Ein schmackhafter Besuch in der Imkerei Achim Zorn Für ein Glas Honig um die ganze Welt Neue Sichtweise zum aktuellen Thema: „Landschaft schmeckt“ Neuss-Wehl. Mal ganz ehrlich - wer macht sich schon große Gedanken beim Öffnen eines Honigglases. Allemal sind die Bienen im Sommer nur lästig. Gerade sitzt man im gemütlichen Kreise, bei Kaffee und Kuchen, kommen sie schon - die ungebetenen Gäste. So manches Frühstück auf der Terrasse wird zur Mutprobe, vor allem für diejenigen, die auf Bienenstiche allergisch reagieren. Beim Fototermin stehe ich im großen Abstand zum Bienenstock. Obwohl es ein wenig nieselt herrscht in den Waben reges Treiben, und um die Bienen nicht zu behindern oder zu stören, werden die Gäste gebeten, nur seitlich an den Stock heranzutreten. Nervös blicke ich auf alles was sich in der Luft bewegt, fühle mich in der Nähe des Bienenvolkes überhaupt nicht wohl und trete noch weiter zurück. Von meinem entfernten Posten höre ich Bioland-Imker und Referenten Achim Zorn, der mit großem Enthusiasmus über seine Bienen und die Arbeit in der Imkerei erzählt. Und während ich mich noch voller Unverständnis auf der prachtvollen Obstwiese umschaue und hoffe, dass die Demonstration am Bienenstock bald vorüber ist, fange ich jedoch immer wieder interessante Sätze auf, die mich näher und näher an den Ort des Geschehens herangehen lassen. Beim Stichwort, Bienen und ihre Aggressivität werden alle Umstehenden hellhörig. Aus den Bemerkungen schließe ich, ich bin nicht alleine mit meiner Angst. Doch wir hören, dass die Aggressivität und Angriffslust der Bienen über die letzten Jahre hinweg deutlich abgenommen hat. Die noch vor 20 Jahren häufig vorkommende schwarze Biene mit dem Namen „Niagra“, die sich durch eine äußerst niedrige Reizschwelle auszeichnete, sei heute eher selten und in manchen Landteilen kaum noch vorhanden. Doch auch hier hat alles zwei Seiten, wo man vorwiegend darauf geachtet hat, dass bei Bildung von neuen Stöcken nur ruhige Bienen berücksichtigt wurden, hat die abnehmende Aggressivität auch zu einer geringeren Widerstandskraft der Bienen geführt. Die Varroamilbe macht den Imkern und Bienen nun das Leben schwer und führte dazu, dass die Bienenvölker nicht mehr ohne imkerliche Schutzmaßnahmen auskommen können. Und hier unterscheidet sich die Vorgehensweise der Bio-Imker von den herkömmlich arbeitenden Imkereibetrieben. Zur Bekämpfung der aus Asien eingeschleppten Milbe kommen nur Ameisen- und Milchsäure, die auch als natürliche Inhaltsstoffe im Honig vorkommen, zur Anwendung. Auf Antibiotika und andere fettlösliche Medikamente wird verzichtet, denn im Wachs werden fettlösliche Stoffe leicht gespeichert und können so in den eingelagerten Honig gelangen. Mein Unbehagen stieg abermals, als Achim Zorn die Naturwaben aus den Boxen (pro Box-ein Volk) herausholte und uns die körperlichen Merkmale und Unterschiede zwischen der Königin, den Arbeitsbienen und den Drohnen erläuterte. Ob eine Biene zur Königin oder zur Arbeitsbiene wird, entscheidet einzig und alleine die Fütterung. Ist eine Königin alt (Lebenserwartung bis zu 4 Jahren) beschließt sie eine Nachfolgerin heranzuziehen, die dann mit dem sogenannten Gelee Royal gefüttert und aufgezogen wird. Und wir hören mit Staunen, dass bei einer 4-tägigen Fütterung, die Biene das 3000fache an Gewicht zunimmt. Die Arbeitsbienen haben eine wesentlich geringere Lebenserwartung, die eine Dauer von 9 Monaten nicht überschreitet. Solange ausreichend Futter vorhanden ist werden Drohnen, die nicht zur Fortpflanzung benötigt werden, von den Bienen geduldet. Sollten die Rationen geringer werden, müssen die männlichen Bienen den Stock verlassen und sehen ebenso ihrem Ende entgegen, wie ihre Kollegen, die bereits bei der Befruchtung der Königin sterben mussten. Hämisches Lächeln macht sich bei den Frauen der Runde breit, aber ehe eine Diskussion entfacht wird, erklärt der Imker, das in der Bienenwelt, die Männer eben purer Luxus seien, und derart gebauchpinselt schlucken die Herren der Schöpfung ihre Bemerkungen. Und weiter geht es durch die Welt der Bienen, die dafür Sorge tragen, dass sich auch unsere Welt im ökologischen Gleichgewicht hält. Ohne Bienen-keine Blumen, ohne Bienen-keine Bäume, ohne Pflanzen-keine Meinschen... haben wir alle von Kleinauf gelernt (auch wenn es nicht 100%ig stimmt). Was die meisten allerdings nicht wissen, ist die Größenordnung in der Bienen für die Aufrechterhaltung sorgen. Ein normaler Birnbaum trägt ohne Bienenflug ca. 45 kg Obst, mit Bienenflug wächst seine Ernte auf 156 kg an. Die Südamerikaner, deren Bienenvölker durch den Einfluss der Milben fast ausgerottet waren, mussten dies bitterlich erfahren, denn ihre Erträge waren über viele Jahre hinweg mehr als gering. Das älteste Nutztier der Menschen nimmt im ökologischen Kreislauf einen wichtigen Platz ein, so ist die Biene ebenfalls Nahrungsmittel für andere Tiere, wie z.B. für die Vögel. Langsam beendet der Imker seine Erklärungen, bei denen man aus jedem Wort den Idealismus des Mannes heraushört. Auf dem Weg zur Imkerei, erzählt er, das die Bienen einen Radius von 9 km befliegen (die Hummel hat einen Radius von 500 m.) und als Volk mit insgesamt 15 tsd. Bienen (Sommer zwischen 40 und 80 tsd.) bei einer konstanten Innentemperatur von 32° in der Wabe, überwintern. Faszinierende Tatsache ist, dass die Brut pünktlich zur Blütezeit schlüpft. Eine geringe Verschiebung von eine paar Tagen hätte für das Volk verheerende Folgen, denn bei zu frühem Schlüpfen würde eine Hungersnot ausbrechen und bei zu spätem Schlüpfen der Brut wären nicht genügend Bienen unterwegs, um den Nektar zu sammeln. Über den gesamten Sommer hinweg sammeln die eifrigen Bienen ca. 1 Tonne des süßen Nektars, und eifrig müssen sie dabei sein, wenn man erfährt, dass eine einzige Biene pro Flug nur 0,1 gr. Nektar aufnehmen kann. Kilometermäßig würde für ein Glas Honig, eine Biene einmal um die ganze Welt fliegen, in der Realität sind jedoch ca. 10 tsd. Bienen für die Herstellung eines Glases verantwortlich. Während wir Honig und Brot naschen, erfahren wir in der Imkerei, weitere Details durch die sich ein Bio-Imker auszeichnet. Für die Gewinnung des Honigs verwendet Achim Zorn ausschließlich Naturwaben. Der daraus gewonnene Honig ist frei von Zusätzen und entfaltet durch die Methode des Kaltschlagens seine volle Wirkung. Eine Kristallisation im Honig ist übrigens ein Qualitätsmerkmal und abhängig vom Zuckergehalt (Honig der nicht kristallisiert ist entweder Akazienhonig oder wurde wärmebehandelt). Die im Honig überwiegenden Zuckerformen sind Trauben- und Fruchtzucker. Daneben enthält er auch organische Säuren und zahlreiche Fermente (Enzyme). Die naturbelassene Vielfalt seiner Inhaltsstoffe macht den Honig zu einem lebendigen Lebensmittel, dem oft gesundheitsfördernde und sogar heilende Wirkung zugesprochen wird. Pollenallergiker tun gut daran, den Honig aus einer Imkerei in der Nähe zu essen, da beim Verzehr Pollen- und Blütenarten aus der Gegend aufgenommen werden und der Körper dadurch desensibilisiert wird. Aber woher wissen wir, das wirklich nur Naturstoffe verwendet werden, lautet die berechtigte Frage einer der Gäste. Bioland Berater Ansgar Westerhoff und Thomas Ingensand erläutern, dass sich jeder Imker einmal jährlich einer genauen Kontrolle unterziehen muss. Bei der Überprüfung werden Wachs und Honig in einer Rückstandsanalyse untersucht und der Warenfluss überwacht. Zudem kommen Stichproben, die mehrmals übers Jahr – ohne Vorankündigung – anstehen. Ausgestattet mit mehreren Gläsern Honig verlassen die Gäste die Imkerei und den Termin der Nabu (Naturschutzbund), zum aktuellen Thema „Landschaft schmeckt“. Im Auto angekommen stelle ich nicht nur fest, dass ich von den Bienen völlig ignoriert worden bin, sondern auch, dass die Welt der Bienen eine faszinierende Welt ist. Anja Rehm