeindeärzte ergebenden Rechte und Pflichten abzugrenzen.
Darüber hinaus wäre das durch mehrere Novellen unübersichtlich gewordene gegenständliche Gesetz
neu zu verlautbaren."
Ich glaube, daß gerade dieser Resolutionsantrag und auch Ihr Verständnis, das ich erhoffe, und das des
zuständigen politischen Referenten und der beamteten Referenten für das Problem der Gemeindeärzte
dazu beitragen werden, daß hier in einer entsprechenden Weise zum Wohl und zur Gesundheit der
niederösterreichischen Bevölkerung Gutes geleistet wird. (Beifall im ganzen Hause.)
ZWEITER PRÄSIDENT SIGMUND: Zum Worte gelangt Frau Abg. Körner.
Abg. KÖRNER: Hohes Haus! In der Gruppe 5 finden wir auch die Voranschlagsansätze für das
Hebammenwesen, die Schwangeren- und die Mutterberatung. Es sind dies Aufgaben, die das Land zu
erfüllen hat und die sicher zu den schönen zu rechnen sind, denn jede Vorsorge für Mutter und Kind ist
ein Stück praktischer Familienpolitik und zählt bestimmt zu den angenehmen Aufgaben, die das Land zu
bewältigen hat.
Ich möchte mich mit der Frage des Hebammenwesens beschäftigen. Wir wissen, daß es auch auf diesem
Gebiete Mangel gibt. Derzeit zählt man in Niederösterreich 71 frei praktizierende Hebammen, 22 öffentlich
bestellte und 92 Anstaltshebammen. Diese Zahlen zeigen so recht die Problematik auf; sie sind ein
Beweis dafür, daß die niederösterreichischen Mütter zum überwiegenden Teil heute in Krankenanstalten
ihre Kinder zur Welt bringen, weil sie sich dort am sichersten fühlen, Aber nicht allen Müttern ist es
möglich, eine Krankenanstalt aufzusuchen. Wir wissen, daß es auf Grund des Niederösterreichischen
Sprengelhebammengesetz möglich ist, öffentlich bestellte Hebammen einzusetzen, denn für eine frei
praktizierende Hebamme werden manche Gebiete nicht einträglich sein, sie hätte zu wenig Fälle zu
betreuen, sie könnte also davon nicht leben. Auf Grund des Niederösterreichischen
Sprengelhebammengesetzes ist es nun möglich, jeweils eine öffentlich bestellte Hebamme einzusetzen.
Obwohl sich in nächster Zeit eine Reihe von Sanitätsgemeindegruppen zu Hebammensprengel
zusammenschließen wollte, hat es die Landesregierung bisher verabsäumt, die entsprechende
Verordnung, wodurch diese Sanitätsgemeinden als Hebammensprengel bestimmt werden, zu erlassen.
Wenn wir überlegen, daß trotz der gewährten Stipendien für die Ausbildung der Hebammen derzeit nur 11
Hebammenschülerinnen vorhanden sind, können wir ermessen, daß dieses Problem im Interesse der
Mütter in den entlegenen Gebieten absolut einer Lösung bedarf; in den Städten ist diese Frage ohnehin
geregelt, da hat jede Mutter die Möglichkeit, die Krankenanstalt aufzusuchen.
Im Lande Niederösterreich werden derzeit bei den einzelnen Bezirkshauptmannschaften und bei den
Gesundheitsämtern der Städte mit eigenem Statut auch Schwangerenberatungsstellen geführt. Je nach
Größe des Bezirkes gibt es 1, 2 oder sogar 3 Beratungsstellen. Zur Zeit bestehen im Lande
Niederösterreich 30 Schwangerenberatungsstellen, die mit steigender Frequenz von den werdenden
Müttern freiwillig aufgesucht werden.
Wenn wir hören, dass im Laufe eines Jahres rund 12.000 Schwangere in den 30 NÖ
Schwangerenberatungsstellen bei den Gesundheitsämtern vorsprechen und rund 120.000 Beratungen in
den 955 Mutterberatungsstellen durchgeführt werden, bedeutet das, dass mindestens ein Drittel der
Schwangeren Niederösterreichs diese Beratungsstellen aufsucht, ihren Wert anerkennt und diese
Einrichtungen schätzt. Die rechtzeitige Feststellung der Krankheiten sowie die Aufklärung der
Schwangeren über die Notwendigkeit, sich zeitgerecht einer Behandlung und der Kontrolluntersuchung zu
unterziehen, verhüten in vielen Fällen einen abnormen Verlauf der Schwangerschaft.
In verschiedenen Zeitungen, besonders im „Expreß“ vom 28. November 1968 konnte man lesen: Jetzt
auch in Österreich: Serum bringt Rettung von Rhesusbaby. Herr Stadtrat Primarius Dr. Glück hat hier ein
Interview gegeben und darauf hingewiesen, dass Wien diese großartige Aktion nun auch durchführt. Dass
die Beratung der werdenden Mütter durch die Mutterberatung absolut notwendig ist, stellen die Ärzte und
Fürsorgerinnen immer wieder fest, denn besonders in entlegenen Gebieten werden immer wieder
rachitische Kinder zu den Mutterberatungsstellen gebracht. Das ist ein Beweis dafür, dass es auch heute
noch, in der Zeit der Massenmedien, erforderlich ist, für die Beratung der Mütter zu werben, sie
aufzuklären, wie sie ihre Kinder richtig pflegen und wie sie sich selbst richtig verhalten müssen.
Der Herr Landeshauptmann hat sich beim vorigen Kapitel im Zusammenhang mit dem Jugendschutz auch
mit dem Fernsehen und damit verbunden mit dem Alkoholkonsum beschäftigt. Ich glaube, dass das
Fernsehen auf diesem Gebiet nicht nur dadurch sehr viel sündigt, dass einzelne Filme für die Jugend
nicht wünschenswert, ja schlecht sind – diese Werbesendungen sind absolut nicht im Interesse der
Gesundheit der Jugendlichen und im Interesse ihrer Erzieher -, sondern es mangelt auch an
entsprechender Aufklärung. Das Trinken gehört heute sozusagen zum guten Ton, obwohl es für eine
werdende oder eine stillende Mutter absolut gesundheitsschädlich ist, besonders im Hinblick auf ihr Kind.
Bei all diesen Fragen könnte das Fernsehen aufklärend wirken. Wie gut wäre es, wenn man statt der
Alkoholreklame einmal einen Film über richtiges Verhalten der werdenden Mutter, über die richtige
Säuglingspflege oder über die Pflege des Kleinkindes sehen könnte! Aber davon sieht und hört man sehr
wenig, dafür leider umso mehr von gewissen Genussmitteln, die weder Kindern und Jugendlichen noch
werdenden oder stillenden Müttern nützen.
Wir haben in dieser Gruppe auch die Mittel für die Hebammen neben der Schwangeren- und
Mutterberatung eingesetzt. Ich möchte dazu nur sagen, dass alle diese Mittel, die im Interesse von Mutter
und Kind ausgegeben werden, stets gut verwendet sind und dass diese Ausgaben letzten Endes im
Interesse der Mütter des ganzen Landes erfolgen. (Allgemeiner Beifall.)
ZWEITER PRÄSIDENT SIGMUND: Ich unterbreche die Beratungen über den Voranschlag des Landes.
Die nächste Sitzung des Landtages findet morgen, 12. Dezember um 9 Uhr statt. Die Beratungen über
den Voranschlag werden mit der Spezialdebatte über die Gruppe 5 fortgesetzt.
Im Anschluss hält der Verfassungsausschuss seine Nominierungssitzung im Herrensaal ab.
Die Sitzung ist geschlossen.
(Schluß der Sitzung um 20 Uhr 55 Minuten.)
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