Interview mit Autor Stefan Sprang „Boy meets Girl – Oder: Die Liebe der hiesigen Menschen im 21. Jahrhundert“ Wenn Sie Buchhändler wären, auf welchen monothematischen Büchertisch würden Sie „Boy meets Girl“ legen? Und warum passt es Ihrer Meinung nach dort am besten hin? Im Titel steht ja das mächtige Wort „Liebe“. Und deshalb würde ich das Buch auf einen Tisch legen, wo es um Liebe und Beziehungen geht, auch wenn meine Storys keine rosaroten Lovestorys sind. Wo es am Ende heißt: „Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage …“ Womöglich noch in einem Anwesen in Cornwall. In meinen Geschichten steckt ja viel „Liebe“, es geht um verliebte Menschen, aber ihre Sehnsüchte erfüllen sich erst mal nicht. Insofern wäre mein Band ein gutes Komplementär zu Pilcher und Co. Wie kam es zu dem Entschluss, „Boy meets Girl“ zu schreiben? Gab es einen letzten Impuls, der Sie dazu bewogen hat? Wenn ja, welcher war das? Ich fuhr vor ein paar Jahren im Zug nach Wien. Hinter mir saß eine alte Dame. Die habe ich belauscht, als sie ihrer Freundin erzählte, wie ihr Mann sie nach dem Krieg erobert hat. Fünfzig Jahre waren die beiden verheiratet. Wunderbar romantisch. Ich war unterwegs, um auch eine Freundin zu treffen, mit der es was hätte werden können, hätten Entfernung und die damit verbundenen Probleme und Lebenszusammenhänge es für uns nicht von Anfang an unmöglich gemacht. Alles zusammen war ein Antrieb, „Siebenhundert Kilometer“ zu schreiben. Dann kam schnell eine Geschichte zur anderen. Wenn man die Mitte des Lebens erreicht hat, gibt es eben reichlich Erfahrungen, aus denen man schöpfen kann. Dazu die vielen Geschichten, die um einen herum passieren. Lebensglück und Liebesglück hängen für uns Menschen einfach so eng zusammen, ich hätte noch viel Stoff! Keine Ihrer Kurzgeschichten hat ein klassisches Happy End. Warum? Entspricht das Ihrer Meinung nach dem „wirklich wahren Leben“? Wäre „Casablanca“ noch ein Kultfilm, wenn wir Rick und Ilsa am Ende einen Kinderwagen schieben sehen? Scheitern und Nicht-Erfüllung haben einfach unglaublich viel mehr spannende Facetten. Zwei Menschen sehen sich und verlieben sich und sind erst mal glücklich. Was will man da groß unter die Lupe nehmen? Wer genau hinschaut, der wird feststellen, dass es in meinen Storys viel Liebesglück gibt. Das findet aber im Hintergrund statt. Denn, so ist das wahre Leben eben: Wo genommen wird, wird auch gegeben und umgekehrt. In einem wunderbaren 30er-Jahre Schlager von Joseph Schmidt heißt es sogar: „Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben.“ Der Mann in „Der Name nebenan“, der seine Verlobte, das ist die Person, aus deren Perspektive ich erzähle, am Tag vor der Hochzeit versetzt hat, hat das für eine andere getan. Die hatte er nach Jahren wieder getroffen. Ist doch ein „happy end“. Wenn eine Frau ihren Traumprinzen findet, gibt es immer eine Menge Männer, die sich fragen: Warum verdammt noch mal, bin ich das nicht gewesen? Das sind die Fragen und Stimmungen, die mich interessieren. 1 Mit welchen Gedanken und mit welchem Gefühl sollen Ihre Leser das Buch nach der letzten Seite am besten aus der Hand legen? Vielleicht mit dem Gedanken, auch wenn es schwer fällt, Liebe und eigene Sehnsucht mit mehr Gelassenheit zu betrachten. Mir scheint, früher gab es beides: Große Gefühle, aber auch einen Realitätssinn und Pragmatismus in Sachen Liebe und Paarfindung. Heute ist das alles so aufgeladen mit romantischer Fiktion und Ansprüchen an potentielle Partner. Wenn man sich in Internet-Paarbörsen die langen Wunschlisten anschaut, was der Traummann, die Traumfrau mitbringen sollen, das kann nichts werden. Leider leide ich selber an Anspruchsdenken. Aber ich versuche es dann mit Selbstironie und Humor und dem Gedanken, dass Lebensglück aus noch mehr viel mehr besteht. Übrigens hoffe ich, dass man die Ironie auch aus den Geschichten herauslesen kann. Ich wollte mich schon auch subtil amüsieren über diesen tragikkomischen Wirrwarr, den so viele in Sachen Paarfindung anrichten. Hat das Buch autobiografische und biografische Züge? Wie verhält es sich da mit der Aufteilung? Gibt es auch rein fiktive Geschichten? Verraten Sie, welche? Ich wäre ein ganz schlechter „Fantasy“-Autor. Reine Erfindung liegt mir nicht. Komplett fiktiv ist eigentlich keine Geschichte. Überall steckt sozusagen ein „Funken Wahrheit“ drin. Ich muss beim Schreiben einfach immer konkrete Menschen und Situationen vor mir haben. Insofern steckt in allen Geschichten Selbsterlebtes, Gehörtes und Miterlebtes. Aber nur die echten Insider werden rauspicken können, wer gemeint sein könnte und was das da mal war für eine Geschichte. Im Band geht alles wild durcheinander. Es gibt nämlich zwei Probleme, wenn man wahres Leben einfach nur nacherzählen will: Entweder ist es als 1 zu 1 – Geschichte nicht spannend, nicht aussagekräftig genug. Oder es gilt: Das Leben ist verrückter als jede Fiktion. Da muss man sogar zurücknehmen, um authentisch zu bleiben. Würden Sie sich zu den Autoren zählen, die durchs Schreiben Erlebnisse aufarbeiten? Wie gut funktioniert es? Ich versuche das zu vermeiden. Schreiben als Selbst-Psychoanalyse ist gefährlich. Denn man weckt eher Geister, die eigentlich gebannt sein und bleiben sollten. Der Gedanke ist vielleicht, wenn es um eigene Erlebnisse, Stimmungen und Lebensfragen geht, zu sagen: Okay, das war Mist, was da passiert ist. Aber ich habe jetzt Stoff, ich kann es noch wenden zu was für mich Positivem, nämlich einer guten Story. Ist etwas selbstherrlich und berechnend gedacht, ich weiß. Viel wichtiger ist mir aber tatsächlich, Erinnerungen zu bewahren. In meinem ersten Roman „Fred Kemper und die Magie des Jazz“ war das ein starkes Schreibmotiv: Orte, kleine Begegebenheiten, Menschen aus meinem Leben auf Papier zu bleibendem Andenken zu verhelfen. Nur für mich ganz allein. Wenn andere was mit dem Ergebnis anfangen können, ist das natürlich schön. Mit dem Untertitel Ihres Buches („Oder. Die Liebe der hiesigen Menschen im 21. Jahrhundert“) wird sicher der ein oder andere sicher das Internet bzw. die OnlinePartnersuche in Verbindung bringen. Welche Rolle spielt das Internet Ihrer Meinung nach heute wirklich bei der Suche nach der großen Liebe? Gibt es Menschen, die Ihrer Meinung nach in einer Online-Single-Börse besser aufgehoben sind als andere? Ist es also eine Typ-Frage oder eher eine Frage des Glücks? 2 Diese Börsen, höre ich immer wieder von Freunden, können schon große Romantik befeuern, wenn man Glück hat! Handwerker heiratet am Ende promovierte Kunsthistorikerin. Gibt es alles. Ich habe es auch probiert, aber ich bin kein Fan geworden, auch wenn sich immer für eine Zeit Freundschaften ergeben haben. Dieses Gucken auf die Bilder und die Profile: Irgendwann hatte ich da mal die nicht so nette Analogie mit dem Autokauf im Kopf. Die Börsen sind der Weg: Ich checke erst mal online alle Eigenschaften und Features und erwarte dann, dass mich der andere Mensch gleich beim ersten Date deshalb auch beeindruckt. Dafür muss man der Typ sein. Mir ist lieber: Jemand zieht mich an, macht mich neugierig. Und dann kann ich langsam anfangen herauszufinden, warum eigentlich. Das ist echte Beschäftigung mit dem anderen. Und: Was habe ich davon, wenn der vermeintliche Traummensch in Oslo oder Kempten sitzt, wenn ich in Frankfurt bin. Auch ich habe mich manchmal etwas „abgeklappert“ gefühlt. Einer Dame musste ich sagen, dass ich wegen des lange geplanten Urlaubs erst in drei Wochen Zeit fürs nächste Treffen hätte. Gab Ärger! Warum ich überhaupt in einer Single-Börse sei, wenn ich doch gar keine Zeit hätte. Ich hoffe als Romantiker auf die analoge Welt. Vielleicht bin ich zu sehr alte Schule. Habe nicht mal ein Handy. SMS wären auch nicht mein Ding. Geschichten auf Papier und im wahren Leben brauchen in jeder Hinsicht Zeit und Raum. Wann und wo schreiben Sie am liebsten? Schreiben kann ich frühestens ab dem Nachmittag, am liebsten bin ich spät in der Nacht an den Tasten, das ist die ideale Zeit. Ich mag als Nachteule die Ruhe draußen. Der Ort ist nicht so wichtig, aber das Drumherum. Ich brauche die passende Musik, ob Jazz oder Klassik oder was Chilliges. Die Atmosphäre muss einfach stimmen. Sie kommen gebürtig aus Essen, leben und arbeiten seit einigen Jahren in Frankfurt am Main. Welche Rolle spielen die beiden Städte für Sie? Beide eine große, was immer noch zu einer gewissen Zerrissenheit führt. Essen bleibt meine Heimat. Habe sozusagen noch Kohlenstaub im Blut. Meine Herkunft mit den Vorfahren ist eben recht „typisch“ für die Gegend und hat mich geprägt. Vieles von Bedeutung für mein Leben hat sich in Essen abgespielt. Dort habe ich meine Eltern, ganz alte Freunde, meine Lieblingskneipen, meine eingeübten „Laufwege“ und Rituale. Frankfurt ist meine Arbeitsstadt als Hörfunkjournalist. Und das ist eine spannende und abwechslungsreiche Arbeit. Ich habe am Main tolle Kollegen, die Freundinnen und Freunde geworden sind. Auch wenn ich manchmal daran knabbere, gerade nicht in der anderen Stadt sein zu können, schätze ich doch den stets möglichen und anregenden Tapetenwechsel. Ach, manchmal hätte ich gerne noch eine dritte Stadt als zusätzlichen Wohnsitz: Wien, Berlin oder eine Gegend, wo sehr oft die Sonne scheint. Bitte beenden Sie folgende Sätze: Wahre Liebe ist… glaube ich, viel pragmatischer und unromantischer, als das die schöne und hehre Vorstellung von der Himmelsmacht nahe legt. Liebe auf den ersten Blick ist... ein zweischneidiges Ereignis, denn das große Glück, das darin liegt, ist erst mal auch ein sehr großes Versprechen, das das Leben vielleicht nicht einlösen kann. 3 Mit zunehmendem Alter wird die Liebe… zu etwas, das jedem erhalten oder noch einmal beschert sei, denn das Gegenteil, die Einsamkeit kann, wenn mehr Jahre hinter als vor einem liegen, besonders nagend sein. Oder wie ich mal in einem Roman gelesen habe: „Das, was nicht war, vergisst sich so schwer.“ Stefan Sprang: Boy Meets Girl. Oder: Die Liebe der hiesigen Menschen im 21. Jahrhundert - ISBN: 978-3-940274-41-0 - 12 x 20 cm, ca. 150 Seiten, € 14,80. PRESSEKONTAKT Kühl PR Nina Schulze Pellengahr Tel. 040 – 63 97 66 01 E-Mail: [email protected] Web: www.kuehlpr.de Weitere Infos sowie Pressematerial zum Download auch unter www.kuehlpr.de/downloads (Kategorie Stefan Sprang). 4