Materialien zur Fastenaktion 2015 • Projektarbeit • Bilderreihe Philippinen Das Leben philippinischer Fischerfamilien: Zu wahr, um schön zu sein. von Jörg Nottebaum und Miriam Thiel, MISEREOR Aachen Bilder: Ursula Meissner ■ MISEREOR (Bild 2-8,10-12,15) Erwin Mascarinas ■ MISEREOR (Bild 9,13+14,16) Lisa Conrads ■ MISEREOR (Bild 1) Bild 1 Die Philippinen – Perle im östlichen Meer Die Philippinen – da entstehen gleich Bilder von grünen Kokospalmen, strahlendweißen Sandstränden, türkisfarbenem Meer, tropischem Regenwald. Seit November 2013 verbinden viele die Philippinen zudem mit den Schäden und katastrophalen Folgen, die der Taifun Haiyan (lokal „Yolanda“) dort hinterlassen hat. Ein Land bestehend aus 7107 Inseln und einer zusammengerechnet 36.000 km langen Küstenlinie - Ausmaße vergleichbar mit dem Äquator. Die östlichsten Inseln sind dem weiten Pazifischen Ozean zugewandt. Es wird deutlich: Das Leben auf den Philippinen ist eng mit dem Meer verbunden. Und dies bedeutet in Zeiten des Klimawandels ganz besondere Herausforderungen, deren Bewältigung über Leben und Tod entscheiden kann. Bild 2 Das Klima wandelt: sich und das Leben vieler Menschen An Stürme, gar Taifune, sind die Menschen auf den Philippinen gewöhnt. Allerdings ist der Weg, den ein Taifun nimmt, immer weniger präzise vorauszusagen. Zusätzlich nehmen die Häufigkeit und Heftigkeit der Unwetter dramatisch zu. Gerade Fischerfamilien, eine der ärmsten Bevölkerungsgruppen auf den Philippinen, müssen nah am Meer leben und sind hierdurch den Wetterextremen besonders ausgesetzt. Ihr Leben wird auch dadurch erschwert, dass sie immer weniger Erträge beim Fischfang erzielen: Die Fische verlieren immer mehr Laichgebiete und zusätzlich verringern große Fangflotten die Fischbestände in bedrohlichem Umfang. Die Fischer sind gezwungen, immer weiter aufs Meer hinaus zu fahren. Viele Fischerfamilien versuchen außerdem, alternative Einkommensmöglichkeiten zu erschließen, ohne dabei ihre Identität aufgeben zu müssen. 1 Materialien zur Fastenaktion 2015 • Projektarbeit • Bilderreihe Philippinen Bild 3 Seenomaden in der Großstadt Davao Die Sama Dilaut, auch Badjaos genannt, sind Seenomaden. Früher lebten sie auf Booten und zogen von Insel zu Insel. Inzwischen haben viele von ihnen dieses Leben aufgegeben. Manche ziehen in die Städte in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Andere fliehen vor Gewalt und Verfolgung. An der Stelle, wo sie in Davao ihre Stelzenhäuser errichtet haben, treffen sich der Davao Golf – das offene Meer – und der Davao Fluss. Angesichts von Stürmen, starkem Regen und drohenden Überschwemmungen ein gefährlicher Ort: Denn die Wassermassen treffen genau an der Flussmündung zusammen. Aber als Fischer benötigen die Menschen einen direkten Zugang zum Meer. Ein Leben fernab vom Meer ist für sie nicht vorstellbar. „Auch, wenn das Leben hier am Wasser gefährlich ist: Ein Badjao kann nur am Wasser überleben!“ Bild 4 Gelebte Solidarität ist möglich In Davao haben sich mehrere BadjaoGemeinden niedergelassen. Eine davon ist Laylate. Hier wohnen 17 Familien in einer Gemeinschaft. Alle Familien leben vorwiegend vom Speerfischen. Zwischen 4 und 6 Uhr brechen die Männer auf. Nicht alle besitzen ein Boot. Manche Boote sind kaputt, andere Familien können sich keines leisten. So schließen sich die Männer zu kleinen Gruppen zusammen, fahren gemeinsam aufs Meer, teilen sich den Treibstoff und am Ende des Tages den Fang – egal wer den Fisch letztlich gefangen hat. Da diese Erträge aber häufig nicht ausreichen, versuchen sie zusätzlich durch den Verkauf von Secondhand-Kleidung und Perlenschmuck ihre Familien zu ernähren. Bild 5 Familie Kande Eine dieser Familien ist die Familie Kande. Anita und Laute leben hier zusammen mit ihren fünf Kindern. Laute fährt wann immer möglich hinaus aufs Meer, Anita kümmert sich um die Kinder und den Haushalt. Die Familie engagiert sich sehr für das Gemeindeleben: „Auch wenn wir kein Geld teilen können, so können wir die Arbeit teilen!“ So half Laute beim Bau der Bühne, die den Mittelpunkt der Gemeinde bildet und Anita möchte sich schon bald in einem Notfallteam engagieren. Denn dies ist eine der wesentlichen Herausforderungen aller hier: Als Fischerfamilien nah am Wasser leben zu müssen und gleichzeitig davon bedroht zu sein. Es ist also unerlässlich, dass die Familien im Notfall wissen, was zu tun ist. 2 Materialien zur Fastenaktion 2015 • Projektarbeit • Bilderreihe Philippinen Bild 6 Gemeinsam Lösungen erarbeiten „Im Katastrophenfall können die Rettungswagen die Gemeinden am Wasser nicht erreichen, weil die Zufahrtswege nicht existieren oder zu eng sind. Ihr müsst euch also selbst auf den Ernstfall vorbereiten: Ihr müsst euch selbst retten können!“ so Erick Ley Mundiz, Mitarbeiter der MISEREOR-Partnerorganisation Mindanao Land Acquisition, Housing & Development Foundation Incorporated (MinLand), die eng mit den Gemeinden der Seenomaden zusammenarbeitet. So haben die Fischerfamilien selbst ihre Gemeinden kartographiert und besonders gefährdete Hütten markiert. Dieses ist jedoch nur ein Schritt von vielen: Gemeinsam erarbeiten sie mit MinLand Pläne und Konzepte für den Katastrophenfall und tragen gemeinsam ihre Anliegen der lokalen Verwaltung vor. Bild 7 Wasserstandsanzeiger, Notfallplan, Erste Hilfe Welche Wasserhöhe ist normal, ab welcher Wasserhöhe müssen erste Vorsorgen getroffen werden? Wohin flüchte ich mit meiner Familie? Wie kann ich kleinere Wunden selbst versorgen? Was muss ich unbedingt im Falle einer Evakuierung mitnehmen? All dies sind Fragen, die bei von MinLand durchgeführten Trainings mit den Menschen erarbeitet und beantwortet werden. In jeder Gemeinde wird ein Team von Nothelfern ausgebildet, die im Katastrophenfall für ihre Gemeinde verantwortlich sind. Daneben gibt es natürlich auch Absprachen innerhalb der Familien. „Anita weiß genau, wann sie mit den Kindern gehen soll, weil es zu gefährlich wird - auch wenn ich nicht da bin!“ so Laute Kande. Bild 8 Recht auf sicheres Wohnen MinLand widmet sich seit 1990 der Aufgabe, die Interessen städtischer Armer gegenüber der Verwaltung zu vertreten und sie darin zu unterstützen, ihre Wohnrechte selbst einzufordern. Gefährliche und unsichere Plätze sind typisch für Armensiedlungen. Das trifft auch auf die Badjaos zu, die nun an einer Flussmündung leben. Auf den Philippinen sind inzwischen fast 14 Millionen Menschen bedroht, ihren bisherigen Wohnraum in Küstennähe zu verlieren; Grund dafür ist u.a. der Anstieg des Meeresspiegels. Es geht also darum, alternative Siedlungsflächen zu finden oder aber die gegenwärtigen für den Katastrophenfall abzusichern. So ist es für MinLand unerlässlich, gemeinsam mit den Fischerfamilien auch den Schutz der Umwelt und der natürlichen Ressourcen im Wassereinzugsgebiet des Davao Flusses sicher zu stellen. 3 Materialien zur Fastenaktion 2015 • Projektarbeit • Bilderreihe Philippinen Bild 9 Auf nach Siargao! Wir machen einen Ortswechsel auf die Insel Siargao. Auf den ersten Blick sieht alles sehr idyllisch aus: die längsten zusammenhängenden Mangrovenwälder der Welt, traumhafte Korallenbänke im türkisfarbenen Wasser des pazifischen Ozeans, weiße Sand-strände für die Touristen des Surfer-Paradieses. Der Schein trügt. Denn nicht ohne Grund arbeitet hier seit zweieinhalb Jahren die MISEREOR-Partnerorganisation SIKAT gemeinsam mit den Fischerfamilien für ihre Rechte auf Wohnraum, für eine Sicherung ihres Einkommens und damit eng verbunden für eine Bewahrung des maritimen Lebensraums, der sie gleichzeitig auch vor Taifunen und Überflutungen schützen muss. Bild 10 Armut ist sichtbar Auf den zweiten Blick prägen einfache Bambushütten die Küstenabschnitte der Insel Siargao: Sie sind auf dieser östlichsten Insel der Philippinen besonders dem offenen Pazifik mit all seinen Fluten und Taifunen ausgeliefert. Der Fischfang bestimmt auch hier den Alltag der Familien. Schnellere und höhere Erträge hatten sich die Fischer durch Dynamitfischen erhofft, inzwischen haben sie durch die Bildungsarbeit von SIKAT gelernt, dass hierdurch auch wichtige Korallen als Lebensraum für Fische und Muscheln, im schlimmsten Fall auch das Leben von Fischern, zerstört werden. Manche Familien fischen an einem Tag lediglich eine Handvoll kleiner Fische, die oft nur für die tägliche Ernährung reichen, nicht aber für den Verkauf auf dem Markt. Bild 11 In nur zwei Jahren hat SIKAT viel erreicht Vor zwei Jahren hat SIKAT (Center for the Development of Indigenous Science and Technology, Inc.) ein kleines Büro in Del Carmen eingerichtet. Auch wenn hier nur vier Angestellte auf engstem Raum arbeiten, so tun sie dies äußerst engagiert, kompetent und somit sehr erfolgreich. Ihre Hauptarbeit findet auf den Straßen, an der Küste oder auf dem Meer statt: Mit der lokalen Polizei haben sie erreicht, dass diese nun auch die Küstenregionen bewacht, um dort Umweltzerstörungen zu bestrafen oder vorbeugen zu können. Mit Unterwasserkameras dokumentieren sie immer wieder Areale des Meeres und lassen gefährdete Regionen unter Naturschutz stellen. Vor allem aber nutzt SIKAT die lokalen Strukturen der People-Organizations (lokale Basisgruppen), um mit ihnen gemeinsam neue Einkommensquellen zu erschließen. 4 Materialien zur Fastenaktion 2015 • Projektarbeit • Bilderreihe Philippinen Bild 12 Die Mangroven-Abholzung stoppen Als Brennholz nutzen die Fischerfamilien in Del Carmen traditionell das getrocknete Holz der Mangroven, die unweit vor der Küste im Meeresboden wachsen. Mit deren Abholzen und Handel haben viele Familien ihr Einkommen bestritten. Einen zu hohen Preis hierfür zahlt jedoch die Natur selbst und somit eines Tages auch die Familien der Insel Siargao: Denn nur intakte und ausreichende Mangrovenwälder sichern einen guten Lebensraum für Muscheln, Fische und Korallen. Im Falle eines Taifuns oder einer Überflutung haben sie außerdem die Eigenschaft, die Wucht des Sturms und der Wassergewalten zu brechen und auszubremsen. So treffen Wind und Wasser die Küste nicht mit ihrer vollen Kraft und bewahren im Katstrophenfall viele Menschenleben und Hütten vor Tod und Zerstörung. Bild 13 Krebszucht als neue Einkommensquelle Eine neue Einkommensquelle finden die Fischerfamilien in der Krebszucht: Mit der lokalen Basisgruppe KAMAMANA, einer Vereinigung von Fischern und Farmern in Del Carmen, hat SIKAT eine Krebszuchtstation aufgebaut. Gefüttert werden die Schlamm- oder Mangrovenkrebse hier mit zerstoßenen Muschelschalen und kleinen Fischen und können so ein Gewicht von bis zu vier Kilogramm erreichen. Agapito Sulima ist als Vorsitzender der Vereinigung stolz auf das, was sie gemeinsam in nur einem Jahr geschaffen haben. Denn die Krebszuchtstation haben sie so konstruiert, dass sie quasi ein schwimmendes Haus auf dem Wasser ist, das sich wie ein Boot an die unterschiedlichen Wasserstände von Ebbe und Flut anpasst und auch Stürmen standhalten kann. Bild 14 Aus dem Wasser in die Sonne Frischfisch auf dem lokalen Markt zu verkaufen, ist schon lange nicht mehr attraktiv: Die Preise sind schlecht, die Transportwege von Insel zu Insel bei Ebbe oder Sturm nicht immer schiffbar, und auch das Verderben der frischen Ware lassen die Gewinne der mühsamen Arbeit schwinden. Nach dem Motto „Neu denken und Veränderung wagen“ haben die Fischerfamilien gemeinsam mit SIKAT die Herstellung von Trockenfisch umgesetzt: Jetzt werden die Fische filetiert und auf großen Vorrichtungen in der Sonne getrocknet. So sind die Fischfilets auch für längere Verkaufs- und Verzehrzeiträume konserviert und erzielen so einen höheren Preis im Vergleich zum Frischfisch. 5 Materialien zur Fastenaktion 2015 • Projektarbeit • Bilderreihe Philippinen Bild 15 Die eigene Zukunft pflanzen An jedem Samstag ist Mangroven-Pflanztag! Abwechselnd beteiligen sich hier ehrenamtlich verschiedene Gruppen. Eine davon ist die Schulkasse von Jolina und Jefferson Doligol. Mit Booten fahren sie gemeinsam aufs Meer hinaus. Nach einer kurzen Einführung in die Pflanztechniken beginnen sie die anstrengende Arbeit: Bis zu den Hüften waten sie durch den Meeresschlamm und stecken die von den Bäumen gepflückten Setzlinge in den fruchtbaren Boden. Sicherheitshalber pflanzen sie immer zwei auf eine Stelle, damit mindestens eine davon Wurzeln fassen und nach einigen Wochen erste Blätter treiben kann. „Mit den neuen Mangroven machen wir die Fehler unserer Eltern und Großeltern wieder gut und pflanzen unsere eigene Zukunft“, sagt Jolina. Sie ist gerade 15 Jahre alt geworden. Bild 16 Die Zeit zum Handeln ist jetzt Ob in Davao City oder auf Siargao Island, besonders die Fischerfamilien sind von den Folgen der Klimaveränderung betroffen und bedroht. Gemeinsam mit den MISEREOR-Partnerorganisationen MinLand und SIKAT stellen sie sich jedoch den vielschichtigen Herausforderungen und geben nicht auf. Es ist an uns, unseren Lebensstil kritisch zu hinterfragen, aber auch das zukunftssichernde Engagement der philippinischen Fischerfamilien mit unserer Spende zu unterstützen.. Warten wir also nicht, bis in den Nachrichten die nächste Katastrophenmeldung unsere Wohnzimmer erreicht… „SALAMAT“ und „MAGSUKOL“ – beides heißt Danke! Unterstützen Sie die MISEREOR-Partner auf den Philippinen und in der Welt: Selbst kleine Summen können große Erfolge bewirken! MISEREOR-Spendenkonto IBAN DE75 37060193 0000101010 BIC GENODED1PAX Kennwort: Fastenaktion 2015 - S07667 Für Vorträge dieser Bilderreihe stehen Ihnen eine Powerpoint-Version, eine Projektbeschreibung sowie ein Bilderordner zur Verfügung. Weiterführende Hintergrundinformationen bietet Ihnen der Grundlagenartikel, zu dem es ebenfalls eine Präsentation gibt. Sie finden alle genannten Materialien auf der DVD zur Fastenaktion 2015 unter "Projekt, Partner und Hintergrund" und im Internet unter www.fastenaktion.de 6