F o to : H auke D re ssle r

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Foto: Hauke Dressler
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chancen
KOMPETENZ AUF HOHER SEE
Der weltweite Energiehunger führt dazu, dass immer mehr unterseeische
Erdöl- und Erdgasfelder erschlossen werden. Doch an diese Quellen
gelangt man nur mit hoch entwickelter Technik und ausgefeilter Logistik.
Regelmäßig pendelt das
Versorgungsschiff zwischen
Plattform und Land.
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>>> Es ist gerade einmal 150 Jahre her, dass die
großtechnische Erdölförderung begann. Damals waren die Bohrungen oft nur 20 bis
50 Meter tief. Die große Nachfrage nach Öl
führt dazu, dass inzwischen immer unzugänglichere Ölfelder ausgebeutet werden. Die
hohen Kosten werden durch den steigenden
Ölpreis mehr als aufgewogen. So verlagert sich
die Ölförderung immer mehr von flachen Gewässern in Küstennähe in Richtung Hochsee.
Hier setzen die Erdölkonzerne Spezialschiffe
aller Art ein. Diese Schiffe bauen Bohrinseln
auf und ab, verlegen Pipelines, orten Gas- und
Ölvorkommen, verankern Bohrinseln und
Bohrschiffe oder pendeln als Versorgungsschiffe zwischen Bohrplattform und Land. Zuletzt haben amerikanische, kanadische und
russische Unternehmen sogar arktistaugliche
Bohrschiffe in Auftrag gegeben. Ob in der
Nordsee oder im Golf von Mexiko, in Indonesien oder vor der Westküste Afrikas: Je höher
der Ölpreis, desto tiefer wird gebohrt.
Die Suche nach neuen Ölfeldern ähnelt
besonders unter Wasser oft einer Suche nach
der Stecknadel im Heuhaufen. Auf Ölfelder an
Land geben Satellitenbilder erste Hinweise,
die dann durch Analysen vor Ort präzisiert
werden können. Auf hoher See helfen Satellitenbilder nicht weiter. Da Probebohrungen
ein sehr kostspieliges Unterfangen sind, setzen die Förderunternehmen reflexionsseismische Messungen ein. Im Prinzip wird das
Verfahren schon lange an Land angewandt:
Geophysiker erzeugen Schallwellen – früher
durch unterirdische Sprengungen, heute mit
großen Vibratoren – die von den Gesteinsschichten unterschiedlich reflektiert werden.
Die Reflexionen lassen sich an der Oberfläche
messen. Seit einigen Jahren kommt die Technik auch auf See zum Einsatz. Spezielle Suchschiffe ziehen eine Batterie von Luftdruckkanonen hinter sich her, die alle paar Sekunden im Gleichtakt Pressluftblasen ins Wasser
schießen und so den Meeresboden erschüt-
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01. In über 60 Meter Höhe
steuert ein Kranführer
den Container auf das Deck
des Versorgungsschiffes.
02. Der Frachter beliefert
Ölplattformen mit Verpflegung
und Werkzeugen.
tern. Über Tausende Wassermikrofone, die
die Schiffe an kilometerlangen Kabeln hinter
sich herziehen, werden die Reflexionen aufgenommen. Da die Schiffe für diese Messungen nicht verankert sein müssen, sondern
sich an der Oberfläche bewegen, können Geologen aus den Daten dreidimensionale Darstellungen des Untergrunds generieren. Das
Ölunternehmen BP hat errechnet, dass Bohrungen früher nur jedes elfte Mal Öl fanden,
die jetzige Methode aber bei jedem sechsten
Mal einen Treffer landet. Unternehmen wie
die zu Schlumberger gehörende WesternGeco
sind auf dem Gebiet der seismischen Ortung
gefragte Dienstleister.
Mit den immer größeren Meerestiefen haben
sich auch die Bohrinseln verändert. Während
in Küstengebieten Hubinseln und Bohrplattformen zum Einsatz kommen, die auf Stahloder Betonstelzen stehen, werden sogenannte Halbtaucher von Schwimmkörpern getragen
und durch Ankerseile stabilisiert – wie auch
die Bohrschiffe. Allein das Verankern ist ein
aufwendiger Vorgang, der ebenfalls von spezialisierten Schiffen – sogenannten AnchorHandlers – aus erledigt wird.
ZUKUNFTSFELD OFFSHORE
MAN Diesel erkannte das Geschäftsfeld und
gründete im Jahr 2004 eine eigene Offshore-
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Fotos: Christoph Otto/Agentur Focus, Michael Jostmeier/mauritius-images, MAN
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abteilung im dänischen Frederikshavn. War
sie zunächst in die Marine Division von
MAN Diesel integriert, ist sie inzwischen unter der Bezeichnung „Offshore, Propulsion
and GenSets“ eine eigenständige Abteilung.
„MAN hat zwar schon vorher Geschäfte im
Offshorebereich gemacht, doch konnten wir
nun die Ressourcen bündeln“, berichtet Steve
Birdsall, Vice President der Offshoreabteilung.
Weltweit ist sie an allen wichtigen Standorten
der Ölindustrie mit eigenen Mitarbeitern präsent: in Korea, Singapur, Norwegen, Indien,
China, Brasilien und in Texas. Die Bündelung
zahlt sich aus. „Vor drei Jahren betrug unser
Marktanteil zwischen 1 und 1,5 Prozent; im
Januar 2008 lag er bereits bei 38 Prozent“, erklärt Birdsall. Die Abteilung liefert die Dieselmotoren für Spezialschiffe vom AnchorHandler über Versorgungsschiffe bis hin zu
den seismischen Schiffen.
Selbst auf fest verankerten Bohrinseln,
die im Gegensatz zu einem Bohrschiff keinen
Antrieb benötigen, ist der Energiebedarf
enorm. Bohrinseln fördern heute Öl in Meerestiefen zwischen 3 000 und 4 000 Metern.
Vom Meeresgrund aus reichen die Bohrungen dann noch einmal bis zu 20 000 Meter in
die Erdkruste. „Um den Bohrkopf zu wechseln,
ist die gesamte Bohrwelle wieder an Deck zu
ziehen. Sie wird Stück für Stück gehoben und
auseinandergenommen“, sagt Birdsall. Muss
ein Bohrer mit einer Gesamtlänge von 24 000
Metern auf einmal angehoben werden, entstehen dabei enorme Verbrauchsspitzen von
40 000 bis 50 000 Kilowatt.
Noch vor wenigen Jahren hätte sich der
gigantische Aufwand der Offshoreförderung
nicht gelohnt. Hinzu kam, dass die Technik
damals an ihre Grenzen stieß. „Ein Problem
war beispielsweise, dass man Bohrschiffe bei
einer Meerestiefe von 4 000 Metern nicht fixieren konnte“, erinnert sich Birdsall. Doch
seitdem hat die Fördertechnologie unter dem
Druck der weltweit wachsenden Ölnachfrage
große Fortschritte gemacht. Die Ölvorkommen nahe der Erdoberfläche wie in der Nordsee und der Golfregion gelten als praktisch
komplett erschlossen. „Die einzigen Orte, an
denen noch Öl gefunden werden kann, sind
die tiefen Regionen“, sagt Birdsall und ergänzt:
„Erst im letzten Jahr wurde vor der brasilianischen Küste ein riesiges Ölfeld entdeckt. Es wird das Land zum fünftgrößten
Förderer auf der Welt machen.“
KOMPRESSOREN UNTER WASSER
Nicht nur die Ölgewinnung wird immer aufwendiger, sondern auch das Erschließen und
Fördern von Erdgas. „Noch kann man weltweit rund 4 000 kleinere Gasfelder nicht
ausbeuten“, erklärt Uwe Lauber, Vice President Engineering & Testing Compressors bei
MAN Turbo in Zürich. Doch das soll sich bald
ändern. Gemeinsam mit dem norwegischen
Kunden StatoilHydro testet MAN Turbo derzeit Unterwasserkompressoren (Subsea), die
auf dem Meeresgrund Gas fördern sollen –
und das zu wesentlich niedrigeren Kosten als herkömmliche Förderinseln. „Eine
Offshoreplattform zur Gasgewinnung kostet
um die vier Milliarden Dollar. Eine Subsea-Station hingegen wird nur um die 300
bis 500 Millionen kosten“, sagt Lauber. Die
erste derartige Anlage soll 2012/2013 in
Betrieb gehen.
Subsea-Stationen werden mithilfe von
Robotern und Kameras fest auf dem Meeresgrund verankert. Das Gas wird in gasförmiger Form gefördert und über Leitungen
zu einer sehr einfachen Plattform an der Meeresoberfläche gebracht. „Im Prinzip braucht
man nur einen Zwischenbehälter, etwa einen
alten Gas- oder Öltanker“, erklärt Lauber. Dort
wird das Gas dann verflüssigt oder zwischengelagert und später per Schiff abgeholt oder
via Pipeline an Land gepumpt. Die übliche
Förderplattform benötigt deutlich mehr
<
Energie als diese Kompressoren.
> SUBSEA
Sanfte Erdgasförderung
mit Turbokompressoren
Wie ein gewaltiger Krake schwimmt
der Tanker über dem Abbaugebiet.
Leitungen führen von dem Erdgasschiff zu den Stahlkonstruktionen in
der Tiefe, wo das Erdgas gefördert
wird: Kompressoren von MAN
Turbo pumpen den Bodenschatz
aus den direkt unter dem Meeresgrund liegenden Gasfeldern zur
schwimmenden Zwischenstation
hinauf. Zuvor pressen die Verdichter das Erdgas zusammen, sodass
es transportfähig ist. Im Tanker
wird der Brennstoff wiederum zum
Transport verflüssigt. In Norwegen
wird dieses Szenario bereits getestet, mit Verdichtern des Typs
HOFIM Sealed.
Das Pumpen des Gases
erledigen Kompressoren auf
dem Meeresboden.
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