5. KAPITEL Entdeckungen mit den fünf Sinnen Zita Felfoldi und Judith Holler Ungarisches Naturhistorisches Museum, Budapest, Ungarn 5.1 Einführung Das ungarische Naturhistorische Museum enthält eine öffentliche Sammlung. Seit seiner Gründung vor 200 Jahren erfüllt es drei Aufgaben: a) Sammlung, Erhaltung und Schutz der Schätze der Natur, b) wissenschaftliche Untersuchung und Erforschung von Naturphänomenen und Objekten und c) Ausstellung wertvoller Stücke aus der Sammlung sowie Verbreitung naturwissenschaftlicher Inhalte. Die Sammlungen des Museums sind der Öffentlichkeit seit 1811 zugänglich. Die Forschungstätigkeit am Museum richtet sich traditionell auf die Bereiche Mineralogie, Paläontologie, Botanik, Zoologie und Anthropologie. 5.2 Der neue Ansatz im Ausstellungsdesign: Ausstellungen als wichtigstes Kommunikationsinstrument des Museums Ein neues Kapitel in der Geschichte unserer Ausstellungen begann 1996 mit der Eröffnung des jetzigen Ausstellungsgebäudes. Es war der Bruch mit der Tradition des objektzentrierten Ausstellungsdesigns: die ausgestellten Stücke – sie zeigen Naturprozesse und -gesetze – umfassen eine kleinere Anzahl originaler Objekte, verwenden allerdings mehr interaktive Einheiten, die zum Verständnis beitragen sollen und Anordnungen mit Ton-, Licht- und Farbeffekten, die eine komplexere Erfahrung ermöglichen. Die wichtigsten Prinzipien des Ausstellungsdesigns sind Interaktivität und ein spielerischer sowie ganzheitlicher Ansatz. Neben dem dargebotenen wissenschaftlichen Wissen bieten wir einen Ort, wo Naturphänomene historisch, literarisch und ethnografisch interpretiert werden können. Dies wird am besten durch die im Jahre 2000 eröffnete Ausstellung veranschaulicht, in der die Besucher Charaktere aus Legenden und Volksmärchen treffen können. Es ist eines der wichtigsten Ziele des Museums, dass Kinder die Ausstellungen verstehen und genießen können, indem es ihnen eine Umgebung 'wie zu Hause' anbietet. Naturgemäß sind Kinder die ersten, die sich von den interaktiven Tätigkeiten fesseln lassen. Die mystischen Wesen, die sie im Museum sehen, wie z. B. den Kobold aus einer Mine, sprechen vor allem die jüngere Generation und zudem das Kind in uns allen an. Die neue Ausstellung, deren Schwerpunkt die Geschichte des Museums ist, enthält zwei parallele Ebenen: Eine für erwachsene Besucher und eine für Kinder, wobei die Kinderebene keine vereinfachte Version der Erwachsenenebene ist. Die Museumspädagogen, die die beiden Ebenen entwickelten, haben vielmehr in jeder Einheit einige wenige Ideen ausgewählt, die es wert sind, der jüngeren Generation erklärt zu werden und helfen, die Essenz der wissenschaftlichen Arbeiten in den Sammlungen zu verstehen. So findet man beispielsweise in der Einheit, die die Komposition und Logik der Sammlung darstellt, eine kleine Kommode mit der Aufschrift "Mach deine eigene Sammlung". Sie hilft, die einer systematischen Sammlung zugrunde liegenden Prinzipien in spielerischer Form zu vermitteln. 5.3 Permanente Ausstellungen 5.3.1 Mensch und Natur in Ungarn: Historisch-ökologische Ausstellung Diese interdisziplinäre Ausstellung folgt der Naturgeschichte des Karpathischen Beckens, das als ökologische Einheit betrachtet wird; sie beginnt mit dem Erscheinen des Menschen in der Natur und reicht bis zur Bildung zivilisierter Gesellschaften und der Gegenwart. Die Ausstellungsfläche beträgt 800 Quadratmeter; die Ausstellungsstücke zeigen, wie der Mensch sich natürliche Ressourcen zunutze machte und gleichzeitig seine natürliche Umgebung veränderte, sogar massiv schädigte. Die Ausstellung stellt nicht nur Fakten, Prozesse und Auswirkungen dar, sondern diskutiert auch Lösungswege. Die Botschaft dieser historischökologischen Ausstellung wird durch spektakuläre, einzigartige Objekte, realistische Umgebungen und Originalfotografien veranschaulicht. Durch den Einsatz interaktiver Einheiten ist die Ausstellung obendrein leicht zu verstehen. 5.3.2 ’Immerblühender Blumengarten’ In den Säulen, die die Galerie der Ausstellungshalle tragen, findet man eine Auswahl kostbarer und besonderer Minerale und Bergkristalle (auf ungarisch "Minenblumen") aus der Region des Karpathischen Beckens. 5.3.3 Die ’geliebten Sphären’: Naturschätze des Karpathischen Beckens Die spektakuläre Ausstellung, die im Millenium-Jahr eröffnet wurde, lässt die Welt der Legenden und Märchen auferstehen. Die Besucher werden durch eine Schatzmine, eine Drachenhöhle, einen Zauberwald und ein Dorf des 13. Jahrhunderts geführt. Neben den kulturhistorischen Aspekten der Naturschätze, die in den ungarischen Legenden, Volksmärchen und Liedern erscheinen (Kräuter, Bäume, mystische Tiere, Drachenknochen, Bergkristalle) vervollständigen aktuelle Erläuterungen die Ausstellung. Die Ausstellung stellt Naturwissenschaften, Künste und Mythen nebeneinander. 5.3.4 ’In einem fernen Land’: Museumsabenteurer der letzten zwei Jahrhunderte Die Ausstellung erinnert an die Gründung des Museums vor zweihundert Jahren und zeigt die wichtigsten Stationen seiner Geschichte, die Reisen, auf denen Objekte gesammelt wurden und die Expeditionen. Die Besucher können einen Blick hinter die Kulissen und auf die wissenschaftlichen Arbeitsprozesse werfen, die in den Sammlungen stattfinden. Sie werden in die Arbeit des Museologen eingeführt: Prüfung, Organisation und Analyse der Sammlungsstücke. Der Besucher kann zwei Wege durch die Ausstellung wählen: einen für Erwachsene und einen für Kinder. Beide Ebenen sind interaktiv und spielerisch. Auf diese Weise können Kinder und Eltern die Ausstellung genießen. 5.3.5 Der Entdeckerraum: Ein Hauch Natur Seit Jahrzehnten erforscht der Mensch die Umwelt, oft als Außenstehender. Da die meisten Menschen in der Stadt wohnen, lernen sie die Natur aus Fotografien, Büchern, Zeitschriften, per Fernseher oder Video kennen. Kinder lernen häufig in der Schule, wie Vögel, Knochen oder Pflanzen aussehen, aber sie kommen selten so nahe an sie heran, dass sie sie berühren, riechen oder hören könnten. Im Museum werden nur wenige Tausend der Millionen Ausstellungsstücke gezeigt, die die Sammlung enthält, und sie dürfen nur betrachtet werden. Andere Gesetze gelten im Entdeckerraum, der 1992 eingerichtet wurde. Hier darf alles in die Hand genommen und genau angesehen werden. Die Kieferknochen eines Wals, der Schädel 2 eines Elefanten oder ein ausgestopfter Bär sind so schwer, dass niemand sie hochheben kann – doch sogar den jüngsten Besuchern macht es Spaß, die Samen in der 'Aschenputtelschale' zu sortieren. Die Kiste mit der Fledermaus ist vielleicht das Beliebteste. Jeder kann den Igel streicheln, trotz der Stacheln am Rücken. Die gefriergetrockneten Pilze sehen lecker aus. Die aufgehängten Vögel sehen aus, als ob sie sich im Aufwind ausruhen würden, bereit, jeden Moment wegzufliegen. Die Steine erzählen die Geschichte von Millionen Jahren, die vergangen sind. Sie zeigen uns Lebewesen, die vor langer Zeit ausgestorben sind. Glitzernde Mineralien ziehen uns förmlich an die Regale. Auf den wenigen Quadratmetern können nur einige lebendige und unbelebte Ausstellungsstücke gezeigt werden, dennoch findet jeder – vom Großvater zum Urenkel – etwas Faszinierendes. Exotische Stücke und kaum erforschte Objekte aus unserem täglichem Leben können hier nebeneinander betrachtet werden. Dieser Raum spricht (außer dem Geschmackssinn) alle Sinne an. Fortwährend sind Tiergeräusche vom Band zu hören, die Gerüche in den "Schnupperfläschchen" sind oft schwer zu bestimmen, und im Geheimschrank kann jeder ausprobieren, wie gut er mit den Händen 'sehen' kann. Der Entdeckerraum ist für Schulen an Wochentagen nach Vereinbarung geöffnet und bietet Aktivitäten von Vorschul- bis Oberschulniveau (für Einzelpersonen und Familien ist der Raum am Wochenende geöffnet): Kinder im Vorschulalter können die Unterschiede zwischen der Lebensform und der äußeren Erscheinung verschiedener Tiere an Hand ausgestopfter Tiere erforschen und mit speziellen Spielen untersuchen. Grundschüler erforschen verschiedene Themenbereiche mit speziellen, für ihr Alter entwickelten Aktivitäten, schriftlichen Anleitungen, kleineren Forschungsarbeiten in der Bibliothek und Tests mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Oberschüler vertiefen ihre Kenntnisse oder erwerben neue Kenntnisse in speziellen Gebieten der Naturwissenschaften unter Anleitung eines ausgebildeten Führers. 5.4 Pädagogische Veröffentlichungen für Lehrer und Schüler Die Mehrzahl der Ausstellungen sind für das selbstständige Entdecken konzipiert. Vor diesem Hintergrund bittet das Museum die Lehrperson, die Gruppe zu ermuntern, die Veröffentlichungen des Museums zu nutzen, um das individuelle Verständnis zu fördern. Diese Vorgehensweise trägt dazu bei, dass auch eine größere Zahl von Schülern effektiv arbeiten kann, da individuelle Aktivitäten wegen der begrenzten Anzahl der Museumspädagogen nicht immer möglich sind. Lehrmittel helfen, dieses Problem zu lösen, und unterstützen Lehrer, damit sie das Museum unabhängig nutzen können. Es gibt viele verschiedene Veröffentlichungen: 5.4.1 Aktivitäts- und Veranstaltungsprogramm Zweimal jährlich veröffentlicht das Museum ein Programm mit Ausstellungen, Events und einer Zusammenstellung der neuen Publikationen und verschickt es an alle Grundschulen des Landes. Wir ermuntern die Lehrer, sich mit dem Museum in Verbindung zu setzen (anzurufen, oder besser, zu besuchen) bevor sie es mit der Klasse besuchen, damit sie einerseits ihre Bedürfnisse 3 deutlich machen und die jeweiligen Umstände erläutern können und sich andererseits über Ausstellungen und Lehrmittel informieren können. 5.4.2 Die Lacertina-Reihe und andere pädagogische Veröffentlichungen Die Bildungsabteilung erstellt die Lacertina-Reihe, eine mehrbändige Veröffentlichung mit Hintergrundinformationen und methodischen Diskussionen, die sich auf die Ausstellungen beziehen. Die meisten Bände konzentrieren sich auf die historisch-ökologische Ausstellung Mensch und Natur in Ungarn. Andere enthalten Material über nicht gezeigte, aber ebenso wichtige Sammlungen. Diese Bände sind für Leser, die sich für Naturgeschichte und Naturwissenschaften interessieren; für alle, die mehr lernen möchten, sind auch Tests enthalten. Manche Bände richten sich insbesondere an Lehrer und Schüler und sind gelegentlich auch von Lehrerausbildern und aktiven Lehrern geschrieben. Z. B. finden sich in Band 4 methodische Ideen für die Erforschung des Ungarischen Naturhistorischen Museums mit Kindern im Vorschulalter. (Museumsbesuche passen zum nationalen Lehrplan für die Erziehung von Kindern im Vorschulalter.) Der Band umfasst Anleitungen für Spiele, Aktivitäten und Diskussionsthemen wie auch ein kurzes theoretisches Kapitel über die Lehrerausbildung. Andere Bände für Schulen konzentrieren sich auf bestimmte Themen des nationalen Lehrplans wie beispielsweise Mensch und Gesellschaft, Mensch und Natur, Lebensweise und praktische Kenntnisse, auf historische Anthropologie für Schüler im Alter von 11 bis 18 Jahren, auf die Nutzung der permanenten Ausstellung mit spielerischen Aufgaben, Quizspielen und Puzzles, die nur durch aufmerksames Beobachten und Untersuchen der Ausstellung gelöst werden können oder auf den Orczy Park, einem der größten und schönsten Gärten in Budapest, der jetzt ein Erholungsgebiet für die Anwohner ist. Eine weitere Veröffentlichung Drachen, Riesen und andere mystische Wesen widmet sich der Ausstellung 'Geliebte Sphären' und enthält Informationen und Lehrmittel für die Lehrperson, um die Vorbereitung und die Arbeit in der Klasse mit jüngeren (6-11 Jahre) oder älteren (12-16 Jahre) Kindern zu fördern. 5.5 Pädagogische Programme des Naturhistorischen Museums: Fallstudien Aus den zahlreichen pädagogischen Programmen des Museums möchten wir hier drei Aktivitäten vorstellen, die die Bildungsabteilung entwickelt und ausgeführt hat. 5.5.1 Drachen, Riesen und andere mystische Wesen: Abenteuer in der Ausstellung Geliebte Sphären Der Aufmarsch der Charaktere ungarischer Legenden und Märchen in der Ausstellung inspirierte die Entwicklung einer Abenteuerreise, die die Kinder hiermit bekannt machen soll. Alle Teilnehmer erhalten bei Antritt ihrer Reise einen Talisman – wie Märchenhelden, die zu einer Reise aufbrechen – der sie vor Gefahren schützt und ihnen bei Schwierigkeiten hilft. Die Aufgaben sind auf eine Schriftrolle geschrieben, die ein mittelalterliches Setting suggeriert. Die „Abenteurer” müssen mit Hilfe einer Beschreibung aus dem 18. Jahrhundert einen Kobold in einer Mine finden, zwischen Edelsteinen nach unpassenden Gegenständen suchen, die "Küche" des 12. und 13. Jahrhunderts kennen lernen und die legendäre Kreatur suchen, die in den Sümpfen lebt. Außerdem können sie ihre Geschicklichkeit bei verschiedenen Aktivitäten ausprobieren: Fische im See fangen und die in den Schnupperfläschchen versteckten Pflanzen an 4 ihrem Geruch erraten. Einen Preis erhält, wer alle Aufgaben lösen kann: einen Halbedelstein, der aus dem Schatz des Drachen ausgewählt werden darf. Die Aufgaben und der Weg sind so konzipiert, dass sowohl kleinere Gruppen (z. B. Schulklassen) als auch mehrere hundert Teilnehmer an den Aktivitäten teilnehmen können. Die Reise führt durch die gesamte Ausstellung, wobei die letzte Aufgabe im Obergeschoss gestellt wird, mit Blick auf den darunter gelegenen Märchengarten. Die Teilnehmer müssen pro Ausstellungseinheit zwei Aufgaben lösen und benötigen für jeden Abschnitt ungefähr gleich viel Zeit; dabei erhalten sie einen guten Einblick in die gesamte Ausstellung. Jede Aufgabe nimmt ungefähr 30 Minuten in Anspruch. Nach unserer Erfahrung verbringen die Besucher ungefähr zwei Stunden im Museum. Sowohl Kinder als auch Eltern stellen gerne selbst etwas mit ihren Händen her; der Weg enthält deshalb eine stille Aktivität am Ende der abenteuerlichen Reise. Die Teilnehmer können ein Papiermodell eines Grubenhauses aus dem 12.-13. Jahrhundert bauen und mit den ausgeschnittenen Figuren einer Familie in Alltags- und Festkleidern dieser Zeit schmücken. Diese Aktivität ist optional und bezieht sich auf ein Ausstellungsthema – sie ist aber nicht direkt mit der Abenteuerreise verbunden. 5.5.2 Schauen, Hören, Fühlen: Spiele mit allen Sinnen Der Ausstellungsteil wurde ursprünglich für die Ausstellung über die Museumsgeschichte In einem fernen Land geschaffen, speziell für die Einheiten über die Expeditionsreisen unserer Forscher zu fernen Kontinenten. Dieser Teil der Ausstellung zeigt die Szenen einer Expedition; mit Hilfe von Objekten, Farben, Gerüchen, Geräuschen und Formen werden die Merkmale verschiedener Regionen der Welt dargestellt: Balkan und Zentralasien, Süd- und Südostasien, Australien und Neuseeland, Nord- und Südamerika und Afrika. Hören, Riechen, Schmecken, Berühren und Sehen sind gefragt, um sich an den Stationen des Weges zu orientieren und die gestellten Aufgaben zu lösen. Der Schwierigkeitsgrad entspricht den Kenntnissen und Fertigkeiten von 6- bis 10-Jährigen; da das Programm auch für Familien angeboten wird, sind auch einige schwierigere Fragen enthalten, um die Eltern ebenfalls zu motivieren. Die Kinder gehen bei dieser Aktivität auf eine imaginäre Reise um die ganze Welt. Bei der Abreise erhält jeder einen Pass, in dem jede gelöste Aufgabe mit einem Stempel quittiert wird. Bei der ersten Station, Asien, gilt es, Fossilien zu jagen; dies ist ein Bezug auf die große Sammlung an Dinosauriern aus dieser Region, die das Museum beherbergt. Die Entdecker können in einem Sandkasten nach Knochen, Mollusken, Schneckengehäusen und Korallenstücken graben. Das erste Objekt, das gefunden wird, führt den Teilnehmer zur nächsten Station. Z. B. führt ein Korallenstück den Teilnehmer nach Australien, wo er Geschmack und Geruch des dort heimischen Eukalyptus kennenlernt. Als nächstes fischen die Teilnehmer Holzfische und -schildkröten, die auf der Unterseite den Namen einer Pflanze oder eines Tieres tragen. Die Kinder müssen entscheiden, ob das jeweilige Tier bzw. die Pflanze in Australien heimisch ist oder nicht. Eines der Tiere, der Hase (Oryctolagus cunciculus), wurde von Europa nach Australien gebracht. Dieser Hinweis führt zur nächsten Station, Europa, wo die Kinder einen Sumpf überqueren müssen: einen Pool mit seichtem Wasser, in dem sich helle, nachgebende Stellen (die sumpfige Gebiete kennzeichnen) mit dunklen, harten Stellen (die Grasbüschel kennzeichnen) abwechseln. Hier gibt es nun einiges über Sümpfe zu erfahren. 5 Von Europa geht es weiter nach Afrika, wo man die Gerüche heimischer oder in Afrika angebauter Pflanzen kennen lernt. Jeder kennt Kaffee, Kakao, Tee und Minze. Bei Diskussionen an dieser Station lernen die Kinder, welche Pflanzen ursprünglich aus Afrika stammen, jedoch auf anderen Kontinenten weiter kultiviert wurden. Kaffee z. B., eine in Afrika heimische Pflanze, wird in großen Mengen in Süd- und Mittelamerika kultiviert; der Weg führt die Reisenden somit als nächstes auf den amerikanischen Kontinent. Die Kontinente sind logisch miteinander verbunden. Wenn der Reisende in seinem Pass fünf Stempel und Asien, Australien, Europa, Afrika und Amerika verlassen hat, kann er seine Reise in die Antarktis fortsetzen und dort bei einem Glas Limonade mit Eis dem Walgesang lauschen. Die letzte Station wurde durch den heißen Sommer 2002 inspiriert. 5.5.3 Das Museum in der Schule: Der Achte-auf-Deinen-Weg-Sumpf Wir werden oft von Lehrern gebeten, Museumsaktivitäten in der Schule durchzuführen. Selbstverständlich ist es unmöglich, Originalobjekte in großer Zahl aus dem Museum zu schaffen; so verwenden wir außerhalb des Museums häufig praktische Anschauungstücke aus dem Entdeckerraum. Dieses Material ist besonders gut für eine einstündige, informelle und doch eingehende und pädagogisch wertvolle Diskussion geeignet. Trotzdem wollten wir ein schöneres Umfeld für diese Diskussion schaffen, in der die Kinder aktiv lernen oder sich gegenseitig etwas beibringen können. Ein Lehrer trat an die Bildungsabteilung mit der Bitte heran, eine Aktivität über das Thema Wasser und Sumpfland für die vierte Klasse durchzuführen. Aus dem vorbereitenden Gespräch mit dem Lehrer ging hervor, wie vertraut die Klasse mit dem Thema war, was die Schüler bereits durchgenommen hatten und die Zielsetzung der Aktivität, die Festigung der Kenntnisse der Schüler. Man entschied sich, eine Art Brettspiel zu entwickeln, weil es die Möglichkeiten bot, eine angenehme Lernumgebung zu schaffen und die gesamte Klasse einzubeziehen. Das Spiel findet in einem Sumpf statt. Die Fragen und Aufgaben handeln von Tieren, Pflanzen und Menschen, die in und am Wasser leben und natürlich vom Wasser selbst. Wir malten den Verlauf des Spiels auf ein großes Tuch. Die Fragen und Aufgaben wurden auf Karten geschrieben; Requisiten wie z. B. Samen, Früchte von Pflanzen, Knochen wurden hinzugefügt, außerdem Papier, Stifte, Schere, Kleber und ein Stück Kordel. Die Auswahl des Teams ist ein Spiel für sich. Jedes Kind bekommt einen Tropfen ätherischen Öls auf seine Handfläche. Wir verwenden drei oder vier verschiedene Öle; die Mitglieder eines Teams müssen sich gegenseitig am Geruch erkennen und zusammenfinden. Jedes Team wählt einen Namen und ein Mitglied, das ein "lebendes Pfand" ist. Die Teams ziehen abwechselnd Karten. Damit das ganze Team mitspielen kann, muss immer ein anderes Mitglied die Fragen beantworten. Die Fragen auf den Karten sehen z. B. so aus: Beispiel 1: Unten auf der Karte steht der Name eines Tieres. Vorsicht, sag’ den Namen nicht laut! Spiele das Tier, damit dein Team herausfinden kann, um welches Tier es sich handelt. Dabei darfst du keine Töne von dir geben; Du kannst aber die Objekte auf dem Tisch als Hilfe nehmen. 6 MOSKITO Wenn dein Team die Aufgabe richtig löst, dürft ihr 4 Schritte weiterrücken. Beispiel 2: Macht eine Wortkette, die sich auf Wasser bezieht. Jedes Wort (außer dem ersten) muss mit dem letzten Buchstaben des vorangehenden Wortes beginnen. Wenn dein Team eine Wortkette mit mindestens 8 Wörtern bilden kann, dürft ihr 3 Schritte weiterrücken. Der Verlauf des Spiels führt die Schüler durch einen Sumpf, der natürliche Grasbüschel und sumpfige Gebiete enthält, wie ein echtes Sumpfland. Die „Pfänder” müssen auf ihren Weg achten, denn wenn sie auf ein sumpfiges Gebiet treten, können sie „einsinken” und das Team muss eine Runde warten. Das Spiel dauert ungefähr eine Stunde, und kann jederzeit unterbrochen oder nach Belieben der Spieler bzw. wenn genug Zeit zur Verfügung steht weitergespielt werden. Die Eindrücke des Spiels sind positiv. Das Spiel macht den Schülern Spaß und sie bitten darum, weiterspielen zu dürfen; es gelingt dem Spiel, die Schüler zu fesseln. Die Fragen und Aufgaben sind so konzipiert, dass sie dem Kenntnisstand und dem Alter der Teilnehmer entsprechen. Bisher wurden keine Schwierigkeiten berichtet. Das Spiel gibt dem Lehrer außerdem eine Methode an die Hand, die er sowohl im Museum als auch in der Schule zum Lehren und Lernen zahlreicher Inhalte für verschiedene Altersstufen verwenden kann. 5.6 Die permanente Ausstellung und der Nationale Lehrplan (Nationale Curriculum-NC)1 5.6.1 Das Museum als Ort für Bildung und Erziehung Der Inhalt des Nationalen Curriculum (NC) fordert ebenso wie die Notwendigkeit, die Fertigkeiten und Kenntnisse von Schülern zu verbessern, Schritte in Richtung modernerer Methoden und pädagogischer Hilfsmittel. Der Lehr- und Lernansatz des NC in Bereichen wie Landes- und Weltkultur, Umwelterziehung, Kommunikation, physische und mentale Gesundheit, verlangt Bildungsprozesse außerhalb der Schule. Informelle Orte – wie z. B. Museen, Büchereien, die Architektur und Kunst der vom Menschen geschaffenen Umwelt, wiederaufgebaute Dörfer und Parks – bieten die Grundlage für personalisiertes Lernen zwischen den Generationen sowie Hilfsmittel für die Erziehung in Literatur, Sozial- und Naturwissenschaften, visueller Kultur oder Technik. Im letzten Jahrzehnt haben Museen eine 1 Dieses Kapitel basiert auf der Publikation Kanczler Gyuláné (1997). 7 zunehmend wichtigere Aufgabe für die Erziehung der Jugend, insbesondere der Schulkinder übernommen. In diesem Kontext wird die Beziehung zwischen diesen beiden Arten von Einrichtungen von beiden Seiten anerkannt. Einerseits würdigen zahlreiche Lehrer die Rolle der permanenten und temporären Ausstellungen unterschiedlicher Museen für die Entwicklung einer einmaligen intellektuellen und emotionalen Erfahrung. Originale Objekte können besondere und nicht ersetzbare pädagogische Mittel sein, die eine gründliche und detaillierte Beobachtung fördern, die nicht nur für die Entwicklung der Fertigkeiten wichtig ist, sondern auch die Erfahrungen und das Vorstellungsvermögen der Kinder verstärkt, vertieft und erweitert. Gleichzeitig tragen die mit der Ausstellung verbundenen Aspekte (Spektakel, Placement, Beleuchtung) zur Entwicklung eines ästhetischen Verständnisses bei. Andererseits räumen die Museen ein, dass Bedarf besteht für eine bessere Zugänglichkeit des Museums für die Öffentlichkeit. Man bemüht sich, das Museum in einen Ort "umzuformen", der für Schulklassen geeignet ist und besondere außerlehrplanmäßige Aktivitäten und Unterhaltungen bietet, ohne jedoch seine traditionelle Aufgabe des Forschens und Erhaltens abzuwerten. Das ungarische Naturhistorische Museum hat das Potenzial, diesen Anspruch zu erfüllen. Die permanente Ausstellung Mensch und Natur in Ungarn beleuchtet z. B. die Entwicklung der Beziehung zwischen Mensch und Natur im Karpathischen Becken und in Ungarn aus vielen verschiedenen Perspektiven. Die Themen der Ausstellung geben direkt oder indirekt Gelegenheit, verschiedene Bereiche des Lehrplans zu lehren und zu lernen (Landes- und Weltkultur, Kommunikation und Umwelterziehung); außerdem helfen sie, die Voraussetzungen für eine Verbesserung der Fertigkeiten zu implementieren. Die Ausstellung zeigt, wie sich Veränderungen unbelebter Umweltfaktoren auf die belebte Natur auswirken, die gegenseitige Beziehung und die kurz- und langfristigen Auswirkungen des menschlichen Einflusses auf das organische System der Natur. Sie fördert das Bewusstsein der Schüler für die natürliche und künstliche (vom Menschen geschaffene) Umwelt, zeigt Wege zum Schutz der Umwelt auf und motiviert – unter Berücksichtigung des Alters – die Schüler, sich zu engagieren. Die Ausstellung beeinflusst Intellekt und Emotionen, und wirkt so auf Umweltbewusstsein und -einstellung der Schüler. Im Folgenden wird analysiert, wie die permanente Ausstellung Mensch und Natur in Ungarn mit den Lehrplan-Bereichen Mensch und Gesellschaft, Mensch und Natur und Lebensweise und praktische Kenntnisse verknüpft werden kann. Es werden Ideen präsentiert, wie die Möglichkeiten, die ein Museum bietet, sowie deren Anwendungen in der Erziehung und Ausbildung größere Anerkennung finden können. 5.6.1.a Der Bereich ’Mensch und Gesellschaft’ und die Ausstellung Der Lehrplan-Bereich Mensch und Gesellschaft geht über die Gebiete Geschichte, Gesellschaft, Ethnologie, Heimatkunde, Ethik, Psychologie etc. hinaus und integriert Kenntnisse, die sich auf den Menschen als soziales Wesen, auf menschliche Beziehungen und Institutionen beziehen. Die Kombination der aus diesen Gebieten abgeleiteten Kenntnisse formt den Lehrplan als Ganzes. Dieses komplexe Material muss jedoch als Teil bestimmter Fächer wie z. B. Sozialkunde, Kenntnisse über die Menschheit, Geschichte etc. bereit gestellt werden, die auch von regionalen Lehrplänen sowie außerlehrplanmäßigen Aktivitäten bestimmt werden. Die Ausstellung des ungarischen Naturhistorischen Museums gibt den Lehrern die Möglichkeit, diese schwierige Aufgabe auszuführen. 8 Das Ausstellungsmaterial, in dessen Mittelpunkt die Naturgeschichte Ungarns von der geologischen Vergangenheit bis zur Gegenwart steht, lenkt die Aufmerksamkeit auf die Veränderungen in der Beziehung zwischen Mensch und Natur. Der Prozess dieser Veränderungen ist offensichtlich mit sozialen Beziehungen verknüpft. Die Ausstellung ist ein gutes Beispiel, wie die Vergangenheit dargestellt werden kann, indem man über die traditionelle Spezialisierung der Fächer hinausgeht und welchen Effekt Museen auf die Entwicklung eines verantwortlichen Umgangs mit der Zukunft ausüben. Die Besuche in der Ausstellung tragen dazu bei, die in den Lehrplänen aller sechs Klassen enthaltenen Themen zu fördern: Kenntnisse über die Menschheit und das eigene Ich Wissen erwerben und verarbeiten Orientierung in der Zeit Orientierung im Raum 5.6.1.b. Der Bereich ’Mensch und Natur’ und die Ausstellung Ziel dieses Bereiches ist es, ein Grundwissen über die Methoden des natürlich-wissenschaftlichen Verständnisses zu erwerben, indem kognitive Vorgänge wie Beobachten, Beschreiben, Vergleichen, Zusammenfassen, Strukturieren, Messen und Experimentieren kontinuierlich praktiziert werden. Mit diesen Methoden werden die Fertigkeiten und Gewohnheiten der Schüler identifiziert und verbessert; außerdem werden das Erwerben und Strukturieren von Wissen, das Erkennen einfacher Zusammenhänge, das Verstehen und Anwenden der erlernten Informationen und das effektive Studium spezieller Themen ermöglicht. Folgende allgemeine Anforderungen für Entwicklungsfortschritte in der ersten bis sechsten Klasse können durch einen Besuch der Ausstellung befriedigt werden: Erwerb, Verarbeitung und Anwendung von Wissen; Vertrautheit mit dem Gebiet: „der Schüler kennt die grundlegenden Eigenschaften der wichtigsten Materialien (auf verschiedenen Organisationsebenen) seiner Umwelt"; zeitliche Orientierung und Naturphänomene: „der Schüler hat eine Vorstellung der Veränderungen und der Evolution des Lebens auf der Erde, und ist sich über die Änderungsvorgänge bei den Lebewesen bewusst”; räumliche Orientierung, Raum und Naturphänomene: „der Schüler ist mit der Welt, die ihn umgibt, vertraut”. 5.6.1.c Der Bereich ’Lebensart und Praktische Kenntnisse’ und die Ausstellung Die Anforderungen dieses Bereiches sind im Lehrplan-Bereich Technik und Hauswirtschaft integriert. Das Ziel des Bereiches Technik ist es, die Entwicklung des Kindes in eine Richtung zu lenken, die es ihm ermöglicht, in Harmonie mit der Umwelt zu leben, und die technische Umgebung zu verstehen, zu schätzen und auf humane Weise zu formen. Die Schüler müssen die Eigenschaften von Materialien kennen lernen, wobei die Umwandlung der Materialien mit ihrer Verwendung, den verschiedenen Anforderungsebenen und den Gefährdungen durch technische Prozesse in Zusammenhang gebracht werden muss. In der Ausstellung können die Kinder etwas über ihre Vorfahren und ihre Umwelt erfahren, die eine organische Einheit bildeten, die Nutzung des gemeinschaftlichen Wissens zum Häuserbau und zur Herstellung von Utensilien und Werkzeugen unter Verwendung von Materialien aus ihrer Umgebung. Sie können den Prozess 9 nachvollziehen, der zu den Umweltproblemen unserer Zeit führte. Die Ausstellung lässt sie erkennen, dass sie mithelfen müssen, eine Lösung für diese Probleme zu finden. Folgende Anforderungen für die erste bis sechste Klasse können durch einen Besuch der Ausstellung befriedigt werden: Entdecken der Beziehung zwischen Technik und Umwelt in bestimmten Fällen; Probleme erkennen und analysieren; Vorbereitung auf ein autarkes Leben, Aufgaben der Haushaltsführung und das rationale Management des Alltags. Literaturhinweise Kanczler Gyuláné (1997) (ed) Together with elementary school children in the Hungarian Natural History Museum. A guide to museum visits for teachers, Budapest, Naturhistorisches Museum. 10