1 Heiner Monheim (Bonn) Kinderfreundliche Verkehrsplanung- Notwendigkeiten, Grundlagen und Möglichkeiten Inhalt (1) 1. 2. 3. 4. 5. 6. (2) 1. 2. 3. 4. 5. 6. (3) 1. 2. 3. (4) 1. 2. 3. 4. (5) 1. 2. 3. 4. Kind und Verkehr im Wandel der Zeiten Bis 1900: Die Straße als Aufenthalts- und Verkehraum 1920 - 1950: Beginnende Fixierung auf das Auto 1950 - 1970: Straßenbauboom und Massenmotorisierung Nach 1975: Wachsende Autokritik Seit 1995: Trauriger Roll Back Fazit: Neue Chancen für kinderfreundliche Verkehrsplanung Verkehrsteilnahme von Kindern und Jugendlichen Kinder in Verkehrserhebungen meist ausgespart Kinder haben hohes Mobilitätsvolumen Kinder können noch "bummeln" Regionale und soziale Unterschiede der Wegehäufigkeit und -dauer Wege von Kindern vielfältiger und weniger programmiert als bei Erwachsenen Nicht motorisierte Verkehrsarten für Kinder vorrangig Straße als Spielort Straße ist wichtigster außerhäuslicher Spielort Bedeutung verschiedener Straßenabschnitte für das Kinderspiel Faktoren der Spieleignung Ansprüche von Kindern an Verkehrswegenetz und Straßenraum Ansprüche, Fähigkeiten und Verhaltensweisen der Kinder als Fußgänger Planungsanforderungen zugunsten der Kinder als Fußgänger Ansprüche, Fähigkeiten und Verhaltensweisen der Kinder als Radfahrer Planungsanforderungen zugunsten der Kinder als Radfahrer Das Kind als Unfallopfer Wie sicher sind unsere Straßen für Kinder? Wie entstehen Kinderverkehrsunfälle und wie wird die Schuldfrage interpretiert? In welchen Gebieten sind die Kinder vor allem gefährdet? Bei welchen Gelegenheiten verunglücken die Kinder? (6) Verkehrspolitische und planerîsche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Kinder im Verkehr 1. Ausgangslage: Erziehung, Aufklärung und individuelle Vernunft reichen nicht 2. Die Innerortsgeschwindigkeit muß umgehend auf 30 km/h und weniger begrenzt werden 3. Auch bauliche Verkehrsberuhigung muß energisch fortgeführt werden 4. Der ÖPNV muß schnell und systematisch ausgebaut und kinderfreundlich gestaltet werden 2 Heiner Monheim (Bonn) (1) Kind und Verkehr im Wandel der Zeiten Das Problem der kinderfeindlichen Verkehrswelt ist in seiner heutigen Schärfe relativ jung. Die Gewöhnung an die mißliche Situation der Kinder im Verkehr ist jedoch so stark, daß sich schon heute viele nicht mehr vorstellen können, daß es auch mal ganz anders war. Daß z.B. noch vor wenigen Jahrzehnten Kinderspiel auf der Straße etwas Selbstverständliches war und daß die Straße früher ganz anders benutzt wurde. Am Anfang einer zukunftsorientierten Überlegung über eine kinderfreundliche Verkehrsplanung ist wichtig, kurz in die Vergangenheit zu schauen. Im Zeitraffer soll klar werden, wie die heutige Situation entstanden ist und was man daraus für die Zukunft lernen kann. Ein solcher historischer Exkurs ist auch sinnvoll, weil Verkehrsplaner und Straßenbauer leicht dazu neigen, die in den letzten Jahrzehnten eingeführten Sichtweisen, Maßstäbe, Standards, Orientierungen und Prioritäten zu verabsolutieren. Dagegen sollte man klar sehen, daß der Wandel der gesellschaftlichen Prioritäten und technischen Möglichkeiten, der Wandel der Erwartungen an Verkehr und Straßen stets auch den Straßenbau und die Verkehrsplanung geändert hat. Eine solche Anpassung an neue Erkenntnisse und Sichtweisen muß auch künftig möglich sein (1). 1. Bis 1900: Die Straße als Aufenthalts- und Verkehrsraum Bis Ende des 19. Jahrhunderts waren in den Dörfern und Klein- und Mittelstädten, vielfach auch in den Großstädten, die Arbeits- und Wohnbereiche noch kaum getrennt. Das alltägliche Leben war dadurch weitgehend an die engere Wohnumgebung gebunden. Bewohner, Handwerker und Händler benutzten die Straße als Erweiterungszone ihrer Häuser. Oft wurden Arbeitsvorgänge auf die Straße verlagert, dort wurden Vorräte oder Abfälle gestapelt, Geräte, Zugtiere und Fuhrwerke abgestellt. Die Straßen waren so voller vielfältigen Lebens. Die reinen Transportvorgänge, die damals ohnehin noch mit langsamer Geschwindigkeit abliefen, waren noch nicht dominant. Straßen diese Art besaßen für Kinder großen Reiz. Darum haben Dorf- und Stadtkinder ihre Freizeit überwiegend auf der Straße zugebracht, soweit man dies aus zeitgenössischen Bildern und Schilderungen entnehmen kann. Auf der Straße wurden die Kinder ganz automatisch in das Leben einbezogen, konnten durch das "Dabeisein", das "Zuschauen" und das "Mitmachen" vieles lernen. Der Straßenbau war diesen vielfältigen Nutzungen angepaßt. Reine Fahrflächen gab es nicht, Fußgänger und Kinder konnten sich auch auf dem sog. Fahrdamm in der Mitte der Straßen oder Gassen aufhalten. Durch Gossen oder Rinnen davon getrennt waren die Seitenräumme, die vorrangig für den Aufenthalt und das Abstellen dienten, aber für Fahrzeugbewegungen oder für Rangiervorgänge der Pferdefuhrwerke mitbenutzt werden konnten. Soweit es in den Großstädten schon Bürgersteige gab, dienten diese primär der Abtrennung eines vor Schmutz, Schlamm und Wasser geschützten Bereichs für Fußgänger. Erst in zweiter Linie dienten die Gehwege zur Trennung von Fußgängern und Fahrverkehr. Fußgänger durften auf Straßen mit Gehwegen genau so gut die Fahrbahn benutzen. 2. 1920 - 1950: Beginnende Fixierung auf das Auto Mit der Boomzeit der Industriealisierung stieg das Verkehrsaufkommen erheblich. In den Städten erfolgten große Stadterweiterungen. Wohnen und Arbeiten rückten im Zuge der Siedlungsentwicklung zunehmend auseinander. Möglich wurde das durch die neuen Straßenbahnen und Eisenbahnen, die die Städte mit dem Umland verbanden. Die wohnungsnahe Versorgung bzw. die Selbstversorgung wurden allmählich abgebaut, zunehmend spezialisierte und zentralisierte Versorgungssysteme entstanden. Neben bisher überwiegend muskelkraftabhängiger Fortbewegung (zu Fuß, zu Pferde, von Tieren gezogene Fuhrwerke und Bahnen, später Lauf- und Fahrräder) traten zunehmend motorisierte Fahrzeuge, erst überwiegend als öffentliche und gewerbliche Verkehrsmittel, später zunehmend auch als private. In dem Maße, in dem für die motorisierten Verkehrsmittel höhere Geschwindigkeiten technisch möglich und gesellschaftlich legitimiert wurden, setzte sich in der Verkehrsplanung und im Straßenbau eine Dominanz autoorientierter und geschwindigkeitsorientierter Aspekte durch. Straßenplanung wurde zu einer spezialisierten Ressortplanung. Städtebauliche und stadtgestalterische Ambitionen traten beim Straßenbau in den Hintergrund. Gleichzeitig war bei den führenden Städtebauern eine Abwendung von der Straße 3 erkennbar, deren Planung und Gestaltung bereitwillig der neuen Zunft der Verkehrsingenieure überlassen wurde. Die Ansprüche des Fußgängerverkehrs, des Fahrradverkehrs, des Aufenthalts und insbesondere der Kinder als Straßennutzer wurden beim Straßenbau immer weniger berücksichtigt. Begünstigt wurde dieser Trend von dem zunehmenden Rückzug der Erwachsenen aus der Straße. Produktion, Handwerk und Handel zogen sich weitgehend aus der Straße zurück, auch als Lager- und Abstellraum wurde sie weniger genutzt. Außer für verkehrliche Zwecke war die Straße für Erwachsene kaum mehr interessant. Die tägliche Freizeit und die alltägliche Kommunikation wurden allmählich von der Straße in die privaten Räume oder auf spezielle Freizeitorte verlagert. Auf diese Weise geriet auch die Straße als Spiel- und Aufenthaltsort für Kinder aus dem planerischen und gesellschaftlichen Blickfeld. Zumal die pädagogischen Konzepte dieser Zeit verstärkt eine spezialisierte, aus dem alltäglichen Leben isolierte Kinderwelt forderten: statt der durch die zunehmende Technisierung und die repräsentationsorientierten Konsumgewohnheiten immer weniger kinderfreundlichen Alltagsutensilien das spezielle Spielzeug; statt der immer weniger kindgerechten neuzeitlichen Wohnlandschaft das Kinderzimmer; statt der immer weniger kinderfreundlichen Stadtumwelt den Spielplatz. Der sicherlich pädagogisch begründbare Eigenwert dieser drei Neuerungen Spielzeug, Spielzimmer und Spielplatz wurde auch von der Ersatzfunktion begleitet, entwickelte sich zum oft unbewußten Alibi, die Erfordernisse einer auch kindgerechten Ausgestaltung der Alltagswelt zu verdrängen. Anfänglich blieben die Folgen für die Kinder noch erträglich. Denn noch war der Grad der Motorisierung mäßig. Noch lag auch das Geschwindigkeitsniveau des innerörtlichen Autoverkehrs relativ niedrig. Noch hatte die Mehrzahl der überkommenen Straßen in den Dörfern und Städten ihr altes Gesicht, das nur in kleinen Schritten verändert wurde. Noch hielt sich die Zahl der Verkehrszeichen, die Größe der Straßen und die Kompliziertheit der Kreuzungen in Grenzen. 3. 1950 - 1970: Straßenbauboom und Massenmotorisierung Ab 1950 ergab sich dann eine drastische Verstärkung der auf den schnellen Autoverkehr abgestellten Tendenzen. Mitte der 50er Jahre begann die Massenmotorisierung. Dabei ergab sich eine völlig veränderte Einstellung zum Auto. Bis dahin wurde das Image des ritterlichen, rücksichtsvollen Autofahrergentleman gepflegt. Dieser Wandel zeigte sich in der Produktionspolitik der Autohersteller, die immer stärkere und schnellere Wagen auf den Markt brachten mit schnittigen Karosserien und rasanter Beschleunigung. Und der Straßenbau zog nach. Wichtige Überlandstraßen wurden im Bundesfernstraßennetz zu Schnellstraßen ausgebaut. Auch im Innerortsbereich wurden die Hauptverkehrsstraßen bald schnellstraßenmäßig ausgebaut. Selbst das Netz der Neben- und Wohnstraßen wurde so hergerichtet, daß man bequem 50 km/ und schneller fahren konnte. Gesichtspunkte einer schnelleren, "zügigen" komfortablen Autoverkehrsabwicklung erhielten in der kommunalen Verkehrspolitik und in den technischen Regelwerken sowie den einschlägigen Gesetzen einen dominanten Stellenwert. Immer mehr und kompliziertere Verkehrszeichen und -regeln wurden nötig, um den dichteren und schnelleren Autoverkehr abzuwickeln. Erst die Überlagerungvon schnell wachsender Verkehrsdichte mit steigendem Geschwindigkeitsniveau und jetzt schnell die Städte und Dörfer überziehendem Straßenbauboom führte zur Eskalation der Verkehrsprobleme für Kinder. Das innerstädtische Straßennetz wurde enorm ausgeweitet. Cityringe, Tangenten, Radialstraßen, äußere Ringstraßen etc. wurden angelegt, Ortsdurchfahrten erweitert, Umgehungsstraßen gebaut, ein dichtes Netz von Sammelstraßen, Verkehrsstraßen und Hauptverkehrsstraßen angelegt. Die vollständige Separation der Verkehrsarten wurde leitendes Prinzip. Fußgänger und erst recht Kinder hatten auf der Fahrbahn nichts mehr zu suchen, denn dort regierten jetzt die Gesetze des schnellen Autoverkehrs. Überall in Städten und Dörfern wurden die Fahrbahnen verbreitert, für die zügige Abwicklung von Begegnungs- und Überholvorgängen. Übrig blieben immer kleinere Flächen für Fußgänger, Radfahrer und für Aufenthalt. Trotzdem blieb das Separationsprinzip vielfach Illusion. Straßen mußten von Fußgängern und natürlich auch Kindern häufig überquert werden. Kinder ließen sich nicht auf Gehwege verbannen, spielten trotz aller Verbote oft auch auf Fahrbahnen. Und die Gehwege, die ja eigentlich sicheres Terrain für Fußgänger, Kinder und Aufenthalt sein sollten, wurden allenthalben zum Parken freigegeben. Später dienten sie auch noch als Radwegeersatz. In der Zeit des Straßenbaubooms und der Massenmotorisierung eskalierte der Konflikt Kind-Straße. Die Kinderunfallzahlen schnellten in die Höhe. Die Angst von Kindern und 4 Eltern vor dem Straßenverkehr wurde alltäglich. Immer mehr Eltern gingen dazu über, ihren Kindern die selbständige Verkehrsteilnahme zu verbieten bzw. sie möglichst lange herauszuzögern. Für alle Kinder bedeutete das eine schmerzliche Einschränkung an selbständiger Bewegungsfreiheit, an Möglichkeiten, sich im Alltag in der Wohnumgebung auszutoben, sich seine Umwelt schrittweise selbst zu erobern. Eine Vielzahl von Entwicklungsstörungen waren die Folge. Die Grobmotorik der Kinder wurde kaum noch gefordert. Die potentielle Selbständigkeit wurde nicht genutzt. Für die Erziehungspersonen, vor allem die Mütter, bedeutete dies einen viel höheren Zwang zur permanenten Beaufsichtigung und Programmplanung, da das freie "Laufenlassen" unmöglich schien. Trotz all dieser schlimmen Beschränkungen der kindlichen Freiheiten und Entfaltungschancen ging die Politik zunächst nicht daran, den Straßenverkehr im Interesse der Kinder durchgreifend zu ändern. Vielmehr suchte die Politik ihr Heil in immer neuen Erziehungs- und Aufklärungskampagnen, um die Kinder dem Verkehr anzupassen. Der Erfolg blieb gering. Das Verkehrsklima und die Kinderunfallziffern änderten sich kaum. Daß der Fehler mehr im Verkehrssystem lag als im kindlichen Verhalten, wurde allzu gerne verdrängt. Denn das Verkehrssystem galt als tabu. Hier schienen Änderungen kaum durchsetzbar. 4. Nach 1975: Wachsende Autokritik Im Laufe de 70er Jahre änderte sich die gesellschaftliche Haltung zum Verkehr und Straßenbau. Vielerorts entstanden Bürgerinitiativen gegen überzogene Straßenbauprojekte. Das hohe Maß an Kinderunfällen alarmierte endlich die Medien und Politiker, wirksame Gegenmaßnahmen einzuleiten. Die Verkehrsunfallforschung erkannte, daß bei fast allen Innerortsunfällen unangepaßte Geschwindigkeiten direkt oder indirekt beteiligt waren. Das Bewußtsein für die alltägliche Überforderung der Kinder in dichtem und schnellem Autoverkehr wuchs. Der Straßenbau geriet verstärkt in die Kritik, auch von seiten der Städtebauer, der Denkmalschützer, der Umweltschützer, der Interessenverbände der Fußgänger und Radfahrer, der Ärzteverbände und der kinderbezogenen Organisationen. Mit dem verstärkten Auftreten der Straßenbaukritik wuchs bei Politikern der Mut, eine stufenweise Rücknahme überzogener Ansprüche des Autoverkehrs einzuleiten. Die Notwendigkeit für geschwindigkeitsdämpfende Maßnahmen wurde erkannt. Ausgehend von den Fußgängerzonen und den Spielstraßen in den Wohngebieten begann die Diskussion um die Verkehrsberuhigung. Die ersten Versuche wurden erfolgreich durchgeführt und lösten eine Welle von Folgeprojekten aus. Dabei wurde erkannt, daß eine stärkere Mischung der Verkehrsarten auf Straßen mit langsamem Fahrverkehr und nur mäßiger Verkehrsdichte möglich und vorteilhaft ist. Es folgte der Wunsch, wenigstens die einfache Verkehrsberuhigung mittels Tempo-30-Zonen flächenhaft in allen Erschließungsstraßen einzuführen. Schließlich begann die Diskussion um autofreie Innenstädte und es folgten in Lübeck und Aachen die ersten Versuche in diese Richtung. Fußgänger- und Radfahrer fanden endlich wieder mehr Interesse bei Verkehrspolitik und -planung. Viele Orte engagierten sich in der Planung eines attraktiven Fußwegenetzes, ausgehend von den Fußgängerzonen in Zentren und Nebenzentren. Die Planung für den Radverkehr wurde zum kommunalpolitischen Dauerbrenner. Gleichzeitig wurde die Straße als Aufenthaltsbereich wiederentdeckt. Straßenfeste, Straßenmärkte, Straßenkunst und Straßenleben erlebten eine Renaissance. Die Wohnumfeldvebesserung wurde eine wichtige städtebauliche Aufgabe. Vor allem ein Umbau der Straßen schien für eine Wohnumfeldverbesserung vielversprechend, um mehr Grün, mehr Platz für Fußgänger, Radfahrer und Kinder und sichere Straßen zu schaffen. Der Straßenbauboom alter Prägung lief aus, die geänderten Prioritäten ließen sein Investitionsvolumen deutlich sinken. 5. Nach 1995: trauriger Roll Back Leider ging seit Anfang der 90er Jahre der Verkehrspolitik beim Thema Verkehrsberuhigung „die Puste aus“. Es gab einen Roll Back, plötzlich hatte konventioneller Straßenbau wieder eine Renaissance. Die verschiedenen Bundesregierungen trauten sich aus Angst vor der Autolobby nicht, die längst fällige generelle Tempo 30 Regelung für die Innerortshöchstgeschwindigkeit einzuführen. Und die Landesregierungen und zum Schluß auch der Deutsche Städtetag, der im Auftrag vieler Oberbürgermeister 20 Jahre lang ein generelles Tempo 30 gefordert hatte, knickten bei dem Thema feige ein und gaben sich weiter mit der mühsamen Salamitaktik (Zone für Zine) zufrieden. In Hamburg, einst Pionierland für Tempo 30, wurden viele Tempo 30 Regelungen unter 5 rechechtspopulistischer Regierung und dem Druck der Wirtschaft zurückgenommen. Die Autolobby trat wieder sehr viel mutiger und lauter auf und lenkte immer stärker die politische Aufmerksamkeit auf das Stauthema, mit dem plötzlich wieder Wahlkämpfe geführt wurden. Eilig legte die neue, rotgrüne Bundesregierung ein populistisches Anti- Stau- Programm auf, obwohl klar ist, dass durch den damit verbundenenmassiven Straßenbau die Staus nicht kürzer sondern länger werden. Kinderverkehrssicherheit hatte sich längst aus den Schlagzeilen verabschiedet, die Kinderlobby wurde immer kleinlauter, nur wenige große Verbände wie der VCD blieben hartnäckig und regierungskritisch konsequent bei den richtigen Forderungen nach mehr Verkehrssicherheit und mehr Kinderfreundlichkeit im Verkehr, aktuell etwa mit ihrem Programm „Vision Zerso“, das nach skandinavischem Vorbild eine drastische Reduzierung der Verkehrsunfälle fordert. 6. Fazit: Kinderfreundliche Verkehrsplanung ist möglich, aber nur mit politischem Engagement Nach den vorliegenden Erkenntnissen bestehen heute eigentlich beste Aussichten, eine kinderfreundliche Verkehrswelt zu schaffen. Fast alles ist erforscht, was man dafür wissen muß. Jetzt geht es nur noch um den politischen Mut. Die in den 60er und 70er Jahren noch weit verbreitete Resignation gegenüber diese Aufgabe ist heute fehl am Platze. Eine Fülle von lokalen Initiativen hat vor Ort bereits spürbare Verbesserungen erreicht. Was heute noch fehlt, ist die systematische Umsetzung der gegebenen Möglichkeiten flächendeckend und in allen Orten. Diese Aufgabe muß vor allem vom Bundesverkehrs- und Bauministerium energisch angegangen werden. So lange man dort immer noch vorwiegend auf teure bauliche Maßnahmen setzt und die überfälligen gesetzlichen Änderungen in der StVO (Verkehrsregeln) und StVZO (Bauregeln für Fahrzeuge) verweigert, wird eine kinderfreundliche Verkehrsumwelt weiter das Privileg weniger verkehrsberuhigter Straßen und Gebiete bleiben. Es ist heute bewiesen, daß sich der Straßenverkehr in vieler Beziehung ändern läßt, wenn man nur will. Das geht ohne jeden Verlust an Mobilitätschancen, an Wirtschaftskraft oder an Erreichbarkeit (2). (2) Verkehrsteilnahme von Kindern und Jugendlichen 1. Kinder in Verkehrserhebungen meist ausgespart Über die Verkehrsteilnahme von Kindern und Jugendlichen konnten die meisten örtlichen, regionalen und überregionalen Verkehrszählungen bzw. Befragungen kaum Auskunft geben. Denn Kinder wurden üblicherweise vergessen bzw. bewußt nicht erfaßt, mit der Begründung, Kinder könne man nicht befragen, sie könnten keine zuverlässige Auskunft geben, geschweige denn Fragebögen u.a. selber ausfüllen. Sicher erfordert eine kindgerechte Verkehrserhebung besondere Anstrengungen, eigene Methoden. Aber sie ist durchaus möglich, wie einzelne erfolgreiche Beispiele zeigen. Beim Ausblenden der Kinder spielte deshalb noch mehr mit: Kinder galten bei Planern allzuoft nicht als "richtige" Verkehrsteilnehmer. Für die in der Planung besonders beachteten, "wichtigen" Verkehrströme des Berufs- und Einkaufsverkehrs waren sie irrelevant. Kinder waren außerdem in erster Linie Fußgänger und Radfahrer. Diese nichtmotorisierten Verkehrsarten waren aus konventioneller Planersicht auch keine "richtigen" Verkehrsarten. Sie wurden in den 60er und 70er Jahren ebenfalls meist bei Verkehrserhebungen ausgeblendet und folglich dann auch bei der Planung weitgehend vergessen. Schließlich legten Kinder häufig nur kurze Wege zurück. Und die wiederum interessierten die konventionellen Planer kaum, sie galten nicht als "richtige" Wege, denn die Planer waren fixiert auf den weiträumigen Verkehr. Alles in allem verführte der Mangel an Daten über kindliche Verkehrsteilnahme lange Zeit dazu, die Verkehrs- und Verkehrsraumansprüche der Kinder zu vergessen oder zu verdrängen. Erst in den letzten Jahren haben einige Einzeluntersuchungen detailliertere Daten zum kindlichen Verkehrsverhalten erbracht. 2. Kinder haben hohes Mobilitätsvolumen Normalerweise wird vermutet, Kinder und Jugendliche seien noch stark an den häuslichen Bereich und engeren Nachbarschaftsbereich gebunden und nähmen dadurch nur wenig am Verkehr teil. Das Gegenteil ist der Fall. Aufgrund ihres speziellen Zeitbudgets, ihres hohen Aktivitätsdrangs und ihrer großen Neugierde sind Kinder - gemessen an der Zahl der außerhäuslichen Wege - besonders mobil (Tab.1). Durchschnittlich drei verschiedene außerhäusliche Wege machen Kinder von 3 - 15 Jahren täglich. Der erwachsene Bundesbürger dagegen macht im Schnitt nur 2,5 Wege. Natürlich gibt es dabei deutliche Unterschiede nach dem Alter. Vorschulkinder sind in ihrer selbständigen Mobilität noch eingeschränkter. Sie legen die meisten Wege noch in Begleitung Erwachsener zurück und sind 6 damit stark von deren Zeitbudget und Wegehäufigkeit abhängig. Trotzdem liegt die Wegehäufigkeit der Vorschul- und Grundschulkinder noch weit über der älterer Menschen (Tab 2). Die überdurchschnittliche Verkehrsbeteiligung von Kindern zeigt sich auch am geringen Anteil derjenigen, die am Tag überhaupt keinen Weg außer Haus machen. Schon bei Menschen im mittleren Alter und erst recht bei älteren Menschen liegt dagegen diese Anteil weit höher (Tab.3). Bei diesem Vergleich muß noch berücksichtigt werden, daß ein Großteil der Wege von erwachsenen Menschen reine "Zwangswege" sind, die durch Erwerbstätigkeit und die Verantwortlichkeiten für den Haushalt vorprogrammiert sind. Demgegenüber überwiegen bei Kindern noch die nach Zeitpunkt und Ziel frei wählbaren Wege. Dies ist ein deutlicher Beleg dafür, daß bei Kindern offenbar ein besonders hoher, unprogrammierter Mobilitäts- oder Bewegungsdrang besteht, dem sie im Alltag auch intensiv nachgehen wollen. Für die Wegehäufigkeit von Kindern ist auch die Jahreszeit maßgablich. Im Sommer werden mehr Wege gemacht als im Winter. Außerdem werden in den Ferien mehr frei wählbare Wege gemacht, weil hierfür mehr Zeit verfügbar ist (Tab. 4). 3. Kinder können noch "bummeln" Die durchschnittliche Dauer der außerhäuslichen Wege erlaubt gewisse Aufschlüsse über deren Ablauf. Zunächst fällt auf, daß die Wege von Kindern und Jugendlichen, die ja weitgehend Wege zu Fuß oder mit (Kinder)-Fahrrad sind, wesentlich länger dauern, als vergleichbare Wege Erwachsener (Tab.5). Daraus läßt sich die in der Alltagserfahrung vielfach bestätigbare Folgerung ableiten: Wege von Kindern sind weniger zielstrebig, nicht eilig, nicht auf Zeit- und Wegminimierung abgestellt. Kinder "bummeln" gern bei ihren Wegen, gönnen sich also noch Qualitäten des intensiven Stadtund Straßenerlebnisses, die den Erwachsenen in der alltäglichen Verkehrshektik fast ganz abgehen. In dieser Hinsicht können offenbar die Erwachsenen viel von den Kindern lernen. Die Wege von Vorschulkindern und Grundschulkindern dauern im Sommer deutlich länger als die Wege älterer Kinder. Da die Wege der jüngeren aber auch kürzer sind, ergibt sich die längere Dauer durch noch geringere Geschwindigkeit. Der Weg ist hier am wenigsten rein zweckgerichtete, rasche Distanzüberwindung. Er erfolgt meist spielerisch, mit vielen Pausen. Ähnliches ergibt sich aus der längeren Wegdauer in der Ferienzeit, wo - angesichts des größeren Zeitbudgets - der "spielerische Gehalt" der Wege bei den 6 bis 9jährigen und 10 bis 14jährigen deutlich zunimmt. Dagegen entfällt die spielerische Komponente bei den Wegen der über 15jährigen stärker, hier wird die Verkehrsteilnahme schon erwachsenenähnlich, als zweckgebundene, möglichst zügige Fortbewegung zu einem bestimmten Ziel. 4. Regionale und soziale Unterschiede der Wegehäufigkeit und -dauer Hinsichtlich der Wegehäufigkeit und Wegedauer ergeben sich typische soziale und regionale Unterschiede. Danach gibt es auf der einen Seite Kinder, die in weit überdurchschnittlichem Maße auf die Straße fixiert bzw. angewiesen sind, die man also als sogenannte "Straßenkinder" bezeichnen könnte. Der eher abfällige Beigeschmack dieses Begriffs in der Umgangssprache resultiert aus der durchaus zutreffenden Beobachtung, daß es sich bei den "Straßenkindern" überwiegend um Kinder aus einkommensschwachen Haushalten und benachteiligten Wohngebieten handelt. Diese Kinder haben eine weit überdurchschnittliche Zahl außerhäuslicher Wege und ihre Aufenthaltsdauer auf der Straße ist besonders groß (3). Dies trifft vor allem zu für die Kinder in dichtbebauten Altbaugebieten mit wenig Freiflächen auf den privaten Grundstücken, mit engen Wohnungen ohne entsprechende Spielmöglichkeiten, mit wenig wohnungsnahen Spielplätzen und Grünflächen und mit hohem Anteil erwerbstätiger Mütter. In diesen Gebieten sind die Kinder einkommensschwacher Haushalte und von ausländischen Arbeitnehmern konzentriert. Für diese Kinder ist die Straße der vorrangige Aufenthalts- und Spielort. Auf der anderen Seite stehen die Kinder aus bevorzugten Wohngebieten einkommensstarker Haushalte: mit Kinderzimmer, mit überreichem Spielzeugangebot, mit wohnungsnahen Grün- und Freiflächen und Spielplätzen und mit "wohlbehüteter Pflege". Hier ist die Zahl und Dauer der außerhäuslichen Wege und Aufenthalte geringer. Aus dieser unterschiedlichen Wohnsituation und der davon abhängigen Nutzung der Straße sind ein Großteil der typischen Kinderunfälle vorprogrammiert, natürlich zu Lasten der Kinder aus benachteiligten Wohnverhältnissen. 7 5. Wege von Kindern vielfältiger und weniger programmiert als bei Erwachsenen Bei der Betrachtung der unterschiedlichen Wegezwecke gibt es wiederum typische Unterschiede zwischen den Kindern und Erwachsenen. Im Vergleich zu Erwachsenen dominieren nicht die "Pflichtwege" (Arbeit/Ausbildung/Einkauf), sondern die Freizeitwege (Tab.6). Die Pflichtwege sind stets klar gerichtete Wege mit festem Ziel, häufig festem Zeitpunkt und "vorprogrammierter" Wegeund Verkehrsmittelwahl. So gesehen sind die Verkehrsansprüche der Erwachsenen deutlich "gerichtet", kanalisiert, räumlich und zeitlich gebündelt. Dagegen haben die Kinder einen viel höheren Anteil "freier" Freizeitwege, bei denen Zeitpunkt, Ziel, Art des Verkehrsmittels und der konkrete Weg flexibel gewählt werden können. Die Bedeutung des Spielens auf der Straße ist für die Vor- und Grundschulkinder deutlich größer als für die älteren (Tab.7). Das selbständige Besuchen von Freunden wird erst für die älteren wichtig. Der Spaziergang ist für die Vorschulkinder am wichtigsten, sie werden typischerweise noch von Eltern oder Betreuern "spazieren geführt". Der Kindergarten/Schulbesuch ist natürlich für die Kinder im Schulalter am wichtigsten, fällt aber schon bei den über 15jährigen ab, da hier bereits viele die Schule verlassen haben. Der überdurchschnittlich hohe Wert der 3 bis 5jährigen beim Einkauf resultiert aus dem Mitgenommenwerden zum Einkauf. Bei den älteren Kindern geht es dagegen zunehmend um den selbständigen Einkauf. In der Bedeutung der Wegzwecke gibt es wichtige zeitliche Unterschiede (Tab.8). In der Ferienzeit entfallen die Pflichtwege Kindergarten/Schule. Die Bedeutung der Spielwege bzw. der Wege zu Spiel- und Sporteinrichtungen steigt. Kinder werden in den Ferien stärker für Einkaufswege herangezogen, weil ihr Zeitbudget weniger durch die schulischen Pflichten belastet ist. Im Winter kommt dies noch klarer zum Tragen, weil dann die von den Kindern selbst organisierte außerschulische Zeit deutlich kürzer ist und die Kinder für häusliche bzw. haushaltsbezogene Arbeiten mehr verfügbar sind. Im Winter ist auch in den Ferien die Bedeutung der außerhäuslichen Spiele und der Wege zu außerhäuslichen Freizeitspielen geringer, demgegenüber steigt, vor allem in den Ferien, die Bedeutung der Besuche bei Freunden und Verwandten stark an. 6. Nichtmotorisierte Verkehrsarten für Kinder vorrangig Kinder sind überwiegend auf die leicht und jederzeit verfügbaren Verkehrsmittel angewiesen: also die eigenen Füße, das Fahrrad bzw. andere Kindefahrzeuge (z.B. Dreirad, Roller, Kettcar). PKWMitbenutzung oder ÖPNV-Nutzung kommen praktisch nur für sehr spezielle, entsprechend geplante, längere Wege in Frage, wobei die PKW-Mitbenutzung immer die Begleitung durch Erwachsene voraussetzt. 74 % aller Wege von Kindern erfolgen zu Fuß oder per Rad. Bei der Gesamtbevölkerung dagegen "nur" 40 % (Tab.9). Mit dem Alter ergeben sich deutliche Verschiebungen der Verkehrsmittelnutzung. Vor allem das Fahrrad wird für die älteren Kinder wichtiger, ebenso die öffentlichen Verkehrsmittel. Stets bleiben aber Fußwege am häufigsten. Bei den Jugendlichen über 15 Jahre kommt das Mofa als motorisiertes Zweirad hinzu. Im Sommer spielen Fahrrad bzw. Kinderfahrzeuge eine besonders große Rolle, zumal in den Ferien. Im Winter dagegen steigt der Wegeanteil zu Fuß nochmals deutlich an. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist in der Schulzeit deutlich stärker als in der Ferienzeit, wo demgegenüber der Anteil der PKW-Mitfahrten steigt (Tab.10). Die Ausstattung der Kinder und Jugendlichen mit Fahrzeugen ist enorm. Knapp 80 % besitzen ein Fahrzeug. Die Einsatzbereiche der Fahrzeugarten sind sehr unterschiedlich. Die Kinderfahrzeuge werden vor allem zum Spielen und für wohnungsnahe Wege benutzt. Die Fahrräder dagegen mehr für zweckgerichtete und weitere Wege (Tab. 11, 12). Was angesichts der überdurchschnittlichen Wegezahl der Kinder gar nicht voll zum Ausdruck kommt, ist der hohe Mobilitäts- und Freizügigkeitsverzicht, der Kindern heute - wegen der hohen Unfallgefahren - auferlegt wird. Ihn kann man nur erfassen, wenn man zusätzlich zur Zahl der tatsächlich zurückgelegten Wege auch die Wege erfaßt, die Kinder und Jugendliche verboten werden. Hierüber gibt es keine unmittelbar vergleichbaren Befunde. Aus Sondererhebungen ist aber immerhin in Form von pauschalen Angaben bekannt, wie stark Eltern den Mobilitätsdrang ihrer Kinder beschneiden (müssen). U. Winterfeld hat beispielsweise für Berlin - also eine verkehrsreiche und besonders unfallträchtige Großstadt - ermittelt, daß 52 % der Eltern von Vorschulkindern eine selbständige Verkehrsteilnahme als Fußgänger im Vorschulalter ablehnen. Bei der selbständigen 8 Verkehrsteilnahme mit Kinderfahrzeugen/Fahrrad erreicht die Ablehnung sogar 93 %. Am höchsten liegen die Ablehnungswerte bei verkehrsreichen Straßen (4). So vernünftig aus der Sicht besorgter Eltern eine solche Gefahrenabwehr durch Verbote sein mag, so beklemmend zeigt sie doch die Perversität unserer Verkehrswelt und unsere Ohnmacht ihr gegenüber. Zumal Mobilität und Freizügigkeit an sich in unserer Gesellschaft hoch geschätzte Werte sind, offenbar aber nur, solange es um die Auto-Mobilität Erwachsener geht. Folgenschwer wird diese Lebensraumeinschränkung, weil ja Vorschul- und Grundschulkinder physiologisch für die selbständige Fortbewegung bereits reif sind. Aber diese, für die weitere Entwicklung der Kinder so wichtige Phase der stufenweisen Ausdehnung des Aktionsradius, der immer intensiveren Auseinandersetzung mit dem reichhaltigen außerhäuslichen Erfahrungsfeld wird ihnen erst mal vorenthalten. Sie wird gegenüber früher um 4 bis 5 Jahre hinausgezögert. Dieses Defizit kann durch die ohnehin ziemlich problematischen Erfahrungen "aus zweiter Hand" durch das Fernsehen kaum kompensiert werden. Wie leistungsfähig auch kleinere Kinder in selbständiger Mobilität eigentlich sind, merkt man schnell, wenn man sie einmal in autofreier Umgebung (auf einer autofreien Insel, in autofreier Landschaft, in einem autofreien Kurort o.ä.) "losläßt". Da können sie plötzlich allein einkaufen, zum Spielplatz gehen, draußen rumtoben, lauter Dinge, die man ihnen im autodominierten Verkehrsalltag unsere Städte nie erlauben würde. Als Preis für diese permanente Freiheitsberaubung handelt sich die moderne „mobile“ Gesellschaft, die ihre Kinder künstlich und zwangsweise immobil hält, große Probleme ein: Die Bewegungsarmut führt zu massiven Bewegungs- und Haltungsstörungen und vor allem zu starkem Übergewicht. Hierüber klagen Schulen und Ärzte. Der im öffentlichen Raum nicht mehr abreagierbare Bewegungsdrang sucht sich andere Ventile, in Agressivität, Hyperaktivität, dem Zappelphillip- Syndrom mit starken Konzentrationsstörungen. Auch hierüber klagen Schulen und Ärzte. Der verringerte Aufenthalt im Freien reduziert die kindliche Abwehrkraft gegen banale Infekte und steigert die Anfälligkeit für Allergien. Das kostet das Gesundheitssystem Milliarden an Folgekosten für ärztliche Behandlung, Medikamente. (3) Straße als Spielort 1. Straße ist wichtigster außerhäuslicher Spielort Wenn also einerseits die Häufigkeit und Dauer des Aufenthalts von Kinern auf den Straßen im Zeitverlauf stark zurückgegangen ist, bleibt die Straße immer noch ein wichtiger Spielort für die Kinder. 20 % aller außerhäuslichen Wege dienen unmittelbar dem Spiel auf der Straße (Tab. 13). Außerdem geschieht auch fast alles andere, was Kinder auf Straßen tun, spielerisch. So gesehen sind auch Einkaufswege oder Schulwege oder Wege zum Spielplatz oder zu Freunden und Verwandten gleichzeitig Spiel auf der Straße. Dies wird leicht erkennbar, wenn man die Art des Bewegungsablaufs solcher Wege verfolgt. Sie verlaufen unregelmäßig, mit vielen Zwischenhalts, Beobachtungen, Tempo- und Richtungswechseln. Sie beziehen die vielfältigen sozialen und baulichen Umweltreize intensiv ein. Die Kinder klettern auf ein Mäuerchen, springen dort wieder runter. Sie gehen mit einem Bein auf der Bordsteinkante, mit dem anderen in der Gosse. Sie verstecken sich hinter der nächsten Ecke oder dem nächsten Busch. Sie rennen plötzlich ein Stück, dann bleiben sie wieder länger stehen. So gesehen unterscheiden sich auch die zweckgebundenen Wege der Kinder deutlich von normalen Wegen Erwachsener. Dies gilt übrigens häufig auch dann, wenn die Kinder, insbesondere kleinere Kinder, in Begleitung Erwachsener sind. Die Erwachsenen passen sich dann notgedrungen dem spielerischen Wegerhytmus der Kinder an oder aber sie müssen schon mit starkem Nachdruck und kräftigem Ziehen und Zerren die Kinder zu einer erwachsenenähnlichen Gangart zwingen. Unter Berücksichtigung der täglichen Schul-, Versorgungs- und Freizeitwege halten sich dann Kinder im Straßenraum weit länger auf als auf allen sonstigen öffentlichen Freiflächen, Spielflächen und vielfach sogar länger als auf privaten Freiflächen. So gesehen ist die Straße auch heute noch der wichtigste außerhäusliche Spiel- und Aufenthaltsbereich für Kinder. 9 2. Bedeutung verschiedener Straßenabschnitte für das Kinderspiel Natürlich ist die Bedeutung der Straße und ihrer einzelnen Teilabschnitte für das Spiel und den Aufenthalt der Kinder je nach Lebensalter unterschiedlich. Für Kleinkinder und Vorschulkinder sind die Hauseingangsbereiche der häufigste Aufenthaltsort. Sie bilden die Nahtstelle zwischen privatem Grundstück und öffentlicher Straßenfläche. Sie erlauben den schnellen Wechsel zwischen drinnen und draußen. Weiter entfernte Straßenabschnitte und Ziele werden von Kleinkindern und Vorschulkindern überwiegend nur in Begleitung Erwachsener aufgesucht, anläßlich der Wege zum Einkauf, zum Kindergarten, zum Spielplatz oder zu Besuchen. Für Kinder von 6 bis 10 Jahren ist der Hauseingangsbereich immer noch wichtig, allerdings nutzen sie ihn mehr als "Basislager" für "weitere Ausflüge" in wohnungsnahe Straßenabschnitte im Umfeld von 100 m - 300 m um das eigene Grundstück. Bei Kindern von 6 bis 10 Jahren gibt es darüber hinaus auch häufiger bereits selbständige Wege zu weiter entfernten Zielen, soweit diese ohne Überquerung besonders gefährlicher Straßen und komplizierter Kreuzungen erreichbar sind. Für Kinder über 10 Jahren ist der Hauseingangsbereich nicht mehr so wichtig. Sie haben einen größeren Aktionsradius und sind insgesamt weniger auf bestimmte Zonen bwz. Orte zum Spielen festgelegt. Sie besuchen am häufigsten auch größere öffentliche Spiel- und Bolzplätze sowie Freizeitanlagen. Vor allem in dieser Altersgruppe ist die Nutzung der Fahrbahn zum Spielen häufig verbreitet, insbesondere für Ball- und Fahrspiele sowie andere sportlichen Spiele. 3. Faktoren der Spieleignung Natürlich hängt die Eignung der Straßen für Aufenthalt und Spiel von Kindern entscheidend von ihrer verkehrlichen Situation und ihrer Gestaltung sowie ihrer baulichen Nutzung ab. Allerdings werden selbst Hauptverkehrsstraßen mit höchsten Verkehrsmengen und schmalen und u.U. noch überparkten Bürgersteigen von Kindern der anliegenden Bebauung noch für gewisse Spiele genutzt. Im allgemeinen wächst die Spieleignung mit der verfügbaren Gehewegfläche, mit der Benutzbarkeit der Fahrbahn aufgrund geringer Verkehrsstärken und -geschwindigkeiten, evtl. auch flankierender verkehrsrechtlicher Anordnungen, z.B. als Verkehrsberuhigter Bereich, mit der Nutzungsmischung, d.h. dem Vorhandensein von für Kinder interessanten und von der Straße aus beobachtbaren Geschäfts-, Handwerks- und Produktionsabläufen, Liefervorgängen oder sonstigen beobachtenswerten Abläufen, mit der baulichen und gestalterischen Differenzierung, z.B. durch unterschiedliche Beläge, durch Bewuchs, durch verschiedene Elemente der Straßenmöblierung und Abgrenzung zu den Grundstücken (Mauern, Zäune). In der Regel kommt es weniger auf eine spezifische kinderorientierte "Möblierung" der Straße an als vielemehr auf entsprechend ausreichende Platzangebote. Für das Kinderspiel sind im Straßenraum besonders bedeutsam folgende Bereiche: Hauseingangsbereiche (s. o.), Sockelbereiche (Haussockel, Mauersockel, Zaunbereich) am Gehweg sowie bei Litfaßsäulen, Trafohäuschen, Streusandkästen, Bauten etc., Zonen besonderer Gestaltung oder Nutzung, also z.B. Einfahrten, Geschäfte, Geschäftsauslagen, Kioske oder Handwerksbetriebe, wo es immer etwas zu sehen gibt; Kreuzungen, die besondere Reize bieten. Von hier öffnen sich Einblicke in andere Straßenabschnitte. Hier sind häufig besondere Einrichtungen wie Kioske, Telefonhäuschen, Trafohäuschen, Anschlagtafeln oder Marktstände aufgestellt. Hier ist der natürliche Treff- und Schnittpunkt im täglichen Wegenetz verschiedener Kinder. Hier ist das Verkehrsgeschehen besonders interessant. Die unterschiedlichen Teilräume von Straßen werden von Kindern unterschiedlich genutzt: Fahrbahnen vor allem für Fahrspiele, Bewegungsspiele, Ballspiele oder auch zum Stehen in Gruppen mit Fahrrädern; Parkstreifen vor allem für Versteck- und Fangspiele, außerdem teilweise auch zum Anlehnen, Sitzen und Herumstehen; Gehwege je nach Breite, Ausstattung und Gestaltung für die vielfältigsten Spielaktivitäten; auf breiten Gehwegen kommt das gesamte Repertoire an Bewegungs-, Gestaltungs-, Rollen- und Regelspielen sowie an Kommunikation von und mit Kindern zustande. 10 Der Flächenverbrauch dieser verschiedenen im Straßenraum möglichen Kinderspiele und Aufenthaltsarten ist je nach der Zahl der beteiligten Kinder und nach der Art des Bewegungsablaufes sehr unterschiedlich. Ein konstantes, technisch definiertes Grundmaß für die einzelnen Spielarten gibt es nicht, zumal häufig das eine Spiel fließend in das nächst übergeht bzw. die Spiele unterschiedlicher Kinder oder Kindergruppen räumlich überlagert sind. Gewisse Anhaltspunkte ergeben sich immerhin aus den typischen Grundmustern häufiger Spielarten. (4) Ansprüche von Kindern an Verkehrswegenetz und Straßenraum 1. Ansprüche, Fähigkeiten und Verhaltensweisen der Kinder als Fußgänger Fußgänger sind generell wegen der langsamen Gehgeschwindigkeit und der fehlenden Abschirmung den Umwelteindrücken und -belastungen intensiver ausgesetzt als Autoinsassen. Zu-Fuß-Gehen bedeutet immer auch intensives Stadterlebnis, d.h. im positiven Sinne auf einer für Fußgänger bequem und sicher begehbaren, attraktiven Straße Freude und Anteilnahme, in einer fußgängerfeindlichen, öden, gefährlichen Straße Ärgernis, Hektik und Angst. Deshalb ist eine fußgängerfreundliche Straßengestaltung besonders wichtig (5). Das Erfordernis fußgängerfreundlicher Verkehrsplanung gilt für Kinder erst recht. Denn sie sind aufgrund ihrer Körpergröße gegenüber den Emissionen und Gefahren des Verkehrs besonders exponiert. Für sie ist es schwer, sich zurecht zu finden in einer überreglementierten, vom schnellen Autoverkehr beherrschten, durch völlig unzureichende Gehwegabmessungen und Überschreitungsmöglichkeiten gekennzeichneten Verkehrswelt (6). Kinder können beim Gehen nur schwer "Spur halten". Sie laufen in sehr unregelmäßigen Zickzacklinien mit plötzlichen Stops, plötzlichem Rennen, spielerischen "Einlagen" etc.. Das erfordert besonders viel Platz, der weit über das normale Breitenmaß eines Kindes hinausgeht. Kinder laufen außerdem oft zu zweit oder in Gruppen und dann natürlich am liebsten nebeneinander und durcheinander, in stets wechselnder Formation. Dies erfordert erst recht viel Platz. Wo dieser fehlt, weichen Kinder gern auch mal auf die Fahrbahn aus. Besonders häufig treten Kinder in Gruppen auf im Umfeld von Schulen, Kindergärten und Spielplätzen und auf den hauptsächlichen Wegen dorthin. Kinder benutzen Gehwege häufig auch mit Kinderfahrzeugen wie Rollern, Dreirädern, Kettcars oder Bollerwagen. Kinder bis zu 8 Jahren müssen außerdem beim Radfahren, wenn kein Radweg vorhanden ist und sie nicht in Begleitung erwachsener Radfahrer sind, die Gehwege benutzen. Da Kinder mit ihren Fahrzeugen nur schwer Spur halten können, ergeben sich hierdurch zusätzlich erhöhte Flächenansprüche. Kinder bevorzugen zum Gehen die für sie interassenten Straßen bzw. Straßenabschnitte, wo also "etwas los ist". Das sind Straßen mit hoher Passantendichte, mit Schaufenstern, mit vielen Einfahrten, mit Einblicken in Höfe oder Betriebe, mit abwechslungsreicher Gestaltung, Bepflanzung und Möblierung und natürlich mit breiten Gehwegen. Sie meiden dagegen öde, monotone und beengte Wege. Kinder verhalten sich im Verkehr noch sehr spontan. Dadurch verstoßen sie nicht selten gegen die ohnehin nicht kindgerechten Verkehrsreglementierungen. Zwar beherrschen sie "theoretisch" vielfach schon im Grundschulalter wichtige Verkehrsregeln. In der Praxis dagegen ergibt sich meistens ein situatives Verkehrsverhalten ohne konsequente Regelbeachtung. Sogenanntes "plötzliches Betreten der Fahrbahn", "Überqueren außerhalb der gesicherten Furten und Überwege" und "Überqueren nicht auf dem direkten Wege" sind typische kindliche Verhaltensweisen, die auch durch noch so viel Verkehrsdrill nicht vermeidbar sind. Hinzu kommt, daß Kinder das Verkehrsgeschehen aufgrund ihrer Konstitution nur sehr eingeschränkt überschauen können. Der niedrige Blickpunkt und das eingeschränkte Gesichtsfeld beeinträchtigen das rechtzeitige Wahrnehmen herannahender Autos. Außerdem können Kinder die Geschwindigkeiten schneller Autos kaum abschätzen. Nur bei langsamem Autoverkehr nehmen sie die Annäherung von Autos deutlich wahr. Häufig wird von Kindern darüber hinaus die Sicht auf den Autoverkehr durch Sichthindernisse verstellt. Das gefährlichste Sichthindernis sind die am Straßenrand abgestellten Autos. Bis ca. 8 Jahren können Kinder nicht über die Motorhaube hinwegsehen. Sie können sich dann auch nicht soweit vorbeugen, daß sie sich um das Auto herum freie Sicht verschaffen. Umgekehrt können 11 Kraftfahrer die Kinder hinter Sichthindernissen, vor allem neben den geparkten Autos, nicht rechtzeitig erkennen. Beim plötzlichen Betreten der Fahrbahn ist der gefährliche Konflikt dann meist vorprogrammiert, zumindest bei hoher Fahrgeschwindigkeit. Kinder als Fußgänger konzentrieren ihre Aufmerksamkeit natürlich nicht hauptsächlich auf das Verkehrsgeschehen. Sie nehmen statt dessen die anderen Dinge der Straße mit ihren potentiellen Spielreizen viel intensiver wahr, also bauliche Details, Mäuerchen, Zäune, Pflastermuster, Bewuchs, Möblierung, andere Leute etc.. Abgesehen davon, daß die Kinder durch die Sichthindernisse das Verkehrsgeschehen gar nicht wahrnehmen können, werden vielfach fahrende Autos für sie zwischen den beiderseits abgestellten Fahrzeugreihen erst sehr spät erkennbar, da sie sich gegenüber all den anderen Autos kaum unterscheiden. Hinzu kommt noch, daß bei dem allgemein hohen Geräuschpegel die Fahrgeräusche einzelner Autos kaum herausfilterbar sind. Dagegen können Kinder in der freien Landschaft einzelne herannahende Autos rechtzeitig erkennen und weichen dann zur Seite aus, da die Autos sich deutlich von der Umgebung abheben, ihre Geräusche deutlich heraushörbar sind und zumindest auf Feldwegen - die Geschwindigkeiten entsprechend gering sind. In der Stadt dagegen stumpfen die hohe Verkehrsdichte und das hohe Tempo die Kinder gewissermaßen gegenüber dem Verkehr ab. Kinder sind wegen kurzer Beine und geringer Kraft beim Gehen und Rennen noch relativ langsam. Sie brauchen also beim Überqueren der Straßen etwa doppelt so viel Zeit wie Erwachsene. Allein dadurch erhöht sich schon das Kollisionsrisiko der Kinder um das Doppelte. Beim Überqueren sind sie zusätzlich dadurch gefährdet, da sie wegen der größeren Umwegempfindlichkeit die ausgewiesenen Fußgängerfurten (Zebrastreifen oder Fußgängerampel) häufig nicht benutzen. 2. Planungsanforderungen zugunsten der Kinder als Fußgänger (6a) Aus diesen typischen Merkmalen und Ansprüchen der Kinder als Fußgänger lassen sich einige wichtige Planungsgrundsätze ableiten: Gewege sollten möglichst abwechslungsreich gestaltet werden. Hierfür ist insbesondere ein kleinmaßstäblicher Gehwegbelag und eine Bepflanzung der Gehwege mit Bäumen und Grasstreifen hilfreich. Darüber hinaus kann eine auf alltägliche Bedürfnisse abgestimmte Möblierung der Gehwege mit gelegentlichen Sitzmöglichkeiten, mit Pollern und Gattern, mit Pumpen, Papierkörben, Anschlagtafeln etc. Gehwege für Kinder interessant machen. Freilich sollte die Möblierung nicht übertrieben werden, da sie die Nutzbarkeit auch eingrenzen und die Gestaltung beeinträchtigen kann. Zur Sicherung des Fußgängerverkehrs und der Kinder ist eine generelle Verringerung der KFZGescheindigkeiten unverzichtbar. Oberhalb von 30 km/h führen Konflikte zwischen Fußgängern und KFZ-Verkehr zu folgenschweren Unfällen. Ausreichende Reaktions- und Anhaltemöglichkeiten bestehen nur bei Geschwindigkeiten unterhalb von 30 km/h. Zur Sicherung des Fußgängerverkehrs und der Kinder sind darüber hinaus insbesondere Verbesserungen der Überschreitungsmöglichkeiten erforderlich. Neben einer Vermehrung konventioneller Überschreitungsangebote (Zebrastreifen, Fußgängerampeln) sind verstärkt ergänzende bauliche Überschreitungshilfen anzubieten. An allen wichtigen Überschreitungsstellen müssen die Fahrbahnen eingeengt und die Gehwege aufgeweitet werden. Der überschreitungswillige Fußgänger erscheint so frühzeitig im Sichtefeld des KFZ-Verkehrs. Die beste Überschreitungshilfe ist die Gehwegüberfahrt- und Kreuzungsaufpflasterung. Hierfür werden die Gehwege an Einmündungen und Kreuzungen stets über die querenden Fahrbahnen hinweggeführt. Dies ermöglicht wesentliche Erleichterungen auch für körperbehinderte Fußgänger, Rollstuhlfahrer, Kinder mit Kinderfahrzeugen und den Transport im Kinderwagen. Der Sichtkontakt zwischen Fußgängern und Kraftfahrern muß verbessert werden. Deshalb ist das Parken am Fahrbahnrand nach Möglichkeit einzuschränken. Mindestens eine Fahrbahnseite sollte stets vom Parken freigehalten werden. Wo das Parken am Fahrbahnrand beibehalten wird, sind auf jeden Fall besondere Vorkehrungen zur Sicherung des Fußgängerverkehrs von Kindern vorzusehen. Hier bietet sich insbesondere die Ausweisung eines Sicherheitsstreifens zwischen Parkstreifen und Fahrbahnrand an. Hierfür sind die Fahrbahnen entsprechend einzuengen. Außerdem sollte der Parkstreifen dann in regelmäßigen Abständen für Baumbeete und sog. Gehwegnasen unterbrochen werden, als Querungshilfe. 12 Auch in verkehrsberuhigten Straßen mit Mischung der Verkehrsarten sollen am Rand der Straßen besonders gesicherte, gegen Parken und Überfahren geschützte Gehbereiche ausgewiesen werden. Für alte Menschen und Kleinkinder sind diese Flächen sicherer und attraktiver als die Mitbenutzung der Fahrgassen. Besonders intensiv muß auf ausreichenden Sichtkontakt zwischen Fußgängern und Kraftfahrern an allen wichtigen Überschreitungsstellen geachtet werden. Hier sind ggf. Halteverbote und besondere bauliche Vorkehrungen gegen unerwünschtes Parken vorzusehen (Poller, enggestellte Bäume). Alle besonders häufig von Kindern frequentierten Wege (Wege zu Kindergärten, Schulen und Spielplätzen) sind nach Möglichkeit als verkehrsberuhigte Bereiche oder autofreie Straßen auszubilden. Zumindest sollten hier regelmäßig die Einmündungen und Kreuzungen durch Gehwegüberfahrten und Aufpflasterungen gesichert werden. An Straßen, wo die Benutzbarkeit der Gehwege durch Gehwegparken eingeschränkt ist, ist das Gehwegparken zu Lasten der Fahrbahnen zu beseitigen. Bei dieser Gelegenheit sind die Möglichkeiten zur Umorganisation des Parkens (Parkverbote, Anwohnerparkvorrecht, Kurzzeitparken, alternierendes Parken, Blockparken, Sicherheitsstreifen neben den Parkflächen) zu nutzen. An Straßen, wo aufgrund der räumlichen Gegebenheitenheiten keine Möglichkeiten zur Verbreiterung der Gehwege auf das erforderliche Maß bestehen, ist dann statt dessen nach Möglichkeit eine verkehrsberuhigte Lösung als Mischfläche zu suchen, wo die Fahrbahn für Fußgänger freigegeben ist. Optimal für Kinder sind völlig autofreie Straßennetze wie in Fußgängerzonen oder Neubaugebieten mit autofreiem Erschließungsprinzip. 3. Ansprüche, Fähigkeiten und Verhaltensweisen der Kinder als Radfahrer (9) Generell können Radfahrer nur ungenau Spur halten, vor allem dann, wenn langsam gefahren wird. Radfahrer brauchen deshalb ausreichenden Bewegungsraum. Dies gilt in besonders starkem Maße für radfahrende Kinder, da sie aufgrund der Konstitution und geringen Konzentration noch viel weniger schnurgeradeaus fahren können. Sensible Lenkkorrekturen und das konsequente Einordnen in den schnellen Verkehrsfluß sind für Kinder sehr schwer. Hieraus ergibt sich das generelle Erfordernis für eine in hohem Maße fahrradfreundliche Verkehrsplanung. Nur durch sie kann das übermäßige Verkehrssicherheitsrisiko der Radfahrer und insbesondere der radfahrenden Kinder gemindert werden. Kinder radeln oft in Gruppen und dann natürlich am liebsten nebeneinander. Besonders häufig geschieht dies im Umfeld von Schulen sowie Spiel- und Sportplätzen, die von einer großen Kinderzahl aufgesucht werden. Natürlich erfordert das nebeneinander Radeln von Kindern viel Platz, wo dieser fehlt, weichen sie ohne große Skrupel auch stärker in die Fahrbahnmitte aus. Dies unterscheidet Kinder von Erwachsenen, die in solchen Situationen eher konsequent hintereinander radeln. Das geringere Gefahrenbewußtsein führt bei Kindern dagegen dazu, daß sie ganz selbstverständlich einen größeren Teil der Fahrbahn für sich beanspruchen. Kinder bis 8 Jahren sind nach der StVO beim Alleinradeln eigentlich auf die Gehwege verwiesen. Die tatsächliche Benutzung der Gehwege durch diese Kinder hängt jedoch entscheidend von den technischen Detailvorkehrungen wie abgeflachten Bordsteinkanten an den jeweiligen Kreuzungen sowie ausreichender Gehwegbreite ab. Wo diese Voraussetzungen fehlen, benützen auch Vorschulund Grundschulkinder häufig die Fahrbahn selbst zum Radeln. Dies geschieht teilweise sogar dann, wenn auf schmalen Gehwegen Radstreifen markiert sind. Andererseits benutzen auch ältere Kinder häufig ohne schlechtes Gewissen Gehwege zum Radeln, wenn sie dadurch subjektiv gefährliche Fahrbahnabschnitte vermeiden können oder Abkürzungseffekte erzielen, z. B. beim Durchfahren einer Einbahnstraße in die falsche Richtung. Da das Radfahren für die Kinder nicht nur eine zweckgebundene Fortbewegung ist, sondern gleichzeitig mit spielerischen Komponenten verbunden ist, ist es häufig mit - aus Sicht der Erwachsenen - gefährlichen Kapriolen verbunden. Das Fahren in Schlangenlinien, das Fahren zu mehreren nebeneinander, das plötzliche Ab- und Umbiegen, das Kreisfahren mitten auf der Fahrbahn, das Freihändigfahren, das Fahren zu mehreren auf einem Fahrrad sind durchaus alltägliche Verhaltensweisen radfahrender Kinder. Natürlich sind sie am häufigsten auf verkehrsarmen Straßen anzutreffen, bleiben aber durchaus nicht nur auf diese beschränkt. Diese Verhaltensweisen sind nichts anderes als die spielerische Erprobung der eigenen Fähigkeiten im 13 Umgang mit dem Gerät Fahrrad. So gesehen sind sie durchaus verständlich und legitim. Die ungeheure Gefährdung dabei ergibt sich erst aus dem Zusammentreffen dieser Verhaltensweisen mit einem schnellen Autoverkehr, der natürlich hierauf keine Rücksicht nimmt, aus Sicht der Erwachsenen auch gar nicht damit rechnet, sondern regelgerechtes Kinderverhalten erwartet. Somit sind dann die folgenschweren Radfahrunfälle mit Kindern vielfach vorprogrammiert. Für radfahrende Kinder sind besonders schwierig die Situationen an Kreuzungen. Sicheres Linksabbiegen stellt hohe Anforderungen an die Fahrkünste. Rechtzeitiges Einordnen in den Verkehrsfluß, rechtzeitiges Anzeigen der Fahrtrichtung und ggf. Anhalten in der Kreuzungsmitte bei Gegenverkehr erfordern darüber hinaus eine große Übersicht über das Verkehrsgeschehen. Viele Kinder werden bei diesen Fahrmanövern unsicher, obwohl sie das theoretische Regelwissen durchaus beherrschen. Auch das Abbremsen vor Einmündungen und Kreuzungen und das Anfahren aus dem Stand bereitet radfahrenden Kindern häufig noch Schwierigkeiten. Hinzu kommt, daß die spezifischen konstitutionellen Merkmale die Kinder oft beim Radfahren stark behindern. Die geringe Körpergröße und das eingeschränkte Gesichtsfeld führen auch hier zu einer schlechteren Verkehrsübersicht als bei Erwachsenen. Die Sichtbarkeit radfahrender Kinder ist aufgrund der geringeren Körper- und Fahrradgröße deutlich schlechter als bei Erwachsenen. Umgekehrt können Kinder noch kaum über neben ihnen oder vor ihnen fahrende Autos hinwegsehen und können weiter entfernt stattfindende Verkehrsvorgänge in ihrer jeweiligen Bedeutung kaum richtig abschätzen. Schließlich versenken sich Kinder oft beim Radfahrer sehr viel stärker in die spielerischen Komponenten und sind dadurch in ihrer Konzentration auf das Verkehrsgeschehen erheblich abgelenkt. Es wäre nun verfehlt, aus all diesen Bedingungen die Folgerung zu ziehen, daß das Radfahren für Kinder eben verboten werden müsse. Das Fahrrad stellt für Kinder eine wesentliche Mobilitätshilfe dar, die ihnen ihren Aktionsradius wesentlich erweitert. Aufgrund seines geringen Anschaffungspreises ist das Fahrrad für Kinder ein gut verfügbares Verkehrsmittel. Seine technische Hantierbarkeit und Erlernbarkeit sind wiederum so leicht, daß das Radeln bereits für Kinder im Grundschulalter in Frage kommt. Die mit dem kindlichen Radfahren verbundenen Konflikte ergeben sich überwiegend erst aus der auf diese kindlichen Verhaltensweisen in keiner Weise angepaßten Art der Abwicklung des Kraftfahrzeugverkehrs. Die erstaunlichen Fähigkeiten der Kinder mit dem Fahrrad zeigen sich am eindrucksvollsten in der autofreien Natur oder in autofreien Siedlungsteilen. Z.B. sind auf den autofreien ostfriesischen Inseln in der Ferienzeit Hunderte von Vorschul- und Grundschulkindern mit Rädern unterwegs. Und viele Familien machen schon mit ihren Kindern Radwanderungen. Die kindlichen Verhaltensweisen beim Radfahren bedeuten keine nennenswerte Gefährdung mehr, wenn der Autoverkehr entsprechend kindgerechter abgewickelt wird. 4. Planungsanforderungen zugunsten der Kinder als Radfahrer In diesem Sinne ergeben sich folgende grundlegenden Planungsanforderungen (10): Die für die Unfallgefährdung maßgebliche Geschwindigkeitsdifferenz zwischen städtischem Autoverkehr und kindlichem Fahrradverkehr muß durch eine deutliche Tempoverringerung des Autoverkehrs vermindert werden. Auf Innerortsstraßen, in denen mit kindlichem Radverkehr zu rechnen ist, ist eine Geschwindigkeit über 30 km/h aus Sicherheitsgründen nicht akzeptabel. Deshalb trägt eine allgemeine Verringerung der Innerortsgeschwindigkeiten auf Tempo 30 bzw. eine systematische und flächendeckende Anordnung von Tempo-30-Zonen im gesamten Erschließungsstraßennetz am wirkungsvollsten zur Sicherung des kindlichen Radverkehrs bei; Die Schutzwirkung von Tempo 30 für den Radverkehr kann noch deutlich gesteigert werden, wenn die Tempo-30-Straßen durch Zusatzbeschilderung zu Radfahrstraßen erklärt werden. Bei dieser Lösung können Radfahrer dann jederzeit legitim nebeneinander fahren und genießen Vorrang vor dem Autoverkehr. Radfahrende Kinder sind in verkehrsberuhigten Bereichen kaum gefährdet, da hier der Autoverkehr durch bauliche Mittel bzw. Verkehrsanordnungen stark verlangsamt ist und in den Mischflächen gleichzeitig ausreichende Bewegungsräume für radfahrende Kinder gegeben sind. So gesehen ist für möglichst viele Straßen, auf denen mit kindlichem Radverkehr zu rechnen ist, eine Regelung als verkehrsberuhigten Bereich angezeigt. Ausgesprochenes Kinderspiel auf Fahrrädern sollte nach Möglichkeit außerhalb des KfzVerkehrsraums verlagert werden. Hierfür sind kraftfahrzeugverkehrsfreie Straßen und/oder gesonderte Rollschuh- und Fahrradbahnen auf Quartiersebene vorzusehen. Darüber hinaus 14 eignen sich auch verkehrsberuhigte Bereiche nach dem Mischprinzip für eine eher spielerische Benutzung des Fahrrades. Herkömmliche Radwege sind im Innerortsbereich nicht automatisch die beste und sicherste Lösung für radfahrende Kinder (auch nicht für die übrigen Radfahrer). Sie sind in der Vergangenheit oft zu Lasten der Gehwege im Seitenraum untergebracht worden. Soweit dies aus reiner Bequemlichkeit der Planer und Politiker und Angst, dem Auto Platz wegzunehmen, geschah, ist das Motiv erbärmlich. Soweit dabei der Wunsch im Vordergrund stand, die möglichen Konfliktpartner Auto und Fahrrad möglichst weit voneinander zu trennen (damit kein Radfahrer auf die Fahrbahn fällt), ist das Motiv ehrenwert. Doch das Ergebnis ist trotzdem meist negativ, weil die größten Gefahren für Radfahrer nicht im Längsverkehr sondern im querenden (ab- und einbiegenden) Autoverkehr liegen. Die meisten Radfahrunfälle ereignen sich wegen unzureichenden Sichtkontakts zwischen Auto- und Radfahrer. Typische Unfallorte hierfür sind Einfahrten, Einmündungen und Kreuzungen. An diesen Stellen müssen Radfahrer so geführt werden, daß ein guter Sichtkontakt zum Kfz-Verkehr gewährleistet ist. Dies bedeutet im Regelfall, daß Radwege möglichst nicht abgesetzt im Seitenraum, sondern direkt neben oder als Bestandteil der Fahrbahn geführt werden, immer entlang der "natürlichen" Konflikt- und Haltelinien des Querverkehrs. Im Bereich der Grundstückszufahrten, Einmündungen und Kreuzungen sind Radwege durch besonders markierte Fahrradfurten zu sichern, um querende Autofahrer auf den Fahrradverkehr besonders hinzuweisen. Häufig ist es im Interesse der schnellen Netzbildung aus Kostengründen sowie technischen Gründen vorteilhaft, anstelle konventioneller baulicher Radwege sog. markierte Radfahrstreifen auf Fahrbahnniveau anzulegen. Sie entsprechen rechtlich dem baulichen Radweg und haben den Vorteil, daß sie einen gleichmäßigen, ruhigen, geradlinigen Fahrverlauf auf der Strecke und an Kreuzungen ermöglichen. Dies ist komfortabler und sicherer als die häufig verschwenkte Führung baulicher Radwege. Allerdings müssen solche Fahrradstreifen vom Parken wirkungsvoll freigehalten werden. Für Kinder sind solche Fahrradstreifen problemlos nutzbar, wenn ihre Breite 1.60 nicht unterschreitet, so daß ausreichende Abstände zum Fahrverkehr verbleiben und wenn die zulässigen Fahrgeschwindigkeiten des Kfz-Verkehr 50 km/h nicht überschreiten. Wo der Platz für bauliche Radwege oder markierte Fahrradstreifen nicht ausreicht, kann als Notlösung auch eine sog. Radfahrspur von der Fahrbahn abmarkiert werden, die zwar keinen völlig abgetrennten Verkehrsraum für Radfahrer festlegt, aber im Regelfall doch vom KfzVerkehr respektiert wird. Sie kann jedoch bedarfsweise (vor allem bei der Begegnung von Lkw und Bussen) vom Kfz überfahren werden. Gegen parkende Autos muß die Radfahrspur durch spezielle Halteverbote geschützt werden. Für manche ungeübte Radfahrer und damit vor allem auch für kleine Kinder sind solche Radfahrspuren ein subjektiv als nicht sehr sicher empfundenes Element. Anders als bei baulichen oder markierten Radwegen gibt es hier keinen rechtlichen Benutzungszwang. Deshalb dürfen Kinder bis 8 Jahre an solchen Stellen weiter auf dem Gehweg radeln. Im Interesse der übrigen, sich evtl. auch unsicher fühlenden Radfahrer kann es außerdem sinnvoll sein, zusätzlich den bachbarten Gehweg (wenn er nicht zu schmal ist) durch Zusatzschild zur Mitbenutzung durch Radfahrer freizugeben. Dem erhöhten Radverkehrsaufkommen im Umfeld von Schulen, Kindergärten, Sportanlagen etc. muß durch besonders attraktive Verkehrsanlagen für Radfahrer Rechnung getragen werden: durch Ausweisung als Fahrradstraßen oder als verkehrsberuhigte Bereiche oder zumindestens durch Tempo-30-Regelung. An Hauptverkehrsstraßen sind in diesen Fällen großzügig dimensionierte Radwege mit gut gesicherten Furten an den Einmündungen und Kreuzungen erforderlich. Auch sonstige, besonders häufig frequentierte Radverbindungen (auch des Kinderradverkehrs) sollten als Fahrradstraße ausgewiesen werden. Vergleicht man diese Anforderungen mit der Realität, wird schnell erkennbar, daß unsere Straßen den Kindern als Fußgänger und Radfahrer bislang wenig Sicherheit und Komfort bieten, ja daß vielfach die einfachsten Grundsansprüche der Verkehrssicherheit für Kinder mißachtet werden. Dies wird inzwischen selbst von der Straßenbaulobby zugegeben, die in einer Broschüre der deutschen Straßenliga hieraus folgert "künftig sei ein viel kinderfreundlicherer, fußgängerfreundlicherer und radfahrerfreundlicherer Städte- und Verkehrswegebau nötig". (11) So lange dies nicht geschieht, wird man Jahr um Jahr erneut mit Betroffenheit feststellen müssen, welches hohe Unfallrisiko unsere Straßen für Kinder haben. 15 (5) Das Kind als Unfallopfer 1. Wie sicher sind unsere Straßen für Kinder? 1990 ereigneten sich in der Bundesrepublik Deutschland 43100 schwere Kinderverkehrsunfälle mit Verletzungsfolgen. 355 Kinder wurden bei Verkehrsunfällen getötet. Zwar gehen seit Mitte der 70er Jahre die absoluten Zahlen schwerer und tödlicher Verkehrsunfälle mit Kindern stetig zurück. Doch hängt dies in erster Linie mit dem Geburtenrückgang zusammen. Denn bezogen auf je 100.000 Kinder im Alter von 0 - 15 Jahren steigt das Unfallrisiko seit 1974 sogar deutlich an. Bewerten lassen sich Unfallzahlen auf vielfältige Weise. Weit verbreitet ist der internationale Vergleich, bezogen auf verunglückte Kinder je 100.000 Kinder. Danach schneidet die BRD Jahr um Jahr bei weitem am ungünstigsten ab, was wesentlich zu ihrem makabren Image als "kinderfeindliches aber autofreundliches Land" beiträgt. Nun wenden Kritiker immer ein, diese Vergleiche taugten wenig wegen der vielen Unterschiede der Siedlungsstruktur, der Verkehrsinfrastruktur und der Motorisierung. Deshalb wird häufiger die Unfallentwicklung verglichen mit der Motorisierungsentwicklung oder - etwas differenzierter - mit der Entwicklung der Kfz-Fahrleistungen. Danach ergäbe sich für die BRD eine eher günstige Entwicklung der relativen Unfallrisiken im Verkehr. Diese Analyse steht im deutlichen Widerspruch zu der seit Jahren steigenden Angst von Kindern und Eltern im Straßenverkehr, der immer hektischer und bedrohlicher erscheint. Immerhin haben inzwischen gut 80 % aller Eltern Angst, ihre Kinder könnten im Verkehr verunglücken, wenn sie das Haus verlassen haben. Dieser Widerspruch klärt sich auf, wenn man zusätzlich die Zahl und Dauer der außerhäuslichen Wege von Kindern berücksichtigt. Denn gerade für das Unfallrisiko der Kinder ist dieses viel wichtiger als die Motorisierungsentwicklung. Seit den 50er Jahren ist ein deutlicher Rückgang der Zahl und Dauer der zu Fuß mit dem Fahrrad gemachten Wege feststellbar, von dem auch Kinder stark betroffen sind. Für eine angemessene Bewertung derjenigen Unfälle, in die Kinder als Fußgänger oder Radfahrer verwickelt sind, ist eine Bezugnahme auf Zahl, Dauer und Länge der kindlichen Fuß- und Radwege angezeigt. Eine solche Berechnung, die sich allerdings hinsichtlich des Zeitaufwandes mit Schätzungen begnügen muß, führt zu dem Ergebnis, daß das relative Unfallrisiko je Stunde Verkehrsteilnahme bzw. außerhäuslichem Aufenthalt von Kindern erschreckend zugenommen hat (Tab. 14). Die relative Kinderunfallhäufigkeit je Zeit hat sich in nur 20 Jahren mehr als verdreifacht. Die Angst der Eltern scheint nach diesen Befunden nicht zu Unrecht gewachsen zu sein. Die Verkehrsunfallstatistiker allerdings wollen diese Entwicklung nicht wahr haben. Im Gegenteil, sie neigen dazu, das Problem zu verniedlichen, durch den falschen Bezug zur Entwicklung der Motorisierung und der Kfz-Fahrleistung und durch fragwürdige Hochrechnungen der statistischen Unfallwahrscheinlichkeit für Kinder. Beispielsweise wurde ermittelt, daß auf eine Million Schulwegkilometer von Kindern lediglich 15 Unfälle entfielen (12). Bei solchen Ermittlungen wird jedoch leicht übersehen, daß das Unfallrisiko für Kinder dauernd präsent ist, daß an jeder Ecke tödliche Unfallgefahren lauern. Außerdem wird dabei übersehen, daß immerhin im Durchschnitt 16 % aller Kinder von drei bis siebzehn Jahren mindestens einmal in einen Verkehrsunfall verwickelt waren: Mit jedem zusätzlichem Lebensjahr wächst für die Kinder auf fatale Weise die Wahrscheinlichkeit, in einem Unfall verwickelt zu werden. Bei den 15 - 17jährigen Jugendlichen hatte schon jeder vierte einen Verkehrsunfall (Tab. 15). Über die letzten 30 Jahre sind immerhin 1,5 Millionen Kinder in der Bundesrepublik im Straßenverkehr verunglückt. Alle Rechenbeispiele über die geringe statistische Unfallwahrscheinlichkeit trösten also kaum darüber hinweg, daß die tatsächlichen Unfallgefahren und Unfallbelastungen viel zu hoch sind, und daß Verkehrssicherheit für Kinder eine der ersten verkehrspolitischen Prioritäten haben muß. 2. Wie entstehen Kinderverkehrsunfälle - und wie wird die Schuldfrage interpretiert? Das "Ursachen- und Schuldproblem" ist von besonderer Bedeutung, weil hiervon direkt die politischen und planerischen Unfallverhütungsstrategien abgeleitet werden. Zunächst sind an den meisten Kinderverkehrsunfällen das betroffene Kind als Fußgänger oder Radfahrer und der sogenannte "Unfallgegner" als Kfz-Fahrer beteiligt (Ausnahme Selbstunfälle). Rein logisch kann die Unfallursache und Unfallschuld also sowohl beim Kind als auch beim Autofahrer gesucht werden. Faktisch allerdings wird sie vor allem beim Kind gesucht. Und dies aus folgenden Gründen: 16 Die Polizei sucht im Unfallprotokoll vor allem nach auffälligen und eindeutigen Regelabweichungen nach der StVO. Solche Regelabweichungen werden naturgemäß häufiger und schneller bei den betroffenen Kindern festgestellt. Ist aus einem kindlichen Regelverstoß bereits ein hinreichender Grund für das Zustandekommen des Unfalls gefunden, wird von der Polizei nicht mehr intensiv weiter "geforscht", inwieweit zusätzliche Verhaltensweisen des Autofahrers oder Bedingungen des Verkehrsablaufes und der Straßengestalt den Unfall begünstigt haben. Dies gilt zumindest solange, wie in dieser Hinsicht normale Bedingungen herrschten. Normal ist aus der Sicht der Polizei das, was den eindeutigen, leicht justiziablen Vorschriften der StVO und der alltäglichen Verkehrspraxis entspricht. Was regelgerecht und normal ist, kann aus diesem Verständnis keine Unfälle verursachen. Daß möglicherweise die Regeln selbst und das normale Verkehrsgeschehen in sich falsch sind, wird von vornherein ausgeschlossen. So bleibt als Erklärungsmuster nur das individuelle Fehlverhalten. Dieses wird meist auf seiten des Kindes gefunden. Auf seiten des Autofahrers wird dieses nur vermutet, wenn ein ganz klarer Regelverstoß vorliegt. In dieser Frage nimmt die Polizei meist zunächst die Autofahrerperspektive ein. In die jeweilige Lage der betroffenen Kinder versetzen sich die Polizisten kaum. Inge PeterHabermann hat anhand detaillierter Analysen polizeilicher Unfallprotokolle bewiesen (13), daß es eine spontane Voreingenommenheit der Polizei gegenüber den Kindern gibt, denen fast automatisch ein unfallmaßgebliches Fehlverhalten und Verschulden zugesprochen wird. Übrigens ergibt sich diese Voreingenommenheit nicht nur bei Polizisten, sondern bei den meisten Ewachsenen, die über Kindervekrehrsunfälle befinden. Selbst die Eltern betroffener Kinder machen da keine Ausnahme. Auch die später auf den Polizei- und Versicherungsakten aufbauenden Unfallforscher tragen dazu bei, relevante Unfallursachen eher zu verschleiern als zu erhellen. Für sie gibt es zufällige, dispers verteilte Unfälle und Stellen mit Unfallhäufungen. Bei den dispersen Unfällen wird auf ursächliches individuelles Fehlverhalten geschlossen. Bei den Unfallschwerpunkten ist man bereit, nach Fehlern der Straßenplanung, der Beschilderung oder des Verkehrsablaufes zu suchen und gezielte Abhilfe einzuleiten. Nun definiert man die statistischen Kriterien für Unfallschwerpunkte so eng, daß eben ein viel zu großer Teil der Unfälle als nicht systematisch bedingt und primär individuell verschuldet eingestuft wird. Hierdurch kommt das Verkehrssystem als solches immer eher gut weg, hat nur seltene, punktuelle Mängel. Sieht man aber genauer hin, dann haben auch die anderen Unfälle überwiegend systematische, vom Verkehrssystem abhängige Gründe, ereignen sich oft in eindeutiger sachlicher "Duplizität", ohne daß die gängigen Methoden dies erkennen lassen. Schließlich fällt bei der Unfallforschung auf, daß bestimmte - aus der Sicht des Verkehrsplaners und Verkehrssystems eher nebensächliche - Faktoren immer wieder mit großer Leidenschaft und Akribie analysiert werden: Jahreszeit, Wochentag, Tageszeit, Wetter, Alter, Geschlecht, z. T. auch sozialer Status, Wegzweck, Wegziel. Lauter Daten also, die planerisch nicht oder kaum beeinflußbar sind. Sie taugen zwar zur Kennzeichnung von Unfallopfern und Unfallzeitpunkten. Aber man kann daraus kaum folgern, wie man künftig solche Unfälle verhindern kann. Dagegen werden die meisten Unfallanalysen sehr dünn, wenn es um die systematischen Faktoren geht, die für eine Unfallverhütung von Interesse sein könnten, wie eben Geschwindigkeit des beteiligten Fahrzeugs, generelles Geschwindigkeitsniveau der betreffenden Straßen und Gebiete, Breite des Straßenquerschnitts, Elemente der Trassierung, Art des Parkens, Breite des Gehwegs etc. Was bedeutet dies konkret? Da wird ein Kind in einer Wohnstraße angefahren. Es heißt, es "sei" plötzlich zwischen am Rand geparkten Autos auf die Straße getreten. Also ein typischer, häufiger Kinderunfall. Ursache: kindliches Fehlverhalten. Es hat nicht an der "Sichtlinie" gewartet, nicht ordnungsgemäß nach rechts und links gesehen. Für die Polizei ein klarer Fall. Alle üblichen Unfalldaten sind sorgfältig aufgenommen. Der Unfall ist auf der Unfalltypensteckkarte registriert. Für die Polizei ist damit die Sache "zu den Akten" gelegt. Unternommen wird danach nichts mehr. Später werden vielleicht Unfallforscher die Akten nochmal auswerten. Aber auch das wird zu keiner Änderung der am Unfall beteiligten Verkehrssituation führen. Sind dies die angemessenen Reaktionen? War der Unfall wirklich so ein klarer Fall? Ist der Autofahrer mit der für eine solche Straße angemessene Geschwindigkeit gefahren? Hiernach fragt die Polizei erst, wenn ein Autofahrer offensichtlich "gerast" ist. In einer Straßen mit am Fahrbahnrand geparkten Kraftfahrzeugen muß aber jeder Autofahrer mit vortretenden Kindern rechnen, die er erst im letzten Moment sieht. Da ist also sofortige Anhaltebereitschaft erforderlich. Mehr als 20 km/h müßten in einer solchen Straße schon als überhöht angesprochen werden. So aber sieht das die Polizei leider 17 nicht. Und die Versicherungen sehen es genauso wenig. Und weiter: Das Abstellen von Autos am Fahrbahnrand ist bekanntermaßen ein schlimmes Sichthindernis. Kinder können die Autos nicht sehen und die Autofahrer nicht die Kinder. So sind die Unfälle an solchen Stellen vorprogrammiert. Eigentlich müßten Polizei und Planer alles daran setzen, solche Situationen in unseren Straßen zu beseitigen. Denn letztlich wird durch deren Fortbestehen ein solcher Unfall fahrlässig vorprogrammiert. Schon 1968 kam Klotz-Händler zu dem Ergebnis, daß 60 % aller Unfälle mit Fußgängern und Radfahrern durch einen besseren Straßenaufteilung verhindert werden könnten (13a). Nach diesen Vorbemerkungen wird verständlich, daß man den amtlichen Statistiken gründlich mißtrauen muß, die besagen, daß 83 % aller Kinderverkehrsunfälle ursächlich auf kindliche Regelverstöße zurückgingen, daß hier also die Kinder die Schuld trügen. Betrachtet man dagegen die Unfallgründe genauer, so wird erkennbar, daß in 80 bis 90 % aller Kinderverkehrsunfälle mit Kfz-Beteiligung offenbar eine unangepaßte überhöhte Geschwindigkeit der KFZ maßgeblich am Zustandekommen des Unfalls und an der Schwere der Unfallfolgen beteiligt war. Dies gilt für all diejenigen Unfälle, bei denen durch spontanes Überqueren oder sichtbehindertes Überqueren oder Spielen auf der Fahrbahn dem Kraftfahrer aufgrund zu hoher Geschwindigkeit die Möglichkeit des rechtzeigigen Ausweichens und/oder Anhaltens nicht mehr gegeben war. Bei Geschwindigkeiten um 20 km/h bestehen diese Möglichkeiten so gut wie immer. Bei Geschwindigkeiten um 50 km/h bestehen diese Möglichkeiten nur noch in sehr geringem Maße. Bei Geschwindigkeiten über 50 km/h gibt es so gut wie keine Verhinderungsmöglichkeiten mehr. Dies ergibt sich aus dem progressiv mit den Geschwindigkeiten wachsenden Anhaltswegen und Aufprallenergien. Weil das so ist, ist vor allen anderen Mitteln der Unfallverhütung planerisch und politisch als grundlegende Konsequenz eine Verringerung der Innerortshöchstgeschwindigkeiten zu fordern. 3. In welchen Gebieten sind die Kinder vor allem gefährdet? Im allgemeinen bestehen die größten Ängste hinsichtlich der Verkehrsrisiken von Kindern in bezug auf die großen Verkehrs- und Hauptverkehrsstraßen. Im Wohngebiet selbst - soweit man nicht gerade an einer Verkehrs- und Hauptverkehrsstraße wohnt - fühlt man sich schon sicherer und in der eigenen Straße glaubt man seine Kinder am sichersten, da sie sich da ja gut auskennen und ausreichend Routine haben. Diese subjektive Sicherheit ist verständlich, aber falsch. Die Mehrzahl der Kinder verunglückt in nächster Nähe der Wohnung, mindestens aber im eigenen Wohngebiet. Dies ist das übereinstimmende Ergebnis fast aller Unfallortanalysen. In unmittelbarer Nähe des Hauseingangs sind vor allem die Drei- bis Fünfjährigen gefährdet, im weiteren Wohngebiet alle Altersgruppen. Für die älteren Kinder werden entferntere Unfallstellen häufiger. Aus diesem Befund ergibt sich bereits, daß es eine flächenhafte Gefährdung der Kinder im ganzen Straßennetz gibt, denn fast überall wird ja gwohnt, fast überall sind Wohngebiete. Über dieses allgegenwärtige Grundrisiko hinaus gibt es regionale Unfallhäufungen (13 b) in zentrennahen, dichtbebauten Wohngebieten sowie in dichtbbauten Arbeiterwohngebieten mit hohem Ausländeranteil. Die dortigen Unfallhäufungen ergeben sich aus der Überlagerung hoher Autoverkehrsdichten mit wenig kinderfreundlicher Straßengestaltung, starken Defiziten an öffentlichen Spielgelegenheiten außerhalb des Straßenraums sowie starken Defiziten an häuslichen Spielgelegenheiten auf dem Grundstück und in der Wohnung. Die niedrigsten Unfalldichten haben die sogenannten besseren Wohngebiete, da die Kinder hier viel weniger auf den Straßenraum angewiesen sind, da dieser trotzdem in der Regel kinderfreundlicher gestaltet ist und nur unterdurchschnittliche Verkehrsdichten aufweist. Besonders unfallträchtig für Kinder sind Straßen mit folgenden Merkmalen: Wohn- und Geschäftsnutzung, dichte Bebauung mit vielen verkehrserzeugenden Anlagen (insbesondere Geschäften und Gewerbebetrieben), vor allem dann, wenn sie auch häufig von Lastkraftwagen befahren werden; Bürgersteige; Hauseingänge, die zur Straße zugewandt liegen und direkt auf die knappen Gehwege führen; beidseitig fahrbahnparallel beparkte lange und gerade Fahrbahnen. 4. Bei welchen Gelegenheiten verunglücken die Kinder? Aus dem hohen Anteil der Unfälle im Wohngebiet bzw. in unmittelbarer Nähe der Wohnung läßt sich bereits schließen, daß die auf die Wohnumgebung bezogenen Aktivitäten des Spiels und der Freizeit am häufigsten zu Unfällen führen. Dies bestätigt sich aus der detaillierten Analyse der 18 Wegzwecke bei Unfällen. Danach ereignen sich die Kinderunfälle am häufigsten während des Spiels oder des Weges zu Spielorten. Der Schulweg, der ja häufig über weitere Strecken und verkehrsreiche Straßen oft auch aus dem engeren Wohngebiet hinausreicht, führt dagegen weit seltener zu Kinderverkehrsunfällen. Je nach Studie ergibt sich ein Anteil von 12 bis 19 %. Im allgemeinen Vorverständnis wird statt dessen gerade der Schulweg meist als besonders unfallträchtig angesehen. Ein Großteil der Verkehrssicherheitsarbeit konzentriert sich deshalb auf die Schulwegsicherung sowie flankierende Öffentlichkeitskampagnen zur Zeit des Schulbeginns. Natürlich sollte man diese Anstrengungen nicht kritisieren, denn jeder Versuch zur Förderung der Verkehrssicherheit von Kindern ist wichtig. Allerdings darf dabei eben nicht die weit höhere Unfallgefährdung "in der Fläche", also in den Wohngebieten, aus dem Blickfeld geraten, die andere, grundlegendere Maßnahmen erfordert. Bedeutsam ist noch der Unterschied der Gefahrenpotentiale beim Schulweg und Einkaufsweg zwischen Städten und Dörfern. Auf dem Lande liegt der Anteil der Kinderverkehrsunfälle beim Einkauf doppelt so hoch, dies vor allem, weil Einkäufe hier häufig wegen der dispersen Vorsorgungsstrukturen auch von Kindern schon mit dem Fahrrad gemacht werden. In der Stadt dagegen ist der Anteil der Schulwegunfälle viermal so hoch wie auf dem Dorf. Hier spielen die viel verkehrsreicheren Straßen sowie der hohe Anteil der zu Fuß und mit dem Fahrrad zur Schule Kommenden eine Rolle, während auf dem Lande der Schülertrandport durch ÖPNV oder Eltern stärker verbreitet ist und nicht so häufig verkehrsreiche Straßen benutzt werden müssen. Die hohe Verkehrsgefährdung der Kinder ergibt sich vor allem daraus, daß sie überwiegend als Fußgänger und Radfahrer unterwegs sind. Fußgänger und Radfahrer sind allgemein im Innerortsverkehr besonders gefährdet. Der Grund ist klar. Die Position von Fußgängern und Radfahrern im Verkehr ist äußerst schwach. Sie sind langsame Verkehrsarten. Bei Kollisionen sind sie ungeschützt der viel höheren Aufprallenergie der schnellen und motorisierten Verkehrsarten ausgesetzt. Ihre Verkehrsanforderungen sind seit 30 Jahren bei der Straßenplanung systematisch vernachlässigt worden. In der Straßenverkehrsordnung werden Fußgänger und Radfahrer primär als Verkehrshindernis betrachtet. Ihnen werden rigide Reglementierungen auferlegt, die in keiner Weise verhaltensgerecht sind. Alle diese Nachteile wirken sich bei Kindern doppelt folgenschwer aus. Denn durch noch geringe Körpergröß, geringe Geschicklichkeit, mangelnde Erfahrung, eingeschränkte Wahrnehmungs- und Konzentrationsfähigkeit sind sie gegenüber den erwachsenen Fußgängern und Radfahrern noch stärker benachteiligt. Dies führt also dazu, daß Kinder bei den Fußgänger- und Fahrradunfällen bezogen jeweils auf 100 000 Einwohner der entsprechenden Altersgruppe - bei weitem überrepräsentiert sind. Bei genauer Differenzierung zeigt sich, daß die Kinder als Fußgänger vor allem im Alter bis zu 10 Jahren überproportional gefährdet sind. 46 % aller zu Fuß verunglückten Kinder sind sechs bis neun Jahre alt, aber nur 31 % aller Fußwege von Kindern entfallen auf diese Altersgruppe. Hauptgrund hierfür ist die geringe Körpergröße mit dem eingeschränkten Sichtfeld und der schlechten Sichtbarkeit. Kleiner ist das Fußgängerrisiko bei Kleinkindern, die ja die meisten Wege noch in Begleitung Erwachsener zurücklegen. Kleiner ist es auch bei Kindern über 10 bzw. 15 Jahren, die aufgrund ihrer Körpergröße, ihrer bereits kontrollierten Spontanität und ihrer größeren Verkehrserfahrung sicherer sind und seltener zu Fuß gehen, weil das Fahrrad oft bevorzugt wird. Deshalb sind im Verhältnis zur entsprechenden Verkehrsbeteiligung Kinder im Alter von 10 bis 15 Jahren als Radfahrer überproportional gefährdet. Bei den über 15jährigen ergibt sich eine deutlich überproportionale Unfallgefährdung als KFZ-Mitfahrer. Dies ergibt sich weniger aus dem Mitfahren mit den eigenen Eltern, sondern dem Mitfahren mit 18 bis 22jährigen (Freunde, Bekannte), die angesichts ihrer ersten Motorisierung in besonders hohem Maße auf den sportlich rasanten und riskanten Fahrstil programmiert sind, nicht zuletzt aufgrund der von den Medien und Herstellern unterschwellig geschürten Klischeevorstellung von sportlichem Fahren. Dies bedingt das weit überproportionale Unfallrisiko erstmotorisierter Jugendlicher und ihrer Mitfahrer. 19 (6) Verkehrspolitische und planerische Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Kinder im Verkehr 1. Ausgangslage: Erziehung, Aufklärung und individuelle Vernunft reichen nicht Ohne Frage reichen erzieherische und aufklärende Maßnahmen keineswegs aus, die Situation der Kinder im Verkehr entscheidend zu verbessern. Seit nunmehr über 20 Jahren ist in vielen Untersuchungen bewiesen, daß weder harter Drill noch sanfte, spielerische Motivation es auch nur annähernd schafften, das ganz natürliche, spontane Verhalten der Kinder so zu beeinflussen, daß sie Gefahrensituationen im Verkehr systematisch erfolgreich vermeiden könnten. So gesehen müssen Kinderverkehrsclubs, Jugendverkehrsschulen und was es sonst auch immer an ungebrochenem Aktionismus der etablierten Verkehrssicherheitsorganisationen gibt, stets von begrenzter Wirksamkeit sein. Trotzdem hat es in der Vergangenheit nicht an Versuchen gefehlt, den Konflikt Kind und Verkehr auf - bei näherem Hinsehen eher - perverse Weise durch eine Anpassung der Kinder an den Verkehr zu lösen. Begründet wurden diese Strategien mit den bereits geschilderten Vorstellungen, die Hauptschuld an den Unfällen läge bei den Kindern selbst. Deshalb gehe es vor allem darum, die Kinder "verkehrsgerecht zu dressieren" und/oder sie weitgehend "aus dem Verkehr zu ziehen". Tenor: "haltet Eure Kinder möglichst im Haus. Laßt sie frühestens mit 10 Jahren auf die Straße. Verbietet das Radfahren. Nehmt sie immer fest an die Hand. Wenn Eure Hauseingänge direkt auf die Straße führen, verbietet den Kindern die Benutzung derselben, laßt sie lieber hinten raus gehen. Verbietet Euren Kindern das Spielen auf der Straße. Programmiert Eure Kinder frühzeitig auf autoverkehrsgerechtes Verhalten." Vieles an dieser Tonlage erinnert eher an totalitäre Staaten und ist beschämendes Resultat übermäßiger Auto-Orientierung. Die Versuche einer weitgehenden Anpassung der Kinder an den Autoverkehr und einer weitgehenden Einschränkung des kindlichen Zugangs zur Straße und zur Mobilität sind lebensfremd, sie gehen an den Fähigkeiten, Bedürfnissen und Ansprüchen der Kinder vorbei. Das eigentliche Problem bei diesen - meist ja durchaus gutgemeinten - aber doch sehr hilflosen Versuchen war nicht ihre geringe Tauglichkeit für echte Erfolge. Schlimmer war vielmehr, daß durch die Konzentration der Behörden, Politiker und Verbände auf diese stets publikumswirksam verkauften Aktionen und Programme suggeriert wurde, es werde hier genügend getan für die Verkehrssicherheit der Kinder. Auf diese Weise blieb der entscheidende Durchbruch in der Verkehrssicherheitsarbeit, nämlich die Änderung des unfallträchtigen Verkehrsgeschehens selbst, viel zu lange aus der Diskussion. Das ging soweit, daß Mitte der 70er Jahre die Deutsche Verkehrswacht, der Deutsche Verkehrssicherheitsrat und andere Organisationen Vorschläge zur Änderung der Innerortsgeschwindigkeit, zur Änderung des Straßenbaus und zur Änderung der Kraftfahrzeugtechnik torpedierten, weil sie nicht ihren gängigen Sicherheitsprogrammen entsprachen. Kein Wunder, daß seinerzeit manche Bürgerinitiative daraufhin hinter diesen Organisationen den langen Arm der deutschen Auto- und Straßenbau-Lobby vermutete. Übrigens sind auch erwachsenenbezogene Aktionen, Aufklärungskampagnen, "Jahr-des-Kindes-Rituale" nur begrenzt tauglich, das Verkehrsverhalten der Erwachsenen positiv zu verändern. Denn es ist ja nicht so, als wüßten nicht auch die meisten Erwachsenen, insbesondere die Autofahrer in der Theorie, wie unberechenbar, wie spontan und damit wie potentiell unfallgefährdet die Kinder im Verkehr sind. Im Gegenteil, hierüber bestehen bei den Autofahrern überraschend zutreffende Vorstellungen. Aber die Erwachsenen haben als Autofahrer im gegebenen Verkehrssystem wenig Chancen, durch persönliche Einsicht Abhilfe zu schaffen. Denn es geht ja nicht nur um den verrückten Raser, der mit 70 oder 90 km/h durch eine Wohnstraße prescht. Gefährlich ist auch der ganz normale Autofahrer, der im "allgemeinen Verkehrsfluß" mit rund 50 km/h durch die Stadt fährt. Sollte er aber versuchen, dank höherer Einsicht und richtiger Interpretation des Paragraphen 3a der StVO nur 30 km/h oder gar 20 km/h zu fahren, dann wird er sein blaues Wunder erleben. Sofort wird er von hingen bedrängt, angehupt, als lästiges Verkehrshindernis aufgefaßt. Das Problem ist also individuell nicht lösbar. Vielmehr muß das geschwindigkeitsorientierte Verkehrssystem generell geändert werden. 2. Die Innerortsgeschwindigkeit muß umgehend auf 30 km/h und weniger begrenzt werden Der Zusammenhang von niedriger Geschwindigkeit und höherer Verkehrssicherheit ist offenkundig. Die verbesserten Wahrnehmungs-, Reaktions- und Bremsmöglichkeiten sowie die verringerten Aufprallenergien führen zu einer deutlichen Verringerung der Unfallziffern und der Unfallfolgen. 20 Da bei 80 bis 90 % aller Kinderverkehrsunfälle eine verminderte Geschwindigkeit den Unfall verhindert hätte oder doch zumindest die Unfallfolgen deutlich verringert hätte, ist die Forderung nach einer Senkung der Innerortshöchstgeschwindigkeit zwingend. Schon in den 80er Jahren hat der Bundesminister für Verkehr in seinem Verkehrssicherheitsbericht eingeräumt, daß die Hälfte aller schweren Verkehrsunfälle bei Tempo 30 vermieden werden könnte (14). Nur getan hat er nichts. Die Angst der Behörden, Politiker und Parteien von einer generellen Einführung von Tempo 30 erklärt sich aus den vielen Vorurteilen gegen Geschwindigkeitsbegrenzungen. Deshalb werden im folgenden diese Bedenken kurz angesprochen: Skeptiker führen bei der Diskussion um Tempo 30 immer wieder schlechte Erfahrungen aus isolierten, straßen- oder zonenweisen Tempo 30-Regelungen an. Das Einrichten von vereinzelten Tempo-30-Zonen hat sich in der Tat in manchen Fällen nicht als sehr wirksam erwiesen. Die Überschreitungsquote ist groß. Das gilt vor allem für Fälle, wo der Gesamteindruck der Straße höhere Geschwindigkeiten nahe legt. Freilich gibt es auch sehr erfolgreiche Beispiele für örtliche Tempo 30-Regelungen, wo ohne großen Umbauaufwand schnell in allen Wohngebieten Tempo 30 eingeführt wurde und gut eingehalten wurde (z. B. Hamburg, Heidelberg, Viersen, Dinslaken). Deshalb können die Vorbehalte aus isolierten Einzelbeispielen nicht auf eine generelle Tempo 30-Regelung übertragen werden. Denn hier ist Tempo 30 plötzlich nicht mehr die spezifische Ausnahme für einige besondere Straßen oder Gebiete, sondern die Regel. Die generelle Einführung von Tempo 30 ist daher ähnlich zu sehen wie die bisherige generelle Innerortsgeschwindigkeit von Tempo 50. Auch sie wird nicht immer und überall exakt eingehalten. Aber sie legt immerhin in großen Umrissen das innerörtliche Geschwindigkeitsgefüge fest. Die Aufgabe einer Tempo 30Innerortsgeschwindigkeit wäre, diese Geschwindigkeitsgefüge um ca. 20 km/h gegenüber heute zu senken. Tempo 30 brächte eine Anpassung der Geschwindigkeiten an die tatsächlichen Erfordernisse innerhalb geschlossener Ortschaften. Denn 70 bis 80 % aller Innerortsstraßen weisen bauliche Merkmale und Merkmale ihrer Nutzung auf, nach denen Geschwindigkeiten über 30 km/h schon heute als im Sinne der Paragraphen 1 und 2 der StVO überhöht angesprochen werden müssen. In diesen Straßen zwingen die hohe Nutzungsdichte, die starke Nutzungsüberlagerung und der Vorrang der Wohnfunktion zu ständiger Anhaltebereitschaft und ständiger erhöhter Aufmerksamkeit für spielende Kinder, Fußgänger und Radfahrer. Wenn also in der überwiegenden Mehrzahl der Inneortsstraßen ohnehin eigentlich nicht schneller als 30 km/h gefahren werden dürfte, sollte die StVO diesem Umstand Rechnung tragen. Ungeachtet dessen können natürlich auf einigen gut ausgebauten innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen Geschwindigkeiten über 30 km/h durch besondere Beschilderung zugelassen werden. Allerdings dürfte in der Regel auch bei diesen Straßen, soweit sie durch bebaute Gebiete verlaufen, aus Sicherheits- und Umweltschutzgründen 40 km/h die Höchstgrenze sein. Eine generelle Innerortshöchstgeschwindigkeit von Temp 30 erlaubt eine positive Beeinflussung des gesamten Verkehrsablaufs. Es ergibt sich eine Verstetigung des Verkehrs auf geringem Geschwindigkeitsniveau. Der häufig hektische "stop and go" Verkehr mit den vielen störenden Beschleunigungs- und Bremsmanövern und einem auf Erzielung der Höchstgeschwindigkeiten abgestellten Fahrstil kann so abgebaut werden. Hierdurch werden erhebliche Verbesserungen in vielen Bereichen möglich. Der Fortfall der besonders lärmverursachenden Beschleunigungs- und Bremsmanöver führt zu einer spürbaren Lärmverminderung. Im Innerortsbereich ist unter Lärmgesichtspunkten eine gleichmäßige Fahrweise bei Tempo 30 optimal. Auch für die Abgasbelastungen ist eine generelle Tempo 30-Regelung vorteilhaft, wegen des Fortfalls vieler Beschleunigungsmanöver. Ein gleichmäßiger Verkehrsfluß auf niedrigem Geschwindigkeitsniveau ist zudem kraftstoffsparend. Die generelle Verringerung der Innerortsgeschwindigkeiten eröffnet für den Straßenbau neue Möglichkeiten. Straßen für langsamen Verkehr lassen sich städtebaulich und landschaftlich besser integrieren. Die Trassierungs- und Querschnittselemente können bescheidener und flexibler sein. Die Trenn- und Störwirkung der Straßen kann spürbar vermindert werden. Straßen für Tempo 30 können wesentlich stärker auf das Wohnumfeld Rücksicht nehmen. Die verringerten Straßenbaustandards bei Tempo 30 erlauben es, den innerörtlichen Straßenbau kostengünstiger zu gestalten. Je nach Straßentyp können ein Viertel bis ein Drittel der heutigen Kosten eingespart werden. Vor allem aber können in Tempo-30-Straßen neue Regeln zum Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer eingeführt werden, die bisher auf Fußgängerzonen und verkehrsberuhigte Bereiche beschränkt bleiben mußten: den juristischen Vorrang des Autoverkehrs aufheben; den 21 Grundsatz zur Rücksichtnahme verstärken; die Möglichkeit, die Fahrbahn überall bevorrechtigt zu überqueren mit Anhaltepflicht für Autos; die Möglichkeit mit dem Fahrrad auch nebeneinander zu fahren, ein Verbot des Überholens für Kfz. Gegen Tempo 30 werden vor allem Bedenken hinsichtlich einer unzumutbaren Verlängerung der Reisezeit und hinsichtlich der Zunahme von Zähflüssigkeiten und Staus geäußert. Die Bedenken sind nicht stichhaltig: Selbst der ADAC hat nachgewiesen, daß der hektische Innerortsfahrstil mit dem Versuch, stets die erzielbaren Höchstgeschwindigkeiten zu erreichen, in der Reisezeit keine Vorteile bringt. Für die Leistungsfähigkeit der Innerortsstraßen ist nicht die Spitzengeschwindigkeit, sondern die Gleichmäßigkeit des Verkehrsflusses, der Fahrzeugabstand und die Leistungsfähigkeit der Knotenpunkte maßgebend. Der derzeitige hektische "stop and go" Verkehr ist eher leistungsmindernd. Hauptargumente gegen Tempo 30 ist, es sei nicht kontrollierbar. Dieses Argument gilt nicht mehr und nicht weniger als die entsprechende Kontrollierbarkeit von Tempo 50. Von der technischen Seite her sind die heutigen Überwachungsgeräte für Geschwindigkeiten über 20 km/h einsatztauglich. Hier steht einer Kontrolle nichts im Wege. In einigen Bundesländern werden bereits die Kompetenz für die lokale Geschwindigkeitsüberwachung an die Kommunen delegiert, die hier sehr erfolgreich sind (Paradebeispiel Heidelberg). In NRW erfolgt die Ermächtigung hierfür im Sommer 1994. Für die soziale Kontrolle durch die Bewohner einer Straße ist Tempo 30 wesentlich besser geeignet als höhere Geschwindigkeiten. Denn der Unterschied zwischen 50 und 60 km/h ist für Laien nur noch sehr schwer wahrnehmbar, während der Unterschied zwischen 30 und 50 km/h deutlich erkennbar wird. Dies gilt auch für die Fahrzeuginsassen. Natürlich ist bei der generellen Tempo 30-Regelung genauso wenig ein gigantischer polizeilicher Kontrollapparat erstrebenswert. Er ist aber gar nicht nötig, wenn zur Fahrunterstützung für eine verantwortliche Geschwindigkeit sogenannte "intelligente" elektronische Fahrhilfen eingesetzt werden, die serienreif entwickelt sind (sog. City- oder Verkehrsberuhigungsautomatik mit Wählschalter für Schrittgeschwindigkeit, 20 km/h, 30 km/h, 40 km/h und 50 km/h). Außerdem kann auf großen Überwachungsaufwand sofort verzichtet werden, wenn endlich als Basisausstattung aller Kraftfahrzeuge ein sog. „Restwegschreiber“ festgelegt wird, ein elektronisches Aggragat, das automatisch immer die jeweils letzten 500 m einer Fahrstrecke mit allen relevanten Merkmalen, vor allem aber der Geschindigkeit, speichert. Bei einem Unfall braucht man nur den Restwegschreiber zu rate zu ziehen, um exakt die zuletzt gefahrene Geschwindigkeit zu kontrollieren. Und statt der Radarpstole oder des Starenkastens brauchen Verkehrskontrollen nur eben auf den restwegschreiber zu sehehn, um zweifelsfrei die zuletzt gefahrene geschwindigkeit zu dokumentieren. Das spart den Gerichten Millionen von Rechtsstreitigkeiten und rettet Hunderttausende von Leben. Zwei entscheidende Vorteile von generell Tempo 30 sollen zum Schluß noch einmal hervorgehoben werden: Es ermöglicht den Verzicht auf zahlreiche innerörtliche Verkehrszeichen, (Geschwindigkeitszeichen, Achtungszeichen, Gefahrenzeichen). Dieser Vorteil kommt den langjährigen Bemühungen der verschiedenen autobezogenen Organisationen um eine "Durchforstung des Schilderwaldes" entgegen. Tempo 30 verbessert ganz entscheidend die Überschreitbarkeit der Straßen für Fußgänger. Erstens weil die Straßen bzw. Fahrbahnen enger werden können (Fortfall überdimensionierter Bewegungsräume für das Auto). Zweitens aber, weil die Annäherung des Autos deutlich langsamer erfolgt. Hierdurch besteht mehr Zeit zum Überqueren. Außerdem bleibt bei plötzlicher Überquerung dem Autofahrer ausreichend Zeit zum Stoppen. Schließlich ist bei Tempo 30 bereits eine relativ gute Verständigung zwischen Autofahrern und Fußgängern, insbesondere auch mit Kindern möglich, durch Gestik, Mimik und unter Umständen auch akustisch. Die letzten Überlegungen führen weiter zur Frage nach dem allgemeinen Verkehrsklima. Von Winning hat sehr eindrucksvoll nachgewiesen, wie sich mit der Geschwindigkeit das Verhalten der Autofahrer ändert. Der gleiche Autofahrer, der bei Tempo 20 oder 30 sich höflich, zuvorkommend und rücksichtsvoll verhält, der noch ganz im sozialen Beziehungsfeld einer Partnerschaft auf der Straße steht, ändert bereits bei Tempo 50 und erst recht bei höheren Geschwindigkeiten sein Verhalten grundlegend. Er wird aggressiver, risikobereiter, intoleranter, sucht nicht mehr die Verständigung, ist deutlich fixiert auf sein begrenztes Sichtfeld auf der Fahrbahn und auf die Kontrolle seiner Armaturen, ist also im Auto isoliert. Bei Tempo 50 ist im übrigen eine soziale Verständigung auch gar nicht mehr möglich. So gesehen definiert die Innerortshöchstgeschwindigkeit entscheidend das Verkehrsklima! Und zwar bisher zum Negativen. Es ist also höchste Zeit, daß die Partnerschaft im Verkehr wieder Platz greift, eben durch angepaßteres, langsameres Tempo. 22 3. Auch bauliche Verkehrsberuhigung muß energisch fortgeführt werden Eine generelle Senkung der Innerortshöchstgeschwindigkeiten auf Tempo 30 macht nicht alle Bemühungen um eine bauliche Verkehrsberuhigung überflüssig. Denn Verkehrsberuhigung dient nicht nur der Geschwindigkeitsverringerung. Sie soll Straßen auch deutlich kinderfreundlicher und wohnlicher machen. Als Oberbegriff hierfür hat sich die Verkehrsberuhigung eingebürgert. Unter Verkehrsberuhigung weden die unterschiedlichen Maßnahmen zur Umgestaltung von Straßen und zur Änderung von Straßennetzen zusammengefaßt. Im einzelnen geht es dabei um sehr verschiedene Ansätze und Einzelelemente. Hierüber gibt es inzwischen eine so vielfältige und erschöpfende Literatur, daß an dieser Stelle wenige Hinweise genügen (15). Unterschieden werden können die verschiedenen Verkehrsberuhigungsmaßnahmen vor allem dadurch, ob sie: die bisherige Trennung der Verkehrsarten aufheben und der Schaffung sogenannter Mischflächen mit gemeinsamer Nutzung durch alle Verkehrsarten dienen, die Trennung der Verkehrsarten mit Ausweisung eigener Fahrflächen für den Kraftfahrzeugverkehr beibehalten,. den Autoverkehr völlig ausschließen bzw. auf stark reduzierte Andienungsfunktionen beschränken (Fußgängerzone bzw. -straße, autofreie Innenstadt, autofreies Wohngebiet, autofreie Stadt). Mischflächen durch Verkehrsberuhigte Bereiche Die Mischfläche oder Mischnutzung (Verkehrsberuhigter Bereich, Zeichen 325/326 StVO) erlaubt das gleichberechtigte Nebeneinander der verschiedenen Verkehrsarten auf einer Fläche. Es gibt keine gesonderten Vorrechte für den Kraftfahrzeugverkehr mehr. Seine Fahrbahnen dürfen auch von Fußgängern und spielenden Kindern benutzt werden. Dagegen sollen am Straßenrand weiterhin möglichst geschützte Geh- und Aufenthaltsbereiche verbleiben, wo weder fahrende noch parkende Autos sein dürfen. Die Mischung verändert das Erscheinungsbild der Straße stark in Richtung auf Aufenthaltsfunktion und Fußgänger- und Radfahrerfreundlichkeit. Mischflächen sind inzwischen in Deutschland bereits vielfach mit großem Erfolg angewendet worden. Die Mischfläche bietet zahlreiche Vorteile: Aufgrund des veränderten Straßenprofils kommt sie u.U. mit nur einem Entwässerungssystem aus. Die hohen Kosten für die Trennung von Fahrbahn und Gehwegen mit erhöhtem Bord fallen fort. Die Gesamtstraßenbreite kann verringert werden, da sich die Flächenansprüche der einzelnen Verkehrsarten teilweise überlagern. Der Straßenquerschnitt kann den baulichen und landschaftlichen Voraussetzungen flexibel angepaßt werden. Die Gestaltung der Details wird sehr variabel, es können sehr vielfältige Gestaltungselemente eingesetzt werden. Bei baulicher Verkehrsberuhigung kann die Straßengestalt also wieder sehr viel individueller auf die jeweilige örtliche Bebauung und landschaftliche Straßenbautradition abgestellt werden. Aufgrund dieser besonderen Vorteile ist die Mischfläche für zukünftige Straßenplanung und gestaltung ein wichtiger Straßentyp, wenn der Autoverkehr nicht ganz ausgeschlossen werden kann oder soll. Das gilt vor allem für die neue Erschließung künftiger Baugebiete. Das gilt aber auch für die Umgestaltung vorhandener Straßen im Zuge von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen bzw. von Straßenerneuerungsmaßnahmen. Über die Einsatzmöglichkeiten und Einsatzgrenzen der Mischflächen gibt nähere Auskunft die Empfehlung für die Anlage von Erschließungsstraßen (EAE). Mischflächen setzen nicht immer den völligen tiefbaumäßigen Straßenumbau voraus, mit dem Ziel, von Wand zu Wand bzw. Grundstücksgrenze zu Grundstücksgrenze ein einheitliches Niveau zu schaffen, möglichst ganz in Pflaster und mit voll veränderter Entwässerung und Beleuchtung. Mischflächen können auch mit einfachen baulichen Mitteln eingerichtet werden, wenn ein Großteil der alten Straßenbefestigung übernommen bzw. wieder verwendet wird. Nach ihrer verkehrlichen Funktion können theoretisch etwa 60 bis 70 % der innerörtlichen Straßen für die Mischnutzung vorgesehen werden. Aus Kostengründen wird man allerdings diese Lösung im Vergleichzu den kostengünstigen Tempo 30-Maßnahmen stärker auf besonders hervorgehobene Straße, z. B. in Ortskernen, in Gründerzeitvierteln, in alten Gassen und auf Neubaugebiete mit Ersterschließung beschränken. 23 Hinsichtlich der Bewertung von Mischflächen muß man sich allerdings vor überzogenen Erwartungen hüten. Mischflächen sollen und können zwar die Spielmöglichkeiten und Aufenthaltsqualitäten in den Städten wesentlich verbessern. Deshalb muß aber nicht zu jeder Tageszeit und auf jeder Mischfläche unbehindertes Kinderspiel - insbesondere auch von Kleinkindern möglich sein. Die absolute Verkehrsidylle kann die Mischfläche nicht in die Städte zurückbringen. Auch in Mischflächen wird es Konflikten zwischen den verschiedenen Verkehrsarten geben. Aber diese Konflikte werden im wesentlichen ohne Unfallfolgen abgewickelt, mit Hilfe der bei den geringen Geschwindigkeiten möglichen sozialen Verständigung. Konflikte ohne entsprechende Unfallfolgen sind so gesehen durchaus ein fester Bestandteil der wünschenswerten Kommunikation in den Straßen. Sie zwingen lediglich zu immer neuem Arrangement zwischen den Verkehrsarten. Autofreie Straßen und Gebiete Im Vergleich zu der Mischfläche bietet Verkehrsberuhigung durch Ausschluß des Autoverkehrs den weitestgehenden Schutz von Kindern. Lange Zeit galt es als nahezu unmöglich, Autoverkehr völlig aus Straßen oder Gebieten zu "vertreiben". Solche Lösungen blieben auf die kommerziellen Fußgängerzonen beschränkt, obwohl die Straßenverkehrsordnung schon lange auch die sog. "Spielstraße" als autofreie Straße kannte. Den den ca. 3 000 kommerziellen autorfreien Fußgängerzonen stehen bundesweit nur wenige 100 autofreie Spielstraßen gegenüber. Durch die Diskussion um autofreie Innenstädte und einige wenige Experimente mit autofreien Wohngebieten ist jedoch das Interesse an solchen autofreien Lösungen beträchtlich gestiegen. Die autofreie Lösung ist aus Sicht der Verkehrssicherheit und Spieleignung allen anderen Lösungen mit Abstand überlegen. Sie gewinnt in dem Maße an Bedeutung, als sich der Frust über den Ärger mit dem Autoverkehr zuspitzt und auch der Mut für radikale Lösungen wächst. Gerade für Wohnstraßen ist die autofreie Lösung eigentlich eine naheligende Antwort : wer die Autos vor die Haustüre läßt, hat auch Unfälle vor der Haustüre, hat Lärm vorm Schlafzimmer, Abgase im Wohnzimmer und blockiert das Wohnumfeld für andere Dinge. Wer dagegen Autos aussperrt, gewinnt Freiheit, Sicherheit, Wohnqualität und Lebensqualität zurück. Eine plausible Grundüberlegung sagt, daß man das Auto mindestens so weit von der Wohnung entfernt halten müsse, wie dem Abstand zur nächsten Haltestelle des öffentlichen Verkehrs entspricht. Sonst werden Autofahrer unzulässig privilegiert, mit kurzen Wegen. Solche weitgehend autofreie Wohngebiete sind typisch für viele japanische Altbaugebiete, in denen großflächige Halte- und Parkverbote bestehen (weil in den dort üblichen, engen Gassen sonst aller Verkehr zum Erliegen käme). Neuerdings sind auch in Skandinavien (Stockholms Umland) und Holland (Houten) ähnliche Wohngebiete geschaffen worden, weitgehend autofrei. Noch einen Schritt weiter geht die völlig autolose Erschließung moderner autofreier Neubaugebiet, in denen sich die Haushalte privatrechtlich binden, ohne eigenes Auto mobil sein zu wollen und in dem demnach ca. 30 % der Erschließungs- und Baukostengespart werden können. In solchen Gebieten gibt es statt dessen innovative Mobilitätsdienstleistungen wie das Car Sharing, gute ÖPNV- Anbindung, gute Fahrradanbindung und attraktive, sichere Fuß- und Radwege. Immerhin gibt es im Bundesgebiet etwa 25 % Haushalte ohne Auto. Bislang haben diese von ihrer Autolosigkeit so lange keinen Vorteil, wie sie vereinzelt und verstreut in der völlig autogeprägten Siedlungslandschaft leben. Wenn sie dagegen in bewußt autolos geplante Gebiete ziehen, gewinnen sie einen beträchtlichen Qualitätsvorteil im Wohnumfeld. Außerdem sparen sie dann viel Geld, weil Investitionen für Straßen- und Parkraum entfallen und keineigenes Auto nötig ist. Man wohnt modern, sicher, mobil, preiswert, kinderfreundlich. Zur Zeit arbeiten viele Städte an Projekten zum autofreien Wohnen und organisieren außerdem -oft zusammen mit ihren Verkehrsunternehmen- spezielle Aktionstage, Wochen oder Monate zum Leben ohne Auto (Autodiät, Autofasten). Noch sind viele Planer und Wohnungsunternehmen skeptisch gegen die Marktfähigkeit solcher Modelle. Aber die vielfältigen Vorteile rechtfertigen durchaus ein verstärktes Engagement für solche konsequente Lösungen. Verkehrsberuhigung mit Beibehalten eigener Fahrflächen Natürlich umfaßt die Verkehrsberuhigung auch vielfältige einfache bauliche Veränderungen an Straßen, die eine eigene Fahrbahn behalten, weil aufgrund hoher, nicht verlagerbarer oder einsparbarer Verkehrsmengen keine Möglichkeit zur autolosen Verkehrsberuhigung oder zur Verkehrsberuhigung mit Mischnutzung besteht oder aus Zeit- und Kostengründen intensivere bauliche Veränderungen der Straßengestaltung zur Herstellung von Mischflächen nicht möglich sind. 24 Im einzelnen gehören zu den Verkehrsberuhigungsmaßnahmen mit Beibehaltung von eigenen Fahrflächen folgende Elemente: Gehwegüberfahrten, Teilaufpflasterungen und Kreuzungsaufpflasterungen heben die ständige Unterbrechung des Fußwegenetzes an Einmündungen und Knotenpunkten auf. An dieser Stelle wird die Fahrgasse/Fahrbahn auf das Niveau der Gehwege angehoben. Die Rollen und Präferenzen werden vertauscht. Der Autofahrer hat sich beim Überfahren der Kreuzung den Gegebenheiten des Fußgängerverkehrs anzupassen. Der Fußgänger kommt zügiger vorwärts. Die erhöhten Flächenansprüche des Aufenthalts und des Fußgängerverkehrs, die gerade im Kreuzungsbereich gebündelt auftreten, können so besser bedient werden. Gehwegüberfahrten können darüber hinaus auch außerhalb von Kreuzungen und Einmündungen in regelmäßigen Abständen im Längsprofil einer Straße angelegt werden. Sie tragen so zusätzlich zur Geschwindigkeitsverringerung und zur Verbesserung der Überschreitbarkeit bei. Gehwegüberfahrten sollten durch vertikale Elemente wie zum Beispiel Bäume, Laternen etc. gestalterisch besonders betont werden. Gehwegüberfahrten eignen sich insbesondere zur Sicherung gefährlicher Straßenabschnitte, etwa im Umfeld von Kindergärten, Schulen und Spielplätzen Versätze entstehen durch wechselseitige Anordnung von parkenden Autos mal auf der einen, mal auf der anderen Straßenseite, durch Verschwenken der Fahrbahn, durch Bäume, die in der Straße stehen oder durch Vorpflasterungen von Gehwegverbreiterungen. Versätze bringen Aurofahrer zur Verringerung des Tempos. Versätze in Kombination mit alternierendem Parken bewirken darüber hinaus, daß bei ursprünglich beidseitig beparkten Straßen jeweils eine Straßenseite ohne abgestellte Fahrzeuge bleibt. Auf dieser Seite sind Fußgänger dann voll im Sichtfeld des Kraftfahrzeugverkehrs und werden beim Überschreiten wenigstens auf einer Seite nicht behindert. Die Wirkung von Versätzen kann deutlich gesteigert werden, wenn am Versatzanfang und Versatzende Bäume gepflanzt werden. Allerdings sollten Versätze aus stadtgestalterischen Gründen nicht schematisch umgesetzt werden, sonst mißraten sie zu einer oft häßlichen Notlösung. Eine sorgfältige Detailplanung muß für die gestalterische Einbindung sorgen. Die abschnittweise Verengung der Fahrbahn auf das geringsmögliche Maß trägt wirkungsvoll zur Geschwindigkeitsdämpfung bei. Im Bereich von Engstellen ist die Überquerung für Fußgänger besonders günstig, weil nur eine kurze Wegstrecke zurückgelegt werden muß. Überwege sollten deshalb regelmäßig mit Fahrbahnverengungen kombiniert werden, auch weil wartende Fußgänger dann voll im Sichtfeld des KFZ-Verkehrs stehen. Engstellen können vielfach einspurig ausgeprägt sein. An diesen Stellen muß die Fahrzeugbegegnung durch Sichtkontakt und gegenseitige Verständigung geregelt werden. Dies erhöht spürbar den Verkehrswiderstand, führt zur Verlansamung und schreckt Fremdverkehr ab. Engstellen können durch Bäume besonders hervorgehoben werden. Eine besondere Gefährdung ist beim Überschreiten der Fahrbahn die Sichtbehinderung durch am Fahrbahnrand abgestellte Fahrzeuge. Aus diesem Grund ist es hilfreich, zwischen abgestellten Fahrzeugen und der Fahrbahn einen Sicherheitsstreifen (als Bestandteil der Fahrbahn) anzuordnen. Er soll sicherstellen, daß die Autos möglichst weit in der Fahrbahnmitte fahren. Außerdem soll er zu einer optischen Verengung der Fahrbahn beitragen. Auf diese Weise erfolgen die ersten Schritte nach dem Hervortreten zwischen zwei geparkten Autos nicht in die eigentliche Fahrgasse, sondern erst in diesen Sicherheitsbereich. Der Sicherheitsbereich sollte sich deutlich von der eigentlichen Fahrgasse unterscheiden. Bei breiteren Fahrbahnen und stärker befahrenen Straßen helfen Mittelinseln entscheidend bei der Sicherung der Überquerbarkeit. Sie verdoppeln die Querungschancen, weil jede Fahrbahnhälfte unabhängig voneinander betreten werden kann und die Wartefläche in der Mitte ausreichend Schutz bietet. Sie markieren - zumal wenn sie mit Bäumen bepflanzt werden weithin sichtbar die Querungsstellen. Sie können auch in kurzer Folge eingerichtet werden bzw. als durchgehender Mittelstreifen, dann wird linienhaft die Überquerbarkeit gesichert, was vor allem für Geschäftsstraßen wichtig sein kann. 25 Verkehrsberuhigung von Hauptverkehrsstraßen Verkehrsberuhigung darf sich nicht nur auf die Nebenstraßen beschränken. Gerade auch auf Hauptverkehrsstraßen bestehen große Probleme mit Flächendefiziten für Fußgänger und Radfahrer, mit weit überhöhten KFZ-Geschwindigkeiten, mit hohen Unfallrisiken, hohen Lärm- und Abgasbelastungen. Bei der flächenhaften Verkehrsberuhigung werden deshalb auch die Hauptverkehrsstraßen einbezogen. Zwar müssen sie oft weiter hohe Verkehrsbelastungen behalten, wenn der Autoverkehr nicht durch eine veränderte Verkehrsentwickungsplanung generell vermindert oder durch eine Netzänderung auf weniger störende Straßen verlagert werden kann. Jedenfalls muß der Autoverkehr auf Hauptverkehrsstraßen deutlich langsamer werden. 40 km/h ist für viele dicht bebaute Hauptverkehrsstraßen die maximal verträgliche Höchstgeschwindigkeit. Und die Fahrbahnflächen sollen deutlich reduziert werden, zugunsten breiterer Gehwege, neuer Alleen, zusätzlicher Mittelstreifen etc.. Seit einigen Jahren gibt es im In- und Ausland gute Erfahrungen mit der Umgestaltung von Hauptverkehrsstraßen. Sie sind in der neueren Literatur dokumentiert und zu Empfehlungen verarbeitet worden (18). Unter den zuvor genannten Elementen kommen für Hauptverkehrsstraßen vor allem in Betracht Mittelinseln und Mittelstreifen sowie Mehrzweckstreifen und Sicherheitsstreifen. Es besteht heute kein Zweifel, daß es eine Fülle relevanter Verbesserungsmöglichkeiten für Hauptverkehrsstraßen gibt, durch die die Bewohnbarkeit dieser oft dicht bebauten und bewohnten Problemzonen der Städte und Dörfer (Ortsdurchfahrten) wesentlich verbessert werden kann. Fazit: Kinderfreundliche Verkehrsplanung möglich Bei systematischer Anwendung von Tempo 30, Maßnahmen zur baulichen Verkehrsberuhigung, zur fahrradfreundlichen Umgestaltung und zur Planung autofreier Gebiete wird eine sehr viel kinderfreundlichere Verkehrsumwelt möglich wird. Entscheidend für die Durchsetzung ist: daß die Bürger selbstbewußt solche Verbesserungsmaßnahmen fordern; daß sich die Lobby der Kinder (Elternbeiräte, Kindergartensprecher, Kinderschutzbund, Kinderhilfswerk, Kinderbeauftragte) besser artikuliert und zielstrebiger im Planungsalltag einmischt; daß die "natürlichen Verbündeten", die Interessenvertretungen der Fußgänger, der Radfahrer, der humanen Stadtplanung und des Umweltschutzes für eine Kooperation gewonnen werden; daß die Verwaltungen konstruktiv auf die heute bestehenden rechtlichen, planerischen und gestalterischen Möglichkeiten verwiesen werden; daß die führenden Politiker und Verwaltungsleute auch entsprechende Prioritäten setzen. Sie müssen erkennen, daß sich an der Kinderfreundlichkeit überhaupt die Tauglichkeit einer Planung messen läßt. Was nicht kinderfreundlich ist, kann eigentlich nicht gut sein; daß der Mut besteht, Konflikte durchzustehen. Denn natürlich wird es am Anfang immer Widerstände geben. Da darf man nicht gleich "umfallen"; daß erkannt wird, daß eine kinderfreundliche Umwelt allen nützt (den Fußgängern, Radfahrern, dem Wohnumfeld, den Alten, den Behinderten), nicht nur den Kindern. Sie erst sichert eine lebenswerte Zukunft. 4. Der ÖPNV muß schnell und systematisch ausgebaut und kinderfreundlich gestaltet werden Natürlich ist eine durchgreifende Änderung der Verkehrsverhältnisse in Städten und Gemeinden nur möglich, wenn der öffentlihe Verkehr wieder eine sehr viel größere Rolle spielt. Davon profitieren Kinder und Eltern gleichermaßen. Den Kindern erschließt ein attraktiverer ÖPNV mit dichtem Linien- und Haltestellennetz und dichtem Takt wesentlich bessere Mobilitätschancen. Er macht sie unabhängig von den Bring- und Holdiensten motorisierter Erwachsener, zumal der Mutter, deren knapp bemessene Freizeit immer mehr von der unfreiwilligen Rolle als "Taxi-Hilfs-Chauffeurin" geschmälert wird, für die oft raumgreifenden Aktivitätsprogramme der Kinder und ihrer Freunde mit Musikschule, Sportverein, Besuch von Freunden etc. . Viele Eltern, die selber heute im Alltag keinen öffentlichen Verkehr benutzen, weil sie notorische Autofahrer sind, haben keine ausreichende Motivation und Ahnung, um ihre Kinder zu souveränen, selbständigen Kunden im öffentlichen Verkehr zu machen. Ein übertragbares Abo fehlt im Haushalt ebenso wie Fahrplan, Liniennetzplan und Tarifübersicht. Um hier zusätzliche Erfolge zu erzielen, muß der ÖPNV familien- und kinderfreundlicher werden. Er darf sich nicht auf die Teilaufgabe 26 "Berufspendlerschuttle" beschränken und auch nicht auf die Teilaufgabe "Schnellverkehr" zwischen Umland und City. Attraktiv und massenhaft nachgefragt von "Umsteigern" und Kindern wird der öffentliche Verkehr erst, wenn er attraktiv ist. Worum es dabei vor allem geht, wird nachfolgend kurz angedeutet. Verbesserte Erschließung Die von Planern und Politikern für normal gehaltene Haltestellenentfernung von 300 m ist unzumutbar. Wer an Start und Ziel jeweils 300 m laufen soll, mit Gepäck, Kinderwagen, im Regen etc., steigt lieber gleich ins Auto, das ja meist direkt neben der Haustüre in der Garage oder direkt neben dem Laden oder Arbeitsplatz abgestellt werden kann. Einzelhändler machen regelmäßig einen Aufstand, wenn ihre Parkplätze weiter als 50 m vom Laden entfernt angeordnet werden solle. Das nähme niemand mehr an. ÖPNV- Kunden aber wird das 6-10 fache an Distanz ohne schlechtes Gewissen zugemutet. Um das zu ändern, müssen neue Linien gelegt, zusätzliche Haltestellen geschaffen, das Netz "verdichtet" werden. Dies hilft den Kindern, weil sie dann viel schneller an der Haltestelle sind, viel näher an ihre Ziele kommen, ihr Aktivitätsprogramm besser mit ÖPNV abdecken können. In der Schweiz, deren Städte und Dörfer im Schnitt über ein 4 - 6 mal dichteres Netz verfügen, ist auch die Nachfrage 6- 10 mal höher und gehört die ÖPNV-Nutzung zur alltäglichen Selbstverständlichkeit für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Für eine verbesserte Erschließung braucht man vor allem attraktive Netze mit sehr verschiedenen ÖPNV- Elementen: Quartierbusse sichern die Feinerschließung imStadtteil. Oft halten sie auf Handzeichen, das heißt sie sichern fast einen Tür-zu-Tür Service. Sie beziehen alle wichtigen Versorgungseinrichtungen (Schulen, Kindergärten, Kirchen, Läden, Sporteinrichtungen, Wonhstraßen, Grünanlagen) im Quartier ein. Sie haben kurze Linienwege, weil sie immer nur ein oder zwei Quartiere durchfahren, dann kehren sie als eine Art Pendelbus wieder um. Quartiersbusse wurden in Zürich erfunden und sind inzwischen auch in Deutschland als CityBus-Linien und Quartierslinien bekannt geworden, z.B. in Wuppertal oder Heidelberg in besonders bergigen Quartieren mit sehr kleinen, verwinkelten Straßen, wo normale Standardbusse nicht mehr hinkommen. Deshalb setzen Quartiersbusse auchmeist moderne Niederflur-Mini-Busse ein, die bis zu 20 Fahrgäste mitnehmen können. Ortsbusse erschließen kleinere Gemeinden von 1000-5000 E Größe mit kompakter Bebauung mit klar geführten Durchmesserlinien, je nach Siedlungsform entweder mit einem Radialnetz von zwei bis drei Linien oder mit einem Schleifennetz (ein oder zwei „achter“). Die Netze trefffen sich möglichst in der Mitte, z.B. auf dem zentralen Marktplatz im Quartier. Ortsbusse haben je 100-200 E eine Haltestelle, halten aber außerdem auch noch auf Handzeichen. Auch Ortsbusse wurden zuerst in der Schweiz entwickelt, inzwischen gibt es auch in Deutschland immer mehr solcher kleiner lokaler ÖPNV- Systeme. Je nach Siedlungsform des Ortes werden sie entweder mit modernen Midi- Niederflur- Bussen im konventionellen Linienverkehr betrieben (bei kompakter Siedlungsform), oder sie werden als Taxi- oder Rufbus bedarfsgesteuert betrieben (bei disperser Siedlungsform). Dann müssen die Fahrtwünsche vorher telefonisch angemeldet werden und der Bus fährt je nach vorliegenden Bestellungen eine variable Route. Haltestellen ohne Bestellung lässt er aus. Bürgerbusse arbeiten nach dem gleichen Prinzip wie die freiwillige Feuerwehr, mit ehrenamtlichem Engagement der Fahrerinnen und Fahrer. Die fahrzeuge werden von der öffentlichen Hand gestellt, für die Betriebskosten gibt es Zuschüsse. Aber das tuere Gehalt der Fahrer kann so gespart werden. Vor allem im dünn besiedelten ländlichen Raum und in sehr armen Regionen, in denen das Geld für einen regulären öffentlichen Verkehr mit professionellen Fahrern nicht reicht, sichern Bürgerbusse die Mobilität. Sie sind vor allem für Kinder und alte Menschen dann die einzige Möglichkeit, sich aus dem engeren Nahbereich weiter zu bewegen. Stadtbusse sind ähnlich wie die Quartiersbusse und Ortsbusse sehr einfach „gestrickte“, moderne, attraktive Bussysteme für Klein- und Mittelstädte zwischen 10.000 und 60.000 Einwohnern. Sie haben meist ein Radialnetz mit drei bis fünf Durchmesserlinien und bieten je 10.000 E etwa 60-70 Haltestellen, so dass auch hier pro 150 Einwohner eine Haltestelle bedient wird. Das sichert kurze Wege und damit optimale Kundennähe. Moderne Stadtbussysteme haben in den letzten Jahren sensationelle Erfolge erzielt, mit riesigen Fahrgaststeigerungen von vorher in der Regel zwischen 50-100. 000 zahlenden Fahrgästen und nachher zwischen 3 und 5 Mio. Fahrgästen, darunter plötzlich ca. 50% Nutzer, die vorher nur mit dem Auto unterwegs waren. Moderne Stadtbusse werden auch für Einkauf und Freizeit genutzt. Für Kiner und Jugendliche sind sie besonders attraktiv, weil sie ihnen den Abschied von den verhassten Rostlauben im Schulbusverkehr ermöglichen. 27 Alle diese modernen Bussysteme bieten einen richtigen, dichten Taktverkehr. Denn lange Wartezeiten beim Einsteigen und Umsteigen sind sehr ärgerlich, zumal bei Regen oder Kälte. Für große Städte muß ein 5 - 10 Minutentakt die Regel werden, für Klein- und Mittelstädte ein 15 -20 Minutentakt, für die Orts- und Quartiersbusse sowie die Rufbusse und Bürgerbusse liegen die Taktzeiten zwischen 30 und 60 Minuten. Bei schlechtem Takt ist eine hohe Marktausschöpfung unmöglich. Dichter Takt macht unabhängig von Fahrplan und Uhrenlesen, kommt der Spontanität und Unplanbarkeit kindlichen Verhaltens sehr entgegen. Auch ein attraktiver Tarif, der dann vor allem familien- und kinderfreundlich sein muß und Gruppen besonders günstig befördert, ist wichtig. Um das Auto auch preislich in den Schatten zu stellen. Zum attraktiven Tarif gehört ein preiswertes, übertragbares Umweltabo mit Gruppenfahrberechtigung für Familien und Gruppen von Kindern. Das Familienabo muß teilbar sein oder zumindestens für die Inhaber einer Zweit- oder Drittkarte deutliche zusätzliche Preisnachlässe bieten, damit jeder in der Familie unabhängig von anderen vorteilhaft reisen kann. In der Schweiz bieten praktisch alle Verkehrsbetriebe solche Abos, auch auf dem Lande. Und in den Städten ist die Zahl der verkauften Abos meist größer als die Zahl der zugelassenen Autos. In der Schweiz werden die Heranwachsenden auch aktiv umworben von den Verkehrsbetrieben. Den üblichen "Tarifsprung" mit 12 oder 14 Jahren gibt es nicht, bis 24 bzw. 26 Jahre fährt man zum halben Preis. Es gibt Konzerte und Theater im Bus- oder Tramdepot, alle wichtigen Sport-, Kulturund Freizeiteirichtungen haben sog. Kombitickets, wo Benutzer des ÖPNV einen Preisvorteil erhalten. Moderner, attraktiver öffentlicher Verkehr ist keine hoheitlich-distanzierte Dienstleistung sondern wird im Stadtviertel integriert, als "ÖNPV zum Anfassen", nicht als anonymer, seelenloser Betrieb. Es gibt gut gestaltete Haltestellen mit Ticketerias, Linien- und Haltestellennetz werden überall ausgehängt, es gibt verständliche Ansagen, überschaubare Angebote, freundlichen Service. Die Verkehrsbetriebe gehen auf die Kunden zu, laden regelmäßig zu Veranstaltungen über Angebotsverbesserungen ein. Öffentlicher Verkehr ist Dauerthema in den Medien, hat eine "gute Presse". Das Zeitalter der Rostlauben und Dreckschleudern ist damit zu Ende. Dafür sind dann natürlich moderne Fahrzeuge eine Grundvoraussetzung, mit Niederflur, Klimatisierung, mit sauberen, hellen Fahrzeugen und Haltestellen, freundlichem Personal, humorvoller bürgernaher Selbstdarstellung, komplettem Informationsservice, pfiffigen technischen Lösungen wie Niederflurbussen und -bahnen, einer modernen "Sesam-öffne-Dich"-Technik, die an allen Ampeln für freie Fahrt sorgt und Busse und Bahnen auf eigenen Spuren am Stau vorbeifahren läßt. Bei uns erreicht der ÖPNV diese Qualitäten vielfach leider noch nicht. Oft fehlt die nötige Angebotsdichte und Kundennähe. Tunnelstrecken mit ihren "Höhlenbahnhöfen" sind für viele Eltern und Kinder ein Alptraum. Die Schulbusse werden oft mit miserabler Qualität betrieben, an allem wird gespart: "ÖPNV zum Abgewöhnen". Im ländlichen Raum und Klein- und Mittelstädten gibt es meist nur ein kümmerliches "Rest- und Rumpfangebot". Lange Wege und lage Wartezeiten sind die Regel. Abends und am Wochenende geht oft gar nichts. So kommt der ÖPNV nicht weiter. Er muß wieder zum Qualitätssystem werden (19). Das hilft Kindern doppelt. Erstens, weil es ihre Mobilitätschancen verbessert. Zweitens aber, weil es für weniger Autoverkehr sorgt. Ohne weniger Autoverkehr aber wird es kinderfreundliche Städte und Gemeinden nicht geben können. Drittens aber, weil es die Verkehrssicherheit von Kindern und Jugendlichen nachhaltig verbessert. Alle regionalen Unfallvergleiche zeigen, dass Gebiete mit gutem ÖPNV iel geringere Unfallraten haben. Das gilt dann auch für die Jungendlichen, wenn sie ins Mofa, Motorrad- und Autoalter (16-18) kommen. Gerade dann steigt die alterspezifische Unfallhäufigkeit dramatisch an, wenn kein guter öffentlicher Verkehr vorhanden ist. Dann kommt es zu den erschütternden Disko- Unfällen, wo manchmal auf einen Schlag eine genze Gruppe von Jungendlichen tödlich verunglückt, wegen Alkohol, zu hoher Geschwindigkeit, Impniergehabe, fehlender Fahrpraxis und vor allem: fehlendem Öffentlichen Verkehr. Deswegen müssten vor allem Unfall- und Krankenvesicherungen großes Interesse an gutem öffentlichen Verkehr haben, dafür offensiv werben und ggf. als Präventivmaßnahmen auch für die notwendige Anschubfinanzierung sorgen, um die extrem hohen Unfallfolgekosten zu vermeiden, die sonst entstehen und die Gemeinschft der Versicherten dann mit immer höheren Bewiträge belasten. 28 Anmerkungen: ( 1) Vgl. zur historischen Entwicklung des Straßenverkehrs z.B. Sachs, W.: Die Liebe zum Automobil. Ein Rückblick in die Geschichte unserer Wünsche, Rowolth, Hamburg 1984 und 1990 und Lit (19) ( 2) Vgl. hierzu Monheim, H.: Neuorientierung des kommunalen Straßenbaus, in: Straßen- und Tiefbau, H. 9, 1983 und Monheim, H.: Spielräume des kommunalen Straßenbaus. In: Straßen- und Tiefbau, H. 1/2/3, 1984. ( 3) Vgl. hierzu auch: Kinder in der inneren Stadt. Zum Einfluß der sozialen und städtischen Umwelt auf die Lebensverhältnisse und Sozialisationsbedingungen von Kindern. Verfasser Ohrt, T. und von Seggern, H. Hrsg.: Baubehörde Hamburg, Hamburg 1977, 2 Bände. ( 4) Vgl. Winterfeld, U.: Kinderspiel im Straßenraum - Städtebauliche Forschung, 03.087. Hrsg.: Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Bonn 1980. ( 5) Vgl. zur fußgängerfreundlichen Stadt- und Verkehrsplanung Monheim, H.: Der Fußgänger, seine verkehrliche und städtebauliche Bedeutung und seine angemessene planerische Berücksichtigung. - Ergebnisbericht Enquete "Erfordernisse des Fußgängerverkehrs. Hrsg.: Magistrat der Stadt Graz und Technische Universität Graz, Graz 1984. ( 6) Vgl. in den verkehrlichen Leistungsfähigkeiten von Kindern: Kind und Verkehr. Eine Kurzinformation. Hrsg.: Arbeitskreis Verkehr im BBU, Berlin 1981. ( 6a) Vgl. zu den Planungsanforderungen auch: Kinderfreundliche Umwelt, - Städtebauliche Forschung, 03.075, Hrsg.: Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Bonn 1979. ( 7) Vgl. z.B. Garbrecht, D.: Gehen. Hrsg.: Beltz Verlag, 1981 und Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft. Der nichtmotorisierte Verkehr. - DVWG-Schriften, Band. 69, Köln 1963; Machtemes, u.a.: Raum für Fußgänger. 3. Bände. Hrsg.: Institut für Landes- und Stadtentwicklung des Landes Nordrhein-Westfalen, Dortmund 1980. ( 8) Arbeitskreis Verkehr: Gehwege. Eine Kurzinformation; Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen, (EAE '85). Hrsg.: Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Kirschbaum-Verlag, Bonn 1985; Fußwege im Siedlungsbereich, Richtlinien für bessere Fußgängeranlagen. Hrsg.: Arbeitsgemeinschaft Rechtsgrundlagen Fuß- und Wanderwege, Band 6, Zürich 1982. ( 9) Vgl. hierzu Kind und Verkehr, a.a.O.. (10) Vgl. allgemein zur Radwege/Radverkehrsplanung Fahrrad im Nahverkehr, = städtebauliche Forschung 03.06. Hrsg.: Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Bonn 1977; Das Fahrrad in der Stadt. Hrsg.: Umweltbundesaamt, Berlin 1981; Radverkehrsanlagen. Hrsg.: HUK-Verband, = Empfehlungen der Beratungsstelle für Schadensverhütung, Band 5; Köln 1982; Radwegeplanung, Grundlagen und Empfehlungen. Hrsg.: Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club, Bremen 1981. (11) Vgl. Deutsche Straßenliga. Kind und Straße, Köln 1979. (12) Richard, H.: Sicherung von Schulwegen, Hrsg.: BASt. Köln 1974. (13) Inge Peter-Habermann: Kinder müssen verunglücken, ro ro ro aktuell, Hamburg 1979. (13a) Klotzhändler, M.: Die tödlichen Verkehrsunfälle von Kindern in Zürich 1950 - 1966. (13b) Vgl. hierzu Inge Peter-Habermann, a.a.O. - Deutsche Straßenliga a.a.O., Jädeke, R.: Der Unfall im Kindesalter, Stuttgart 1962., BASt 1976; M. Limbourg, B. Senckel, Verhalten von Kindern als Fußgänger im Straßenverkehr. In: Forschungsberichte der BASt, Bereich Unfallforschung, Köln 1976, ;BASt 1978; W. Schulte, Straßenverkehrsbeteiligung von Kindern und Jugendlichen. In: Unfall- und Sicherheitsforschung Straßenverkehr, Heft 19, Köln 1978. BASt 1981; G. Grosse-Berndt, G. Weißbrodt, G. Zimmermann: Vier-Länder-Vergleich von Kenngrößen der Straßenverkehrssicherheit (Japan, Großbritannien, Niederlande, Deutschland). Bereich Unfallfoschung, Köln 1981; Difu, 1980; D. Apel, K. Ernst: Mobilität, Grunddaten zur Entwicklung des städtischen Personenverkehrs, Difu-Reihe Stadtverkehrsplanung, Tel. 1, Berlin 1980. (14) Vgl. zur Tempofrage: Tempo 30 in den Städten und Dörfern. Hrsg.: Arbeitskreis Verkehr im BBU, Berlin 1984.; Wicht O.: Verkehrsberuhigung mit Tempo 30. In Städte- und Gemeindebund, Heft 2, 1984; Runge, R.: Verlangsamung des Verkehrs in Wohngebieten durch Tempo 30. In: Zeitschrift für Verkehrssicherheit, Heft 4, 1984.;Topp, H.: Tempolimit innerorts. In: Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik, Heft 6, 1984 und Temporeduzierung im Autoverkehr. Ein Materialband zu Tempo 30/70/100. Hrsg.: Arbeitskreis Verkehr, Berlin 1984. (15) Vgl. z.B. Wohnstraßen der Zukunft. Verkehrssteuerung zur Verbesserung des Wohnumfeldes. Hrsg.: Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Bonn 1979; Verkehrsberuhigung, ein Beitrag zur Stadterneuerung. - Städtebauliche Forschung, 03.071. Hrsg.: 29 Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Bonn 1979. Planfibel Verkehrsberuhigung. = Städtebauliche Forschung, 03.090. Hrsg.: Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Bonn 1983; Kostenhinweise Verkehrsberuhigung = Städtebauliche Forschung 03.098. Hrsg.: Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Bonn 1984, sowie die Literaturdokumentation "Verkehrsberuhigung" vom Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt 1984 und den Sammelband Verkehrsberuhigung in Gemeinden. Heymanns Verlag, Köln 1984. (16) Vgl. hierzu die Dokumentation von Heinze, G. u.a.: "Verkehrsberuhigung". Hrsg.: Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Hannover 1984. (17) Vgl. hierzu Monheim, R.: Fußgängerzonen. = DLST-Beiträge zur Stadtentwicklung. Hrsg.: Deutscher Städtetag, Köln 1977. (18) Haupt(verkehrs)straßen und Verkehrsberuhigung. Bausteine für die Planungspraxis in NRW, Band 6. Hrsg.: Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung, Dortmund 1985. (19) Monheim, H., Monheim-Dandorfer, R.: Straßen für Alle, Analysen und Konzepte zum Stadtverkehr der Zukunft, Hamburg 1990. 30 Tabelle 1 Mobilität von Kindern und Erwachsenen Wege pro Tag Kinder * 3,0 Erwachsene 2,5 * außerhalb der Ferien Quellen: BASt,/ Difu 31 Tabelle 2 Mobilität nach Alter und Jahreszeit Wege pro Tag Sommer 3 - 5 Jahre 6 - 9 Jahre 10 - 14 Jahre 15 - 17 Jahre Winter 2,4 3,0 3,3 3,6 1,8 2,3 2,4 2,8 Zum Vergleich: Insgesamt: 50 - 60 Jahre 60 - 70 Jahre 70 - 80 Jahre über 80 Jahre 2,7 2,2 1,9 1,0 Quellen: BASt Difu 32 Tabelle 3 Immobilität und Alter Personen ohne Weg außer Haus (am Stichtag) Altersgruppen 0 - 10 10 - 20 20 - 30 30 - 40 40 - 50 50 - 60 60 - 70 70 - 80 über 80 Quelle: Difu in % 5 8 11 11 15 17 30 39 68 33 Tabelle 4 Mobilität nach Alter und Jahreszeit Frei wählbare Wege * pro Tag Alter Schulzeit 6 - 9 Jahre 10 - 14 Jahre 15 - 17 Jahre * ohne Schulweg Quelle: BASt 0,9 1,2 1,4 Ferien 2,4 2,5 3,0 34 Tabelle 5 Wegdauer nach Alter und Jahreszeit Durchschnittliche Dauer eines Weges in Minuten: Sommer 3-5 6-9 10-14 15-17 Erwachsene 37 35 29 26 Quellen: BASt und Difu Winter 36 27 26 23 Schule Ferien Jahresdurchschnitt 26 24 24 37 31 26 22 35 Tabelle 6 Mobilitätszwecke nach Alter (in %) Wegzweck Kinder von 3 - 17 Jahrren deutsche Gesamtbevölkerung+ Arbeit/Ausbildung (einschl. Kindergarten) 20 41 Einkauf 14 29 Freizeit 66 30 100 100 + ohne Ausländer und Kinder unter 10 Jahren Quellen: BASt und Difu 36 Tabelle 7 Mobiltitäszwecke nach Alter (in %) Verkehrszweck 3-5 Jahre 6-9 Jahre 10-14 Jahre 15-17 Jahre Kindergarten/ Schule 13 23 27 18 Einkauf 19 13 13 12 Spaziergang 13 8 7 9 3 6 9 12 Spielen (auf d. Straße) 20 22 12 1 Sonstige 32 28 32 48 100 100 100 100 Weg zum Freund Quelle: BASt 37 Tabelle 8 Mobilitätszwecke nach Jahrenzeiten (in %) Verkehrszweck Sommer Schulzeit Schule/ Kindergarten 40 Auf d. Straße spielen Sport/Bad Winter Schulz. Winter Ferienz. 6 53 11 13 21 9 14 9 13 4 7 Spaziergang/ Spazierfahrt 10 13 9 16 Besuch Freund/ Verwandten 12 16 13 23 8 18 9 21 100 100 100 100 Einkauf Quelle: BASt Sommer Ferienzeit 38 Tabelle 9 Verkehrsmittelwahl nach Alter (in %) Alter zusammen Verkehrsmittel 3-5 6-9 10 - 14 15 - 17 nur zu Fuß 62,1 64,3 52,5 40,7 53,9 Fahrrad 5,0 12,5 22,6 15,3 16,0 Mofa, Moped 0,0 0,0 0,7 15,1 3,9 öffentliches Verkehrsmittel 3,4 3,9 12,1 14,2 9,4 Pkw-Mitfahrer 8,4 18,6 12,0 13,8 16,1 sonstige 1,1 0,6 0,2 0,9 0,6 100 100 100 Quelle: BASt 100 100 39 Tabelle 10 Verkehrsmittelwahl nach Jahreszeit Verkehrsmittel Schulzeit Sommer Ferienzeit Winter zusammen Schulzeit Ferienzeit nur zu Fuß 50,4 48,8 56,7 62,7 53,9 Fahrrad 20,1 23,1 11,4 6,4 16,0 Mofa, Moped 4,1 4,6 3,8 2,9 3,9 öffent. Verk. 10,2 4,6 14,6 6,3 9,4 Pkw-Mitfahrer 14,6 17,5 13,2 21,6 16,1 sonstige 0,6 1,4 0,2 0,1 0,6 100 100 100 100 100 Quelle: BASt 40 Tabelle 11 Fahrzeugbesitz von Kindern und Jugendlichen (in %) Verkehrsmittel vorhanden 78 Davon: Kinderfahrzeug/-fahrrad (incl. Roller, Kettcars etc.) 42 Großes Fahrrad 52 Fahrräder zusammen Mofa/Moped 94 6 100 Quelle: BASt 41 Tabelle 12 Nutzung von Kinderfahrzeugen und Fahrrädern nach Wegzweck+ (in %) Wegzweck Kinderfahrzeug Fahrrad Spiel mit dem Fahrzeug 82 72 Weg zum Spielplatz 22 28 Kindergarten/Schule 7 19 Sport/Bad 7 27 Freund/Verwandte 15 40 Einkauf 19 42 + Mehrfachnennungen Quelle: BASt 42 Tabelle 13 Bedeutung von Spielorten (Zeitanteil in % Spielort Zeitanteil Straße einschließlich Wege 60 - 70 Spielplätze 10 - 25 Parks, Grünanlagen 5 - 10 43 Tabelle 15 Unfallbeteiligung nachAlter (in %) % 3- 5 3,8 6- 9 14,4 10 - 14 18,2 15 - 17 24,2 zusammen 16,1 Quelle: BASt.