________________________________________________________________________________________ 12 Wahlprüfsteine an die Kandidatinnen und Kandidaten zur Bundestagswahl am 22. September 2013 Die Wahlprüfsteine dienen der Information der Wählerinnen und Wähler. Ihre Antworten werden auf den Webseiten der Europa-Union und Jungen Europäischen Föderalisten veröffentlicht. Vorname, Name: Marlene Löhr Partei: Bündnis‘90/Die Grünen Bundesland: Schleswig-Holstein Wahlkreis-Nummer/-Name: 01 Flensburg - Schleswig Bitte begründen Sie, wenn möglich, kurz Ihre Antwort. 1. Die überparteiliche Europa-Union Deutschland (EUD) wie auch die Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) Deutschland sprechen sich in ihren jüngst verabschiedeten Grundsatzprogrammen für die Schaffung eines föderalen europäischen Bundesstaates aus. Teilen Sie dieses Ziel? Sollte hierzu unter Beteiligung der Zivilgesellschaft ein Konvent einberufen werden? Unsere grüne Strategie für mehr Demokratie in der EU setzt auf eine starke Allianz der Parlamente aller Ebenen – und auf die aktive Einmischung der EuropäerInnen. Deswegen haben wir uns von Anfang an für die Einführung der Europäischen Bürgerinitiative stark gemacht. Diese wollen wir weiter stärken und mittelfristig in Richtung eines europäischen Volksentscheides entwickeln. Bei der institutionellen Weiterentwicklung bauen wir auf einen öffentlichen Europäischen Konvent zur Zukunft der EU. Er darf aber nicht zum Expertenzirkel verkommen. Stattdessen sollen unter dem Vorsitz des Europäischen Parlaments Vertreterinnen und Vertreter der EU Kommission, der nationalen Parlamente und Regierungen sowie der ________________________________________________________________________________________ Zivilgesellschaft und SozialpartnerInnen zusammentreten, um die Verfasstheit der Europäischen Union unter dem Gesichtspunkt einer effektiveren und breiter legitimierten Arbeitsweise insbesondere zu institutionellen Fragen sowie in den Bereichen Wirtschaft, Haushalt, Finanzen, Soziales und Demokratie zu erarbeiten. Der Konvent muss in seiner Zusammensetzung der TeilnehmerInnen die Gesellschaft widerspiegeln. Um die Mitbestimmung der europäischen BürgerInnen auf allen politischen Ebenen zu gewährleisten, wollen wir die Unionsbürgerschaft ausbauen. Wir treten dafür ein, dass alle EU-BürgerInnen das Wahlrecht in dem Mitgliedsstaat erhalten, in dem sie ihren ständigen Wohnsitz haben, und dies nicht nur für Kommunalparlamente und das Europaparlament, sondern auch bei regionalen und nationalen Wahlen, wenn sie seit fünf Jahren dort leben. 2. Eine der Ursachen für die seit Jahren andauernde „Euro-Krise“ liegt in der unvollendeten Wirtschafts- und Währungsunion. Sehen Sie die Notwendigkeit, die vergemeinschaftete Währungspolitik durch eine vergemeinschaftete Wirtschafts- und Finanzpolitik zu ergänzen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welches sind Ihre konkreten Vorstellungen? Wir kritisieren den europapolitischen Kurs von Merkel scharf. Es ist fahrlässig, wie die Währungsunion von der Bundesregierung aufs Spiel gesetzt wird. Gerade die deutsche Wirtschaft hat davon profitiert und deutsche Banken haben jahrelang hervorragend in der Wirtschaftsund Währungsunion verdient. Wir brauchen mehr gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik. Dazu gehört eine starke europäische Bankenunion. Eine europäische Wirtschaftspolitik muss mehr dafür tun, dass sich die Wirtschaftskraft der Mitgliedsstaaten gleichmäßiger entwickelt. Dazu muss die Binnenkonjunktur in den Überschussländern gestärkt werden. Gleichzeitig muss dafür gesorgt werden, dass in Krisenländern verstärkt in zukunftsfähige Branchen investiert wird und so die Wettbewerbsfähigkeit steigt. Mit dem neu zu schaffenden Amt eines/einer EU-KommissarIn für Wirtschaft und Währung wollen wir den notwendigen Zuwachs an Entscheidungskompetenz auf europäischer Ebene auch personell verankern. Er/Sie soll den Vorsitz der Eurogruppe und des ECOFIN ausüben, aber keine Gesetze ohne Zustimmung des Europäischen Parlaments erlassen ________________________________________________________________________________________ dürfen. Zudem soll er/sie durch das Europäische Parlament individuell wähl- und abwählbar sein. 3. Sind Sie der Auffassung, dass die EU einen Haushalt bekommen soll, der sich aus eigenen Steuereinnahmen – bei gleichbleibender Belastung der Bürgerinnen und Bürger – speist? Es ist keine Frage, dass die EU einen gestärkten Haushalt braucht, der den wachsenden Aufgaben der Union Rechnung trägt. Wir brauchen eine klare Prioritätensetzung, die die Ausgaben in den Bereichen mit europäischem Mehrwert stärkt. Wir wollen nicht, dass agroindustrielle Großbetriebe oder ein sinnloses Projekt wie der Fusionsreaktor ITER mit Milliarden subventioniert werden, während immer mehr bäuerliche Kleinbetriebe aufgeben müssen oder für das Erasmus-Programm zu wenig Mittel zur Verfügung stehen. Im Sinne haushaltspolitischer Subsidiarität muss die EU ihre Schwerpunkte dort setzen, wo sie Gelder besser und effizienter ausgeben kann als die einzelnen Mitgliedsstaaten. Der Eigenmittelanteil muss erheblich ausgeweitet und die intransparenten Rabattregelungen abgeschafft werden. Die Mitgliedsstaaten müssen ihren Zusagen nachkommen und die EU mit den entsprechenden Mitteln versorgen, um die sich verschärfende Zahlungskrise zu beenden und drohende Zahlungsausfälle bei den EU-Förderprogrammen zu vermeiden. Als Grüne unterstützen wir die Idee, die Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer direkt in den europäischen Haushalt fließen zu lassen und ihm somit eine „eigene“ Einkommensquelle zuzusichern. 4. Würden Sie angesichts der hervorgehobenen Stellung Deutschlands in der Krisenbekämpfung die mögliche Sorge unserer europäischen Partner vor einem „deutschen Europa“ als berechtigt ansehen? Ich kann diese Sorge durchaus teilen, da das Krisenmanagement der Regierung Merkel nichts mehr mit einem Europa auf Augenhöhe zu tun hat. Seit Anbeginn der Finanzund Staatsschuldenkrise blockierte oder verzögerte Kanzlerin Merkel notwendige Reformschritte und setzte einseitig auf „Sparen, sparen und nochmal sparen“, statt eine Balance in einer Politik der Solidität, Solidarität und Nachhaltigkeit zu finden. Europa kann stärker aus der Krise herauskommen, wenn es gelingt, eine Alternative zur ________________________________________________________________________________________ Merkel´schen Strategie durchzusetzen, die die Krisenländer vor allem mit Sparpolitik, Sozialabbau und Lohndumping traktiert. Weil man sich aus einer solchen Krise nicht einfach heraussparen kann, muss das entscheidende Augenmerk darauf gelenkt werden, wie neue wirtschaftliche Dynamik entstehen kann. Zudem müssen die Lösungsansätze endlich gemeinsam erarbeitet werden, anstatt sie zu verordnen. Mit diesem Politikstil schadet Kanzlerin Merkel dem Zusammengehörigkeitsgefühl in der EU massiv. 5. Welche prioritären Ziele sollte die deutsche Europapolitik zur Überwindung der Krise verfolgen? Diese Krise ist nicht einfach eine Staatsschuldenkrise. Um sie dauerhaft zu lösen, braucht Europa eine neue Perspektive. Wir brauchen eine Erneuerung der europäischen Wirtschaft im Sinne eines europäischen Green New Deal. Nachhaltigkeit muss zur Basis europäischer Wettbewerbsfähigkeit werden. Zentral ist die Finanzierung ökologischer Erneuerungsinvestitionen und europäischer Netze. Wir brauchen mehr gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik. Dazu gehört eine starke europäische Bankenunion. Wir fordern ebenso einen europäischen Steuerpakt gegen Steuerdumping, Steuervermeidung und Steuerflucht. Erforderlich ist zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ein Sofortprogramm für die Ausund Weiterbildung von Jugendlichen in den Krisenländern. Wir verteidigen faire Löhne, Gewerkschaftsrechte und existenzsichernde soziale Garantien. Wir wollen eine gemeinsame Bankenaufsicht mit einem einheitlichen Regelwerk. International aktive Banken sollten von der neuen europäischen Bankenaufsicht direkt beaufsichtigt werden, kleine Institute mit ausschließlich regionalem Geschäft müssen nicht laufend von einer europäischen Institution beaufsichtigt werden. Wir brauchen aber eine Vereinheitlichung der Aufsichtsstandards und auch für kleine Institute ein Durchgriffs- und Letztentscheidungsrecht bei Versagen der nationalen Aufseher. Ergänzt wird die europäische Bankenunion nach unseren Vorstellungen um gemeinsame Mechanismen zur Abwicklung von Krisenbanken sowie einen gemeinsamen Rahmen für europäische Einlagensicherungssysteme. Die Bankenunion ist die grüne Antwort auf das Zögern und Zaudern der Merkel-Regierung, ________________________________________________________________________________________ das die Haftung der SteuerzahlerInnen weiterhin zulässt, und zeigt, dass mehr Europa einen echten Mehrwert bietet. Wir GRÜNE halten das gegenwärtige, überkomplexe Regulierungsregime mittelfristig für ungeeignet, ein erneutes Ausbrechen von finanzmarktinduzierten Krisen zu verhindern. Die Stabilisierung der Finanzmärkte hat gewaltige Kosten verursacht, an denen sich der Sektor bisher kaum beteiligt hat. Eine Finanztransaktionssteuer, die alle Finanzmarktgeschäfte mit einbezieht, kann einen Teil der Kosten begleichen. Dabei stehen wir GRÜNE weiterhin zu unserer Forderung, einen großen Teil der Einnahmen in die Bekämpfung der weltweiten Armut und den globalen Klimaschutz fließen zu lassen sowie die Finanztransaktionssteuer ins Gemeinschaftsrecht und in den EU-Haushalt zu überführen. Wir fordern einen Europäischen Schuldentilgungspakt, der auf dem vom Sachverständigenrat der Bundesregierung vorgeschlagenen Schuldentilgungsfonds basiert. Erstens zeigen wir den Akteuren auf den Märkten damit, dass die Eurozone sich an ihre Verpflichtungen hält. Zweitens erreichen wir Zinssenkungen durch gemeinsame Kreditaufnahmen und einen transparenten Schuldenabbau durch klare Regeln. Dem Schuldentilgungspakt legen wir eine sichere Finanzierung zu Grunde. Diese wollen wir durch Vermögensabgaben in den europäischen Ländern unterstützen und so die Schuldenproblematik sozial gerecht lösen. Drittens ersetzen wir die jetzt schon de facto bestehende Haftungsunion durch eine europäische Solidarunion mit verbindlichen Regeln. 6. Wesentliche Maßnahmen zur Krisenbekämpfung (ESM, Fiskalpakt) wurden außerhalb der EU-Verträge als völkerrechtliche Vereinbarungen ins Werk gesetzt. Sind Sie der Auffassung, dass diese Regelungen zum nächstmöglichen Zeitpunkt in die EU Verträge überführt und damit auch der demokratischen Kontrolle des Europäischen Parlaments unterworfen werden müssen? Wir wollen den ESM in einen Europäischen Währungsfonds (EWF) umbauen und so zu einem wirklichen Krisenreaktionsinstrument machen. Klare Bedingungen für die Teilnahme, insbesondere in Hinblick auf die Haushaltskonsolidierung, sind nötig, müssen aber sozial ________________________________________________________________________________________ ausgewogen sein. Der ESM/EWF soll der demokratischen Kontrolle durch das Europäische Parlament unterliegen. 7. Sind Sie der Auffassung, dass das Europäische Parlament durch Zuerkennung des Initiativrechts und durch die Möglichkeit einer Wahl der Kommission ohne nationale Vorgaben gestärkt werden soll? Sind echte europäische Parteien erforderlich? Das Europäische Parlament soll endlich das Recht erhalten, eigene Gesetzesinitiativen vorzuschlagen und den/die EU-KommissionspräsidentIn zu wählen. So soll es zum zentralen Debattenund Entscheidungsort der europäischen Politik werden und muss volles Mitentscheidungsrecht in allen Politikbereichen erhalten. Wenn die EU mehr Kompetenzen erhalten soll, muss das mit mehr Kontrollrechten für das Europäische Parlament einhergehen. Die Parteien sollen bei Europawahlen künftig SpitzenkandidatInnen nominieren, unter denen nach der Wahl entsprechend ihrem Ergebnis der/die EUKommissionspräsidentIn gekürt werden soll. Wir treten damit auch für eine stärkere Personalisierung der Europawahl ein. Zusätzlich zu den jeweils national bestimmten KandidatInnen soll deshalb ein Teil der Abgeordneten über transnationale Listen gewählt werden. 8. Wie stehen Sie zu der Forderung, dass alle in Deutschland lebenden EU-Bürgerinnen und EU-Bürger neben den Kommunal- und Europawahlen künftig auch an den Landtags- und Bundestagswahlen teilnehmen können sollten? Wir treten dafür ein, dass alle EU-BürgerInnen Wahlrecht in dem Mitgliedsstaat erhalten, in dem ihren ständigen Wohnsitz haben, und dies nicht nur Kommunalparlamente und das Europaparlament, sondern bei regionalen und nationalen Wahlen, wenn sie seit Jahren dort leben. das sie für auch fünf 9. Sind Sie der Auffassung, dass künftig der europäische Außenminister die gemeinsamen europäischen Interessen nach außen vertreten sollte (und damit die nationalen Außenminister eine deutlich untergeordnete Rolle einnehmen)? Ein starkes, gemeinsames Europa muss in der Lage sein, Probleme in der eigenen Umgebung selbst zu bearbeiten. Die EU ist eben nicht nur ein Friedensprojekt nach innen. Die EU hat mit der Gemeinsamen Außenund ________________________________________________________________________________________ Sicherheitspolitik und dem Europäischen Auswärtigen Dienst Strukturen geschaffen, um an einer globalen Friedensordnung im Rahmen der Vereinten Nationen und einem gesamteuropäischen System kooperativer Sicherheit im Rahmen der OSZE mitzuarbeiten. Wir GRÜNE wollen den Europäischen Auswärtigen Dienst stärken mit dem Ziel, dass Europa außenpolitisch mit einer gemeinsamen Stimme sprechen kann. Wir glauben an die Zivilmacht Europa. 10. Unter welchen Voraussetzungen würden Sie eine gemeinsame europäische Armee (anstelle der nationalen Streitkräfte) befürworten? Wir wollen die Gemeinsame SicherheitsVerteidigungspolitik weiterentwickeln und Streitkräfte in Europa integrieren und reduzieren. muss mit einer Kontrolle dieser Streitkräfte durch Europäische Parlament einhergehen. und die Dies das 11. Sollte die EU in der Sozialpolitik mehr Kompetenzen bekommen, um den sozialen Ausgleich stärker zu fördern, wie zum Beispiel durch eine europäische Arbeitslosenversicherung (wie im Van Rompuy-Bericht vorgeschlagen wurde)? Die europäische Einigung lebt grundsätzlich davon, dass die Menschen, die Regionen und die Staaten in Europa füreinander einstehen. Dem Grundprinzip der europäischen Solidarität und der gemeinsamen sozialen Absicherung kommt in der derzeitigen Krise ein besonderer Stellenwert zu. Angesichts einer sich europaweit öffnenden Schere zwischen Arm und Reich reicht es nicht, nur am nationalen Rad zu drehen! Europa krankt heute an Unterbietungswettbewerben bei Löhnen, Steuern und sozialen Standards. Deswegen wollen wir eine soziale Fortschrittsklausel im EU Primärrecht einführen, die eine stärkere Balance gegenüber den Grundfreiheiten des Marktes herstellt. Außerdem wollen wir das Armutsgefälle verringern, das Einkommensgefälle zwischen den Mitgliedsstaaten abschwächen und die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern minimieren. Zu einem sozialen Europa gehören für uns außerdem gemeinsame soziale Mindeststandards, wie ein Mindestlohn und eine Grundsicherung, die sich jeweils am nationalen BIP orientieren, sowie das Recht auf eine gute Gesundheitsversorgung. Gerade in Zeiten, in denen immer mehr Menschen während ihres Berufslebens in unterschiedlichen EU-Mitgliedsländern tätig sind, wollen ________________________________________________________________________________________ wir eine verbesserte Anrechnung von Rentenund Arbeitslosenansprüchen erreichen und dafür sorgen, dass eine gute Gesundheitsversorgung nicht nur ein Privileg weniger ist. 12. Im 17. Deutschen Bundestag bilden mehr als 170 Abgeordnete der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen eine überparteiliche Parlamentariergruppe der Europa-Union Deutschland. Können Sie sich vorstellen, der Europa-Union Deutschland beizutreten, um dieser Parlamentariergruppe anzugehören? Ja, unbedingt! Optional: Folgende Punkte zur europäischen Integration im Allgemeinen und zur Lösung der derzeitigen Krise sind mir persönlich besonders wichtig: _____________________________________________________________________ _____________________________________________________________________ _____________________________________________________________________ _____________________________________________________________________ _____________________________________________________________________ _____________________________________________________________________ _____________________________________________________________________ _____________________________________________________________________ _____________________________________________________________________ _____________________________________________________________________