Mit „Plätzchen backen“ zum Schulerfolg

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Mit „Plätzchen backen“ zum Schulerfolg
Hat auch Ihr Kind in der Kindertagesstätte Plätzchen gebacken? Wussten Sie, dass die
Erzieher, die eine fünfjährige Ausbildung auf Meisterniveau absolviert haben, Ihr Kind damit
gefördert und mit Hilfe des Plätzchenbackens fit gemacht haben für die Schule?
Beispielsweise weiß Erzieherin Stella aus ihren systematischen Beobachtungen:
Felix, 4 Jahre, ist beim Toben geschickt, die Schere meidet er, denn die Kraft in der Hand ist
schwach vorhanden und die Koordination der Finger bereitet große Anstrengung. Die
Handmotorik ist jedoch wesentliche Voraussetzung, wenn Felix schreiben lernen soll.
Konzentration und Aufmerksamkeit werden geschult, wenn die Kinder z.B. Zutaten abwiegen
und Zutaten in die Rührschüssel schütten. Die Wahrnehmung der eigenen Muskeln wird
aktiviert, wenn unterschiedliches Gewicht der Backzutaten erspürt wird. Zur Kräftigung der
Muskulatur und um das Öffnen und Schließen der Hand zu trainieren, sind Knet- und
Druckübungen eine wichtige Methode. Beim Teigkneten erfolgen solche Übungen ohne
zusätzliche Therapieeinheit.
Peter, 4 Jahre, spielt gerne und mit guter Ausdauer für sich alleine mit Autos. Als gegenüber
gebaut wurde, hat er intensiv beobachtet und war insbesondere von allen Maschinen
beeindruckt. Er spricht noch nicht alle Laute und auch in der Grammatik fallen
Vertauschungen in der Reihenfolge auf. Beim Backen die Reihenfolge von Zutaten zu
beachten, sich beim Backen darüber zu unterhalten was man riechen und schmecken kann,
das Handrührgerät beim Mischen der Zutaten zu halten kommt seinen Interessen entgegen
und ist Sprachförderung ohne zusätzliche Therapieeinheit.
Susan, 3 Jahre, ist noch neu in der Gruppe. Sie weicht Stella nicht von der Seite, denn nur hier
fühlt sie sich derzeit sicher. Gemeinsam mit Stella und wenigen anderen Kindern etwas
Interessantes zu tun hilft ihr, Kontakte zu knüpfen ohne ihr Sicherheitsnetz aufzugeben.
Stella weiß zwar das Rezept auswendig, dennoch bringt sie das Backbuch mit. Gemeinsam
mit den Kindern schaut sie sich die Bilder an und entscheidet mit ihnen gemeinsam, welche
Plätzchen gebacken werden können. Die Zutaten schreibt sie in Anwesenheit der Kinder auf
den Einkaufszettel. So erkennen die Kinder einen Zusammenhang zwischen Buchstaben in
einem Buch und dem Nutzen, diese Geheimsprache entziffern zu können. Die Faszination und
Neugier in Bezug auf Lesenlernen wird geweckt – eine unabdingbare Voraussetzung um diese
Fertigkeiten lernen zu wollen.
Die Plätzchen genau auf dem Backblech zu platzieren erfordert Genauigkeit; wenn sie in
Reihen von links nach rechts gelegt werden, üben Kinder ganz nebenbei die richtige
Reihenfolge für Lesen und Schreiben in unserem Kulturraum.
Beim Backen selbst werden soziale Fähigkeiten trainiert wie abwarten können bis man an der
Reihe ist, auf den anderen zu achten, sich miteinander zu verständigen, Rücksicht zu nehmen
oder auch sich zur Wehr zu setzen wenn man übersehen wird. Schulerfolg hängt auch davon
ab, wie Kinder solche sozialen Grundfähigkeiten erlernen konnten.
.
Dass Stella Bescheid weiß über Hygienebestimmungen und Aufsichtspflicht versteht sich
von selbst. Außerdem beachtet sie, dass Katrin, 3 Jahre, allergisch auf Haselnüsse reagiert,
das heißt Nüsse und Schokolade sind tabu, alle Backzutaten werden genauestens auf Spuren
von Haselnüssen überprüft.
Auch Experimentieren mit chemischen Zusätzen wird in der Küche erprobt: wenn eine Zutat
durch eine andere ersetzt wird, wie verändern sich dann Konsistenz, Farbe, Geschmack oder
Backergebnis? Der natürliche Forschergeist der Kinder findet hier reichlich Betätigung und ist
die Grundlage für Interesse an Chemie für unsere zukünftigen Nobelpreisträger.
Zu bemerken, ob in einer Reihe oder auf einem Backblech mehr oder weniger Plätzchen
liegen, ob sie unterschiedlich groß sind und die Formen zu benennen, macht Kinder fit für
Mathematik. Beim Verzieren der Plätzchen dürfen Phantasie und Kreativität eine große Rolle
spielen, eine wichtige Grundlage nicht nur für künftige Künstler sondern auch wieder für
Erfolge in Mathematik.
Die unterschiedlich verzierten Plätzchen zu unterscheiden und später als die eigenen wieder
zu entdecken schult die optische Differenzierungsfähigkeit und das Gedächtnis für
Gesehenes; wieder eine wichtige Grundlagen für Lesen und Schreiben.
Nebenbei singen Stella und die Kinder Weihnachtslieder. Dass dadurch die Grundlagen für
das Lesenlernen, nämlich Melodie und Rhythmus geschult werden, dass hier das Gedächtnis
trainiert wird und beides die Sprache fördert weiß inzwischen fast jeder. Aber wussten Sie
auch, dass Singen in unserem Gehirn das Zentrum für Angst ausschaltet und das Zentrum für
Lernen einschaltet?
Im Gehirn liegen außerdem viele Nervenbahnen sehr dicht zusammen, die die Bewegung
unserer Hände und die Bewegung unseres Mundes steuern. Nervenbahnen für Fingermotorik
und für Sprache liegen so eng beieinander dass gleichzeitige Fingerbewegungen und Sprechen
beide Bereiche fördern.
Klar ist jedem, dass Backen Lernen mit allen Sinnen bedeutet und je mehr Sinne aktiviert
werden, umso mehr Verschaltungen von Nervenbahnen entstehen im Gehirn – umso besser
kann gelernt werden. Jede Wahrnehmung wird mit den dazugehörenden Gefühlen
abgespeichert und später erinnern wir uns immer auch in Zusammenhang mit diesen
Gefühlen. Wenn Plätzchen backen Spaß macht so heißt das, dass alles was in diesem
Zusammenhang erfahren wurde besonders intensiv behalten wird und dass ich diese
Erfahrungen auch künftig mit Spaß verknüpfe. Das heißt, alle Grundfähigkeiten und
Voraussetzungen für schulisches Lernen die hier aufgezählt wurden, erinnern das Kind an
lustvolles Lernen und machen neugierig auf mehr.
Und zuletzt: Um gut lernen zu können und um gute soziale Fähigkeiten zu entwickeln
brauchen Kinder eine sichere emotionale Grundlage. Sicherheit durch die Beziehung mit
Menschen, denen ich vertraue sind notwendige Basis für Lernen. Und Kinder müssen immer
wieder erfahren, dass sie Dinge erfolgreich bewältigen, dass sie im Ernstfall Hilfe erwarten
können bis sie den nächsten Schritt wieder alleine schaffen können und dass am Ende alles
gut gegangen ist. Diese Erfahrungen sind die überlebenswichtige Grundlage für Optimismus
und Selbstvertrauen. Und überlegen Sie selbst: Ist das Plätzchen backen nicht regelrecht dafür
geschaffen, diese Erfahrungen zu machen?
Doris Nickel, Studiendirektorin an der Aliceschule in Gießen;
Abteilung Sozial- und Heilpädagogik
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www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/?em_cnt=1645593&
Prof. Albrecht Beutelspacher, Leiter des Mathematikums in Gießen
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