„Handicap und Gesellschaft“ (http://www.cfbrh-hamburg.de/therapie2.jpg) Kristina Fortmann Antje Grünkemeier Ulrike Schmidt Academie Mens en Maatschappij Fachbereich Sozialwesen 1 „Was wollen wir, wenn alles möglich ist?“ Eine bioethische Diskussion Prüfungscode: 14983 Ulrike Schmidt 131220 ESP4DDE2 Antje Grünkemeier 127539 (Bison 2407414) ESP4DDA2 Kristina Fortmann 120133 ESP4DDF1 Dozent: Tugba Arik-Erdinc Academie Mens en Maatschappij / SPH Saxion Hogeschool Enschede Gronau, den 08.11.2011 2 Inhalt 1) Einleitung 4 2) Was ist Pränataldiagnostik? 4 a) Invasive Methoden 4 b) Nicht-invasive Methoden 5 c) Gesetzliche Lage in Deutschland 6 3) Was ist Präimplantationsdiagnostik? 6 a) Gesetzliche Lage in Deutschland und andere Länder 4) Was bedeutet Stammzellenforschung? a) Gesetzliche Lage in Deutschland und andere Länder 7 8 9 5) Die bioethische Diskussion aus Sicht verschiedener Institutionen 10 a) Die wissenschaftliche Sicht 10 b) Die kirchliche Sicht 11 c) Die Sicht des Behindertenverbands 11 6) Verknüpfung des Themas mit der Praxis 12 a) Ulrike 12 b) Kristina 13 c) Antje 13 7) Fazit 14 a) Fazit Ulrike 14 b) Fazit Kristina 15 c) Fazit Antje 15 8) Literaturnachweise 15 3 1) Einleitung Die Lehreinheit „Handicap und Gesellschaft“ sieht vor, eine Lernaufgabe zu einem bestimmten Themenbereich zu entwickeln. Wir haben uns für das Thema „Was wollen wir, wenn alles möglich ist“, eine (bio-) ethische Diskussion aus individuellen Gründen entschieden. Diese Gründe werden später in den Faziten benannt. Der vorliegende Bericht wurde in verschiedene Themen unterteilt. Der Hauptteil beschreibt bestimmte Methoden, die ethische Diskussionen aufwerfen sowie deren Gesetzeslagen. Hier erläutern wir auch die verschiedenen Sichtweisen unterschiedlicher Institutionen zu diesem Thema. Anschließend stellen wir einen Bezug zu unserer Praxis her. Im Fazit wird die Themenwahl begründet, sowie ein Feedback zur Gruppenarbeit gegeben und schließt somit den Bericht ab. 2) Was ist Pränataldiagnostik? Mit dem Begriff Pränataldiagnostik werden unterschiedliche Verfahren, invasive und nichtinvasive Methoden vorgeburtlicher Diagnostik bezeichnet. Die Verfahren dienen dazu, Risikoschwangerschaften, Risikogeburten und Gesundheitsstörungen frühzeitig zu erkennen und somit Gefahren für Leben und Gesundheit von Mutter und Kind rechtzeitig abzuwenden. a) Invasive Methoden Es gibt drei invasive Methoden der PND, welche unterschiedliche Risiken in sich bergen, die aber auch im Gegensatz zu den nicht invasiven Methoden sehr sichere Ergebnisse liefern. Bevor eine solche Untersuchung stattfindet, muss nach dem Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen (GenDG) die Schwangere genetisch beraten worden sein durch hierfür speziell qualifizierte Ärzte/innen. Hierbei wird über die Gefahr einer Infektion, Blutung, wehenartige Schmerzen und das Verletzungsrisiko des Embryos hingewiesen, welche mit dem Einsatz von Pränataldiagnostik verbunden ist. Das Risiko einer Fehlgeburt bei diesen Methoden liegt bei ca. vier Prozent. Chorionzottenbiospie: Dies ist die frühstmögliche Form der invasiven PND, die ab der 9., in der Regel jedoch erst ab der 11. angewendet wird.. Hierbei werden Gewebeteile aus dem Chorion, der kindliche Anteil der noch nicht voll entwickelten Plazenta, entnommen, um eventuelle genetische Auffälligkeiten oder bestimmte Stoffwechselerkrankungen des Embryos erkennen zu können. Dies geschieht entweder mit einer Nadel, die durch die Bauchdecke der schwangeren Frau eingeführt wird oder durch das Einführen eines dünnen Kunststoffschlauchs über den Gebärmutterhals. Bei beiden Methoden wird per Ultraschall die Lage des Embryos sowie der Nadel bzw. des Schlauches, überprüft, um diesen nicht zu verletzen. Bei diesen Untersuchungen werden meist Krankheiten diagnostiziert, für die es keine Therapie im Sinne einer ursächlichen Heilung gibt. Bei den Eltern bzw. der Mutter liegt die Entscheidung, ob das Kind mit dieser Diagnose ausgetragen wird oder ein Abbruch vorgenommen wird. Amniozentese (Fruchtwasseruntersuchung): Die Fruchtwasseruntersuchung wird meistens zwischen der 15. und 16. Schwangerschaftswoche durchgeführt. Hierbei wird unter Ultraschall eine Nadel durch die Bauchdecke in die Fruchtblase eingeführt und etwas Fruchtwasser entnommen, um die darin befindlichen vom Embryo abgestoßenen Zellen zu untersuchen. Für die Analyse der Chromosomen werden diese Zellen im Labor vermehrt und liefern dann Daten über chromosomale Anomalien, Blutgruppenunverträglichkeiten von Mutter und Kind und Lungenreife im Falle einer drohenden Frühgeburt. 4 Cordozentese (Nabelschnurpunktur): Diese Untersuchung ist ab ca. ab der 14. Schwangerschaftswoche möglich. Durch Punktion wird Blut aus der Nabelschnur entnommen und auf dessen Zusammensetzung hin untersucht. Hierbei können bei Vorliegen von auffälligen Blutwerten der Mutter oder entsprechenden Ultraschallbefunden Infektionen, Blutgruppenunverträglichkeiten, Blutarmut etc. ausgeschlossen bzw. diagnostiziert werden. (vgl. Pränataldiagnostik, Artikel in: Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, hg. von Willibald Pschyrembel, Berlin 2007, S. 1548 ff.) b) Nicht-invasive Methoden Die nicht invasiven Methoden sind vorgeburtliche Untersuchungen, die nicht in den Körper von Mutter und Kind eingreifen. Hierzu gehören die verschiedenen Arten der Sonographie (Ultraschallmessung) und die serologische Untersuchung (Blutuntersuchungen der Mutter). Bei den routinemäßigen Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen (Richtlinie des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen) wird in jedem Drittel der Schwangerschaft (erstes, zweites und drittes Trimenon) ein Ultraschallscreening durchgeführt. Beim ersten Screening können bestimmte fetale Merkmale überprüft werden, wie z.B. Kopfumfang, Kopfdurchmesser, Bauchumfang und Länge des Oberschenkels, woraus sich die Größe und das Gewicht des Kindes ermitteln lassen (Fetometrie). Ebenso können Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt werden oder eine Mehrlingsschwangerschaft oder ob eine Eileiterschwangerschaft vorliegt. Im zweiten Trimenon sind die äußere Gestalt und die inneren Organe besser erkennbar, ebenso können Bewegungsabläufe gemessen werden, um eine Entwicklungsstörung qualitativ und quantitativ zu erfassen. Die Messung der Extremitäten lassen Schlüsse auf eine zeitgemäße Entwicklung zu. Bestimmte Körperbereiche werden nun genauer untersucht, falls ein Verdacht z.B. auf Spina bifida (offener Rücken) oder einer Lippen-KieferGaumenspalte vorliegt. Der letzte Ultraschall im letzten Drittel der Schwangerschaft dient schon der Vorbereitung auf die Geburt. Die Bestimmung der Lage des Kindes und der Plazenta werden in die Geburtsprognose mit einbezogen. In dieser Schwangerschaftsphase werden die meisten Herzfehler entdeckt und es können auch schon erste vereinzelte therapeutische Maßnahmen für das Kind ergriffen werden. Neben den Ultraschalluntersuchungen gehören auch bestimmte serologische Untersuchungen in die Schwangerschaftsvorsorge. Hierzu gehört der RötelnHämagglutinationshemmungstest (Röteln-HAH), die Bestimmung der Blutgruppe und des Rhesus-Faktors D, eine Antikörper-Suchtest und gegebenenfalls ein HIV-Test. In bestimmten Fällen oder bei Indikation können über diese Vorsorge hinaus weitere nichtinvasive PND-Verfahren zum Einsatz kommen, z.B. Nasenbeinmessung, TripleTest/Quadruple-Test, Nackentransparenzmessung, Doppler-Sonographie und 3DUltraschall/4D-Ultraschall-Untersuchungen, welche allerdings mit bestimmten Risiken verbunden sind und daher der Beratungspflicht unterliegen. Weichen die Werte bei der Fetometrie vom Durchschnitt ab, so können Sonographien wie Feinultraschall (Organscreening), Doppler-Sonographie, 3D- oder 4D-Ultraschall genauere Ergebnisse liefern. So kann z.B. beim Feinultraschall durch so genannte „sonographische Softmarker“ bei Ungeborenen mit einer Chromosomenbesonderheit wie Trisomie 21 eine Fehlbildung erkannt werden. Die Doppler-Sono wird vor allem bei Verdacht auf Organstörungen wie Herzsuffizienzen angewandt. Mit dem 3D und 4D Ultraschall kann die eventuelle Diagnose nochmals überprüft und in ihrer Ausprägung und Behandelbarkeit differenzierter beurteilt werden. (vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2008): Pränataldiagnostik - Informationen über Beratung und Hilfen bei Fragen zur vorgeburtlichen Untersuchungen. Köln: Bachem) 5 c) Gesetzliche Lage in Deutschland Liegt nach der Durchführung einer PND eine Chromosomenanomalie oder eine Fehlbildung des Kindes im Mutterleib vor, so ist dies eine medizinische Indikation, für die Möglichkeit einen straffreien Schwangerschaftsabbruch nach §218a des Strafgesetzbuches (StGB) vornehmen zu lassen. Hierbei müssen zugleich auch die gegenwärtigen sowie zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren berücksichtigt werden, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, wobei dies allerdings im Gesetz nicht weiter ausgeführt wird. (vgl. http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__218.html am 23.10.2011 um 21:30 Uhr) Daneben gibt es noch zwei weitere Voraussetzungen für einen legalen Abbruch einer Schwangerschaft. Zum einen die kriminologische Indikation, sprich die Schwangerschaft beruht auf einem Sexualdelikt. Zum anderen den Schwangerschaftsabbruch nach der Beratungsregel. Die Beratung muss von einer unabhängigen und dafür autorisierten Organisation ausgeführt werden und dann darf innerhalb von drei Tagen ein Abbruch erfolgen.(vgl.http://www.gesetze-im-internet.de/beratungsg/BJNR113980992.html am 23.10.2011 um 22:13 Uhr) Durch die Änderungen des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG) vom 13. Mai 2009 ist auch nach medizinischer Indikation eine Beratung der Schwangeren seit dem 1. Januar 2010 verpflichtend. Ausnahme, die Schwangerschaft muss abgebrochen werden, um eine akute erhebliche Gefahr für Leib oder Leben der Schwangeren abzuwenden. (vgl. http://dipbt.bundestag.de/dip21/brd/2009/0447-09.pdf am 06.10.2011 um 22:48 Uhr) 3) Was ist Präimplantationsdiagnostik? Die vor allem in Großbritannien, den USA und Belgien entwickelte Präimplantationsdiagnostik (PID) ist seit Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre ein medizinisches Verfahren, das eine Diagnose an Embryonen ermöglicht, die durch künstliche Befruchtung mit Hilfe der In-Vitro-Fertilisation (IVF) gewonnen wurden. Das erste lebend geborene Kind nach einer PID wurde im Jahre 1995 dokumentiert. Bei diesem Verfahren wird das Erbgut von ein bis zwei Zellen eines mehrere Tage alten Embryos im so genannten Acht-Zell-Stadium (Blastomere) auf bestimmte krankheitsrelevante Mutationen untersucht, bevor der Embryo in die Gebärmutter eingepflanzt wird. Ebenso sind Untersuchungen hinsichtlich des Geschlechts, das Vorhandensein bestimmter Behinderungen als auch die Eignung als Organ- oder Gewebespender für ein Geschwisterkind möglich. Im Jahre 2001 wurde erstmals ein immunkompatibler Gewebespender für ein Geschwisterkind als Embryo selektiert. Die meisten bei diesem Verfahren entnommene Zellen sind totipotent, dies bedeutet, dass sich unter bestimmten Umständen aus ihnen ein eigenständiger Embryo entwickeln könnte. Aus diesem Grund wird die Zellentnahme meistens fünf bis sechs Tage nach der Befruchtung vorgenommen, da hier die Zellen nicht totipotent sondern lediglich pluripotent sind, d.h., diese Zellen sind nicht in der Lage einen gesamten Organismus, bzw. ein extraembryonales Gewebe zu bilden. Als Indikatoren für eine PID gelten eine vorliegende schwere erbliche Belastung in der Familie wie z.B. monogame Erkrankungen wie Cystische Fibrose, Spinale Muskelatrophie, Marker-X-Syndrom, Chorea Huntington u.a., wiederholte Fehlgeburten die auf eine Chromosomenstörung zurückzuführen sind oder wiederholte erfolglose Behandlung durch die In-vitro-Fertilisation (IVF). Eine niederländische Studie zweifelt jedoch an der IVF mit anschließender PID, da bei multifaktoriell bedingten Erkrankungen zu viele genetische Risikofaktoren bei zahlreichen Embryonen untersucht werden müssten, um einen wenig belasteten Embryo zu finden und dies ist derzeit nicht praktikabel. 6 In Europa wird die Anzahl der PID-Anwendungen auf ca 12.000 geschätzt, wobei der häufigste Anlass die beiden nicht behandelbaren neuronalen Erkranken Chorea Huntington und Myotone Dystrophie waren. Trotz eingehender Beratung scheuen viele Paare die PID auf Grund der Risiken und der Komplexität des Themas. Es gibt bei der PID noch zwei weniger umstrittene Verfahren als die genetische Untersuchung eines Embryos, die Präkonzeptions- bzw. Präfertilisationsdiagnostik. Hierbei werden bei der Frau bereits vor der Befruchtung die Polkörper der Eizellen untersucht. Bei diesem Verfahren kann ausschließlich über das mütterliche Erbgut Informationen gewonnen werden, allerdings können diese durch präkonzeptionelle Untersuchung der männlichen Samenzellen ergänzt werden. Dabei werden aber die männlichen Samenzellen zerstört und können nicht mehr für eine Befruchtung zur Verfügung stehen. Zurzeit wird geforscht, ob die männlichen Samenzellen nicht dupliziert werden können, um so eine zweite identische Zelle zur Befruchtung nutzen zu können. Bei diesen Verfahren ist es möglich die Y-Chromosomen tragenden Spermien zu identifizieren und so von den X-Chromosomen tragenden Spermien zu unterscheiden, was zu einer geschlechtsselektiven Fertilisation genutzt werden kann, um X-chromosomal gebundene Erbkrankheiten zu vermeiden. Nach der PID und dem anschließenden Transfer der Embryonen in die Gebärmutter wird bei festgestellter Schwangerschaft, d.h. nach erfolgreicher Einnistung der befruchteten Zellen, die Befunde der PID meist durch die Pränataldiagnostik festgestellt. Dies geschieht invasiv oder nicht-invasiv (siehe oben Punkt 1 Pränataldiagnostik). Die Risiken der PID bestehen für die Frau in überhöhten Hormongaben, sowie möglichen Infektionen bei der Eizellentnahme bzw. bei dem Transfer der Embryonen sowie dem Risiko einer Mehrlingsschwangerschaft. Hinzu kommen die psychischen Belastungen bezüglich der Hoffnungen und Ängste bezüglich der Maßnahme. Es ist belegt, dass in vitro gezeugte Embryonen ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko aufweisen. Für die PID müssen in der Regel mehr Eizellen gewonnen werden, da viele Embryonen zwecks nicht erfolgreicher Biopsien, des Befundes oder nicht aussagekräftiger Untersuchungsergebnisse nicht transferiert und dann vernichtet werden. (vgl. www.drze.de/im-blickpunkt/pid am 06.10.2011 um 10:59 Uhr) a) Gesetzliche Lage in Deutschland und andere Länder In den europäischen Ländern zeigt ein Vergleich der bestehenden Gesetze und Richtlinien, dass der rechtliche Schutz des Embryos höchst unterschiedlich gehandhabt wird. In Deutschland ist der Schutz im Embryonenschutzgesetzt geregelt (ESchG). Nach §8 des ESchg ist jede einzelne totipotente Zelle ein Embryo, der dadurch geschützt ist und nicht für eine PID verwendet werden darf. Ebenso ist nach §2 Abs. 1 die Entnahme von totipotenten Zellen verboten, da der entnommene Embryo nicht zum Zwecke seiner eigenen Erhaltung entnommen und verwendet wird. Im Mai 2009 wurde entschieden, dass die PID an Blastozysten, also an nicht totipotenten, sondern pluripotenten Zellen im Sinne der deutschen Gesetzgebung erlaubt werden kann, wenn sie mit dem Ziel der Herbeiführung einer Schwangerschaft und zum Ausschluss von drohenden Erbkrankheiten durchgeführt wird. 2010 wurde dieses Urteil nach vorangegangener Revision bestätigt und am 7 Juli 2011 erneut durch den Bundestag bekräftigt um die bundespolitische Debatte zu beenden. Verboten ist aber weiterhin die Verwendung der PID zur geschlechtlichen Selektion oder zur Erzeugung eines „Retter-Geschwisterchens“. In Österreich ist die Untersuchung von entwicklungsfähigen Zellen nur zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erlaubt. 7 In der Schweiz ist die PID an Embryonen grundsätzlich verboten. Die Selektion von Keimzellen ist wie auch in Frankreich erlaubt, um schwere genetische, unheilbare Krankheiten zu vermeiden. In England ist die PID und die Selektion von Embryonen an lizenzierten Zentren erlaubt, dies schließt auch die Erzeugung für ein „Retter-Geschwisterchen“ für ein bereits lebendes erkranktes Geschwisterkind mit ein. Die Selektion nach dem Geschlecht ist nur erlaubt bei Nachweis einer geschlechtsgebundenen Erbkrankheit. In den Niederlanden ist die PID nicht gesetzlich verboten, aber die geschlechtliche Selektion. Noch wird darüber diskutiert, ob Embryonen, die ein erhöhtes Erkrankungsrisiko für erbbedingte Krankheiten, z.B. Krebs, aufweisen, vor der Implantation aussortiert werden dürfen. In den USA wird in den einzelnen Staaten die rechtliche Regelung der PID unterschiedlich gehandhabt. In einigen Staaten wie Florida, Louisiana, Maine, Minnesota und Pennsylvania ist sie verboten. Die Anderen erlauben sie nach medizinischer Indikation. In der Mehrzahl dieser Staaten gehen die Anwendungsgebiete über diese medizinische Indikation hinaus und beinhalten sowohl die Selektion des Geschlechts als auch spezifischer Merkmale und die Selektion hinsichtlich des Vorhandenseins einer Behinderung. (vgl. www.drze.de/imblickpunkt/pid/rechtliche-aspekte am 06.10.2011 um 16:23 Uhr) 4) Was bedeutet Stammzellenforschung? Grundlagen der Stammzellforschung sind die embryonalen und die adulten Stammzellen. Embryonale Stammzellen (ES-Zellen) sind menschliche Zellen, die noch nicht differenziert sind. D.h., dass sich aus ihnen alle Zellarten des menschlichen Körpers entwickeln können. Diese Fähigkeit wird als pluripotent bezeichnet. Embryonale Stammzellen sind genetisch wandlungsfähig, jede veränderte Zelle, die sich aus ihr bildet trägt dasselbe genetische Erbgut. Mithilfe dieser Stammzellen ist es möglich künstliches Leben herzustellen bzw. zu klonen. Zurzeit werden drei unterschiedliche Möglichkeiten zur Gewinnung von Stammzellen unterschieden: Gewinnung von Embryonen, die während einer künstlichen Befruchtung entstehen, jedoch für eine Schwangerschaft nicht mehr benötigt werden. Diese Embryonen sind überschüssig. Gewinnung von Föten nach Schwangerschaftsabbrüchen. Durch Zellkerntransfer bzw. durch das therapeutische Klonen. (vgl. www.stammzellen-beratung.de am 01.11.2011 um 12:34 Uhr) Adulte Stammzellen sind die Zellen, die sich nach der Geburt lebenslang im Körper befinden. Sie befinden sich im Gewebe oder in Organsystemen und werden aufgrund ihrer Eigenschaft, viele Zellen zu bilden, als multipotent bezeichnet. Stammzellen aus dem Knochenmark, dem Gehirn, den Muskeln oder der Haut werden als adulte Stammzellen bezeichnet. Hauptaufgabe dieser Zellen ist die Erhaltung des Gewebes oder des Systems, beispielsweise, die des Blutsystems. Der Teilungszyklus dieser Stammzellen dauert einige Stunden bis Tage, was relativ langsam ist. Bei jeder Zellteilung kommen eine neue Stammzelle und eine bereits spezialisierte Tochterzelle hervor. Der Teilungszyklus dieser Tochterzellen verläuft durchaus schneller und es werden in kurzer Zeit komplett ausdifferenzierte Zellen eines Gewebetyps gebildet, wie z.B. Blutzellen (vgl. www.zellux.net am 01.11.2011 um 13:42 Uhr). Beide Arten von Zellen, sowohl die embryonalen als auch die adulten Stammzellen besitzen ein hohes Potenzial für die medizinische Forschung. Das Potenzial adulter Stammzellen bezieht sich auf die Plastizität multipotenter Stammzellen. Es herrschen Anzeichen darüber, dass diese Stammzellen auch benachbarte 8 Zellarten bilden können. Momentan ist der genaue Mechanismus, der Plastizität multipotenter Stammzellen noch Gegenstand der Grundlagenforschung (vgl. www.zellux.net am 01.11.2011 um 13:59 Uhr). Hinsichtlich des Potenzials der embryonalen Stammzellen muss grundsätzlich zwischen der Grundlagenforschung und der medizinischen Forschung unterschieden werden. Embryonale Stammzellen nehmen in der Grundlagenforschung eine wichtige Rolle ein, sie dienen dem Verständnis von komplexen Differenzierungsvorgängen in der Embryonalentwicklung. Diese Zellen sind ebenso hilfreich, um die Entwicklung und Entstehung von Krankheiten zu verstehen. Beispielsweise lässt sich die Entstehung von Tumoren mit embryonalen Stammzellen erfassen. Durch embryonale Stammzellen lassen sich ebenso Krankheitsmechanismen und medikamentöse Therapien untersuchen. Diese Methode eignet sich besonders bei sehr seltenen Krankheiten, für die sich oft keine zweckentsprechenden Tiermodelle auffinden lassen. In der medizinischen Forschung sind diese Stammzellen besonders dann interessant, wenn es sich um das Ersetzen geschädigter Zellen handelt. Eine besondere Aufmerksamkeit wird hier beispielsweise der Querschnittslähmung zugetragen, bei der Nervenfasern durchtrennt wurden und nun durch automatisch erzeugte Zellen ersetzt werden sollen (vgl. www.zellux.net am 01.11.2011 um 15:02 Uhr). Eine weitere Methode Stammzellen zu gewinnen ist die Entnahme von Nabelschnurblut eines Neugeborenen. Diese Stammzellen können allerdings nicht mehr als embryonale Stammzellen bezeichnet werden, da sie keine Pluripotenz mehr aufweisen. Sie haben jedoch ein höheres Potenzial als die Stammzellen aus dem Knochenmark eines Erwachsenen. Mit diesen Zellen lassen sich bereits Erfolge bei Anämien und Leukämien beobachten. Für Kinder reicht die Menge der entnommenen Zellen für eine Transplantation aus. Bei einem erwachsenen Menschen ist es möglich zwei Präparationen von unterschiedlichen Neugeborenen zu vermischen, um eine Transplantation vornehmen zu können. Durch diese medizinischen Möglichkeiten sahen private Unternehmen ein kommerzielles Potenzial. Die Unternehmen bieten gegen Gebühr die Einlagerung des Nabelschnurblutes eines Neugeborenen an, um im schweren Krankheitsfall wieder auf diese Stammzellen zurückgreifen zu können. In der Zukunft könnten diese Zellen in der Therapie von Erkrankungen wie z.B. Herzkrankheiten, Multiple Sklerose, Leberkrankheiten oder frühkindlicher Hirnschädigungen eingesetzt werden (vgl. www.zellux.net am 02.11.2011 um 09:31 Uhr). a) Gesetzliche Lage in Deutschland und andere Länder Hinsichtlich des Stammzellgesetzes (StZG) zeigt ein internationaler Rechtsvergleich, dass ähnlich wie beim Embryonenschutzgesetz (ESchG) der Umgang äußerst unterschiedlich gehandhabt wird. Eine Änderung des Stammzellgesetzes wurde 2008 in Deutschland vorgenommen. Durch diese Änderung hat sich der Stichtag, für die Gewinnung von Stammzellen, vom 1. Januar 2002 auf den 1.Mai 2007 verschoben (vgl. www.aerzteblatt.de am 04.11.2011 um 07:46 Uhr). Im Stammzellgesetz werden die Würde des Menschen und das Recht auf Leben berücksichtigt. Desweiteren soll durch das Gesetz die Freiheit der Forschung gewährleistet werden. Das Gesetz verbietet die Einfuhr und die Verwendung von embryonalen Stammzellen, um zu verhindern, dass Aufträge für die Forschung ins Ausland übertragen werden. In Ausnahmefällen wird im Stammzellgesetz §1 und §4 die Bedingung festgelegt, dass die Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen zu Forschungszwecken erlaubt ist. Diese Bedingungen sind, dass die embryonalen Stammzellen aus überschüssigen Embryonen im Ausland gewonnen werden und nicht mehr für eine Schwangerschaft benötigt werden. Ebenso muss die Abgabe der Embryonen unentgeltlich vorgenommen werden (§4). Allein durch das ESchG (s. Abschnitt 3a) ist es verboten Embryonen für die Stammzellforschung zu erzeugen oder Stammzellen aus vorhandenen Embryonen zu gewinnen. Die gesetzlichen Grundlagen zur Forschung an embryonalen Stammzellen in Deutschland unterliegen strengen Kriterien (vgl. www.zellux.net am 4.11.2011 um 08:15 Uhr) Die Forschung darf nicht mit anderen Zelltypen umzusetzen sein. D.h., dass im Vorfeld 9 Forschungsvorhaben und Forschungsfragestellungen anhand von In-vitro-Modellen mit Tierzellen abgeklärt worden sind. Daraus muss deutlich werden, dass sich ein möglicher Erkenntnisgewinn nur mit embryonalen Stammzellen erzielen lässt (§5) (vgl. www.gesetzeim-internet am 04.11.2011 um 9:31 Uhr). Bei der Gesetzgebung zur Stammzellforschung haben fünf Staaten noch strengere Kriterien, dazu gehören Polen, Irland, die Slowakei, Litauen und Malta. In diesen Staaten ist absolut keine Forschung mit pluripotenten Stammzellen erlaubt. In Italien wird ähnlich verfahren, wie in der deutschen Gesetzgebung, allerdings ist in Italien kein Stichtag für die Gewinnung von Stammzellen festgelegt. In den Niederlanden, Griechenland, Dänemark und Frankreich sind die Gesetze zur Stammzellforschung sehr fortschrittlich. Forscher dieser Länder dürfen selbst Stammzellen aus Embryonen gewinnen. Die sieben EU-Mitgliedsstaaten Schweden, Belgien, Portugal, Tschechien, Spanien, Finnland und Großbritannien haben in der Forschung die größte Freiheit. Die Wissenschaftler dürfen nicht nur überschüssige Embryonen aus einer künstlichen Befruchtung benutzen, sie dürfen auch, wie in den USA oder Israel, Embryonen durch Klonen erzeugen. Der Koordinator des EU-Stammzellregisters, Joeri Borstlap sagte, dass der Hintergrund der diversen Forschungsgrundlage „das Fehlen einer allgemein akzeptierten Definition des moralischen Status eines Embryos“ sei (vgl. www.sueddeutsche.de am 04.11.2011 um 10:06 Uhr). 5) Die bioethische Diskussion aus Sicht verschiedener Institutionen Die Gentechnik bildet ein viel diskutiertes und umstrittenes Themengebiet. Viele institutionell verankerte sowie verschiedene Sichtweisen stellen einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit bezüglich ihres bioethischen Denkansatzes. Dieser Versuch ist bislang nicht von Erfolg gekrönt, sodass die jeweiligen Institutionen unterschiedliche Sichtweisen zum Grundsatz ihres Verständnisses von Bioethik und damit einhergehenden Handlungen machen. Folgend sei hier auf die - wissenschaftliche, - die kirchliche sowie - die Sicht des Behindertenverbands konkreter eingegangen. a) Die wissenschaftliche Sicht Die wissenschaftliche Sichtweise bezüglich der Bioethik ist geprägt von einem utilitaristischen Menschenbild. So habe der „Mensch (…) keinen Eigenwert an sich, sondern wird gemessen an dem Beitrag, den er zu seinem eigenen und dem Glück der Gemeinschaft leistet“ (vgl. Hrsg. Massing, 2007). Gemäß dieser Denkweise hat der Mensch nicht allein aus dem Grund des Menschseins ein Anrecht auf Leben, sondern dieses Recht ergibt sich erst aus bestimmten ´Anforderungen`, die er als Mensch ´erfüllt` - so z.B. „das Bewusstsein von sich selbst“ (ibd), oder aber die „Willens- und Glücksfähigkeit“ (ibd). Da der Embryo diese ´Kriterien` nicht erfüllt, ist – aus dieser Sichtweise - die bioethische Diskussion, zu den, in den vorangegangenen Kapiteln genannten, Themenbereichen überflüssig. Eine weitere Sichtweise, der von Vertretern der Wissenschaft gefolgt wird, ist die des Menschen als „biologische Maschine“ (ibd). Hierbei wird der Mensch als „Anhäufung von Zellen, die unterschiedliche Funktionen erfüllen“ (ibd) verstanden. Der Mensch ist nicht in der Lage selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen, da dies immer auf dem Hintergrund seiner genetischen Disposition geschieht. Auch auf der Grundlage dieses Verständnisses fällt die bioethische Diskussion zu Gunsten der Gentechnik aus. Dies seien nur zwei – kontroverse – wissenschaftliche Ansichtsweisen, die in der bioethischen Diskussion vertreten werden. Allerdings sei nicht außer Acht zu lassen, dass viele Wissenschaftler, wie z.B. Alexander S. Kekulé – der Direktor des Instituts für 10 medizinische Mikrobiologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg – oder auch Davor Solter – Direktor am Freiburger Max-Planck-Institut für Immunbiologie - zu diesem Thema sehr differenziert Stellung beziehen (Vgl. Hrsg. Massing, 2007, S.17-18). So sagt Solter beispielsweise, dass er sich nicht als generellen Gegner reproduktiven Klonens bezeichnen würde, es jedoch zum derzeitigen Zeitpunkt nicht vertretbar und vor allem das gesundheitlich-medizinische Risiko, welches mit einhergeht, zu groß sei (Vgl. Hrsg. Massing, 2007, S.18). Auch Dr. Dr. Kristian Köchy – Professor für Theoretische Philosophie an der Universität Kassel – vertritt die Meinung, dass sich verschiedene Wissenschaften aufeinander beziehen und „auf der allgemeinen anthropologischen Ebenen dialektisch miteinander verbunden“ (ibd) werden. Das heißt, dass oben genannte Ansichten und Denkweisen selten in der beschriebenen Deutlichkeit vertreten werden, sondern meist noch in den Kontext anderer Wissenschaften gesetzt, auf diese bezogen und dadurch in ihrer ursprünglichen ´Radikalität` entschärft werden. b) Die kirchliche Sicht Die kirchliche Sicht zur Gentechnik basiert auf dem christlich-humanistischen Menschenbild. Dieses besagt, dass der Mensch Ebenbild Gottes und somit in seiner Würde unantastbar ist. Hierbei fällt demnach auch der Embryo unter den Schutz der Menschenrechte: „Ein Mensch ist mehr als die Summe seiner Gene. Die genetische Ausstattung gehört zwar zur Natur des Menschen. Aber der Mensch ist nicht nur Natur, er hat Geschichte, eine Biografie (…). Als Ebenbild Gottes ist jeder Mensch von Gott gewollt, d.h. von Gott bejaht und angenommen in seiner unantastbaren Eigenart. Das beinhaltet zudem: Als Ebenbild Gottes hat jeder Mensch eine eigene Würde und einen unverfügbaren Eigenwert. Deshalb darf niemand einem Mitmenschen das Leben nehmen (…). Schöpfer, Bewahrer und Vollender des Lebens ist allein Gott: Menschliches Leben ist somit in sich wertvoll; es ist heilig. Unabhängig davon, welchen Grad an Gesundheit, Erkenntnis, Selbstbewusstsein oder körperlicher, geistiger und seelischer Leistungsfähigkeit es besitzt, ist das Leben des Menschen vorgeburtlich und dann bis zum Tod zu schützen.“ (15. Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland und Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (vgl. (Hrsg.) 1997, in: Hrsg. Massing, 2007) Dieses Zitat des 15. Kirchenamts der Evangelischen Kirche in Deutschland und Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz gibt die kirchliche Sichtweise zu Fragen der Bioethik wieder. Dementsprechend sind Handlungen im Sinne der Gentechnik verwerflich und nicht zu legitimieren. c) Die Sicht des Behindertenverbands Die auf Kommunal-, Landes- und/oder Bundesebene fungierenden Behindertenverbände äußern sich ebenfalls im Rahmen der gesellschaftlich-bioethischen Diskussion. Der Fokus hierbei lag in der vergangenen Zeit vor allem auf der Diskussion um die Präimplantationsdiagnostik. Aus diesem Grund beziehen sich die folgenden Aussagen/Stellungnahmen zumeist auf diese Thematik. Die Ansichtsweise der Behindertenverbände ähnelt sehr dem kirchlichen Leitgedanken des christlich-humanistischen Menschenbildes. So plädieren die Verbände dafür, dass „lebensdienlich Vertretbare zum Leitprinzip des medizinischen Fortschritts“ zu machen und den Maßstab nicht am „Machbare(n)“ anzusetzen. (vgl. Antretter, 2001). So hat beispielsweise der Berliner Behindertenverband 2010 das Urteil des BundesGerichts-Hofs zur Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik einstimmig abgelehnt. Es bestehe die Sorge, dass sich jeder Mensch mit Behinderung zukünftig für seine Existenz rechtfertigen müsse. So wehrt sich der Berliner Behindertenverband gegen jegliche 11 Selektion; ob zu Beginn eines Lebens – etwa in der Petrischale – oder aber zu späteren Lebenszeitpunkten (Vgl. Kooperation Behinderter im Internet e.V., 2010). Als 2011 die Thematik der PID erneut auf der Tagesordnung des Bundestages stand, positionierten sich die Verbände des Deutschen Behindertenrates im Vorfeld folgendermaßen dazu: "Die Entscheidung für oder gegen PID ist keine rein individuelle Entscheidung. Die Gesellschaft muss sich entscheiden, wie sie mit dem Thema Behinderung und mit Menschen mit Behinderung umgeht und diesbezüglich Position beziehen" (Deutscher Behindertenrat, 2011). So kann die Thematik PID gesellschaftspolitische Konsequenzen ins sich bergen. Die Angst um das Zustandekommen einer Gesellschaftskultur, die zwischen lebenswerten und nicht lebenswerten Leben differenziert, ist - besonders im Hinblick auf die deutsche Geschichte hinsichtlich Euthanasie - groß. „Leben mit Behinderung und chronischer Erkrankung (sei) eine selbstverständliche Lebenswirklichkeit“ (ibd). Die Verbände des Deutschen Behindertenrates lassen die individuell-schwierige Situation einzelner Paare nicht außer Acht, halten jedoch trotzdem daran fest, dass nicht alles, was medizinisch-technisch möglich ist, unter Berücksichtigung ethischer Kriterien zu legitimieren sei (Vgl. Deutscher Behindertenrat, 2011). 6) Verknüpfung des Themas mit der Praxis a) Ulrike Direkt wurde ich in meinem Berufsleben noch nicht mit dem Thema konfrontiert, selbst als ich im letzten Jahr in der Sozialpädagogischen Familienhilfe im Jugendamt Nordhorn arbeitete. Indirekt war es ein Thema während meines ersten Studienjahres in meiner Praxisstelle auf einem heilpädagogischen Bauernhof. Dort leben junge, zum schwer geistig behinderte Menschen. Irgendwann kam die Frage auf, was passiert eigentlich, wenn eine der jungen Frauen schwanger wird? Wie soll man dann verfahren? Sicher es gibt Fälle, in denen diese Frauen gesunde Kinder gebären, aber das Risiko ist dennoch erhöht. Interessant war, dass sich das Team in zwei Lager spaltete. Die einen rieten zur Abtreibung und Zwangsverhütung, während die anderen dann eher eine intensivere Schwangerschaftsbetreuung preferierten. Die Letzteren, wozu ich auch hin tendierte, begründeten dies mit dem Grundrecht der persönlichen Freiheit und der freien Entwicklung. Jeder Frau wird es zugestanden, ein Kind zu gebären, warum nicht einer geistig Behinderten? Schlussendlich wurde so verfahren, dass die jungen Frauen entweder die Dreimonatsspritze bekamen oder eben die Anti-Babypille. Ich sehe das Ganze sehr kritisch. Sicherlich haben wir eine Verantwortung gegenüber den uns Anvertrauten, wir regeln viele Sachen für unsere Klientel. Aber ich persönlich empfinde diese Zwangsverhütung als Eingriff in die Persönlichkeit eines Menschen. Zum einen haben diese Methoden Nebenwirkungen, zum anderen, warum sollte es einer geistig Behinderten verwehrt werden, ein Kind zu bekommen? Ich denke, hier sollte der Grad der Behinderung abgewägt werden. Könnte diese Frau sich mit unserer Hilfe um dieses Kind sorgen? Es gibt Fälle, in denen es funktioniert und diese Frauen haben ein sehr inniges Verhältnis zu ihrem Kind. Die andere Frage ist, verweigern wir dieses Recht dann auch den körperlich Gehandikapten? Ich bin froh, dass ich mit diesen Fragen noch nicht in einer Beratung konfrontiert worden bin, aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass dies irgendwann in meiner beruflichen Laufbahn passiert. Ich werde mich also weiterhin mit diesem Thema auseinander setzen, um dann kompetent beraten zu können. Sicherlich, ich darf nicht bewertend sein, meine Position muss neutral bleiben, denn letztendlich ist es eine Entscheidung der Betroffenen. 12 b) Kristina Seit Beginn meines Studiums bin ich in einer Wohnstätte für erwachsene Menschen mit einer geistigen Behinderung tätig. Das durchschnittliche Alter der Bewohner liegt zwischen 25 und 55 Jahren. Ich wurde bisher in der Praxis, hinsichtlich meiner Klienten, noch nicht mit den Themen Pränataldiagnostik, Präimplantationsdiagnostik und Stammzellenforschung konfrontiert. Durch einen Arbeitskollegen habe ich mich dennoch schon einmal mit dem Thema „Stammzellspende“ beschäftigt. Er hat sich als Stammzellspender bei der Deutschen Knochenmarkspende (DKMS) registrieren lassen und im Rahmen der Typisierung wurde festgestellt, dass er die idealen Merkmale für eine Knochenmarkspende aufweist. Durch Gespräche mit meinem Arbeitskollegen stellte ich fest, dass er von dieser Spende sehr positiv überzeugt war, da er laut eigener Aussage „Einem Menschen das Leben retten kann“. Zunächst hatte ich sehr große Vorurteile gegenüber dieser Spende. Mein Wissen über die Stammzellspende war zu dem Zeitpunkt sehr gering, so dass ich beispielsweise das Knochenmark mit dem Rückenmark verwechselte. Ich stellte mir vor, dass bei meinem Kollegen Flüssigkeit aus dem Rückenmark entnommen wird, was mit gesundheitlichen Komplikationen einhergehen kann. „Das Knochenmark ist das wichtigste blutbildende Organ eines Menschen“ (Online im Internet: www.dkms.de am 04.11.2011 um 19:06 Uhr) und das „Rückenmark ist ein Teil des zentralen Nervensystems“ (Online im Internet: www.dkms.de am 04.11.2011 um 19:08 Uhr). Ich habe auch ein wenig über die Vorbereitung auf diesem Eingriff und die eigentliche Prozedur erfahren. Diese Gespräche weckten mein Interesse, so dass ich ca. vor einem Jahr schon recherchiert habe, um mein Wissen über die Knochenmarkspende zu erweitern. Ich erachte es als sehr wichtig, über die Themen Pränataldiagnostik und Präimplantationsdiagnostik informiert zu sein. In meiner zukünftigen beruflichen Laufbahn sehe ich mich als Sozialpädagogin in der Behindertenhilfe. Für meine eigene Entwicklung ist es wichtig, meine erworbenen Kenntnisse, die ich durch den Bericht „Handicap & Gesellschaft“ erzielt habe nicht abzuschließen. Mein Ziel ist es, die Entwicklung und die Erkenntnisse der Forschung weiterhin zu beobachten, da ich mich in meinem späteren Berufsleben mit Fragen von Klienten, insbesondere jungen Familien, konfrontiert sehe. Ich möchte diesen Familien beratend Unterstützung leisten und zum Gefühl der Sicherheit beitragen. c) Antje Vorab sei zu erwähnen, dass ich im Familienzentrum der Diakonischen Stiftung Wittekindshof tätig bin. Dies ist eine integrativ, inklusive Kindertageseinrichtung mit den zusätzlichen Angeboten der Frühförderung und des Familienunterstützenden Dienstes. Bei der Beziehung der bioethischen Diskussion auf mein Praxisfeld sind mir zunächst keine konkreten Erfahrungen mit dieser Thematik eingefallen. Ich habe das Gefühl, dass das Thema Gentechnik und die dazugehörigen Diskussionen von Eltern oder Betroffenen tendenziell eher gemieden werden. Zumindest habe ich darüber noch nie ein Gespräch mit Eltern geführt oder derartige Gespräche unter KollegInnen und Eltern oder Eltern an sich mitbekommen. Dies finde ich besonders hinsichtlich der momentanen Aktualität – siehe PID - seltsam. Ich denke, dass das Thema Gentechnik mit all seinen Unterthemen eine Art ´Tabuthema` darstellt. Dies finde ich auch in gewisser Hinsicht verständlich, da das Thema sehr schwerwiegende Fragen/Gedanken aufkommen lässt. Zum einen beispielsweise bei Eltern: Hätte ich mein Kind bekommen sollen oder wäre ein anderer Weg der Bessere gewesen??? Oder zum anderen beispielsweise bei Menschen mit Behinderungen: Ist mein Leben lebenswert oder wird mir nun mein Recht auf Leben abgesprochen??? Dies sind nur zwei mögliche Fragen, die aufkommen könnten, anhand welcher jedoch der Tiefgang dieser Thematik bereits deutlich wird. Demnach kann ich es nachvollziehen, dass dieses Themenfeld aus Gründen der Sensibilität im Umgang mit Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige gemieden wird – ob ich es richtig finde, ist eine 13 andere Frage. Gerade im Sinne der – in der Behindertenrechtskonvention verankerten – Grundgedanken zur Inklusion und Teilhabe sollte Menschen mit Behinderungen u. a. die Teilhabe am öffentlichen und politischen Leben ermöglicht werden – wozu auch die Debatte um die Gentechnik, PID etc. gehört. Dies soll natürlich alles nur im Rahmen der individuellen Ressourcen und vor allem hinsichtlich der individuellen Wünsche geschehen. Hier sehe ich noch eine große Kluft zwischen Theorie und praktischer Umsetzung der Behindertenrechtskonvention. Auch auf Organisationsebene sind mir bezüglich der öffentlichen Debatte um die PID keine Äußerungen oder Stellungnahmen bekannt. Es kann sein, dass dies an mir vorbeigegangen ist – was ich allerdings seltsam fände. Ich habe mich daraufhin in unserem internen QM- Handbuch auf die Suche nach der Thematik der Gentechnik/Bioethik/PID gemacht. Leider habe ich dazu nichts Konkretes finden können. Letztendlich konnte ich aus unserem Gesamtkonzept und dem Leitbild Informationen gewinnen. Da wir ein kirchlicher Träger sind, ist in den genannten Dokumenten ein christliches Leitbild mit entsprechenden Wertvorstellungen verankert. Dieses entspricht dem, oben genannten, christlich-humanistischen Vorstellungen, nach welchem jedes Leben als ´gottgewollt` zu betrachten und somit zu achten ist. Ich habe für mich daraus geschlossen, dass die Diakonische Stiftung Wittekindshof der Gentechnik und damit einhergehenden politisch-gesellschaftlichen Änderungen tendenziell eher negativ entgegensteht. Ich persönlich kann mich mit diesem Ansichtsweise gut arrangieren, obwohl ich nach dieser Lernaufgabe der Gentechnik nicht mehr so kritisch wie zuvor entgegenblicke (siehe hierfür auch persönliches Fazit Antje Grünkemeier). 7) Fazit a) Fazit Ulrike Ich habe mich für dieses Thema entschieden, da ich mich aus persönlichen Gründen seit ca. meinem 16. Lebensjahr damit beschäftigt habe. Ich habe damals angefangen in der Schule mit meinem Religionslehrer (ich bin im strengkatholischen Schwabenland aufgewachsen) über den Sinn des Lebens zu diskutieren, unter anderen eben auch, ob gehandikapte Menschen, gleich welcher Art, das Recht auf das Leben verweigert werden kann. Später wurde ich selbst Mutter und mir stellte sich die Frage, was ist, wenn mein Kind mit Fehlbildungen oder was auch immer auf die Welt kommt. Als ich dann in dem Bereich Pflege arbeitet und später auch in einer Einrichtung mit geistig Behinderten, war das Thema wieder präsent. Ich bin zwiegespalten! Ja, auch ein Leben mit Handicap ist lebenswert, denn diese Menschen empfinden genauso Freude oder Trauer, etc. Aber ich wüsste nicht, was ich tun würde, wenn ich nun noch schwanger und mir auf Grund meines Alters gesagt würde, das Kind wäre gehandicapt. In meinen Augen ist dies eine sehr persönliche Entscheidung, abhängig von vielen Faktoren. Da spielt zum einen die persönliche Seite hinein, kann ich das überhaupt leisten, was macht es mit mir und meiner restlichen Familie und eben die ethische Seite, nach dem Wert eines gehandicapten Lebens. Ich kann jetzt nicht sagen, wie ich mich entscheiden würde. Dennoch ist gerade die Forschung in diesem Bereich zum Teil sehr erfolgreich, was die Bekämpfung von bestimmten Krankheiten angeht, ergo kann man den Nutzen nicht ganz absprechen. Daher tendiere ich schon dazu, weiterhin zu forschen, aber unter strengen und ethischen Auflagen. Da ich nicht religiös bin, kann ich dazu eher lockerer stehen als manch andere Menschen. Aber dennoch darf hier kein Missbrauch getrieben und in Zukunft quasi das Wunschkind erschaffen werden. Die Zusammenarbeit der Gruppe mit Antje und Kristina empfand ich als sehr angenehm. Nachdem feststand, wie wir diesen Bericht aufbauen und die Teile vergeben waren, arbeiteten wir selbstständig. Die Verständigung via Skype, Mail oder auch Telefon half, wenn 14 Fragen aufkamen. Meine beiden Kollegen waren sehr zuverlässig und so gab es kaum stress oder Zeitdruck. b) Fazit Kristina Abschließend möchte ich mein persönliches Fazit ziehen und auch beschreiben, wie ich die Zusammenarbeit in meiner Kleingruppe empfunden habe. Aus der Bearbeitung des Berichtes habe ich eine Vielzahl an informativen Kenntnissen erlangt. Diese Kenntnisse kann ich mir in meinem zukünftigen Beruf vor allem in der Beratung zu Nutzen machen. Um auch die Frage „Was wollen wir, wenn alles möglich ist“ aufzugreifen, möchte ich meinen persönlichen Standpunkt zu diesem Thema beziehen. Seit meinem achtzehnten Lebensjahr bin ich an einer chronisch entzündlichen Krankheit des zentralen Nervensystems erkrankt. Bisher können die Mediziner noch nicht die Entstehung und die Ursachen für die Krankheit benennen. Als Betroffene interessiere ich mich für die Multiple-Sklerose Forschung und denke, dass ich in Bezug auf die Krankheit von der Stammzellenforschung profitieren kann. Die Krankheit kann erhebliche Einschränkungen hervorrufen und ich interessiere mich sehr für medikamentöse Therapiemaßnahmen, die zu einer Heilung der Krankheit führen könnten. Die Zusammenarbeit mit meinen Gruppenmitgliedern habe ich nach wenigen Startschwierigkeiten, was Absprachen oder E-Mail Kontakte anbelangt, als sehr angenehm empfunden. Ich benötige bei der Bearbeitung von Berichten sehr viel Sicherheit und der Umgang mit Fragen zum Thema, in der Gruppe, war sehr offen. Die Gruppe hat mir diese Sicherheit gegeben, so dass ich gut an meinen Aufgaben arbeiten konnte. c) Fazit Antje Zu Beginn dieser Ausarbeitung war mein Standpunkt zu der Thematik der Gentechnik und der bioethischen Diskussion sehr konservativ und an christlich-humanistischen Wertvorstellungen orientiert. Für mich war klar, dass Gentechnik für mich in keinster Weise vertretbar sein kann. Ich konnte nicht verstehen, wieso der Mensch dem technischmedizinischem Fortschritt keinen Einhalt gewährt. Meiner Meinung nach war/ist der Mensch nicht berechtigt, in derartiger Weise in biologische Prozesse einzugreifen. Vielleicht habe ich diese Grundhaltung sogar als Teil meiner ´Profession` verstanden und als ´in der Behindertenhilfe notwendig` vorausgesetzt. Als ich dann begann erste Texte über wissenschaftliche Standpunkte und Ansichtsweisen zu dieser Thematik zu lesen, verspürte ich konstanten Widerstand in mir, mich auf diese Sicht der Dinge einzulassen. Je mehr ich jedoch las, desto interessanter wurde der neue Blickwinkel für mich. Nun – zum Ende dieser Ausarbeitung – möchte ich nicht sagen, dass sich mein Standpunkt komplett gewandelt hat. Vielmehr habe ich begonnen die Thematik Gentechnik aus interdisziplinärer Sichtweise zu betrachten. Ich kann der Gentechnik nun sogar teilweise Positives abgewinnen, obwohl ich mich grundsätzlich noch eher als Gegner ebendieser bezeichnen würde. Mir persönlich hat das Erarbeiten dieses Berichtes demnach in meiner Meinungsbildung zur genannten Thematik sehr geholfen. Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich allerdings noch keine konkrete Meinung. Ich muss die neuen Erkenntnisse zunächst noch verarbeiten. Dies geschieht, denke ich, vor allem in Praxissituationen, im Kontakt mit Menschen mit Behinderungen und deren Angehörigen. Ich bin sehr gespannt darauf wie sich meine Meinung zu dieser Thematik weiterbilden und festigen wird. 8) Literaturnachweise Antretter, R. (2001). Der „perfekte“ Mensch - Mythos der Biomedizin. München: Wegbereiter-Magazin für Berufe der Kirche. Artikel in Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, hg. von Willibald Pschyrembel, Berlin 2007) 15 Artikel Stammzellen-Was sind embryonale Stammzellen. Auf: Stammzellen-Beratung. Bearbeitungsstand: Unbekannt. 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