Du bist schön! Die Fastenaktion der evangelischen Kirche ruft auf

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Du bist schön!
Die Fastenaktion der evangelischen Kirche ruft auf:
Sieben Wochen ohne Runtermachen
O-Ton-Paket | O-Ton-Geber: Arnd Brummer
7 Wochen ohne Runtermachen – So heißt das Motto der diesjährigen
Fastenaktion. Wieso denn das? Haben Sie den Eindruck, wir machen uns alle
zu oft oder zu viel gegenseitig runter?
00:00 Ja. Und wir fangen bei uns selbst morgens vor dem Spiegel an. Wir haben uns bei
diesem Motto auch in eine Konversation begeben mit dem Motto des Jahres
innerhalb der Reformationsdekade, das um das Thema „Bild und Bibel“ geht, und
haben uns gefragt: „Was haben wir für ein Bild von uns selbst?“
Was ist das Ziel der Fastenaktion Titel „Du bist schön!“?
00:21 Der Obertitel heißt „Du bist schön!“. Und der Untertitel heißt „7 Wochen ohne
Runtermachen“. Das heißt, wir sollten uns dran erinnern, dass nicht der Mensch
Gott werden soll, sondern dass mit diesem Jesus von Nazareth Gott Mensch
geworden ist, und dass die Ebenbildlichkeit das Thema ist. Gott schuf den
Menschen nach seinem Bilde, also: So wie wir sind, sollten wir uns zunächst
einmal akzeptieren. Uns selbst und die anderen auch. Und nicht immer die
Defizite markieren.
Wie geht das denn?
00:53 Ja, wir haben uns ja dran gewöhnt, und unsere Gesellschaft und unsere
ökonomischen Herausforderer wollen das ja jeden Tag von uns, dass wir
Ratgeber, Produkte und ähnliches erwerben, um endlich unsere Defizite zu
überwinden. Wir leben ja in einem Zustand der zwanghaften Optimierung. Das ist
ja auch wirtschaftlich interessant, wenn ich ein Defizit habe, wenn ich zu dick bin,
kauf ich mir Diät-Pillen, wenn meine Haut nicht geschmeidig genug ist, kauf ich
mir ’ne Creme, um sie drauf zu schmieren. Also die Tatsache, dass ich ständig in
einem Defizit bin ästhetisch, auch hinsichtlich meines Tuns, sorgt dafür, dass ich
mit ’nem schlechten Gewissen rumlaufe, und immer an mir arbeite, mich
optimiere, ich bin nie gut genug, nie schön genug.
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Und wir wollen dieser Mentalität des Nie-zufrieden-seins mit sich und anderen
etwas entgegensetzen, eben aus der Gottesebenbildlichkeit. Wenn der Gott
tatsächlich die Menschen nach seinem Bilde schuf, dann können’s nicht alles
Versager und Rohrkrepierer sein. Und wenn man morgens vorm Spiegel damit
anfängt, nicht zu sagen „Oh, wie seh’ ich wieder sch... aus“, sondern zu sagen
„Mensch, guten Morgen, ich geh jetzt fit in diesen Tag, Du bist schön, wie Du mich
da anguckst im Spiegel“ – Das erfordert mehr Überwindung, als zu sagen: „Ach,
ich bin ja wieder furchtbar“. Und diese Überwindung zu trainieren, morgens mit
sich selbst, liebe Deinen nächsten wie Dich selbst ermöglicht einem dann auch in
der Firma, im Fahrstuhl, zu jemandem zu sagen: „Mensch, schicken Anzug hast Du
an“ oder: „Tollen Mantel!“.
Wie reagieren die Leute?
02:24 Die Leute – ich hab’s jetzt in den letzten Wochen auch ausprobiert – neigen dann
leicht dazu, verlegen zu werden, an sich runter zu gucken, wenn man sagt: „Toller
Mantel“ – „Wieso? Wawawa, der war gar nicht so teuer!?“ – Das sind die
Reaktionen, die man bekommt, und man kommt in ein gutes Gespräch, wenn man
mit ’ner Anerkennung beginnt.
Und wenn man dann noch das ausweitet neben „Du bist schön!“ auf „Du bist gut!“
und mal Danke sagt, dann wird man in gute Gespräche kommen, und die
Ebenbildlichkeit des anderen ermöglicht einen, sich selbst auch als Ebenbild zu
erkennen, und der andere erkennt einen auch so.
Wenn ich aber feststelle: Ich finde mich gerade nicht so schön wie noch ein
halbes Jahr vorher. Geht’s dann darum, dass ich 7 Wochen lang die Augen
verschließe vor dem, was ich eigentlich nicht schön finde? Also sagen „Du bist
schön“ und lieber mal nicht hinschauen?
02:59 Nein, schauen Sie sich doch mal die Filmstars an, die uns im Gedächtnis bleiben.
Das sind nicht die perfekten Kalenderblatt-Schönheiten, sondern sie haben etwas
Markantes. Und das gehört auch zu einem anderen Schönsein, als einem
absoluten Ebenmäßigsein. Wenn jemand eine spannende Stirnfalte hat, die sich
wahrscheinlich in den Jahren ergeben hat, in denen er intensiv ständig
nachgedacht hat, wahrscheinlich auch genetisch bedingt, dann muss das kein
Makel sein. Man muss nur akzeptieren, dass das „and they all look just the same“
– „Und sie alle sehen gleich aus“ – dass das nicht die Ebenbildlichkeit ist. Und dass
man vielleicht das Besondere an sich morgens schon mal sucht im Spiegel, sagt:
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„Was hab ich Besonderes“.
Die Vielgestaltigkeit des Schönseins ist keine Kalenderblattgeschichte, sondern
das Markante, das Profil!
Die Aktion ist ja eine Fasten-Aktion. Wie passt der Aufruf, das Schöne zu
entdecken, zum Fasten? Viele denken ja: Fasten heißt verzichten.
03:53 Ja, das ist ein großer Punkt. Wir sind eine evangelische Fastenaktion, und wenn
man sich bei den Reformatoren umschaut, welcher Reformator hat sich mit dem
Fasten beschäftigt, dann ist es nicht Martin Luther, und es ist nicht Jean Calvin,
sondern es ist Ulrich Zwingli aus Zürich.
Die Fastenzeit ist ja eine Analogie zu den 40 Tagen, die Jesus in der Wüste
verbracht hat, um sich zu entschließen, den Weg zu gehen, den sein Vater ihm
gewiesen hat, der mit der Kreuzigung und der Auferstehung endet. Und Zwingli
sagt, er ist in die Wüste gegangen, um sich zu entschließen, um Ruhe zu haben,
um zu überlegen, ob er das schafft. Und „fasten“ ist das althochdeutsche Wort für
„schließen“, „beschließen“, „sich entschließen“, das uns zum Beispiel im
Englischen im Flugzeug mit „Fasten your seatbelts“ begegnet, aber auch in dem
deutschen Wort „fassen“, „ich fasse es nicht“, „ich fasse es“. Das ist sozusagen das
Bruder- oder Schwesterwort dazu.
Und Zwingli sagt, der ist nicht in die Wüste, um wenig zu essen, sondern, um sich
zu entschließen, und weil er da seine Ruhe haben wollte. Und dass er dort wenig
gegessen hat, lag ganz einfach daran, dass es an dem Ort, an dem er seine Ruhe
haben wollte, einfach wenig gab.
Aber es ist trotzdem nicht verkehrt, weniger zu essen, oder?
05:03 Wem das nützt, auf was zu verzichten, um seinen Alltag zu verändern, um eine
andere Perspektive zu bekommen, der soll das tun, sagt Zwingli. Aber es ist nicht
Vorschrift für alle, es ist nicht selber ein gutes Werk, der Verzicht, sondern es ist
ein Hilfsinstrument, um eine andere Perspektive auf sein Leben zu gewinnen:
Was mach’ ich falsch? Was muss ich verändern? Was mach’ ich richtig? Was muss
ich noch nachdrücklicher tun?
Wir sagen, wenn das entlang des Alltags über 40 Tage probiert werden kann, wie
verändern wir uns – auch in Gesprächen, auch in Gruppen –, dann haben wir ’ne
Chance, dass wir sagen: „Ja, an der und der Stelle müssen wir in unserem Leben
etwas korrigieren, im Umgang mit den anderen“.
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Um was geht es in den sieben Wochen mit ihren einzelnen Wochenthemen?
05:41 Wir fangen an mit „Du bist wunderbar gemacht“ aus dem Psalm 139. Da ist
eben die Idee, dass wir Gottes Ebenbild sind und nicht selbst zu Optimierende.
05:55 Wir machen dann weiter mit „Du bist ein Talent!“, schätze die Schönheiten der
Geschenke, die Du bekommen hast. Die eine hat ’ne tolle Stimme, der andere kann
toll Dialekte nachmachen, die dritte kann besonders schön Klavierspielen.
Schätze das, was Du mit Deinen Schönheiten in Deinen Alltag bringst, mit deinen
Gaben.
06:16 In der dritten Woche heißt es: „Du bist nicht, wofür man dich hält!“. Da geht’s
also auch um Lukas 19, das Heraustreten aus dem, was andere einem überstülpen
als Klischee, als Image, und zu sagen: „Ich schau mal, was die Differenz zwischen
dem Image und meiner selbst empfundenen Wirklichkeit ist, und versuche das
sichtbar zu machen“.
06:40 Dann haben wir „Du bist fair!“ und beziehen uns dabei auf Matthäus 19. Das ist
der Knigge, anständig miteinander umgehen.
06:49 Und den Umgang auch mit den Kindern, mit den Kleinen, „Lasset die Kindlein zu
mir kommen“: Wir haben uns auch daran gewöhnt, unsern Kindern klar zu
machen, dass, wenn sie in dieser Welt bestehen wollen, dass sie konkurrenzfähig
sein müssen, immer das Beste aus sich rausholen. Das ist nicht im Sinne dieses
Jesus’. Und das ist eben das Motto „Du bist klein aber wichtig“.
07:12 Und dann kommt noch mal das Hohe Lied direkt mit „Du bist schön!“. Das sagen
ja zwei zueinander im Hohen Lied, die einander erklären, eine Liebeserklärung
machen, das sollten wir auch häufiger tun.
07:24 Und eben dann die Genesis am Schluss, so schuf der Gott den Menschen „nach
seinem Bilde“. Wir sind also nicht irgendein seltsames Fossil oder seltsame
Entgleisung, sondern wir sind so gewollt, wie wir sind, und zwar aus christlicher,
jüdischer oder auch muslimischer Sicht. Gottes Ebenbilder.
Welches dieser Wochenthemen gefällt Ihnen persönlich ganz besonders?
07:44 Also, ich kann sagen, dass mir „Du bist schön!“, so wie wir’s als Titel für die
gesamte Veranstaltung haben, schon sehr wichtig ist. Ich muss da auch selbst
lernen beim Spiegel morgens und muss es lernen, das anderen zu sagen, zum
Beispiel meinem Sohn, der nun ganz andere Vorstellungen von Frisur hat, als ich
sie habe …
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Wer steckt eigentlich hinter der Aktion „7 Wochen ohne“?
08:06 Sie ist gegründet worden von einem evangelischen Pfarrer in Hamburg namens
Hinrich Westphal, der zusammen mit Freunden, Journalisten, Kollegen sagte:
„Mensch, wir Evangelischen können doch das Thema Fastenzeit nicht entweder
katholisch machen, also mit der asketischen Seite – Nach dem Karneval im
Rheinland kann man kein Bier mehr sehen –, und wir können es auch nicht
einfach nur lassen. Was steckt denn da drin?“ Und die haben angefangen, diese
Mottos zu entwickeln, dann hatte Westphal irgendwann gesagt: „Ich schaff das
nicht mehr“. Dann hat das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik in
Frankfurt das Ding übernommen.
08:38 Es gibt jetzt ein gutes Kuratorium, geleitet von der Münchner Regionalbischöfin
Susanne Breit-Keßler, da sitzen Journalistinnen, PR-Leute, alle evangelisch, und
auch Theologen drin. Und da wird dann immer heftig diskutiert: „Was könnte
jetzt das Motto sein?“, da fliegen auch mal die rhetorischen Fetzen, aber am
Schluss sagen wir immer: „Hey, Du bist schön, Motto! Da ist uns doch wieder nach
mehreren Stunden was gelungen“.
Zur Begleitung der Fastenzeit unter dem Motto „7 Wochen ohne
Runtermachen“ gibt es ja auch ein paar Fastenhilfen ...
08:38 Wir haben zwei Kalender, einen Tischkalender, einen Wandkalender, der sich
großer Beliebtheit erfreut, mit Bildern, mit theologischen Texten, mit
literarischen Texten, auch mit frechen Texten, die einem helfen, jeden Tag, wenn
man das umklappt, mit dem Thema neu zu Recht zu kommen.
Wir haben darüber hinaus das Ganze noch in klein, als Tischkalender, und wir
haben Materialien, wir haben unsere „Zutaten“, das ist speziell auch für die
Gruppen, die sich doch in tausendfacher Zahl dann ein Mal in der Woche treffen
und das Wochenthema miteinander besprechen, und die noch über das
Kalendermaterial hinausgehende Texte und Anknüpfpunkte wollen …
Und wir haben zusammen mit der Rundfunkarbeit der Evangelischen Kirche
einen Eröffnungsgottesdienst der Fastenaktion, am Sonntag nach
Aschermittwoch, also am ersten Sonntag in der Fastenzeit, am 22. Februar dieses
Jahr in Leipzig in der Michaeliskirche, wird live übertragen im ZDF, wird die
Kuratoriumsvorsitzende Susanne Breit-Keßler predigen.
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Wenn ich noch nie gefastet habe, womit überzeugen Sie mich, es mal
auszuprobieren?
10:13 Ich überzeuge Sie damit, dass es ganz gut ist, eine Periode im Jahr zu haben, wo
man mal nicht in der ständigen Hast lebt Ich-muss-jetzt-einfach-gucken-dass-esweiter-geht, sondern wo man mal so ’n Blick wirft auf das ... ich sag ja, wie’s
mancher auch mal im Urlaub mal kurz probiert, aber entlang des Alltags, was
wahrscheinlich nachhaltiger funktioniert, mal zu gucken, mal zu reden: „Wie
gehen wir miteinander um?“ Und die Themen sind nur ein Ansatz. Wenn Sie ein
anderes Motto, ein anderes Thema finden, gerne, aber wir glauben, es hat schon
’nen Sinn, dass das Jahr nicht nur in einer Folge an Abläufen vorüberrauscht,
sondern, dass die Fastenzeit so ’n Punkt ist, zu sagen: „Hey, ich schau mal, und
dann entschließe ich mich vielleicht, was zu verändern“.
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