OVG Saarlouis, Beschluss vom 26

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OVG Saarlouis, Beschluss vom 26.10.2010, 3 B 241/10
Zur Frage der Verletzung von Elternrechten bei Widerruf der Betriebserlaubnis und Schließung
einer Einrichtung im Sinne des § 45 SGB VIII.
Leitsätze
1. Ein unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG stehendes Elternrecht kann nur hinsichtlich
der Nutzung einer nach Maßgabe des § 45 SGB VIII legal betriebenen Einrichtung bestehen,
nicht aber hinsichtlich der Nutzung einer Einrichtung, die der private Träger der Einrichtung
nach Maßgabe des § 45 SGB VIII nicht betreiben darf.
2. Eltern sind dadurch, dass sie ihr Kind einer außerfamiliären Betreuung in einer Einrichtung
nach § 45 SGB VIII überlassen, für den entsprechenden Zeitraum in der Wahrnehmung ihrer
Erziehungsverantwortung mindestens eingeschränkt. Sie sind darauf angewiesen, dass in der
betreuenden Einrichtung Voraussetzungen gegeben sind, die eine Gefährdung des
Kindeswohls möglichst ausschließen.
3. Zu den freien Entscheidungen der Eltern darüber, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer
Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen, gehört
grundsätzlich auch die Entscheidung darüber, ob sie ihre Kinder in einem Internat
unterbringen wollen. Die Grenze dieses Elternrechts verläuft indes dort, wo der Staat als
Inhaber des Wächteramtes nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG den Schutz des Kindes als
Grundrechtsträger zu gewährleisten hat. Von zentraler Bedeutung für die Gewährleistung
dieses Schutzes ist bei der Unterbringung des Kindes in einer Einrichtung nach § 45 SGB VIII
der gesetzlich normierte Erlaubnisvorbehalt für den Betrieb der Einrichtung gemäß § 45 Abs.
2 Satz 5 SGB VIII und die gesetzliche Anordnung des Sofortvollzuges für die Entziehung der
Erlaubnis gemäß § 45 Abs. 2 Satz 7 SGB VIII.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 15. Juli 2010 11 L 664/10 - wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens zu je 1/15.
Gründe
Die nach Maßgabe des § 146 Abs. 4 VwGO statthafte Beschwerde gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 15.7.2010 - 11 L 664/10 - ist fristgerecht erhoben und
begründet worden. Sie hat indes im Ergebnis keinen Erfolg.
Dabei lässt der Senat - wie bereits das Verwaltungsgericht - offen, ob den Antragstellern schon die
entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis für die Einleitung des vorliegenden
Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes fehlt.
Denn unabhängig davon kann das Vorbringen der Antragsteller weder zu der erstrebten
„Herstellung“ der aufschiebenden Wirkung ihrer beim Verwaltungsgericht des Saarlandes
anhängigen, gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23.4.2010 gerichteten
Anfechtungsklage (AZ: 11 K 498/10) führen, noch zu der hilfsweise begehrten Feststellung, dass
ihre Klage aufschiebende Wirkung hat. Denn die Kläger werden durch den angefochtenen
Bescheid nicht in eigenen Rechten verletzt.
Mit dem von den Antragstellern angefochtenen Bescheid vom 23.4.2010 hat der Antragsgegner
gegenüber dem privaten Schulträger der Erweiterten Realschule H. in B-Stadt, dem D. e.V., die
diesem mit Bescheid vom 14.9.2007 erteilte Betriebserlaubnis für das der Erweiterten Realschule
H. angegliederte Internat mit acht Plätzen gemäß § 45 Abs. 2 Satz 5 SGB VIII widerrufen und
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darüber hinaus die Schließung sowohl des genehmigten Teils der Einrichtung (acht
Internatsplätze) als auch des ungenehmigten Teils der Einrichtung (18 Internatsplätze)
angeordnet.
Die Antragsteller sind - in erheblicher Entfernung außerhalb des Saarlandes wohnende - Eltern
von Schülern der Erweiterten Realschule H. in B-Stadt, die bis zum Ende des Schuljahres
2009/2010 in dem von dem Schulträger, dem D. e.V., betriebenen Internat untergebracht waren
bzw. im Schuljahr 2010/2011 dort untergebracht werden sollen. Sie machen geltend, durch den
Bescheid des Antragsgegners vom 23.4.2010, der - mittelbar - dazu führt, dass die Antragsteller
ihre Kinder in dem von dem D. e.V. betriebenen Internat nicht weiter unterbringen können, in
ihrem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und in davon abgeleiteten Anhörungsrechten
verletzt zu sein. Dem kann nicht gefolgt werden.
Denn ein solches, unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG stehendes Elternrecht kann von
vornherein nur hinsichtlich der Nutzung einer nach Maßgabe des § 45 SGB VIII legal betriebenen
Einrichtung bestehen, nicht aber hinsichtlich der Nutzung einer Einrichtung, die - wie hier - der
private Träger der Einrichtung nach Maßgabe des § 45 SGB VIII nicht betreiben darf, deren Betrieb
also illegal wäre. Genau darauf ist aber das Begehren der Antragsteller gerichtet. Dadurch, dass
sie ein solches Begehren nicht verwirklichen können, kann das Recht der Antragsteller auf Pflege
und Erziehung ihrer Kinder aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht verletzt sein.
Bei dem von dem D. e.V. betriebenen Internat handelt es sich um eine Einrichtung im Sinne des §
45 SGB VIII, d.h. eine Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des
Tages betreut werden oder Unterkunft erhalten. Bei der Regelung der §§ 45 ff. SGB VIII ist der
Gesetzgeber von dem Grundgedanken ausgegangen, dass es besonderer Schutzvorkehrungen
bedarf, wenn Kinder oder Jugendliche über längere Zeit außerhalb des Elternhauses
untergebracht und betreut werden
Mörsberger in Wiesner, Kommentar zum SGB VIII, 3. Auflage, § 45 Rdnr. 1.
Ziel der Regelungen ist die Abwehr von Gefährdungen, die sich aus fremder, außerhalb der
Familie stattfindender Betreuung und Unterkunftsgewährung für das Wohl der Minderjährigen
ergeben können. Ausgangspunkt dieser Betrachtung ist der Übergang der Kinder oder
Jugendlichen von der elterlichen Selbstverantwortung in einen anderen Verantwortungsbereich.
Eltern sind dadurch, dass sie ihr Kind einer außerfamiliären Betreuung überlassen, für diesen
Zeitraum in der Wahrnehmung ihrer Erziehungsverantwortung mindestens eingeschränkt. Sie
sind darauf angewiesen, dass in der betreuenden Einrichtung Voraussetzungen gegeben sind, die
eine Gefährdung des Kindeswohls möglichst ausschließen
Stähr in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB VIII, § 45 Rdnr. 5.
Von zentraler Bedeutung für einen bereits präventiv gewährleisteten Schutz von Kindern und
Jugendlichen in Einrichtungen gemäß § 45 SGB VIII war für den Gesetzgeber die Schaffung eines
Erlaubnisvorbehalts für den Betrieb solcher Einrichtungen (§ 45 Abs.1 Satz 1 SGB VIII)
Mörsberger in Wiesner, Kommentar zum SGB VIII, 3. Auflage, § 45 Rdnr. 4 und Rdnr. 29.
Der Erlaubnisvorbehalt dient der Abwehr von Gefahren für die Entwicklung von Kindern und
Jugendlichen. Aufgabe des Staates ist es insoweit sicherzustellen, dass Mindestanforderungen
beachtet werden
Mörsberger in Wiesner, Kommentar zum SGB VIII, 3. Auflage, § 45 Rdnr. 12; Stähr in Hauck/Noftz,
Kommentar zum SGB VIII, § 45 Rdnr. 25
Ebenfalls der Abwehr von Gefahren für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in
Einrichtungen, hier allerdings solcher Gefahren, die erst nach Erteilung der Erlaubnis auftreten
oder sichtbar werden, dienen die als Sonderregelung zu den §§ 44 ff. SGB X in § 45 Abs.2 Satz 5
bis 7 SGB VIII normierten Regelungen zu Rücknahme und Widerruf der Erlaubnis. Auch nach
Erteilung einer Betriebserlaubnis muss sich der gebotene Schutz der in einer Einrichtung
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untergebrachten Kinder und Jugendlichen ausschließlich daran orientieren, ob im gegebenen
Zeitpunkt von der Einrichtung eine Gefährdung der Kinder und Jugendlichen ausgeht. Deshalb ist
die Erlaubnis im Rahmen einer gebundenen Entscheidung nach § 45 Abs. 2 Satz 5 SGB VIII
aufzuheben, wenn sich im nachhinein zeigt, dass das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der
Einrichtung gefährdet und der Träger nicht bereit oder in der Lage ist, die Gefährdung
abzuwenden
Mörsberger in Wiesner, Kommentar zum SGB VIII, 3. Auflage, § 45 Rdnr. 61; Stähr in Hauck/Noftz,
Kommentar zum SGB VIII, § 45 Rdnr. 43.
Dem effektiven Schutz der in Einrichtungen untergebrachten Kinder und Jugendlichen dient
insoweit auch die Regelung des § 45 Abs. 2 Satz 7 SGB VIII, wonach Rechtsbehelfe gegen die
Aufhebung der Erlaubnis keine aufschiebende Wirkung haben. Das Gesetz bewertet das
öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung mit Blick auf den effektiven Schutz der Kinder
und Jugendlichen höher als das Interesse des Betreibers an der aufschiebenden Wirkung
Mörsberger in Wiesner, Kommentar zum SGB VIII, 3. Auflage, § 45 Rdnr. 66; Stähr in Hauck/Noftz,
Kommentar zum SGB VIII, § 45 Rdnr. 45.
Vorliegend steht - bereits nach dem Erkenntnisstand des vorliegenden Eilrechtsschutzverfahrens im Verhältnis zwischen dem Antragsgegner als Aufsichtsbehörde und dem D. e.V. als Träger der
streitigen Einrichtung fest, dass letzterer das von ihm bis zum Ende des Schuljahres 2009/2010
betriebene Internat derzeit mangels einer vollziehbaren, d.h. von ihm als Betreiber ausnutzbaren
Betriebserlaubnis gemäß § 45 Abs.1 SGB VIII nicht legal betreiben kann.
Für die - über die acht mit Bescheid vom 14.9.2007 ursprünglich genehmigten Internatsplätze am
Standort S-Straße in B-Stadt hinaus - von ihm betriebenen Internatsteile im Umfang von 18
Internatsplätzen, die er im Rahmen von ihm eingerichteter sogenannter Wohngruppen unterhielt,
war der D. e.V. zu keinem Zeitpunkt, auch nicht vor Erlass des angefochtenen Bescheides vom
23.4.2010 im Besitz der gemäß § 45 Abs.1 SGB VIII erforderlichen Betriebserlaubnis.
Demgegenüber war er seit dem 14.9.2007 zunächst im Besitz einer Betriebserlaubnis für acht mit
Bescheid diesen Datums genehmigte Internatsplätze am Standort S-Straße in B-Stadt. Diese
Betriebserlaubnis ist jedoch aufgrund des von ihm als Betreiber zwar angefochtenen, aber kraft
Gesetzes (§ 45 Abs. 2 Satz 7 SGB VIII) sofort vollziehbaren Widerrufs durch Bescheid des
Antragsgegners vom 23.4.2010 entfallen. Dem dagegen gerichteten Antrag des Betreibers auf
Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 21.5.2010
in dem Verfahren 11 L 456/10 nur für eine kurze Zwischenzeit bis zum Ende des Schuljahres
2009/2010 stattgegeben und ihn im übrigen zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete
Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 11.8.2010 in dem Verfahren 3 B 178/10
zurückgewiesen.
In der genannten Beschwerdeentscheidung hat der Senat im Einzelnen ausgeführt:
„Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die vorab gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO
Bezug genommen wird, ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der auf § 45 Abs. 2
Satz 5 SGB VIII gestützte Widerruf der dem Antragsteller mit Bescheid vom 14.9.2007 erteilten
Betriebserlaubnis für 8 Plätze im Internat der erweiterten Realschule H., S-straße, B-Stadt, nach
den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Eilrechtsschutzverfahrens keinen rechtlichen
Bedenken unterliegt.
Nach der genannten Vorschrift ist eine nach § 45 Abs. 1 SGB VIII erteilte Erlaubnis zum Betrieb
einer Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut
werden oder Unterkunft erhalten (hier: Internat) zurückzunehmen oder zu widerrufen, wenn das
Wohl der Kinder oder der Jugendlichen (im folgenden: Kindeswohl) in der Einrichtung gefährdet
und der Träger der Einrichtung nicht bereit oder in der Lage ist, die Gefährdung abzuwenden.
Dabei müssen objektiv feststellbare Tatsachen vorliegen, aus denen die Gefährdung des
Kindeswohls hergeleitet wird. Verdachtsmomente genügen nicht
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Hauck/Noftz , Kommentar zum SGB VIII, Stand Juni 2010, § 45 Rdnr. 43.
Derartige Tatsachen sind vorliegend gegeben. Dabei ist der Sachverhalt, aus dem der
Antragsgegner die Gefährdung des Kindeswohls hergeleitet hat, im Wesentlichen unstreitig.
Ungeachtet der Tatsache, dass ihm mit Bescheid vom 14.9.2007 die Betriebserlaubnis für ein
Internat mit nur 8 Plätzen erteilt wurde, hat der Antragsteller bis zum Erlass des
Widerrufsbescheides vom 23.4.2010 tatsächlich eine Einrichtung nach § 45 Abs. 1 SGB VIII mit
(mindestens) 24 bis zu (maximal) 26 Plätzen betrieben.
Nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers im Rahmen des vorliegenden
Eilrechtsschutzverfahrens hatte er im Jahre 2006, nach Schließung des ursprünglich betriebenen
Internats und dem Umzug von Schule und Internat von der D-Straße nach B-Stadt 18 der
vorhandenen 26 Internatsschüler anderweitig unterzubringen. Diese seien zunächst in
„Gastfamilien“ untergebracht worden, später seien an die Stelle der Gastfamilien drei
Wohngruppen getreten. Dabei wurden bereits ab dem Schuljahr 2007/2008 (mindestens) zwei
Wohngruppen gebildet, eine am Standort S-Straße mit 6 Plätzen (Betreuerin Frau H.) und eine am
Standort D-Weg mit 5 Plätzen (Betreuerin Frau Y.). Zumindest von September 2009 bis Ende
Februar 2010 wurde eine dritte Wohngruppe mit 7 Plätzen eingerichtet in einer weiteren
angemieteten Wohnung im Wohngebiet N. (Betreuer Herr St.). Diese 7 Schüler zogen Ende
Februar 2010 (zusätzlich zu den genehmigten 8 Plätzen) in das Internat am Standort S-Straße.
(Schreiben des Antragstellers vom 8.4.2010).
Bereits im August 2006 war die Unterbringung ehemaliger Internatsschüler in Familien
Gegenstand der Erörterung zwischen Antragsgegner/Landsjugendamt und dem Antragsteller
gewesen. Dieser wurde mündlich und schriftlich am 23.8.2006 darauf hingewiesen, dass vor der
Unterbringung von Kindern in Privatfamilien bei den örtlich zuständigen Jugendämtern „für jedes
Kind eine Erlaubnis zur Vollzeitpflege gemäß § 44 SGB VIII zu beantragen“ ist. Gleichwohl
überführte der Antragsteller unstreitig bereits im September 2007 zumindest 11 Schüler in die
beiden Wohngruppen S-Straße (Betreuerin Frau H.) und D-Weg (Betreuerin Frau Y.) und später
weitere 7 Schüler in die Wohngruppe N. (Betreuer Herr St.).
Rechtlich ist dieses Vorgehen als unerlaubter Betrieb einer Einrichtung im Sinne des § 45 Abs. 1
SGB VIII zu qualifizieren, hier im Zuschnitt eines Internats. Nach Erteilung der Betriebserlaubnis
für ein Internat mit (nur) 8 Plätzen am 14.9.2007 lag damit ein zum geringeren Teil genehmigter
und zum überwiegenden Teil ungenehmigter Betrieb der Einrichtung vor.
Dem hat der Antragsteller zunächst entgegengehalten, die externen Wohngruppen seien nicht
Teil der Einrichtung (Internat) gewesen. Es bestehe kein relevanter Unterschied zwischen einer
externen Unterbringung von Schülern in „Gastfamilien“ und in Wohngruppen. Zudem hat er
geltend gemacht, die Internatsschüler würden sich von morgens zum Frühstück (ab 7.30 Uhr) bis
abends nach dem Abendessen (bis 20.00 Uhr) in der Schule aufhalten. Dies gelte für die Schüler in
„Gastfamilien“ genauso wie für die Schüler in den Wohngruppen.
Dem kann nicht gefolgt werden. Die externen Wohngruppen waren Teil des vom Antragsteller
betriebenen Internats.
Hierzu ist zum einen darauf hinzuweisen, dass eine erlaubnisbedürftige Einrichtung im Sinne des §
45 Abs. 1 SGB VIII nicht erst dann gegeben ist, wenn Kinder und Jugendliche in einer Organisation
rund um die Uhr betreut werden, sondern bereits dann, wenn Gegenstand der Einrichtung eine
bloße Unterkunftsgewährung ist
Mörsberger in Wiesner, Kommentar zum SGB VIII, 3. Auflage, § 45 Rdnr. 25.
Zum anderen ergibt sich aus den Einwendungen des Antragstellers selbst, dass die in den
Wohngruppen untergebrachten Schüler nicht nur in Bezug auf die Unterkunftsgewährung,
sondern „rund um die Uhr“ in die (Internats-)Organisation des Antragstellers eingebunden waren.
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Im Übrigen besteht sehr wohl ein rechtlich und tatsächlich relevanter Unterschied zwischen einer
externen Unterbringung von Schülern in Pflegefamilien mit Pflegeerlaubnis nach § 44 SGB VIII,
wie sie der Antragsgegner im Jahre 2006 - als Notlösung - akzeptiert hatte, und in externen
Wohngruppen, wie sie der Antragsteller seit dem Jahre 2007 betrieben hat. Der vom Antragsteller
- im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren ebenso wie im Kontakt mit dem Antragsgegner verwendete Ausdruck der Unterbringung von Schülern in „Gastfamilien“ versucht demgegenüber
den relevanten Unterschied zwischen einer externen Unterbringung von Schülern in
Pflegefamilien mit Pflegeerlaubnis nach § 44 SGB VIII und in Wohngruppen zu verwischen. Dieser
Unterschied besteht in Folgendem: Bei einer Unterbringung von Schülern des Antragstellers in
Pflegefamilien mit Pflegeerlaubnis nach § 44 SGB VIII trägt unmittelbar die Pflegeperson, d. h. der
oder die Inhaber/in der Pflegeerlaubnis, die Verantwortung für das Wohl des betreffenden Kindes
oder Jugendlichen. Bei allen sonstigen von Seiten des Antragstellers organisierten Formen der
Unterkunftsgewährung - sei es in „Gastfamilien“ ohne Pflegeerlaubnis nach § 44 SGB VIII, sei es in
Wohngruppen mit einer Betreuungsperson, die nicht Inhaber einer Pflegeerlaubnis für jedes der
betreffenden Kinder gemäß § 44 SGB VIII ist, liegt die Verantwortlichkeit für das Kindeswohl
demgegenüber originär beim Antragsteller. Solche Tatbestände erfüllen den Begriff einer
Einrichtung gemäß § 45 Abs. 1 SGB VIII und sind vom Gesetzgeber mit dem Erfordernis einer
Erlaubnis belegt worden.
Eine solche Erlaubnis hat der Antragsteller für die extern in Wohngruppen untergebrachten 11 bis
18 (Internats-)Schüler seit 2007 gesetzeswidrig nicht eingeholt und deshalb das Internat zum
überwiegenden Teil illegal betrieben. Diesen illegalen Betrieb der Einrichtung hat er gegenüber
dem Antragsgegner und dem Landesjugendamt unstreitig nicht offenbart. Nach der
summarischen Prüfung im Rahmen des vorliegenden Verfahrens spricht darüber hinaus alles
dafür, dass er den illegalen Betrieb der Einrichtung in diesem Umfang vor dem Antragsgegner
zudem auch systematisch verschleiert hat.
In den jährlichen Erhebungsbögen für den Internatsbetrieb hat er die fraglichen Plätze gänzlich
unerwähnt gelassen und, soweit gegenüber dem Antragsgegner überhaupt von diesen
Internatsschülern die Rede war, hat er angegeben, es handele sich um Schüler, die „bei
Gastfamilien“ untergebracht seien, so z. B. in dem Schreiben des Antragstellers vom 25.6.2009.
Dies musste nach den Hinweisen und Forderungen aus dem Jahre 2006 bei dem Antragsgegner
den Eindruck erzeugen, dass die Schüler in Familien mit Pflegeerlaubnis untergebracht seien.
Dem kann der Antragsteller nicht entgegenhalten, in dem jährlichen Erhebungsformular sei nur
nach Internatsschülern gefragt worden, die jeweils korrekt mit 8 angegeben worden seien,
während nach Pflegeverhältnissen gemäß § 44 SGB VIII nicht gefragt gewesen sei. Denn
unabhängig von Vorgaben in einem Fragebogen wäre es die Pflicht des Antragstellers als
Betreiber einer - nur im Umfang von 8 Plätzen genehmigten - Einrichtung nach § 45 SGB VIII
gewesen, den Antragsgegner davon in Kenntnis zu setzen, dass er seit 2007 in einem Umfang von
11 bis 18 Personen Kinder und Jugendliche aus dem Verantwortungs- und Aufsichtsbereich von
Pflegeverhältnissen nach § 44 SGB VIII systematisch herausgelöst und - in Gestalt der
Wohngruppen - in seinen eigenen Organisations- und Verantwortungsbereich überführt hat. Dies
gilt umso mehr, als dies hier zugleich zur Folge hatte, dass die betreffenden Kinder und
Jugendlichen dem Blickfeld der Aufsichtsbehörden, sowohl derjenigen für Pflegeverhältnisse nach
§ 44 SGB VIII als auch derjenigen für Einrichtungen nach § 45 SGB VIII, vollständig entzogen
wurden.
Unabhängig davon, ob der Antragsteller insoweit vorsätzlich oder fahrlässig gegen seine
Betreiberpflichten verstoßen hat, ergibt sich aus dieser Pflichtverletzung seine mangelnde
Eignung als Träger einer Einrichtung nach § 45 Abs. 1 SGB VIII. Hieraus folgt zugleich die für einen
Widerruf gemäß § 45 Abs. 2 Satz 5 SGB VIII tatbestandlich erforderliche Gefährdung des Wohls
der Kinder und Jugendlichen in der von ihm betriebenen - teils genehmigten teils ungenehmigten
- Einrichtung.
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Dem kann der Antragsteller nicht entgegenhalten, man könne allenfalls in formeller Hinsicht sein
Verhalten im Jahre 2007 insoweit beanstanden, als der Antragsgegner nicht darüber informiert
worden sei, dass die Schüler nicht mehr in „Gastfamilien“ untergebracht worden seien, sondern
in Wohngruppen. Für ihn habe es keinen rechtsrelevanten Unterschied zwischen beiden Formen
der Unterbringung gegeben.
Diese Argumentation lässt im Gegenteil selbst Rückschlüsse auf die Eignung und Zuverlässigkeit
des Antragstellers zu. Dies gilt zum einen mit Blick darauf, dass er der im Jahre 2006 in aller
Deutlichkeit erhobenen Forderung des Antragsgegners, diejenigen Schüler, die nicht in einem
genehmigten Internat untergebracht werden konnten, in Pflegefamilien mit Erlaubnis nach § 44
SGB VIII unterzubringen, offenkundig nicht mit dem notwendigen Ernst begegnet ist. Gleiches gilt
aber auch mit Blick darauf, dass er offenbar nicht erkannt hat oder erkennen wollte, dass sowohl
eine klar zugeordnete Verantwortlichkeit für die Schüler als auch eine staatliche Aufsicht über die
Verantwortlichen gewährleistet sein muss, und zwar entweder im Rahmen eines genehmigten
Pflegeverhältnisses oder im Rahmen einer genehmigten Einrichtung.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang zudem, dass der Antragsteller die Eltern der
betroffenen Kinder - im Gegensatz zu den Aufsichtsbehörden - im September 2007 sehr wohl
über deren von ihm organisierte Unterbringung in Wohngruppen informiert und deren
Zustimmung eingeholt hat.
Das dem Antragsteller von Seiten des Antragsgegners zu Recht vorgeworfene Verhalten lässt sich
daher nicht auf einen bloßen Verstoß gegen Formvorschriften reduzieren. Es geht hier nicht um
die bloße Unterlassung einer Formalie oder um ein bloß fehlerhaftes Ausfüllen jährlicher
Formulare, wie der Antragsteller geltend gemacht hat. Es geht vielmehr um das fehlende
Grundverständnis des Antragstellers von der Verantwortlichkeit des Betreibers einer Einrichtung
nach § 45 SGB VIII gegenüber den staatlichen Aufsichtsbehörden und damit letztlich auch
gegenüber den ihm anvertrauten Kindern und Jugendlichen.
Der Antragsteller kann dagegen auch nicht einwenden, es habe keine konkrete Gefährdung des
Kindeswohls gegeben.
Hierzu hat er im Wesentlichen vorgetragen, die betroffenen Schüler und deren Eltern seien mit
der Unterbringung in den externen Wohngruppen einverstanden und auch zufrieden gewesen
und in der Öffentlichkeit seien Schüler des Internats in keinem Fall negativ in Erscheinen getreten.
Dieser Einwand kann keinen Erfolg haben. Es liegt nicht in der Dispositionsbefugnis von Eltern und
deren Kindern, den unerlaubten Betrieb einer Einrichtung nach § 45 SGB VIII und die dort
herrschenden rechtswidrigen Zustände zu legalisieren. Die Notwendigkeit von Verantwortlichkeit
nach § 44 SGB VIII oder § 45 SGB VIII und die dem korrespondierende staatliche Aufsicht folgt
gerade aus der besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern und Jugendlichen, bei denen die
Wahrnehmung
der
Erziehungsverantwortung
durch
die
Eltern
oder
andere
Personensorgeberechtigte durch die Ausgliederung der Kinder aus dem eigenen Haushalt und
Eingliederung in eine Einrichtung oder Pflegefamilie faktisch eingeschränkt ist
vgl. Mörsberger in Wiesner, a.a.O., § 55 Rdnr. 2 und § 48 a Rdnr. 4.
Dies ist bei einer internatsmäßigen Unterbringung in weitem Umfang der Fall. Der
eingeschränkten Wahrnehmung der Erziehungsverantwortung korrespondiert die Notwendigkeit
der staatlichen Aufsicht. Dementsprechend ergibt sich hier ein wesentliches Element der
konkreten Gefährdung des Kindeswohls schon daraus, dass die im Rahmen der externen
Wohngruppen in die Organisation des Antragstellers eingegliederten Kinder und Jugendlichen
über Jahre hinweg jeglicher staatlichen Aufsicht entzogen waren. Dies bedeutet konkret, dass
über Jahre hinweg weder kontrolliert noch überwacht werden konnte, ob die Unterbringung der
Kinder und Jugendlichen in den Wohngruppen des Antragstellers den Sicherheitsbestimmungen
im Hinblick auf die Räumlichkeiten (z.B. Brandschutz) und eine genügende Beaufsichtigung
(ausreichende Anzahl an Betreuungspersonen auch bei Ausfällen, z.B. wegen Krankheit)
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entsprachen, noch ob eine fachgerechte erzieherische Betreuung der Kinder und Jugendlichen
gewährleistet war.
Im Gegensatz zu der vom Antragsteller vertretenen Auffassung sind tatsächliche Mängel auch
konkret zu Tage getreten und vom Antragsgegner aufgezeigt worden. Dabei hat der
Antragsgegner zu Recht darauf hingewiesen, dass es für ihn aufgrund der mangelnden
Information durch den Antragsteller erheblich erschwert war, sich überhaupt Kenntnisse über
konkrete Fakten zu verschaffen.
Im Einzelnen ist hier auf folgende ersichtlich gewordene Fakten hinzuweisen: Entgegen dem
Vortrag des Antragstellers kann es mit Blick auf die Unterbringung von 5 bis 6 Schülern in der
Wohngruppe S-Straße (Frau H.) keineswegs als unbedenklich angesehen werden, dass diese in
einer anderen - abgeschlossenen - Wohnung untergebracht waren als die ihnen zugeordnete
Betreuerin Frau H.. Auch wenn der Vortrag des Antragstellers es anders darzustellen versucht,
geht es im Kern nicht um die Frage, ob theoretisch ein unerlaubtes Sich-Entfernen von Schülern
aus einem Internatsgebäude möglich war, wie es bei der Schilderung harmloser Streiche in der
Kinder- und Jugendbuchliteratur gerne beschrieben wird. Es geht vielmehr um mögliche
Krisensituationen wie Verletzungen, Krankheit, Unwohlsein, Unfall, Feuer oder ähnliches, in
denen für die betroffenen Kinder und Jugendlichen Hilfe oder Unterstützung nicht von einer
Betreuungsperson innerhalb der ihnen zugewiesenen Wohnung erreichbar war bzw. gewesen
wäre. Um in einer solchen Krisensituation Hilfe und Unterstützung zu bekommen, hätten die
Kinder und Jugendlichen hier zunächst über ein - mehr oder minder öffentliches - Treppenhaus an
einer anderen - ebenfalls abgeschlossenen - Wohnung um Einlass und dann um Hilfe bei der dort
wohnenden Betreuungsperson nachsuchen müssen. Die Tatsache, dass die zur Vermeidung von
Krisensituationen im Vorfeld erforderliche Beaufsichtigung der Schüler durch die
Betreuungsperson durch die Unterbringung in getrennten Wohnungen ebenfalls eingeschränkt
war, tritt zu dem genannten Mangel hier noch erschwerend hinzu.
Auch die mangelnde - nicht durch eine entsprechende Ausbildung und Prüfung nachgewiesene Qualifikation der Betreuerin Frau H. führt entgegen der Auffassung des Antragstellers zu einer
konkreten Gefährdung des Kindeswohls. In Gruppen von fünf oder mehr Kindern muss immer
damit gerechnet werden, dass es auch zu Krisensituationen, gleich welcher Art, kommt, in denen
die Beherrschung der Lage durch eine professionell geschulte und dafür ausgebildete Person
gewährleistet sein muss. Dass die fragliche Betreuerin, Frau H., möglicherweise die gelockerten
Voraussetzungen für die Zulassung zur Ausübung einer stundenweisen Aufsicht im Rahmen der
Freiwilligen Ganztagsschule im Saarland aufgrund einer Vordiplomprüfung in
Psychologie/Pädagogik erfüllen könnte, steht dem nicht entgegen. In Einrichtungen nach § 45
Abs. 2 SGB VIII, wie der vorliegenden, hat der Träger ordnungsgemäß ausgebildete Erzieherinnen
und Erzieher zur Betreuung der Kinder und Jugendlichen zur Verfügung zu stellen, die aufgrund
ihrer Ausbildung organisatorisch und pädagogisch stets in der Lage sind, Krisen wie
Normalsituationen zu meistern. Darauf war der Antragsteller von Seiten des Antragsgegners in
der Vergangenheit auch wiederholt hingewiesen worden. Er war indes offenbar auch hier der
Auffassung, die Forderungen der Aufsichtsbehörde nicht ernst nehmen zu müssen.
Eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls hat der Antragsgegner zudem auch mit Blick auf die
Anzahl der zur Verfügung stehenden Betreuungspersonen aufgezeigt. Dies ergibt sich bereits
daraus, dass für jeweils eine Wohngruppe mit 5 bis 7 Kindern und Jugendlichen nur eine
Betreuungsperson vorhanden gewesen ist, ohne dass Vertretungs- und Bereitschaftskräfte für
Krankheitsfälle oder Krisensituationen vorgehalten wurden. Soweit der Antragsteller sich auf
angeblich vergleichbare Schlüsselzahlen im früheren Internat D.-Straßeberufen hat, hat der
Antragsgegner zu Recht darauf hingewiesen, dass die Situation in dem bis zum Jahre 2006 vom
Antragsteller betriebenen Internat mit Blick auf die Schlüsselzahlen für Betreuer bereits insoweit
eine andere gewesen ist, als dort zum einen alle Kinder und Jugendlichen in nur einem und nicht
in drei oder vier Gebäuden untergebracht waren und es zudem damals neben den erzieherischen
Betreuungspersonen
eine
Rufbereitschaft
von
Patres
in
der
Nacht
sowie
Betreuungsmöglichkeiten durch diese im Hintergrund gegeben hat.
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Insgesamt bestanden danach vielfältige konkrete Gefährdungen der in den ungenehmigten Teilen
der Einrichtung des Antragstellers untergebrachten Kinder und Jugendlichen.
Der Antragsgegner ist zu Recht auch davon ausgegangen, dass der Antragsteller als Träger der
Einrichtung nicht bereit und in der Lage war und ist, die Gefährdung abzuwenden.
Noch im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren hat der Antragsteller keinerlei Einsicht dahin
gezeigt, dass er seine Einrichtung zum überwiegenden Teil ohne die erforderliche Erlaubnis
betrieben, dadurch eine beträchtliche Zahl von Kindern und Jugendlichen der - in Einrichtungen
notwendigen - staatlichen Kontrolle entzogen und den aufgezeigten konkreten Gefährdungen
ausgesetzt hat. Vielmehr hat er versucht, die angesprochenen Verstöße gegen seine
Betreiberpflichten zu bagatellisieren und auf das fehlerhafte Ausfüllen missverständlicher
Formulare zu reduzieren. Ein solches Verhalten lässt - jedenfalls im Zeitpunkt des
Bescheiderlasses und auch im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung - nicht erwarten, dass die
Bereitschaft und Fähigkeit zur Abwendung der bestehenden Mängel und der daraus folgenden
Gefährdung des Kindeswohls beim Antragsteller vorhanden ist und war.
Die nach § 45 Abs. 2 Satz 5 SGB VIII als gebundene Entscheidung ergangene Entziehung der
Erlaubnis zum Betrieb des genehmigten Teils des Internats ist daher rechtlich nicht zu
beanstanden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen liegen - nach den Erkenntnismöglichkeiten
des vorliegenden Eilrechtsschutzverfahrens - vor.
Gründe, die dennoch dazu führen könnten, im Rahmen der Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5
VwGO entgegen der gesetzlichen Anordnung des Sofortvollzuges in § 45 Abs. 2 Satz 7 SGB VIII die
aufschiebende Wirkung anzuordnen, sind nicht ersichtlich. Weder die Interessen der von der
Schließung betroffenen Eltern und Schüler an einer Aufrechterhaltung der weder legal noch in der
Sache ordnungsgemäß betriebenen Einrichtung des Antragstellers, noch die vom Antragsteller
angeführten Investitionen in den Ausbau des genehmigten Teils des Internats vermögen sich
gegenüber dem durch § 45 SGB VIII geschützten und hier, wie dargelegt, auch gefährdeten Wohl
der Kinder und Jugendlichen durchzusetzen. Sobald der Antragsteller – anders als bislang – die
Rahmenbedingungen für einen ordnungsgemäßen Betrieb nachweisen kann, mag er erneut die
Erteilung einer entsprechenden Erlaubnis beantragen, um danach, auf der Basis einer
entsprechend erteilten Erlaubnis, seine Investitionen nutzen zu können.“
Ist danach der Entzug der Erlaubnis gegenüber dem privaten Betreiber der Einrichtung nach den
Erkenntnismöglichkeiten des Eilrechtsschutzverfahrens wegen Gefährdung des Wohls der
betroffenen Kinder und Jugendlichen offensichtlich zu Recht erfolgt, so kann vorliegend eine
Verletzung der ebenfalls am Kindeswohl zu orientierenden Elternrechte aus Art 6 Abs. 2 Satz 1 GG
durch den angefochtenen Bescheid vom 23.4.2010 nicht angenommen werden.
Die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in einer Einrichtung nach § 45 SGB VIII berührt
einen Grenzbereich zwischen dem in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG den Eltern garantierten Grundrecht
auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder und dem in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG normierten Wächteramt
des Staates.
Primär ist die Erziehung des Kindes in die Verantwortung der Eltern gelegt und können die Eltern
grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen und Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber
entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer
Elternverantwortung gerecht werden wollen. Oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und
Erziehung in der Beziehung zum Kind muss aber das Kindeswohl sein
vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.2.1982 - 1 BvR 188/80 - = BVerfGE 60, 79 f..
Andererseits jedoch ist der Staat aufgrund seines in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG normierten
Wächteramtes nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Pflege und Erziehung des
Kindes sicher zu stellen. Diese Verpflichtung des Staates ergibt sich in erster Linie daraus, dass das
Kind als Grundrechtsträger selbst Anspruch auf den Schutz des Staates hat
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vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.2.1982 - 1 BvR 188/80 - = BVerfGE 60, 79 f..
Zu den freien Entscheidungen der Eltern darüber, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder
gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen, gehört grundsätzlich auch
die Entscheidung darüber, ob sie - wie vorliegend die Antragsteller - ihre Kinder in einem Internat
unterbringen wollen, ebenso in wessen Trägerschaft die von ihnen gewählte Einrichtung steht
und mit welchen dort angebotenen räumlichen, personellen, pädagogischen und sonstigen
Rahmenbedingungen sie einverstanden sind.
Die Grenze dieses Elternrechts verläuft indes dort, wo der Staat als Inhaber des Wächteramtes
nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG den Schutz des Kindes als Grundrechtsträger zu gewährleisten hat.
Dies ist bei der Unterbringung des Kindes in einer Einrichtung nach § 45 SGB VIII, wie dargelegt,
die Sicherstellung von Mindestanforderungen zum Schutz der Kinder und Jugendlichen. Von
zentraler Bedeutung für die Gewährleistung dieses Schutzes ist der Erlaubnisvorbehalt für den
Betrieb der Einrichtung einerseits und die gesetzliche Anordnung des Sofortvollzuges für die
Entziehung der Erlaubnis gemäß § 45 Abs. 2 Satz 5 und 7 SGB VIII andererseits.
Schutzzweck des § 45 SGB VIII ist insoweit ausschließlich das Kindeswohl und zwar sowohl mit
Blick auf den Träger der Einrichtung als auch mit Blick auf die Eltern der dort untergebrachten
Kinder, die die Wahrnehmung ihrer Elternrechte auf diese Einrichtung übertragen haben oder
dies künftig zu tun beabsichtigen.
Ein Recht der Eltern auf Unterbringung ihres Kindes in einer Einrichtung nach § 45 SGB VIII kann
daher grundsätzlich nur bezogen auf eine Einrichtung bestehen, deren Träger sich innerhalb der
vom Gesetzgeber zum Schutz des Kindeswohls in § 45 SGB VIII gesteckten Grenzen bewegt, d.h.
der im Besitz einer vollziehbaren Betriebserlaubnis nach § 45 Abs.1 SGB VIII ist, denn nur dann
kann davon ausgegangen werden, dass in der betreuenden Einrichtung Voraussetzungen gegeben
sind, die eine Gefährdung des Kindeswohls möglichst ausschließen.
Ein gegen den Staat gerichtetes Recht der Eltern auf Unterbringung ihres Kindes in einer illegal,
unter Verstoß gegen § 45 SGB VIII betriebenen Einrichtung kann demgegenüber grundsätzlich
nicht anerkannt werden.
Dies gilt sowohl für diejenigen Fälle, in denen der Betreiber zu keinem Zeitpunkt im Besitz einer
Erlaubnis nach § 45 Abs. 1 SGB VIII gewesen ist, als auch für diejenigen Fälle, in denen dem
Betreiber eine einmal erteilte Betriebserlaubnis - vollziehbar - wieder entzogen wurde. Das Recht
der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG auf Nutzung einer privaten Einrichtung nach § 45 SGB VIII
kann insoweit nicht weiter reichen als das gegen den Staat als Inhaber des Wächteramtes aus Art.
6 Abs.2 Satz 2 GG gerichtete Recht des Trägers der Einrichtung auf Betrieb derselben.
Das Verwaltungsgericht hat danach den Antrag der Antragsteller auf „Herstellung“ der
aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23.4.2010
schon deshalb zu Recht zurückgewiesen, weil die Antragsteller dadurch, dass sie ihre Kinder in
dem von dem Don Bosco Schulverein e.V. betriebenen Internat nicht weiter unterbringen können,
nicht in ihrem Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und daraus
abgeleiteten Rechten verletzt werden.
Gleiches gilt im Ergebnis auch für den Hilfsantrag, der darauf gerichtet ist,
festzustellen, dass die von den Antragstellern gegen den Bescheid des Antragsgegners vom
23.4.2010 erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht - 11 K 498/10 - aufschiebende Wirkung
hat.
Wie zuvor dargelegt, kommt eine Verletzung der Antragsteller in eigenen Rechten durch den
Bescheid des Antragsgegners vom 23.4.2010 nicht in Betracht, weil es kein Elternrecht auf
Unterbringung von Kindern in einer Einrichtung gibt, die der Träger der Einrichtung gemäß § 45
SGB VIII nicht betreiben darf. Die begehrte Feststellung kann demzufolge schon deshalb nicht
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getroffen werden, weil mangels eigener rechtlicher Betroffenheit auch kein berechtigtes
Interesse an der begehrten Feststellung gegeben ist.
Die Beschwerde der Antragsteller war daher insgesamt zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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